Ein sehr interessantes Thema.
Fangen wir mal mit der Selbstreflexion an: Auch bei mir ist es so, dass ich mich, wenn ich nachts unterwegs bin und mir eine Gruppe Männer über den Weg läuft, vor allem wenn die halt etwas südlicheres Aussehen haben, schon etwas unwohl fühle, obwohl ich eigentlich weiß, dass solche Menschen eher selten kriminell sind (und ich auch eigentlich gar nicht in die Opferstatistik passe, zumindest hab ich mal gelesen, dass Frauen öfter überfallen oder bedroht werden.) Aber trotzdem fallen einem in solchen Momenten dann doch irgendwelche Klischees ein, die man mal in der Zeitung gelesen hat, Berichte von Bekannten (Ich kenne sogar wirklich jemanden, der Abends mal überfallen wurde) oder Berichte, die ich im Internet gelesen habe, die ja auch nicht zwangsläufig falsch sein müssen. Andererseits ich weiß nicht... wenn man in einer größeren Stadt wohnt, gewöhnt man sich auch irgendwann dran.
Ich rede mir natürlich auch gerne ein, dass ich, wenn ich mal in die Situation komme Leute einzustellen, dann auch nicht darauf achte, ob der Bewerber Max, Mareike oder Mohammed heißt, aber ob ich das dann nicht doch unterbewusst mache, kann ich jetzt noch nicht sagen. Genau so bin ich mir über die Möglichkeit bewusst, dass ich später bei der Jobsuche mal gegenüber einer Frau oder einem Migrationshintergründler bevorzugt werden könnte, allein weil ich männlich und "arisch bis in die 3. Generation" bin. Das ist jetzt Jammern auf hohem Niveau, aber ich frage mich, ob ich die Stellung dann wegen meiner Leistung bekomme, oder weil ich "Bio-Deutscher" bin.
Irgendein Politiker hatte ja vor ein paar Jahren mal von "spätrömischer Dekadenz" gesprochen, im Bezug auf Arbeitslose, glaub ich. Das ist jetz natürlich einerseits ein gutes Beispiel für die Abwertung von Arbeitslosen, wie es in dem wunderschön formatierten Mind Map stand, andererseits finde ich, dass wir in unserer Gesellschaft eine Art Dekadenz erreicht haben. Ich meine ein Großteil der Deutschen (sowie Nord- und Westeruopäer) leben im Überfluss und haben eigentlich genug von allem, sind aber trotzdem nicht bereit Flüchtlingen, in deren Heimatland Krieg und Verfolgung herrschen, irgendetwas davon abzugeben, weil man dann ja nur noch halben Überfluss hätte. Es interessieren sich auch scheinbar immer weniger für die Hintergründe für Krisen wie in Griechenland oder warum sich im Nahen Osten ständig alle gegnseitig umbringen, sondern wiederholen einfach die Parolen von PEGIDA, schimpfen am Stammtisch über "die Politiker™ " und dass sich nichts verändet, nur um bei der nächsten Wahl wieder für die CDU und SPD abzustimmen. Kurz: Den meisten geht es einfach zu gut; wir hatten hier einfach zu lange keinen Weltkrieg, Diktatur oder Seuche mehr... (und das ist auch gut so.)
Andererseits war erst neulich wieder bei einer Familienfeier und doch positiv überrascht, wie offen meine Familie, bis auf wenige Ausnahmen, gegenüber diesen Themen sind. Das stimmt einen doch sehr optimistisch und in solchen Zeiten ist es nötig, wenn auch schwer, sich einen gewissen Grundoptimismus beizubehalten.