Jeden Tag hatte ich den gleichen Blick in meinen Augen. Ein langweiliger, enttäuschter und hoffnungsloser Blick, mit der ich die Welt anschaute. Manchmal hatte ich mich gefragt, lohnt es sich überhaupt noch zu Kämpfen und zu Leben? Ich konnte darauf, noch bis heute, keine genaue Antwort geben. Nicht mehr hierzu sein, wäre für die meisten Menschen der einzig normale Ausweg, doch war sie wirklich notwendig?
„Hier hast du das Gift in der Hand, Thiago.“, flüsterte ich leise zu mir und hielt eine kleine Plastikdose fest in meiner Hand.
Es war Zyankali, welches mir schon vor Monaten, von einem guten Freund, gegeben wurde. Er wollte nicht mehr in dieser Welt leben und deshalb hat er sich auch das Leben damit genommen. Der Rest der Flasche übergab er mir, in der Überzeugung, dass ich irgendwann auch so handeln würde. Ob ich das nun hätte verhindern können oder nicht, wusste ich nicht. Jedenfalls, konnte ich damit mein irdisches Dasein in dieser Welt aufgeben, doch ob ich es nun auch wirklich tun wollte? Vielleicht kehre ich als Strafe hierher zurück. Ich war nämlich nicht der pessimistische Mensch, im Gegenteil, ich bin ein optimistischer Mensch, doch was vor genau einem Jahr geschehen ist, veränderte das Leben aller Menschen und Pokemon auf dieser Welt. Nichts war so wie es einmal war.
Ich lehnte mich an die harte kalte Wand, während ich in meinem warmen und geborgenen Bett, gedankenversunken aus dem Fenster blickte. Es hatte einen weissen Holzrahmen und wurde in jeweils neun kleinere Fenster geteilt, wie ich es mal nenne. Allerdings war das Fenster schon etwas zu Bruch gegangen. Durch die Öffnungen im Fenster schlängelte sich das Efeu, bis hin zu meiner Bettkante, hinunter. Die feinen weissen Gardinen waren noch erstaunlich gut erhalten. Der Blick durch das Fenster gewährte mir die ehemalige Kleinstadt in der ich wohnte. Sie war völlig überwuchert von den verschiedensten Pflanzen und manchmal lassen sich da auch die Infizierten blicken. Doch ich vermied jedes mal den Blickkontakt mit ihnen. Es war kein schöner Anblick.
„Internet, das funktioniert ja noch Gott sei dank!“, sagte ich leise zu mir und schmunzelte.
Ich holte mein Handy unter dem Kopfkissen und schaute nach ob ich irgendwelche Antworten bekommen habe. Vielleicht denkt ihr euch, dass ich in so einer Situation nicht besseres im Kopf habe als ein Handy, aber es ist anders. Hierdurch bekommen wir Lebenden mehr Lebensmut, als sich manch einer von euch denkt. Wir schreiben uns täglich in unseren eigenen Gruppe, die wir „Apollo“ nannten, um nicht in dem Wahnsinn zu verfallen, wie mein ehemaliger Freund auch. Sie versteckten sich, wie ich, irgendwo in diesem Land. Die Gruppe hatte etwa 18 Mitglieder wovon nun 11 übrig geblieben sind. Entweder hatten sie Selbstmord gemacht oder sind von einem Infizierten angegriffen worden, denn wer sich drei Tage lang nicht meldet, gilt von uns als inoffiziell tot. Manche von ihnen hatten sogar Pokemon als Partner. Darum beneiden auch die, die keine Pokemon haben, sie sehr. So wie ich. Ich hätte gerne einen Kameraden auf meiner Seite, doch der Grossteil davon ist, wie die Menschen, infiziert worden.
Seufzend legte ich mein Handy wieder unter das Kopfkissen. Ich durfte nicht zu viel Strom verbrauchen und ein Elektro-Pokemon habe ich ohnehin nicht. Sie war eh nicht da, weswegen ich es für etwas sinnlos hielt mit den anderen zu schreiben.
„Bitte, sei nicht gestorben.“, sprach ich leise zu mir und schaute zur Decke hoch.
Ein paar Tränen kullerten mir über die Wangen, bevor ich erschrocken aufsah und nach meinem Messer griff. Ich hatte irgendetwas gehört. Sofort wischte ich meine Tränen ab und schaute runter. Es war eine Art Knurren. War das ein infiziertes Pokemon? Ich wusste es nicht. Jedenfalls kam der Laut unter meinem Bett.
„Ich bring dich um, du scheiss Vieh!“, flüsterte ich leise und biss mir auf die Lippen.
Schon wieder war das Geräusch zu hören. Ich hielt wütend mein Messer in die Hand. Ironischerweise würde ein Messer gegen einen Infizierten wenig bringen, aber ich wollte trotzdem so nicht sterben. Doch sogleich liess ich mein Messer, mit einem Lächeln, fallen.
„Du bist wohl auch nicht infiziert, was?“, sagte ich zu dem kleinen Pokemon, welches unter meinem Bett hervorkroch.
Es hatte eine beige schuppige Haut, mit jeweils drei schwarzen Streifen am Rücken. Es war auf Vier Beinen, hatte einen kurzen Schwanz und eine spitz zulaufende Schnauze. Seine Augen, sie waren, genau wie bei mir, pechschwarz. Ein Infizierter dagegen hätte hervorstehende weisse Augen, ohne Pupille und Iris. Deswegen sind sie relativ leicht von den Normalen zu unterscheiden
„Na mein Kleiner, komm her.“, sagte ich und hob meine Hand raus.
Zu meiner Verwunderung kroch er, ohne zu zögern, auf meiner Hand. Ich glaube, dass das Ganovil, sogar noch ein Jungtier ist, da es erst so um die dreissig Zentimeter gross war.
„Hier, das esse ich eh nicht.“, sagte ich lächelnd und hob ihn eine Dose, in der Pokemonfutter ist, hin.
Mit einem verwöhnten Knurren, nachdem er sich ausgiebig, aus der Dose, satt gefressen hat, legte er sich zufrieden auf meinen Knien hin und sah mich mit seinen schwarzen durchdringenden Augen an. Ich glaube, er hat seinen Meister gefunden.
„Du und ich, verändern diese verdammte Welt. Stimmst du mir zu?“ fragte ich ihm lächelnd.
Er nickte zufrieden und legte sich auf meine Beine. Nicht unmittelbar darauf, schlummerte er ein. Er hatte wohl einen weiten Weg hinter sich gelegt. Etwa um mich zu finden oder war es nur der pure Zufall, der das so wollte?
„Wo bist du nun, Maria?“, fragte ich lächelnd und hob meinen Kopf zur, hölzernen Decke. „Denk an unser Versprechen.“