~Die Träne der Finsternis~

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  • Diese Geschichte ist bereits abgeschlossen, ich möchte sie aber hier gerne posten und von euch (positive und negative) Kommentare und Verbesserungsvorschläge erhalten.


    Der Titel ist vllt. ein bisschen blöd gewählt, aber 8o mir fällt nix ein :pika:
    Die Idee zum Inhalt ist mir eigentlich erst nach und nach gekommen, ich habe einfach so drauf los geschrieben, aber ich weiß nicht, in wie weit man das bemerkt. Ich habe Wert gelegt auf die Ausführung der Charaktere, bin mir aber noch nicht so sicher, welche der Vorgeschichten ich noch hinzufügen werde ?(



    Die Sonne brannte heiß auf der Haut der wenigen Reisenden, die sich hierher, direkt in die Wüste, verirrten. Kaum ein Lebewesen war zu sehen, doch zu den Abendstunden, wenn der Sand abkühlte, würde sich das ändern. Dann kamen die Skorglas aus ihren Höhlen, in denen sie den Tag verbrachten, und giftige Skorpione schälten sich aus dem Sand, um ihre nächsten Opfer zu suchen. Aber noch war es Nachmittag, und seit die Sonne ihren höchsten Punkt überschritten hatte, war die Temperatur kaum gesunken.


