Ein Ton, der sich anhörte, als würde ein Snibunna über eine Tafel kratzen, war kein schöner Ton. Das merkte auch das dünne Enton, welches sein Lager mal wieder vor dem örtlichen Pokémon-Center in Stratos City aufgeschlagen hatte. Wieso tat es das überhaupt noch? Jeden Tag kamen menschliche Deppen und solche, die Pokémon waren, und machten Krach. Achja, richtig. Es beantwortete sich die Frage selber. Es benötigte das Geld und am Center gab es nun mal die meisten Spenden. Aber der, der heute da war, war kein Depp. Okey, keiner, der mutwillig Lärm machte, aber trotzdem ein wahrlicher Idiot.
Sein Gesicht rutschte die Glasscheibe der Türe herunter und hinterließ dort einige Speichel- und Schweißflecken. Quietsch... Wie eine schleimige Schnecke glitt sein Gesicht mit der rechten Wange das saubere Glas herunter. „Tok!“, machte es, als der kleine Junge mit chaotischen Haaren wie ein träges, tagträumendes, scheinbar uninteressiertes Bummelz auf den Boden aufkam. So langsam wie er am Boden war, so langsam stand er auch auf. Wenigstens stand er überhaupt auf. Er rutschte zuerst auf die Knie und schürfte sich dabei die schon angerissene Stoffhose an den Kniestellen leicht auf. Dann stütze er sich auf die Hände und drückte sich mit aller Kraft, und das war nicht viel in den Armen, hoch. Er zog die Füße hektisch heran und stand dann schließlich. Zuerst schwankte er noch, aber... natürlich musste das Schicksal wieder mitspielen. Die Tür schwenkte auf und traf den unordentlich gekleideten Junge direkt am Kopf. Er sah Sternchen und dann wurde alles schwarz.
„Wenn das nicht unser Horatimo ist!“, war das Erste, was Rati hörte. Und ein zarter Fußtritt in die Seite das Erste, was er spürte. Er drehte sich auf den Rücken und blinzelte ein wenig, um das Verschwommene schärfer zu erkennen. Es klappte nicht und er wusste im nächsten Moment auch wieso. Es betastete seine Augen: Keine Brille! Er betastete den umliegenden Boden unter schallendem Gelächter. Endlich! Zitterig setzte er sich seine Brille mit den beiden großen, runden Gläsern auf. Jetzt konnte er... nur etwas auf einem Auge sehen? Oh, nein! Ein Glas war zerbrochen. Das würde wieder Ärger geben. Was sollte er seiner Mutter sagen? Wieso hatte er nicht schon lange Kontaktlinsen? Sein Kopf riss ihn aus den Überlegungen, wie er alles rechtfertigen könnte: „RATI! RAATI! STEH AUF! OH, MANN! MERKST DU NICHT WER DORT OBEN STEHT?! SCHLAF DOCH NICHT, STEH AUF!“ Rati verdrehte die Augen und erhob sich widerwillig. Er guckte erst in die falsche Richtung und war schon verblüfft, wer denn so gelacht hatte, doch dann wurde er angetippt und drehte sich um. Vor ihm stand Dave, der zwei Köpfe größere, weitaus kräftigere, besser aussehendere Rüpel aus der Klasse von Horatimo. Er drangsalierte Rati schon seit dem ersten Tag der „Privatschule“, welche mehr eine Kinderbetreuung als eine Schule war. Sie befand sich in einem Stock weit oben in einem der unzähligen Hochhäuser Stratos Citys. Alle Schüler wohnten ebenfalls in dem Gebäude, sodass keiner einen langen Hin- und Rückweg hatte, aber leider konnten sich Rivalen nur schwer aus dem Weg gehen. Rati stammelte: „Ähm.. Dave... Ha- Hallo. W-Wieso bist du denn h-hier?“ Dave ging nicht auf die Frage ein. „Hab ich da den kleinen Horatimo am Kopf getroffen... Ooh. Das tut mir aber leid.