    Zwei Meilen von den unwirtlichen Dünen entfernt döste ein Reptain im Schatten der Oasenbäume, eingeschläfert vom gemächlichen Tröpfeln des Wassers aus der Quelle.
    Eine Bewegung am anderen Ende des Wasserlochs ließ ihn sekundenschnell aufspringen und wachsam seine Umgebung betrachten, und Reptain behielt recht: Dort stand ein Pokemon, was schon ungewöhnlich genug war, wusste doch kaum jemand von der Oase. Reptain ahnte, dass es sich um einen Wüstenbewohner handeln musste. Tatsächlich war es ein Sandamer, das ihn da aus misstrauischen Augen beobachtete, und er näherte sich ihm langsam, um zu zeigen, dass von ihm keine Gefahr ausginge. „Du?“ fragte das Sandamer plötzlich überrascht und machte einen Schritt vorwärts. Jetzt, wo es aus dem Schatten getreten war, erkannte Reptain die lange Narbe an seinem Hals und hätte fast gelacht. „Na, da sieht man es mal wieder! Dich wird man nie los!“ ausnahmsweise klang aufrichtige Freude aus seinen Worten, denn er hatte das Sandamer als alten Freund wiedererkannt. Es antwortete: „Von wegen! Du machst doch hier ein Nickerchen, nicht ich!“ Reptain runzelte die Stirn. „Hast du die Oase gepachtet? Oder läuft hier sonst immer deine neue Flamme herum?“ „Pff. Du hast dich nicht verändert.“ Sandamer musterte ihn besorgt. „Immer noch die gleichen mürrischen Blicke. Ist was passiert?“„Allerdings! Ich wurde gerade geweckt!“ knurrte Reptain gespielt. „Aber sonst?“„Nichts sonst. Frag nicht, was ich hier mache, das übersteigt selbst mein Vorstellungsvermögen. Ich glaube, das Leben in der Gruppe ist mir auf die Nerven gegangen.“„Wer war denn sonst noch dabei?“ Sandamer scharrte mit den Krallen im Sand.„Lohgock - du kennst ihn ja - und unser kleiner Schützling Panflam. Sonst niemand. Die beiden dürften fünfzig Meilen von hier entfernt in Leon übernachten und mich wahrscheinlich gerade suchen.“Sandamer schnaubte. „Du hast ihnen vor deiner… wie mag man es nennen, Flucht in die Wildnis nicht gesagt, dass du für ein paar Tage verschwinden wirst?„Warum auch? So haben sie wenigstens etwas zu tun und sterben nicht vor Langeweile, wie es mir gegangen wäre. Ich an ihrer Stelle würde mich freuen.“ „Leon ist nicht gerade langweilig.“„Nein. Es tut nur so.“ Reptain schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung, was mit mir los war, aber ich musste da weg. Vielleicht kehre ich heute um.“„Komm doch kurz mit mir. Larvitar, Hippopotas und die anderen hängen irgendwo in der Nähe herum. Wir können alte Geschichten austauschen.“Reptain krächzte. „Das wird mir zu staubig. Aber, hmm…“Er schien zu überlegen. „Kann Hippopotas immer noch so gut mit den kargen Wüstenfrüchten umgehen? Du weißt, mein Magen…“„Alles klar.“ sagte Sandamer resignierend. „Sie sind bei den Felsen im Westen.“Sie machten sich auf den Weg. Sandamer plauderte unterwegs, aber Reptain hörte ihm nicht zu, bis zu dem Punkt jedenfalls, an dem er sagte: „Erinnerst du dich noch an den Winter vor zwei Jahren?“„Nein… Unerfreuliche Ereignisse pflege ich aus meinem Gedächtnis zu löschen. Was genau meinst du? Eigentlich ist ja eine ganze Menge passiert.“Reptain blinzelte gegen die starke Sonne und schüttelte den Kopf, als sich durch eine Böe Sand auf seine Haut setzte.„Nun ja, wir beiden haben doch Dragonir besucht…“„Ach du je!“ unterbrach ihn Reptain. „Du meinst das Jahr, wo wir…?“ „Genau. Wo sich so ein vertrotteltes Hoothoot an unsere Fersen geheftet hat und mit uns in die Berge gekommen ist-“ „Und bei unserem Besuch bei Dragonir die ganze Zeit genervt hat. Ich weiß, aber was sagst du mir das jetzt? Soweit ich weiß, ist es doch nach Hause verschwunden?“ Er sah Sandamer an, dass ihn etwas bedrückte. Anscheinend verheimlichte er etwas vor ihm.Sein Freund unterdrückte die natürliche Reaktion, sich zu einer Kugel zusammenzurollen, hob den Kopf und ließ Reptain anhand seines Gesichtsausdrucks erraten, was los war. „Nein.“ hauchte der erschrocken, als ihm eine Möglichkeit einfiel. „Sag, dass das nicht wahr ist.“„Was?“ fragte Sandamer unschuldig.„Ach, hör schon auf!“ nörgelte Reptain. „Du hast ein viel zu gutes Herz, weißt du das? Man kann es dir glatt in den Augen ablesen. Ich nehme an, es ist wiedergekommen.“„Jaaah… Aber immerhin ist es kein Hoothoot mehr, sondern ein Noctuh.“Reptain legte den Kopf schief, hob ein Bein an und tat so, als würde er unsichtbare Flügel ausstrecken. „So ein Vieh meinst du?“ erkundigte er sich sarkastisch und drehte den Kopf noch ein bisschen weiter auf die Schulter. „He! Lass das!“ Sandamer warf ihm einen bissigen Blick zu.„Sorry. Aber weißt du, in so einer Situation ist Nettigkeit ein Luxus. Sei froh, dass ich nicht gleich wieder verschwinde!“„Es gibt da ein kleines Problem,“ erläuterte Sandamer. „Larvitar und Sandan werden ihn aus der Höhle werfen.“ „Na und? Freu dich doch! Bist du verrückt? Mach dir doch um den keine Sorgen! Wozu hat er denn Flügel?“„Er kann nicht nach Hause zurück.“ antwortete Sandamer leise und sichtlich bedrückt. „Ich auch nicht, schon vergessen?“ fragte Reptain, während er einem Tuska auswich, das an ihnen vorbei wollte.“ „Ja, ja, mach mir nur ein schlechtes Gewissen. Hör zu, für Noctuhs Problem gibt es einen Grund, anders als bei dir, also denke ich, wir sollten erst das bereinigen, für das wir den Grund kennen.“Reptain schnaubte. Ein Habitak sah erschrocken von einem kleineren Felsen auf ihn herab, während er sagte: „Ich denke mal, sein Problem ist Dummheit und eine manische Besessenheit hinsichtlich neuer Dinge.“„Falsch!“, frohlockte Sandamer. „Diesmal hast du kein Recht. Noctuhs Heimat wurde vollkommen zerstört. Von Pokemon, die durchgedreht sind und alles vernichtet haben.“Reptain stockte. „Nun, das kann vorkommen.“ Sandamer sah ihn vorwurfsvoll an. „Was soll das denn jetzt heißen? Ich glaube, du willst nur nicht zugeben, dass du geschockt bist. Ich sehe es dir an. Diese Art, wie du deine Augen zusammenkneifst. Sag es: Worüber denkst du nach?“ „Er tut mir Leid.“ sagte Reptain sehr leise. „Das tut er nur, weil du ihn und das Gefühl, entwurzelt zu werden, kennst.“„Nein. Jedenfalls nicht nur. Ich weiß es nicht wirklich, aber er war mir damals auf irgendeine Art sympathisch. Er ist immer optimistisch gewesen, hat uns einmal sogar geholfen… Er hat sich verändert, nicht wahr?“„Genau wie du, mein Freund.“ Sandamer nickte traurig. „Und die anderen verstehen ihn nicht. Er braucht uns, mehr als ihm selbst vielleicht bewusst ist.“„Aber was können wir schon tun? Ich meine, besonders gut im Trösten bin ich ja noch nie gewesen.“Reptain klang frustriert. „Die anderen hören auf dich.“„Das haben sie das letzte Mal vor fünf Jahren gemacht.“„Versuch es!“ sagte Sandamer schlicht und bugsierte Reptain zu einer Felsformation, die sich vor ihnen erhob. Wilde Kräuter wuchsen an den steilen Hängen, und sogar ein verkrüppelter Baum hing mit den Wurzeln im weichen Sandgestein. Den Eingang zu der kleinen Höhle blockierte ein Hippopotas, sodass Reptain sich mit einem Sprung hineinkatapultierte und dann geschlagene zwei Minuten auf Sandamer warten musste, weil der versuchte, das Hippopotas aufzuwecken. Irgendwann gab er es auf und kletterte über den riesigen, sandbedeckten Rücken. Eine kleine Flamme erleuchtete die Höhle spärlich. Larvitar hockte mit Sandan in einer Ecke und knabberte an einer harten, gelben Beere, während ein junges Sheinux sanft schlief. Von Noctuh war zuerst nichts zu sehen, doch dann wies Sandamer in eine niedrige Ecke, in der der Vogel auf einem Bein stand und eindeutig ein Nickerchen hielt. „Wir sollten warten, bis es Nacht ist.“ sagte Reptain.„Ach, seid wann kümmern dich denn die Schlafenszeiten von uns, he?“„Seitdem ich hungrig bin.“„Hm. Das erklärt natürlich alles.“ Sandamer sah sich um. „Ich denke, wir müssen noch einmal hinaus und etwas von den Kräutern pflücken. Vielleicht finden wir auch ein paar Beeren.“Sie fanden. Reptain hielt nur einmal die Nase in die Luft und führte Sandamer dann zu einer kleinen Gruppe hartblättriger, zäh aussehender Büsche rund eine halbe Meile entfernt, die knallrote und äußerst scharfe Beeren trugen. Deshalb weichten sie ihre Beute in Wasser ein, legten die Kräuter dazu und hatten einen ganz appetitlichen Brei zum späten Mittag vor sich stehen.„Hmmm…“ schmatzte Sandamer. „Hippopotas kann zwar besser kochen, aber so schnell findet sie keine Beeren.“„Tja.“ sagte Reptain mit gespielter Arroganz. „Man muss halt dazu erst einmal aufstehen.“ Sein Blick blieb an der massigen Gestalt vor dem Eingang hängen.Als es dunkler wurde, öffnete Noctuh erschöpft ein Auge, erkannte Reptain und war hellwach.„Was machst du denn hier?“ seine Stimme klang rauer als vor zwei Jahren, aber immer noch hell. „Wonach sieht es denn aus? Ich habe die Sandkörner vermisst.“ Reptain lächelte selbst über seinen lahmen Witz und stupste Sandamer an, der eingenickt war. Noctuh hüpfte auf einem Bein hin und her. „Habt ihr mir wenigstens etwas zu essen übrig gelassen? Eulen müssen nämlich viel essen, um zu wachsen.“ „Nein.“ sagte Sandamer und gähnte. „Während du geschlafen hast, haben wir alles aufgegessen.“„Ihr seid furchtbar!“ murrte Noctuh. „Jetzt sind doch draußen alle diese Skorglas, oh, wie ich sie hasse… Und vielleicht sogar ein Pionskora… Und jetzt muss ich die ganze Nacht mit hungrigem Magen herumsitzen…“ „Ruhe dahinten!“ knurrte Larvitar, der, auf dem Bauch liegend, im hinteren Teil der Höhle einzuschlafen versuchte. „He!“ fauchte Reptain. „Ich möchte mich gerne noch ein bisschen mit eurem Gast unterhalten!“„Dann verschwindet hier heraus!“ giftete Larvitar zurück. „Weißt du was? Ich erzähle dir jetzt eine Geschichte.“ erklärte Reptain und wandte sich an den Meckernden. „Einst gab es ein Pokemon, das heute nicht mehr existiert; man nennt es Anorith. Es war ein ziemlich guter Jäger und lebte größtenteils in der Wüste. Doch eines Tages, weißt du, machte es einen Fehler. Es ging zu einem Freund, dem es vertraute, und fragte ihn um Rat. Sein Freund war gerade zu sehr mit sich selbst beschäftigt und nahm die Bitte des Anorith nicht so ernst, wie es eigentlich sollte. Denn Anorith hatte etwas Beunruhigendes entdeckt, doch ohne zu fragen, wies sein Freund es an, zu gehen.“ „Reden wir gerade noch von unserem Beispiel?“ unterbrach Larvitar und runzelte die Stirn, aber Reptain fuhr ohne Kommentar fort. „Wie es der Zufall aber nun will hatte Anorith vor zwei Tagen einige Pokemon beobachtet, die sich merkwürdig verhielten, sich aber nichts weiter dabei gedacht. Als es nun Abend wurde, rief es sich den Vorfall noch einmal in Erinnerung, und ihm wurde bewusst, dass etwas geschehen könnte. Anorith dachte noch einen Tag darüber nach und ging dann zu seinem Freund, der ihn jedoch abwies. Er konnte ja nicht wissen, was er dadurch auslöste. Aber er hätte wissen müssen, dass man nicht nur sich selbst, sondern auch anderen- insbesondere seinen engsten Freunden- zuhören sollte. Denn als Anorith ging, kamen die beobachteten Pokemon und schlossen den Freund in seiner Höhle ein, sodass er verhungerte. Sie taten das aus dem wirklich witzigen Grund, dass sie selbst schon einmal von ihm zurückgewiesen oder auch belogen worden waren; und wie du weißt, ist Rache ja süß und eine Rache durch Ermordung noch besser. Egal, was Anorith auch tat, diese Geschichte wollte ihm niemand glauben. Aber er hielt noch zu seinem Freund und kehrte zu dessen Todesort zurück, um ihn einsam zu begraben.“Reptain hielt inne. „Lustig, nicht? Was denkst du nun? So einem Kotzbrocken hinterherzutrauern ist ziemlich naiv, oder? Was ist mit den Mördern? Taten sie der Welt einen Gefallen, weil sie so ein idiotisches Schwein von der Erdoberfläche tilgten, das nicht einmal interessiert genug war, festzustellen, dass sein einziger Freund ihn vor übermächtigen Feinden warnen wollte?“Larvitar schwieg.Reptain wandte sich wieder ab, kratzte desinteressiert an einer Kralle herum und pulte den Schmutz darunter hervor. „Schon witzig,“ sagte er beiläufig, „wie seltsam das Schicksal manchmal verläuft, hm?“ Sandamer runzelte die Stirn und sah seinen Freund beunruhigt an, dann sagte es leise: „War das nötig?“„Aber klar doch!“ rief Reptain laut aus. „ Ich musste denen doch deutlich machen, wie sich jegliche egoistische Handlungen auswirken können!“ „Du bist auch nicht gerade das Abbild von Selbstaufopferung, mein Lieber.“ erinnerte er ihn.„Na und?“ bohrte Reptain fast unhörbar nach. „Für unseren Zweck reicht es, nicht wahr?“„Du bist ein verdammt manipulatives… ach, was auch immer.“ erläuterte Sandamer.„Davon musst du mich noch überzeugen.“ meinte Reptain und stand auf. „Wie sieht es aus, Noctuh, wollen wir uns was zu essen besorgen?“Die beiden verließen zu zweit die Höhle, denn Sandamer blieb zurück und war wohl schon wieder eingeschlafen. Reptain hielt die Nase in den Wind und sagte: „Im Moment ist hier niemand, aber halte dich nahe bei mir.“„Keine Angst. Ich habe gelernt, zu kämpfen.“„Ach, und diese Szene da drin war also nur Vertuschung, um nicht zu zeigen, wie sehr du dich wirklich verändert hast?“ Reptain beobachtete ihn aus den Augenwinkeln, doch zu seiner Überraschung war ihm diesmal nicht alles von der Stirn abzulesen.„Du verstehst das.“ sagte Noctuh nach einer längeren Pause und fuhr fort: „Wenn es wirklich jemanden gibt, der das versteht, dann du. Sandamer kann wunderbar trösten, doch er weiß nicht, wie tief der Schmerz in Wahrheit geht. Du bist der Einzige, der immer sieht, wenn etwas nicht stimmt. Auch wenn du vorgibst, dich nicht für solche Geschichten zu interessieren.“Nun war es an Reptain, zu schweigen und sich auf Noctuhs gute Sicht im Dunkeln zu verlassen, während er ihm die Stelle mit den scharfen Beeren beschrieb. „Was ist denn nun wirklich passiert?“ fragte Reptain schließlich, als sie sich auf dem Rückweg zur Höhle befanden und einen Hügel hinunterklettern mussten. Über ihm glitt Noctuh fast unhörbar durch die Dunkelheit und schlug leise mit den Flügeln. „Ich weiß es nicht genau.“ antwortete er schlicht. „Ich schlafe tags, also habe ich nicht sehr viel mitbekommen. Sie griffen zur Mittagszeit an, während alle beim Essen waren oder ein Nickerchen machten, und ich bemerkte den Überfall erst an dem Punkt, wo sie schon die ersten Bäume angesengt hatten.“„Feuer-Pokemon?“ sagte Reptain überrascht. „Ja… Soweit ich mich erinnere, ein Glutexo, ein Magcargo und ein Qurtel.“„Qurtel?“ rief er perplex. „Das kann nicht sein, ich habe nur einmal ein Qurtel gesehen, und das war oben bei den Heißen Quellen. Das kann es nicht sein.“Noctuh widersprach traurig: „Doch. Es stimmt, es ist dasselbe. Die ganze Gruppe wirkte unglaublich wütend, geradezu außer Kontrolle. Ich denke nicht, dass sie wussten, was sie da taten.“„Wie soll es anders gewesen sein?“ flüsterte Reptain. Er versank ins Grübeln. Andererseits… So abwegig… Immerhin gab es Möglichkeiten, eine Hypnose zum Beispiel. Irgendwo mussten sie eine Lösung finden. „Es ist alles abgebrannt.“ sagte Noctuh mit einem seltsamen Klang in der Stimme. „Nichts sah mehr so aus wie früher, und weil nichts mehr übrig war, bin ich jetzt hier.“Reptain wünschte, durch die Dunkelheit ebenso gut sehen zu können wie die Eule. Ewas in Noctuhs letzter Bemerkung ließ ihn an die Tage zurückdenken, in denen er vergeblich versucht hatte, zu begreifen… und zu vergessen. Es fröstelte ihn. Die Nächte in der Wüste waren ironischerweise so kalt, wie die Tage heiß waren; schnell holte man sich Erfrierungen. Also kehrten sie schnell in die Höhle zurück, sicher nicht nur, weil es kalt war, sondern auch, weil sie das Thema nicht vertiefen wollten. Reptain schwieg, als sie ankamen und Noctuh in der geräumigen Höhle umherflatterte. Er legte sich zu Sandamer, verspürte aber nicht die geringste Lust, einzuschlafen und lag stattdessen wach, während draußen die Nacht fortschritt und der Mond vom wolkenlosen Himmel herunter kräftig strahlte. Es musste eine Lösung geben, einen verbindenden Punkt, der die Katastrophen der letzten Zeit verknüpfte. Denn Katastrophen gab es genug, auch wenn Reptain sich darum nicht zu kümmern pflegte. Aber das hier war interessant, jedenfalls interessanter als alle anderen Vorfälle zusammen, denn es ergab keinen Sinn. Reptain liebte Rätsel, und je makabrer sie waren, desto besser. Allerdings war er mit seinen Überlegungen am Ende der Nacht noch kaum vorangekommen, und allmählich begann er zu bezweifeln, dass es für so etwas eine rationale Lösung gab. Das Schlimmste war, dass er Qurtel kannte und sich nicht vorstellen konnte, wie so ein weiser Alter etwas Derartiges tun könnte. Selbst wenn er gezwungen worden wäre, hätte er versucht, den Schaden so klein wie möglich zu halten oder die anderen zu warnen. Ein Hypnose dagegen ergab Sinn, doch es musste ein sehr starkes Pokemon beteiligt gewesen sein, das drei Pokemon gleichzeitig unter Kontrolle halten konnte. Mehrere gleichzeitig ergaben immer ein völliges Chaos, denn jeder wehrte sich geistig gegen die Übernahme.Doch Qurtel, Glutexo und Magcargo hatten sich verhalten wie Marionetten. Er drehte sich auf die andere Seite und schrak zusammen, als er urplötzlich bemerkte, dass Noctuh dicht neben ihm stand und ihn aus großen Augen beobachtete. Diese Eule! Jetzt machte sie einen auch beim Nachdenken schon ganz kirre!„Was ist los?“ sagte er ungehalten und immer noch regelrecht benommen vor Schreck. „Nichts.“ flötete Noctuh und sah ihn weiterhin aus großen Augen an, fast so, als hätte er Reptains Kopf beim Grübeln rattern gehört. „Na, das freut mich dann aber.“ sagte er sarkastisch. „Sei froh, dass ich nicht geschlafen habe, mein Lieber.“„Dann hättest du dich ja auch nicht erschrocken.“ Noctuhs Logik blieb unerschütterlich.„Ja, aber du würdest mich auch nicht ohne Grund so anstarren. Also denke ich, es ist entweder etwas peinliches oder etwas unheimlich Wichtiges . Dein „Nichts“ hingegen schließt Letzteres aus, also…“ „Hör auf mit diesem Psycho-Gelabere!“ fuhr ihn Noctuh an. „Es war weder das Eine noch das Andere.“„Oh, das tut mir aber Leid! Meine Überlegungen waren wohl falsch wie?“ bohrte Reptain ungeduldig nach. „Nun komm schon, entweder du rückst freiwillig ab, oder ich werfe dich einhändig hinaus, du kleines Federbüschel!“„Ist ja gut!“ murrte Noctuh und verdrehte die Augen, was so komisch aussah, dass Reptain sich vor Lachen beinahe auf dem Rücken kugelte. Zum Glück beherrschte er sich und sagte mit unbewegter Miene: „Was ist denn nun los?“„Ich hatte eine Idee.“ sagte Noctuh endlich. „Und da ich wusste, dass es dir mehr am Herzen liegt, das Rätsel der willenlosen Pokemon zu lösen als alles andere, dachte ich, ich sag es dir.“„Braver Junge.“ lobte Reptain.„Es gibt da doch so eine Legende um ein Pokemon, das die Träume manipuliert.“Noctuh sah ihn an, als erwartete er, dass Reptain verstehe. Und dem war auch so. „Darkrai.“ meinte er leise. „Aber das kann nicht sein. Soweit ich weiß, ist Darkrai nicht willkürlich brutal und schon gar nicht so richtig böse.“„Aber wenn es seinen Zielen dienlich wäre, könnte er allerdings diese Fähigkeit auch zur Zerstörung einsetzen.“„Und was wäre sinnvoll daran, ein kleines Dorf von Pokemon mitten in den Wäldern zu vernichten und die Bäume anzufackeln?“ Reptain war nicht überzeugt, auch wenn er nicht verheimlichen konnte, dass etwas an diesem Gedanken Sinn machte. Schließlich war das der erste Fall von Hypnose, der so wunderbar funktioniert hatte. „Warum haben die Pokemon in deiner Geschichte den Freund des Anorith getötet?“Reptain runzelte die Stirn. „Aus Rache, denke ich mal. Er hatte sie belogen.“ „Rache ist ziemlich vielfältig in ihren Motiven, nicht? Lügen, Eifersucht, Diebstahl, Mord… all das zieht Rache nach sich. Es könnte alles Mögliche gewesen sein.“ Noctuh sah ihn fragend an.„Du hast Recht.“ antwortete er zögerlich. „Darkrai ist sicher kein Idiot. Aber wer aus deiner Heimat könnte so etwas schon angerichtet haben? Ich kannte ja eine Menge deiner Leute.“„Die jetzt wohl alle tot sind.“ flüsterte Noctuh. Einen Moment trat Stille ein, während Noctuh den Kopf abwandte und mit einem müden Flügelschlagen davon flatterte. Reptain schloss die Augen und spürte Erschöpfung in sich hochkommen. Doch für ihn war noch keine Zeit zum schlafen, jedenfalls solange nicht, wie diese Sache ein Ende gefunden hatte. Er trat aus der Höhle hinaus in die eiskalte Luft und atmete tief durch, während über ihm die Sterne in all ihrem Glanz funkelten und kalt auf die Erde hinabsahen. Wenn man im Kreis läuft, dachte er, musste man irgendetwas tun, das diesen Kreis durchbricht. Etwas, womit andere nicht rechnen und das einem selbst merkwürdig vorkommt, damit man auf der Suche nach der Lösung vorankam und nicht dieselben Gedanken immer und immer wieder durchkaute. Wie zum Beispiel seine Flucht aus Leon in die Wildnis… Vielleicht musste er zurück, Lohgock und Panflam um Rat fragen und dann ein bisschen selbst nachforschen. Das war immerhin eine Möglichkeit und etwas, das einen Kreis recht gut durchbrechen konnte. Schließlich ging er in die Höhle zurück und schnappte Noctuh aus der Luft, der über seinen Kopf geflogen kam. Die Eule befreite sich flügelschlagend aus seiner Hand und murrte: „Nicht so hastig! Bist wohl endlich dem Problem auf die Spur gekommen, was?“ „Nein… Aber ich habe eine Idee, was wir als nächstes tun müssen. Ja, wir, denn du kommst mit. Auf nach Leon!“Noctuh sah ihn erstaunt an. „In die Stadt? Willst du ein paar Bücher lesen oder was?“„Zum Beispiel. Und zwei alte Freunde um Rat fragen.“„Jemand wie du hat Freunde?“ stichelte die Eule. „Überraschend, nicht? Aber vielleicht sind Lohgock und Panflam ja schon ohne mich weitergezogen, obwohl ich das nicht glaube. Eigentlich wollten sie länger in der Stadt bleiben.“„Jetzt? In der Nacht?“„Ich dachte, du schläfst tags?“ erkundigte sich Reptain ironisch.„Und ich dachte,“ erwiderte Noctuh säuerlich, „du schläfst nachts.“„Da mach dir mal keine Sorgen. Ich bin schließlich kein Hippopotas.“ Und damit sprang er über die riesige Gestalt am Eingang hinweg, zum ungefähr sechsten Mal an diesem Tag. Erstaunlicherweise flatterte Noctuh hinter ihm her und das auch noch, ohne zu Murren. Wenn ihn nicht schon Noctuhs Bereitschaft zum Reisen verblüfft hatte, wäre Reptain wohl ob dieser Tatsache vollends erstaunt gewesen, doch so sagte er nur: „Ziemlich tatkräftig heute, was?“ „Nur, weil ich deinen Vorschlag gut finde? Bist du nicht langsam gewohnt, dass alle hinter dir herlaufen?“Darauf gab er wohlweislich kein Kommentar ab, sondern ließ sich von Noctuh in der Dunkelheit den Weg zeigen. In einigen Stunden würde es Morgen werden, also mussten sie sich beeilen, um die Oase hinter sich zu lassen und vor dem Mittag, wenn die Sonne die Eule trotz aller Bemühungen einschläfern würde, die Wüste hinter sich zu lassen. Der Rest würde sich dann schon irgendwie ergeben, schließlich war es nicht so weit nach Leon. Höchstens zwei, drei Nächte würden sie brauchen. Doch der schlimmste Teil der Strecke lag gerade vor ihnen, in der Kälte durch die Wüste zu gehen, wo schon einmal ein Piondragi allen Hoffnungen ein Ende machen konnte. Reptain hasste es, nicht zu sehen, was vor ihm lag, doch er hatte keine Wahl; schließlich beleuchtete der Mond den ausgetretenen Pfad leidlich gut.Nach zwei Stunden hatten sie dann tatsächlich die Oase passiert und machten sich auf den beschwerlichen Weg über die sandigen Dünen, über die der eiskalte Wind fegte und den Sand auf ihre Haut legte. In einer Staubwolke rutschte er den Hang hinunter, dann ging es an der gegenüberliegenden Seite wieder gnadenlos bergauf. Zum Glück hatte Reptain sich richtig eingeschätzt, und so kamen sie halbwegs gut voran und verließen die Dünen kurz vor der Morgendämmerung, denn Noctuh wurde schon unruhig. Bald spürte Reptain wieder Steine unter den Füßen und wusste, dass sie nun auf die Steppe hinaustraten. Plötzlich landete die Eule auf seiner Schulter und flüsterte ihm zu: „In einiger Entfernung rechts kommt ein Pionskora auf uns zugelaufen. Ich glaube, es hat mich noch nicht entdeckt, dich aber schon.“„Wird es uns angreifen?“„Keine Ahnung. Es denkt wohl, wir hätten etwas zu essen bei uns, also…“„Halt dich bei mir. Vielleicht können wir es ein bisschen verwirren.“ Reptain lächelte böse. „Was genau stellt du dir dabei vor?“ fragte Noctuh unsicher. „Du bist ein Psycho - Pokemon, oder? Versuchs mit Konfusstrahl.“„Ich werde es nicht treffen, denn es wird im Sand verschwinden.“„Und genau deshalb, Kumpel, sollst du dich bei mir halten. Ich werde es ablenken. Ich habe schon viel zu lange nicht mehr gekämpft.“ Er setzte sich in den Sand und ignorierte Noctuhs aufgebrachtes „Bist du verrückt?“ schlicht und einfach.Fünf Minuten später hörte Reptain ein Zischen von links und sprang auf. Alle seine Sinne warnten ihn vor der Bedrohung, doch er hörte nicht auf seine innere Stimme und harrte aus. In der Dunkelheit sah er die grünen Augen des Pionskora direkt neben ihm funkeln und brachte sich mit einem Satz in Sicherheit, gerade, als der Skorpion zum Angriff ansetzte. „Licht!“ rief Reptain Noctuh zu, der sofort mit einem Blitz den Boden erhellte. Pionskora fuhr geblendet zurück, zischte vor Schmerz und rollte sich hilflos zu einer Kugel zusammen. Reptain sprang vor, hielt mit beiden Händen Pionskoras Klauen fest und trat auf den giftigen Schwanz, sodass sich das Pokemon nicht rühren konnte. Noctuhs Blitz verlosch langsam, während die Eule zu ihnen hinabgesegelt kam und ihren Gegner musterte. „Was sollte das, he?“„Mein Revier!“ fauchte Pionskora. „Verschwindet!“„Wären wir auch, mein Lieber.“ Reptain lächelte. Pionskora zischte vor Wut und wand sich unter Reptains Griff. „Lass los!“„Wenn du uns versprichst, uns passieren zu lassen.“ antwortete Noctuh für ihn. Reptain ergänzte ihn: „Du solltest außerdem überlegen, dir eine modische Sonnenbrille zu kaufen, das schützt die Augen.“ Er ließ los und das Pionskora verschwand in die Dunkelheit. „Weiter geht’s“ schlug Reptain vor und sie machten sich auf den Weg.Die Sonne stieg höher und kam über dem Horizont hervor. Die Wüste erstrahlte unter dem Licht des neuen Tages, während Noctuh oben die Augen zukniff und anfing, langsamer mit den Flügeln zu schlagen. „Es ist nicht mehr weit, reiß dich zusammen.“ rief Reptain zu ihm hinauf. „Nicht so zaghaft!“Tatsächlich schafften sie es aus der Steppe heraus, bevor Noctuh die Kräfte verließen, und kamen an ein karges Wäldchen, das auf dem trockenen Stein gewachsen war. Müde ließ sich die Eule auf Reptains Schulter nieder und schlief fast sofort ein, während er tiefer unter die Bäume ging und auf einer Lichtung ein hübsches Fleckchen Erde fand, auf dem er sich hinlegte und Noctuh auf einen nahen Ast verfrachtete.Er schlief bis zum Nachmittag und holte sich dann von den Bäumen einige Äpfel zum Essen, die er schnell verspeiste. Wohlweislich ließ er Noctuh ein paar übrig, was sich eine Stunde später als absolut richtig erwies. Kaum war die Sonne am Untergehen, wachte die Eule auf, murrte über ihren leeren Magen und entdeckte dann die Äpfel links von Reptain, der vor sich hingrübelnd im trockenen Gras saß.„Ich glaub es einfach nicht!“ freute sich Noctuh, als er auf sein Abendbrot zuflog. „Solltest du tatsächlich einmal nett gewesen sein?“„Wird nicht wieder vorkommen, keine Panik.“ erwiderte Reptain und drehte sich um. „Nein, hey, das ist großartig.“ Schmatzend lächelte ihm die Eule zu.
    Sie machten sich im Schutze der Dunkelheit wieder auf den Weg und begegneten bald anderen, freundlich gesinnten Pokemon, auch wenn viele von ihnen Reptain misstrauisch beäugten.