“ Er lachte höhnisch und schnipste gegen Ratis Schläfe. Dave wendete sich ab und zeigte beim Weggehen seinen Stinkefinger. Wo war eigentlich Daves Pokémon-Freund... dieses Machol... „UFF!“ Rati spürte einen harten Schlag gegen seinen Bauch. Schreckhaft blickte er nach unten und sah das wegtapsende Machollo seines Erzfeindes, welches schadenfroh grinste und schnell hinter seinem Trainer herlief. Er musste ein paar mal tief durchatmen, bis er sich überhaupt wieder regen konnte. Verdroschen. Na, toll. Da will er einmal einen Pokéball kaufen gehen, weil er sich einen Partner zulegen will, um nicht immer hilflos zu sein und schon taucht Dave auf und verprügelt ihn in aller Öffentlichkeit. Wäre er doch gar nicht erst gegen die Tür geklatscht! In Situationen wie diesen verfluchte er seine Tagträume. Manchmal ist es eine gelegene Flucht aus seinem problemgespickten Leben. Er hörte einen tiefen, brummenden Ton und kurz danach roch er einen miefigen, sauren Gestank. „Enton, Enton.“ „OH! MEIN! GOTT!“, entfuhr es ihm und er drehte sich peinlich berührt und etwas wütend um. Das Enton saß mit einem Lächeln da und zuckte mit den Schultern. „Enton.“ Rati verstand die Pokémonsprache nicht, aber diesmal konnte er genau deuten, was gemeint war: 'tschuldigung. Er schnaubte, wendete sich der Türe zur, öffnete sie dieses mal und stampfte ins Gebäude. „So ein Pokémon wird es sicher nicht! So unnütz, stinkend, schwach und dreckig“, dachte er bei sich. Er schaute an sich herunter und betrachtete sein fleckenübersätes Shirt und sein ausgefransenes Hemd. Er zuckte, dem Enton nicht unähnlich, die Schultern. „Es soll ein starker Begleiter werden! Wir werden uns gegenseitig helfen! Vielleicht auch ein Machollo wie Dave eins hat... oder ein Fukano. Praktibalk wäre auch gut. Oder ein Rotomurf, oder...“ „WAS WOLLEN SIE KAUFEN?!“, schrie ihn der Verkäufer in aller Deutlichkeit an. Rati wurde aus seinen Gedanken gerissen. „Oh, ähm... Ein Pokéball, bitte.“ „Wird ja langsam mal Zeit“, grummelte der Verkäufer. „200 Pokédollar, bitte“, forderte der Verkäufer. „Was?“, fragte Rati, der schon fast wieder in der Traumwelt war. „Zweihundert...“ „Achja, achja.“ Er kramte in einer Hosentasche herum und zog die sorgfältig vorbereiteten 200 Pokédollar heraus. Man, brauchte er lange, um diese zusammenzukratzen. Endlich hielt er seinen eigenen Pokéball in den Händen! Er betastete das kühle Metall und durchdachte diese ganzen verschiedenen Möglichkeiten, die sich ihm nun baten. Den Blick fest auf den weiß-roten Ball gerichtet, schlürfte er nach draußen. Im Augenwinkel blitze kurz vor der Tür ein gelbes Schild auf. Er schaute es an, kniff die Augen zusammen und las es, während er weiterging. „Achtung, Stuf...ÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄH“ Und schon wieder lag er auf dem Boden vor dem Poké-Center, diesmal bei Sinnen, doch... wo war der Pokéball?! Hektisch blickte er sich um und sah den geöffneten Pokéball schräg neben ihm liegen. „Puh, nur offen“, dachte er bei sich erleichtert. Doch dann blitzte ein heller Strahl aus der Kugel und umhüllte das Enton, welches gleichgültig an seiner Stelle sitzen blieb. „Nein, nein, nein, nein, NEIN!“, schrie Rati und krabbelte auf den Ball zu. Doch es war zu spät. Enton wurde von dem Ball verschlungen, welcher drei mal hin- und herwackelte und dann ein „Klonk!“ von sich gab. „Oh, nein.“ Enton wurde gefangen!