    Auf der Straße nach Leon trafen sie auf einige Kramurx, die munter von einem Baum herab um die Wette schrien, einem Zubat, das an einem Ast hing, zwei Hunduster, einem Hundemon und sogar einem schlafenden Dodri.
    Lange Zeit redeten sie nicht, aber als sie wieder allein waren, sagte Noctuh leise: „Und, wie steht es mit dir? Hast du es je überwunden?“Reptain wusste genau, was er meinte und antwortete: „Nein, aber man kann damit leben.“„Das hätte ich nie gedacht. Ich meine, dass so etwas passieren würde. Ich war damals ganz heiß auf ein Abenteuer, das weißt du sicher noch, aber so…“ Noctuh klang bedrückt, und Reptain fühlte sich seltsam verpflichtet, die Eule aufzumuntern. „Hör mal, egal was passiert ist, wir werden herausfinden, wieso. Und wir werden weitere Katastrophen verhindern.“ Es klang selbst für ihn ziemlich zuversichtlich, jedenfalls mehr als er sich eingestanden hätte. „Ach,“ scherzte Noctuh, „du freust dich doch schon auf das schlechte Ende, das die ganze Geschichte nehmen wird, all die Rätsel, die offen bleiben werden… Oder denkst du wirklich, unser Besuch in der Stadt nützt auch nur das Geringste?“Diesmal antwortete er voller Überzeugung: „Ja, ich bin mir sicher. Ich weiß, dass irgendetwas geschehen wird, das uns auf die richtige Spur bringt- unabhängig davon, ob deine Idee mit Darkrai zustimmt oder nicht.“ „Aber du freust dich trotzdem auf des schlechte Ende.“„Red keinen Schwachsinn! Das hab ich noch niemals! Außer wo ich einmal überzeugt war, dass wir das Falsche tun und niemand auf mich hören wollte. Da hab ich mich dann wirklich gefreut, aber so was kommt eher selten vor.“„Ich hatte ehrlich gesagt nicht gedacht, dass du die Frage ernst nimmst.“ erläuterte Noctuh plötzlich in vergnügtem Ton. „Gut, dass ich das nun weiß.“Reptain schnaubte. „Ach was.“

  • Sie wanderten weiter die Straße entlang und lauschten, durch den gestrigen Beinahe-Überfall von Pionskora wachsam geworden, in die Stille hinein. Gelegentlich hörte Reptain das leise Flügelschlagen Noctuhs, ansonsten war nichts mehr zu hören.
    Einmal kam ein kleines Rattfratz vorbeigeschlichen, aber sie kamen ohne weitere Pausen der Stadt Leon immer näher und sahen vor dem Morgengrauen noch die ersten, von Pokemon erbauten Häuser.
    Das bedeutete, dass sie den Bedürfnissen der einzelnen genau entsprachen und für ein Schallelos auch schon einmal von Wassergräben durchzogen waren. Eine sehr originelle Behausung besaß ein Folipurba, welches das alte Steingemäuer mit Efeu und Orchideen überzogen hatte.


    Reptain streifte durch die Straßen, eher ziellos auf der Suche nach seinen beiden Partnern, die er hier zurückgelassen hatte. Noctuh genoss den Ausflug sichtlich und machte Kommentare zu allen Häusern, an denen sie vorbeikamen.
    Reptain hüpfte auf den Marktplatz und sah sich dort um, gerade in dem Moment, wo er bemerkte, dass Noctuh nicht wie gewohnt von oben plauderte.
    Er schaute nach oben und entdeckte nichts als den warmen blauen Himmel und die inzwischen hoch stehende Sonne. Eigentlich hätte er sich keine Sorgen machen brauchen, denn schließlich schliefen Eulen tags; aber Noctuh war ein Fall für sich, jemand, den man besser nicht allein ließ.


    Vielleicht hatte er irgendetwas Auffälliges entdeckt und wollte seiner Ahnung nur schnell nachgehen.


    Hoffentlich.


    Er lief schnell in die Gasse hinein, aus der sie gekommen waren, kam sogar bis auf die Straße vor das Tor, passierte wieder Folipurbas Haus und wandte sich dann nach links zu der großen Bibliothek, aber auch hier war Noctuh nicht.


    Langsam und neugierig schritt Reptain auf das Tor zu, öffnete es und schlüpfte in die Stille dahinter hinein.


    Regale, hoch wie die Wände, standen geordnet in Reihen in der großen Halle, bis zum letzten Brett gefüllt mit Büchern in Fußabdruckschrift.


    Er sah Wälzer über Geographie und Geologie, über Anatomie und Legenden, über Geschichte und Geschichten, aber keine einsam herumflatternde Eule.


    Bis in den hinteren Teil der Halle gehend, blickte Reptain sich um und spähte in jede Ecke, doch erst ganz hinten, dort, wo die Schreibpulte standen, hörte er ein lautes, erhitztes Gespräch, aus dem ganz deutlich Noctuhs Stimme herausklang.


    Neugierig spähte er um die Ecke und sah die Eule auf dem Rand des Tisches sitzen und mit einem Nachtara diskutieren, das ihn weitestgehend ignorierte und nur dann und wann eine bissige Bemerkung einwarf.


    “Was - hast - du - dir - dabei - gedacht?” knurrte die Eule und schlug mit den Flügeln.


    “Halt die Klappe!” fauchte das Nachtara. “Es war nicht meine Absicht, Darkrai zu verärgern.”


    Reptain heilt die Luft an und lauschte.


    “Nein? Aber genau das hast du bewirkt, meine Liebe, nichts anderes. Und unser Dorf ist zerstört.”


    “Auch ich habe dadurch meine Heimat verloren, vergiss das nicht, Freund.” Jetzt klang das Zischen ganz deutlich aus Nachtaras Stimme.


    “Ja, vielleicht, aber du scheinst dich nicht im geringsten darum zu kümmern!”


    “Tue ich das?” Nachtara klang wieder gelangweilt. “Falls du es noch nicht gemerkt hast, aber deine Argumentation dreht sich im Kreis.”


    “Wir müssen ihn aufhalten! Und du sitzt hier seelenruhig herum und liest!” Noctuh konnte seinen Zorn nun nicht mehr verbergen.


    “Hey, hey, nicht so laut, bitte.” Reptain trat hinter dem Bücherregal hervor und die beiden Streithähne fuhren ertappt herum. Noctuhs Augen blitzten. “Du! Was machst du hier? Misch dich nicht ein!”


    “Ach, lass ihn doch ruhig.” sagte Nachtara noch gelangweilter.


    “Reptain!” sagte Noctuh. “Erkläre bitte, dass das Verhalten von Nachtara unverantwortungslos gewesen ist!”


    “Welches Verhalten?” fragte Reptain und tat so, als hätte er nicht gelauscht.


    “Was? Äh… Nun ja, Nachtara wollte ein paar Legenden auf den Grund gehen und ist deshalb an Orte gereist, von denen man sagte, Darkrai hielte sich bisweilen an ihnen auf. Leider,” seine Augen funkelten weiter zornig, “Hat sie ihn auch gefunden, nämlich im Zeitlosen Wald am Fuße des Gebirges, das wir vor zwei Jahren im Winter selbst durchquert hatten. Leider hatte sie sich nie klar gemacht, was für eine Art Pokemon dieser Darkrai ist, und…”


    “Stopp, stopp, stopp!” unterbrach Nachtara. “So ein Schwachsinn. Natürlich wusste ich, was auf mich zukam-”


    “Das macht es nur noch schlimmer!” ereiferte sich Noctuh.


    “Tut es nicht. Was geschehen ist, lässt sich nicht rückgängig machen. Ich weiß, dass ich nicht unbedingt klug gehandelt habe, aber es nützt nichts, mich im Nachhinein noch für die Folgen davon verantwortlich zu machen.”


    “Nachtara hat Recht. Wir müssen handeln, nicht Schuld zuschieben. Was genau hat ihn veranlasst, dich zu verfolgen und das Dorf zerstören zu lassen?”


    “Er wollte sein Geheimnis gewahrt wissen und befürchtete gleichzeitig doch, dass ich eine Bedrohung sein könnte, wenn er mich überleben ließe. Viele Pokemon fürchten Darkrai, und das zurecht- doch hat auch er Schwächen, und ich hätte sie ja ausplaudern können.” Nachtara lächelte gezwungen.


    „Wie konntest du fliehen?“ sagte Noctuh jetzt leise und entschuldigend.


    „Ich war gar nicht da, als es passierte. Ich sah den Überfall nur von weitem und habe mich, wie ich zu meiner Schande gestehen muss, einfach irgendwo verkrochen.“


    Reptain schwieg und dachte nach. „Wie… Wie können wir ihn aufhalten?“


    „Indem ich mich ausliefere.“ sagte Nachtara mit einem rauen Ton in der Stimme.


    „Das kann ich nicht zulassen. Und er weiß doch gar nicht, dass du überlebt hast.“ erklärte Reptain sofort.
    "Ich denke schon, leider. Ich spüre es. Keine Ahnung, warum, aber ich denke, dass er es vielleicht vermutet."

    "Ich werde dich trotzdem nicht gehen lassen." Reptain blieb beharrlich.
    „Dann solltest du dir mal über eine Alternative Gedanken machen.“


    „Wir gehen zu ihm. Und geben ihm unser Wort, dass nichts geschehen wird.“ schlug Reptain nach fünf Minuten vor, doch die anderen kamen nicht zu einer Antwort, denn hinter ihm ertönte ein Ruf.


    „Reptain? Was zum Teufel… Panflam, komm hierher! Wir haben unseren Freund gefunden.“
    Lohgock lief mit großen Schritten auf ihn zu und schüttelte ihn sanft. „Was haust du auch ab, he!?“
    „Unnngh…“ machte Reptain und trat einen Schritt zurück, als auch noch Panflam auf ihn zugestürmt kam.
    Noctuh und Nachtara musternd, sagte Lohgock: „Gibt’s ein Problem?“
    „So… kann man es auch nennen, ja.“ Reptain erzählte ihnen alles, mit leiser Stimme, um nicht auch noch andere Lauscher zu bekommen, und die beiden Feuer-Pokemon waren ziemlich erschrocken.


    „Ach du je.“ jammerte Panflam und hüpfte auf Lohgocks Schulter.


    „Kommt es mir nur so vor, oder bringst du ständig schlechte Nachrichten?“ fragte dieser missmutig.


    „Ich nehme das als Kompliment.“ sagte Reptain trocken.


    „Also… irgendein Vorschlag, was wir als nächstes tun sollten?“ erkundigte sich Nachtara.


    „Kommt mit, wir haben uns im Wald ein hübsches Plätzchen zurechtgemacht. Da können wir weiterreden und endlich was essen.“ sagte Lohgock.
    Also verließen die fünf Leon und machten sich mit ihrem Führer auf zwischen die nahen Bäume.
    Noctuh saß unterdessen auf Reptains Schulter und steckte den Kopf müde unter den Flügel, ganz so, als ob das schon sein angestammter Platz wäre.
    Reptain seufzte und ließ ihn sitzen, schon ob des Gedankens an das Theater, das folgen würde, wenn er ihn wieder aufweckte.
    Sie kamen zu einer behaglich eingerichteten Lichtung mit einem warmen Feuer in der Mitte und zwei Schlafplätzen aus Heu und altem Laub, die nicht weit entfernt des Waldsaumes lag.


    Nachdem sie sich gesetzt und Reptain Noctuh von seiner Schulter auf einen Ast gestellt hatte, tauschten sie ihre Ideen aus.


    „Es gibt sicher eine Möglichkeit. Es war schließlich keine Absicht.“ sagte Nachtara unsicher.


    „Hoffen wir, dass Darkrai guter Laune ist.“ meinte Reptain düster.
    „Gute Laune hat er garantiert nicht. Also müssen wir uns etwas einfallen lassen, damit er uns überhaupt zuhört.“ schlug Lohgock vor.
    „Aber was? Darkrai ist ein Wesen der Finsternis, es verfolgt Pokemon in ihre Träume und lässt sie nie wieder aufwachen. Was er hervorruft, ist eine Art Koma, ein unendlich lange währender Schlaf. Denkt nur an Groudon und Kyogre, die er, um Frieden zu schaffen, eingeschläfert hat und die immer noch irgendwo unter der Erde leben.“ sagte Nachtara beunruhigt.


    „Ich denke, er greift zu so einem Mittel nur im Notfall. Schließlich hast du ja auch schon geschlafen.“


    "Er hat keine solche Macht über mich wie über andere Pokemon.“ antwortete Nachtara leise.
    „Du sagtest etwas von seinen Schwächen. Ist das eine davon?“ erkundigte sich Reptain vorsichtig.
    „Er hat keine Macht über Pokemon, die keine Angst vor ihm und der Dunkelheit haben. Furcht und Hass stärken ihn. Zeigt niemals, dass er euch beeindruckt!“ Nachtara lachte rau.
    Eine Stunde verstrich, während sie von Lohgocks Vorräten aßen und sich untereinander austauschten.


    Nachtara saß allein und starrte ins Feuer, jegliche Gedanken waren ihr unmöglich von der Stirn abzulesen. Noctuh schlief, Panflam und Lohgock redeten leise mit Reptain über dessen Wiedersehen mit Sandamer und den anderen.


    „Du… bist unglaublich!“ lachte Lohgock, als er hörte, was Reptain zu Larvitar gesagt hatte. „Nicht, dass ich so etwas nicht schon gewohnt wäre, aber…“


    Bald gesellte sich Reptain zu Nachtara und ließ die anderen am Feuer plaudern, denn ihm war nicht nach Witzen. Irgendwie mussten sie eine Lösung finden.


    Er begann, im Kreis zu gehen und mit den Augen die Umgebung abzusuchen, nach irgendetwas, das ihm vielleicht helfen könnte. Aber im Moment noch schien es unmöglich, klar zu denken; zu schnell schoss das Blut noch durch seine Adern, er musste ruhig werden.


    Reptain setzte sich wieder hin und musterte Nachtara, die ernst und irgendwie frustriert immer noch ins Feuer sah, die tanzenden Flammen beobachtete und keinen Muskel regte.


    „Wir müssen wirklich zu ihm.“ sagte er schließlich. „Unsere einzige Hoffnung ist, dass wir ihn vielleicht besiegen können.“


    Nachtara sah ihn aus großen Augen an. „Besiegen? Bist du sicher?“


    „Schau mal.“ sagte Reptain. „Wir haben hier drei erstklassige Kämpfer und dazu noch ein ziemlich gerissenes, im Kampf nerviges Noctuh, das sich schon langweilt. Ich kann vielleicht gegen ein starkes Unlicht-Pokemon nicht viel ausrichten, aber ihr beiden… Lohgock ist im Kampf ziemlich beeindruckend.“


    „Schön, aber… vergiss nicht, mit wem wir es zu tun haben.“ wandte Nachtara ein.


    „Hast du es eben nicht selbst gesagt? Es ernährt sich von unserer Furcht. Wenn wir ohne Angst zu ihm gehen, haben wir eine Chance.“


    „Weißt du, ich glaube, ich will Darkrai gar nicht besiegen. Jeder von uns hätte in seiner Situation vielleicht das gleiche getan.“ sagte Nachtara langsam.


    „Zuerst können wir ja mit ihm reden.“ Reptain beobachtete ihre Reaktion, wurde aber enttäuscht: wieder war ihr keine Regung vom Gesicht abzulesen.


    „Wenn wir alle dort hin gehen, wird es wütend. Ich meine, wenn einer das Geheimnis kennt, gut…“


    „Du hast Recht.“ musste Reptain zugeben. „Viele Möglichkeiten haben wir nicht mehr.“


    Die Sonne schien durch die Bäume und schläferte Reptain nach und nach ein. Das Feuer knisterte, als die Äste begannen, vor der Hitze aufzuspringen und Risse zu zeigen.


    Er bemerkte, wie sich Nachtaras Miene verdüsterte und sie die Krallen in den Boden grub, und er versuchte kläglich, aufmunternd zu lächeln. Das hatte er noch nie gekonnt.


    Müde ließ Reptain sich auf den Rücken sinken, spürte die Schatten der Blätter über sein Gesicht streichen und hoffte darauf, eins mit der Natur zu werden.


    „Bis zur Nacht müssen wir uns entschieden haben.“ sagte Lohgock plötzlich, und er schrak auf. Tatsächlich wäre er beinahe eingeschlafen, doch nun war Reptain zu seinem Verdruss wieder hellwach und genauso übellaunig wie zuvor.


    „Nein, hört mal, das ist Schwachsinn. Wenn wir nicht schlafen, können wir den Aufbruch vergessen. Legt euch hin und lasst euch von Noctuh wecken, der bemerkt es garantiert, wenn es dunkel wird. Wir können uns hier nicht stundenlang den Kopf zerbrechen.“


    „Du bist aber grimmig drauf heute.“ sagte Lohgock mit einem Anflug von Häme.


    Dennoch taten sie alle, wie Reptain ihnen geraten hatte, und schliefen unter der warmen Mittagssonne.


    Tatsächlich wurden sie geweckt, und zwar von Noctuh, der aufgeregt umherflatterte, einem die Flügel ins Gesicht schlug und mit keifender Stimme schrie: „Wacht auf, wacht auf! Nachtara ist verschwunden!“


    Trotz dieser bemerkenswerten Nachricht konnte man nicht behaupten, dass alle sofort wach gewesen wären, doch Reptain sprang auf und orientierte sich in der aufziehenden Dunkelheit erst einmal an Noctuhs reflektierenden, großen Augen, die unablässig im Kreis umherfuhren.


    „Ich weiß, wohin sie gegangen ist.“ sagte er plötzlich müde. Lohgock und Panflam horchten aufmerksam, während er erläuterte: „Sie denkt, wenn sie sich selbst ausliefert, hört er auf, mit allen Mitteln zu suchen. Vielleicht lässt er die anderen Pokemon, die mit ihr zu tun hatten, dann in Ruhe.“


    „Ja, worauf warten wir dann noch?“ fragte Panflam drängend. „Hinterher!“
    „Das geht nicht.“ meinte Noctuh traurig, denn er hatte begriffen. „Nur sie weiß genau, wo Darkrais zuhause im Zeitlosen Wald ist.“
    Stille trat ein, doch dann sagte Reptain kaum hörbar: „Ich denke, ich weiß, wo sie hin will. Ich kenne den Platz, wo Darkrai sich aufhalten könnte. Damals, bei meinem Besuch, hatte ich wohl Glück und ahnte nicht, WEM ich da entgangen war.“
    „Wo ist das?“ fragte Noctuh aufgeregt und stellte nicht einmal eine seiner lästigen Fragen.


    „Zu weit weg.“ seufzte Reptain.


    „WAS?“


    „Ja. Wir haben keine Chance, sie einzuholen. Niemals.“ er klang erschöpft und traurig, als hätte es ihn all seine Kraft gekostet, diese Tatsache auszusprechen.


    „Woher willst du das wissen?“


    „Selbst wenn wir schnell genug wären,“ fuhr Reptain fort, „kämen wir dennoch zu spät.“


    „Warum?“ Noctuh klang wütend, und Reptain wurde klar, dass er der Eule sichtlich genug Grund dazu gab.


    „Darkrai merkt es, wenn jemand eindringt. Und glaub mir, Nachtara ist schnell und wohl auch gleich nach unserem Einschlafen aufgebrochen.“
    „Wir müssen es aber versuchen!“
    „Verstehst du nicht?“ jetzt klang Reptain zornig. „Warum tut sie das? Um uns und die anderen, die noch übrig sind, zu schützen. Wie würden wir es ihr danken, wenn wir uns einfach direkt nach ihr in den Tod stürzen? Meint ihr, sie wollte das?“


    Stille trat ein, während Noctuh zu Boden sank und die Augen schloss.


    „Gut.“ sagte die Eule schließlich, „dann werde ich allein gehen. Wie ihr wollt.“ Und mit einem kräftigen Flügelschlag schwang er sich in die Luft.


    „Halt!“ rief Reptain und rannte hinter ihm her. „Warte! Gut, ich komme auch mit. Aber ihr, Lohgock und Panflam, ihr bleibt. Ihr habt damit nichts zu tun.“


    Panflam hatte Tränen in den Augen, doch wagte er es nicht, zu widersprechen, und Noctuh machte sich mit Reptain still auf den Weg.


    Er rannte durch das dichte Unterholz, folgte seinen Sinnen, die ihm sagten, wohin Nachtara gelaufen sei, und vertraute sich ganz der Finsternis an, die ihn umgab. Sie löschte jeden Gedanken aus, der ihn vielleicht dazu bewogen hätte, auf der Stelle umzukehren.


    Es kostete all seine Willenskraft, den Gedanken an den Zeitlosen Wald zu vertreiben, an die schrecklichen Fallen, die dort lauerten, und an Nachtara, gefangen in einem endlosen Schlaf, oder Nachtara, wie sie kraftlos zu Boden sank, Darkrai über ihr…


    Reptain beschleunigte seine Schritte, horchte auf die leisen Flügelbewegungen Noctuhs und legte all seine noch vorhandene Energie in dieses Rennen gegen die Zeit, das er nur verlieren konnte.


    Wie viele Stunden vergingen, konnte er nur schätzen, doch bald ging die Sonne wieder auf und er rannte weiter durch die Düsternis des Wäldchens dahin, versuchte sich zu erinnern, wo der Platz damals gewesen war, und folgte nichts als seiner Spur aus Vermutungen.


    Bald sank Noctuh wie ein nasses Federbündel auf seine Schulter und schlief im Stehen, während Reptain so schnell es ging zwischen den Bäumen dahinraste, auf die Leere zu, die sich dahinter irgendwann öffnen würde…


    Viele Stunden noch vergangen, bis sie endlich in den Zeitlosen Wald kamen, der nicht mehr so aussah wie in Reptains Erinnerungen: So still, als wehte kein Lüftchen in ihm, leblos, ohne irgendein Zeichen von Pokemon, doch nun sah Reptain die Fußabdrücke Nachtaras auf dem schlammigen Boden vor sich und musste feststellen, dass sie schon einige Stunden alt war; also beschleunigte er seine Schritte noch einmal und rannte keuchend den alten, ihm wohl vertrauten Pfad entlang.


    Es kam ihm vor, als sehe er eine Welt wieder, die er fast schon vergessen hatte oder nur noch aus Erzählungen kannte; tatsächlich aber hatte er hier fünf Jahre nach seiner Geburt gelebt.


    Das hier war sein Zuhause, doch die Leere und die Stille zwischen den Bäumen war ebenso neu für ihn wie der Gestank nach Tod und Feuchtigkeit, der vom Boden hinaufstieg.


    Er war geflohen, als die Veränderungen begonnen hatten; als die Risse in der Erde tiefer, die Zerstörungen durch die Erdbeben stärker geworden waren, und nun sah er seine Heimat, bis zur Unkenntlichkeit entstellt.


    Reptain kämpfte gegen die Tränen und spurtete einen kargen Hügel hoch, stützte sich an den dürren Nadelbäumen ab und konnte nicht verstehen, was hier passiert war.


    Das war keine natürliche Veränderung, wie es sie öfter gab und für die er es am Anfang auch gehalten hatte. Dies zeugte von dem bösartigen Willen, ein ganzes Land und seine Bewohner so gründlich zu vernichten, zu Boden zu zwingen, dass er froh war, geflohen zu sein.


    Er hatte überlebt, wenn auch zu einem hohen Preis.


    Aber das hier hätte er niemals verhindern können. Eine solche Macht besiegen zu können, war illusorisch. Was hatte sich Nachtara dabei gedacht? Konnte man sich von solch einem Wesen wirklich Gnade und Verständnis erhoffen?


    Zwei Stunden später trat er auf eine Lichtung heraus, die Ähnlichkeit mit einer Halle hatte; denn die Äste der Bäume über ihm waren zu einem Dach zusammengewachsen.


    Und in der Mitte dieser Halle schwebte, grausig und furchterregend, ein silbrig-schwarzer Schemen, der die Form eines Darkrai hatte. Noctuh schreckte auf und musterte die Umgebung mit angstvollen Augen.


    „Ah! Schön, dass auch ihr noch gekommen seid!“ rief Darkrai ihnen mit einer hohlen Stimme zu.


    „Ich frage mich,“ sagte der Schatten in vergnüglichem Ton, während er langsam auf die beiden zugeschwebt kam, „ob ich meine Adresse neuerdings schon an jede Ecke schreibe. Ihr habt genauso wenig Gnade zu erwarten wie das jämmerliche Nachtara von vorhin!“


    „Was hast du mit ihr gemacht, Bastard?“ rief Reptain ihm kalt und verachtend entgegen.


    „Ah!“ sagte das Darkrai wieder. „Ihr kennt euch? Das ist aber schade… Da hätte ich doch niemals…“


    „Hör auf mit den Spielchen!“ rief er. „Komm her und beweis, dass du auch die Macht hast, mich zu besiegen!“ Kälte drohte sein Herz zu ersticken, doch sie erstickte auch die Furcht, die in ihm zu wachsen drohte.


    Noctuh jammerte auf seiner Schulter: „Oh, halt du bloß die Klappe, das nimmt kein gutes Ende.“


    „Soll es auch gar nicht!“ fauchte Reptain ihm zu, sodass die Eule erschrocken zurückzuckte.


    „Was ich getan habe?“ sagte Darkrai langsam, an Reptain gerichtet, „ich habe Nachtara einmal gezeigt, was es heißt, um sein Leben zu flehen… Euch wird es nicht anders gehen!“ Es lachte.


    „Ich habe längst akzeptiert, dass es mit jedem einmal zu Ende gehen wird. Du aber, du bist verdammt, bis zum letzten Tag hier auszuharren und all die dreckigen Verräter dieser elenden Welt zu bestrafen, solange, bis du in dir selbst nichts anderes mehr siehst als den Tod!


    Vielleicht tut es dir dann Leid, wie lange du den Richter gespielt hast, wie lange du dir anmaßest, über Tod und Leben zu entscheiden! Du hast nicht die Macht, uns das Leben zu nehmen, denn du lebst schon längst nicht mehr! Du bist nichts als ein Geist, der sich hinter seiner eigenen Bösartigkeit versteckt, um nicht in sein Spiegelbild schauen zu müssen und erkennen zu müssen, wie klein die Bedeutung deiner MACHT noch ist, wenn alles vorbei ist! Wenn nichts mehr von der Welt existiert außer dir und der Leere, die du sorgfältig zu verbreiten pflegst! Du kannst mich nicht besiegen, denn ich bin anders als du, und deine Macht erstreckt sich nicht auf das Schicksal der Lebenden! Denen, die dich fürchten, kannst du Leid zufügen, aber vor denen, die die Angst vor dem Tod schon lange überwunden haben, denen kannst du nichts antun! Komm schon her und lass uns unsere Macht messen! Was ist wohl kostbarer? Leben oder Tod?“


    Er zitterte. Alle seine Wut war verflogen, sein Zorn aufgebraucht. was konnte er noch sagen? Hatte er eine Möglichkeit, die Dinge zu ändern? Wohl kaum.
    Darkrai blieb stehen und tat nichts anderes, als Reptain mit funkelnden roten Augen anzustarren. Wieder spürte er die Kälte in seinem Herzen, und wurde fast wahnsinnig vor Schmerz, doch wusste er, dass ihm nichts geschehen würde. Heute nicht und auch nicht an anderen Tagen. Schließlich gab es auch noch so etwas wie Gerechtigkeit.


    „Nun gut.“ sagte Darkrai mit veränderter, rauer Stimme, und plötzlich erschien drei Schritte vor Reptain ein kleines, hell-weißes Licht, wie in eine wabernde Wolke gehüllt. Winzige orangefarbene und goldene Funken tanzten in ihr umher, als sie wie ei lebendiges Wesen langsam zur Erde herunterschwebte. "Ich habe wohl keine Wahl. Aber..." Darkrai verstummte.


    Fast machte er sich bereit auf einen Angriff, aber Reptain erkannte plötzlich die verschwommene Gestalt in dieser Perle aus Licht: Nachtara, zusammengekrümmt am Boden. Das Licht verschwand, sie fiel zu Boden und bewegte sich nicht. „Nachtara!“ rief Reptain und stürzte auf sie zu, sehend, dass sich ein langer Striemen über ihren Rücken zog, doch sie schien in Ordnung. Noctuh flatterte voraus und betrachtete Nachtara sorgfältig aus der Nähe, während Reptain sich zum ersten Mal in seinem Leben richtig, richtig glücklich fühlte, als sie die Augen öffnete und ihn ansah. "Verdammt. Ich hätte es wissen müssen." War das erste, was sie herausbrachte


    Währenddessen wollte Darkrai einsam am anderen Ende der Halle verschwinden, doch Reptain sah ihn und stand noch einmal auf. „Danke.“ flüsterte er leise, und Darkrai senkte langsam den Kopf zu etwas Ähnlichem wie einem Nicken und verschwand in die Dunkelheit.


    Er hinterließ nichts als eine kleine, tränenförmige Perle auf den Wurzeln eines Baumes, die Reptain bedrückt betrachtete und sich dann zu den anderen umwandte.


    Nachtara lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich. Langsam rappelte sie sich hoch, mit schmerzverzerrtem Gesicht, und kam mühsam auf die Beine. „Warte.“ sagte er. „Ich kann dich tragen.“ Fürsorglich und zugegebenermaßen besorgt reichte er ihr seine Hand.


    „Nein, kannst du nicht.“ antwortete sie sofort. „DU bist vor Erschöpfung schon ganz grau im Gesicht. Wie seid ihr so schnell hinter mir hergekommen?“


    Reptain sparte sich eine Antwort, aber so musste er mit anhören, wie Noctuh von ihrem Sprint hierher prahlte und auch noch entsprechende Annerkennung bekam.
    "Ich danke euch. Wirklich. Ihr habt mir das Leben gerettet."


    Er nickte. "Scheint so. Aber ich bin sehr froh, dass wir diese Angelegenheit ohne einen Kampf regeln konnten. Ich weiß wirklich nicht, ob ich die Macht gehabt hätte, ihn zu besiegen, ganz egal, was ich vorher sagte."


    "Du hättest ihn hören sollen," sagte Noctuh und zwickte Reptain. "Absolut überzeugend."
    Sie traten aus der naturgeschaffenen, stillen Halle hinaus in den Zeitlosen Wald, ließen die baumartigen Säulengänge hinter sich, ebenso die Kuppel aus zusammengewachsenen, dunklen Ästen, die einen natürlichen Pavillon schuf. Dies hier, dachte er, hatte auch seine eigene, finstere Schönheit.


    Beim Gedanken, dass das hier einmal seine Heimat gewesen war, wollte Reptain schlecht vor Zorn werden, doch endlich begriff er: Darkrai gefiel das. Ihn störte die ganze bunte, erfüllte Fröhlichkeit anderer Wälder und der Städte, also hatte er sich sein eigenes Refugium erschaffen.
    Und Reptain konnte das nur nicht verstehen, weil es einmal sein Zuhause gewesen war.


    „Was meint ihr?“ sagte er dann zu Nachtara und Noctuh, „habt ihr Lust, noch ein paar Monate mit mir zu Reisen und die Welt zu unserem Haus zu machen?“


    „Sicher.“ lächelte die Eule, und auch Nachtara stimmte zu.


    "Vielleicht erleben wir noch so ein paar verrückte Dinge. Du bist schließlich immer für Überraschungen gut."


    „Unglaublich, was man so einer Situation an guten Dingen abgewinnen kann, was?“ Reptain lachte.


    ENDE









  • Also, erst einmal muss ich sagen, dass deine Geschichte wirklich gut geschrieben ist. Spannend mit einer Portion Humor, gefällt mir. ^^
    Verbesserungsvorschläge hab ich jedoch einige: Fangen wir doch mal mit dem Layout an: Bitte nimm Schriftgröße 10 zum Schreiben, diese große Schrift wirkt äußerst unprofessionell. Einen schöneren Startpost hättest du auch machen können. Klar, für so eine kurze Geschichte lohnt sich das auf den ersten Blick nicht, aber ein schöner Startpost lockt viel mehr Leser an als ein schlechter. Naja, ich bin jetzt nicht so der Startpost-Experte, da kennen sich die anderen Fanstorylehrer besser aus, aber du kannst ja zumindest schreiben, wie du auf die Geschichte gekommen bist oder allgemein etwas zu den Umständen sagen. Eine Karte wäre eventuell auch nicht schlecht, denn dann könnte man das Wüstengebiet und die Stadt und Darkrais Gebiet besser einordnen, ebenso wie Noctuhs oder auch Reptains zerstörte Heimat.
    In deinem zweiten Post hast du außerdem zu viele Leerzeilen gemacht, einfache Zeilenumbrüche hätten es an den meisten Stellen auch getan.


    Jetzt zur eigentlichen Geschichte: Also mit dem Charakter Reptain ist dir ja ein richtiger Kunstgriff gelungen, ich fand ihn wirklich überzeugend. Er stellt so einen richtigen Detektiv dar und sein Humor ist wirklich klasse. ^^ Schade fand ich, dass man so wenig über seine Hintergründe sowie die seiner Begleiter erfährt. Die Geschichte würde viel mehr Tiefe bekommen, wenn du geschrieben hättest, was die drei überhaupt in Leon (so heißt doch die Stadt, oder?) machen und warum es Reptain gerade in die Wüste verschlägt. Interessant wäre auch gewesen, woher Sandamer und Raptain sich kannten und was die Sache damals mit dem Hoothoot war, das hätte noch ausführlicher sein können. Auch wäre eine Rückblende zur Zerstörung von Reptains Dorf schön gewesen, als sie dort vorbei kamen. So in kursiv eine kurze Nacherzählung der Ereignisse aus Reptains Sicht oder etwas Ähnliches.
    Cool fand ich, als Reptain diese Geschichte erfunden hat. ^^ Obwohl sie vielleicht ein wenig unlogisch war, denn diese Form der Rache, gleich jemanden umzubringen, war für dieses "Vergehen" etwas übertrieben. ;)
    Diese Sache mit Darkrai und Nachtara hab ich auch nicht ganz verstanden. Darkrai vernichtete doch das Dorf, da er hoffte, Nachtara dabei mit zu töten? Damit war die Sache für ihn doch erledigt, schließlich nahm er Nachtaras Tod an. Warum aber hast du dann geschrieben, dass er auch später noch nach ihr sucht und alle Bekannten von ihr Angst vor ihm haben müssen? Das war nicht so ganz logisch. Vor allem, da so auch Nachtaras Auslieferung nicht notwendig gewesen wäre. Da musst du nochmal drüber lesen. Zwei andere Logikfehler sind außerdem, dass du die Typen der Pokemon teilweise falsch benannt hast. Nochmal zur Wiederholung: Noctuh ist Normal/Flug und nicht Psycho, Darkrai ist Unlicht, nicht Geist. Bitte ausbessern. Auch an der Stelle, als Noctuh das Pionskora angreift, ist nicht ganz klar, welche Attacke es einsetzt. Reptain riet ihm, Konfustrahl zu benutzen, die Attacke sah aber mehr nach Blitz aus.
    So... Wo war ich stehen geblieben? Achja, genau, die Dialoge zwischen Noctuh und Reptain waren teilweise einfach göttlich. ^^ An manchen Stellen musste ich so lachen. ^^
    Oh, mir fällt gerade noch ein Logikfehler auf: Es war etwas merkwürdig, dass Nachtara einen dermaßen riesigen Vorsprung hatte, schließlich haben sich Reptain und Noctuh so sehr beeilt und ich kann mir nicht vorstellen, dass Nachtara es eilig hatte, ihrem Ende entgegen zu rennen.
    Interessant an deiner Geschichte fand ich Darkrais Charakter. Er scheint ja wie ein Richter zu agieren, ist dabei aber kaltherzig und tötet schnell ohne mit der Wimper zu zucken. Auch eine interessante Darstellung. Reptains Worte an Darkrai haben mir sehr gefallen, als er ihm all das vorführt, was er nach Reptains Meinung ist und tut.
    So. Aber die Schlussszene war insgesamt viel zu kurz, da fehlt so viel Atmosphäre! Erst einmal hättest du die Halle besser beschreiben müssen, in der Darkrai sie erwartet und außerdem die Gefühle von Reptain als er sie betritt. Das ist ganz wichtig, denn die Gefühle des Hauptcharas übertragen sich auf den Leser - und wenn da nichts ist, dann fehlt einem das sehr.
    Ich finde auch, dass Darkrai viel zu schnell nachgibt. Wäre ein etwas längeres Zögern nicht viel angebrachter gewesen - das den Leser außerdem viel mehr auf die Folter gespannt hätte? Das Licht, aus dem Nachtara wieder zurück ins Leben kommt, hättest du auch noch schöner beschreiben können, ebenso wieder die Gefühle bei Reptain und Noctuh.
    Das Ende kommt dann auch noch etwas sehr schnell. ^^ Aber insgesamt gefällts mir.


    Fehler:
    „Ach, seid wann kümmern dich denn die Schlafenszeiten von uns, he?“ seit
    teilweise fehlen Leerzeichen nach Satzzeichen
    irgendwo war noch ein Satzstellungsfehler, aber den finde ich jetzt nicht mehr ^^"



    Deine Geschichte ist eigentlich mehr eine Kurzgeschichte, aber da es ja auch Mystery Dungeon ist, denke ich, dass man die Einordnung in den Bereich trotzdem so lassen kann. Bis auf das, was ich so aufgezählt habe, hat mir deine Geschichte echt gut gefallen, der Schreibstil war auch recht angenehm zu lesen.

  • Vielen Dank für dein Kommentar ;)
    Ich werde mich bemühen, die Geschichte noch einmal zu bearbeiten, und das mit den Logikfehlern tut mir echt Leid. Vielleicht habe ich mich ein wenig zuviel um Reptain bemüht, aber ich versuche auf jeden Fall, die Fehler zu verbessern. Eine Karte gab es aus dem Grund nicht, dass ich einfach unglaublich unbegabt im Zeichnen bin, aber ich kann ja mal jemanden bitten, mir zu helfen ;) Das mit der Vorgeschichte ist auch so eine Sache, denn ich wollte eigentlich in einigen anderen Fanstorys noch von Reptain und Noctuh berichten und auch über die Region einiges erzählen, aber ich weiß nicht genau, ob ich die zeit dafür finde.


    Das mit der Schlussszene stimmt, die verlasse ich wohl ein wenig überhastet. Und die Formatierung werde ich auch noch ändern, hoffe also, dass wenigstens die Schriftgröße und Zeilenümbrüche hinhauen ;) Es ging mir vor allen Dingen darum, meine Erfahrungen auszubauen. Ich denke, dass ich weiterhin Geschichtchen über Reptain schreiben werde (bin ein Fan =)
    aber worum es genau da geht, kann ich nicht sagen, denn ich arbeite gerade an einer anderen FS.



    Ach, und mir fällt noch etwas anderes ein: Den letzten Abschnitthabe ich teilweise bewusst auf Gefühlsäußerungen und Beschreibungen verzichtet, da diese vor allem im Dialog mit Darkrai zustande kommen sollten, aber ich weiß nicht recht, ob mir das gelungen ist ;( war halt ein kleines Experiment.


    Und die Geschichte gegenüber Larvitar war etwas, das man im allgemeinen als Übertreibung bezeichnet :whistling: , und außerdem saugt sich Reptain die in dieser Situation so ein bisschen aus den Fingern. Tja... Ehrlich gesagt war ich an dem Part auch ein bissl verwirrt :patsch: