Wie Wasser und Eis

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  • Kapitel 40
    Dieser Garten ist für alle da!


    8.7.2009


    Als ich deutlich gemacht hatte, worum es geht, war die Hektik von der kleinen Frau leider nicht durch sofort aufkeimende, kalte Effizienz ersetzt worden. Nun eilt sie noch viel hastiger vor uns durch den dunklen Flur des vierten Stocks. Nun, zumindest dieses Extrem hat sie gut drauf. Manchmal sehe ich schwarze Türen, welche die Eintönigkeit der dunkelroten Tapete unterbrechen. Am Ende des Gangs wartet eine Flügeltür aus poliertem Holz auf uns. Mit großen Schritten folge ich der Frau, Lee geht neben mir her, Lucia und Rocky folgen wiederum uns. Vor den Flügeltüren bleibt sie kurz stehen. „Also, Sie werden erwartet.“, keucht sie, als wäre der Marsch hierher kilometerweit gewesen. Sie müsste dringend was für ihre Fitness tun, denke ich bei mir. Das „Sie“ überhöre ich. Ein wenig nervös stoße ich die Türe auf, im Inneren befindet sich eine Art Studio. Greenscreen, Kameras und verschiedene Leuchter dominieren den Raum. Eine dicke Glasscheibe trennt den Raum in ein kleineres und ein größeres Drittel. Hinter der Scheibe kann ich eine junge Frau ausmachen, welche auf einem Metallhocker sitzt und angestrengt in ein Mikrofon spricht, welches vor ihrer Nase baumelt. Als sie mich sieht, drückt sie einen kleinen Knopf an der Seite, erhebt sich und geht zu einer Glastür herüber. „Guten Tag! Fräulein Jou, mein Name ist Panadakolou, Pia Panadakolou.“. Ich versuche, ernst zu bleiben. „Nennen Sie mich Maria.“ – „Sehr schön! Da wir nun so gute Freunde sind, Maria, muss ich Sie bitten…“ – „Und duzen Sie mich. Bitte.“ – „Äh, okay.“, sie wirkt ein wenig unsicher, doch eine Sekunde später tritt ihr übliches Lächeln auf ihr Gesicht. „Wir wollen den Trainern aus Sinnoh eine Botschaft schicken, richtig? Ja, das wollen wir. Also, wie geht das? Das geht ganz leicht! Warum? Weil wir uns in einem Tonstudio befinden, und du wirst die Nachricht einfach da in mein schnuckeliges Mikrofon sprechen. Geht das klar?“. Ich habe keine Ahnung, wie ich mit dieser Zwangsfreundschaft umgehen soll, aber solange ich danach meinen Plan, nach Alamos zu reisen, durchziehen kann, soll es mir Recht sein. Also nicke ich. „Sicher.“ – „Wundervoll! Wir fangen sofort an. Aber zuerst musst du dir das ansehen.“, sie führt uns zu einem großen Monitor herüber, dessen Bild komplett schwarz ist. Auf einen Wink von ihr fährt ein Kameramann zusammen, der neben uns steht. „Oliver? Wärst du so nett?“ – „Yessircaitn! Wirdsoforterledigt!“, meint er und bedient eine kleine Remote, die an seinem Hals baumelt. Merkwürdiger Schmuck.
    Der Monitor erwacht zum Leben. Erst sehe ich nichts, dann klart das Bild auf. Einige Zweige hängen von oben ins Bild, doch sie verschwinden, als näher ran gezoomt wird. Als ich sehe, woran genau heran gezoomt wird, stockt mir der Atem. Man sieht, wie Frida, Lucia und ich gegen Yussuf und das Phantom kämpfen. Der Kampf hat gerade erst begonnen, denn in den späteren Phasen dürfte man mich und meinen Gegner nicht mehr deutlich sehen können. Ich sehe, wie Phantom eine Hand voll Sand in Lucias Gesicht wirft und sie dann angreifen will, die Koordinatorin weicht knapp aus. Dann konzentriere ich mich auf Frida, deren Snibunna extremen Schaden unter den Pokémon der Galaktiker anrichtet. Als letztes schaue ich mir selbst zu, wie ich gegen den ersten Offizier des Phantoms kämpfe, und muss zugeben, dass mein Stil faszinierend flüssig aussieht. Nie bleibe ich stehen oder mache Pause, eine Bewegung geht locker in die nächste über. Genau so, wie mein Lehrer es mir damals beigebracht hat. Minimale Energieverschwendung. „Daraus!“, Pia Plaudagei, wie ich sie mittlerweile liebevoll getauft habe, schaltet den Schirm aus. „Daraus werden wir während deines Beitrags Szenen aussenden. Wir haben natürlich auch eure anderen Kolleginnen gefilmt.“ – „Woher wusstet ihr davon?“ – „Geheimnis!“, flötet sie auf Rockys Frage hin. Ich hingegen muss nicht lange nachdenken. Es gab nur eine Person hier in Blizzach, die uns bei einer Besprechung näher gekommen war, und das war der Barkeeper. Gerissener Bursche, ich war wirklich davon ausgegangen, dass das Putzen der Gläser seine gesamten kognitiven Kapazitäten erfordern würde. Fehlanzeige. „Gut.“. Anstatt lange um den heißen Brei herumzureden, gebe ich Lee einen Kuss auf die Wange, wende mich ab und trete nun selber hinter die Glaswand. Als die Tür zufällt, ist es zu meiner Überraschung absolut leise hier drin. Kein noch so kleiner Schall dringt durch das Glas. Was für eine Sorte ist das? Egal, denke ich, und setze mich selbst auf den Metallhocker, auf dem unser menschliches Plaudagei bis eben noch gesessen hat. Auf dem Mikro hängt ein Paar Kopfhörer, die ich mir aufsetze. Dann streiche ich mir eine Strähne aus dem Gesicht und halte meinen gebrochenen Arm möglichst still. Eine Stimme erklingt durch die Hörer. „Wir nehmen das alles auf, also wenn du einen Fehler machst, sprich den Satz einfach nochmal, bis du zufrieden bist!“ – „Gut.“, murmele ich. Pia sitzt mittlerweile an einem Mischpult und regelt irgendwelche Tonstufen hoch und runter. Ich kenne mich mit sowas nicht aus. „Und los!“. Verdammt. Was soll ich sagen?
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    Herzhofen
    Saturn steht in seinem verdunkelten Konferenzraum, soeben hat er die Meldung erhalten, dass Argo gefasst worden ist. Einen kurzen Moment lang ist Wut in ihm aufgestiegen, doch er hat dieses irrationale Gefühl so schnell wie möglich unterdrückt. Wut hindert nur am klaren Denken. „Boss!“, Commander Jupiter stürmt in den Raum, sie sieht atemlos aus. „Ja?“ – „Schalten Sie den Fernseher an, das wird Ihnen nicht gefallen.“. Wortlos blickt Saturn einen Galaktiker an, der hinter ihm am Tisch sitzt. Dieser springt hastig auf und schaltet den großen Bildschirm ein, der die gesamte Wandfläche vor ihm einnimmt. Eine Nachrichtensprecherin aus Blizzach wird eingeblendet. „…und soeben erreichen uns diese Bilder vom See der Stärke. Das, womit kein Bürger gerechnet hat, ist wahr geworden. Nicht nur Herzhofen ist in großer Gefahr, sondern wir alle. Was tut die Polizei, mag sich jetzt mancher fragen, und diese Frage ist berechtigt. Was tut die Polizei?“. Das Bild verändert sich, statt der schwarzhaarigen Nachrichtensprecherin hinter ihrem Holztisch sieht man nun ein eingeschneites Stück Erde, im Hintergrund ragen die Gebäude in den Himmel, deren Bau Saturn vor einigen Monaten selbst kontrolliert hat. Doch die Kamera fixiert das Mädchen, welches gegen einen schwarz vermummten Mann kämpft. Saturn schließt kurz die Augen. Er weiß, dass das Yussuf ist. Die zugleich sanfte und doch kühle Stimme einer jungen Frau ertönt im Hintergrund. „Trainer und Trainerinnen von Sinnoh, Arenaleiter und Koordinatoren. Euch allen soll nicht verborgen bleiben, was Team Galaktik mit unserer schönen Region anstellen will. Der Angriff auf das Polizeirevier in Herzhofen war nur der Anfang. Die Übernahme der Stadt im Herzen Sinnohs war die Fortsetzung. Das, was ihr hier seht, sind die Bemühungen der Internationalen Polizei in Kooperation mit Officer Rocky aus Herzhofen!“, de Kamera schwenkt auf ein Mädchen mit pechschwarzem Haar und kurzem Rock, Saturn erkennt Frida, die Eisleiterin aus Blizzach. „Officer Rocky hat ein Team aus Trainern zusammenberufen, mittlerweile helfen uns bereits 2 Arenaleiter. Wir lassen nicht zu, dass Sinnoh diesen Verbrechern in die Hände fällt. Wir kämpfen.“. Das nächste Bild zeigt das brennende Polizeihauptquartier, kurz nachdem Yussuf damals die Bombe platziert hat. „Doch wir sind nur wenige und Team Galaktik ist uns bisher zahlenmäßig überlegen.“. Wieder ein Zoom auf den Kampf der Braunhaarigen, gefolgt von einigen Einblendungen des Kampfes Cat vs. Uranus sowie Manon und Hagane gegen Venus und Luna.
    „Also frage ich, nein, ich bitte euch inständig. Zeigt Team Galaktik, dass sie mit Sinnoh kein leichtes Spiel haben! Wir werden nicht zulassen, dass unsere Region von gefühlskalten Gangstern unterjocht wird, die nicht einmal fair kämpfen wollen.“. Das Phantom schleudert Lucia eine Hand voll Sand ins Gesicht und greift an, mit Müh und Not entkommt das Mädchen. „Wenn wir zusammenhalten, verlieren wir nicht. Wenn wir zusammenhalten, vertreiben wir diese Verbrecher aus Sinnoh, mit eurer Hilfe schaffen wir es! Lasst nicht zu, dass es ein zweites, drittes oder gar viertes Herzhofen gibt.“. Maria verstummt, denkt Saturn, es kann nur Maria sein. Das letzte Bild zeigt, wie Fridas Snibunna 3 Gegner auf einmal ausschaltet, dann erscheint wieder die Nachrichtensprecherin. „Diese Bilder erreichten uns vor Kurzem vom See der Stärke aus. Es…“, sie ringt um Fassung, bevor sie weiterspricht. „…es scheint unfassbar. Ist die nationale Sicherheit gefährdet? Kann man überhaupt noch auf die Straßen gehen, ohne dass man sich Sorgen machen muss?“. An dieser Stelle hebt Saturn ruckartig die Hand. Der Galaktiker drückt auf die Fernbedienung. Das Bild wird schwarz. „Die übertreiben maßlos!“, keucht Jupiter. „Wir haben nicht einmal Phase 5 begonnen, und schon…“ – „Das ist schlau angestellt worden.“, überlegt Saturn. „Das Phantom ist der Einzige, dessen Kampfstil auf Tricks und Täuschungen beruht. Und genau den haben sie gefilmt, um diesen Fakt auf uns alle zu übertragen. Jede Szene hat genau zu dem gepasst, was Maria gesagt hat. Verdammt gerissenes Luder.“, murmelt der Galaktik-Boss. „Wenn wir jetzt nicht von allen Seiten Kontra kriegen wollen müssen wir handeln. Und zwar schnell. Kontaktieren Sie Einheit S.“ – „Sie…“, Jupiter starrt ihren Boss an. „Okay. Wird gemacht.“, flüstert sie und verlässt den Raum. Saturn gestattet sich ein kurzes Grinsen. Einheit S sitzt in Sonnewik.
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    Erleichtert verlasse ich den kleinen Glasraum. Einige Sätze hatte ich mehrmals sagen müssen, weil ich mich verhaspelte, doch letztendlich kam ein guter Beitrag dabei raus, der sogar direkt nach dem Cutting veröffentlich wurde. Nachrichtensondersendung heißt das Zauberwort. Damit dürften wir Team Galaktik das Leben ziemlich schwer machen, denke ich bei mir. Plötzlich fühle ich, wie mir Wasser den Rücken herab läuft, ich will aufgrund eines Reflexes meinen Arm nach hinten reißen. Und zwar den gebrochenen Arm, das Resultat ist erst ein großer Schmerz, dann fühle ich kurz nichts mehr, danach wird mein Arm flüssig. Mein Ärmel fällt leer herunter, die Schiene, die Joana mir angelegt hat, fällt zu Boden. Fassungslos starre ich meinen Arm an. Meine Schulter und der Rest meines Körpers sind aus Fleisch und Blut, Ekitai Shojou hat diesmal nur alles von der Schulter abwärts in Wasser verwandelt. Interessant zu wissen, dass das auch geht. Ich hebe den Kopf. Das ganze Studio starrt mich an. Wenn ich meinen Arm jetzt wieder verfestige dürfte das aufgrund des Ärmels, der im Weg ist, schmerzhaft werden. „Äh…“, mache ich, lasse die Oberfläche meines Arms gefrieren und ziehe den Ärmel wieder darüber, bevor ich das Eis zurückverwandle. Der Bruch ist geheilt. „Was war das denn?“, wie ein Wasserfall sprudelt Pia los: „Ich habe sowas noch nie gesehen! Unfassbar! Warum? Weil es unmöglich ist, dass jemand sowas mit seinem Arm anstellt! Wie machst du das?! Will mich hier wer verulken? Ist das ein Trick? Wie geht das?“ – „Hey, ganz ruhig.“, entgegne ich und verschränke die Arme. Fühlt sich gut an…so ganz ohne Schmerzen. „Ihr alle.“, ich drehe mich kurz um, damit sich das ganze Studio angesprochen fühlt. Der Kameramann reibt sich die Augen. Lee hingegen lächelt nur. „Das war kein Trick, ich kann meinen Körper zu Wasser machen, wenn ich will. Naja…und wenn ich genug Kraft übrig habe. Ich hätte euch gebeten, es für euch zu behalten, doch Team Galaktik kennt diese Technik, da ich davon ausgehen muss, dass diejenigen, die mich bei ihrer Ausführung gesehen haben, mittlerweile wieder aufgetaut sind.“ – „Aufge…“ – „Aber damit mir nicht in Zukunft Horden von Journalisten die Türen einrennen bitte ich euch trotzdem: erzählt es niemandem. Okay?“. Für eine Weile ist es still im Raum. Dann nickt Pia, die anderen Filmleute tun es ihr gleich. Ich fühle Erleichterung.
    „Lee? Lucia?“ – „Ja?“ – „Was gibt’s, Sachiko?“, ich unterdrücke ein Seufzen. „Auf nach Alamos Town.“. Rocky begleitet uns ins Pokémoncenter, auf der Straße sehen mich diesmal weniger Leute an, nur zwei kleine Kinder erkennen mich aus der Zeitung von damals und machen mit großen Augen einen Bogen um mich, als wäre ich gefährlich. Im Pokémoncenter packe ich meine Sachen zusammen, prüfe meine Pokébälle und warte dann auf meine beiden Freunde. Während ich im Flur stehe, verabschieden sich die anderen Trainerinnen von mir, bevor sie auf ihre Zimmer gehen um sich dort auszuruhen. Sie haben wirklich großartig gekämpft, das sage ich ihnen genauso, wie ich es denke. Cat, Manon, Joana, Hagane…und Frida. Als sie vor mir steht, sieht die Leiterin mich erst ein wenig unwohl an. „Also…ich wollte dir viel Glück wünschen. Ich habe mich in dir ein wenig geirrt, muss ich sagen, du bist gar nicht so übel.“ – „Danke. Du auch nicht. Aber denk dran, wenn ich wiederkomme, kämpfen wir.“ – „Aber nur mit Pokémon. Ich glaube nicht, dass ich im Straßenkampf gegen dich gewinnen würde.“. Ich muss grinsen. „Bis dann, Diamantstaubmädchen. Hilf Sinnoh.“ – „Mach ich.“. Danach bin ich wieder eine Weile allein, bis Lee aus einem Zimmer neben mir herauskommt. Er trägt mal wieder eines seiner nachtschwarzen Hemden, dazu eine Snowboarderhose und weiße Turnschuhe. Bei seinem Anblick bekomme ich das Gefühl, die Kleider, die ich am Leib trage, könnten vielleicht ein bisschen ausgelüftet werden. Und zwar draußen. Während ich drinnen bleibe. „Bist du bereit?“, will er wissen. „Immer.“, flüstere ich und lasse offen, was ich meine. Lee hebt eine Braue, begreift in derselben Sekunde, auf was ich anspiele, und lässt sie oben, weil er weiß, dass mich das anmacht. Andere würden denken, er begreift es noch immer nicht, doch ich verstehe ihn verdammt genau. Langsamen Schrittes kommt er auf mich zu und umarmt mich. „Wie schade, dass dein Arm verheilt ist. Ich hätte dich wirklich gern noch weiter getragen.“ – „Ich kann ihn mir in weniger als einer Sekunde wieder brechen, wenn du willst.“ – „Lass gut sein. Sonst könntest du das hier nicht erwidern.“. Ich fühle die kühle Berührung von Lees Fingern an meinem Gesicht, unsere Gesichter nähern sich, sind nur noch Zentimeter voneinander entfernt…
    „Also, ich bin soweit! Ups.“, Lucia kommt aus unserem Zimmer und bleibt abrupt stehen, als sie sieht, wo sie gerade reinplatzt. Lee und ich trennen uns voneinander und sehen sie beinahe verlegen an. „Ich wollte nicht stören!“, beteuert die Koordinatorin, doch ich schüttele den Kopf. „Macht nichts. Es gibt…“, den letzten Teil des Satzes spreche ich ein bisschen leiser aus. „…sicher noch viele, viele Gelegenheiten.“. Dann gehe ich an Lee vorbei und streife ihn absichtlich mit meiner Hüfte. Er und Lucia folgen mir, ich höre es an ihren Schritten. Von Rocky habe ich mich bereits verabschiedet, sie weiß, was ich vorhabe. Vor dem Pokémoncenter bleiben wir kurz stehen, ich lasse mir die Sonne ins Gesicht strahlen. „Diesmal machen wir keinen Zwischenstopp in der Skihütte, oder?“, fragt Lucia. Ich muss grinsen. „Und wenn schon. Malegoche gehört mir.“ – „Malegoche? Wer ist das?“ – „Ein neues Geisterpokémon, was ich in einer verlassenen Skihütte gefangen habe. Eine Weiterentwicklung von Banette.“ – „Interessant.“, murmelt Lee. „Euch passieren die erstaunlichsten Dinge.“ – „Du meinst „uns“. Ab nun sind wir wieder zusammen.“. Lee legt mir einen Arm um die Schulter. Wie immer bin ich überrascht, dass er größer ist als ich, normalerweise gibt es wenige, die mich überragen. Mein Freund allerdings ist ganze 10 Zentimeter größer. Dass wir uns getroffen haben, ist pures Glück.
    Oder Schicksal. Wobei ich an sowas eigentlich nicht glaube.
    /


    Manon sieht aus dem Fenster und zündet sich eine Zigarette an. Nachdem sie den Rauch inhaliert hat, ertönt eine Stimme hinter ihr. „Denkst du, wir schaffen es, Team Galaktik hinzuhalten?“ – „Weiß ich nicht..“. Die Rothaarige dreht sich zu Rocky um. „Team Galaktik darf nicht merken, dass Maria weg ist. Ansonsten ist ungewiss, was sie tun werden. Wir haben schon Glück, dass Mewtu noch nicht hier war und die Stadt verwüstet hat.“ – „Ziemlich pessimistisch, hm?“, die Polizistin setzt sich auf Manons Bett und nimmt ihre Mütze ab. Ihr langes, türkisfarbenes Haar fällt ihr über die Schultern. Seufzend setzt Manon sich neben sie. „Aber falls Maria wirklich ein Darkrai mitbringt…“ – „Du kennst die Legende auch nicht, oder?“ – „Um ehrlich zu sein: Nein. Aber ich kenne das Pokémon.“ – „In Alamos Town lebt das einzige Darkrai, welches je mit Menschen kommuniziert hat. Es gibt dort eine Familie, die „Oracion“ vererbt, das Lied, welches direkt zu den Gefühlen spricht. Nur darum ist dieses Darkrai so geworden, wie es eben ist.“. Die beiden Frauen schweigen eine Weile. „Und dieses Darkrai gehört Maria?“ – „Nein, ich nehme an, sie sind befreundet. Maria war früher lange in Alamos Town, mit der Fremdenführerin dort versteht sie sich blendend, das steht in ihrer Akte.“ – „Ah.“, erneut nimmt Manon einen Zug von ihrer Zigarette. „Wolltest du nicht damit aufhören?“ – „Ja. Aber ich schaffe es nicht, wie du siehst.“ – „Wie früher.“ – „Ja, wie früher.“.
    ///


    Der Kampf am See der Stärke ist vorüber. Maria, Lee und Lucia sind auf dem Weg nach Alamos Town, während Team Galaktik sich immer weiter in die Offensive begibt. Sonnewik ist die zweite Stadt, die von den Verbrechern übernommen wird. Ein Spezialkommando von Team Galaktik manipuliert dort die Pokémoncenter-Teleporter, alle Pokémon, die von da aus weggebracht werden sollen, landen stattdessen in einer geheimen Lagerhalle der Galaktiker. Nach nicht einmal 3 Tagen sind die Trainer machtlos. In Herzhofen verstecken sich Eva, Lilith, Pay und einige weitere Trainer im Pokémoncenter, während der Rest der Stadt immer wieder von Straßenkämpfen gebeutelt wird. Die Bürgermeisterin von Sonnewik ruft um Hilfe, doch nicht einmal Volker, dessen Team ebenfalls gefangen wurde, kann etwas unternehmen. In allen anderen Städten werden diese Nachrichten mit Schrecken vernommen, kein Trainer in Ewigenau, Trostu, Schleiede oder Jubelstadt traut sich mehr ins Pokémoncenter. Aber überall, wo Team Galaktiks Machenschaften publiziert werden, erheben sich sowohl Trainer als auch Koordinatoren, um dem Einhalt zu gebieten. Vom See der Stärke und von Herzhofen aus wird eine Woche nach dem Kampf am Stärkeufer die Produktion des allesfangenden Pokéballs eingestellt. Die Erzählung setzt exakt eine Woche nach dem Kampf am Stärkeufer wieder ein. Maria hat ihren Geburtstag am 13.7.2009 mit ihren beiden besten Freunden verbracht, Lee und Lucia mussten die Überraschungsparty jedoch verschieben, da das Schicksal Sinnohs für Maria wichtiger war. Aktueller Stand der Dinge: Pay, Lilith und der Chief sind inzwischen nach Blizzach gereist, um Rockys Team zu verstärken, da es noch einige Niederlagen einstecken musste. Team Rocket, welches mit Team Galaktik paktiert, setzt nun ein Mewtu ein, um jeden noch so kleinen Kampf zu ihren Gunsten zu wenden. Rockys Team erholt sich nur schleppend, während die Galaktiker offenbar immer neuen Nachschub anschaffen. Die Rüpel scheinen denen nie auszugehen. Officer Luna allerdings liegt nach dem Gebrauch des Virus im Koma, Venus, Uranus und Gemini können jedoch wieder kämpfen. Phantom und Yussuf sind öfters in Blizzach gesehen worden. Meist in Verbindung mit dem weiteren Verschwinden von Pokémon.
    Eva, Alfred, Kuré sowie Lamina haben vor, das Hauptquartier Team Galaktiks direkt anzugreifen. Sie sind sich des Erfolgs sicher, immerhin sind die beiden stärksten Psychotrainerinnen der Region anwesend. Maria, Lee und Lucia sind mittlerweile in Alamos Town angekommen.


    ///


    15.6.2009


    Ich zögere kurz, bevor ich den Fuß auf die steinerne Brücke setze, die nach Alamos Town führt. Die Stadt liegt auf einem natürlichen Felsplateau, welches von einem gigantischen Graben umringt ist. Nur ein Weg führt in die Stadt. Und auf diesem Weg sind Lee, Lucia und ich gerade unterwegs. Erinnerungen durchfluten meinen Geist. Wie lange ist es her, dass ich hier war? Entschlossen mache ich einen Schritt, dann noch einen und dann noch einen. Die Luft riecht genau wie damals, frisch und rein, ein paar Tauboga fliegen über mich hinweg, gefolgt von einer Driftlon-Kolonie. „Damals standen wir auf der anderen Seite der Schlucht.“, erinnert Lucia sich. Ihr typisches, schwarzes Top mit V-Ausschnitt bedeckt ihren Oberkörper, Plinfa sitzt auf ihrem blauschwarzen Haar. Statt der Jeans trägt sie nun einen weißen, knielangen Rock. Ich habe die Winterkleidung in Ewigenau gelassen, wo sie auf mich wartet, bis ich sie wieder brauche. Den Pullover habe ich durch eine hellgrüne Bluse ersetzt, die mir leider nicht allzu gut gefällt, weil sie eben nicht blau ist, aber was anderes habe ich auf die Schnelle nicht bekommen. Lucia wollte mich dazu überreden, ein Sommerkleid anzuziehen, doch im Kampf ist ein solches Kleidungsstück viel zu hinderlich. Ich bin nicht wie Lilith, die nur warten muss, bis der Gegner sie erreicht, und dann quasi sofort gewinnt. Nein, ich habe mich für meine Hotpants entschieden, erstens wird mir darin nicht so schnell warm und zweitens ist die Beinfreiheit viel größer. In einem Kampf unbezahlbar.
    Die Steinbrücke ist bestimmt 300 Meter lang, ihre Stützpfeiler reichen bis runter ins Tal. Unten fließt ein Fluss um die Stadt herum. „Alice hat euch im Ballon rübergebracht, stimmt’s?“ – „Ja, so haben wir sie kennen gelernt! Und ihr Panflam.“, lacht die Koordinatorin. „Den Wettbewerb habe ich leider nicht gewonnen, aber die Erinnerungen an diese Stadt sind wirklich schön.“ – „Da hast du Recht.“, ich nehme Lees Hand. Beim Gedanken an das, was vor 7 Tagen begonnen und seitdem jeden Abend getan haben, wird mir warm. Lees schwarzes Hemd raschelt leise im Wind. Ich verstehe nicht, wie er bei so einem Wetter noch schwarz tragen kann, aber er war immer schon abgehärtet gegen fast jedes Wetter. Wenigstens trägt er Shorts. Alles andere wäre Selbstmord. Die Sonne knallt auf uns herab, der Hochsommer ist mit voller Wucht endlich auch in Alamos angekommen. Meine Sandalen machen ab und zu ein leises Geräusch, wenn ich auftrete. Ich atme tief ein. Diese Luft tut mir wirklich gut. Als ich den Blick hebe, kann ich schon die Space-Time-Towers vor mir aufragen sehen, sie stehen genau im Mittelpunkt der Stadt. Auf der Südseite sind die Bäume des Parks zu sehen, den der große Architekt der Stadt errichtet hat. An den Klippen des Bergs, auf dem die Stadt steht, ist ebenfalls Baumbewuchs zu sehen. Innerlich freue ich mich tierisch, wieder nach Alamos zu kommen. Die kleinen Gassen, die versteckten Winkel im tiefsten Innern des Parks, die herrliche Aussicht ganz oben im Turm, das alles habe ich wirklich vermisst, wie ich mir eingestehe.
    Auf dem Weg in den Stadtkern sehe ich mich um, als wäre ich das erste Mal hier. Viele Häuser sind aus demselben, hellgelben Stein erbaut und haben dasselbe rote Ziegeldach. Im Gegensatz zu Schleiede, Blizzach oder gar Herzhofen gibt es hier keine großen Geschäftsstraßen oder Bankenviertel, die Stadt ist dominiert von Wohngegenden und gemütlichen Gassen. Im Kern der Stadt treffen allerdings mehrere Hauptattraktionen aufeinander: Erstens die Space-Time-Towers, zweitens der Marktplatz. Und drittens: der Eingang zum Park, welcher sich direkt hinter den Space-Time-Towers befindet. Je näher wir dem Marktplatz kommen, umso belebter werden die Straßen.
    „Vorsicht.“, ermahne ich Lucia und Lee, als uns einige kleine Kinder vor die Füße rennen, ein Fußball hopst vor ihnen her. „Das hier ist eine der ältesten Straßen von Alamos. Sie führt uns direkt zum Marktplatz, der sich in der Mitte der Stadt befindet. Ein Großteil der Häuser ist im 18ten Jahrhundert erbaut worden. Modernere Häuser gibt es lediglich im Westen der Stadt, wo expandiert wird. Egal, wo man in Alamos ist; sieht man in den Stadtkern, kann man die Space-Time-Towers erblicken.“ – „Wow, bist du jetzt unsere Fremdenführerin?“, grinst meine Freundin. Ich lächele nur. „Sumimasen. Ich bin glücklich, wieder hier zu sein, darum…“ – „Das merkt man! Aber ich will dich nicht aufhalten, Alice hat uns damals zwar eine Führung gegeben, aber nur in den Türmen selbst. Als wir rauskamen, ging hier schon die Raum-Zeit-Krise los.“ – „Du warst dabei, das hatte ich beinahe vergessen. Ich muss zugeben, ich bin neidisch auf dich. Solch historischen Momente erlebt man nicht alle Tage.“ – „Ach was, historisch. War doch nur ein kleines Problemchen, das ich mit verbundenen Augen gelöst habe.“, tönt sie und sieht in der Art, wie sie die Nase hochhebt, ihrem Plinfa gar nicht so unähnlich, wenn es sich aufplustert. Ich muss lachen.
    „Ist die Raum-Zeit-Krise denn schon vorbei?“, fragt Lee nachdenklich. Mit dem Daumen streiche ich sanft über seine Hand, lasse sie keinen Moment los. „Weiß niemand so genau.“, Lucia wird wieder ruhiger. „Ash, Rocko und ich haben Dialga und Palkia vor einer ganzen Weile das letzte Mal gesehen. Damals haben sie gegen Arceus, eine Art Gott-Pokémon, gekämpft. Wo sie nun sind, weiß niemand.“. Ich habe ein ungutes Gefühl, verdränge es jedoch schnell. Wir haben wichtige Dinge zu erledigen. Nach einer Stunde erreichen wir den Marktplatz, mittlerweile ist es so circa 15 Uhr, schätze ich. Alice wird um diese Zeit wohl mit der Mittagsführung fertig sein, danach ruht sie sich immer im Garten aus, das weiß ich. Wir überqueren den Marktplatz. „Lucia?“ – „Ja?“ – „Wenn wir Darkrai mitnehmen, wird Ash uns dann vielleicht auch helfen?“ – „Naja, ich habe vor einer Woche nochmal mit ihm telefoniert, aber er meinte, in Einall sind ein paar komische Typen namens Team Plasma aufgetaucht. Daher hat er sich entschieden, den Trainern dort zu helfen.“ – „Hmmm. Einall, ja? Da war ich auch noch nicht.“ – „Ich schon.“, Lee drückt meine Hand kurz ein wenig fester. Als würde ihn eine Erinnerung quälen. „Die Region ist an sich ganz schön, aber ein wenig zu trocken, wenn du mich fragst. Pay und ich haben dort ein paar Pokémon gefangen, als wir noch zusammen unterwegs waren.“ – „Pay.“, ich muss grinsen. Der Feuertrainer ist eine Nummer für sich. Niemand sonst hat so eine große Klappe und einen noch viel größeren Magen. Ich weiß noch immer nicht, was ich von ihm halten soll, obwohl ich ihn schon längere Zeit kenne. Gekämpft haben wir auch noch nicht, obwohl es wahrscheinlich eh einseitig wäre. Schließlich trainiert er ausschließlich Feuertypen. Mir ist er himmelweit unterlegen. Andererseits…wie hat er sich gegen Misty, Marinus und Benson durchgesetzt? Ich weiß, dass er diese hochkarätigen Trainer alle schon besiegt hat.
    „Und hoffentlich ruft Mum nicht nochmal an. ‚Oh, ich habe dich im Fernsehen gesehen, wie du gegen das Phantom gekämpft hast! Du warst wunderbar, mein Schatz.' Und das natürlich im Pokémoncenter, wo es jeder mitkriegt. Das war so peinlich!“, klagt Lucia. „Aber was hast du denn dagegen? Du warst wun-der-bar, Schatz.“, flöte ich. Ich werde unterbrochen, und Lucia spart sich die Antwort. Eine junge Frau, die ich nicht bemerkt hätte, wenn sie nicht meinen Namen rufen würde, sitzt an einem der vielen weißen Tischchen, die vor einer Eisdiele zu meiner Rechten aufgebaut sind. „Maria! Hey, hier bin ich!“, ich drehe mich um und bin überrascht. „Alice. Du hast dich verändert.“, sie steht auf, zögert dabei auf eine merkwürdige Weise, als müsste sie mit sich vorsichtiger umgehen, als sie es gewohnt ist. Dafür kommt entweder ein Bruch infrage, den sie sich irgendwo zugezogen hat und mit der Situation noch nicht klarkommt. Doch ich sehe keinerlei Verbände oder Ähnliches. Die nächste Möglichkeit wären innere Schmerzen, doch dafür ist ihr freundliches Gesicht zu entspannt. Also muss es eine Veränderung an ihrem Körper sein, die ihr gefällt. Aber was in Gottes Namen…
    „Nein. Kann nicht sein.“, murmele ich, als sie mich umarmt. Ich lasse Lees Hand los und lege die Arme um Alice. „Du bist schwanger, oder?“ – „Wie hast du das gemerkt? Ich habe es noch niemandem gesagt!“, zwinkert sie mir zu. „Ich sehe so etwas.“ – „So kennt man dich. Oh, hallo, Lucia! Dich habe ich ja ewig nicht mehr gesehen!“, erfreut umarmen sich die beiden, Lee schüttelt Alice die Hand und schafft es, dabei noch umwerfender auszusehen als sonst. Ich werde mich bei Gelegenheit revanchieren müssen. Im nächsten Moment konzentriere ich mich auf meine alte Freundin, Alice ist bestimmt 2 Jahre älter als ich. Mindestens. Und nun scheint sie mit Tonio eine Familie gründen zu wollen. Ihr Bauch ist allerdings noch flach, vom Baby sieht man nichts. Die junge Frau trägt ein langärmeliges, orangefarbenes Shirt und eine schwarze Schlaghose. An ihren Füßen trägt sie hellbraune Absatzschuhe, die auf den ersten Blick ein wenig zu eng aussehen, doch ich irre mich sicher. Alice hat kleinere Füße als ich. „Du bist erwachsen geworden.“, wendet sie sich wieder an mich, als die Begrüßungsphase vorbei ist. „Früher hattest du die Haare anders, du bist größer, du bist eine richtig hübsche Frau geworden!“, sie geht einmal um mich herum und mustert mich. Ich werde rot. „Lass das, du weißt, dass ich das nicht mag.“ – „Deine Schüchternheit hat sich also noch nicht gelegt?“ –„ Nicht komplett, aber größtenteils. Ich arbeite daran.“. Mit der Hand streiche ich eine Strähne hinter mein Ohr. Es stimmt, ich habe mir eine neue Frisur zugelegt; bis vor einer Woche noch fielen mir die Haare glatt auf den Rücken, bis auf zwei Strähnen, die mir links und rechts das Gesicht umrahmten. Nun habe ich etwas Neues austesten wollen. Den Pony habe ich sonst immer so zurechtschneiden lassen, dass eben diese beiden Strähnen links und rechts übrig bleiben, die Stirn war sozusagen frei. Das habe ich neuerdings unterlassen. Mein Pony reicht nun bis knapp über die Augenbrauen, ist dann glatt abgeschnitten. Alice streicht einmal durch die langen, braunen Haare. „Wow. Das steht dir gut.“ – „Danke, du könntest auch mal experimentieren.“ – „Gefällt dir meine Frisur nicht?“ – „Doch, klar, aber…darum geht es nicht. Ich bin hier, um Darkrai zu fragen, ob er mich begleiten will.“. Sie sieht mich kurz an, wendet sich dann zu den Space-Time-Towers um. „Stimmt. Ich habe deinen Bericht im Fernsehen gesehen. Sieht ja nicht gerade gut aus, was?“ – „Könnte besser sein.“
    Tatsächlich liegt sie gar nicht so falsch. Noch nie hat Sinnoh in solch einer Gefahr geschwebt. Wir folgen Alice über den Marktplatz, sie erzählt einiges von dem, was ihr in letzter Zeit passiert ist. Ich liefere ihr einen kurzen Bericht über Team Galaktiks Aktivitäten und über die Aufgabe, die uns gestellt wurde. Knapp unter den Türmen hält sie inne. Ich lasse den Blick die gigantischen Fassaden hinauf wandern. Ganz oben befindet sich das größte Glockenspiel der Region, ich war erst einmal in der Spitze gewesen. Durstig taste ich in meiner Tragetasche nach einer Flasche Sprite. Als ich sie gefunden und daraus getrunken habe, geht es mir besser. „Darkrai ist im Garten. Das ist sein Lieblingsplatz.“, meint Alice. „Dann nichts wie los.“, murmele ich. Ich merke, dass ich nervös bin. Immerhin habe ich Darkrai ein Jahr lang nicht mehr gesehen. Sicher geht es ihm gut, er liebt den Garten. Wir passieren die Space-Time-Towers und steigen eine große steinerne Treppe hinab, welche auf die Zwischenterrassen führt. Kleine, künstliche Bäche und Teiche sind hier angelegt worden, um auch Wasserpokémon den Aufenthalt zu ermöglichen. Holzbögen säumen den Steinpfad, zwischen den einzelnen Querbalken sind Gitter angebracht, ebenfalls aus Holz. Rosen und andere Blumen winden sich an ihnen entlang. Plötzlich fällt genau vor mir ein Burmadame herab. „Burrr!“ – „Wah.“, mache ich, bin leicht erschrocken. Damit hatte ich nicht gerechnet. Lee zieht mich grinsend weiter, während Lucia sich kaum mehr einkriegt. „Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich präsentiere: das Mädchen, was es, ohne nachzudenken, mit Team Galaktik aufnimmt! Vor Burmadame hat sie allerdings Angst.“ – „Ha ha.“, ich muss jedoch gegen meinen Willen ebenfalls lächeln. Sie ist viel zu gut drauf, als dass ich mich entnervt zeigen könnte. Wie immer setze ich ein Bein vor das andere, doch dann fällt mir etwas auf. Mein Schatten löst sich von meinen Füßen und bleibt zurück; ein schwarz wabernder Fleck am Boden. Ich wende mich um. „Darkrai. Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen.“. Die Stimme, die in meinem Kopf ertönt, klingt zugleich vertraut und trotzdem unnahbar. Der Schatten zieht sich in die Länge, wächst aus dem Boden heraus, ein Stück davon kehrt unter meine Füße zurück. Erfreut sehe ich, wie mich ein blau leuchtendes Auge anstarrt. ‚Natürlich nicht. Dieser Garten ist für alle da!‘.


    soo, das wäre mein neustes kapitel, ich hoffe, ihr hattet spaß am lesen :) bis nächste woche,
    mfg
    DoD

  • Kapitel 41
    Einer für alle!


    15.7.2009


    Genau wie damals. Darkrai mustert mich, ich betrachte das nachtschwarze Pokémon vor mir ebenso gründlich. ‚Ich spüre Macht in dir.‘ – „Es ist viel passiert, ich hatte keine andere Wahl, als stärker zu werden.“ – ‚Man hat immer eine Wahl. Ich bin bereit.‘. Ansatzlos kommt er zum Punkt. Ich erinnere mich, wie ich zum Spitznamen „Der schwarze Mond“ kam. Darkrais Schlummerort-Attacke war der Auslöser hierfür, in Turnieren hatte ich etliche Male dank ihm gewonnen. Aber als ich Darkrai in Alamos zurückließ, und mein Spitzname mir so gut gefiel, hatte ich Halloween, meinem Gengar, eine Technik beigebracht, die ebenfalls aussieht wie eine schwarze Mondsichel. „Ich hoffe, du hast hier nicht nur auf der faulen Haut gelegen.“, scherze ich. Das Alptraum-Pokémon hat jedoch nicht allzu viel Sinn für Humor. Sowas liegt ihm nicht. ‚Nein. Ich habe viel trainiert.‘ – „Das freut mich. Unser Gegner ist ein Mewtu.“, falle ich mit der Tür ins Haus. Darkrais Auge weitet sich unmerklich. ‚EIN Mewtu? Wohl eher DAS Mewtu. Es gibt nur eine von diesen widernatürlichen Kreaturen. Geschaffen von der Wissenschaft, von abartiger Wissenschaft obendrein. Es wird mir eine Freude sein, dieses Wesen dahin zurückzuschicken, wo es herkommt.‘. Ich kann Darkrais Wut relativ gut verstehen, es gibt zwar noch andere Pokémon, die von Menschen erschaffen worden sind, Porygon zum Beispiel. Doch keines von ihnen resultiert aus Experimenten mit einem anderen, lebenden Pokémon. Und Mewtu, soviel weiß ich, ist aus Mew geklont worden, einem reinen und freundlichen Pokémon, das keinem etwas zuleide tut.
    Ich bin jedoch erleichtert, dass Darkrai so bereitwillig einverstanden ist; insgeheim hatte ich die Befürchtung, er wolle vielleicht in Alamos bleiben, um seine Rolle als Wächter auszuüben. Wir sind beide so viel stärker als damals… vielleicht wird es Zeit für einen neuen Spitznamen. „Die schwarze Mondgöttin“ wäre ein Titel, mit dem ich mich anfreunden könnte. Leicht erschrocken verscheuche ich den Gedanken. Es ist nicht gut, sich eine größenwahnsinnige Attitüde zuzulegen. Oder eher: sie wiederzukriegen. Schon seit einer Weile habe ich solche Einfälle, zwar nur selten, aber immerhin. Diese gewaltigen Kräfte in meinem Körper verleiten mich dazu, mich überlegen zu fühlen. Ich werde vorsichtig mit diesen Gefühlen sein müssen. Andernfalls unterschätze ich meine Gegner. Behutsam trete ich auf Darkrai zu und lege die Arme um ihn. „Danke, dass du mir hilfst. Nein, dass du uns hilfst. Die gesamte Region wäre von den Auswirkungen betroffen, die entstehen würden, wenn Mewtu nicht gestoppt wird.“. Er antwortet nicht, schließt nur kurz die Augen. Wahrscheinlich erinnert er sich an Alicia, Alices Großmutter, die ihn irgendwann genauso umarmt hat. Nach einigen Momenten trete ich wieder zurück. „Wollt ihr vielleicht noch auf einen Kaffee mitkommen? Tonio freut sich bestimmt auch, dich wiederzusehen.“ – „Tut mir Leid. Team Galaktik schläft nicht. Wir brechen gleich wieder auf. Was meint ihr?“ – „Also…für eine kleine Pause wäre sicher Zeit. In der Ruhe liegt die Kraft.“, entgegnet Lucia, einen meiner typischen Sprüche zitierend. „Faulpelz.“, stöhne ich, woraufhin sie mir zuzwinkert. „Gut! Ich zeige euch mein Lieblingscafé.“, Alice blickt sich noch einmal im Garten um, wie um sich zu vergewissern, dass alles noch in Ordnung ist. Danach wendet sie sich nach links, tiefer in den Garten hinein. Ich weiß, wo sie hin will. An der Südseite gibt es einen weiteren Ausgang, der in eine schmale Straße führt, die kaum jemand kennt. Nicht mal alle Einwohner dürften wissen, dass sie existiert. Aber einige wirklich gute Cafés sind dort zu finden.
    Ich denke, dort sind wir auch relativ ungestört. Darkrai jagt inzwischen nicht mehr so vielen Menschen hier Angst ein, aber das glühende Auge, welches unter dem weißen, geisterhaften Haar hervorschaut, wirkt immer noch ein wenig…verstörend auf manche Kinder. Und da es von denen am Marktplatz immer viele gibt, ist es ratsam, sich dort mit ihm nicht blicken zu lassen. Früher hatte ich einen Jubelball, den einzigen Ball, in dem sich Darkrai fangen lässt, doch der ist nun an der Spitze der Space-Time-Towers versteckt. Darkrai ist nicht irgendein Pokémon von mir, er ist ein Freund von mir, den ich um einen Gefallen gebeten habe. Darum wird es dir als Leser oder Leserin sicher aufgefallen sein, wieso ich immer „er“ zu Darkrai sage. Verdinglichung liegt mir nicht. Nicht bei jemandem, der mir so nahe steht wie der Alptraum in Pokémongestalt. Und das ist keinesfalls eine Beleidigung, es ist Darkrais Wesen. Wenn er jemanden in Schlaf versetzt, leidet sein Ziel unter schrecklichen Alpträumen, selbst, wenn es nur ein Versehen war.
    Ich sehe in den Himmel. Keine einzige Wolke. Ein schöner Sommertag steht uns bevor. Wir folgen Alice durch den Garten, bewundernd lasse ich den Blick schweifen. Verzierte Säulengänge aus Stein, Springbrunnen, dann wieder prachtvolle Beete säumen den Pfad. Schließlich führt eine weitere Treppe wieder nach oben, weiße Stützpfeiler markieren den Beginn und das Ende derselben. Auf diesen Stützpfeilern sitzen kleine Statuen, als ich näher hinsehe erkenne ich zwei Pachirisu, die sich für alle Ewigkeit in die Augen blicken werden. „Lucia, schau mal.“, ich zupfe an ihrem Ärmel. „Was ist denn? Och, wie süß! Was meinst du, Plinfa?“ – „Plinfaplinfa!“, begeistert bleibt sie stehen und wendet sich der linken Statue zu. „Der Garten ist, wie ich euch bereits erzählt habe, ein Zeichen der Verbundenheit zwischen Mensch und Pokémon.“ – „Die sehen total echt aus.“, erstaunt hockt sich Lee neben die Koordinatorin. „Als würden sie im nächsten Moment anfangen, zu quietschen…“ – „Oder zu rennen.“, entgegne ich trocken, als mir einfällt, was Lucias Pachirisu am liebsten tut. Energiegeladenes kleines Biest. Zum Glück habe ich so lange Beine, andernfalls hätte ich es damals nie eingeholt, als…spielt keine Rolle. Das gehört zu einer anderen Geschichte. Alice freut sich sichtlich, dass uns ihr Lieblingsplatz so gut gefällt. Nach einigen Minuten, in denen wir noch ein wenig Smalltalk betrieben haben, setzen wir unseren Weg fort. Der Garten bleibt hinter uns, lautlos schwebt Darkrai hinter mir her. Zu sechst passieren wir einen Steinbogen. Er führt in eine schmale Straße, die größtenteils von Wohnhäusern dominiert wird. Nur einige wenige Cafés befinden sich hier. Alice zückt ihren Geldbeutel, doch ich drücke ihren Arm runter. „Lass. Ich zahle.“ – „Au ja! Extramegarieseneisbecher!“, freut sich Lucia. „Wage es nicht.“, ermahne ich sie im Scherz. Nur wenig später betreten wir Alices Lieblingslokal. Auf den ersten Blick macht es einen wirklich sauberen Eindruck, der Boden ist weiß gefliest und die Wände mit roter Tapete bedeckt. Zwei junge Paare sind außer uns hier, sie haben sich Tische im hinteren Bereich gesucht, um möglichst ungestört zu sein. „Lee?“ – „Ich weiß, was du denkst. Aber heute bleiben wir bei unseren Damen.“, grinst er. Darkrai löst beim Barmann leichtes Unbehagen aus, das sehe ich am Zittern seiner Hände. Hastig fährt er sich durch das schüttere, braune Haar. „Was darfs sein?“, fragt er, dabei versucht er, möglichst gelassen zu wirken.
    Lee, Alice und ich suchen uns einen Tisch, weil Lucia darauf besteht, die Bestellung aufzugeben. Wir entscheiden uns für einen Fensterplatz. Ich überlege, was sie damit bezweckt. Heckt sie etwas aus? Bei diesem Mädchen kann man in manchen Fällen nicht vorsichtig genug sein. Ihre kleinen Streiche vergisst man nicht so leicht. Doch so sehr ich auch darüber nachdenke, mir fällt nichts ein. Alles, was sie tun kann, ist, so teures Eis zu kaufen, dass ich ein Riesenloch im Geldbeutel davontragen werden, oder ein Kindereis, welches mich sämtlicher Würde beraubt und…
    Im nächsten Moment wird mir kalt.
    Lucia kommt zu uns an den Tisch, auf dem Tablett, was sie mitbringt, befinden sich mehrere seriös aussehende Eisbecher. Schmale Gläser mit Eiskugeln darin. Einen stellt sie vor Lee ab, den nächsten vor Alice, den letzten vor sich selbst. Was übrig bleibt, raubt mir den Atem. Ein Pappbecherchen mit 5 Kugeln Eis, Schokoglasur und bunten Streuselchen, in der obersten Kugel steckt eine kleine Waffel mit einem grinsenden Gesicht. Jeder Vollidiot würde dieses Eis sofort als Kleinkindklischee klassifizieren. Ich werde rot. „Lucia?“ – „Ja?“ – „Du hast mein Eis vergessen.“ – „Oh?“, sie tut, als wäre sie überrascht, und blickt aufs Tablett. Dann grinst sie, scheinbar erleichtert. „Aber nein, hier ist es doch!“, mit diesen Worten setzt sie diese Entwürdigung in Eisgestalt genau vor mir ab, damit es auch jeder sehen kann. Verdammt. Langsam ziehe ich die Waffel aus dem Eis. Sie schmeckt ziemlich gut, die Hauptsache ist, dass niemand, der mich für seriös halten soll, diese Szene mit ansieht. Alice verkneift sich das Lachen. Lee hingegen nimmt sich meinen Löffel. Nachdem sich ein wenig Eis darauf befindet, hebt er den Löffel an meinen Mund. „Sag „Aaah“!“, er sieht äußerlich ernst aus, aber ich ahne, was sich in seinem Inneren abspielt. Fiesling. Dennoch beschließe ich, mich auf das Spiel einzulassen, und drehe störrisch den Kopf vom Eislöffel weg. „Mag nicht.“ – „Hier kommt das Flugzeug, brumm…“, mein Freund vollführt einige Kunststückchen mit dem Löffel, als wäre das Besteckstück wirklich für den Flugtransport ausgelegt. Ich würdige den Löffel keines Blicks. Darkrai schließt sein Auge, als wäre er dieses Spiels überdrüssig. Lee versucht eine neue Strategie und bringt sein Gesicht näher an meines, er will mich denken lassen, dass wir uns küssen, um mir im letzten Moment den Löffel in den Mund zu schieben. Raffiniert, aber nicht raffiniert genug für mich.
    „Die kleine Maria ist hartnäckig!“, kichert Lucia. Als ich ihr für diesen Kommentar die Zunge rausstrecke, dreht Lee blitzschnell den Löffel um, eine Sekunde später fühle ich kaltes Eis in meinem Mund. Es blitzt, auf einmal hat die Koordinatorin eine Digitalkamera in er Hand und lacht sich kaputt. „Das muss ins Fotoalbum! Lee füttert unser Nesthäkchen.“ – „Das zahl ich dir heim.“, nuschele ich. Aber das Eis schmeckt wirklich gut. „Ich habe extra drauf geachtet, dass der Becher mit im Bild ist. Damit auch alle was davon haben.“ – „Nett von dir.“. Ohne Widerstand esse ich mein Eis weiter. Plinfa klaut sich ab und zu ein Stück Waffel von Lucia. Schade, dass kein Eis mit Bananengeschmack dabei ist, aber mit Schokolade und Vanille komme ich auch bestens…Moment mal.
    „Lucia?“ – „Ja?“ – „Schokolade, Erdbeere und Vanille? Das sind doch die typischen Kleinkindersorten.“ – „Es musste ins Gesamtbild passen!“. Insgeheim arbeite ich schon lustige Rachepläne aus, mit denen ich sie genauso entwürdigen kann. Vielleicht könnte ich meine Kräfte benutzen, um Lucia Muskeln genau dann um ein Vielfaches zu stärken, wenn sie gerade den Löffel in ihren Mund schieben will. Dann sollte sie sich nicht mehr kontrollieren können und das Eis auf ihrer Nase verteilen. Ja, das hätte einen gewissen Amusementwert. Doch meine Fähigkeiten will ich eigentlich nur im Kampf benutzen, oder wenn sie dringend gebraucht werden. Also werde ich mir etwas ausdenken müssen, was nicht darauf abzielt, dass ich Wasser manipuliere. Früher oder später kommt mir eine Idee, das weiß ich jetzt schon. Wir reden noch ein wenig darüber, was im letzten Jahr, seit wir uns das letzte Mal sahen, alles passiert ist, Alice und Tonio erwarten ihr Kind, wie ich bereits vorhin herausfand. Außerdem ist es in Alamos ziemlich still geworden, viele Jugendliche suchen sich ihre Studienplätze oder Jobs eher in Jubelstadt oder Herzhofen. Die Jugend zieht es in die Großstadt. Alamos ist zwar ziemlich beschaulich, aber eine große Infrastruktur gibt es nicht, auch, wenn es dem Handelsbezirk gelungen ist, Alamos Town zum wichtigsten Ansprechpartner in Sachen Textilindustrie zu machen. Alice lässt sich über einen Haufen Börsenkurse aus, von dem ich rein gar nichts verstehe, aber nicht nachfragen will, weil Lucia immer wieder wissend nickt und ich nicht gerne als die Dumme gelte. Mir kommt irgendwann der Gedanke, dass sie vielleicht nur so tut, aber dafür hat sie ja keinerlei Gründe. Als Alice ihr Eis aufgegessen hat, sind wir anderen noch immer damit beschäftigt. Ich höre ein leises Klingeln. Sofort registriere ich, dass es aus meiner Sporttasche kommt, das muss Rockys Handy sein, welches Lucia nach dem großen Kampf am Stärkesee eingesteckt hatte. „Grün.“, gähnt Lucia, als ich das Gerät aus der Tasche krame. „Mittlerweile weiß ich das, danke, meine Liebe.“, grinse ich und drücke schwungvoll aufs rote Telefon. „Verdammt. Wieso sind diese Knöpfe so klein.“, doch zum Glück klingelt es kurz darauf nochmal, diesmal erwische ich die richtige Taste. Pays dröhnendes Gelächter dringt an mein Ohr. „BWAHAHA! Wette, die hat rot gedrückt! Die is so doof!“ – „Ich kann dich hören.“ – „Ouh. Hm. Wie gehtsn so?“ – „Den Umständen entsprechend gut.“ – „Freut miesch, wier gönnän daine ´Ilfe sähr gut gebrauchän!“ – „Leute, Ruhe.“, Rockys Stimme. „Maria, hast du erreicht, was du erreichen wolltest?“ – „Ja. Er ist bei mir.“, mir kommt in den Sinn, dass Team Galaktik die Leitung abhören könnte, und gebe keine klaren Informationen.
    „Gut. Dann komm bitte wieder hoch.“ – „Wie bitte?!“ – „In den Nordn, Mädel!“, grölt Pay. Rocky räupsert sich entschuldigend. „Tut mir Leid. Ja, in den Norden. Es ist Zeit, dass wir denen zeigen, was wir draufhaben. Ich werde gleich jedes unserer Teams auf einer verschlüsselten Frequenz anrufen, um die Details festzulegen. Kuré, Eva und Alfred?“ – „Oui?“ – „Wir hören.“ – „Hm, ich bin anwesend.“ – „Euch kontaktiere ich zuerst. Haltet euch bereit. Maria, Lee, Tai und Hagane?“ – „Ja?“ – „Ich bin bei Maria.“ – „Ich wusste, ich bin es nicht wert! Dieser Braten ist zu viel für mich! Gnade! Lass mich nicht in meiner eigenen Imperfektion schmoren!“ – „Hagane?! Was ist da los?!“ – „Nichts, Officer! Wir sind bereit.“ – „Gut. Pay, Lilith und Chief?“ – „Bwahaha!...was?“ – „Ich höre.“ – „Ja, Mann, ich meine, Frau…“ – „Manon und Cat sitzen neben mir. Das wäre erst einmal alles, ich wollte hören, ob alle zum Sprechen bereit sind. Bis gleich, Leute.“ – „Bis gleich.“, sage ich und lege auf. Dann fällt mein Blick auf die letzte Eiskugel, die mich hämisch anstarrt. Augen zu und durch. Wie ich bereits sagte, schlecht schmeckt das Eis ja nun wirklich nicht. Lee muss mich nicht einmal mehr füttern. Aber was Rocky uns mitteilte, gibt mir zu denken. Sie ist eine fähige Polizistin, ohne Grund würde sie nie anrufen. Setzt Mewtu unserem Team in Blizzach mehr zu, als sie angedeutet hat? Wenn ja, dann ist es für mich und Darkrai unabdingbar, dass wir so schnell es geht ebenfalls anreisen. Mit seiner Schlummerort-Attacke ist mein Partner diesem Klon weitaus überlegen. Außerdem funktionieren Psychoattacken nicht gegen Unlicht-Typen wie Darkrai. Doppelter Vorteil. Narrensicher.
    „Ich zahle. Wie versprochen.“, seufze ich, als wir alle unser Eis aufgegessen haben. Das eine der beiden Pärchen ist bereits gegangen. Ich zücke meinen Geldbeutel und trete zur Kasse. Alice und Lucia warten draußen, Lee jedoch steht neben mir, einen Arm legt er um meine Taille. Dieses Gefühl, dass ich mir mal um nichts Sorgen machen muss, weil Lee es tut, hat mir echt gefehlt. Klar, ich bin es gewohnt, meine Probleme zu lösen, aber in Lees Anwesenheit erscheint vieles um einiges entspannender. Der Barmann scheint erleichtert zu sein, als Darkrai aus dem Laden schwebt, ich versuche, ihm den Gesichtsausdruck nicht allzu übel zu nehmen. Als Freundin Darkrais bin ich nie glücklich, wenn sich jemand unwohl in seiner Nähe fühlt, ich denke, das ist nur natürlich. Vor dem Laden verschwimmt Darkrais Umriss, er versinkt langsam im Boden, das schwarze Wabern, was übrig bleibt, verschiebt sich und wird eins mit meinem Schatten. Mich schaudert es leicht, doch ich weiß, was passiert: Darkrai will seine Ruhe haben und trotzdem reisen, darum hat er sich an mich drangehängt. Doch nur einer von uns kann die Kontrolle über Schatten und Körper haben. Momentan habe ich sie, doch sobald das Alptraum-Pokémon sie haben möchte, wird es sie sich nehmen. Mir macht das nichts, ich vertraue ihm. Ich sehe auf den Boden. Mein Schatten hat Darkrais Umriss. „Wenn ich nicht wüsste, wie Darkrai ist, würde ich das sicher unheimlich finden.“, bemerkt Lucia. Ich grinse sie an. „Darkrai kann auch zwei Schatten übernehmen. Aber nur, wenn der zweite den meinen berührt. Willst du es probieren?“ – „Ein andermal vielleicht!“, hastig folgt die Koordinatorin Alice. Ich will ihr hinterher, doch meine Beine bewegen sich nicht. „Darkrai?“ – ‚Warte kurz.‘ – „Okay.“. Lee zieht die Brauen hoch, als ich ihm aufmunternd zulächle, nickt er und geht ebenfalls voraus. Der Dialog findet in meinem Kopf statt, zuvor hatte Darkrai im Geist zu allen gesprochen. Nun beschränkt er sich auf mich. ‚Was ist?‘, denke ich. ‚Wie lange wird diese Mission dauern?‘ – ‚Wir werden einige Tage brauchen, um nach Blizzach zu kommen. Danach kann ich erst abschätzen, wie lange ich dich brauche. Ich kenne die Lage momentan überhaupt nicht. Rocky hat nichts Genaues gesagt.‘ – ‚Das macht nichts. Alice und Tonio sind fähige Trainer, Baron Alberto ebenso, auch, wenn er zuweilen nicht nachdenkt.‘. Er schweigt kurz. ‚Ich glaube, ich bin es einfach nicht gewohnt, aus Alamos fortzugehen.‘ – ‚Ich kenne das Gefühl, ein Zuhause zu haben, nicht so gut wie du, aber ich weiß, dass es wichtig ist, seine Wurzeln irgendwo zu haben. Als Mensch und auch als Pokémon.‘.
    Nachdem Darkrai eine Weile nichts mehr gesagt hat, versuche ich erneut, meine Beine zu benutzen, und diesmal klappt es. Es scheint, als wäre er nun eingeschlafen. Meine Muskeln sind voll gespannt, ich werde immer schneller und hole die anderen nach wenigen Sekunden ein. Alice begleitet uns bis zur Brücke, über die wir Alamos betreten haben. Sehnsüchtig blicke ich über die Schulter, wo die Space-Time-Towers im Sonnenlicht baden. ‚Beim nächsten Mal.‘, sage ich mir. Ich will den Menschen, die hier leben, garantieren, dass ich ihre Stadt nicht an Team Galaktik verlieren werde. Darum muss ich alles geben, was ich habe. An der Schwelle zur Brücke bleibe ich stehen, konzentriere meine Kraft auf das Wasser tief unter mir. Meine Hände liegen an meinen Waden. Als meine Kräfte das Wasser erreichen, nehme ich die Arme langsam hoch und führe sie über dem Kopf zusammen. Es knackt laut, zwei Wassersäulen steigen links und rechts von der Brücke auf, wölben sich oben, treffen zusammen und gefrieren. Ein Bogen aus Eis entsteht. „Alice, am besten lasst ihr weite Gebiete von Pokémon bewachen. Tonio und seine Driftlon sind da sicher eine große Hilfe. Sollte Team Galaktik euch angreifen, ruft mich an, ich werde die Brücke zerstören. Meine Nummer hast du. Ihr seid zwar abgeschottet, aber die Gangster kommen nicht mehr rein. Per Flugzeug könnt ihr wichtige Ressourcen erhalten.“ – „Ich dachte, der wäre nur zur Dekoration.“, Alice hatte den Bogen erst bewundernd angestarrt, nun erkennt sie, warum ich ihn erschaffen habe. „Fällt das Eis nicht spätestens morgen zusammen, wo doch permanent die Sonne drauf scheint?“ – „Nein. Dieses Eis schmilzt nicht.“, beruhige ich sie. Die Blonde nickt. „Die Situation ist also doch so ernst.“ – „Leider. Ich werde alles tun, damit ihr unangetastet bleibt.“ – „Maria, alle Trainer Sinnohs sind bereit, dir beizustehen. Und ich soll hierbleiben, wenn du dich in Gefahr begibst? Was für eine Freundin…nein, was für eine Trainerin wäre ich, wenn…“ – „Nein, Alice. Was für eine Mutter wärst du, wenn du mitgingst.“, unterbreche ich sie. „Das ist jetzt wichtiger für dich. Bleib in Sicherheit, wage es nicht, zu kämpfen.“. Ich hebe drohend den Finger, und sie lächelt schwach. Dann schließe ich sie in die Arme. „Bis dann. Unser Team versucht, den Kampf schnell zu beenden. Und grüß Tonio.“ – „Mach ich. Passt auf euch auf.“, ermahnt sie uns.
    Lucia verabschiedet sich ebenfalls mit einer Umarmung, Lee schüttelt Alice kurz die Hand. Danach ist es Zeit, zu gehen. Wir setzen uns in Bewegung, ich winke meiner Freundin noch zu, dann sehe ich nach vorn und denke nach. Es ist dieselbe Route, auf der wir hergekommen sind. Ab und zu stehen Bäume auf den Wiesen links und rechts von uns. Vielleicht sollte ich Zorro benutzen, um uns sofort nach Blizzach zurückzubringen. Aber seine mentalen Kräfte sind nicht sonderlich groß, für Teleports auf dem Kampffeld reicht es, doch bisher haben weite Strecken ihm immer Probleme bereitet. Das letzte Mal, als ich seine Fähigkeiten im großen Stil einsetzen wollte, bin ich in der Vergangenheit gelandet. Sowas muss ich kein zweites Mal haben. Die einzige andere Option ist…


    Eine halbe Stunde später.


    „Hier!“, ruft Lucia, streckt den Daumen raus und winkt mit dem Arm in Richtung Straße. Die andere Hand hat sie sich als eine Art Schallkanalisation an den Mund gelegt, doch die beiden Autos, die vorbeikommen, bleiben nicht stehen. Wir stehen an der Autobahn, die von Alamos aus nach Herzhofen führt. Von dort aus nimmt uns ganz sicher Sophie mit, vielleicht auch Eva, wenn sie nach Norden will. Lee seufzt und dreht sich um. Ich sitze ein Stück weiter weg im Gras, weil Lucia darauf bestanden hat, dass sie ihr Glück versuchen will. „Und du willst wirklich nicht abwechseln?“ – „Nein! Mit eisenharter Entschlossenheit werden wir den Gipfel des Erfolgs stürmen!“, siegessicher nimmt sie die Faust hoch. Der Blonde schiebt sie kurzerhand zu mir und drückt sie sanft auf den Boden, sodass Lucia neben mir sitzt. „Überlasst das mir.“ – „Oh? Autofahrer sind zu einem höheren Anteil Männer als Frauen, das schaffst du nicht.“ – „Wetten, ich schaffs?“ – „Um was wetten wir?“, ich lächele ihn an. Das ist ein Spielchen nach meinem Geschmack. Nur leider wird er mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit verlieren. „Um drei Schokomuffins.“ – „Du und deine Muffins.“ – „Also nimmst du an?“ – „Sicher. Wenn du gewinnst, kriegst du deine Muffins. Wenn ich gewinne, kriege ich drei Flaschen Sprite.“ – „Abgemacht.“. Lee knöpft die obersten paar Knöpfe seines Hemds auf, sodass ein Teil seiner muskulösen Brust sichtbar wird. Meine Beine werden zu Pudding. Ich versuche, mich zusammen zu reißen. Dann setzt er sein strahlendstes Lächeln auf, doch bevor er auch nur den Arm fertig angewinkelt und den Daumen ausgestreckt hat, hält ein roter Kleinwagen mit quietschenden Reifen direkt vor ihm auf dem Haltestreifen. Mir bleibt der Mund offen stehen. „Nandatou?!“ – „Thihi, da hat jemand drei Muffins gewonnen!“, kichert Lucia. Verstört warte ich darauf, wer wohl die Tür aufmacht. „Brauchst du eine Mitfahrt, mein Schöner?“, fragt eine enervierend hohe Frauenstimme. Ich stehe auf und sehe, womit ich es hier zu tun habe. Die Fahrerin ist wasserstoffblond, trägt knallroten Lippenstift, eine viel zu große Sonnenbrille und ein superenges Outfit von der Marke „Wer braucht schon Luft?“, bei dessen Anblick ich mich frage, ob ich sowas jemals tragen könnte, ohne sofort an Sauerstoffmangel zu sterben. Sie hat es irgendwie geschafft, ihren- wie ich zugeben muss- nicht schlecht gebauten Körper da hinein zu zwängen.
    „Ja, sehr gern. Und könnten Sie die beiden netten Mädchen hier ebenfalls mitnehmen?“, ihr Gesichtsausdruck verändert sich leicht, als sie uns sieht, doch dann hält sie Lee die Beifahrertür auf. „Natüüürlich! Steigt ein.“, er lächelt ihr dankbar zu, woraufhin sie übertrieben mit den Wimpern flattert. Tussi. Ich nehme Lucias Hand und helfe meiner Freundin hoch. „Danke.“. Doch sobald wir losgefahren sind, bereue ich die Entscheidung, Lee das machen zu lassen. Ohne Unterlass quasselt die Frau ihn zu, fragt, woher er denn komme und wohin er wolle, ach, nach Herzhofen, wie schön, was genau ihn dort hintreibe, und wer denn die beiden Hübschen auf ihrer Rückbank seien. Um die letzte Frage redet Lee einfach drum herum, doch unsere Fahrerin scheint es nicht zu merken. Ich zwinge mich zur Ruhe. Das geht vorbei. Muss sie ihn denn so massiv anflirten? Als sie sich nach einem von seinen Scherzen ein wenig an seine Schulter lehnt, hebe ich die linke Hand, bereit, meine Kräfte gegen sie einzusetzen. Lucia packt meinen Arm. Überrascht sehe ich sie an, die Koordinatorin schüttelt ernst den Kopf. Ich werde rot und sehe auf meine Füße. „War nur ein Reflex.“ – „Weiß ich.“, erwidert sie ebenso leise. Was ist nur los mit mir? Ich sollte mich auf das Wesentliche konzentrieren. „Wo wollen Sie denn hin?“, frage ich die Blondine in einer der seltenen Redepausen. „Aaaalso, ich muss dringend nach Blizzach, mein Chef wird sonst furchtbar böse auf mich.“ – „Oh, das wollen wir natürlich nicht.“ – „Nein, nicht wahr? Ich habe manchmal regelrecht Angst vor ihm.“, sie fährt sich kurz durchs Haar. Dann blickt sie wieder auf die Straße. „Warum das?“ – „Er ist ein so ruhiger, ernster Mann, ich denke, er schaut genau in mich hinein, wenn ich ihm gegenüberstehe!“ – „Verstehe. Unangenehm.“ – „Allerdings!“, nickt sie. Ich sehe aus dem Fenster. Die Bäume rasen an uns vorbei.
    //


    Herzhofen
    „Mei, Riley?“ – „Ja, Mister Anderson?“. Evas Leibwächter stehen rechts und links vor einer Boutique, die den Ausnahmezustand der Stadt irgendwie übergangen hat. Drinnen kleidet sich ihre Herrin neu ein, darum müssen sie warten, bis sie wieder da ist. „Denkst dua, wir solltn vielleicht auch gegn Team Galaktik koampfn?“ – „Wie kommen Sie darauf, Mister Anderson?“ – „Woaß net, i mein, Madame Eva will die besiagn, und mir sind uaf Madame Evas Seite!“ – „Sie wird uns um Hilfe bitten, wenn sie sie für nötig hält, Mister Anderson.“. Die beiden verfallen in Schweigen. Nach einer Weile ertönen einige Explosionen, schätzungsweise zwei Querstraßen weiter. Es wird täglich gekämpft. Eva verlässt das Gebäude, ihr hüftlanges, golden schimmerndes Haar hat sie zu einem Zopf gebunden. „Wir sind hier fertig.“, murmelt sie und geht voraus. Anderson und Riley warten kurz. Sie wollen den gebührenden Sicherheitsabstand einhalten. An diesem Tag trägt Eva ein neues Top, welches schlicht und weiß gehalten ist, doch der Preis übersteigt den eines kleinen Gebrauchtwagens. Eine eng anliegende, leichte Jeans und Sandalen vervollständigen ihr Outfit. Eva wirkt ernst, aber das ist kein Wunder, denn sie, Kuré, deren Mutter und Alfred haben einen Frontalangriff auf das Galaktikerhauptquartier vor. Gefahren: die Pokébälle, die Menschen fangen können, eine Masse von Gegnern und natürlich Saturn, der im obersten Stock sitzt und die Verbrechen seines Teams koordiniert. Er muss ein Ausnahmetrainer sein, wenn er sich so lange an der Spitze von Team Galaktik halten konnte. Mithilfe des Zeitstopp-Angriffs von Kuré sollte es jedoch ein Leichtes sein, das Hauptquartier zu zerstören. Auf dem Weg zum Pokémoncenter kommen sie an zerstörten Gebäuden vorbei, die Pokémonattacken zum Opfer gefallen sind. Die Trainer Herzhofens gehen in immer größeren Zahlen auf die Barrikaden, nach der Ansprache Marias wollte keiner mehr zurückbleiben, um sich nachsagen zu lassen, er sei feige oder sowas. Auf einmal bricht ein Rihorn durch eine massiv aussehende Steinmauer schräg auf gegenüber auf der anderen Straßenseite. Es schnaubt laut, schüttelt den Kopf, fasst Eva ins Visier und rast los. Mehrere Galaktiker und ein verzweifeltes Mädchen laufen ihm hinterher. „Halt! Rihorn! Komm zurück!“, ruft es, erblickt dann ebenfalls die Psychotrainerin. „Rette mein Rihorn! Bitte!“ – „Vergiss es, das gehört uns!“, einer der Galaktiker zückt eine Art stählernes Rohr, auf dem stilisiert ein Netz aufgemalt ist. Eva ahnt, was für Munition das Ding geladen hat, und hebt die rechte Hand.
    Sofort stürmen Anderson und Riley vor, Anderson geht halb in die Hocke, streckt die Arme vor und stellt sich vor Eva. Riley kümmert sich um die Galaktiker. Bevor der erste den Auslöser bedienen kann, ist Riley bei ihm, reißt das Bein hoch und tritt ihm das Rohr aus den Händen. Danach packt er den Nacken des Mannes, rammt ihm den Ellbogen in die Magengrube, lässt ihn fallen und wendet sich einer Frau zu, die nach ihren Pokébällen tastet. Im selben Moment kracht Rihorn in Andersons Abwehr, doch der Bodyguard weicht keinen Schritt zurück. Mit beiden Händen hält er den Kopf des Pokémons fest, bis es in einem roten Blitz verschwindet und in den Ball seiner Trainerin zurückkehrt. Noch während Anderson sich aufrichtet, besiegt Riley die restlichen beiden Galaktiker. Dabei macht es für ihn keinen Unterschied, ob er eine Frau oder einen Mann niederschlägt; Feind ist Feind. „Danke, wirklich!“, strahlt die junge Trainerin, als Riley sich den Staub von den Schultern klopft. „Mei, woas machst oagntli so weit druaßn, i mei, is doch arg gfährli zur Zeit…“ – „Ruhe, Mister Anderson. Madame Eva stellt die Fragen.“ – „Riley, i hätt nix dagegen wenn du mal oa bissel freundlicher wärst, i mei, wir sind Poartner und…“, Eva hebt die linke Hand, und er verstummt. Mit unbewegtem Gesicht tritt die Blonde zu der Trainerin hinüber, welche erst amüsiert aussah, als Anderson und Riley ihre kleine Diskussion hatten, doch nun wirkt sie eingeschüchtert. „Das ist ihr Rihorn, richtig?“ – „Was?“ – „Na, ihr Rihorn.“ – „Meins? Ja.“ – „Es ist gefährlich, alleine durch diese Straßen zu wandern und kämpfen zu wollen. Wenn sie vorgehabt hat, ehrenhaft ein paar von denen zu besiegen, loben wir ihren Mut, aber wir warnen sie auch vor Dummheit.“. Eva kniet vor dem Mädchen nieder und legt ihr eine Hand auf den Kopf. Anderson schnappt nach Luft. Ein geweihtes Mädchen! Seit wann lässt sich Madame Eva zu so etwas herab? Er würde sich ausdenken, wie er es hinbekäme, dass Madame Eva ihm auch eine Hand auf den Kopf legt. „Verstanden.“ – „Suche sie sich am besten ein paar Freunde, dann sind sie gemeinsam sicherer unterwegs. Wir möchten nicht, dass so junge Trainer aus Unachtsamkeit ihre Pokémon verlieren. Denn genau das wäre passiert.“ – „I-ist in Ordnung. Danke nochmal.“, flüstert das Mädchen. Eva richtet sich auf. „Wir bringen sie bis zum Pokémoncenter, dort haben sich die Polizisten versammelt, die noch Pokémon haben. Einer von ihnen kann sie nach Hause geleiten. Folge sie uns.“ – „Okay!“. Wieder geht sie zuerst, insgeheim fragt sie sich, ob Maria auch so gehandelt hätte. Bestimmt. Oder sie hätte alle drei umgebracht. Eva schüttelt den Kopf. So ist sie nicht mehr.
    //


    Blizzach
    „BWAHAHA! DAS BRENNT!“, begeistert legt Pay einen weiteren Holzscheit in den Kamin, der das Pokémoncenter zusätzlich beheizen soll. Als einziges Pokémoncenter Sinnohs besitzt die Blizzach-Zweigstelle einen großen Gemeinschaftsraum mit gemütlichen Sofas, Sesseln und eben der Feuerstelle. Normalerweise prasselt das Feuer so vor sich hin, damit erschöpfte Wanderer und Trainer sich ausruhen können und dabei in die Flammen starren, doch Pay hat es maßlos übertrieben; meterhohe Flammen schlagen empor, der Ruß schwärzt die Decke. Schwester Joy steht neben ihm. „Ich muss Sie bitten, damit aufzuhören! Es reicht, das Feuer ruhig prasseln zu lassen, und…“ – „Aber so machts doch viel mehr Spaß!“, entgegnet der Rothaarige. Doch er befolgt Joys Wunsch, lässt die Flammen ein Stück zurückgehen. Der Raum ist relativ leer. Lilith sitzt oben in der Galerie, die sich einmal um den Raum zieht, auf einer Fensterbank und sieht nach draußen. Der Chief hat sich in eine von seinen Decken gewickelt, trägt nun wieder seinen Federschmuck und die hellbraunen Ledersachen. Ein paar Trainer lungern in einer Sitzgruppe in einer anderen Ecke des Raums herum. Pay setzt sich nah ans Feuer und nimmt sich seine Stahlhanteln, die neben dem Sessel liegen. Normale Menschen würden Hanteln benutzen, die vielleicht den Durchmesser einer Handfläche haben, Pay braucht größere Kaliber. Seine Hanteln haben einen so großen Umfang wie Marias Beine lang sind. Mit beiden Armen stemmt der Feuertrainer seine Gewichte. „Übertreib mal nicht, Mann…“ – „Übertreiben? Das ist doch noch gar nix!“, lacht Pay, er wirkt völlig entspannt. Chief schaudert beim bloßen Gedanken daran, sich selbst solch einem Training zu unterziehen. „Und außerdem bin ich nich der Einzige, der sowas tut. Maria zum Beispiel legt sich Manschetten aus Eisen um die Beine, wenn sie Jeans trägt, das is ihre Art von Training!“ – „Woher weißt du das, Mann?“ – „Hat Lilith erzählt. Darum ist die so irre schnell in Hotpants.“ – „Die hat aber auch ne Mörder-Figur, Mann…“ – „Echt? Hm, is mir nich aufgefalln bisher! Aber ich nehm an du hast Recht.“ – „Mann…“, der Chief versinkt in seinem Umhang und kneift die Augen zusammen, als würde der Manitu ihn bestrafen, wenn er sich zu lange weltlichen Fantasien hingibt. Im nächsten Moment zuckt Lilith zusammen, Pay sieht es aus dem Augenwinkel und lässt die Hanteln fallen. „Wasn los?“ – „Es kommt.“, die Nachtigall wird unterbrochen. Die Scheibe geht zu Bruch, Lilith hechtet rückwärts, springt die Galerie hinunter und kommt leichtfüßig neben Pay auf. Um das Fenster herum wird die Wand zur Seite gesprengt, als würde eine große Faust sie einschlagen. Panisch rennen die anderen Trainer hinaus.
    Mewtu schwebt langsam in den Gemeinschaftsraum und blickt sich um. „Diesma haste dir den Falschen ausgesucht, Freundchen.“, murmelt Pay. Er richtet sich auf und zeigt mit dem Finger auf das Psychopokémon. „Ey! Verschwinde oder ich geb dir eins aufs Dach!“, anstatt einer Antwort richtet Mewtu die Hand auf Pay, er wird wie eine Marionette weggeschleudert und landet im Kamin. Das Feuer lodert auf. „Mann!“, Chief erhebt sich ebenfalls, seine Rechte wandert zu seinen Pokébällen. „Verdammt. Lilith, raus hier.“, kommandiert er, doch Lilith starrt nur in die Flammen. Ihre Augen weiten sich. Mewtu hebt auch die zweite Hand, eine zeigt auf Lilith, die andere auf den Chief. Doch bevor es seine Psychokräfte entfesselt, rast eine brennende Gestalt von rechts heran, schemenhaft sind zwei flammende Fäuste zu erkennen, die Mewtus Magengrube treffen. Das Pokémon wird aus dem Pokémoncenter geschmettert und hinterlässt ein zweites Loch in der Wand. Fassungslos blinzelt Lilith. „Was…“ – „UHHH, BABY! BUUUUUUUURN!“, brüllt Pay seinem Gegner hinterher, er scheint nicht einmal zu merken, dass er in Flammen steht. Dann sieht er an sich herunter. „Ouh, das fühlt sich gut an.“, findet der Rothaarige und stößt die linke Faust vor. Ein Flammenstoß löst sich aus ihr, schießt durch das Loch in der Wand. „Wie…wie ist das möglich, Mann…?“, stammelt der Chief. Dann sackt er in sich zusammen. „Bei dem frag ich mich bald gar nix mehr, Mann.“.


    soo, ich hoffe ich hab keine fehler dringelassen und ihr hattet spaß beim lesen. bis zum nächsten mal,
    mfg
    DoD

  • Kapitel 42
    Feurig


    15.7.2009


    Pay grinst über beide Ohren. „Yeah, Baby! Wer ist jetzt der Stärkste hier?“ – „Immer noch du.“, haucht Lilith und schmiegt sich an ihn. Sein Shirt ist in Flammen aufgegangen, darum sucht Pay sich zuerst einen neuen Pullover, den er sich anzieht und die Ärmel hochkrempelt. „Jetzt kann ich mal n Kämpfchen gegen Maria wagen, hm! BAM!“, nur aus Spaß feuert er einen weiteren Flammenstrahl durch das Loch. „Mewtu entfernt sich.“, murmelt die Schwarzhaarige, als sie mit den Augen verfolgt, wie das Psychowesen schnell kleiner wird und am Horizont verschwindet. „Maria hat nich gegen den gewonnen, oder?“ – „Nachdem was ich gehört hab, Mann, wurde sie besiegt, aber der Kampf davor war zu viel für ihre Kräfte.“ – „Achso. Naja, ich kann ja trotzdem mal so probeweise gegen sie ran…“ – „Sicher?“, müde blickt der Chief ihm ins Gesicht. Pay lässt sich nicht beeindrucken. „Klar! Mit so viel Feuerkraft kann ich gar nich verlieren! Lasst uns losgehen und die Fabriken am See zerstören!“ – „Nicht so hastig, Mann! Du bist zwar jetzt stärker, wie auch immer, aber wir sind es nicht. Wir warten auf den Eisbrecher.“ – „Lee! Genau, der weiß ja noch gar nix davon.“. Insgeheim ist der Rothaarige beeindruckt, dass Maria Lee wirklich retten konnte, denn auch, wenn sie immense Kräfte hat, so standen ihr massenhaft Galaktiker gegenüber. Und Mewtu. Pay fragt sich, wie weit diese neuen Fähigkeiten wohl reichen, die er Mewtu verdankt. Mit Sicherheit sind die Psychokräfte Schuld, irgendwie hat sich das Feuer mit seinem Körper verbunden und lässt sich nun von ihm kontrollieren. ‚Hm. Maria kann sich in Wasser verwandeln, hat Rocky gesagt. Ob ich das auch mit Feuer kann? Eher nich, sie hat ihre Kraft von einem uralten Schatz aus den Tiefen. Denke, sie könnt vielleicht noch stärker sein als ich. Aber um meine Fähigkeiten auszuloten sollte ich trainieren, yeah!‘, beschließt er. „Leute? Ich geh ne Runde raus, testen was ich jetzt so alles kann!“ – „Ich komme mit.“, entscheidet Lilith. Chief wickelt sich in seine Decke und zittert kurz im Wind, der durch die Löcher in den Raum pfeift. Joy kommt hineingestürmt. „Was war das? Ich habe Krach gehört und… oh nein!“ – „Das war dieses Mewtu. Wir habens verjagt.“ – „Verjagt?! Ihr? Vielen Dank…aber die Wand!“ – „Hm.“, Pay fasst sich kurz an den Hinterkopf. „Ja, da muss irgendwas vor, nehm ich an.“ – „Herrje…“, murmelt Joy und zückt ein kleines Handy, bevor sie den Raum wieder verlässt. Chief schüttelt langsam den Kopf. „Die Arme. Oh, Mann.“ – „Alles klar. Bis nachher, Chief!“ – „Viel Spaß, Mann…und Frau.“, fügt er nach kurzem Zögern hinzu. Lilith und Pay kehren ihm den Rücken zu, treten durch die Tür, gehen den Gang entlang, der ins Freie führt. Hinter dem Pokémoncenter befindet sich eine relativ große, freie Fläche, auf der auch oft Trainer mit ihren Pokémon neue Attacken üben, heute ist es jedoch Pay, der den Platz braucht. Er ruft sein Ramoth aus dem Ball, damit es einen Übungskampf gegen das Arkani von Lilith machen kann.
    Doch die beiden Pokémon sind größtenteils auf sich gestellt, Pay konzentriert sich. Dann reißt er den Arm vor, ein Feuerstoß löst sich aus der Faust und rast einige Meter durch die Luft, bevor sich das Feuer verflüchtigt. „Okay. Das war die kleinste Attacke, die ich kann.“. Die Nachtigall stellt sich einige Schritte entfernt auf, damit sie ihren Schwarm besser beobachten kann. „Das muss doch sicher auch stärker gehen!“, findet Pay und ballt beide Fäuste, springt vor und stößt mit beiden Fäusten geradeaus. Der entstehende Flammenstoß ist doppelt so stark wie der erste. „Ha! Perfekt.“. Nun führt er eine kleine Schlagserie aus, 8-10 kleine Feuerbälle fliegen durch die Gegend. „Je nach Kraftaufwand und der Zeit, die ich für den Schlag brauche, werden die schneller oder stärker. Logisch.“, murmelt der Feuertrainer. Dann zuckt er zusammen; scheinbar ist ihm eine Idee gekommen. „Ey! Guck ma!“, freut er sich und hebt die Arme über den Kopf. Dann sammelt er Energie, baut Konzentration auf und reißt dann den Mund auf, während er den Oberkörper nach vorn kippt. „BLARGH!“, ein Flammenwurf schießt aus seinem Rachen, Pay verschluckt sich und muss husten. Lilith kichert leise. „BWAHAHA!“, stimmt Pay mit ein, sein Gelächter schallt über den Trainingsplatz, bevor er wieder vestummt. „Das nenn ich Feuerpower! MEN! Aber mich in Flammen verwandeln kann ich nich, scheint, als hätte Maria mir da was voraus. Dafür braucht sie aber Wasser um sich herum, während ich mein Feuer selber mach. Schätze, wir dürften gleich stark sein. Uhhh, yeah, jetzt muss ich mir nur noch geile Namen einfallen lassen! Zisch-Zisch-Knall-Bumm-Kanone vielleicht. Oder Pay-Eraser…“ – „Immer mit der Ruhe, du hast deine Fähigkeiten nicht mal eine halbe Stunde. Übung macht den Meister.“, unterbricht ihn seine Freundin. „Joa, hast Recht! Nächster Schritt! Mal schauen, ob ich ein Flammenmeer hinkriege!“.
    Eine Viertelstunde später liegt Pay erschöpft im Schnee, Lilith neben ihm. Seine neuen Fähigkeiten sind gewaltig. Das Training war allerdings wichtig gewesen, um herauszufinden, was er nun vermag. Seine Gedanken schweifen in die Vergangenheit, während er neben der Nachtigall liegt und seine Atemwolken in den Himmel steigen. Mit 10 Jahren hat er sein erstes Pokémon von Professor Eibe erhalten, ein Panflam, mit welchem er seitdem um die Welt reist. Panflam war außergewöhnlich stark gewesen, und zwar von Anfang an. Schon früh war Pay als Hitzkopf bekannt gewesen, die Arenaleiter fürchteten sich nicht vor ihm, da sie dachten, aufgrund seines Mangels an Taktik wäre er ein leichter Gegner. Doch einer nach dem anderen musste sich der Feuerkraft von Pays stetig wachsender Truppe beugen, die Macht des Feuers hatte ihn schon damals fasziniert. Also war er ein reiner Flammentrainer geworden. Seine erste Gegnerin war die Arenaleiterin von Ewigenau, damals noch eine ältere Trainerin, die später von Silvana abgelöst werden sollte. Doch Ewigenau war die Heimat der Pflanzenarenaleiter, darum hatte Panflam keine Probleme gehabt, zu siegen. Doch als auch Marinus, der damals noch jünger war, Juan aus der Hoenn-Region und Felizias Mutter keine Chance gegen ihn hatten, wurde er immer bekannter. Elementnachteile schien sein Team nicht zu kennen, jegliches Wasser wurde durch noch heißere Flammen verdunstet, Steine geschmolzen und Bodentypen schneller verbrannt als sie gucken konnten. Als er mit 16 Jahren alle Arenaleiter aus Johto, Hoenn und Sinnoh besiegt hatte, brach er nach Kanto und Einall auf. Misty verlor genauso gegen ihn wie Colin aus Orion City. Die Pokémon-Liga sparte er sich immer weiter auf, bis er auch in Einall einen Großteil der Orden gesammelt hatte. Doch im Endkampf der Liga 2006 verlor er- und zwar ausgerechnet gegen einen Eistrainer aus Einall. Ihm war lange nicht mehr so kalt gewesen wie in diesem Kampf. Lee war sein Gegner gewesen, der Eisbrecher, der – genau wie Pay auch- auf einen speziellen Typ fixiert war, mit einer einzigen Ausnahme: seinem Starterpokémon Admurai. Ein kurzes Schaudern überkommt den Rothaarigen, als er an die Atmosphäre zurückdenkt.


    ///


    Indigo Plateau, 2006
    „Verehrtes Publikum, ich weiß nicht, wie die beiden da unten das aushalten.“, der Kommentator redet schon fast im Flüsterton, doch seine Stimme wird von Lautsprechern übertragen, die jedem im Stadion ermöglichen, jedes seiner Worte genauestens zu vernehmen. Die linke Hälfte des Kampffelds ist von Eis überzogen, die rechte brennt. Lees Pokémon ist Admurai, das von Pay sein Panferno. Die Pokémon sind heftig außer Atem. Während der Blonde die Situation abschätzt, richtet Pay den Zeigefinger nach vorn. „Angriff! Feuerschlag!“, brüllt er. Taktik ist nicht sein Ding, doch genau darum hat Lee schon 5 seiner Pokémon eingebüßt. Dieser brutale Stil war ihm gänzlich unbekannt. Keiner, den er kennt, kämpft so. Kreischend springt der Affe vorwärts, doch Admurai kennt die Kampfmuster seines Kontrahenten mittlerweile relativ gut. Das Wasserwesen senkt den Kopf, sein Horn stellt eine Bedrohung dar, wann immer Panferno frontal angreifen will. „Spring! Über den rüber, dann greif an!“, befiehlt Pay. Lee bleibt kaum Zeit zum Nachdenken. „Kaskade!“, die beiden krachen zusammen, das Feuer wird gelöscht, das Wasser verdunstet, Wasserdampf zischt in alle Richtungen. Das Publikum hält den Atem an. „Wahnsinn! Sie kämpfen schon seit einer Stunde, und keiner der beiden will aufgeben! Jeder hat nur noch ein Pokémon übrig! Meine Damen und Herren, so einen Kampf habe ich noch nie gesehen.“, berichtet der Kommentator. Lees schwarzes Hemd ist an einigen Stellen angekokelt, an den Shorts des Feuertrainers hängen kleine Eiszapfen. „Letzte Chance, Pay Fire!“, ruft Lee. „HELL YEAH! Immer drauf! Panferno, Feuerschlag!“ – „Admurai, los!“, die beiden Pokémon setzen sich in Bewegung. Pay grinst. Endlich hat sich Lee auf sein Spiel eingelassen. Frontalangriffe sind eben die beste Verteidigung. Panferno springt. Reißt den Arm zurück. Admurai wird langsamer. In diesem Moment verlangsamt sich die Zeit, bleibt beinahe stehen. Pay sieht sich um, registriert viele Dinge auf einmal. Die Limo, die das kleine Mädchen in der ersten Reihe fallen lässt, weil sie vor Spannung die Kontrolle über ihre Finger verliert. Die Zuschauer, die wie in Zeitlupe aufspringen. Den Arm von Panferno, der weit zurückgerissen ist, und aus irgendeinem Grund siegessicheres Funkeln in Lees Augen. Pay merkt, dass er einen gewaltigen Fehler gemacht hat. Die Zeit läuft normal weiter, doch er hört nichts. Es ist totenstill, als wäre der Jubel, in den das ganze Stadion ausbricht, nicht mehr da. Ein einzelnes Wort dringt zu ihm durch. „Blizzard.“. Nicht mal den Bruchteil einer Sekunde später weiß Pay, dass der Arm von Panferno viel zu weit hinten ist, das Feuer wäre nicht mehr rechtzeitig in der Lage, das Eis zu schmelzen. Lee hat ihn reingelegt. Er hatte von vornherein nicht vor, diesen stumpfen Frontalangriff durchzuführen. Statt Kaskade hat er nun Blizzard befohlen, eine spezielle Technik, die um einiges stärker ist als die physische Kaskade. Der Eisbrecher gewinnt immer auf dieselbe Weise. Eine Sekunde später ist Panferno zum Eisblock erstarrt. Pay grinst noch immer. „Verdammt, yeah! Da hab ich nich aufgepasst.“ – „Ich weiß. Immer frontal drauf. Das ist deine Strategie. Nun kennst du die meine.“ – „Das wiederholen wir bald!“ – „Wie du willst.“


    ///


    Blizzach, 2009
    Niemand kannte diesen Trainer, der immer zu Turnieren auftauchte, sie gewann und dann wieder verschwand. Pay allerdings überraschte ihn mit seinem Feuer. Die beiden waren grundverschieden, und genauso stark, wie sie in ihrem Wesen differierten, prallten ihre Pokémon aufeinander und brachten die Arena zum Beben. Einer hitzköpfig, von seiner eigenen Kraft überzeugt und willens, mit grober Gewalt seine Ziele zu verfolgen, der andere kühl, ruhig, aber nicht weniger davon überzeugt, wie stark er war. Lee und Pay bildeten ein Team.
    Da ihre Orden nach einiger Zeit ihre Wirkung verloren, als in Kanto und Johto langsam neue Arenaleiter eingesetzt wurden, entschieden sich die beiden, gemeinsam auf Reisen zu gehen. Ab und zu hatten sie dabei Gesellschaft, auf einigen Wegstrecken wurden sie von einer Trainerin oder einem Trainer begleitet. Letztendlich hielt niemand mit ihrer Kraft mit. Die neuen Leiter aus Sinnoh stellten ebenfalls keine Herausforderung dar. Hilda wurde in einer Woche zweimal geschlagen. Im Januar 2007 erhielt Pay das erste Mal das Angebot, den Elite 4 aus Johto beizutreten, er lehnte dankend ab, um zu trainieren. Das Angebot wurde im Dezember 2007 und im Februar 2008 wiederholt, doch seine Antwort hat sich nicht verändert. Wenn er diesem Ring aus Trainern beitreten würde, wollte er unbesiegbar sein. Noch immer stellte Lee ein unüberwindbares Hindernis dar. Ihre Trainingskämpfe waren fast immer perfekt ausgewogen, doch in den letzten Momenten eines Kampfes gelang es dem Blonden jedes Mal, noch eine letzte Reserve zu benutzen, die er irgendwo her zog. Als Lee im Frühjahr 2008 bei einem inoffiziellen Kampf gegen Bruno von den Top 4 aus Kanto verlor, wussten beide, dass sie noch viel zu lernen hatten. Trotz einer Siegrate von über 99% waren sie noch nicht stark genug. Einige Monate später traten Maria, Lilith und Eva in ihr Leben. Das gesamte letzte Jahr hatte Pay wie verrückt trainiert, und nun hatte ihm das Schicksal auch noch diese Kraft verliehen.
    „Wollen wir wieder reingehen?“, fragt Lilith. Pay richtet sich auf. Seine Erschöpfung hat sich gelegt, es erstaunt ihn immer wieder, was einige Minuten Erholung bewirken. „Jo, ich helf dir hoch. Komm.“, erwidert er. Hand in Hand suchen die Beiden die Wärme des Pokémoncenters auf.
    Pay erinnert sich an das Gespräch, was er im Sommer 2008 mit Lee führte.
    „Wie istn die Kleine so?“ – „Maria ist außergewöhnlich. Ich habe noch niemanden kennen gelernt, der so stark, klug und wunderschön ist wie sie.“ – „Oh Gott! Wahaha! Dich hats mega erwischt. Du würdest die am liebsten essen, wenns ginge. Naja, n netten A…“. Lee lächelt knapp. „Sag lieber nichts Falsches. Ich bin nicht ganz der Gourmand wie du. Aber…Ja. So kann man es ausdrücken.“ – „Und? Sie ist der schwarze Mond, oder? Diese Verrückte mit der Maske die alles kaputthaut was ihr in den Weg kommt?“ – „Naja…sie war es. Früher. Sie hat sich enorm geändert. Auch dank ihrer Freundinnen.“ – „Ah. Freundinnen.“ – „Lilith scheint dir ja sehr zugetan zu sein.“, der Blonde hebt grinsend die Brauen. „Echt? Kann sein. Ich find die unheimlich. Aber auch irgendwie lustig.“ – „Ach ja, da wäre noch eine Sache…“ – „Fang nich so an! Ich kenn da n Typen, der sagt das auch immer, und…“ – „Doch. Ich ziehe mit Maria zusammen. Wir wollen gemeinsam leben.“ – „Was?! Ey, komm! Wir sind das perfekte Kaputtmach-Team! Keiner kommt an uns vorbei. Einer labert uns an? Wir haun den kaputt! Team Rocket will Stress? Kein Problem, haun wir kaputt! Willste das alles hinwerfen?“ – „Ich werfe nichts hin. Du gehst mit Lilith, ich mit Maria, und wir trainieren so hart wie noch nie zuvor. 2009 will ich gegen dich kämpfen. Mal schauen, ob du dann immer noch so ein Hitzkopf bist.“ – „Auf jeden, yeah! Vielleicht hast du recht. Ein Jahr, Lee? Danach geht’s weiter wie vorher?“ – „Wie bisher? Mal schauen. Wir müssen stärker werden, um jeden Preis. Und ich will bei Maria bleiben. Ich schlage vor, wir schauen, wie es in einem Jahr steht. Einverstanden?“, fragt er. Pay reicht ihm die Hand. „Gut. In einem Jahr mach ich dich platt!“. Voller Motivation stehen sich die beiden ungleichen Trainer gegenüber. Auf der einen Seite Feuer, auf der anderen Eis.
    Erst Team Galaktik. Der Rest kann warten, yeah!‘, denkt der Rothaarige.
    //


    Autobahn, kurz vor Herzhofen
    „Lee? In Blizzach werden wir uns mit Pays Team zusammentun, oder?“, frage ich, nachdem wir eine ganze Weile schon gefahren sind. Langsam fasse ich Vertrauen zu ihr. Vielleicht war ich zu misstrauisch. Der Himmel färbt sich langsam rotorange. Der Blonde nickt. Wir hatten kurz geschwiegen, endlich hat die Fahrerin kurz aufgehört, Lee an zu flirten. „Pay? Was ist das?“, fragt unsere Fahrerin. „Ein Freund von uns.“ – „Ihr wollt nach Herzhofen, dachte ich!“ – „Das ist ein Zwischenstop.“ – „Achso!“, fröhlich drückt sie weiter aufs Gas. Lucia neben mir wirft mir einen Blick zu, der nur schwer zu deuten ist. Fürchtet sie sich? Wovor? „Wo hat er eigentlich seinen Namen her?“, will ich wissen. Lee lacht kurz. „Das geht auf eine seiner Ticks zurück. Bevor wir uns trafen, hat er zu jedem „You gonna pay!“, gesagt, der ihn zum Kampf gefordert hat. Und da er ein Feuertrainer ist, kam das Fire hinzu. Pay Fire ist seitdem sein Künstlername, wenn man so will.“ – „Genau wie bei mir.“, murmele ich. „Wie heißt du denn?“, die Stimme der Fahrerin dringt an mein Ohr. Ich lächele, obwohl sie es nicht sieht. „Maria.“ – „Oh!“ – „Stimmt was nicht?“ – „Nein, alles in Ordnung! So ein Zufall aber auch.“ – „Inwiefern?“, meine Nase nimmt einen merkwürdigen Geruch wahr. Adrenalin. Wieso schüttet der Körper unserer Fahrerin Adrenalin aus? Alarmiert sehe ich nach vorn. Sie drückt wie nebenbei einen kleinen Knopf am Lenkrad, der da sicher nicht hingehört. So einen habe ich noch in keinem anderen Wagen gesehen. „Was wird das?“, entfährt es mir, doch es ist zu spät. Durch die Lüftungsanlage dringt ein feiner Nebel. Mit geübten Handgriffen setzt die Fahrerin sich eine Gasmaske auf, eine Hand lässt sie am Steuer. Ich kann nichts tun; wenn ich sie angreife und verletze, gerät das Auto außer Kontrolle. Noch 15 Kilometer bis Herzhofen, verrät mir ein Schild, an dem wir vorbeirasen.
    Lee bemerkt es ein paar Sekunden später als ich. Mir schießt durch den Kopf, ob Lucia das geahnt hat, doch als ich sie ansehe, schläft sie tief und fest. Das Gas zeigt Wirkung. ‚Schlafgas!‘, denke ich und halte die Luft an. „Was…“, keucht Lee, dann schläft er ebenfalls ein. Ich muss handeln. ‚Ekitai Shojou.‘. Ich bin ausgeruht, habe viel Kraft…beste Voraussetzungen für meine Spezialtechnik. Mein Körper verwandelt sich, wird flüssig und durchscheinend. Die Kleider fallen wie in Zeitlupe durch mich hindurch, als würden sie auf den Grund eines Pools sinken. Ich sehe, wie sich das Gas mit mir verbindet, kleine Bläschen dringen in mein Wasser ein. Wahrscheinlich werde ich sofort einschlafen, wenn ich meinen richtigen Körper wiederhabe. Nicht gut. „Tut mir Leid, mein Hübscher.“, murmelt die Fahrerin und streicht Lee über das Gesicht. „Aber deine Freundinnen wirst du nicht wiedersehen. Die muss ich jetzt mal schnell bei meinem Boss abliefern. Da wird sich Saturn sicher freuen. Und dich…behalte ich für mich.“, schnurrt sie. „Ich glaube, du vergisst da etwas. Nimm deine Krallen von ihm.“, unterbreche ich sie. Meine Stimme klingt, als würde ich mich unter Wasser befinden. Leicht blubbernde Geräusche begleiten meine Worte. Die Fahrerin zuckt heftig zusammen und starrt in den Rückspiegel. „Wie…was bist du?!“, ich bemerke das Zittern in ihrer Stimme und bin zufrieden. Wenn ich meinen Feinden Angst einjage, dann kämpfen sie schlechter. „Maria Jou. Und du fährst jetzt rechts ran, meine Hübsche.“, meine Stimme hat einen recht bedrohlichen Klang, wenn ich leise spreche, und es klappt. Zur Bekräftigung lege ich ihr meine Hand auf die Schulter und drücke leicht zu. Sie fährt einen kleinen, verlassenen Rastplatz an, auf dem sich außer uns niemand befindet. Als der Wagen stillsteht, sagt eine Weile niemand etwas. Dann dreht sich die Frau blitzschnell um und schlägt nach mir. Sie stockt. Ihre Faust steckt in meiner Brust, ich spüre ein leichtes Kribbeln, jedoch keinen Schmerz. Ein Gedankenimpuls reicht um ihre Faust in mir festzufrieren. „Keine Mätzchen, wenn ich bitten darf.“ – „Lass…mich…“, ihr wird kalt, ich kann es spüren. Langsam beuge ich mich vor. Meine Augen sehen im Moment sicher zum Fürchten aus, zwei schimmernde Wassersphären ohne Pupille oder Iris. Das habe ich herausgefunden, als ich mich letzte Woche vor dem Spiegel ansah. Es knistert leise, als ich das Eis auftaue. Die Hand ist bläulich angelaufen. Schaudernd zieht die Fahrerin sie zurück und nimmt ihre Gasmaske ab, es ist sicher, da der Nebel sich mittlerweile verzogen hat.
    „Wie dachtest du dir deinen kleinen Plan? Uns einschläfern und in Herzhofen bei Saturn abliefern? Du bist eine Galaktik-Anhängerin, stimmt´s?“, frage ich sie. Zorn wallt in mir auf. Nebenbei frage ich mich, wie meine lebenswichtigen Körperfunktionen gerade ablaufen, wo doch alles an mir aus Wasser besteht. Irgendeine mächtige Kraft ist dafür verantwortlich. „Ja.“, trotzig starrt sie mich an. Ihr Wille ist noch nicht gebrochen. „Ich lasse mich nicht gerne verarschen. Erst recht nicht von euch Typen. Was soll ich nun mit dir machen, hm?“, überlege ich laut. Ruhig gehe ich meine Optionen durch. Ich könnte sie auf der Stelle umbringen, dafür bräuchte ich nicht mehr als ein Fingerschnipsen. Doch menschliches Leben ist wertvoll, und es steht mir nicht zu, darüber zu richten. Vielleicht friere ich sie am Straßenrand fest, dann könnten wir mit ihrem Auto weiter. Ja, das wäre eine gute Idee. Damit stelle ich sie eine Weile…kalt. Ich muss lächeln, als ich das Wortspiel bemerke, und als sie zusammenzuckt, weiß ich, dass auch das gruselig aussehen muss. Wie dem auch sei, ich habe keine Zeit zu verlieren. „Aussteigen. Los.“, befehle ich, doch die Frau bleibt einfach sitzen. Also verstärke ich den Druck meiner Finger. Durch meine Gedanken wird meine Hand kälter, was die Galaktikerin dazu bewegt, nun doch auszusteigen. Geschmeidig steige ich erst auf den Vordersitz und dann aus dem Auto, ihr hinterher. „Was hast du mit mir vor?“ – „Hm. Sagen wir, ich verhindere, dass du uns an Saturn auslieferst. Stillhalten.“, die Sonne bricht sich in meinen Armen. Es sieht ziemlich hübsch aus, fällt mir auf, doch dann konzentriere ich mich und ziehe Wasser aus der Umgebung. Es umschließt Arme, Beine und Hüften der Galaktikerin, friert sie am Boden fest.
    „So. Und hier bleibst du, bis wir Herzhofen erreicht haben.“ – „Du kannst mich hier nicht einfach stehen lassen! Das ist kalt!“ – „So bin ich. Daran hättest du denken sollen, bevor du dich mit mir angelegt hast.“, entgegne ich. „Darkrai, Schlummerort bitte.“. Mein Schatten macht sich selbstständig, löst sich von meinen Füßen und verdichtet sich. Darkrai erhebt sich aus dem Boden, mustert mich kurz und formt eine Kugel aus schwarzer Energie, welche die Brust der Galaktikerin trifft und sie auf der Stelle einschlafen lässt. Ihr Gesicht verzerrt sich. Sie leidet schreckliche Albträume. „Danke.“, wortlos versinkt er wieder im Boden und wird zu meinem Schatten. Jetzt muss ich mir nur noch ausdenken, wie ich mich wieder anziehe, bevor ich Ekitai Shojou beende. Die Antwort ist leicht; ich lasse meine Glieder zu Eis gefrieren, amüsiere mich über das klirrende Geräusch, das meine nackten Füße auf der Straße machen und öffne die Tür neben Lucia. Meine Freundin schläft noch. Leise hole ich meine Unterwäsche, die Hotpants und die Bluse heraus und ziehe mich an. Die kleinen Bläschen des Schlafgases treiben immer noch in mir umher, manche durchstoßen die Wasseroberfläche und lösen sich auf. Doch nicht alle, ich schätze, das Gas ist an mein Wasser gebunden. Als ich mit Anziehen fertig bin, verwandele ich mich zurück. Meine Kleider sind aufgrund meiner eben noch sehr niedrigen Körpertemperatur kühl. Das wird sich legen. Im nächsten Moment macht sich das Schlafgas bemerkbar, was sich in meinem Körper verteilt hat. Ich kann nicht mehr stehen und falle auf die Knie, stütze mich schlaftrunken mit den Händen ab. „Nein…mussnach Herzhofn…“, flüstere ich, dann wird mir schwarz vor Augen. Ich schlafe ein.
    Darkrai bekommt mit, wie das Mädchen in Ohnmacht fällt, und übernimmt die Kontrolle. Obwohl sie schläft, erhebt Maria sich, ihre Augen sind geschlossen, die Lippen leicht geöffnet. Ihr Atem geht ruhig. Als ihr Schatten sorgt Darkrai dafür, dass sie sich auf den Fahrersitz des Autos setzt und eine bequeme Position einnimmt. Mehr kann er nicht tun. Hoffentlich wacht einer der anderen beiden bald auf. Darkrai würde über seine Freundin wachen. Wie immer.
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    Ich öffne langsam die Augen. Es ist fast stockdunkel um mich herum, Lee und Lucia schlafen immer noch, das verrät mir ein Blick ins Auto. Mit leichten Kopfschmerzen rappele ich mich auf. Ein Schläfchen auf kaltem Stein ist nicht unbedingt das Wahre. Meine Knie tun weh. Nach einigen Schritten halte ich inne. Das Auto kommt nicht näher. Merkwürdig. Es fühlt sich an, als wäre ich betrunken, die Welt schaukelt ein wenig. Energisch mache ich einen großen Schritt vorwärts. Der Wagen rutscht ein bisschen weiter weg. „Wassum Teufel…“, ich beginne, zu rennen. Genauso schnell entfernt sich das rote Auto von mir, Lees Kopf sinkt gegen die Fensterscheibe. Dann passiert das Unmögliche. Der Wagen explodiert in einem gigantischen Feuerball, ich schreie laut auf und falle rückwärts auf meinen Hintern. „Nein…nein!“, hastig stehe ich auf, versuche, den Brand zu löschen, aber das Wasser in der Umgebung ist total verdampft. Ich spüre nichts. Verzweifelt schließe ich die Augen. Totenstille. Ich öffne sie wieder. Jetzt ist es wirklich schwarz um mich herum, ich sehe meine eigene Hand nicht mehr, die ich vor mein Gesicht hebe. Ein Windhauch trifft mich. Ich merke, dass ich nackt bin. Leise Stimmen flüstern irgendetwas, was ich nicht verstehe. Ich wirbele herum. Niemand zu sehen. „Wer ist da?“, ich sehe immer noch verschwommen, irgendwas stimmt mit mir nicht. Notgezwungen bedecke ich meine Blöße mit Armen und Händen. Lee und Lucia…ich muss sie retten. Es wird ein wenig heller, eine Lichtquelle sehe ich dennoch nicht. Vor mir schwebt etwas. Eine menschliche Gestalt? Der Körper ist blass und violett gefärbt, beinahe wie…
    Eiskalte Furcht packt mich. Es ist Mewtu. „D…Darkrai. Schlummerort!“, meine Stimme zittert. Darkrai antwortet nicht. Ist er auch verschwunden? Neben der Angst mischt sich Hass auf Mewtu dazu. Ich hasse es. Ich hasse Mewtu und den Umstand, dass es meine Gefühle kontrolliert. Es gleitet auf mich zu, ich will weglaufen, meine Beine gehorchen vor lauter Zittern nicht. Ich habe zu große Angst. „Verschwinde!“, will ich schreien, doch es kommt nur ein Flüstern aus meiner Kehle. Mewtu hebt die Hand und richtet sie auf mich. Eine tiefe, unheimliche Stimme dröhnt durch meinen Kopf. „DU BIST NICHTS.“. Meine Fähigkeit, klar zu denken, schwindet immer mehr. ‚Hilflos. Hilflos. Hilflos…‘, ist alles, was mir durch den Kopf fährt. Ein bösartiges Echo. Das Psychopokémon ballt die Hand zur Faust. In meinem rechten Arm verschiebt sich etwas, der Schmerz wird größer, der Arm bricht. Als ich meine Schmerzen hinausschreien will, liegt etwas auf meinem Mund, hindert mich am Atmen und am Schreien. Tränen steigen mir in die Augen, als ich wie durch einen Schleier sehe, wie Mewtu den zweiten Arm hebt. ‚Nicht noch einmal. Bitte.‘. Die schwarze Welt um mich herum verändert sich, ich trage wieder die Winterkleidung, die mir Lucias Mum geliehen hat, unter mir rasen die Bäume hinweg. Ich werde erneut von Mewtu durch die Luft geschleudert. Ich weiß, dass ich gleich aufprallen werde, und dass der Schmerz so groß sein wird, dass ich das Bewusstsein verliere. Und noch immer kann ich nicht atmen. „NICHTS GEGEN MICH.“
    /


    „NEIN!“, ich schnappe nach Luft, kann nun endlich schreien, wache auf. Mit weit aufgerissenen Augen starre ich in Lees Gesicht. „Was…“ – „Du hattest einen echt heftigen Albtraum.“, murmelt Lucia, die hinter mir sitzt. „Wieso…wieso sitze ich auf dem Fahrersitz? Ich bin draußen ohnmächtig geworden… das Feuer…der Schnee…Mewtu…“, stammele ich. Lee legt mir eine Hand an die Wange. „Es ist alles wieder gut. Du bist in Sicherheit. Mewtu ist nicht hier.“, sagt er mit ruhiger Stimme. Genau wie nach meinem letzten Albtraum ist meine Haut mit kaltem Schweiß bedeckt. Ich zittere sogar jetzt noch. Mein Atem beruhigt sich langsam. Ich drehe mich um und presse mich an Lee, er weiß, wie schlecht es mir geht und umarmt mich. Lucia streichelt mir sanft über den Rücken. Dieses verdammte Klonwesen hat viel zu viel Macht über mich. Mittlerweile ist es also schon so weit, dass ich Albträume wegen ihm bekomme. Ich muss etwas tun…ich muss stärker werden. Die ganze letzte Woche habe ich diese Gefühle verleugnet, doch nun muss ich mir meine Furcht eingestehen. Nach ein paar Minuten habe ich mich beruhigt. Gut, nicht wirklich, aber ich bin bereit für die Weiterfahrt. „Gut…wir können weiter.“, murmele ich und löse mich von Lee. „Wer fährt?“, will Lucia wissen. „Die einzige Maschine, mit der ich klarkomme, ist ein Schiff. Da weiß ich, welche Knöpfe ich drücken muss.“, gestehe ich und zwinge mich zum Lächeln. „Dann tauschen wir schnell die Plätze.“, entscheidet Lee. „Okay.“. Mit einer fließenden Bewegung setze ich mich auf seinen Schoß, drücke mich leicht hoch, sodass er über die Armlehne klettern und sich auf dem Fahrersitz niederlassen kann. Lee geht aufs Gas, versichert sich mit einem Seitenblick, ob ich in Ordnung bin, und fährt los. Ich lehne mich zurück und schließe die Augen. Das Nachbild Mewtus hat sich in meine Netzhaut gebrannt. Sein unbarmherziger Blick und der ausgestreckte Arm. ‚Genau wie du bei Cécile.‘, sagt eine gehässige Stimme in meinem Kopf. ‚So bin ich nicht.‘ – ‚Ach nein?‘ – ‚Ruhe. Das ist mein Kopf.‘. Energisch vertreibe ich den Gedanken. Bin ich wirklich genau wie Mewtu? Nein, ich habe mich geändert. Ich nutze meine Kräfte in Maßen. „Maria?“ – „Ja?“, Lucias Stimme dringt an mein Ohr. „Deine Kräfte kommen von der Perle. Das weiß ich.“ – „Ja.“ – „Ich habe damals nicht gewusst, wie mächtig die Tiefseeperle ist. Deine Kräfte übersteigen das, was du damals konntest, um Längen. Eben musste ich an eine Meeresgöttin denken.“. Ich überlege kurz. „Göttlich sind meine Kräfte nicht. Göttliche Wesen sind überall zugleich, sie sind allmächtig und wissen, was in der Welt passiert. Ich glaube, ich würde mich eher…“ – „Eine Magierin nennen?“ – „Nein. Psychopokémon bewegen Dinge durch ihre Willenskraft. Ich tue das genauso. Nur sind meine Fähigkeiten auf Wasser beschränkt. Meine Gedanken sind verändert worden, und mein Körper auch. Deswegen kann ich das alles.“ – „Dann hast du die Fähigkeiten eines Psychopokémon?“ – „Ich glaube schon. Nur halt geringfügig abgewandelt.“. Ich muss grinsen. Lucia vergleicht mich mit Pokémon. Naja, damals hätte sie nicht so falsch damit gelegen. Nachdenklich sehe ich auf meine Beine, stelle mir vor, wie ich sie flüssig werden lasse. Mit Sicherheit bin ich etwas Besonderes, doch ob ich mit dem immer weiter ansteigenden Grad meiner Kräfte noch menschlich bleibe, steht in den Sternen.
    Diese blöden Größenwahnschübe kommen immer öfter. Und jetzt höre ich auch schon Stimmen. Ich muss mit mir selbst ins Reine kommen, und zwar dringend. Wir fahren weiter in den Abend hinein. Wenig später kommt Herzhofen in Sicht. Ein kalter Schauer läuft meinen Rücken herab und bringt mich erneut leicht zum Zittern. Eine böse Vorahnung?
    //


    Herzhofen
    Durch die Fallstores dringen schmale Lichtstreifen, welche an den Wänden hängenbleiben wie Luftschlangen und ab und zu, wenn die Fallstores durch einen Windhauch bewegt werden, auf und ab wippen. Saturns Gesicht wird manchmal auch von diesen Streifen getroffen. Unbewegt starrt er auf einen Bildschirm an der Wand, an dem vor einer Woche Marias Aufruf an die Trainer Sinnohs übertragen wurde. Mittlerweile gehören drei der größten Städte Sinnohs dem Team Galaktik. Blizzach steht ebenfalls kurz vor der Infiltration. Nur die Berichte, dass Mewtu zurückgeschlagen wurde, wenn auch nur einmal, stören den Galaktik-Boss. Der Schirm beruhigt ihn. Es zeigt eine Szene, die sich im Kraterberg abspielt, nicht mal 100 Kilometer entfernt. Ein Pokémon brüllt durch die gigantische Tropfsteinhöhle, in der es eingesperrt ist. Tief unter der Speersäule schlummerte ein noch viel größerer Schatz, der nur darauf wartete, geborgen zu werden. „Siata… der legendäre Drache mit der Macht über die Gravitation. Wenn wir deine Kräfte entfesseln, wird Sinnoh endlich vor der Größe unseres Teams erzittern. Deine kanalisierte Macht wird es ermöglichen, die Gravitation so gezielt zu manipulieren, dass niemand eine Chance gegen uns hat.“. Saturn legt die Fingerspitzen sinnierend aneinander. Es war unmöglich gewesen, Siata zu fangen, da es die Schwerkraft eines jeden Balls, mit dem man ihm nahekommen will, vertausendfacht. Wie Felsbrocken sind die Bälle zu Boden gekracht. Erst mit den neuen Bällen, die alles fangen, war es möglich gewesen, da sie auch aus der Distanz ihren Fangstrahl abfeuern. Doch Siata war auch zu mächtig für einen dauerhaften Aufenthalt im Ball, darum musste extra diese Höhle mit speziellen Vorrichtungen gebaut werden. Teuer, aber es hat sich gelohnt. Der Galaktik-Boss grinst zufrieden.


    hoffe euch hat das kapitel gefallen, auch wenn ich diese woche spät dran bin... WG suche ist manchmal was gemeines :/
    mfg
    DoD

  • Kapitel 43
    Stärkesee, zweiter Versuch


    15.7.2009


    „Denkst du, das ist eine gute Idee?“, der schwarzhaarige Trainer sieht seine Schwester ungläubig an. Sie grinst nur. Die beiden verstecken sich in einem Wolkenkratzer in der Innenstadt Herzhofens, von dem sie erfahren haben, er beherberge alle gestohlenen Pokébälle, die Team Galaktik sich geschnappt hat, indem sie das Portersystem der Pokémoncenter anzapften. Bruder, Schwester und mehrere Freunde des Paars sitzen nun in einem dunklen Flur, sind merklich angespannt. Zum Glück hat sie noch niemand entdeckt. „Machst du dir etwa ins Hemd, Brüderchen?“ – „Nein! Steph, ich finde nur, es ist vielleicht ein wenig riskant…“ – „Feigling.“, zischt Steph und erhebt sich. Halb gebückt späht sie um die Ecke. „Kommt!“, mit einem Winken der linken Hand rennt sie los, seufzend folgen ihr Bruder und die anderen. Mit ihren Pokémon wollen sie sich einen Weg freikämpfen und die gefangenen Partner befreien, die den Trainern Herzhofens geraubt wurden. Sie schaffen es, noch einige Etagen weiter raufzukommen. Doch nach der nächsten Biegung des weiß gestrichenen Gangs ist Endstation. Steph prallt zurück. Ein Dutzend Galaktiker steht den jungen Trainern gegenüber. „Das ist wirklich nicht gut.“, raunt Stephs Bruder. „7 gegen 15?“, lacht einer der Galaktiker. „Was habt ihr hier verloren?“, will eine Frau hingegen wissen, die ebenso wie die Männer türkisfarbenes Haar hat und mit ihrem silbernen Anzug an eine Astronautin aussieht. „Äh, entschuldigen Sie.“, beginnt der kleinste der Trainer. Tommy hat sein Pokémon gerade erst bekommen und ist das Nesthäkchen der Gruppe. Doch er ist bei seinen Freunden für seine Intelligenz und Kompromissbereitschaft bekannt. „Wir wussten nicht, dass dies Privatgrund ist. Wir werden uns einen anderen Spielplatz suchen.“, murmelt er schüchtern. Alles gespielt. Er vertraut darauf, dass man ihm abkauft, was er sagt. Doch Stephs Temperament macht das zunichte. „Blödsinn! Wir machen euch fertig, ihr Nullen! Magnezone, auf sie!“, mit einer schnellen Bewegung zückt sie einen Pokéball. „Was machst du da?!“, ihr Bruder ist entsetzt. Tommy hätte ihnen eine goldene Brücke gebaut. Steph schnaubt verächtlich und wirft ihr langes Haar zurück. „Ich habe nicht vergessen, was dieses Mädchen vor einer Woche im Fernsehen gesagt hat! Die kämpft auch! Wenn wir uns Trainer nennen wollen, und darauf stolz sind, dann sollten wir auch dafür einstehen, dass unsere Region sicher bleibt! Kapiert?“, ruft sie. „Aber wir sind nicht so wie die!“, gibt Tommy seinen Senf dazu. „Wir sind nur normale Trainer!“ – „Bullshit, ich höre nur Gewäsch!“, Stephs bester Freund ergreift Partei. Er ist fast ebenso hitzköpfig wie sie, im nächsten Moment hat er ein Simsala gerufen, welches seiner Freundin beistehen soll.
    Die Galaktiker zögern nicht länger. Mehrere Skuntank, Drifzepeli und Iksbat stehen den Trainern gegenüber. Die Frau, die zuerst geredet hat, schickt ein Gengar in den Kampf. Tommy und die anderen 4 wollen nun ebenfalls helfen. „Ihr habt keine Chance, Kinderchen.“. Es ist die Stimme einer weiteren Frau. Ein Schatten löst sich von der Wand, ebenso wie die Galaktik-Rüpel trägt auch die neue Gegnerin eine silbrige Uniform, doch auf der ihren befindet sich ein farbiger Streifen an der Taille. Ihr Haar ist rosa und fällt ihr über die Schultern. „Eigentlich wollte ich hier nur einmal nach dem Rechten sehen. Und dabei muss ich feststellen, dass sich einige Amateure hier eingeschlichen haben? Unmöglich. Ich bin enttäuscht.“ – „Spiel dich nicht so auf!“, explodiert Steph. „Magnezone, Donnerblitz!“ – „Simsala, los, Psychokinese!“ – „Gengar, Spukball. Simsala zuerst.“ – „Impergator, hau rein!“, Attacken prasseln durch den engen Gang, hastig verstecken die Trainer sich in Türeingängen. Impergator krallt sich an der Decke fest, Gengar schwebt durch die Wand, Magnezone weicht in haarsträubendem Tempo aus. Doch 4 der 7 Pokémon aus Stephs Team werden besiegt, nach der ersten Welle schon sieht es schlecht für die Trainer aus. Die Frau mit den rosafarbenen Haaren lacht leise. „Gebt auf.“. Noch mehr Galaktiker stürmen durch die Gänge. Einen Moment später ist Steph umzingelt, ihre Freunde drängen sich an ihren Rücken. „Verfluchte Schweinehunde.“, sie ist stinksauer. Ihr Magnezone will sie verteidigen, wird jedoch von einem Skuntank und seiner Erdkraft-Attacke besiegt. Stille. „Gebt ihr nun auf?“, will ein Galaktiker wissen, der vor Steph steht. Sie spuckt ihn an. ‚Wenn nur Sally und Ian hierwären!‘, denkt sie. Die beiden sind keine Trainer, aber mit seinem Fußball ist Ian so gefährlich wie ein Geowaz mit Felswurf.
    „Das nehme ich als ein „Nein“.“, seufzt der Galaktiker. „Nun denn. Skuntank…“ – „Iesch würdä auch sagän, das iest ein „Non“, non? Lasst die Trainär frai.“. Steph stutzt. Was ist denn das für ein Akzent? So redet doch eigentlich nur Lamina…Hoffnung steigt in ihrer Brust auf wie ein kleiner Ballon.“ – „Leute! Das ist Lamina! Wir sind gerettet!“, zischt sie. Doch als die Galaktiker sich umwenden und eine Passage für das Mädchen freigeben, was mit gelangweiltem Blick hinten am Gang aufgetaucht ist, sinkt Steph das Herz in die Hose. „Doch nicht.“, murmelt Tommy. „Wer bist du?“, fragt die Frau mit den rosafarbenen Haaren herrisch. Sie scheint eine höhere Position bei Team Galaktik zu haben. Mehrere der Gangster stürmen auf die Fremde zu und halten ihre Arme fest, einer duckt sich und umklammert ihre Beine. Das Mädchen lächelt nur leicht. „Mon nom spielt keine Rollä, n´est-ce pas? Bon, iehr wolltät niescht ´örän. Cresselia, vite-vite!“. Stephs Bruder schnappt nach Luft. „Cresselia?! Das da muss eine aus Rockys Team sein, von dem letztens im Fernsehen berichtet wurde!“. Das Pokémon, welches nun erscheint, funkelt am ganzen, sichelförmigen Körper. Es erinnert entfernt an einen Schwan, der aus Mondsicheln zusammengesetzt ist. Cresselia zieht einen Schleier aus glitzerndem Staub hinter sich her. Die nächste Sekunde fühlt sich für Steph merkwürdig an, so als würde sie sich in Zeitlupe bewegen. Cresselia rast schneller als ein Blitz durch die Reihen der Galaktiker. Alle im Gang befindlichen Trainer starren das Pokémon der Fremden an, als die Sekunde vorüber ist. Sämtliche Pokémon der Galaktiker werden auf einen Schlag besiegt, eine Welle aus purer Energie fegt die Galaktiker durch den Flur, sodass Kuré freikommt. „Miet schönäm Gruß von mainär Muttär: värschwindät aus ´Erz´ofän.“. Kuré dreht sich um und geht. Dann wendet sie sich noch einmal kurz um. „Kommt ihr niescht mit? Vite!“, fordert sie Steph auf. Die Trainer gehorchen ihr so schnell sie können. „Wir kommen wieder!“, verspricht Steph, bildet mit Zeige- und Mittelfinger ein V, führt sie an ihre Augen und richtet sie anschließend auf die Galaktiker. Cresselia wartet ab, bis die Gruppe im nächsten Stockwerk eine Etage tiefer angekommen ist und folgt Kuré dann. Steph fällt sofort mit der Tür ins Haus. „Wer bist du? Wieso hast du uns geholfen?“. Statt einer Antwort lacht Kuré kurz. „Iesch bin, wie dein kleinär Freund rieschtisch ergannt ´at, einä Trainerin aus Mademoiselle Rockys Team. Es iest mainä Pfliescht, ssu ´älfön. Iesch ´eißä Kuré.“ – „Ich bin Steph.“ – „Tommy.“ – „Kane.“, die Truppe stellt sich kurz vor, Kuré begrüßt jeden mit einem freundlichen Nicken. „Wie hast du das eben gemacht? Das waren so viele auf einmal!“, beinahe bewundernd hängt Steph an den Lippen der Trainerin. Dass jemand so stark sein kann, sieht sie zum ersten Mal. „Allä mainä Psyscho-Amis gönnän die Sseit um ein gewiessäs Maß verlangsamän. So ´abä iesch im Kampf immär ainän Vorteil.“ – „Wow. Dann bist du die Stärkste von euch, oder?“ – „Non. Leidär niescht. Wier ´abän iensgäsamt 4 Trainär, die stärker siend als iesch.“ – „Krass! Geht das?“, fragt Kane, Stephs bester Freund. „Natürliesch! La jeune femme, was ihr bestimmt iem Färnse´än gese´än ´abt, das iest die Stärkste. Maria Jou.“ – „Ich habe schon viel von ihr gehört.“, raunt Tommy. „Angeblich kann sie Wasser manipulieren, wie es ihr gefällt.“ – „Du solltest nicht alles glauben, was die Medien labern, Tommy.“, meint Steph. „Mais non! Är ´at räscht.“ – „Was?!“. Kuré schweigt. „Iesch bringä eusch ´ier raus, abär den Wäg nach ´Ausä müsst ihr selbär fiendän.“. „Ich habs dir gesagt!“, raunt Tommy, Stephs Blick bringt ihn zum Verstummen. „Tschuldigung.“ – „Schon gut. Aber das klingt echt unglaublich. Wer sowas kann, muss unbesiegbar sein.“ – „Niescht ganss, abär sie arbaität daran.“.
    Die Trainer folgen Kuré mit einigen Metern Abstand und beraten sich. „Wenn die hier ist sollten wir doch kein Problem damit haben, die Stadt zu säubern, oder?“ – „Aber sie will nicht in dem Haus kämpfen.“ – „Wo dann?“ – „Iem ´Auptquartier.“, die Französin erhebt ihre Stimme. Ihr rotes Haar schimmert im abendlichen Sonnenlicht. Cresselia schwebt langsam neben ihr her, als wäre es zu würdevoll, eine höhere Geschwindigkeit an den Tag zu legen. Steph hält den Atem an. „Ihr wollt das Hauptquartier angreifen?“ – „Oui. Abär das iest ssu gefährliesch für eusch. Gäht iens Pokämoncentör. Wenn eurä Partnär wieder fit siend, gönnt ihr eusch uns viellaischt anschließän.“ – „Krass!“, zischt Kane. „Au ja! Wir sind dabei!“, beeilt sich Steph zu sagen. „Dann zeigen wir denen, was wir draufhaben!“. Begeistert holt das Mädchen Luft. „Und außerdem…“ – „Bon, bon! Ssuärst ins Pokämoncentär.“, belustigt schneidet Kuré ihr das Wort ab. Als die Trainer merken, wie locker die Rothaarige ist, entwickelt sich ein Gespräch. Sie bleiben unbehelligt, ohne weitere Zwischenfälle erreichen sie das hohe Gebäude im Stadtkern. Als die Glastüren sich öffnen, treten Lamina, Alfred und Eva samt ihrer Leibwächter ins Freie. Alfred legt sofort einen Arm auf seinen Rücken und dreht sich halb um, sodass mehr Platz für Steph und ihre Freunde ist, als sie ins Pokémoncenter eintreten. „Danke.“, murmelt Tommy, worauf der Gentleman ihm zunickt. „Die Welt wird stilvoller mit jedem Stückchen Höflichkeit.“, befindet er. Eva mit ihrer sündhaft teuren Bluse und dem Kleid stimmt ihm zu. „Mei, Riley?“ – „Ruhe, Mister Anderson.“ – „Aboa…“ – „Gönnän wier los?“ – „Oui, Maman! IEsch ´abä nur einigän Trainörn gä´olfän, die siesch mit Team Galaktik angelägt ´abän.“ – „Oh. Diese dort?“ – „Oui.“. Nach diesem kleinen Dialog lächelt Lamina breit und bedankt sich bei Kane und den anderen, dass sie ihre Ehre als Trainer verteidigt haben. „Kiendär wie eusch giebt äs niescht oft. Denkt immär daran.“, schließt sie und folgt Alfred zu seiner Limousine, die ein paar Meter weiter in zwei Parklücken steht. So gut wie jeder Autofahrer, der daran vorbeifährt, starrt das Prachtstück aus Chrom und schwarzem Lack einige Momente lang an.
    „Bon.“, gibt Kuré von sich, als sie sich zwischen Riley und Eva gesetzt hat. Der Wagen fährt an.Ihr Plan steht fest, Komplikationen dürfte es keine geben. Die Fabrik für diese Pokébälle muss zerstört werden.
    //


    Autobahn, nördlich von Herzhofen
    Wir haben die Stadt sozusagen im Eiltempo durchquert, sind nur am Pokémoncenter kurz angehalten, um eine Verschnaufpause einzulegen. Mehrere jüngere Trainer hatten dort gewartet, dass ihre Partner aufwachen, die wohl einen schweren Kampf hinter sich gehabt haben müssen. Ein Mädchen, was in der Mitte saß, hat mich ein wenig an mich selbst erinnert, ohne dass ich sagen kann, wieso. Ich sehe aus dem Fenster. Es wird ganz langsam dunkel. Das Mädchen hat mich für eine Sekunde angesehen, der Kampfgeist, der aus ihren Augen sprühte, war mir nicht verborgen geblieben. Leise seufzend schiebe ich den Gedanken beiseite. In Blizzach wartet eine schwere Aufgabe auf uns. Mein Blick fokussiert sich auf die Fensterscheibe. Statt meines Spiegelbilds sieht mich Darkrai an. Nachdenklich hebe ich die Hand, der Schatten auf dem Armaturenbrett sieht aus wie die Hand des Alptraumpokémons. Lucia hinter mir sieht ebenso stumm aus dem Fenster. Sie muss Ash schrecklich vermissen. Meine linke Hand liegt permanent auf der Lees. „Lucia?“ – „Ja?“, sie schreckt hoch. „Wenn du auch nach Einall willst, halte ich dich nicht auf.“. Sie lächelt mich an. „Ich weiß. Aber das hatten wir alles schon.“ – „Du wirkst nachdenklich.“ – „Ich habe nur gedacht… wieso macht Team Galaktik das? Die müssen doch wissen, dass sie auf Dauer keine Chance gegen die Polizei und Trainer haben, die sich ihnen in den Weg stellen.“ – „Da hast du recht. Das ist eine Übergangslösung. Irgendwas planen die, und ich weiß nicht genau, was es ist.“ – „Aber jetzt haben wir Darkrai im Team.“ – „Stimmt auch wieder. Schwesterherz.“. Darkrai ist das stärkste Pokémon, was ich kenne. Bisher hat noch niemand im 1 gegen 1 Kampf gegen ihn gewonnen. „Aber sobald ich merke, dass du unglücklich mit deiner Entscheidung bist, setze ich dich persönlich ins nächste Flugzeug nach Einall.“ – „Ja, Mama.“, mault sie. Ich muss gegen meinen Willen grinsen. Dann klingelt Rockys Handy. Hastig nehme ich meine Hand von Lees Fingern und krame das kleine Gerät hervor. Grün…grün…grün? Stimmt das so? Egal. Ich drücke aufs grüne Telefon und halte das Handy ans Ohr. „Maria Jou.“ – „BWAHAHA!“, sofort erschüttert Pays brüllendes Lachen meine Gehörgänge. Schlimm. „Ruhe da hinten, Knallkopf.“ – „Wohl eher Hitzkopf! Und jetz erst Recht! MUHAHAA!“ – „Er ist größenwahnsinnig.“, flüstere ich Lee zu. Pay verstummt. „Du flüsterst zu laut. Pffff, Weibchen! Ich wollte nur…“ – „Leute! Bitte!“, Rocky verschafft sich Gehör. „Ich habe momentan nur dich, Pay, und Maria angerufen, weil du mir von dem Zusammenstoß mit Mewtu berichtet hast.“ – „Jawoll!“ – „Zusammenstoß?“, ich muss an Lilith denken, die immer in Pays Nähe ist. Leichte Angst um sie steigt in mir auf. „Geht es Lilith gut?“ – „Klaro. Wieso nich?“ – „Was für ein Zusammenstoß?“, frage ich. Rocky antwortet.
    „Mewtu hat das Zisch-Zisch-Knall-Bumm-Team angegriffen, und…“ – „Der Name is geil, wa? Yeah!“ – „…und dabei ist Pay mit einem Psychostoß in eine Art Lagerfeuer oder so geschleudert worden. Die Kräfte Mewtus haben das Feuer irgendwie mit seinem Körper verbunden. Er spürt keinen Schmerz, seine Haut wird nicht verbrannt, aber er kann sich selbst nach Belieben anzünden und Feuerstöße entfachen. Deine Kraft ist die einzige, die sich damit messen kann.“. Ich höre ihr nicht weiter zu. Das klingt wahnsinnig interessant…Psychokräfte schmieden Elemente und Menschen aneinander? Ist das bei mir genauso passiert? „Hm.“ – „Wenn ihr beide in Blizzach seid, trainiert ihr am besten zusammen. Geht das klar?“ – „Was? Ich kann nicht mit diesem…diesem…“ – „Ohhh, fehlen dir die Worte? BWAHAHA!“ – „Klar kannst du. Ich habe lange darüber nachgedacht. Und es wäre absolut perfekt, wenn wir eine Feuer-Wasser-Kombination perfektionieren könnten. Mewtu wurde von Pay zurückgeschlagen, und…“ – „Yeah! Ich hab den plattgehauen, der dich plattgehauen hat!“. Ich spüre, wie ich rot werde. „Ich wurde niemals plattgehauen. Mewtu…“ – „Stimmt, der hat dich ja nur wie son Püppchen quer durchn Wald geworfn, hatte ich ganz vergessn.“. Nun regt sich Wut in mir. Was bildet Pay sich ein? Klar, er ist grobmotorisch veranlagt, aber nur, weil er jetzt Streichhölzchen spielen kann, sollte er sich nicht einbilden, meiner Kraft auch nur ansatzweise das Wasser reichen zu können.
    „Mal schauen. Wenn Pay sich benimmt könnte das klappen. Ich war nicht auf dem Höhepunkt meiner Kräfte, nebenbei bemerkt. Mit Ekitai Shojou könnte ich Mewtu auch besiegen.“, sage ich, doch ich weiß, dass Mewtu mich wahrscheinlich in tausend kleine Tröpfchen versprengen würde. Wieso ist Pay so stark geworden? Unfair. „Nö. Seine Kräfte würden dich in…Ekita wasbitte?!“ – „E-ki-ta-i Sho-jou.“ – „Wasn das?“ – „Mein Wasserkörper-Angriff.“ – „Heißt das, du wirst feucht?!“ – „Nein, du Irrtum der Evolution! Ich verwandele mich in Wasser!“, erkläre ich aufgebracht. „BWAHAHA! Wie die abgeht! Lee, sag ma, wenn…“ – „Lee sagt gar nichts. Wir sehen uns in ein paar Stunden, und dann warte ich eine Entschuldigung. Wenn nicht, fang an zu beten.“, wütend lege ich auf. Diese Witzchen mögen manchmal ganz amüsant sein, aber ich lasse meine Spezialtechniken, die viel Kraft fordern und auf die ich stolz bin, nicht mit Spott belegen. „Er ist manchmal schwierig.“, sagt Lee. Ich nicke und unterdrücke ein verächtliches Schnauben. „Ja. Aber dafür habe ich einen netten Spitznamen für ihn.“ – „Zündhölzchen?“ – „Du bist gemein.“. Einen Flunsch ziehend tue ich so, als wäre ich beleidigt, weil er meinen Gedanken erraten hat. Statt einer Antwort schiebt Lee die Hand unter mein Shirt und streichelt mir den Rücken. Mir rieseln wohlige Schauer durch den Oberkörper. „Ich frag mich, wieso wir vorhin ausgerechnet einer Galaktikerin über den Weg gefahren sind.“, meint Lucia. „Zufall, oder?“ – „Glaube ich nicht.“, erwidert Lee. „Sie hat das geplant. Irgendwie sind die uns gefolgt. Dieses Auto war die ganze Zeit über ein Stück hinter uns.“ – „Aber das ist unmöglich, sonst hätte sie über Darkrai Bescheid gewusst.“, werfe ich ein. Er legt den Kopf schief. Das Auto fährt weiter. „Wie lange hat sie uns verfolgt? Wieso hast du nichts gesagt?“ – „Ich dachte, du siehst es auch und planst schon was. Hatte vollstes Vertrauen in dich, und wie sich rausstellte, war das richtig so!“, grinst sie. „Naja…ich war…beschäftigt.“, sage ich mit einem Seitenblick auf den Blonden. „Verstehe.“, Lucia unterdrückt ihr Gekicher gar nicht erst. Ihre Worte setzen mein Hirn in Gang, ich stelle mir gern vor, wie es dort aussieht. Meist sehe ich einen stark bewölkten Himmel vor mir, langsam aber zielstrebig schweben die Wolken über mich hinweg. Doch sobald ich anfange, zu denken, fängt das Gewitter an. Blitze schießen aus den Ansammlungen von Wasserdampf, verbinden sich, bilden noch stärkere Blitze, welche meine Ideen symbolisieren. Dann setzt der Regen ein. Solange er anhält, läuft alles nach Plan.
    Diese Barbie hat uns also verfolgt. Schön blöd, man sollte meinen, Team Galaktik hätte langsam den Dreh raus, sich abzusprechen, wie sie mit mir umgehen wollen. Yussuf hat am Stärkesee gesehen, wie ich mich in Wasser verwandelte, diese Informationen muss er durchgegeben haben. Wieso also hat diese Frau hier geglaubt, sie könnte mich mit einem lächerlichen Schlafgasangriff außer Gefecht setzen? Was sollte das? War das eine Ablenkung? Sollte sie nur Zeit schinden? Ich verstehe es nicht. Genauso wenig, wie ich nicht verstehe, wieso die Galaktiker ihre Show am Stärkesee noch weiter durchziehen, sind sie so sehr von Mewtus Stärke überzeugt? Und warum infiltrieren sie die Großstädte? Das kann auf Dauer kaum gut gehen. Es sei denn, sie lenken wirklich nur von irgendetwas ab, was ihren eigentlichen Plan voranbringt. Was wäre das? Und vor allem: wo? In meinem Hals juckt es, ich muss husten. Erstaunt halte ich inne. Ich huste eigentlich nie, weil mein Körper alle Krankheitserreger sofort vernichtet. Dank meiner Heilungskräfte werde ich nicht krank. War wohl nur ein kleiner Hustenreiz. „Verdammt.“ – „Was ist?“ – „Wir haben die Winterkleidung vergessen.“ – „Wo soll die sein?“, fragt Lee. „In Ewigenau.“ – „Da kommen wir nicht mehr vorbei, da müsste ich noch einmal über den Kraterberg fahren.“ – „Ja. Blizzach hat sicher ein Modegeschäft, wo wir uns noch eindecken können.“ – „Denke ich auch!“, meint Lucia. Schade um das Geld, das wir hätten sparen können, aber es geht nicht anders. In der Kälte muss Lucia dick angezogen sein. Ich komme eigentlich ganz gut mit niedrigen Temperaturen klar, aber auf Dauer könnte das ein Problem werden. Außerdem mag ich Wintermode. Ob wir zum Shoppen kommen, weiß ich nicht genau, denn die Gefahr in Blizzach ist größer als die in Alamos. Vielleicht werden wir sehr schnell zum Kampf gezwungen.
    Meine Brust schmerzt. Ich hatte davon abgesehen, sie nach meiner Niederlage gegen Mewtu zu heilen, da Joana sich so viel Mühe damit gegeben hat, mich zu heilen, da wollte ich ihre Bemühungen nicht zunichtemachen. Daher dauert es länger als bei meinem Arm, den ich durch Zufall geheilt habe, bis die Schmerzen verschwinden. Ich weiß nicht, wer du bist, der das hier liest, aber sicher fragst du dich andauernd, wieso ich eigentlich einen derartig aggressiven Lebensstil habe. Als Heldin sehe ich mich nicht, ich bin ein Mädchen, was ihrer Heimat helfen will. 1000 Tage Training haben mir die nötige Kraft verschafft, das durchzustehen. Wenn du in meiner Situation wärst, würdest du dasselbe tun. Niemand, der derartige Kräfte hat, sollte sich vor der Welt verstecken. Es ist meine Aufgabe, alles in meiner Macht stehende zu tun, um dem Bösen Einhalt zu gebieten. Und mit dem Bösen meine ich nicht irgendwelche Strauchdiebe, die im Lebensmittelladen ein paar Lutscher klauen, ich meine das wahre Böse, was durch machthungrige Verbrecher wie Saturn verkörpert wird. Diejenigen, die mich vor einer Woche im Fernsehen gesehen haben, denken bestimmt, ich wäre eine Art Vorbild, und dieser Vorstellung muss ich gerecht werden. Denn ich habe nicht vor, zu versagen.
    //


    Stratos City
    Einige Blocks von Kurés Wohnung entfernt ragt einer der typischen Wolkenkratzer in den Himmel Einalls. Im obersten Stock befindet sich eine Suite, welche die ganze Etage ausfüllt. Eine großgewachsene, blonde Frau geht aufgeregt in ihrem teuer möblierten Schlafzimmer umher. „Was soll das heißen, mein Sohn wurde entführt?“ – „Bitte, Lady Yule, beruhigen Sie sich…“ – „Ich beruhige mich erst, wenn mein Sohn in Sicherheit ist!“, ereifert sie sich. Ihr Haar ist zu einem ordentlichen Knoten gebunden, ein langes, schwarzes Kleid bedeckt ihren Körper. „Wie soll ich denn gleich zum Empfang, wenn ich mich dermaßen aufregen muss! Ist denn auf niemanden mehr Verlass?“ – „Er hat unsere Beobachter abgehängt und ist schon vor Jahren auf eigene Faust losgezogen, das haben wir Ihnen doch gesagt. Und jetzt…“ – „Wenn Lee entführt wurde, wer passt dann auf meinen kleinen Engel auf?! Oh Gott! Meine Hagane ist ganz allein da draußen!“ – „Mitnichten, Lady Yule, bitte, hören Sie mir zu!“ – „Gut. Sprechen Sie.“ – „Ihr Herr Sohn ist wieder in Sicherheit, seine Freundin hat ihn gerettet, berichtet mir Hagane.“ – „Seine Freundin? Seit wann hat mein Sohn eine Freundin?!“ – „Seit einem Jahr, um genau zu sein, und…“ – „WAS?!“ – „Lady! Bitte! Es scheint, als würde es sich um Maria Jou handeln, eine äußerst fähige Trainerin, deren Hintergrund…ein wenig dubios scheint, aber sie verstehen sich blind, schreibt Hagane.“ – „Dubios? Er hat sich jetzt nicht allen Ernstes einem Straßenmädchen an den Hals geworfen, oder?“. Das darauffolgende Schweigen ist nahezu tödlich. „Es wurde mir versichert, dass sie Eltern hat, und über eine gewisse Ausbildung verfügt…“, weiter kommt der Anrufer nicht, die Blonde explodiert. „VERSICHERT, DASS SIE ELTERN HAT? NEIN, SIE MUSS EIN KLON SEIN! HERRGOTT NOCHMAL! Schaffen Sie meine Kinder zurück nach Stratos, dann werde ich ihnen erklären, wie man sich seiner Mutter gegenüber zu verhalten hat!“ – „Ich fürchte, das…“, ein Schlucken. Noch eins. Dann räuspert der Mann sich. „…das geht nicht.“, schließt er kleinlaut. Lady Yule atmet langsam aus. „Wieso nicht, mein Lieber?“, fragt sie mit zuckersüßer Stimme. „Nun, wie soll ich sagen, sie retten die Sinnoh-Region.“ – „Sinnoh…? Sekunde.“, blitzschnell fügen sich Erinnerungen im Kopf der Frau zusammen, die Fernsehausstrahlung von vor einer Woche kommt ihr in den Sinn.
    „Das Mädchen mit den braunen Haaren. In Blizzach. Ist das…“ – „Maria Jou, Lady.“ – „Interessant. Ich wusste natürlich, dass mein Sohn sich nur das edelste Mädchen aussucht.“ – „Selbstverständlich, Lady.“ – „Ich werde es sofort seinem Vater berichten. Vielen Dank, Edward. Bis später.“ – „Bis später, Lady.“, Edward legt auf. Lady Yule platziert das Handy exakt auf der Mitte eines schwarzen Mahagoniholztischchens zu ihrer Rechten. Dann lässt sie den Blick über die teure Blumendekoration auf dem Fensterbrett schweifen. Das Bett mit der purpurnen Bettwäsche ist zu ihrer vollsten Zufriedenheit gemacht worden, sie merkt sich, dafür die Bedienstete bei Gelegenheit zu loben. Ihr kommt der Gedanke, dass diese Maria ihrem Sohn etwas vorspielt, um an das Geld zu kommen, was in seiner Familie kursiert. Die letzten Sonnenstrahlen fallen durch das Fenster und tauchen das Gesicht der Frau in goldenes Licht. Sie schließt lächelnd die Augen. Trotz aller Sicherheitsmaßnahmen ist Lee entführt worden, doch zum Glück hat er diese Maria zur Freundin. Wie stark Lee ist, weiß Lady Yule nicht genau, aber nach jedem Orden hat er sich kurz gemeldet, und die Anzahl der Anrufe im Laufe der Jahre überstieg die 20 bei Weitem. Also, ja, er muss sehr stark sein. Aber wie konnte er dann gekidnappt werden? Vielleicht war er unachtsam. Oder er ist in einen Hinterhalt geraten. Oder er hat versucht, Hagane zu beschützen, um heldenhaft an ihrer statt zur Geisel zu werden. Ja, so musste es sein. Ihrem Sohn traut sie nur das Heldenhafteste zu.
    Mal sehen, was sich daraus entwickeln würde. „Meine Kinder retten Sinnoh. Interessant.“, murmelt die Frau. Danach sieht sie im Spiegel nach, ob ihre Erscheinung wirklich perfekt ist, verfügt dezenten Diamantschmuck an Handgelenke und Hals, schließlich ist sie zufrieden mit sich. Ihr Mann und sie selbst wollten nie, dass ihre Kinder sich mit Pokémon abgeben, doch Lee hatte eine Liste aus 150 Punkten zusammengestellt, die haargenau darlegte, wieso das eine positive Entscheidung wäre. Zu dem Zeitpunkt war er 10 Jahre alt. Seine Eltern hatten nachgegeben, seitdem ist er allein unterwegs, Hagane hatte sich tierisch aufgeregt, bis sie auch Pokémon bekam und ihrem Bruder gefolgt ist. „Die beiden haben ihren eigenen Kopf. Es ist schwer, aber ich muss sie loslassen.“, seufzt Lady Yule. Ihr Blick wandert erneut in Richtung Fenster. Es wird dunkel. Wann Lee und Hagane wohl mal wieder nach Hause kommen? Ein Wiedersehen wäre sicher eine gute Idee. Oder vielleicht auch mit Maria, je nachdem, ob sie Lust hat. Aber interessant wäre es, sie kennen zu lernen, findet Lady Yule.
    //


    Blizzach
    Es ist bereits Abend in Blizzach. Die Sonne scheint in orangerotem Glanz auf die Schneedecke der Stadt herab. Pay, Lilith und der Chief sitzen im- nun wieder ordentlichen- Gemeinschaftsraum und sehen in die Flammen des gemütlich prasselnden Feuers. Durch das Fenster sieht man die Wolkenfront, die sich aus dem Süden nähert. Manon und Rocky allerdings sitzen im oberen Stock und unterhalten sich, wie so oft in letzter Zeit. Ihre Freundschaft verdichtet sich gegen Manons Willen weiter. Sie wollte unbedingt dran festhalten, Rocky den Verlust ihres Glurak anzuhängen, doch es klappt nicht. Ihre Angewohnheit, Dinge zu zählen, wenn sie abgelenkt ist, bricht mal wieder durch. Rocky hat sie nach ihren Zukunftsplänen gefragt. „1…5…10…“, ihre Augen suchen den Teppich nach einem bestimmten Muster ab. „Du tust es schon wieder.“ – „Tut mir leid.“ – „Du willst nicht antworten? Ich verstehe das.“ – „Ja…später vielleicht.“ – „Okay.“. Rocky trägt einen lockeren Pulli, dessen Ärmel zu lang sind und ihr deswegen bis über die Hände reichen. Ihre Jeans und dicke Wollsocken vervollständigen das Outfit. Manon allerdings hat bloß eine dünne Bluse und einen langen Rock an. Die Polizistin hockt sich im Schneidersitz auf den einzigen Sessel im Raum. „Maria und Lee sind bald wieder da.“ – „Und das andere Mädchen?“ – „Lucia. Ich glaube, ich muss sie nach Hause schicken. Ich kann nicht verantworten, dass eine Koordinatorin hier mitmacht. Es wird zu gefährlich für sie.“ – „War es nicht ihre Entscheidung?“, will Manon wissen. „Schon. Aber ich habe das Team zusammengestellt. Wenn ihr etwas passiert, und ihre Mutter…“ – „Wenn dem Mädchen was passiert, wird Maria sie sofort heilen. Du weißt genau, was sie alles kann.“. Auf diese Worte hin lächelt Rocky gequält. „Ja. Stimmt. Aber dennoch…mir geht es um die Moralfrage.“ – „Moral…wir müssen erst den Kampf gewinnen. Lucia hat vor einer Woche fast alleine das Phantom besiegt. Sie kann helfen.“ – „Danke für deine Zustimmung.“, stöhnt die Frau mit den türkisfarbenen Haaren. „Nun gut. Ich werde sie selbst entscheiden lassen. Auch, wenn ich glaube, dass sie sich schon lange mit Maria ausgetauscht hat, was das angeht.“ – „Mit Sicherheit.“ – „Super. Damit kann ich also nur zusehen, wie sie sich in Gefahr begibt.“ – „Solange wir alle dabei sind, ist sie nicht in Gefahr.“, erwidert Manon. Rocky erhebt sich. „Ich glaube, ich habe einen Plan. Pay, Lilith und Chief sind noch wach, oder?“ – „Woher soll ich das wissen? Schau halt nach.“ – „Gut. Bis gleich!“. Die Polizistin verlässt das Zimmer, durchquert den Flur und findet sich im Treppenhaus wieder. Als sie den Gemeinschaftsraum betritt, versucht sie, zu ignorieren, wo Lilith ihre Hand hat. Pay wendet sich in seinem Sessel um. „Oh! Was gibt’s?“ – „Ich habe eine Frage an euch. Lilith, würdest du das bitte lassen?“ – „Aber es gefällt ihm so gut…“ – „Bitte.“ – „Okay. Tut mir leid.“, säuselt Lilith, doch ihr Lächeln spricht eine andere Sprache.
    „Ihr habt doch in den letzten Wochen einen Spezialangriff ausgearbeitet, der ziemlich stark ist, oder?“ – „Klar, Mann. Ich meine, Frau…der ballert alles weg, was uns in den Weg kommt…“ – „Gut. Benutzt ihn. Ich will, dass ihr diese Fabriken oben am See zerstört. Wir haben uns das lange genug angesehen.“ – „Aber sagen Sie nich immer, Mewtu…“ – „Jetzt, wo du diese neue Kraft hast, Pay, ist das unerheblich, denke ich. Du, Lilith und der Chief, ihr seid nicht auf Nähe angewiesen. Ihr könnt euch in sicherer Entfernung aufstellen und euren Angriff vorbereiten.“ – „BWAHAHA! Kaputthauen, so gefällt mir das!“ – „Wann sollen wir los?“, will Chief wissen. Rocky sieht ihn ruhig an. „Jetzt.“. Den Dreien bleibt kurz der Atem weg. Wirklich kurz. „Purrrrrfect.“, schnurrt Lilith. Die drei stehen beinahe gleichzeitig auf, ihre Rucksäcke brauchen sie für diese relativ kurze Mission nicht. Ein leichter Auftrag, dieser Gedanke schießt ihnen allen durch den Kopf. Rocky hat recht: ihr Spezialangriff ist nicht von schlechten Eltern. „Uh, endlich wieder…“, fängt Chief an, wird jedoch von Pay unterbrochen. „Keine Zeit verlieren! Das Zisch-Zisch-Knall-Bumm-Team macht sie platt.“ – „Klar!“, motiviert machen sich die drei auf den Weg, ihre Winterkleidung hängt in der Eingangshalle. Es ist nicht mehr viel los, Schwester Joy steht an der Rezeption und verabschiedet die Trainer, dir an ihr vorbeikommen. Wann Lilith, Pay und der Chief wiederkehren, wissen sie noch nicht, aber sie haben auch nicht vor, ihren Auftrag zu versauen. Dies würde der erste Einsatz des stärksten Angriffs der Sinnoh-Region werden. In gespanntem Schweigen versunken ziehen die drei sich ihre Jacken an.
    Auf den Straßen Blizzachs herrscht ebenfalls Stille, die Einwohner haben zu viel Angst vor der Bedrohung, die vom See droht. Kinder werden seit Tagen dazu angehalten, nur mit ihren Eltern zur Schule zu gehen, sämtliche Trainer rotten sich zusammen, um durch Masse Schutz zu erhalten. Die Immobilienpreise in der Nähe der Innenstadt, wo das Pokémoncenter liegt, sind drastisch gestiegen, allein schon weil die Randgebiete immer unbeliebter werden. Es hat keine zwei Tage gedauert, bis mehrere Dutzend Fabrikgebäude von Mewtu zerstört worden sind. Pay ballt die Fäuste. Es ist Zeit, zurückzuschlagen. „Wir brauchen Ramoth, Rihornior und Arkani, wie immer.“, sie gehen ihren Plan noch einmal durch. „Ihr wisst, was ihr zu tun habt.“ – „Klar, Mann…“ – „Auf mich könnt ihr zähln! Wenns sein muss stelz ich da höchstpersönlich runter und hau die kaputt, yeah!“ – „Das wird nicht nötig sein. Die Kraft unserer Pokémon reicht völlig aus.“ – „War ja nurn Vorschlag.“ – „Ich weiß…“, haucht Lilith und schlingt ihren Arm um Pays Taille. Ohne weiter große Worte zu machen, verlässt das Zisch-Zisch-Knall-Bumm-Team Blizzach und schlägt den Weg in den Wald ein. Doch kaum sind sie eine Viertelstunde gelaufen, hören sie ein lautes Krachen, gefolgt von einer Kette weiterer Explosionen. „Das kommt…“ – „Vom See.“, Lilith beendet Pays Satz. Chief hebt die Brauen. „Das ist nicht gut, Mann.“ – „Nimmt uns da wer die Arbeit ab?“, wundert sich er Rothaarige. „Lasst uns nachsehen.“, Lilith rennt los, die anderen beiden folgen ihr. Kurze Zeit später fliegt eine kleine Armee fortschrittlicher Helikopter über sie hinweg, das Rotorengeräusch macht es unmöglich, ein Wort zu verstehen. Die Bäume werden durch die verdrängte Luft ihrer Schneemassen beraubt. Ein großer Schneehaufen landet auf Pays Kopf. „ARGH! Ich hasse das!“, regt er sich auf, als der letzte Hubschrauber immer leiser wird. Der Spuk ist vorbei, erneut kehrt Stille im Wald ein. Pay befreit seinen Kragen fluchend vom Schnee. „Ich hab keine Ahnung, was das jetzt sollte, aber ich glaube, die haben ihr Lager am See abgebrochen.“, überlegt Lilith. Als die drei Trainer dort ankommen, wo Maria und die anderen Trainerinnen vor einer Woche noch gekämpft haben, ist von den Gebäuden, die um den See herumstanden, kaum noch etwas übrig.
    Schwelende Ruinen dominieren das Bild, der baumfreie Ring, der eine Woche zuvor als Kampfplatz gedient hat, ist mit brennenden Trümmern übersät. „Wir müssen Rocky Bescheid sagen.“ – „Ouh ja. Die warn gründlich.“, murmelt Pay.


    tut mir leid wegen der verspätung, aber mir wurde ja mittlerweile schon mit so ziemlich allem gedroht, was es so an eisenwaren gibt, äxte, messer, spritzen ( :S ) und heute kam sogar ein HAE-stahlträger dazu, was mich dazu veranlasste, lieber doch zu posten, anstatt mir den zeitplan zu machen, den ich seit längerem im kopf hatte xD dann alt fürs nächste kapi. hoffe, ihr hattet spaß :)
    mfg
    DoD

  • Chronik 1:
    Die Geschichte der Schatten


    15.7.2009-16.7.2009


    Rocky reißt die Augen auf. „Unmöglich! Sie wussten, dass ihr kommt?!“, ruft sie. Pay schüttelt den Kopf. „Ne, das nich, aber als wir gerade ankamen, war alles zerstört. Denken Sie, das is Absicht gewesen?“ – „Klar. Sie wissen, dass sie im Schnee einen Nachteil gegenüber Maria haben. Also…“ – „…haben sie ihre eigenen Gebäude in die Luft gejagt? Alle?“ – „Vermutlich, um das Sammeln von DNA und anderen Beweisen zu verhindern.“, unterbricht Rocky Lilith. „Anders kann ich mir das nicht erklären.“ – „Wieso solltn die denn son Ballon aus Maria machen? Gegen Mewtu hatte sie doch null Chance!“ – „Die Situation wird sich nicht wiederholen. Sie hatten ein extremes Aufgebot am See, und Mewtu kam erst ganz am Schluss, als sie schon nicht mehr konnte. Ich nehme an, sie verlassen sich nur in Notsituationen auf dieses Wesen.“ – „Klingt einleuchtend, Mann.“. Nachdenklich sieht die Polizistin aus dem Fenster. Manon lümmelt sich auf dem Bett herum. Es ist zwei Uhr morgens, die drei Trainer sind soeben wieder in Blizzach eingetroffen und haben Bericht erstattet, nach welchem die Gebäude am See bereits vor ihrem Eintreffen zerstört wurden. Pay hatte lautstark seinen Unmut darüber geäußert, dass er jetzt nicht in den Genuss kam, seine Spezialattacke mit den anderen beiden auszuführen. Es gelang Rocky, ihn davon zu überzeugen, dass es schlimmere Dinge gibt als das.
    //


    Autobahn
    Darkrai merkt, dass Maria irgendwas beschäftigt. Doch sie würde nicht damit rausrücken, wenn sie es nicht für wichtig hält. Er muss daran denken, wie sie sich zum ersten Mal sahen. Früher hatte Darkrai sein Herz nur Alicia geöffnet, Alices Großmutter, weil sie die erste war, die ihn nicht aufgrund seiner Fähigkeiten gehasst hatte. Bei Maria war es ähnlich, sie hatte keine Eltern. Sie kannte die Gefühle genau, die Darkrai so lange geplagt hatten. Als sie nach Alamos Town kam, wollte sie eigentlich nur das alljährliche Sommerfest besuchen, welches immer im Mai stattfindet. Das Alptraumpokémon lässt sich von den Erinnerungen treiben.


    ///


    Alamos Town, einige Jahre zuvor
    Meist sind es Erinnerungen an Alicia. Sie war ein fröhliches Kind gewesen, das erste Lebewesen, was ihn, Darkrai, akzeptierte, obwohl er Alpträume auslöst, wo immer er hingeht. Darum hatte er ihr vertraut. Ihre Gegenwart war immer mit Oracion verbunden, einem Lied, was Entspannung hervorruft, wenn es gespielt wird. Darum konnte Darkrai sich, wenn sie dabei war, in die Nähe anderer Pokémon wagen. Es war eine schöne Zeit. Die Jahre vergingen, Alicia wurde alt, bekam Kinder und Kindeskinder, und eines davon ist Alice. Alice gleicht ihrer Großmutter wie ein Ei dem anderen. Es ist eine würdevolle Aufgabe, das Gedächtnis Alicias zu schützen, indem er ihre Enkelin vor Gefahren bewahrt, findet der schwarze Wächter. So nennt er sich: der schwarze Wächter von Alamos. Er wird aus seinen Gedanken gerissen.
    „Lass mich in Frieden, du bist hier nicht erwünscht!“, ein wütendes Sheinux faucht Darkrai an. Er wollte sich nur für einige Momente im Schatten des Baums aussuchen, der vor der steinernen Freitreppe im Garten von Alamos steht, doch dieses kleine Elektropokémon hat Darkrai sofort bemerkt. „Dieser Garten ist für alle da!“, knurrt Darkrai unwillig, beschließt allerdings, es nicht auf einen Streit ankommen zu lassen. Er schließt sein Auge und beginnt, in der Erde zu versinken. „Tonio, hier bin ich!“, die weit entfernte Stimme eines Mädchens erschallt. Darkrai wirft Sheinux einen letzten Blick zu, bevor er sich in einen Schatten verwandelt und davonhuscht. Alice und Tonio sind andauernd hier im Garten. In Anwesenheit der Blonden fühlt Darkrai sich wohl, auch, wenn er natürlich weiß, dass sie nicht ihre Großmutter ist. Die Frisur ist dieselbe, die Augen, der Mund, aber es sind zwei komplett verschiedene Personen. ‚Selbst, wenn du nur ihre Enkelin bist, so werde ich dich beschützen.‘, denkt Darkrai bei sich. Alices Lachen entfernt sich. Mitten auf einer Lichtung bleibt der Schatten stehen und manifestiert sich erneut an der Oberfläche. Der Tag hatte gut angefangen. Die Sonne scheint, keine Wolke ist zu sehen. Neben ihm wiegen sich einige Bäume im Wind. Ein frühmorgendlicher Frühlingstag. ‚Ich hätte nicht herauskommen sollen.‘, denkt Darkrai, schüttelt aber sofort danach den Kopf. Dieser Garten ist auch für ihn. Er ist der Beschützer. Alamos kriegt nicht den Wächter, den es sich wünscht, sondern den, den es braucht. Ein leiser Schlag lässt ihn herumfahren. Wie aus dem Nichts kniet ein braunhaariges Mädchen vor ihm, was ihn ruhig ansieht. Ihr Gewicht verteilt sich über ein Knie und ihren linken Fuß, als sie sich aufrichtet. Schwarzes, ärmelloses Top, dunkelblauer Rock, registriert Darkrai. Selbstbewusste Haltung. „Hallo.“, sagt sie. Ihre Stimme klingt ruhig, ein wenig kühl, und sie mustert das Pokémon geduldig. Darkrai spürt sofort dieselbe Finsternis in ihr, die auch in ihm herrscht. Aber fürs Erste ist es immer besser, Informationen einzuholen und sonst auf Abstand zu bleiben. ‚Wer bist du?‘ – „Maria. Und du?“ – ‚Das geht dich nichts an. Was tust du hier?‘ – „Ich wollte mir die Stadt ansehen. Man sieht sich. Hier bin ich anscheinend nicht erwünscht.“, mit fast unhörbaren Schritten wendet sich das Mädchen um. Ihr Herz wirkt schwer, so, als würde eine Art Leere sich da drin befinden.
    Warte.‘. Maria bleibt stehen. Umdrehen tut sie sich jedoch nicht. „Ja?“ – ‚Dieser Garten ist für alle da. Du bist erwünscht.‘. Er ist nicht wie Sheinux. Eine Weile sagt niemand etwas. Weder sie, mit Worten, noch er, mit seinen Gedanken. Schließlich macht sie kehrt und lächelt Darkrai scheu an. „Danke. Du bist ein Darkrai, richtig?“ – ‚Ein Darkrai?‘ – „Es gibt doch sicher noch mehr von deiner Sorte, oder?“ – ‚Ich weiß es nicht. Seit ich denken kann, bin ich hier. Ich habe nie ein Wesen wie mich getroffen.‘ – „Ah.“. Ohne ein weiteres Wort setzt sich das Mädchen ins Gras am Wegrand und sieht in den Himmel. Darkrai schätzt, dass sie normalerweise ziemlich laut ist. Ihre Stimme ist diese ruhige Tonlage nicht gewohnt. Aber ihrem eigentlichen Wesen entspricht das auch nicht, dafür wirkt sie zu unglücklich. Wie lange ist sie schon allein? „Setz dich zu mir.“. Kurze Stille. Darkrai rührt sich nicht. Maria fügt ein leises „Bitte“ hinzu. Das Alptraum-Pokémon fragt sich, was mit ihr los ist. Die Finsternis, die Leere, die in ihrem Herzen wohnt, scheint von ihr versiegelt zu sein, so, als würde sie nur selten daran denken oder denken wollen. Sie versteckt sich. Hier im Garten ist sie allein, hier kann sie ihren Gefühlen freien Lauf lassen. Hier kann sie der Welt ihr ausgeglichenes Selbst zeigen. ‚Ich bin nicht irgendein Darkrai. Meine Aufgabe ist es, über diese Stadt zu wachen.‘. Das Mädchen erwidert seinen Blick ernst. „Was ist das eigentlich hier? Der Stadtpark?“, fragt sie kurze Zeit später. ‚Nein. Architekt Godys Meisterwerk. Es ist der Pokémon-Garten von Alamos.‘, erwidert Darkrai. Maria wirkt unbeeindruckt. „Kenn ich nicht. Wer ist das?“ – ‚Du brauchst nicht so zu tun, als wäre dir alles gleichgültig. Bei Menschen mag deine Fassade wirken, bei mir jedoch nicht.‘. Erneute Stille. „W-Was?“ – ‚Die Finsternis in deiner Brust ist mir bekannt.‘, mehr ist aus Darkrai nicht rauszukriegen. Sie wird selbst herausfinden müssen, was er damit meint. Ein unbekanntes Gefühl steigt in Darkrai auf, je länger er die Züge der Braunhaarigen betrachtet. Ist das Vertrautheit? Ist dieses Mädchen eine Vertraute, die ihm helfen kann? Oder eher: der er helfen muss? Alicia hat ihm damals gezeigt, dass jeder seinen Platz in diesem Garten hat. Vielleicht ist es jetzt an ihm, Darkrai, es dieser Maria zu zeigen. Andererseits hat er noch keinem Menschen außer Alicia und ihren Nachkommen vertraut.
    Er fasst einen Entschluss. Wenn sie ihm ihr Herz öffnen will, dann soll sie es von sich aus tun. Wenn nicht…würden sie eben weiterhin getrennte Wege gehen. Wie lange sie so dasitzt und den Himmel betrachtet, weiß Darkrai im Nachhinein nicht mehr, doch er verharrt die ganze Zeit an ihrer Seite. Irgendwann fängt sie tatsächlich an, zu reden. „Ich habe keine Eltern.“. Darkrai sagt nichts. Keine Ermutigung, aber auch keine Unterbrechung. Maria taut langsam auf. „Keine Ahnung, wie lange ich auf der Straße gelebt habe. Ich weiß, was du denkst. Ich bin nicht so gebildet wie andere, weil ich weder in der Schule war, noch habe ich Manieren gelernt. Alles, was ich kann, ist kämpfen, sei es ums Überleben oder gegen Menschen. Vor einigen Jahren bin ich von einem Meister der Kampfkünste aufgenommen worden. Seitdem trainiere ich.“. Sie fährt sich mit der Hand übers Gesicht und richtet ihre kurzen, braunen Haare, die ihr bis zum Kinn reichen. Dann grinst sie, wie um über sich selbst zu lachen. „Irgendwie bist du mehr als nur ein Pokémon. Wie machst du das?“ – ‚Was soll das heißen? Sind die anderen nichts wert?‘ – „Bisher habe ich mit Plinfa und den anderen Pokémon Siege eingefahren, mehr nicht. Reden können sie schließlich schlecht.“ – ‚Du solltest das Leben ein wenig mehr wertschätzen. Ich kenne dich nicht, da hast du recht. Aber ich weiß, dass ich genauso ein Pokémon bin, wie dein Plinfa eines ist. Es kann nicht per Telepathie kommunizieren, wie ich es tue. Das ändert nichts daran, dass es Gefühle und eine Seele hat.‘. Menschen vergessen nur allzu leicht, dass Pokémon fühlende Wesen sind, schießt es Darkrai durch den Kopf. Dann denkt er an das Sheinux von vorhin. Manche Pokémon sind leider nicht besser darin.
    „Du sagtest, du bist der Wächter dieses Gartens. Was passiert hier denn alles?“ – ‚Bisher nichts. Aber ich weiß, dass sich eine Katastrophe ereignen wird, und wenn sie eintritt, will ich hier sein.‘ – „Was für eine Katastrophe?“ – ‚Kann ich nicht genau sagen. Große Mächte, viel größer, als ich es je sein werde, suchen Alamos heim. Sie müssen vertrieben werden, sobald sie kommen.‘ – „Wenn die so stark sind, was willst du dann ausrichten?“ – ‚Ich sorge für den richtigen Traum.‘. Nach diesen ominösen Worten hüllt Darkrai sich in Schweigen. „Das klingt so, als wäre noch viel Zeit bis dahin. Du bist stark und voller Weisheit, wie wäre es, wenn du mich eine Weile begleitest? Normalerweise traue ich niemandem außer meinem Sensei, aber bei dir…“ – ‚Merkwürdig, dass du das ansprichst. Ich hatte vorhin dasselbe Gefühl.‘ – „Hontouni?“ – ‚Was ist das für ein Wort?‘ – „Oh. Ich rede manchmal japanisch. Nur einzelne Wörter, aber es reicht, um mich vollständig unverständlich werden zu lassen. Ich meinte: „Echt?“.“ – ‚Du brauchst nicht zu reden. Konzentriere dich auf mich und denke deine Antworten, dann höre ich sie.‘ - „Wie soll das gehen?“ – ‚Ich habe nie Telepathie gelernt.‘. Der zweite Teil erreicht Darkrai im Geist. ‚Doch. Jetzt schon.‘ – ‚Wahnsinn.‘, das Mädchen klappt den Mund zu, der ihr aufgegangen war, und sieht Darkrai an. Der lebende Alptraum sieht sich um, nimmt sich eine Menge Zeit, um die Risiken abzuwägen, die eine Reise mit sich führen würde. Die Katastrophe muss verhindert werden, doch Darkrai hat das Gefühl, dass die noch mindestens ein Jahr in der Zukunft liegt. Vielleicht sogar zwei. Alice und Tonio werden erwachsen, es besteht keinen Grund, immer den Babysitter zu spielen. Das letzte Mal, als Alice von einer Klippe gestürzt ist, hat Darkrai sie retten können, und Tonio ist seither extrem vorsichtig, wenn er mit seiner Freundin unterwegs ist. Die beiden werden sicher mal ein schönes Paar. ‚Ein Jahr. Ich werde dich ein Jahr lang begleiten.‘, entschließt sich Darkrai. Maria lächelt still. ‚Danke. Ich bin sicher, wir werden beide davon profitieren. Du hast hier doch keine Gegner, und jeder muss irgendwie stärker werden.‘ – ‚Ich brauche keine Gegner mehr.‘ – ‚Dann ist es eben meine Aufgabe, dich nicht allzu sehr einrosten zu lassen.‘ – ‚Wie du meinst.‘. Ob sie außerhalb des Gartens anders wird? Selbst wenn, dann würde Darkrai ihr dabei helfen, ein Ich zu erschaffen, was ihr besser gefällt. Als Straßenmädchen muss sie selbstbewusst und aggressiv sein, einige Symptome dieses Lebensstils hat Darkrai schon bei ihr bemerkt. Damit wäre ab morgen Schluss.
    Maria steht auf und tritt an Darkrai heran. Ein strahlend blaues Auge trifft zwei hellblaue. Mit dem Knöchel der linken Hand schlägt sie sanft gegen den roten Ring, der einmal um Darkrais Hals herumführt und ein wenig an ein gieriges Maul erinnert. „Das ist extrem hart.“, murmelt sie. Ihr kommt eine Idee. ‚Wenn du von irgendwas getroffen wirst, was tust du dann?‘, fragt sie in Gedanken. ‚Ich verwandele mich in einen Schatten. Dann trifft mich niemand.‘ – ‚Kannst du nicht den Kopf in diesen Ring da zurückziehen? Das könnte eine gute Verteidigungsstrategie sein. Versuch es mal.‘. Das schwarze Wesen zögert einen Moment, tut ihr dann den Gefallen. Darkrai schließt sein Auge, kreuzt die Arme vor der Brust, um eine zusätzliche Abwehr zu schaffen, und zieht den Kopf ein. ‚Du kannst schweben, das weiß ich. Wenn der Boden zu weit weg ist, um zum Schatten zu werden, mach es lieber so.‘, sagt Maria, ihre Stimme in Darkrais Geist klingt zufrieden. Ein leichter Schlag trifft Darkrais Kopf, irritiert gibt er die Verteidigungshaltung auf. ‚Was war das?‘. Das Mädchen kniet mit schmerzverzerrtem Gesicht vor ihm, am rechten Fußgelenk sieht der schwarze Wächter einen großen Bluterguss. Ihr Knöchel schwillt schnell an. ‚So eine gute Verteidigung habe ich lange nicht gesehen. Ich habe dich mit all meiner Kraft getreten. Und eigentlich bin ich nicht so schwach.‘, keucht sie. Anscheinend trägt sie in ihren weißen Turnschuhen keine Socken. Erstaunt sieht Darkrai an ihr herab. Auf einen Blick hat sie erkannt, wie er mit den Besonderheiten seines Körpers im Kampf das Meiste rausholen kann, wenn es hart auf hart kommt. Dieses Mädchen ist sicher nicht normal. ‚Halt still.‘, sagt Darkrai und legt einen Arm um die Schultern Marias, den anderen in ihre Kniebeugen, hebt sie dann hoch.
    Sie erwidert nichts, schlingt aber ihrerseits einen Arm um seinen Hals. ‚Wie peinlich. Nun musst du mich tragen, weil ich so dumm war.‘ – ‚Es hat dich überrascht, dafür kannst du nichts.‘ – ‚Dennoch.‘. Darkrai kennt die Stadt in- und auswendig, es ist ihm ein Leichtes, einen Weg zum Pokémoncenter zu finden, ohne gesehen zu werden. Joy muss sich Marias Fuß ansehen, vielleicht sogar schienen. Ist der Knöchel gebrochen? Mit menschlicher Anatomie kennt sich das Schattenwesen nicht besonders gut aus.
    „Guten Tag!“, grüßt Joy das ungleiche Paar. „Gut wäre mein Tag, wenn mein Fuß wieder in Ordnung käme. Könnten Sie sich das freundlicherweise mal ansehen?“, schnauzt Maria sie an. Darkrai findet, dass es an der Zeit ist, dass sie ihren Egoismus mal ein wenig zurückschraubt. ‚Sie wird dir helfen. Aber sei nett.‘ – ‚Nett?‘, wiederholt sie, als wäre das ein Fremdwort. ‚Ja. Wie im Garten.‘ – ‚Ich bin der schwarze Mond! Ich habe einen Ruf zu verlieren.‘ – ‚Dieser Ruf ist anderen nicht so wichtig wie dir. Denk darüber nach.‘ – ‚Okay.‘. Als Maria ein zögerliches „Bitte?“ hinterher schiebt, wirkt die erst ein wenig ärgerliche Joy komplett verwirrt. Darkrai und das Mädchen werden in den Behandlungssaal geführt. Dort bittet Schwester Joy Maria, ihr Bein hochzulegen, der Aufforderung kommt das Mädchen schnell nach. Joy betastet den Knöchel. Außer dem Zusammenbeißen ihrer Zähne zeigt Maria keine Reaktion. Trotz allem hat sie Schmerzen. „Du hast eine Prellung, eine schwere dazu. Ich glaube, du wirst eine Woche lang nicht laufen können. Der Knöchel muss dringend geschont werden. Hier…“, nach der Diagnose tritt Joy zu einem weißen Schrank herüber und holt ein Paar Krücken heraus. Maria erstarrt. „WAS?!“ – ‚Sei freundlich! Denk dran.‘, ermahnt Darkrai sie. „Ich bin doch kein Invalide! Diese Prellung ist nichts im Vergleich dazu, was ich schon durchgemacht…ITAI!“, sie hat versucht, ihren Worten Nachdruck zu verleihen, und ist aufgestanden. Die Prellung verursacht sofort brennende Schmerzen. Sie wäre eingeknickt, hätte Darkrai sie nicht aufgefangen. „Danke.“ – „Ich weiß, dass es immer schwer ist, auf Krücken zu gehen, aber du hast fürs Erste keine Wahl.“, belehrt sie Schwester Joy. „Ja…vielen Dank.“, müde nimmt Maria die Krücken in Empfang und verneigt sich kurz vor Joy. Darkrais Auge weitet sich unmerklich. Danach verlässt das ungleiche Paar das Pokémoncenter wieder.
    „Hast du eigentlich einen Ball?“, will Maria wissen, als sie durch die Gassen der Stadt gehen. ‚Nein.‘ – ‚Habe vergessen, dass du mich auch so hörst.‘, entschuldigt sich Maria. ‚Hättest du denn etwas dagegen, gefangen zu werden?‘ – ‚Ich begleite dich, das stimmt. Aber ich bleibe frei.‘ – ‚Verstehe ich. Aber dennoch…dich könnte jemand mit einem Meisterball fangen, wenn er uns getrennt antrifft.‘ – ‚Das ist leider wahr.‘. Darkrai scheint nachzudenken. ‚Gut. Ich bin deiner Meinung. Aber nur in einem Ball, der meiner würdig ist.‘ – ‚Das freut mich. Und ich habe zufällig genau das Richtige in petto.‘, grinst das Mädchen. ‚Wirklich?‘ – ‚Ja. Warte es nur ab, in einigen Tagen fange ich dich. Den Ball werde ich bei deiner Rückkehr nach Alamos an einem sicheren Ort verstecken, dann bist du trotzdem frei und kannst den Garten beschützen.‘ – ‚Gut.‘. Sie erreichen die Stadtgrenze. Eine steinerne Brücke befindet sich vor ihnen, sie ist außer dem Luftweg die einzige Möglichkeit, Alamos Town zu verlassen. Maria setzt ihre Krücken vor und macht sich auf den Weg. Das Alptraumpokémon wirft einen letzten Blick zurück zu den Space-Time-Towers. ‚Ich komme wieder.‘, verspricht es.
    Dann folgt es seiner neuen Gefährtin. „Ich glaube, am wichtigsten ist es, dir meinen Kampfstil zuerst zu erläutern. Meine Partner sind alle sehr schnell. Du auch. Aber du bist auch noch irre stark und hast deinen Schlummerort, das macht dich automatisch zu meiner Geheimwaffe, verstehst du?“ – ‚Ja.‘ – ‚Ich vergesse es schon wieder.‘ – ‚Macht nichts. Du gewöhnst dich dran.‘. Das Mädchen schweigt kurz. Man hört nur das Klacken, wenn ihre Krücken auf den Stein stoßen. Das Geräusch erklingt im Takt ihrer Schritte. ‚Du kämpfst oft, stimmts?‘, will Darkrai wissen. ‚Woher weißt du das?‘ – ‚Im Garten hast du mich getreten, anstatt zuzuschlagen. Deine Beine sind trotz der Verletzung gut trainiert und muskulös. Daraus habe ich geschlossen, dass du diese Fertigkeiten oft nutzt.‘ – ‚Du hast recht.‘. Erneut kurzes Schweigen. ‚Wenn meine Gegner nicht nur auf einen Pokémonkampf aus sind, bin ich gezwungen, ihnen zu beweisen, dass man auch mit mir kein leichtes Spiel hat.‘ – ‚Ein Straßenkind muss sich selbst verteidigen.‘. Auf Darkrais Anmerkung sagt lange Zeit keiner von beiden etwas. Das Gefühl von vorhin steigt in Darkrais Brust auf. Ist es Mitgefühl? Oder doch eher Vertrautheit? Es ist nicht das, was Alicia damals in ihm wachgerufen hat. ‚Seit wann hast du auf der Straße gelebt?‘ – ‚Seit ich denken kann.‘, erwidert Maria. Ihr Begleiter fragt sich, wie vielen Menschen sie das schon gebeichtet hat. Wahrscheinlich traut sie ihm, Darkrai, weil er die Finsternis der Einsamkeit kennt. ‚Nur einige, verblasste Erinnerungen an das, was vielleicht mal mein Zuhause war, sind geblieben. Ich habe Verstecken mit irgendjemandem gespielt. Aber das kann genauso gut Einbildung sein.‘, erzählt sie. Darkrai sieht in den Himmel, während er neben der Braunhaarigen her schwebt. Das erklärt ihren permanent misstrauischen Blick und das Verhalten, was nur auffällt, wenn man sie genau beobachtet. Jedes Wort ist genau überlegt, um vielleicht eine brutale Konfrontation zu verhindern, wenn sie nicht weiß, wie stark ihr Gegner ist. Äußerlich ist sie ruhig, aber unter der gebräunten Haut ist fast jeder Muskel dauerhaft angespannt, das sieht Darkrai genau. Sie muss dringend runterkommen. Vertrauen zu jemandem haben.
    Halt still.‘, sagt Darkrai noch einmal. Ihr Blick flackert, als sie den Kopf wendet. Ihr kinnlanges Haar wird von einer Brise erfasst. ‚Wieso?‘ – ‚Ich will, dass du dich ausruhst.‘. Nun lächelt sie. ‚Geht nicht. Ich muss doch laufen.‘. Darkrai zögert nicht länger, sinkt in den Boden und verwandelt sich in einen Schatten, der mit dem Marias verschmilzt. Ihr Körper wird steif. Maria reißt die Augen auf. ‚Hey!‘ – ‚Sorge dich nicht. Du kannst dich ausruhen. Ich gehe.‘ – ‚O-okay.‘, verdutzt überlässt sie Darkrai die Kontrolle. ‚Meine Glieder bewegen sich von selbst!‘ – ‚Genieß die Landschaft. Das Alamos-Tal ist einzigartig in Sinnoh.‘ – ‚Woher willst du das wissen, wo du doch nie außerhalb warst?‘ – ‚Eben deshalb.‘. Maria schließt die Augen und atmet tief ein. ‚Das könnte ich mir öfters gefallen lassen.‘, seufzt sie. ‚Denk nicht mal dran.‘ – ‚Sumimasen.‘ – ‚Du hast dich gerade selbstständig entschuldigt. Entweder machst du schnelle Fortschritte oder du verhältst dich in meiner Gegenwart anders als sonst.‘ – ‚Wie ich bereits sagte: als der Schwarze Mond habe ich etwas zu verlieren.‘ – ‚Ein dummer Grund.‘ – ‚Möglich. Aber mir tut es so gut, zu siegen und die anderen herabzuwürdigen!‘ – ‚Das ist nur so, weil du dich selbst aufgrund deines Straßenkinddaseins für wertlos hältst. Kann das sein?‘ – ‚Ich…wie kannst du…ich…‘, stammelt sie, erwidert dann jedoch lange Zeit nichts mehr. ‚Ja.‘, das Wort ist kaum mehr als mentales Geflüster. Als Darkrai seine Vorahnung bestätigt sieht, lässt er Maria kurz mit dem Kopf nicken. ‚Hey. Laufen darfst du mit meinen Beinen, aber meine Mimik bleibt bei mir.‘ – ‚Wie du meinst.‘.
    Die beiden setzen ihren Weg fort. Darkrai weiß, dass diese Erkenntnis außer ihm wahrscheinlich noch niemand hatte, jeder sieht in Maria nur das, was sie will: den schwarzen Mond. Doch das Alptraumpokémon will aus ihr einen besseren Menschen machen. Ihr erstes Ziel heißt Ewigenau, wo Maria sich den Orden von Silvana erkämpfen will. Ihre Wasserpokémon sind zwar im Nachteil, aber das macht ihr nichts. Hohes Tempo und kurze, heftige Attacken sollen die Leiterin aus der Bahn werfen, so stellt sich die Braunhaarige den Kampf vor. Zuerst jedoch durchquert sie mit Darkrai als ihrem Schatten das Alamos-Tal. Auf den Wiesen blühen verschiedene Blumen, ab und zu sieht man auch einen Baum herumstehen. Im Laufe der Tage und danach Wochen taut das Mädchen immer weiter auf, schließlich reden die beiden über fast alles miteinander, auch, wenn Darkrai einige Dinge davon nicht versteht. ‚Haben alle Menschen diese Krankheit?‘, fragt er einmal, als ihm Maria etwas über sich erzählt hat. ‚Welche Krankheit?‘ – ‚Du erwähntest eben, dass du jeden Monat verletzt wirst, ohne etwas dagegen tun zu können.‘ – ‚Wie? Ich werde verletzt?‘ – ‚Das Blut.‘ – ‚Achso!‘, sie wird rot. Nun begreift Darkrai nichts mehr. Was hatte das zu bedeuten? ‚Nein, das haben nur Mädchen. Und es ist keine Verletzung…es passiert einfach.‘ – ‚Verstanden.‘. antwortet Darkrai, obwohl dem nicht so ist. Menschen sind manchmal komische Geschöpfe. Maria grinst nervös. Dann wird sie wieder ernst. Wie immer.
    Es dauert eine Woche, bis sie Ewigenau erreichen, da Marias Fuß nicht besonders schnell abheilt. Davor durchqueren sie den Ewigwald, wo Darkrai im Alleingang eine Horde wütender Ursaring besiegt. Er macht auch erste Erfahrungen mit Marias Kampfstil, sie ist schnell und wendig, selbst mit nur einem funktionsfähigen Bein. Nach 5 Tagen ist sie wieder fit, am Morgen des fünften Tages springt sie aus dem Stand knapp zwei Meter hoch. ‚Nicht übel für den Anfang.‘, meint sie dazu nur. ‚In Zukunft werde ich mich hüten, dich zu treten.‘. In Ewigenau selbst sieht Darkrai das erste Mal, wie sehr sich Maria von anderen Wesen ihrer Art unterscheidet. Andere Mädchen in ihrem Alter testen aus, wie man sich schminkt, kleiden sich immer erwachsener und sind auf der Suche nach einem festen Freund, wie sie dazu sagen. Maria kämpft nur. Andauernd. Für andere Menschen hat sie nichts übrig, in Gegenwart ihrer Pokémon ist sie zufrieden. Arenaorden sind ihre Schminksachen, mit denen sie sich schmückt, ihre Pokémon werden die Freunde, die sie unter den Menschen nicht hat. Durch Darkrais Einfluss verändert sich ihre Sicht auf die Welt grundlegend.
    Die kleinen Eigenheiten, die Darkrai an Maria entdeckt, faszinieren ihn. Sie tanzt gern, was sie in Gegenwart eines Leiters oder einer Leiterin nie zugeben würde. Außerdem redet sie ab und zu japanisch, weil ihr die Sprache gefällt. Wo sie das gelernt hat, weiß er nicht, scheinbar ist jener „Sensei“ dafür verantwortlich, den sie erwähnt hat. Wenn sie sich aufregt, wird ihr Tonfall leicht singend, was sie selbst jedoch nicht merkt. Es klingt schön, wenn sie aufgeregt ist, findet das Alptraumwesen. Im Kampf setzt die Braunhaarige eine schwarze, sichelförmige Maske auf, welche eine Gesichtshälfte bedeckt und spielt die kalte, unnahbare Kriegerin. Darkrai setzt sie nur selten ein, wenn sie demjenigen Leiter eine Lektion erteilen will. Das geschah nur dann, wenn er sie reizte. In diesen Wochen genießt Darkrai sein neues Leben in vollen Zügen, auch wenn er im Hinterkopf immerzu an Alice und seine Heimatstadt Alamos denken muss. Maria zeigt ihm die Welt außerhalb des Tals, die Großstädte und Dörfer, die Wiesen und Meere, Berge und Flüsse, Seen und Bäche. Noch nie hat er so viel Raum auf einmal gehabt. Im Garten kann er sich zwar wunderbar entspannen, aber es ist eben nicht dasselbe wie wenn man mal rauskommt und die Welt sieht. Tagelang reisen sie durch die weiten Ebenen, ruhen sich aus, wann immer sie wollen, trainieren viel und liegen manchmal auch stundenlang nebeneinander auf einer Wiese und schauen in den Himmel. Darkrai kann fast zusehen, wie Maria sich verändert. Sie wird ausgeglichener, immer seltener demütigt sie ihre Gegner. Im Gegenzug vermehrt sich Darkrais Wissen über die Welt. Jede neue Empfindung saugt er auf und speichert sie in seinem Kopf. Doch nie vergisst er die Schönheit von Godys Garten. Manchmal machen Maria und ihr neuer Freund Trainingskämpfe gegeneinander. Als sie ihn das erste Mal als „Freund“ bezeichnete, blickte Darkrai sie überrascht an, das wird er nie vergessen. Maria sah ihn ernst an und nickte. „Ja, das bist du.“, entgegnete sie auf seine Frage, ob er sie richtig verstanden habe und ob er wirklich ein Freund für sie sei. Sie lagen auf der Verbindungsroute zwischen Herzhofen und Weideburg im Gras. ‚Früher habe ich Pokémon als Kämpfer gesehen, die keinen anderen Zweck haben, als für mich Orden zu gewinnen. Dank dir habe ich verstanden, dass jedes Pokémon seine eigenen Empfindungen und Gefühle hat.‘. Darkrai erwidert nichts. Es hat sie sicher viel Überwindung gekostet, zuzugeben, wie falsch sie lag. ‚Du wirst erwachsen.‘, bemerkt der Schatten. ‚Ich bin es schon, Zwangsweise. Man überlebt nicht als Kind auf der Straße. Aber ich mache Fehler, viele Fehler. Ich muss immer noch viel lernen.‘ – ‚Jeder macht Fehler. Auch ich.‘ – ‚Nein, du nicht. Du bist das weiseste Wesen, was mir je begegnet ist.‘. Entspannt dreht sie den Kopf. Ihr Haar liegt wie ein Fächer um ihren Kopf herum. ‚Ich habe echt Glück.‘.
    Seite an Seite lebten sie ein Jahr zusammen, Darkrai lernte Strategien, von denen er noch nie gehört hatte. Die meisten waren defensiver Natur, Maria dachte immerzu daran, dass er ein Wächter sein wollte. Außerdem wurde sein Schlummerort immer zielsicherer, bis er schließlich aus einem schwarzen Energieball hunderte kleinerer Kugeln abfeuern konnte, welche jede für sich genommen die Kraft eines normalen Schlummerorts besaß und zu 99% traf. Und sie besiegten so viele Gegner zusammen, dass sie mit dem Zählen nicht nachkamen. Der Abschied kam viel zu schnell. Sie hatten sich beide verändert, Marias Haar war am Ende ihrer Reise so lang, dass es ihr bis an die Taille reichte. Das Sonnenlicht schimmerte auf den langen, braunen Strähnen. Ein langer Rock und eine Bluse runden ihr Erscheinungsbild ab. Gewachsen ist sie auch. Ihre langen Beine sind stärker geworden, nach all dem Training war sie in der Lage, Darkrais roten Kragen mit voller Kraft zu treffen, ohne sich zu verletzen. Die beiden standen nebeneinander in Godys Garten, exakt an der Stelle, wo sie sich kennen lernten. Maria war nie ein Mensch vieler Worte gewesen, doch nun wollte sie unbedingt, dass Darkrai wusste, wie viel er ihr bedeutete. ‚Wir sehen uns bestimmt wieder. Ich komme dich besuchen.‘ – ‚Weiß ich. Ich werde warten.‘ – ‚Du kriegst das hin. Ganz egal, wie groß diese Krise ist, die kommen soll, du wirst gewinnen. Wenn du Hilfe brauchst, bin ich zur Stelle, verlass dich drauf.‘ – ‚Dasselbe gilt für dich.‘ – ‚Darkrai…‘. Sie schwieg eine Weile. Ein roter Lichtstrahl fiel auf ihr Gesicht. Die Abendsonne. Es war wieder Frühling. Die Natur erwachte. Marias Augen schimmerten. ‚Der schwarze Mond zeigt keine Gefühle.‘, rügte das Schattenwesen sie, beide wussten, dass er dies nicht ernst meinte. Trotzig wischte Maria sich über die Augen. ‚Auch ein schwarzer Mond ruft Ebbe und Flut hervor.‘. Dann konnte sie sich nicht mehr beherrschen, fiel ihrem Freund um den Hals und umarmte ihn. Darkrai war komplett überrascht. Ihre Beziehung war sehr eng geworden in diesem Jahr, doch mit derartigen Gefühlsausbrüchen hatte er nicht gerechnet. Zögerlich erwiderte er die Umarmung und sah Maria dabei an. Sie hatte das Kinn vorgestreckt, was den trotzigen Ausdruck verstärkt, doch es sollte nur ihre Tränen stoppen. Ihre Kiefermuskeln waren angespannt.
    Nach einigen Minuten lösten sie sich voneinander. Es sah fast so aus, als wäre ihr der Ausbruch ein wenig peinlich. ‚Sumimasen.‘ – ‚Warum? Hast du noch nicht gelernt, dass du auch Gefühle haben darfst? Du bist nicht mehr das wertlose Straßenkind, das du dir eingeredet hast. In wenigen Jahren bist du eine junge Frau, ich finde, du kannst ruhig anfangen, dein Selbstbewusstsein auszuleben. Und das ohne Demütigungen anderer.‘, findet Darkrai. ‚Danke. Also dann…ich werde dich vermissen. Sayounara.‘ – ‚Auf Wiedersehen. Denk dran: dieser Garten ist für alle da.‘. Er beobachtete sie so lange, bis sie die Treppe hinaufgegangen und ihre schlanke Gestalt hinter der Kante verschwunden ist. Das Laub um ihn herum raschelte leise in einem Windhauch, als Maria Jou sich ein letztes Mal umdreht und ihm zuwinkt. Darkrai hebt eine Hand zum Abschied.


    ///


    Gegenwart, Autobahn
    Das Handy klingelt mal wieder. Hastig drücke ich auf den grünen Knopf und hoffe, dass es der Richtige war. „Maria.“, melde ich mich. Rocky hat scheinbar keine Zeit für eine Begrüßung. „Maria, ihr müsst sofort nach Herzhofen zurück!“ – „Was? Wieso?“ – „Team Galaktik hat keine Stellung mehr in Blizzach. Alle Gebäude sind zerstört!“ – „War Pay das?“ – „Nein, sie selbst. Kehrt um!“ – „Sie…“, ich halte eine Hand auf den Lautsprecher und sehe Lee an. „Dreh um. Die Kerle haben ihren Standort da oben abgerissen, wie es aussieht.“ – „Was?“, doch er zögert nicht, blickt schnell über die Schulter, zieht das Lenkrad herum und führt mitten auf der Straße ein wagemutiges Umkehrmanöver durch. Weiter hinten kommen mehrere Autos angerast, ich konzentriere meine Kräfte auf unsere Reifen, lasse eine Art Plattform aus Eis unter dem Wagen entstehen, reiße sie in die Höhe. Das Auto erhebt sich und schwebt zur Seite. Lucia sieht beeindruckt nach draußen, wo die anderen Autos unter uns hindurch rasen und uns an hupen. Mit höchster Konzentration sorge ich dafür, dass wir auf dem Parkstreifen in der entgegengesetzten Richtung landen. Es kostet kaum Kraft, ein weiterer Beweis dafür, dass ich meine Kraft immer besser im Griff habe. Lee drückt aufs Gas und ordnet sich ein, wir rasen weiter. Die Landschaft zieht im Mondlicht an uns vorbei.
    „Rocky, wir fahren zurück.“ – „Ihr seid schnell.“ – „Allerdings. Wie lautet der neue Plan?“ – „Ich hatte eigentlich vor, Mewtu auszuschalten. Aber da es nicht mehr in Blizzach ist, müssen wir uns etwas ausdenken.“. Mit „wir“ meint sie wahrscheinlich Lee, er ist derjenige im Team, der die Pläne macht. Ich werfe ihm einen Seitenblick zu und versinke in der Betrachtung seines Profils. Am liebsten würde ich… „Maria? Noch dran?“, die Polizistin reißt mich aus meinen Gedanken. „Äh…ja. Was hast du gesagt?“ – „Ich sagte, wir haben Grund zur Annahme, dass Mewtu in Herzhofen sein könnte. Team Galaktik hat nirgends sonst noch große Gebäude…jedenfalls keine, die uns bekannt sind. Sonnewik und Jubelstadt befinden sich aber nach wie vor in ihrer Gewalt, genau wie Herzhofen.“ – „Das ist nicht gut. Wir müssen endlich ein paar Siege einfahren.“ – „Allerdings. Wir fangen in Sonnewik an.“, mit diesen Worten legt Rocky auf. Im Kopf überschlage ich einige Fakten. Klar, die Galaktiker haben einige Städte übernommen, doch über kurz oder lang müssen sie den Trainern unterliegen. Sie können unmöglich längere Zeit durchhalten. Doch mit Mewtu würde das anders aussehen. Darum ist die Situation gefährlich: wir wissen nicht, wo sich das Wesen aufhält. Beim bloßen Gedanken an Mewtu läuft es mir kalt den Rücken runter. ‚Reiß dich zusammen! Dieses Ding verliert. Darkrai und ich sind unschlagbar zusammen.‘, sage ich mir. Dieses Mal werde ich meine gesamte Kraft einsetzen und es besiegen, koste es, was es wolle.


    so, ich hoffe, ihr hattet wieder mal spaß, hat jetzt wegen eines erneuten umzugs ein wenig länger gedauert. bald kommt noch ein spezialkapitel, extra für weihnachten, danach geht es regulär weiter. ich freue mich auf lob und kritik :)
    mfg
    DoD

  • Weihnachtskapitel
    Auch Pokémon geschehen Wunder


    24.12.2012


    Ich öffne müde ein Auge. Wieso lässt mich hier keiner schlafen? Der Pokéball, in dem ich mich bis eben noch befand, war schön dunkel und gemütlich. Schließlich habe ich für meine Trainerin extra das Weihnachtsturnier gewonnen, was letzte Woche stattfand. Irgendwann brauche ich eine Pause. Ich bin schließlich ein Milotic und kein Machomei! Ich öffne schicksalsergeben auch das zweite Auge, sehe mich kurz um. Was ich sehe, ist ein wenig überraschend. Eigentlich ist das Erste, was ich immer sehe, meine Trainerin; ein Mädchen mit braunen Haaren und dunkelblauen Augen. Sie ist wirklich stark, wir kommen gut miteinander aus. Doch von ihr ist momentan nichts zu sehen, wer hat mich dann aus meinem Pokéball gelassen? Um mich herum ist es kalt; scheinbar befinde ich mich an der frischen Luft. Das muss Schleiede sein, hier wollte meine Trainerin Weihnachten verbringen.
    „Schön, dich zu sehen!“, grollt jemand rechts von mir.
    Diese tiefe Stimme kenne ich. Mein Herz macht einen Sprung.
    „Garados. Hast du mich raus gelassen?“, will ich wissen, als ich mich umdrehe.
    Ich bin, seit meine Trainerin mich in ihrem Team hat, in Garados verknallt. Und im letzten März hat er mir gestanden, dass er genauso fühlt. Ich war noch nie so glücklich gewesen! Garados nickt.
    „So ist es. Wie geht es dir?“
    „Den Umständen entsprechend.“, erwidere ich und rolle mich zusammen, um das kleine Ei zu schützen, welches ich ausbrüten will.
    Maria, das ist der Name meiner Trainerin, hat entschieden, es sei immer besser, wenn ein neugeborenes Pokémon seine Mutter zuerst sieht. Ich bin froh über diese Entscheidung, weil ich das Ei so immer bei mir habe. Manchmal kommen schon leise Laute aus der Eierschale.
    „Es ist bald soweit.“
    „Wir brauchen einen geeigneten Platz, an dem es schlüpfen kann.“, überlegt Garados.
    Ich werde immer aufgeregter. Wird es ein kleines Karpador oder ein Barschwa werden? Insgeheim hoffe ich auf ein Karpador, nach seinem Vater. Ich weiß noch zu gut, wie ich damals im Fluss immer von den Bamelin, die dort lebten gemobbt wurde, bis Maria mich daraus befreit hat. Mein Kind soll nicht dieselben Erfahrungen machen. Nun bin ich das schönste Pokémon der Welt, angehende Mutter… und es ist Weihnachten. Gibt es nicht eine Geschichte, die sich Menschen erzählen, in der es auch um eine Geburt geht?
    „Du hast recht.“.
    Mein Blick wandert nach rechts. Ein Stadtpark. Um uns herum sind Baumgruppen zu erkennen. Es ist Abend, einige Menschen sind unterwegs, zu viele, als dass man vermuten könnte, es wäre spät. Um die Winterzeit wird es früher dunkel, ich schätze die Zeit auf etwa 19 Uhr. Schneeflocken rieseln auf uns herab. „Aber wo können wir hin?“
    „Das Pokémoncenter ist zu weit weg. Wir müssen eine andere Unterkunft finden. Lass uns am besten sofort aufbrechen.“, erwidert Garados.
    „Gut.“.
    Manchmal, wie jetzt gerade, wünsche ich mir, ich hätte Arme. Es ist nicht leicht, das Ei festzuhalten. Ich schlinge meine Flosse um die harte Schale, muss so allerdings mehr Kraft aufwenden, um mich fortzubewegen, weil meine Flosse normalerweise für die Balance zuständig ist. Natürlich erregen wir viel Aufmerksamkeit, als wir den Park durchqueren. Ein Trainer versucht gar, mich zu fangen, doch sein Ball prallt ab. Als Garados ihm dann einen unmissverständlichen Blick zuwirft, entscheidet er, es lieber sein zu lassen. Gemeinsam verlassen Garados und ich diesen Stadtpark. Doch als wir auf der Straße stehen, wissen wir kaum mehr weiter. Wo geht es in Richtung Pokémoncenter? Mir fallen Garados´ Worte wieder ein. Das wäre sowieso zu weit. Vor mir läuft eine dreiköpfige Familie, bestehend aus Mutter, Vater und Kind, vorbei. Ich werde von zwei großen, braunen Augen angestarrt.
    „Mama, das sieht schön aus!“, ruft es und zeigt auf mich.
    Ich wittere eine Chance, eine Bleibe zu finden, und senke leicht den Kopf.
    „Ja, das ist ein Garados.“, antwortet der Vater.
    „Anna meint das Milotic! Oder, Anna? Das schöne Pokémon dort mit dem Ei?“
    „Ja!“
    „Siehst du.“
    „Wollte nur Spaß machen.“, entschuldigt sich ihr Mann.
    Mich überkommt ein kleiner Schauder. Um wieder warm zu werden, schmiege ich mich an Garados.
    „Ihm ist ja ganz kalt.“, murmelt die Kleine.
    „Können wir es nicht eine Weile bei uns lassen?“
    „Nein, Schatz, das geht leider nicht.“, erwidert die Mutter.
    „Mannooo!“, ihre Tochter beginnt zu quengeln.
    Die Mutter macht einen Schritt auf mich zu.
    „Sucht besser euren Trainer. Ich habe nichts gegen euch, aber…“, flüstert sie.
    Ihr Blick huscht kurz zum Ei. Ich ahne, was ihr Probleme bereitet. Ihre Tochter soll an Weihnachten nicht die hässliche Geburt eines Barschwa erleben. In mir sticht es kurz. Die Wärme, die ich bei den ersten Worten des Mädchens gefühlt hatte, verschwindet.
    „Komm.“, Garados sieht den dreien nicht lange nach.
    „W-Was haben die Menschen nur alle gegen mich?“
    „Sie haben nichts gegen dich. Du bist schon lange kein Barschwa mehr.“
    „Weiß ich, a-aber…“, mühsam halte ich die Tränen zurück. Unfair.
    Ich kann nichts für das Aussehen, was die Natur jedem Barschwa gegeben hat. Im nächsten Moment fällt ein Schatten auf mich, Garados umschlingt meinen Hals mit dem seinen und legt seine Wange an meine.
    „Niemand verurteilt dich, sie wissen es nur nicht besser! Und jetzt macht dir keinen Stress, wir finden eine Bleibe und genießen die Geburt unseres Kleinen.“.
    Ich schweige eine Zeit, bis die Wärme wieder in mir aufsteigt. Eine Schneeflocke landet auf meiner Nase und schmilzt.
    „Ja.“, flüstere ich dann.
    „Oder unserer Kleinen.“, füge ich hinzu.
    „Nein. Es wird ein Junge.“
    „Warum?“
    „ Weil ich das sage.“.
    Lachend folge ich Garados. Er schafft es immer, mich aufzumuntern.
    „Natürlich.“.
    Als hinter uns ein lautes Pfeifen ertönt, fahre ich herum. Hell funkelnd schießt eine Flammensäule in den Nachthimmel.
    „Das kommt…“
    „Vom Festplatz.“
    „Dort, wo sie den Weihnachtsmarkt aufgebaut haben?“
    „Ich wusste nicht, in welche Richtung wir müssen, um dorthin zu gelangen. Aber wo sonst würde jemand so etwas in die Luft schießen?“
    „Lass uns hin. Dort gibt es sicher einen warmen Platz für dich und das Ei.“
    „Ja.“.
    Der obere Teil der Flamme bleibt noch lange über der Stadt stehen und wirft sein Licht auf uns herab. Wir folgen dem Licht in Richtung Stadtmitte. Einige Frauen drehen sich nach uns um, ich versuche, nicht an mein Dasein als Barschwa zu denken. Sie drehen sich nun nach mir um, weil ich das schönste Wesen auf der Erde bin. Mein Selbstvertrauen kehrt zurück.
    Das Ei ruckelt stärker, je näher wir dem Festplatz kommen. Schleiede veranstaltet jedes Jahr einen gigantischen Weihnachtsmarkt, ich habe ihn nun schon zweimal miterlebt. Unbehelligt gelangen wir in die Innenstadt. Meine Aufregung steigt. Bald werde ich Mutter sein.
    Szenenwechsel: Weihnachtsmarkt.
    Maria Jou hastet zwischen den Weihnachtsbuden hindurch. Der typische Geruch hängt in der Luft. Gebrannte Mandeln, Glühwein, Zuckerwatte und vieles mehr verbreitet einen Duft, der ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Das Lachen von Kindern schallt durch die Luft. Erwachsene unterhalten sich. Es ist relativ laut hier. Ihr weißes Gewand erweist sich als nicht sehr vorteilhaft, was die schnelle Fortbewegung angeht. Zwei weiße Schwingen scheinen aus ihren Schultern zu wachsen.
    Wieso habe ich mich dazu überreden lassen, den Engel zu spielen? Verdammt!“, flucht sie innerlich.
    Und nun hat sie auch noch Tsuname und Garados aus den Augen verloren. Wo stecken die beiden nur? Neben einem Glühweinstand macht sie halt, um Luft zu holen.
    „Du siehst erfroren aus, Engelchen! Hier, der geht aufs Haus.“.
    Maria hebt den Kopf. Der freundliche und ein wenig rundliche Budenbesitzer des Stands, an dem sie Halt gemacht hat, schenkt ihr einen Glühwein ein.
    „Danke.“, lächelt sie, doch viel trinkt sie nicht.
    Alkohol so kurz vor der Vorführung? Schlechte Idee. Kalt ist ihr trotz des dünnen Gewandes jedoch nicht. Auf ihrem braunen Haar sitzt ein Haarreif, der einen goldenen Ring festhält; ein nachgemachter Heiligenschein.
    „Du spielst beim Krippenspiel mit, oder?“, fragt der Mann.
    Maria nickt und sieht ihn aus dunkelblauen Augen an. „Genau.“
    „Viel Spaß wünsche ich euch. Ich finde es toll, dass die Jugend bei sowas noch mitmacht! Wie heißt du denn?“, sie entspannt sich ein wenig, als sie geduzt wird. Viele Leute siezen sie, und das ist richtig so, denn sie ist schon 19, aber sie kommt sich dabei so alt vor.
    „Maria.“
    „Wirklich? Erstaunlich!“, lacht der Glühweinwirt.
    „Ein Zufall.“, gibt das Mädchen zurück.
    „Ich muss dann auch weiter, vielen Dank für den Wein. Mir fehlen zwei Pokémon, wenn Ihnen ein Garados und ein Milotic auffallen, die alleine unterwegs sind, sagen Sie bitte hinten am Krippenspiel Bescheid.“
    „Mach ich, Kleine.“
    „Danke nochmal.“. Sie lächelt ihn erneut kurz an und macht sich auf den Weg. Auf einmal geht ein irrsinniges Pfeifen irgendwo zwischen den Buden vor ihr los, erschrocken zuckt sie zusammen. Eine Flammensäule schießt in den Himmel.
    „Was…“, entfährt es ihr, doch der Krach hört schnell wieder auf.
    Nur eine Feuerkugel bleibt zurück und blendet sie. Hastig sieht sie auf den Boden. Ihre Füße stecken in leichten Sandalen. Nach einigen Momenten setzt sie ihren Weg fort. Mit einem Mal blockiert ihr jedoch eine Schar kleiner Kinder den Weg, die „Alle Jahre wieder…“ singen. Sie setzt ein Lächeln auf und drängelt sich an ihnen vorbei.
    Am Stand fürs Krippenspiel angekommen sieht sie, dass nahezu alle Vorbereitungen getroffen sind. Eine Holzhütte ist zwischen den anderen Buden aufgebaut worden, die drei Weisen besprechen sich ein letztes Mal mit der Regisseurin. Maria soll den Engel spielen, der den Hirten die Ankunft des Heilands mitteilt. „Wo sind die Hirten?“, mit diesen Worten geht sie auf die Regisseurin zu, eine Frau in den Vierzigern.
    „Die trinken noch ein wenig, um sich warm zu halten.“
    „Keinen Alkohol, oder?“
    „Nein. Kakao.“, erwidert die Frau.
    „Gut. Sind sonst alle da?“
    „Maria und Josef kommen, sobald wir beginnen. Du weißt schon, die Herbergssuche.“
    „Klar.“
    „Wir starten vorne am Wurfstand.“.
    Der Weihnachtsmarkt erstreckt sich eigentlich über die gesamte Haupteinkaufsstraße Schleiedes, doch das Finale des Krippenspiels findet auf dem Festplatz statt, wo das Jesuskind „geboren“ wird. Überall am Straßenrand sind Stände und Buden aufgebaut. Es gibt alles Mögliche an Leckereien und Geschenken zu kaufen; vom Lebkuchenherz über Crêpes bis hin zu selbstgemachter Dekoration. Maria und Josef sollten bis zur Hütte gelangen und dort schließlich eintreten. Dann war es an der echten Maria, die hier den Engel spielt, den Hirten zu sagen, sie sollten ebenfalls zur Hütte kommen, die hier den Stall Bethlehems repräsentieren soll. Also würde die Vorderfront der Hütte geöffnet und die heilige Familie offenbart werden. Soweit der Plan.
    Einige Schaulustige bleiben schon stehen und sehen sich die bunte Mischung derjenigen an, die sich bereit erklärt haben, am Krippenspiel teilzunehmen. Außer Maria sind es noch gut zwei Dutzend andere junge Männer und Frauen. Hirten, einige römische Soldaten, noch einige Engel, die ein Loblied auf den Herrn singen sollen, nachdem Maria ihren Auftritt hatte, die Weisen, Josef und die unechte Maria. Und natürlich ein Kind, welches Jesus symbolisieren soll. Es schneit in dicken Flocken von oben herab, das Mädchen wischt sich ein wenig Schnee von den Flügeln.
    „Schau mal, ein Engel!“, ruft ein kleines Mädchen, welches mit seinen Eltern ein Stück weiter entfernt steht.
    Marias Herz macht einen Sprung und geht auf die Familie zu. Dann kniet sie sich vor dem Kind nieder. „Warst du auch artig dieses Jahr?“, fragt sie, halb im Scherz. Irgendwie ist eine weihnachtliche Stimmung über sie gekommen. Mit großen Augen nickt die Kleine.
    „Ja.“
    „Freut mich zu hören. Der Weihnachtsmann kommt nur zu den artigen Kindern.“
    „Wir wollen dich nicht aufhalten, lieber Engel.“, flötet die Mutter, irgendwas an ihrem Blick veranlasst Maria, sich umzudrehen. Die Regisseurin winkt ihr aufgeregt zu.
    „Oh. Ich muss leider los. Ich wünsche Ihnen gesegnete Weihnacht.“, verabschiedet Maria sich.
    Als sie auf die Regisseurin zugeht, hört sie das kleine Mädchen aufgeregt losplappern. Ein Lächeln stiehlt sich auf ihr Gesicht. Dann meint sie, die Worte „das hübsche Milotic“ zu hören, und dreht sich halb um. Doch es war sicher nur Einbildung.
    Szenenwechsel: Tsuname und Garados
    Mittlerweile sind wir auf der Haupteinkaufsstraße angekommen, eigentlich hatte ich vor, mich schön an den Geschäften entlang zu drücken, doch die Buden versperren einen Großteil des Wegs. Also sind wir gezwungen uns einen Weg zwischen all den Menschen hindurch zu bahnen. Die meisten weichen großzügig aus. Wahrscheinlich will niemand Garados im Weg stehen, schießt es mir durch den Kopf. Aber als wir den Festplatz erreichen, in dessen Mitte ich auch einen geschmückten Baum sehe, und wir von immer mehr Leuten angestarrt werden, wird es mir unangenehm.
    „Lass uns abbiegen.“, murmele ich.
    „Warum? Hey, was…!“, Garados stockt mitten im Satz.
    Eine weiß gekleidete, wunderschöne Gestalt kommt auf uns zu. Sieht so ein Engel aus? Die Gestalt ist eindeutig weiblich, lächelt mich an und kniet vor mir nieder. Wortlos erhebt sie sich und weist in die Richtung, aus der sie gekommen ist. Eine kleine Holzhütte ist dort aufgebaut. Endlich eine warme Bleibe. Bevor ich meinen Weg fortsetze, betrachte ich den Engel genauer. Über der Stirn des Wesens schwebt ein Heiligenschein. Aus ihren Schulterblättern wachsen Flügel. Doch das Gesicht ist eindeutig das von meiner Trainerin, Maria. Ich begreife nicht, was hier los ist. Also folge ich Garados einfach in Richtung dieser Hütte. Das Ei ruckelt dreimal sehr heftig. Schnell gelangen wir ins Innere, wo ich mich zusammenrolle und das Ei in meine Mitte lege. Die Tür geht hinter uns zu. Garados beugt sich über mich.
    „Gleich ist es soweit.“
    „Ja. War das eben Maria?“
    „Allerdings. Sie wollte im Krippenspiel mitmachen.“
    „Achso.“
    Szenenwechsel. Maria
    Das Mädchen atmet innerlich tief aus. Josef und die falsche Maria sind aus einem unbekannten Grund nicht erschienen, darum war das Krippenspiel fast abgesagt worden. Aber genau im richtigen Moment sind Tsuname und Garados aufgetaucht. Also hatte sie improvisiert und alle Umstehenden glauben lassen, sie würden nur auf die beiden warten. Nun würde entweder ein Barschwa oder ein Karpador schlüpfen, das weiß sie. Zeit, sich etwas einfallen zu lassen. Nicht jeder ist Karpador- oder Barschwafan. Aber zuerst ist ihr Auftritt bei den Hirten gefragt. Die drei Schauspieler waren ebenfalls unsicher, als das Hauptpaar nicht aufgetreten ist. Doch Marias beherztes Verhalten gab ihnen den Mut zurück. Wie geprobt verspricht ihnen das Mädchen in Engelsgestalt die Geburt des Messias. Auf ihrer Stirn entstehen langsam die ersten Schweißtropfen, weil sie drauf und dran ist die heilige Geschichte durch die Darstellung Jesu durch ein Barschwa oder Karpador zu entweihen. Sie muss was tun. Als die Hirten zum Stall laufen, schießt ein Feuerball in den Himmel, ähnlich dem, der vorhin eine ganze Weile geleuchtet hatte. Der Techniker, der dafür verantwortlich ist, hatte wohl Mist gebaut. Nun jedoch steht der wahre Stern am bewölkten Himmel, man sieht deutlich die Schneeflocken in seinem Licht zur Erde schweben.
    Langsamen Schrittes erreichen die Drei die Holzhütte, dessen Vorderfront nun zur Seite klappt und den Blick ins Innere freigibt. Ein heller Schein dringt in die Winternacht hinaus, sämtliche Zuschauer schließen für einen Moment die Augen. Als sich das Licht verzieht, stockt den Umstehenden der Atem. Ein goldenes Karpador liegt im Schoß seiner Mutter, die Augen hat es geschlossen, und ganz anders als jedes Karpador, was Maria vorher gesehen hat, strahlt es Anmut und Würde aus. Milotic sucht ihren Blick, sie merkt es. Da sie ein wenig am Rand steht, dauert es eine Weile, bis das Pokémon sie findet. Maria lächelt Tsuname aufmunternd zu und nickt. Die frisch gebackene Pokémon-Mutter sieht glücklich aus, als sie das Haupt senkt und das goldene Karpador mit den Lippen an der Stirn berührt. Von der Menge kommt eine Art Seufzen, viele der Frauen, die zusehen, sind ergriffen. Jemand berührt Marias Schulter. Sie wendet sich um. Lee, ihr Freund, steht vor ihr.
    „Garados und Tsuname.“, sagt er leise.
    „Das kommt mir so bekannt vor…nur ohne das Kind. Ich freue mich so für meine Pokémon.“
    „Wem sagst du das. Das Fest der Liebe.“
    Lee legt einen Arm um Marias Schultern, sie den ihren um seine Taille. Der Schnee rieselt noch immer, und die beiden bezeugen still das Weihnachtswunder der beiden Pokémon.


    so, hier habt ihr eine spezialversion extra zu weihnachten, mit der regulären story geht es nach neujahr weiter, weil ich ab freitag im urlaub bin. ich hoffe, ihr hattet spaß beim lesen, man sieht sich!
    mfg
    DoD

  • Kapitel 45
    Maria & Darkrai VS Siata


    16.7.2009


    „Weitere Misserfolge werde ich nicht dulden. Ist das klar?“, Saturns ruhige Stimme flößt den anwesenden Commanders und Galaktikern Angst ein. Die Spitze von Team Galaktik ist zusammengerufen worden, da Saturn eine Art Kriegsrat halten will. Auch die Officer und mehrere Dutzend Rüpel sind anwesend. „Wie kommt man dazu, sich allein mit Maria Jou anzulegen, wo wir doch alle wissen, wozu sie imstande ist?“, fragt er eine Galaktikerin, die am frühen Morgen am Rande einer Autobahn gefunden worden war. Sie ist per Telefon zugeschaltet worden, weil sie im Krankenhaus liegt. Einige mittelschwere Unterkühlungen wurden diagnostiziert. „Ich…hatte Schlafgas, und…“, ihre Worte werden von Hustenanfällen unterbrochen. „Schlafgas? Wussten Sie nicht, dass sie sich in Wasser verwandeln kann? Yussuf, was ist?“ – „Yussuf ist untröstlich. Irgendein Dummkopf in meinen Reihen hat es nicht geschafft, diese Information an alle weiterzugeben.“, zischt der schwarz vermummte Mann, der rechts von Saturn sitzt. Dieser legt eine Hand an die Stirn. „Das, was ich nun sage, betrifft alle hier. Es ist eine Fähigkeitsüberprüfung von Rockys Team. Diese kleine Polizistin ist doch nicht so hoffnungslos verblödet, wie ich gedacht- und auch gehofft- hatte. Nummer eins: Maria Jou.
    Im Gegensatz zum letzten Jahr verlässt sie sich nicht mehr hauptsächlich auf ihre Kampfkunst, nein, sie setzt öfters Angriffe ein, die auf Wasser, Eis, Dampf oder anderen Varianten von H2O basieren. Das heißt im Klartext: wo viel Wasser ist, wird sie immer stärker, bis hin zur Unbesiegbarkeit. Am Stärkesee hatten wir Glück, dass Giovanni Mewtu so schnell freigelassen hat, ansonsten wäre das in einer wahren Katastrophe geendet.“ – „Mit Verlaub.“, Venus schaltet sich ein. „Es WAR eine Katastrophe. Sie hat den Eisbrecher und diesen Kampfkünstler befreit, außerdem ist es Dreiseelen-Manon gelungen, mir die Pokébälle abzunehmen.“, zähneknirschend denkt sie an ihre Niederlage zurück. Dann sieht sie ihren Boss an. „Schlimmer hätte es nicht kommen können.“ – „Doch.“, erwidert er kalt. „Sie hätte das gesamte Quartier oben vernichten und sämtliche Mitglieder festsetzen können. Dass wir die Geiseln verloren haben, ohne Informationen zu erlangen, war schmerzlich, aber noch akzeptabel. Wir konnten im Kampf viel mehr Information sammeln, als die beiden uns hätten liefern können.“, er nimmt eine kleine Fernbedienung von seinem Tisch und drückt einen Knopf. Der Beamer springt an und wirft ein Bild von Maria an die Wand, welches irgendwann im Kampf gegen Yussuf aufgenommen wurde. Sie blickt mit konzentriertem Gesicht in die Kamera. Yussuf beißt die Zähne zusammen, als er die Augen seiner Feindin sieht. „Yussuf…gedemütigt.“, wiederholt er, doch das Phantom schüttelt nur den Kopf. „Bei den tausend Höllenhunden, Yarrr! Das war keine Demütigung. Den nächsten Raubzug gewinnen wir!“. „Wo war ich stehen geblieben?“, Saturn fährt sich über das Gesicht. „Ach ja. Ihre Kraft scheint außerdem bei Kälte zu steigen, wir haben Grund zur Annahme, dass ihr Körper viele Eigenschaften von Wasser angenommen hat, nachdem, was damals im Tempel passiert ist. Wenn es also heiß wird, schwächt sie das. Wir brauchen äußerst starke Feuerpokémon. Flammenwerfer. Mikrowellen. Alles. Mit unseren neuen All-Balls können wir sie nicht fangen. Sie wird sich in Wasser verwandeln und den Ball durch sich hindurch fliegen lassen. Außerdem ist sie auf Mewtu vorbereitet, ich schätze, im nächsten Kampf wird Siata Mewtu unterstützen müssen.“, erneut drückt er auf einen Knopf, die Verbindung zur Galaktikerin im Krankenhaus bricht ab. Sie wird nicht mehr gebraucht.
    „Trennt Maria vom Wasser. Dann wird der Sieg gegen sie leichter. Dieses Mädchen muss in allen Kämpfen unser Primärziel sein. Wird sie besiegt, sinkt die Moral der gesamten Gruppe. Nummer zwei: Pay, der rote Riese.“, ein weiteres Bild erscheint, es zeigt Pay, der vor einer riesigen Flammenwand steht und lauthals zu lachen scheint. Venus schüttelt nur den Kopf. „Herrgott. Und gegen sowas kämpfen wir.“ – „Pay ist seit Neustem mit eigenartigen Feuerkräften ausgestattet, ähnlich der Wassermacht Marias. Woher er das hat, wissen wir nicht, aber die von Rocky abgehörten Spekulationen, Mewtu habe damit zu tun, sind hirnrissig und bestätigen mich darin, dass sie von Mewtu keine Ahnung haben- geschweige denn von seinen Fähigkeiten. Das verschafft uns einen Vorteil. Je kälter es ist, umso geschwächter müsste dieser Kerl sein. Leider haben wir über ihn bisher extrem wenige Informationen. In Schleiede ist unser Geheimlabor in Flammen aufgegangen, das ist sein Werk, soviel steht fest. Wir haben unsere Spuren am Stärkesee zwar verwischt, aber das wäre die beste Umgebung gewesen, um gegen den roten Riesen zu kämpfen. Macht euch um ihn nicht zu viele Sorgen, er hat nicht die geringste Affinität zum strategischen Denken. Dennoch…“, ein weiterer Klick. Die Präsentation unterscheidet sich stark von der Rockys zu Beginn. Rocky wollte ihr Team nur einander vorstellen. Saturn hingegen gibt die Schwächen der Trainer preis.
    „Nummer drei: Der befreite Eisbrecher. Er, Maria und Pay sind die gefährlichsten Trainer aus Rockys Team. Der Eisbrecher, auch bekannt als Lee, ist der „Kopf“ des Ganzen. Er kann sich in Sekundenschnelle neue Pläne ausdenken, Fallen jeglicher Art kann man vergessen. Es war ein Meisterstück von Venus, ihn gefangen zu nehmen, weil er sich in Sicherheit gewogen hat. Genau im richtigen Moment kann man ihn kalt erwischen, aber wann so ein Moment ist, weiß man nie bei ihm. Und ich glaube, nach der Gefangennahme wird er nochmals vorsichtiger sein. Seine Spezialität ist der Nahkampf, spezielle Fähigkeiten besitzt er nicht. In Marias Nähe erhöhen sich Moral, körperliches und geistiges Wohlbefinden. Der Fachausdruck dafür ist „Liebe“", liest Saturn von einem kleinen Zettel ab, als könne er sich kaum vorstellen, wie so etwas gehen soll. „Im Nahkampf sollten sich nur unsere Spezialisten mit Maria, Lee oder Pay anlegen. Die Teamaufstellung dieser drei ist relativ einfach. Maria setzt auch im Pokémonkampf auf pures Wasser, Pay setzt mit Ausnahme seines Knakracks ausschließlich Feuertypen ein. Der Eisbrecher versteift sich auf das Eis-Element. Lediglich sein Admurai ist davon ausgenommen. Wir brauchen viele Elektro- und Kampfpokémon.“, die anwesenden Commander nicken. Saturn fährt mit seinen Ausführungen fort, lässt keinen Trainer aus, nicht einmal Lucia. Cat, Manon und Joana rufen teilweise Gelächter hervor, als Saturn ihre Ticks und Macken erwähnt, doch die Daten aus dem Kampf gegen Uranus lassen die Lacher verstummen. Wütende Stimmen werden ebenfalls laut. „Wie können uns ein paar Kinder so stark bekämpfen?“ – „Beim nächsten Mal mach ich die platt!“, tönt einer der Galaktiker. Apis, Felis und Jupiter besprechen sich kurz, dann erhebt Apis sich. „Es ist nicht leicht, die einfach so plattzumachen, yo. Ihr wisst exactly, wie stark die sind. Es mögen Kids sein, klar, aber wir brauchen eine Strategie, wenn wir siegen wollen, all right? Wie wärs, wenn Siata und Mewtu die schwächeren der Trainer angreifen? That Joana, for example.“, nachdem er sich gesetzt hat, fährt Saturn fort.
    „Siata und Mewtu werden gebraucht, um den Kern unserer Gegner auszuschalten. Wenn wir Mewtu aus Herzhofen abziehen, und diese Information irgendwie zu Rocky durchsickert, sind wir im Nachteil. Ich erwarte absoluten Einsatz von jedem von euch! Gerade Dreiseelen-Manon verfügt über bisher ungeahnte Kräfte, die uns total neu waren. Erst dachte ich, es handelt sich um multiple Schizophrenie, doch dafür sind die Veränderungen, die ihr Körper erfährt, zu gravierend. Wir müssen sämtliche Spezialteams reaktivieren und in Dienst stellen. Team Galaktik braucht jeden Kämpfer, den es kriegen kann. Holt den Geistersammler und die Faust der Wut zurück. Und irgendwer muss Argo aus dem Gefängnis holen. Sofort.“, er beendet seinen Vortrag. Vier Galaktiker beeilen sich, seinen Wünschen nachzukommen. Saturn blickt finster durch die Lamellen des Rollos auf die Stadt herab. Eine Flammensäule steigt hinter einem Hochhaus hervor und erleuchtet die Nacht. Einige umliegende Gebäude werden in rotes Licht getaucht. Die Kämpfe dauern immer noch an. ‚Bald ist es soweit. Die Kraft von Siata wird unser sein…und danach ganz Sinnoh.‘. „Boss!“, ein anderer Galaktik-Rüpel stürmt in den Raum. „Was?“ – „Siata hat sich befreit! Es kommt hierher!“
    //


    Herzhofen
    Der geklaute Wagen hält vor dem Pokémoncenter. Ich steige aus, Lucia steigt grinsend aus der hinteren Tür. „Was ist los?“, frage ich sie. Es ist früh am Morgen, auf den Straßen ist nicht viel los. Irgendwie zu ruhig… „Ach, nichts, ich freu mich auf mein Wiedersehen mit Ash.“ – „Klar.“ – „Und außerdem fand ich Lees Fahrstil witzig.“. Nach kurzer Überlegung werde ich rot. In den letzten Stunden musste Lee einhändig fahren, weil ich seine Hand nicht loslassen wollte. „Ich habe ihn lange genug nicht bei mir gehabt, ich finde, das haben wir uns verdient.“ – „Sicher doch, meine liebe Sachiko, es war niedlich, euch zuzusehen.“ – „Lee ist normalerweise eher der gefühlvolle Typ.“ – „Wirklich? Hätte ich nie gedacht.“ – „Ja. Ich könnte mich genau hier ausziehen, er würde immer noch meine Augen ansehen, weil er sie so schön findet.“ – „Wie dem auch sei!“, Lee kommt um den Wagen herum, hat einen ähnlichen Schimmer auf den Wangen, doch ich weiß, wie es wirklich in ihm aussieht. Lucia geht voraus. Ich halte Lee fest. „Stimmt was nicht?“ – „Ich wollte dich fragen…“ – „Was fragen?“, seine Augen scheinen mich einzusaugen. Meine Beine werden weich. „Ich habe einen Menschen getötet. Hältst du mich nicht für ein Monster oder so?“ – „Getötet? Wen? Die Rocket-Agentin?“ – „Ja.“ – „Nun…nein, auch wenn ich anders gehandelt hätte.“ – „Das ist nicht gerade hilfreich.“ – „Ich hätte beide umgelegt. Deine Wut ist völlig verständlich. Lass uns gehen.“ – „Okay. Danke.“. Meine Gedanken rasen, ich bin zugleich erleichtert und geschmeichelt. Lee hätte einen noch viel schwereren Ausraster gehabt, wenn sie mich erwischt hätten… Doch die Zeit am Stärkesee, die mein Freund gehabt hat, mag ich mir nicht ausmalen. Jeder andere wäre nach solch einer Gefangenschaft zerbrochen. Der Blonde hingegen hat sich in eine zweite Realität eingelebt, in welcher nur ich und ein See vorhanden waren. Das hatte er mir kurz nach der Befreiung erzählt. Trotz der schlimmen Umstände hat mich das irgendwie froh gemacht. Dank dieser Traumbilder konnte er alles andere ausblenden, und mittlerweile ist die Gefangenschaft für ihn nicht mehr als ein dunkler Fleck in seinen Erinnerungen. Ich mache mir allerdings Sorgen um Tai, er hat nicht dieselben mentalen Kapazitäten wie Lee. Ich werde ihn so bald wie möglich fragen. Wir überqueren eine von Kratern durchzogene Straße, es sieht aus, als wäre hier lange und sehr hart gekämpft worden. Mehrere Gebäude zu meiner Linken sind eingestürzt. Die Infrastruktur ist nahezu zusammengebrochen, weil Team Galaktik alle Vorräte aus Supermärkten und Lieferstellen geklaut hat. Die Bürger Herzhofens werden durch die Polizei versorgt, und die Polizei wiederum bezieht einen Großteil der Lebensmittel aus den umliegenden Dörfern, allen voran Trostu. Einen solchen Ausnahmezustand habe ich noch nie erlebt.
    Drei Autos fahren an uns vorbei. Es sieht aus wie ein ganz normaler Morgen, die Frühaufsteher sind schon unterwegs. Herzhofen lebt in Angst, jeder ist der Meinung, er kann der nächste sein, der angegriffen oder entführt wird. Immer mehr Trainer verschwinden, wie ich in den Nachrichten gehört habe. Ob diese merkwürdigen, neuen Pokébälle damit zu tun haben? Nur der Stadtkern um das Pokémoncenter herum ist intakt, weil sich hier die Polizei und ein Teil unseres Teams eingefunden haben. Die Außenbezirke sind nahezu ausgestorben, eine derartige Zerstörung wie hier hat dort aber nicht stattgefunden. Gekämpft wird meist in der Grauzone zwischen Außen- und Innenbezirk, die Galaktiker trauen sich nicht in die Nähe des Pokémoncenters. Allen Trainern wurde geraten, keine Pokémon mehr zu transferieren, da Team Galaktik die Portermaschinen anzapft und so massiv Pokémon geklaut hat. In Sonnewik und Jubelstadt sieht es wahrscheinlich ähnlich aus. Sonnewik fiel angeblich der Attacke eines Galaktik-Eliteteams anheim, Berichte über drei Männer und zwei Frauen, die sich in reinstes Weiß kleiden, machten die Runde. Ein statisches Rauschen über mir lässt mich den Kopf heben. Ganz oben auf einem Wolkenkratzer erkenne ich Evas Simsala, welches sich genau umsieht. „Rockys Team bewacht das, was von der Infrastruktur übrig ist.“, raunt Lee. Dann fällt ihm ein, dass er selbst dabei ist. Die Gefangenschaft scheint doch einige Spuren hinterlassen zu haben. Ich nehme seine Hand, das warme Gefühl, das von ihr ausgeht, erfüllt mich mit neuer Kraft. Die Fassade des Gebäudes besteht aus Glas, Simsala ist die richtige Wahl, denke ich bei mir. Andere Pokémon würden mit ihren Attacken das Gebäude zerstören. Evas Simsala allerdings geht beinahe schon chirurgisch vor, wie ich selbst mehr als einmal erlebt habe. „Die Außenbezirke waren fast pure Wohngegend. Was wollen die damit?“, überlege ich, komme jedoch zu keinem Ergebnis. Das Hauptquartier der Galaktiker steht auch relativ nah im Kern, doch es ist schwer bewacht, außerdem haben sie eine Art Schutzschildgenerator aufgebaut. Ihr Hauptquartier kann nicht aus der Ferne angegriffen werden. Zwei Trainer rennen an mir vorbei, ein Tornupto und ein Ampharos folgen ihnen. Als der Blick des Ersten auf mich fällt, hält er an. „Um die Zeit ist es ungefährlich, aber ihr solltet nicht zu lange draußen bleiben!“, ruft er. Es dämmert, das Dunkelblau der Nacht wird langsam von Rosatönen abgelöst. „Nach Tagesanbruch ist es also gefährlich für mich?“, will ich wissen. Er seufzt und kommt näher. „Jeder Trainer Herzhofens hat ein Gebiet zugewiesen bekommen, das er beschützen soll. Sobald jemand dort eindringt, machen wir Meldung. Ihr seht nicht wie Galaktiker aus, aber wenn ihr hier Stress machen wollt, werde ich euch bei Officer Sophie abliefern müssen.“.
    Ich stutze. „Officer Sophie?“ – „Ja. Sie ist hier die ranghöchste Polizistin.“ – „Das freut mich für sie.“, ich muss lächeln. Sie hat es also geschafft. Der Junge runzelt die Stirn. „Tun Sie nicht so, als würden Sie sie kennen.“ – „Was hast du da gesagt?“, meine Hand zuckt. Lee drückt sie sanft. „Tun Sie nicht…“ – „Das meine ich. Wieso siezt du mich?“, er wird unsicher. Sehr unsicher. „Weil…Sie…du…“ – „Ich bin 20 Jahre alt, das reicht noch nicht, um gesiezt zu werden. Sehe ich so alt aus?“ – „Nein! Ich meine…Moment, so klappt das nicht. Tornupto!“. Er will sich mit mir anlegen. Aber ein Trainer aus Johto, der uns in Sinnoh hilft, ist kein Feind von mir, auch nicht, wenn er mich siezt. „Lass gut sein. Du hättest keine Chance. Ich bin auf eurer Seite.“, ich schiebe ihn sanft beiseite, ziehe Lee mit mir. Lucia folgt uns und kichert erneut. „Warte mal! Wer bist du?“, ruft der Junge mir hinterher. Man sollte meinen, er kennt mich aus dem Fernsehen. Soll er selber darauf kommen. Ohne ein weiteres Wort betreten wir das Pokémoncenter. Dort erwartet uns lediglich Alfred. Als er mich sieht, hebt er beinahe unmerklich eine Braue. Wie lange habe ich ihn nicht mehr gesehen?
    „Guten Tag, der Herr, guten Tag, die Damen.“, sagt er nur und nippt an einer teuer aussehenden Teetasse. „Guten Tag, Alfred.“, antworte ich, ein wenig unwohl fühle ich mich in seiner Gegenwart schon. Er strahlt Reichtum aus, wohin er geht, und ich…naja, meine Vorgeschichte ist weitaus weniger prächtig. „Haben Sie eine Zwillingsschwester, Madame?“, will er von mir wissen. Im selben Atemzug siezt er mich UND nennt mich „Madame“?! Das ist jetzt das zweite Mal in kurzer Zeit. Der nächste, der das zu mir sagt, dem werde ich…ruhig, Maria. „Nein, Monsieur.“ – „Dann müssten Sie die schönste Frau auf der Welt sein.“, er sagt es, als würde er mir das Wetter erörtern. Erst bin ich sprachlos, dann merke ich, dass ihm meine Unsicherheit wohl aufgefallen ist. Mit dem Kompliment wollte er das Eis brechen. Ein echter Gentleman. „Danke. Wie stehen die Aktien?“, tatsächlich fühle ich mich nun besser. „Steigen täglich leicht in den positiven Bereich an, wie immer. Zufriedenstellend.“, antwortet er. Ich frage mich, was er damit meint. Besiegt er jeden Tag einige Galaktiker mehr als am Vortag? Lee grinst nur. „Nicht die richtigen Aktien. Maria will wissen, wie es hier in Herzhofen läuft.“. Ich muss mich zusammenreißen, um nicht zu lachen. Natürlich hat Alfred richtige Aktien. Daran hätte ich denken müssen. „Natürlich. Nun, die Trainer der Stadt haben sich zusammengerottet und bieten dem Gegner die Stirn. Sehr lobenswert.“, befindet der Silberhaarige. „Gut. Wir sind auf dem Weg nach Sonnewik. Team Galaktik hat Volkner lange genug geärgert. Sind Eva, Kuré oder Sophie in der Nähe?“ – „Bedauerlicherweise nicht. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Stadt weiträumig zu schützen. Dafür wird jede Kraft gebraucht. Mir selbst wurde der Auftrag zuteil, das Pokémoncenter zu schützen. Also…“, er weist mit der freien Hand in eine dunkle Ecke des Empfangsraums, wo ich erst jetzt einige gefesselte Galaktiker erblicke, die ziemlich mitgenommen aussehen. „Die haben einfach keine Manieren. Schrecklich!“, beschwert sich Alfred. „Gut gemacht!“, entfährt es mir überrascht. Ich wusste, dass er ein guter Kämpfer ist, aber gegen…wie viele sind das? 10 auf einmal? Nicht schlecht…für sein Alter.
    Eigentlich hatte ich gehofft, Eva mitnehmen zu können. Sie ist äußerst stark, ihr Zeitstoppangriff kann ganze Kämpfe umkehren. Nun gut, dann müssen wir das zu dritt erledigen. Auch kein Problem. Hoffe ich. „Was tun wir jetzt?“, fragt Lucia mich. „Wir müssen nach Sonnewik. Wir haben noch immer keine Ahnung, was Team Galaktik vorhat, also sorgen wir dafür, dass sie ihre Einflusspunkte verlieren. Sonnewik ist der erste davon. Alfred, richten Sie bitte den anderen meine Grüße aus, wir werden uns sofort auf den Weg nach Sonnewik machen.“ – „Sehr gern. Viel Erfolg wünsche ich.“ – „Den werden wir haben.“, verspreche ich. Lee ist nun relativ nachdenklich geworden, als wir die schwach beleuchtete Eingangshalle des Pokémoncenters wieder verlassen. Ich schiebe eine Hand in seine rechte Gesäßtasche und lehne den Kopf an seine Schulter. „Alles okay bei dir?“, flüstere ich. „Ja. Es ist nur komisch, was hier passiert. Team Galaktik verhält sich so…so unproduktiv. Ineffizient. Sie nehmen mich gefangen, kriegen keine Infos, besetzen die Städte, wobei von vornherein klar ist, dass sie die nicht auf Dauer halten können. Irgendwas…“, weiter kommt er nicht. Ein lautes Gebrüll ertönt, so laut, dass die ganze Stadt zu erzittern scheint. Mein linkes Trommelfell platzt sofort, stechender Schmerz betäubt die Kopfhälfte. Lee hält sich die Ohren zu, aus den Ohrmuscheln von Lucia läuft Blut. Hastig ziehe ich Wasser aus der Luft, lasse ein wenig davon in ihre Ohren eindringen und heile sie. Danach tue ich dasselbe bei meinem Freund und mir.
    „Was ist das?!“, ruft Lucia, als das Brüllen abgeklungen ist. „Keine Ahnung…chikusho.“, das letzte Wort rutscht mir raus, als ich den Schatten bemerke, der über die Stadt fliegt. Ein rot-silbriger Drache rauscht über uns hinweg, ein wahrhaft monströses Pokémon, welches ich noch nie gesehen habe. Von der Statur her erinnert es mich an Abbildungen von Dialga, doch dieses Wesen hier hat nur drei Beine. Zwei vorn, eines hinten. Seine Schuppen sind silbern, an seinem Hals und an seinem Körper verlaufen lange, rote Streifen. Der Kopf wird durch eine Art Helm geschützt. Aus dem Hinterkopf ragen mehrere blutrote Stacheln hervor, nach vorn hin befindet sich ein kleiner Schirm über den finster blickenden Augen. Ich registriere jede Kleinigkeit mit nur einem Blick. „Es hat keine Flügel und fliegt?!“, Lee traut seinen Augen nicht. Meine Augen huschen zu dem Bürogebäude, doch von Simsala ist nichts mehr zu sehen. Die Sonne geht auf, erste Strahlen brechen sich auf den Schuppen des merkwürdigen Pokémons. Es brüllt erneut, diesmal bin ich vorbereitet und halte mir die Ohren zu. Der Schrei klingt wie das Lodern eines Feuers. Was auch immer dieses Ding hier will, es ist nichts Gutes. ‚Darkrai?‘ – ‚Bereit.‘, antwortet mein Schatten und löst sich von meinen Füßen. Darkrai manifestiert sich neben mir, rast dann in die Luft, auf das Pokémon zu, welches dort schwebt. Ich sehe nicht, was es tut, doch auf einmal rast mein Partner gen Boden und kracht neben mir in den Asphalt, wo er einen kleinen Krater hinterlässt. ‚Unngghh…‘, stöhnt er. ‚Was ist passiert?!‘ – ‚Ich kann mich nicht rühren.‘, antwortet Darkrai, sinkt in den Boden zurück und wird wieder mein Schatten. Paralysiert dieses Ding einen? Dem Aussehen nach zu urteilen ist es ein Drachentyp. Also sollte ich es mit Eisattacken bekämpfen. „Lee, Eis!“ – „Weiß ich. Hau rein, Arktos!“, mir bleibt für einen Moment der Mund offen stehen, als ich sehe, wie sich Lees zweitstärkstes Pokémon in die Lüfte schwingt. Glitzernder Eisstaub löst sich aus seinen Schwanzfedern. „Du auch, Tsuname! Ich brauche dich.“, sage ich. Mit einem leisen Singen erscheint mein Milotic im morgendlichen Herzhofen.
    „Eisstrahl!“, befehlen wir wie aus einem Mund. Aber bevor sich unsere Pokémon in Position bringen können, kracht auch Arktos auf den Boden, genau wie Darkrai vorher. „Verdammt. Als ich gesehen habe, wie Darkrai angegriffen wird, dachte ich, wenn ich eines meiner stärksten Pokémon rufe, klappt es. Wie macht dieses Ding das?“, murmelt der Blonde, als er Arktos zurückruft. „Tsuname?“ – „Miii…“ – „Du also auch. Zurück…danke, Tsuname.“. Ich begreife nicht, was hier vor sich geht. Die Pokémon werden paralysiert, ohne dass sich dieser Drache bewegt! Das geht doch gar nicht…vielleicht ist es zum Teil ein Elektro-Typ, der irgendwelche Donnerwellen freisetzt? ‚Darkrai, was war das eben?‘ – ‚Mein Körper ist in Sekundenschnelle tonnenschwer geworden, als wäre ich erschöpft.‘ – ‚Hm. Vielleicht saugt dir dieses Ding die Kraft ab?‘ – ‚Möglich. Sei auf alles gefasst.‘. Das Wesen am Himmel dreht sich halb von uns weg, die Sonne strahlt in sein Gesicht. Eigentlich sieht es ja sehr schön aus…wenn es nur nicht so gefährlich wäre. Ich schreie überrascht auf, als ein Schwall unsichtbarer Energie mich trifft. Darkrai hatte mich gewarnt! Meine Arme und Beine, mein Kopf, mein Körper, alles wird plötzlich so schwer, dass ich mich nicht mehr rühren kann und auf den Boden knalle. Natürlich mit dem Hinterkopf zuerst. Wie auch sonst. Bunte Sternchen tanzen vor meinen Augen. Sofort kniet sich Lucia neben mich. „Maria! Komm, nimm meine Hand!“ – „Kann mich nicht…bewegen!“, presse ich zwischen den Zähnen hervor. Meine Brust drückt auf die Lunge, ich kriege kaum noch Luft. Was ist das nur für eine Kraft? Die Koordinatorin will mich hochziehen, schafft es jedoch nicht. „Du wiegst Tonnen!“ – „Danke..vielmals!“, das Sprechen kostet mich unmenschliche Kraft. „Wir müssen hier weg, dieses Ding da ist zu gefährlich. Kommt!“, drängt Lee, nimmt meine andere Hand, doch auch er schafft es nicht, mich hochzuziehen. Nicht mal meine Hand kann er anheben. Der Drache kommt näher.
    In der nächsten Sekunde passieren mehrere Dinge auf einmal. Unser Gegner wird von einem Flammenwurf erwischt, Kuré erscheint mit einem Guardevoir neben uns und ich lasse meinen Körper zu Wasser werden. Sofort kann ich mich wieder frei bewegen, Darkrai bleibt als Schatten unter mir zusammen mit meinen Kleidern zurück. Ich bücke mich und will sie aufheben, doch sie wiegen noch immer Tonnen. Kuré sieht sich blitzschnell um, packt Lucias Hand und Lees Arm, ihr Guardevoir legt ihr eine Hand auf die Schulter. Lee sieht mir in die Augen. „Im Pokémoncenter!“, sagt er noch, dann teleportiert Guardevoir die drei weg. „So, und nun zu uns.“, murmele ich und richte den Blick in den Himmel. Ein weiterer Energiestoß trifft mich, ich bin zu langsam, kann nicht ausweichen, diesmal passiert das genaue Gegenteil. Trotz Ekitai Shojou verliert mein Körper sein gesamtes Gewicht, mir droht die Kontrolle über mein Wasser zu entgleiten. Schnell nehme ich wieder meine normale Gestalt an, schnappe mir meine Kleider, die wieder ihr ursprüngliches Gewicht haben, und springe in eine Seitengasse. ‚Was auch immer das ist, es nervt!‘ – ‚Ich stimme dir zu. Zieh dich besser an, die Autofahrer eben haben schon geguckt. Ich weiß, dass dich das nicht stört, aber in der Öffentlichkeit…‘ – ‚Ja, mache ich.‘. Als ich gerade den BH zugemacht habe, kommt der Junge von vorhin in die Gasse gerannt. Er keucht, in der Hand hält er einen Pokéball. Als er mich sieht, hält er abrupt an, seine Schuhe schlittern ein wenig über den Asphalt. Ich sehe ihn ruhig an. „Alles klar bei dir?“ – „Du hast gegen das Ding gekämpft! Mein Tornupto ist sofort besiegt worden…“, das erklärt den Flammenwurf, denke ich, und der Junge fährt fort. „…und jetzt sucht das Ding nach mir! Kannst du es erledigen?“. Mit der Antwort lasse ich mir Zeit. Mir entgeht sein Blick nicht, den er auf meinen Körper wirft. „Ich fürchte nicht. Es kontrolliert das Gewicht seiner Gegner. Wenn ich nicht schnell genug bin, lässt er mich tonnenschwer werden, sodass ich mich nicht bewegen kann. Geh zum Pokémoncenter zurück. Ich werde sehen, was ich tun kann.“ – „J-ja.“, stottert er. Meine dunkelblauen Augen scheinen ihm Angst einzuflößen. Ein Auto fährt an der Gasse vorbei und wird von seinem eigenen Gewicht zerquetscht, als die Macht des Pokémons es trifft. Weitere Autos weichen aus und beschleunigen, um nicht ebenfalls Ziel dieses Wesens zu werden.
    „Du bist Maria, oder?“, die Stimme des Trainers erklingt hinter mir. Er wirkt eingeschüchtert, jetzt erst recht. „Ja.“ – „Dann kannst du es doch besiegen! Alle meine Freunde schwärmen von dir, wie stark du bist...“ – „Wie ich sagte: keine Ahnung. Aber ich tue alles, was ich kann, um Sinnoh zu beschützen! Halt das mal, wenn du kannst, bring es zum Pokémoncenter.“, ich drücke ihm mein Shirt in die Hand. Es kann sein, dass ich jederzeit wieder meine Spezialtechnik benutzen muss, und es hat keinen Sinn, zu viel Kleidung zu tragen. Gegen Locksey damals habe ich auch im BH gekämpft und gewonnen, doch hier brauche ich die zusätzliche Beweglichkeit. Der Ausnahmezustand rechtfertigt meinen Entschluss.
    /


    Nach diesen Worten rennt das Mädchen los, ihre langen Beine bewegen sich immer schneller. Colin sieht ihr mit offenem Mund hinterher. Mit einem Sprung ist sie auf einem Vordach des Wolkenkratzers vor ihr gelandet, mit einem weiteren katapultiert sie sich auf das Dach eines niedrigen Gebäudes links von ihr. Der Drache hat sie entdeckt, doch sie verliert ihre Geschwindigkeit nicht. „Wie schnell sie ist! Das glaubt mir keiner…“, murmelt der Trainer. Er sieht mit eigenen Augen, was über dieses Mädchen gesagt wird: das Wasser gehorcht ihrem Willen. Lange Wasserpeitschen entstehen in der Luft, als Maria einen Arm auf ihren Gegner richtet, und greifen ihn an. Im Fernsehen sah ihr Kampfstil beeindruckend aus, doch in der Realität wirkt er sogar noch um einiges imposanter. Eleganz und eine mörderische Stärke scheinen zu gleichen Teilen in Maria vereint zu sein. Mit seinen 17 Jahren hat Colin bisher auch kein Mädchen gesehen, was solch ein gutes Aussehen hat. Brüllend versucht der Drache dem Wasser zu entkommen. Eine Peitsche wickelt sich um seinen Bauch, eine andere um sein Hinterbein und die letzte um sein Maul, um ihn verstummen zu lassen. Mit einem Mal sieht es aus, als würde Maria ihr Gewicht verlieren, wie eine Feder wird sie in die Luft getrieben, verzweifelt ringt sie um ihr Gleichgewicht. Colin bekommt es nun mit der Angst zu tun, was für ein Wesen ist das? Er dreht sich um und rennt weg. In solch einer Situation können normale Trainer nichts anderes tun.
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    Ich treibe hilflos in der Luft. Meine Vermutung hat sich also doch als richtig erwiesen. Was auch immer mein Feind für eine Kraft hat, sie hat mir mein Gewicht geraubt. Ich wiege absolut nichts mehr. Meine Haare sehen aus, als würde ich im Wasser treiben, schwerelos umwabern sie meinen Kopf. Die Wasserpeitschen lösen sich mit meiner Konzentration in Luft auf. ‚Hilfe!‘ – ‚Kommt sofort.‘. Darkrai manifestiert sich nicht, sondern feuert einfach von seinem Standpunkt unter mir eine Salve finsterer Kugeln auf den roten Drachen ab. ‚Schlummerort!‘, dieses Wort vernehme ich in meinem Geist. Erst eine Millisekunde bevor 4 der Energiekugeln meinen Gegner treffen, fällt mir ein, dass mein Gewicht schlagartig zurückkehren könnte, wenn er in Ohnmacht fällt. Im allerletzten Moment schießt das Wesen zwei Meter in die Höhe und entgeht Darkrais Angriff. ‚Es ist schnell!‘ – ‚Scheint so, als würde es auch sein eigenes Gewicht kontrollieren.‘. Hilflosigkeit. Das von mir am meisten verabscheute Gefühl. Nach einigen zappeligen Momenten schaffe ich es, eine stabile Position einzunehmen, stehe meinem Gegner in der Luft gegenüber. Doch ich treibe weiterhin nach oben. Ein neuerlicher Energieschwall trifft mich. Diesmal erwischt es nur mein linkes Bein, sein Gewicht dürfte dem Gefühl nach zu urteilen ungefähr dem eines Mittelklassewagens entsprechen. Rasend schnell nähere ich mich dem Gebäude. Auf diese Weise wird es ganz sicher brechen. Zum Glück reagiere ich schnell genug, verwandele nur das Bein in Wasser und entgehe dem Aufprall.
    Meine Sandalen habe ich in der Gasse vergessen, aber da ich barfuß gekämpft habe, geht mir nun nichts verloren. Sobald der Druck von meinem Bein verschwunden ist, verwandele ich es zurück und schwebe wieder nach oben. „Ha! Ausgetrickst.“, grinse ich. Andererseits ist der Kampf mit meinem schwerelosen Körper aussichtslos. Ich bin leichte Beute. ‚Kannst du es sehen?‘ – ‚Ich glaube schon.‘. Darkrai meint die Energiestöße, die der Drache aussendet. Immer bevor eines meiner Körperteile leichter oder schwerer wird, flackert die Luft vor mir. Diese Energiewellen sind so schnell, dass man sie als normaler Mensch nicht sehen kann, und erinnern an die Ringe, die in einem Teich entstehen, wenn man einen Stein hinein wirft. Mit meinen Kräften aber kann ich meine Muskeln verstärken- auch die Sehmuskulatur. Also sind meine Augen nochmal um ein Vielfaches besser. ‚Es gibt eine Art Limit. Dieses Ding kann nicht unbegrenzt Energiewellen abfeuern. Es wartet immer eine bestimmte Zeit.‘ – ‚Ja.‘. Ich erschaffe aus dem Nichts eine Rüstung aus Eis, die Vorstufe zu Ekitai Shojou. Eisige Arm- und Beinschienen legen sich um meine Glieder. Das zusätzliche Gewicht lässt mich fallen, der Sturz aus 20 Metern Höhe ist meines Erachtens besser, als irgendwann doch noch von einer Energiewelle erwischt zu werden. Dann hätte ich wieder Tonnen gewogen und wäre auf den Asphalt gekracht wie ein Fels. Es flimmert vor mir. Ich hechte zur Seite und verstärke meine Beine. Die Muskeln zeichnen sich deutlich unter der Haut ab. Meine Geschwindigkeit steigt. „Dumm gelaufen, Drache. Das hier ist besser als der Leichtstein.“, murmele ich.
    Ich gestatte mir ein grimmiges Lächeln. Wollen doch mal sehen, wie mich dieses Biest jetzt erwischen will. Schnell wie ein Blitz springe ich auf das nächsthöhere Hausdach, gehe kurz hinter der Brüstung in Deckung, puste mir eine Strähne aus dem Gesicht. Mein Tempo überrascht mich selbst; es ist, als müsste ich nur das Fußgelenk um einen Millimeter bewegen, um einen 5-Meter-Sprung auszuführen. Zum Glück sind die Dächer hier alle abgeflacht, nur einige Lüftungsschächte und ab und zu ein gläsernes Oberlicht sind vorhanden. Die Sonne steigt immer höher. Wir kämpfen bestimmt eine halbe Stunde lang, entfernen uns dabei immer weiter vom Pokémoncenter. Mein Plan geht auf: damit sind die anderen sicher. Adrenalin durchflutet meinen Körper. Mein Atem geht flach und schnell. Viele Treffer gegen den Drachen kann ich nicht landen, er scheint meine Bewegungen vorherzusehen. Weit unter mir rast die Feuerwehr vorbei um das eben zerstörte Fahrzeug zu bergen. Der Verkehr ist nahezu zum Erliegen gekommen, um die roten Feuerwehrkräfte durchzulassen. ‚Das…‘ – ‚Ja?‘, Darkrai scheint etwas einzufallen. Ich hake nicht weiter nach, ein „Ja“ muss fürs Erste genügen.
    Mein Gegner schwebt nun höher und blickt auf mich herab. Er ist mir die ganze Zeit über gefolgt. Der nächsten Energiewelle weiche ich ebenfalls aus, was dem Drachen ein neuerliches Brüllen entlockt. Es ist jedoch nicht mehr so laut wie zuvor. Mit aller Kraft stoße ich mich vom Stein ab, der Schwung lässt eine Staubwolke entstehen, welche sich kreisförmig auf dem Dach ausbreitet. ‚Das ist Siata, einer der legendären Drachen von Sinnoh!‘, teilt Darkrai mir mit. ‚Was?! Wieso habe ich noch nie von ihm gehört?!‘ – ‚Genau wie Giratina ist es meist nicht in dieser Welt anzutreffen. Ich weiß nicht, warum es so wütend ist, aber wir können nicht gewinnen, wenn wir uns nicht schnell etwas einfallen lassen!‘. Schnell wie ein Blitz rase ich auf Siata zu, verpasse ihm einen Tritt gegen die Brust und lande auf einem neuen Dach. ‚Großartig! Ich lenke es ab und du greifst mit Schlummerort an, oder?‘ – ‚Unwahrscheinlich. Siata ist der intelligenteste der Drachen, die ich kenne.‘ – ‚Die du kennst? Gibt es da denn noch mehr, von denen ich wissen sollte?‘ – ‚Da wäre noch…‘, weiter kommt mein Partner nicht. Ein Schlummerort wird von Siatas Schutzschild abgefangen, ich springe erneut, drehe mich in der Luft um die eigene Achse, treffe seine Schläfe exakt in dem Moment, in dem es den Schild auflöst. „Perfekt.“. Mit einer geschmeidigen Bewegung lande ich auf dem Dach, strecke das rechte Bein aus, lande auf dem linken Fuß, lasse das linke Bein einknicken. Mein geringes Gewicht verteilt sich gleichmäßig über das Bein und eine Hand. Siata sackt hinter mir einige Meter in die Tiefe und wirkt benommen. Ich spüre, wie ich schwerer werde, bis es sich wieder normal anfühlt. Geschieht ihm Recht. Im nächsten Moment überkommt mich unsagbares Grauen. Der Erfolg ist wie weggewischt. Kalter Schweiß bricht mir aus. Die Präsenz, die ich hinter mir fühle, ist mir nur zu bekannt. Ich will springen, aber meine Muskeln gehorchen mir nicht. ‚Ich mach das!‘, sagt Darkrai noch, dann explodiert meine Brust in tausend grellen Schmerzen. In mir knackt es laut, der Schmerz pflanzt sich fort in Richtung Bauch. Es wird dunkel um mich herum.
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    Kuré sieht gerade noch, wie Mewtu eine Hand auf Maria richtet, in deren Brust sich irgendetwas furchtbar verschiebt. Das Mädchen öffnet den Mund zu einem Schrei, der ihr in der Kehle stecken bleibt. Ihre Augen verdrehen sich in Richtung Himmel und sie sinkt zu Boden. Guardevoir erscheint genau neben ihr. Kuré packt den Arm Marias, blickt für den Bruchteil einer Sekunde in Mewtus Augen. Es hebt den Arm, was der Französin eine Riesenangst einjagt. Einen Lidschlag später findet sie sich im Pokémoncenter wieder. „Merci beaucoup, Guardevoir!“, keucht sie und ruft ihr Pokémon zurück. Lucia kommt aus dem hinteren Bereich des Centers gerannt, in den Händen hält sie einen großen Wassereimer. „Was ´ast du vor?“, will Kuré wissen. „Maria wurde in meiner Gegenwart schon oft verletzt…oh Gott!“, dennoch scheint ihr der Atem weg zu bleiben, als sie sieht, was dieses Mal mit ihrer Freundin passiert ist. „Was ist mir ihrer Brust…?!“, fragt sie, ihr Gesicht verrät den Schock. „Mewtu war äs. Äs ´at gewartät, bies diesär Drache Maria geschwäscht ´at. Dann ´at äs ihr den Räst gegebän.“ – „Verdammt. Sie atmet nicht.“, Lee kniet sich vor seiner Freundin auf den Boden und legt seinen Mund auf ihre Lippen. Die eine Hand legt er auf ihren Bauch, drückt leicht, hält ihr außerdem die Nase zu. Irgendwas überrascht ihn, er nimmt die Hand hastig vom Bauch des Mädchens. „Ihr gesamtes Inneres ist zerstört.“, sagt er leise. Dann beginnt er mit der Mund-zu-Mund-Beatmung, obwohl ihre Lunge von mehreren Knochen durchbohrt ist. Er will Maria nicht aufgeben. Lucia übergießt den Körper der Braunhaarigen mit Wasser, Lee hält inne. Erst passiert nichts, in atemloser Anspannung warten die drei Trainer auf eine Reaktion. Als das Wasser sich endlich von allein anfängt zu bewegen atmet Lucia hörbar aus. Wie von Geisterhand versinkt die Flüssigkeit im regungslosen Körper Marias. Lee macht jedoch keine Pause und fährt mit der ersten Hilfe fort. Beim fünfzehnten Ausatmen hustet Maria laut. Ein ganzes Felsmassiv fällt Lee vom Herzen, er lehnt sich zurück. Knackend verschieben sich die malträtierten Knochen und Organe in der Brust seiner Freundin. Sie setzt sich auf, zittert dabei wie Espenlaub. Hinter Lee ertönen Schritte.
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    Ich befinde mich in einem Raum aus weißem Licht. Außer mir ist niemand hier, jedenfalls sehe ich niemanden. Es ist zu hell. Vor mir strahlt es noch heller als ringsum. Eine schemenhafte Gestalt erscheint inmitten dieses noch helleren Scheins. Meine Sicht klärt sich ein wenig, ich sehe besser. Sie winkt mir zu. Dort werde ich geborgen sein, sagt eine Stimme in mir. Ich muss zu dieser Gestalt. Langsam kommt sie näher. Ich höre, wie sie einen Namen ruft…ist es meiner? Aus irgendeinem Grund habe ich sofort Vertrauen zu ihr. Wenige Momente später kann ich sie erkennen. Es ist eine Frau, sie ist beinahe so groß wie ich. Außerdem hat sie dieselbe schlanke Gestalt. Ihre nachtschwarzen Haare fallen ihr bis auf die Schultern herab. Zu einem knielangen, ebenfalls schwarzen Rock trägt sie eine violette Bluse, an ihrem Hals funkelt eine goldene Kette. Ihre Füße stecken in weißen Schuhen mit flachem Absatz. Sie streckt die Arme nach mir aus. Ihr Gesicht ist wunderschön…ich komme ihr entgegen. Es wird wärmer. Der Blick ihrer hellgrauen Augen trifft mich. „Wer bist du?“ – „Jemand, der lange auf dich gewartet hat, Maria.“ – „Woher kennst du meinen Namen?“ – „Ich habe ihn dir gegeben…unsere Zeit ist noch nicht gekommen, meine Kleine.“, ihre Stimme wird leiser, sie faltet die Hände vor der Brust, eine andere Stimme mischt sich ein. ‚Wach auf. Sie sorgen sich alle.‘ – ‚Will nicht…es ist so schön warm hier.‘ – ‚Vergiss es. Geh nicht ins Licht! Du kannst noch nicht gehen, Sinnoh braucht dich!‘ – ‚Aber ich bin so müde…‘ – ‚Das bildest du dir ein.‘ – ‚Nein... Mama…‘ – ‚WACH AUF!‘.


    Die Last wird erleichtert, ein´ Atemzug lang.
    Wir behaupten uns weiter, kämpfen gegen sie an.
    Unsre Herzen, sie schlagen jeden Tag.
    Für nur das, woran keiner sonst glauben mag.


    Das letzte, was ich sehe, bevor ich aufwache, ist das Lächeln der Frau, das letzte, was ich höre ist eine weibliche Stimme, welche die vier Zeilen singt. Es klingt traurig. Eines ist mir gewiss: sie wird auf mich warten. Aber wer ist sie? Und wie kommt sie in meinen Kopf?
    Die Wärme wird von einem Sturm abgelöst, der durch meinen Mund, meinen Hals, meine Lungen strömt und mich bis aufs Innerste erkalten lässt. Ich schlage die Augen auf, kann wieder atmen. Gierig sauge ich die Luft ein. Darkrai hat im Geist zu mir gesprochen, ich habe ihn gehört. Aber die letzte Stimme war die von Lee. Wo bin ich? Ein Blick zeigt es mir. Im Pokémoncenter. Kuré, Pay, Lilith, Eva, Alfred, fast das gesamte Team ist hier, sogar der junge Trainer von vorhin, der mir mein Shirt zurückgibt. Er scheint vor all den anwesenden Menschen den Mund nicht aufzukriegen, so aufgeregt ist er. Nur Rocky und Manon fehlen. Ich sehe jedem nacheinander in die Augen, ziehe dann mein Shirt über. Lee lächelt mich an, er hält meine Hände. Lucia sitzt neben mir, aus irgendeinem Grund steht ein Eimer vor ihr. „Leute…wo kommt ihr denn alle her?“ – „Kuré hat uns hergebracht. Mit ihrem Simsala. Und die da alle auch.“, antwortet Eva und zeigt in die Runde. Mit „Wir“ meinte sie wie immer nur sich. „Eigentlich haben wir gerade die Stadt beschützt, aber dann ist dieses Riesenvieh aufgetaucht. Wir hielten es für besser, erst einmal eine Besprechung zu machen.“ – „Was war das eben? Wo kam Mewtu auf einmal her?“ – „Team Galaktik konzentriert immer mehr Kampfkraft in Herzhofen.“, berichtet Lilith. Ihre Augen huschen umher, als würde sie permanent nach Feinden suchen. „Was hatn dich wieder so plattgemacht?“, erkundigt sich Pay. Ich funkele ihn böse an. „Siata. Der vierte legendäre Drache aus Sinnoh. Darkrai, bitte.“. Mein Schatten löst sich aus dem Boden, Darkrai schwebt langsam in die Höhe. Das Team sieht ihn interessiert an, mit Ausnahme von Lee und Lucia, die meinen Partner ja bereits kennen.
    „Fett. Der sieht ja genial aus!“, findet der Rothaarige. „Ich seh dem schon an, wie der ballern kann, Mann…uh, ich habe gereimt…“ – „Cretin! Das iest ain Darkrai, natürliesch gann där…ballern.“ – „Yeah.“ – „Miau will nicht in den Kopf, was genau passiert ist.“ – ‚Also.‘, Darkrai spricht zu jedem gleichzeitig. ‚Dieser Drache heißt, wie Maria schon sagte, Siata. Normalerweise wohnt er in einer Spezialdimension, die Palkia für ihn öffnet, und kommt eher selten daraus hervor. Nur einmal in vielen Jahren kommt er zur Erde, um die Gravitation zu stabilisieren. Siata kontrolliert die Gravitation jedes einzelnen Gegenstands auf diesem Planeten. Darum kann er seine Gegner schwerelos oder tonnenschwer machen, was ihm im Kampf einen Vorteil verschafft. Im Grunde hätte er Maria eben sofort eine Million Tonnen schwer machen können, was ihren sicheren Tod bedeutet hätte. Aber grundsätzlich tötet er niemanden. Team Galaktik muss ihn irgendwie abgefangen haben, als er zur Erde kam. Wie sie das geschafft haben, ist mir ein Rätsel, weil niemand vor 150 Jahren aufgezeichnet haben kann, wo Siata sich aufgehalten hat. Und selbst wenn, dann wäre es noch nicht sicher, wann er wieder aufgetaucht wäre. Dieser Zeitraum kann 150 oder auch 200 Jahre groß sein.‘, sein blaues Auge fixiert Joana, die ebenfalls nur ein Auge zeigt, da das andere unter ihren pinkfarbenen Strähnen versteckt ist. Mir fällt ein, dass Joana wahrscheinlich mit Darkrai reden kann, so wie ich es normalerweise tue. Was sie wohl zu sagen hat? Mir kommt der letzte Moment des Kampfs in den Sinn. Wir hätten gewonnen. Wir hätten mit Sicherheit gewonnen! Aber Mewtu… mir wird schon ganz anders, wenn ich nur an dieses Wesen denke. Es hat Darkrai aber nicht gesehen, das heißt, den Vorteil haben wir noch. Wäre ich nicht verletzt worden, hätte das Schattenwesen es besiegt.
    Auf jeden Fall sieht es bisher so aus: Maria und ich hätten es beinahe geschafft, seinen Schild zu durchbrechen. Mewtu kam uns in die Quere. Dank Kuré lebt Maria noch. Beim nächsten Mal werde ich gegen Mewtu kämpfen.‘, schließt der lebende Albtraum. Ich stehe auf, stelle erleichtert fest, dass meine Beine nicht mehr zittern, und verneige mich tief vor Kuré. „Ich danke dir.“, sage ich leise. Mit ernstem Gesicht richte ich mich wieder auf. Kuré lächelt warmherzig. „Du ´ättest dasselbe für miesch getan.“ – „Dennoch. Ohne dich…“, ich stocke. Der Gedanke macht mich beinahe fertig. Nur der Druck von Lees Hand beruhigt mich. Ich hole tief Luft. „Ohne dich wäre ich nicht mehr hier. Gegen Siata UND Mewtu hat nicht einmal Darkrai eine Chance. Der Plan sieht wie folgt aus.“, in meinem Hirn entstehen Diagramme, Wahrscheinlichkeiten und Risikoberechnungen, verschmelzen, lösen sich auf und fügen sich neu zusammen. Ein Plan entsteht. „Wir müssen Sonnewik und Jubelstadt befreien. Eva, Kuré und Alfred gehen nach Jubelstadt. Lee, Lucia und ich nehmen uns Sonnewik vor. Hagane und Tai, ihr helft Pay, Lilith und Chief, Herzhofen zu schützen.“, ich werfe den beiden einen Blick zu, Hagane nickt knapp. „Cat und Joana, ihr müsst auch hier bleiben. Siata und Mewtu sind gefährlich. Jeder, der kämpfen kann, ist ein Vorteil für uns.“ – „Aye, Boss-Lady!“, ruft Cat fröhlich, Joana schließt ihr Auge und scheint nachzudenken. „Team Galaktik wird immer gefährlicher.“, murmelt Eva. Da kann ich ihr nur zustimmen.
    „Also dann. Seid ihr bereit, diese Plagen aus unserer Region zu verscheuchen?“, frage ich und recke eine Faust in die Höhe. Alle bis auf Alfred erwidern die Geste, der Gentleman nickt nur einmal würdevoll. „JA!“, schallt es mir entgegen. Grimmig drehe ich mich um. Als ich das Pokémoncenter verlasse, strahlt die Vormittagssonne zwischen zwei Gebäuden auf mich herab und zwei Autos fahren an uns vorbei. Eine leichte Brise fährt durch mein Haar. Von meinen Gegnern ist nichts mehr zu sehen. Es geht los.

  • Soo, ich wollte hier nur noch mal eben das neue Kapi posten, weil es genau ein Jahr her ist, dass ich diese Story begonnen habe. Lustigerweise habe ich auch gerade wieder mit Fairy Tail begonnen, da mir einige Folgen fehlten :P Aber das tut nichts zur Sache. Nach diesem Kapitel werde ich erst in 2 Wochen wieder posten, da ich noch eine andere Story begonnen habe. Viel Spaß!



    Kapitel 46
    Kampf der Elemente


    16.7.2009


    Ganz so schnell geht es wohl doch nicht. Auf Evas Geheiß hin stehen Pay und ich uns gegenüber, der Kampfplatz ist ein kleiner Park hinter dem Pokémoncenter. Die Bäume funkeln beinahe schon im einfallenden Sonnenlicht, das sich in den Blättern der Wipfel bricht. Das Gras am Boden wird ab und zu von leichten Windzügen gestreichelt. Außer uns beiden und Rockys Team ist niemand hier. „Wir finden, da Rocky geplant hat, euch zusammen einzusetzen, solltet ihr kämpfen, um zu testen, was die Schwachstellen des jeweils anderen sind.“, sagt die Blonde. Sie hat Recht, auch wenn wir hier Zeit verlieren, kann uns das, was wir gleich lernen werden, später von großem Nutzen sein. Die Regeln: keine Pokémon. Pay grinst von einem Ohr zum anderen, endlich steht unser lange ersehnter Kampf an. Lang ersehnt von ihm- ich selbst weiß, wie kurz er sein wird. Aber unterschätzen werde ich den Hitzkopf nicht, das steht fest. „BWAHAHA! Ich hatte schon lange gehofft, dich mal auseinander nehmen zu können!“ – „Nur, weil du jetzt Zündhölzchen spielst, bist du noch lange nicht so gut wie ich.“ – „Zündhölzchen?! Ich hab mindestens so viel Power wie du, hm!“, wie um sich selbst zu bestätigen nickt er mit dem Kopf. Ich lächele kalt. „Natürlich. Ich glaube, du überschätzt dich gewaltig. Lass mich dir die Kluft zeigen, die zwischen uns liegt!“.
    Ansatzlos springe ich auf die Säule aus Eis, die dank meiner Kraft unter mir entsteht. Mit lautem Knacken wächst das eisige Monument 5 Meter hoch, dann bleibt es stehen. Dort, wo das Eis dem Boden entwachsen ist, wird Staub aufgewirbelt. Mit verschränkten Armen sehe ich auf Pay herab. „Dann zeig mal, was du draufhast, Kleiner.“ – „Okay!“, er stößt beide Fäuste in meine Richtung, zwei Flammenstrahlen rasen auf mich zu. Mit einer lässigen Handbewegung lasse ich einen Teil meiner Säule flüssig werden, das Wasser blockiert dem Feuer den Weg. Es zischt laut, dampfend löst sich Pays Angriff auf. „War das schon alles?“ – „Noch lang nich!“, mit dem nächsten Angriff überrascht er mich. Beide Fäuste zeigen auf den Boden, Feuer strömt daraus empor. Doch die rote Farbe verändert sich, die Flammen werden erst violett und dann blau. Pay hebt ab. ‚Er benutzt das Feuer wie einen Raketenantrieb!‘, fährt es mir durch den Kopf. Doch er wird sich etwas Besseres einfallen lassen müssen, wenn er mich besiegen will. „Sie haben mich vergiftet.“, sage ich und springe ab, fliege mit einem Salto über Pay hinweg, als er auf die Säule zurast, die linke Faust vorzieht und das Eis mit einem Hieb zum Schmelzen bringt. „Sie haben mir Lee weggenommen.“, ich komme auf dem Boden auf. „Sie haben mir so ziemlich jeden Knochen gebrochen, den ich habe, und du denkst, du könntest auch nur ansatzweise mit mir mithalten? Ekitai Shojou!“, eine ganz leise Stimme in meinem Hinterkopf ruft mir zu, ich sollte nicht 100% geben, aber Pay hält sich auch nicht zurück. In einer einzigen, geschmeidigen Bewegung dreht er um und rast wieder auf mich zu.
    Meine Kleider fallen zu Boden, als ich mich wieder in Wasser verwandele. Seine Fäuste rasen durch mich durch, es kribbelt überall. Ich reiße die Augen auf. Mein Körper verdampft! Die Sicht meiner Augen zersplittert, ich sehe alles irgendwie aus vielen verschiedenen Sichtwinkeln. Der ganze Platz liegt unter, neben, über und vor mir, es ist so viel auf einmal, dass es mich beinahe den Verstand kostet. Ich kneife die Augen zusammen, doch es hilft nichts, weil ich keine richtigen Augen mehr habe. „Maria!“, Lucias Schrei tönt über das Feld, natürlich sehen die anderen Trainer alle genau zu. „Ha! Was sagste jetz?“ – „Pay, übertreib es nicht.“, warnt Lee ihn. „Ich sage…du hast noch viel zu lernen.“, will ich antworten. Zu meiner Überraschung ertönen die Worte tatsächlich. Mein Mund scheint ebenfalls überall und nirgends zugleich zu sein. Die Stimme, welche diese Worte ausspricht, klingt ätherisch, fast wie ein Geist. Aber es ist immer noch unverkennbar meine. Der Rothaarige zuckt zusammen. „Was zum!“ – „Lee, sorge dich nicht.“, beruhige ich ihn. Unser Team reagiert zuerst irritiert, dann geschockt und schließlich ungläubig und überwältigt. Lee und Joana sind die ersten, die sich wieder fassen.
    „Ekitai Shojou. Natürlich.“, meint Eva. „Sie ist zu Wasser geworden, und wenn man Wasser stark erhitzt, verschwindet es nicht- es verdunstet! Maria ist der Nebel, der dort in der Luft schwebt!“, sie zeigt auf mich. Auf einen Teil von mir. Ich sehe mich selbst, jedes kleine Wassertröpfchen hier gehört zu meinem Körper. Pay erstarrt. „Was?! Unfair!!!“, beschwert er sich. „Dann kann ich ja gar nicht gewinnen!“ – „Ganz Recht.“, antworte ich. Wenn ich könnte, würde ich grinsen. Aber es raubt viel Kraft, ich spüre, wie ich permanent schwächer werde. Ekitai Shojou ist nicht umsonst meine stärkste Technik. Der Preis ist hoch. Ich konzentriere mich darauf, wieder zu einem menschenähnlichen Wesen zu verschmelzen. Meine Nebelform verdichtet sich, kurz darauf stehe ich als Wassermädchen vor meinem Gegner. Wie am See damals bricht sich das Sonnenlicht in meinem Körper. Es funkelt und glitzert in mir. Pay kneift die Augen zusammen. „Blend mich nich! Ich denk mir was aus.“ – „Gut. Aber schnell.“, nach diesen Worten renne ich auf ihn zu, mit dem gesamten Schwung führe ich eine schnelle Drehung aus und hebe das rechte Bein, mit dem Knöchel ziele ich auf seine Leistengegend. Pay aber duckt sich ein wenig, blockiert den Kick mit seinem Arm, holt seinerseits aus und will mir einen Schlag in den Bauch verpassen, seine Faust fährt durch meine Brust. „Huch, das kitzelt.“ – „Mach das aus, das is nich fair!“ – „Vergiss es.“, ich lasse meine Brust gefrieren, seine Faust steckt fest. „Ey!“ – „Ätsch.“. Mein nächster Tritt trifft ihn am linken Knie und lässt ihn einknicken. Eine derartige Kraft hat er in meinen Beinen nicht vermutet, wie ich seinen aufgerissenen Augen entnehme. Er dreht mir den Kopf zu und reißt den Mund auf. Eine Flammenwalze prasselt mir entgegen und lässt mich erneut verdampfen. Sein Arm kommt frei. Einmal mehr sehe ich alles komplett zersplittert und jeden nur erdenklichen Winkel meiner Umgebung. Einen Grashalm. Darüber Cats Gesicht. Ein Auge. Von wem, weiß ich nicht. Ein Staralili fliegt vorbei, ich sehe es in drei Splittern zugleich. Einmal von unten, einmal von der Seite und einmal in einem schiefen Blickwinkel. Hoffentlich werde ich nicht wirklich noch wahnsinnig deswegen.
    „Gott. Wie stur du bist.“, lache ich und nehme wieder feste Form an. Es dauert nicht mehr so lang wie beim ersten Mal. Ich erlange immer schneller größere Kontrolle über meine Macht. Während er keuchend am Boden kniet, gehe ich zu meinen Kleidern herüber, lasse meinen Körper zu Eis werden und ziehe mich an, bevor ich mich in einen Menschen zurückverwandele. „Was machste? Willste nich mehr?“ – „Ich werde Ekitai Shojou nicht mehr benutzen. Ich kann nicht getroffen werden, doch wenn ich angreife, lässt du mich verdampfen. Das bringt uns nicht weiter. Außerdem hast du schon 2 Mal einen Teil von mir eingeatmet.“ – „WAS?!“, er sieht aus, als würde ihm schlecht werden. „Welchen?!“ – „Sage ich nicht. Ist das wirklich so schlimm?“ – „Kein Kommentar! Du machst mich fertig!“ – „Klar mache ich das. Ab jetzt nur noch Nahkampf?“ – „Wie du willst.“. Wir stehen uns gegenüber. Meine Wut ist mit meinem Körper eben verdampft. Ich habe gezeigt, dass Welten zwischen uns liegen, was die Fähigkeiten angeht. Er kreuzt kurz die Arme vor der Brust, baut irgendwie noch einmal mehr Kraft auf und nimmt eine Art Kampfhaltung ein. Beide Fäuste hebt er knapp bis unters Kinn wie ein Profiboxer, tänzelt sogar ein wenig auf der Stelle. „Wie süß. Wo hast du das gelernt?“, frage ich und setze den linken Fuß vor. Die Rechte winkele ich am Körper an, die linke Hand strecke ich mit der Handfläche nach vorn in Pays Richtung. Arme und Beine lasse ich jeweils leicht gebeugt, damit ich schneller in andere Positionen gehen kann, wenn es nötig ist. „Deine Schwächen: du denkst nicht nach. Haust immer nur, so fest du kannst, drauf.“, sage ich, als ich einem Hieb durch einen Sprung ausweiche, über Pay hinweg fliege, hinter ihm aufkomme und ihm mit der flachen Hand einen Stoß gegen den Rücken versetze. Er stolpert, fährt zu mir herum. „Du weißt nie, was dein Gegner planen könnte.“, ich erschaffe eine Fessel aus Eis, die sich um seinen Knöchel schlingt, doch er bewegt nur den Fuß leicht, und sie verdunstet. Er kann am ganzen Körper Hitze austreten lassen? Interessant. „Deine Stärken: dein Feuer ist extrem stark, das habe ich nicht erwartet. Deine kleine Flugnummer kann den Gegner überraschen. Du kannst ein Kampffeld extrem erhitzen, wenn du willst. Aber ich bin die falsche Gegnerin.“. Mit aller Kraft holt er aus, reißt den rechten Arm vor. Ich kann den Schweiß auf seiner Stirn sehen, die pure Anstrengung in seinem Gesicht, die Muskeln unter seinem Shirt, die bis zum Zerreißen gespannt sind, und das in einer Millisekunde. Wenn ich nicht blocke, bricht er mir den Brustkorb, das steht fest. Durch Ekitai Shojou bin auch ich schon erschöpft, Ein warmes Rinnsal fließt mir den Rücken herab. So stark habe ich seit dem Kampf am See nicht mehr geschwitzt. Pay kann sich nicht beherrschen, sein Arm entflammt vollends. Bevor der Hieb mich trifft reiße ich mein Bein hoch, die Luft um mein Schienbein herum gefriert, eine Schiene aus komprimiertem Wasser legt sich um meine Wade.
    Feuer trifft auf Wasser, die beiden Elemente löschen sich gegenseitig aus. Eine Wolke aus weißem Dampf hüllt uns ein.
    Die dann entstehende Druckwelle fegt den Dunst beiseite, zerzaust mir das Haar und schleudert mich, genau wie Pay, einige Meter rückwärts. Mein Bein fühlt sich taub an. Der Rothaarige hält sich den Arm.
    „Deine Schwächen: du redest zu viel!“, ächzt Pay, als er sich hochrappelt. Ich stütze mich auf den Ellbogen ab, die Beine habe ich ausgestreckt. Dann muss ich lachen. „Ja, das tue ich. Aber das sollte ein Übungskampf sein, denk dran. Hätte ich wirklich alles gegeben, würdest du nicht mehr aufstehen können. Ich kann dir jede Körperflüssigkeit entziehen, die du hast.“ – „KANNST DU DAS ANDERS AUSDRÜCKEN?!“ – „Ich dehydriere dich.“ – „So meinte ich das nich!“ – „Weiß ich. Aber meine Kräfte übersteigen die deinen bei Weitem, nach dem, was ich jetzt gesehen habe. Du nutzt nicht einmal 50% deiner Möglichkeiten, denke ich.“ – „Was? Wieso nicht?“ – „Überleg doch mal. Du erschaffst Feuer, indem du Hitzeenergie kanalisierst. Mit Hitze kann man viel mehr anstellen als nur Feuerstöße zu entfachen. Denk darüber nach, und wenn du der Meinung bist, du reichst an mich heran, kämpfen wir wieder.“. Er sieht tatsächlich nachdenklich aus und legt sich die Hand auf den Bauch.
    Ob er darüber nachdenkt, dass sein gesamter Körper die Hitze leiten kann? „Ich hab Hunger.“. Innerlich stöhne ich auf. Scheinbar doch nicht. Lee hilft mir hoch. Als Pay einen Schritt macht, richte ich die Hand auf ihn und suche den Kontakt zum Wasser in seinem Körper. Ich finde ihn und halte seine Muskeln fest. Schlagartig bleibt er stehen. „Was…“ – „Ich kann durch das Wasser in dir deine Bewegungen kontrollieren. Ich wollte dir nur demonstrieren, wieso du momentan keine Chance hast.“. Ich lasse ihn wieder los. Der Kampf ist vorbei.
    //


    Ein wenig später, westlich von Herzhofen
    „Wär ich dabei gewesen, wäre das Mewtu jetzt ein Häufchen Asche! Hm!“, Pay ist trotz der kleinen Demütigung durch Maria wieder in prächtiger Stimmung. Er, Lilith und der Chief sind auf dem Weg nach Jubelstadt, dazu müssen sie den Kraterberg überqueren. Kuré hatte sich angeboten, ihnen mit Teleport zu helfen, aber sie wird bei der Verteidigung Herzhofens gebraucht. Es erschien allen klüger, wenn das Team um Pay sich der Bedrohung in Jubelstadt annimmt, da die anderen drei eine höhere Mobilität haben. Ein Großteil des Teams beschützt Sinnohs größte Stadt vor der galaktischen Bedrohung. „Natürlich, mein Liebster. Geht es dir auch gut?“, Lilith ist scheinbar egal, ob das, was Pay von sich gibt, der Realität entspricht, solange sie an seiner Seite sein kann. Wie immer hat sie sich bei ihm untergehakt. Aufgrund der Hitze trägt sie bloß ein hellgrünes Sommerkleid, auf Sandalen verzichtet sie sowieso fast immer. Manchmal meint der Chief in ihren Augen den Wahnsinn zu erkennen, vor dem er gewarnt wurde, doch solange die Schwarzhaarige sich in Gegenwart Pays aufhält, scheint sie ausgeglichen zu sein. „Klar! Ich muss einfach lernen, den Feuer-Modus zu aktivieren, dann gibt es kein Wasser mehr in mir, was sie kontrollieren kann.“, grinst Pay. Müde blickt der Chief nach vorn. Rechts sieht er nichts als Hügel, die schon in kleine Felsen und Berge ausufern. Links erstrecken sich weiter Wiesen, in einigen Kilometern sind die grünen Wipfel eines Waldes auszumachen. Die Route, auf der sie laufen, ist sehr staubig, jeder Schritt lässt kleine Wolken entstehen. Vorhin sind ihnen zwei hübsche Squaws begegnet, die der Chief gern näher kennen gelernt hätte, aber der Auftrag geht momentan vor. ‚Wenn sie diese Rothaarige wenigstens mal in mein Team stecken würden, Mann…‘, sinniert er, doch der Gedanke ist müßig. Kuré hat mit ihren Psychopokémon ganz andere Aufgaben als er. Der Chief schüttelt kurz den Kopf und weicht einem kleinen Schlagloch aus.
    Die beiden scheinen perfekt zueinander zu passen, Lilith gibt Pay einen weiteren Ego-Schub, während er ihr Angebeteter ist. Beide sind glücklich, so, wie es ist. Chief muss grinsen. Irgendwann gibt es auch ein Mädchen, das zu ihm passt, da ist er sicher. Der Manitou lässt niemanden allein. „Wie ist eigentlich unser Plan?“, will Pay eine Stunde später wissen, als der Kraterberg in Sicht gekommen ist. „Team Galaktik hat den Hauptsitz der Pokétch Company in Beschlag genommen. Wenn wir sie da rausballern, ist Ruhe, schätz ich.“ – „Das klingt noch schön. Ganz nach meinem Geschmack! BWAHAHA!“ – „Aber wir können das Gebäude nicht zerstören, sonst vernichten wir Pokétch-Geräte in unbekannter Anzahl!“, wirft Lilith ein. „Hm. Das istn Problem.“, Pay überlegt kurz. „Wer von euch will n Pokétch?“ – „Ich. Das neuste Modell, Mann.“ – „Wäre nicht schlecht…ich hatte auch daran gedacht.“ – „Gut, dann holn wir uns noch drei davon und DANN zerballern wir das Ding, wie klingt das?“. Auf diese Antwort seufzt Chief nur. „Nurn Witz!“, lacht Pay. „Aber mal ernsthaft, Leute, das ist kein Problem für uns. Die andern halten Mewtu und Siata in Herzhofen, die sind da gut beschäftigt. Sonnewik wird von Maria heimgesucht, da können sich die Galaktiker auch schon mal Särge bestellen. Und…“ – „Hat sie nicht gesagt, sie will keine mehr töten, Mann?“ – „Ach was. Nach der Aktion da vorhin ist ihr Selbstvertrauen angekratzt. Sie muss sich wieder profilieren, schätz ich.“ – „Profilieren, Mann?“ – „Mittlerweile kennst du sie doch relativ gut. Ihr Ego war früher so groß, dass sie jeden gedemütigt hat, der es wagte, sie zum Kampf herauszufordern.“, antwortet Lilith. Ihre schwarzen Augen blicken Chief an. „Aber doch jetzt nicht mehr.“ – „Das mag sein. Aber ihre Wut auf Siata und Mewtu ist darum nicht geringer. Du wirst schon sehen, bald macht sie Ernst. Und dann will ich nicht in ihrer Nähe sein.“.
    Chief versinkt in Gedanken. Was weiß er denn schon von Maria? Sie ist eine exzellente Trainerin, und manche von denen, die Rockys Team beigetreten sind, haben diese Entscheidung nur wegen der Braunhaarigen getroffen. Er selbst wollte sie über das ausfragen, was im letzten Frühling passiert ist. Aber bisher kam er nicht dazu. Von Rocky hatte er erfahren, dass Maria eine Ganovin aus Team Rocket umgebracht hat, kurz nachdem Lee entführt wurde. Mittlerweile hat sie sich aber unter Kontrolle…oder nicht? Wie auch immer, er würde nicht weiter darüber nachdenken. Viel wichtiger ist der Auftrag in Jubelstadt. Die Galaktiker haben auch dort das Portersystem angezapft, also müssen sie den Stützpunkt der Gangster komplett zerstören. Kein Problem. In den letzten Wochen hat das Zisch-Zisch-Knall-Bumm-Team fast permanent trainiert. Niemand sollte sich ihnen in den Weg stellen können, ohne schwere Schäden oder eine Niederlage davonzutragen. Pay war immer der Kern des Trainings, er führt den Angriff an, und inoffiziell ist er auch der Anführer der Dreiergruppe. Lilith und Chief halten ihn meist von unüberlegten Aktionen zurück, doch wenn er gar nicht mehr zu bremsen ist, kann ihn niemand stoppen. Und wenn sie alle drei zur Attacke blasen, geht das Geballer erst richtig los, wie Chief immer sagt. Im Nachhinein findet der Trainer, dass Rocky die richtige Teamaufteilung vorgenommen hat. Diese beiden sind extreme Angriffsexperten, mit Strategie hapert es beim Zisch-Zisch-Knall-Bumm-Team zwar meist, aber dafür sind ihre Kämpfe viel zu kurz. Eine heftige Attacke- dann ist oft Schluss.
    Vielleicht hätten auch Maria und Lee gute Teamkollegen abgegeben, aber mit Wassertechniken kann sich der Chief nicht so gut anfreunden. Mit Eis ebenso wenig. Sein Blick wandert zu Lilith. Er hat mitbekommen, dass sie, Eva und Maria alte Freundinnen sind. Wo haben sie sich wohl kennen gelernt? Und wieso fragt er Lilith nicht einfach? Irgendetwas hält ihn davon ab, irgendwie ist ihm das Mädchen unheimlich. Auch nach all diesen Tagen und Nächten, die sie zusammen verbracht haben. Sie erzählt von sich aus eigentlich nie etwas, nur manchmal, wenn sie nachts am Lagerfeuer sitzen und über dieses und jenes reden, dann taut sie ein wenig auf. Mehr als ein bisschen Smalltalk ist aus ihr aber nicht herauszukriegen. Pay hingegen, das hat der Chief schon lange erkannt, ist ein guter Kumpel, der auch merkt, wenn der Chief lieber stille Zwiesprache mit dem Manitou halten will. Es gab schon viele Stunden, in denen sie nur schweigend nebeneinander saßen, ohne dass sie sich dabei unwohl gefühlt hätten. Ihre Umgebung wird zusehends felsiger. Hier fühlt Chief sich wohl. Steine, Felsen, Steppen, das ist seine Welt. Je steiniger der Untergrund, umso stärker die Felskante- umso besser kann Rihornior ballern. Perfekt. „Yo, Leute?“ – „Wasn, Mann?“ – „Wie wärs, wenn wir uns echt langsam mal ne Siegerpose ausdenken? Maria und Lucia habn auch eine!“ – „Wozu, Mann? Das hatten wir doch schon diskutiert. Dafür haben die keine Spezialtechnik und keinen Namen für ihre Gruppe.“ – „Hm. Hast auch wieder recht.“, überlegt der Feuertrainer. Dann wird er aus seinen Gedanken gerissen. Es wird schlagartig kälter, obwohl Sommer ist. Wolken ballen sich zu gigantischen Massiven aus Wasserdampf zusammen. Der Himmel verdunkelt sich. Hagelkörner fallen herab, erst wenige, dann ein paar mehr. „Hä? Was gehtn ab?“, wundert sich Pay. „Dort.“, mein Lilith, ihr ausgestreckter Finger weist auf einen hohen Felsen, der ungefähr 50 Meter vor ihnen steht. Ein Rexblisar starrt sie an. „N Rexblisar? Soll ich den plattmachen?“ – „Nein, wir gehen einfach weiter, Mann. In der Umgebung des Kraterbergs sind die öfters mal da, nur find ich es komisch, dass es so weit runtergekommen ist…“ – „Ruhe. Es sind Menschen hier.“, warnt Lilith ihn. Sie schließt die Augen. „Ungefähr 30. Sie kommen schnell näher. Sie rennen.“. Woher Lilith das weiß fragt niemand. Sie trägt nie Schuhe, damit sie, wie sie sagt, mit der Erde sprechen kann. Chief hat das noch nie bezweifelt, in seinem Heimatland gibt es dafür Schamanen. Doch Lilith scheint das anders hinzukriegen. Irgendwie spürt sie selbst geringste Vibrationen im Boden.
    Nach ein paar Momenten bestätigen sich Liliths Worte. Eine große Ansammlung Galaktiker erscheint vor den drei Trainern. Der Anführer stellt sich auf den Felsen neben Rexblisar, er hat aufwändig geformtes, golden leuchtendes Haar, welches auf dem Kopf mehrere Strahlen bildet. „Wiiiiiiiir hatten Glück.“, das „wir“ singt er in einer sehr hohen Tonlage, legt sich dabei eine Hand an den Hals. Allgemein scheint mit seinen Stimmbändern etwas nicht in Ordnung zu sein: eine so hohe Stimme hat Pay noch nie bei einem Mann gehört. Der Rothaarige prustet ungeniert los. „BWAHAHA! Wasn das! Seid ihr unsere Gegner?“ – „Ungehobelter Mistkerl!“, schimpft einer der Galaktiker neben dem Sänger von vorher. „Du wagst es, Officer Solaris zu beleidigen?“. Chief merkt sich die Betitelung. „Officer“? Waren ihnen nicht alle Officer mittlerweile bekannt? Möglicherweise ist der Typ der Ersatz für die Frau, die im Kampf gegen Manon ein selbstzerstörerisches Gift benutzte, um sich selbst zu verstärken. „Wat? DER DA istn Officer?“ – „Jaaaaaaa!“, singt Solaris und sieht mit mitleidigem Blick auf Pay herab. „Wir haben diesen Kampfplatz gewählt, damit deine Feuerkraft geschwächt wird, da Kälte dir schaden sollte.“, erklärt er. „Wieso verrätst du mir das?“ – „Weil du eh keine Chance mehr hast!“ – „Hm. Aber Maria wiederum profitiert von Kälte, und wenn die hier gleich aufkreuzt dann habt ihr schon verloren, oder?“ – „Was? Maria ist hier? Lasst mich eben telefonieren.“. Unsicherheit macht sich unter den Galaktikern breit. Pay fragt sich, ob das mit der Kälte stimmt. Bisher hatte er sein Feuer oben in Blizzach trainiert, und da ging das schon gut ab. Ob es in der wärmeren Region hier unten noch stärker ist?
    Solaris nimmt von einem seiner Bücklinge ein kleines Handy in Empfang. Lilith beugt sich zu Pay herüber. „Was sind das für Clowns? Soll ich sie fertig machen?“ – „Nee, wart ma, wird gleich witzig, wenn se merkn, dass Maria nicht herkommt.“, antwortet er. Ein Blick nach hinten zeigt, dass der Chief den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen gen Himmel gerichtet hat. Bevor Pay einen Entschluss treffen kann, ist Solaris fertig. „Du hast mich angelogen!“ – „Joa, stimmt.“ – „DU GIBST DEINE LÜGE EINFACH SO AUF?!“, tönt es vielstimmig aus den Reihen der Galaktiker. Sie können nicht glauben, was für einen leichtfertigen Gegner sie haben. Der Rothaarige grinst nur. „Du nimmst mich nicht ernst, fürchte ich.“, Solaris schüttelt sacht den Kopf. Die Strahlen folgen der Bewegung scheinbar nur widerwillig. Irgendwie sieht der Kerl lustig aus, findet Pay, so mit einer Anemone auf der Birne. „Richtig geratn! Findet ihr es nicht irgndwie doof, mit nem Rexblisar gegen zwei Feuertrainer anzutreten?“ – „Auf dein Element sind wir bestens vorbereitet! Meine Vasallen, los! Jetzt stiiiiiiiiirb!“, der Officer hat genug von diesen Spielchen, der rechte Arm weist auf Pay, sämtliche Galaktiker rufen Eis- und Wasserpokémon. Pay und Lilith machen sich bereit zum Kampf, tasten nach den Pokébällen. Chief streckt die Arme vor, langt zwischen den beiden hindurch, packt Liliths rechten und Pays linken Arm und zieht die beiden ein kleines Stück zurück. „Lasst mich das machen, Mann.“ – „Aber gegen Wasser…“ – „Die kennen die Kunst nicht, Mann, die Kunst…sie haben nie das Ballern gelernt, so wie ich.“. Mit trägen Bewegungen macht der Chief einige Schritte vor, steht nun vor seinen Teamkollegen. Einige Galaktiker, die nicht bei Saturns Präsentation dabei waren, fragen sich, wer der Typ ist. „Kämpfen die alle drei mit Feuer?“ – „Nein, das muss dieser Indianer sein. Der „Chef“ oder so.“ – „Chief?“ – „Genau.“. Eine wahre Sturmflut von Surfer-, Aquawellen-, Siedewasser-, und Kaskadeattacken wird auf ihn abgefeuert. ‚Oh, Mann…so viel Wasser hat es noch nie abbekommen.‘, denkt Chief. Wen er mit „es“ meint, wird deutlich, als er sein Wielie ruft. Die steinerne Pflanze hat die Eigenart, die erste Technik des Kampfes selbst zu entscheiden, und sie wählt aufgrund ihrer ewig durstigen Natur immer den Verwurzler. Krachend rammt sie ihre Wurzeln in die Erde und sieht dann die Meute auf sie zustürmen. Gierig sperrt sie die Blätter auf. Eine Explosion aus H2O erfolgt, als sämtliche Attacken auf einmal das Wielie vom Chief treffen.
    „Hahaha! Was sagst du nun?“, will Solaris wissen. Sein selbstgefälliger Gesichtsausdruck schwindet, als man ein ekelerregendes Schlürfgeräusch hört, welches von dort kommt, wo die ganzen Attacken eingeschlagen sind. Die Pokémon der Galaktiker positionieren sich wieder vor ihren Trainern. Jugong, Kappalores, Garados, Walraisa, viele Arten des wässrigen Elements sind vertreten. „Seit wann kann ein Wielie Sturmsog?“, will Solaris entgeistert wissen. Daraufhin erwidert Chief nichts. Er lacht nur leise. „Oh, das waren so viele Attacken, Mann, ich kam gar nicht mit dem Zählen hinterher… Wielie, Energieball. Baller sie um.“. Wielie saugt das gesamte Wasser auf. Nicht nur die Attacken, die es direkt getroffen haben, nein, auch die Pfützen, welche die Blindgänger hinterlassen haben. Die Augen hinter Wielies Kopfschutz glühen in düsterem Rot. Grüne Energie sammelt sich vor seinen Blütenblättern, jedes einzelne davon beginnt zu leuchten. Insgesamt hat das Wesen acht Blätter, acht grüne Strahlen, die einen Kontrast zum Rot der Augen bilden, schießen daraus hervor. In irrsinnigem Tempo überbrückt die Energie die Distanz zwischen dem Auslöser der Attacke und den Zielen. 8 Energiebälle schlagen unter den Wasserpokémon ein. Die Explosion ist gigantischer als die, welche vom Wasser vorher ausgelöst wurde. „Whoa! Ich dachte, du wärst n Steintrainer!“, entfährt es Pay. „Bin ich, Mann. Wielie ist ein Steintyp.“ – „Hups. Hatte ich vergessn.“ – „Tun viele, Mann.“. Wielie hat die Hälfte seiner Gegner auf einen Schlag besiegt. Seine Power muss durch all die Attacken, die es aufgesaugt hat, ins Unermessliche gestiegen sein. „Neeiiiiiiiin!“, kreischt Solaris, als er sieht, was der Chief mit seinen Bücklingen getan hat. „Sind die alle unbesiegbar?!“, brüllt einer der Galaktiker. „Das, was ich am See der Stärke erlebt habe war heftig, aber ich dachte, die andern wären schwach!“ – „Lasst jetzt nicht den Mut sinken, meine Vasallen!“, die hohe Stimme von Solaris nervt Pay langsam. Er stößt die linke Faust vor, ein Flammenstoß löst sich aus ihr und besiegt Rexblisar mit einem Treffer. Stille kehrt ein. Im nächsten Moment sind die Galaktiker samt ihrer Pokémon verschwunden, eine große Staubwolke markiert ihren Fluchtweg. Das Letzte, was Lilith hört, ist das Versprechen von Officer Solaris: „Wir kommen wiiiiiiedeeeeer!“.
    „HAHAHA! Geil, Mann! Habt ihr gesehen, wie ich den von hier aus plattgemacht hab?!“ – „Ja, Liebster. Officer Solaris…die einzige Solaria hier bin ich. Diese Zumutung werde ich ihn ganz langsam und qualvoll büßen lassen.“ – „Mann, die kennen die Kunst nicht…“ – „Was jetzt? Weiter nach Jubelstadt?“ – „Ja. Maria würde…“, Lilith unterbricht sich, als ein langer Helikopter mit zwei knatternden Rotorblättern über die hinweg fliegt. Ein gelbes G ziert die Seiten des sonst schwarzen Fluggeräts. „Das waren sie. Was wolltest du sagen?“ – „Maria würde…hätte sie nicht entkommen lassen.“ – „Hm. Pff! Und wenn schon. Die kommen wieder, wie der eine Typ da gesagt hat. Was für ne Witzfigur! Das muss ich sofort den andern auf die Nase binden.“, er zückt das Handy, drückt auf die Rückruftaste und startet eine Konferenz.
    „Rocky am Apparat!“ – „Hey, Leute! Ratet mal, wer eben 30 Galaktiker und ein Rexblisar auseinander genommen hat!“, tönt Pay. Chief lacht müde. „Das Zisch-Zisch-Knall-Bumm-Team, natürlich.“, sagt er. Marias Stimme dringt aus dem Hörer. „30 Galaktiker? Wo seid ihr gerade?“ – „Kurz vor dem Kraterberg.“, antwortet Lilith. „Sie haben uns aufgelauert. Und sie hatten eine große Ansammlung Wasserpokémon dabei.“ – „Das heißt…sie lernen dazu.“ – „Exakt, Lee. Pay, wieso seid ihr auf dem Weg zum Kraterberg?“, will Rocky wissen. „Ouh. Naja, Maria hatte einen Zusammenstoß mit Siata, und…“ – „Das weiß ich. Cat hat mich soeben über das informiert, was hier passiert ist. Aber von einem neuen Plan hat sie nichts erwähnt.“ – „Wo warste denn ebn, Rocky?“ – „In Herzhofen. Nachdem Kuré uns geholt hat, bin ich los, um Sophie zu suchen, aber sie hat wahrscheinlich zu viel zu tun. Die Stadt ist ein einziges Schlachtfeld.“ – „Hm. Also, Maria und Lee sind nach Sonnewik, um die Galaktis da rauszuklatschen. Wir selbst wollen dasselbe in Jubelstadt tun. Also: Chief, Lilith und ich.“ – „Gut. Der Rest ist in Herzhofen?“ – „Nein, Officer. Ich bin bei Maria.“. Die Stimme Lucias meldet sich zu Wort. „In Ordnung. Ich erwarte eure Berichte heute Abend.“ – „Geht klar!“, antwortet Pay. Maria denkt jedoch noch nicht dran, aufzulegen. „Cat?“ – „Ja, Boss-Lady?“ – „Wir telefonieren gleich weiter. Ich habe ein paar Fragen zu deinem Kampfstil.“ – „Okay.“. Pay legt auf. „Was hat Maria mit Cat vor?“ – „Schätze, sie will sich dieses „Ich treff dich und knips deine Muskeln aus“ abschauen. Du weißt schon, Cat kann das.“ – „Aber braucht man dazu nicht sehr viel Wissen über den menschlichen Körper? Es reicht nicht, sich Tipps zu holen.“, entgegnet Lilith. „Joa. Kein Plan.“
    Das Zisch-Zisch-Knall-Bumm-Team setzt seinen Weg fort. Mit dem Voranschreiten des Tages kommen die drei Trainer ihrem Ziel näher, doch der Kraterberg steht ihnen noch bevor.
    //


    Lucia, Lee und ich passieren soeben das Pokémon-Anwesen auf der Route, die uns von Herzhofen aus in südlicher Richtung nach Weideburg bringen soll. Links befindet sich daher eine riesige Mauer aus eigentlich weißem Stein, welche aber durch all die Bäume, die herumstehen, grünlich anläuft. Eine schmale Reihe Bäume verdeckt teilweise den Blick auf die Mauer. Auf der anderen Seite befindet sich einer der für Sinnoh typischen Wälder, die Baumkronen rascheln sanft im Wind. Ab und zu sieht man ein kleines Waldpokémon umher huschen, ein Griffel oder ein Rattfratz. Kleine Bäche kreuzen unseren Weg. Wir laufen durch hohes Gras, das mit jedem Schritt an meinen Beinen kitzelt. Die Linke habe ich ans Ohr erhoben und rede per Handy mit Cat. Sie nennt mich seit Neustem „Boss-Lady“, ich habe keine Ahnung, woher sie das hat. Auf jeden Fall scheint für ihren und Yussufs Kampfstil ein enormes Wissen notwendig zu sein. Wie gut, dass ich so etwas habe. „Wichtig ist, immer mit der ganzen Handfläche anzugreifen, weil sonst nicht genug Kraft verteilt wird.“, erklärt Cat gerade. „Ah. Vielen Dank. Und wie blockt man diese Angriffe? Wenn ich einfach ein Bein zum Abwehren nehme, greift er das Bein an.“ – „Nun, bei dir dürfte das nun kein Problem mehr sein, Boss-Lady. Du kannst dich zu Wasser machen.“ – „Schon, aber Lee und Lucia nicht. Und falls uns dieser Kerl in Sonnewik erwartet…“ – „Schon verstanden! Also, die beiden müssten die Hand am Gelenk abwehren, dann geht der Schlag ins Leere. Aber sowas lernt man nicht durch Tipps, ihr müsst das trainieren.“ – „Machen wir. Arigatou. Wir sprechen uns wieder. Viel Erfolg in Herzhofen.“ – „Alles klar, Boss-Lady! Miau geben unser Bestes.“, damit legt sie auf.
    „Und, gibt’s was Neues?“, will Lee wissen. Nachdenklich schüttele ich den Kopf und bleibe stehen, damit er kurz vorausgeht. Ich will auf seinen Rücken springen um mich tragen zu lassen, doch Lucias Blick verhindert dies. Es ist nicht fair, sie daran zu erinnern, dass sie noch allein ist. Darkrai unter mir schläft wieder, ich spüre es. Die Koordinatorin sieht uns einen Moment lang wehmütig an und umarmt ihr Plinfa fester. Sie vermisst Ash. Also beschleunige ich meine Schritte wieder, nehme Lees rechte Hand, dazu die Linke der Koordinatorin, die den kleinen Pinguin nun mit einer Hand hält. „Du gehörst zur Familie.“, sage ich. Es klingt scherzhaft, doch ich meine es ernst. Dann besinne ich mich auf Lees Frage. „Naja, eigentlich nicht. Cat hat mir erzählt, wie sie kämpft. Einen Großteil habe ich mir aber bereits vorher zusammen gereimt, doch die Feinheiten lassen sich nicht einfach so erlernen. Man braucht viel, viel, viel, viel…“, er unterbricht mich grinsend. „Habs verstanden. Viel Übung, oder?“ – „…Genau.“, schließe ich. Manchmal geht meine kindische Seite mit mir durch. Er findet das süß, darum lasse ich es geschehen. Es passiert sowieso selten genug. Lucias Beine streifen manchmal das Gras am Wegesrand. Wie ich auch trägt sie seit unserer Rückkehr nach Herzhofen kurze Hosen, doch statt einer leichten, bis zu den Knien reichenden Hose wie ich hat sie diesmal Hotpants an. Davon muss ich dringend Fotos machen und sie Ash schicken. Das Mädchen sieht zum Anbeißen aus. Solch friedliche Momente haben wir trotz der Mission überraschend oft, seit Lee wieder bei mir ist sieht die Welt viel besser aus. Farben wirken strahlender, Gerüche intensiver und Klänge reiner- meine Verliebtheit sorgt dafür. Es ist manchmal fast so wie nach dem Verzehr des Heiteira-Eis damals. Ich spüre die Hände meiner Freunde in meiner, Lee fühlt sich eher kühl an, Lucia ziemlich warm. Momente wie diese wecken immer so schöne Gefühle in mir. Der Weg macht eine Biegung nach rechts, das Gras wird sogar noch eine Ecke höher. Wir steigen über einen kleinen Bach hinüber, der ein Stück weiter in einen kleinen Teich mündet. Wolken ballen sich am Himmel zusammen. Bald wird es regnen.
    In Sonnewik werden wir jenes geheimnisvolle Team ausschalten, welches nur in Weiß gekleidet ist. Merkwürdige Typen, denke ich, doch aus Rockys Team ist ja ehrlich gesagt auch niemand so wirklich normal. Ich am allerwenigsten.

  • Kapitel 47
    Der Zisch-Zisch-Knall-Magma-Meteor


    17.7.2009


    „Maria?“, Lucias Stimme dringt an mein Ohr. Verschlafen richte ich mich auf. „NochnpaarMinutnbitte…“ – „Es ist schon 8 Uhr, du kleine Schlafmütze.“, mischt Lee sich ein. Nun bin ich wach. Wir haben unser Lager kurz vor Weideburg aufgeschlagen, unter drei verdammt dicken Eichen, die den prasselnden Regen mit ihrem Blätterdach von uns abhalten. Nur ab und zu verirrt sich ein einsamer Tropfen zu uns hinab. Mir selbst macht das nichts, weil ich ja selbst oft Wasser bin, Lee hat im Sitzen geschlafen, direkt am Stamm, und Lucia nimmt immer ihr orangefarbenes Zelt mit. „Sumimasen.“ – „Macht nichts. Ich habe eine Bitte an dich.“, die Koordinatorin kniet neben mir. Ich erwidere ihren Blick.
    „Was für eine Bitte?“ – „Darüber habe ich lange nachgedacht. Ich will lernen, so zu kämpfen wie du.“ – „Hm. Wieso? Ich stärke deine Muskeln, gegen das Phantom hast du dich super geschlagen.“ – „Das war nichts…nur ausweichen und immer dann zuschlagen, wenn er nicht damit rechnet. Sowas bekommt jeder hin, wenn er so schnell und stark ist. Nein, ich will die Technik lernen, damit ich nicht versage, wenn sich dieser Yussuf meiner annimmt.“. Ich überlege. Sie hat nicht Unrecht, es kann nur von Vorteil sein. Und da ich und Lee sowieso oft trainieren, wieso macht sie nicht einfach mit? Ihre Idee gefällt mir immer besser. Aber ihr Einwand macht mir Sorgen. Yussuf ist nicht gezwungen, nur gegen mich zu kämpfen, er kann beim nächsten Aufeinandertreffen genauso gut Lucia oder Hagane attackieren. Und wenn das passiert, muss ich in der Nähe sein, um sie zu schützen- es sei denn, das Training zahlt sich aus. Wir diskutieren während des Frühstücks, das aus ein paar Broten mit Marmelade besteht, ausgiebig darüber, kommen schließlich zu dem Schluss, dass es wirklich am besten so wäre, wie Lucia es vorschlug. „Gut. Ich hatte es sowieso vor.“, sage ich und stehe auf. „Lee würde dich zuerst auf einen hohen Berg setzen und dich das Panorama zeichnen lassen, er findet, es ist am Wichtigsten, die visuellen Kräfte zu verstärken, um auf einem Schlachtfeld immer den besten Überblick zu haben. Ich jedoch finde, dass es nichts bringt, zu wissen, wo deine Verbündeten und Gegner sind, solange du nicht weißt, was du tun sollst. Und da du im Straßenkampf ungeübt bist, denke ich, es ist besser, dir beizubringen, wie du dich verteidigst.“.
    Zuerst ziehe ich mir zum ersten Mal seit langer Zeit wieder meine Trainingshose an. Sie ist dunkelblau mit drei weißen Längsstreifen, die von der Hüfte abwärts bis hin zu den Füßen reichen. Das dazu passende, hellblaue T-Shirt trage ich hingegen fast immer, wenn ich Sport mache oder trainiere. Außerdem binde ich meine Haare zu einem Pferdeschwanz, bei sportlichen Aktivitäten ist das praktischer. Anschließend suchen wir uns einen geeigneten Trainingsplatz, Darkrai und Plinfa sehen dabei zu, ruhen sich selbst aus. Um unsere drei Eichen herum befindet sich eine große Wiese, es ist also mehr als genug Platz vorhanden. In der Ferne erkenne ich den Wald, den wir gestern verließen, durch die Schleier aus Wasser, die vom Himmel fallen. Nach wenigen Momenten sind wir beide klatschnass. Naja…manchmal gehört sowas dazu. Etwa 50 Meter von unserem Lager entfernt halte ich inne und sehe kurz hoch. Die Wolken werden sich so schnell nicht verziehen. Egal.
    „Mach mir zuerst das nach, was ich tue. Achtung.“, ich stelle mich breitbeinig hin, die Füße im Abstand von etwa 50 Zentimetern nebeneinander, und beuge die Knie. Das Kreuz drücke ich durch. Meine Arme strecke ich gerade nach vorn aus, sodass die Finger nach oben zeigen. Danach verharre ich in dieser Position. „Genau so?“, Lucia imitiert mich, wir stehen uns in derselben Haltung gegenüber. Aber ihre Körperkontrolle ist lange nicht so gut wie meine, ich sehe, wie sie ab und zu zittert oder sich leicht bewegt. „Ja. So trainierst du den Unterkörper und erhöhst Kraft und Beweglichkeit. Doch du bist nicht konzentriert genug. Steh wie ein Fels!“ – „Wie ein Fels? Das passt gar nicht zu dir.“, kichert Lucia. Ich hebe kurz die Brauen. „Lee!“ – „Ja?“, ruft er vom Lager herüber, wo er seine täglichen Tai-Chi-Übungen beendet hat. Das tut er, um sich ebenfalls fit zu halten. „Bring mal bitte zwei kleine Teller rüber, okay?“ – „Gut.“, wenig später kommt er zu uns. „Hast du noch Hunger?“, scherzt er. Er weiß genau, was ich vorhabe. „Total. Auf dich.“ – „Whoa.“, er stellt sich hinter mich und platziert den ersten Teller auf meinem Kopf. Danach lässt er den Zeigefinger ganz langsam meinen Hals herabgleiten, bis zum Nacken. Ein heißer Schauder überkommt mich, der Teller fällt fast herunter. „Das ist fies.“ – „Oh, das wollte ich nicht.“, ich kann beinahe schon hören, wie er grinst. Lee tritt zu meiner Freundin herüber und stellt auch ihr einen Teller auf den Kopf. „Balance ist alles.“, rät er ihr. „Ja.“, antwortet sie, ich sehe, wie sich ihre Augenbrauen vor Konzentration beinahe treffen, so grimmig sieht sie aus. Nun muss ich lachen. „Lucia, du sollst den Teller nicht einschüchtern, sondern dich im Gleichgewicht halten.“ – „Weiß ich, Tschuldigung!“. Lee will wieder zum Lager herüber, um die Pokémon zu versorgen.
    Diese Übung ziehen wir eine Viertelstunde lang durch, erst dann bin ich zufrieden mit meiner neuen Schülerin. Irgendwie fühlt sich das gut an, eigenes Wissen weiterzugeben. „Gut. Das werden wir jeden Tag wiederholen.“ – „Was, das wars schon?“ – „Nein, das war die Vorstufe zum Warmmachen. Weiter geht’s.“. Die nächste Übung ist, was die Körperkontrolle angeht, leichter, denke ich bei mir. Vor allem, weil wir die Teller weglassen. Dennoch erfordert sie ebenso viel Konzentration. Ich stelle mich kerzengerade hin, meine Arme strecke ich über den Kopf, die Handflächen berühren sich genau wie meine Füße. „Das kann ich!“, freut sich Lucia und macht es mir nach. Ich sehe auf sie herunter, was mich selbst überrascht. Noch nie war unser Größenunterschied so deutlich. Bin ich wirklich einen ganzen Kopf größer als sie? Ja, sieht so aus. Ich konzentriere mich auf die Übungen. „Gut. Das ist Position 1: Die Kerze.“, erkläre ich. Meine nächste Bewegung ist fließend wie Wasser, von der Kerzenposition gleite ich in eine Art Kampfstellung. Wie eben stehen meine Beine in einem 50-Zentimeter-Abstand nebeneinander, die Knie habe ich so weit gebeugt, dass zwischen Ober- und Unterschenkel ein 90°-Winkel entsteht. Meine Handflächen berühren sich, doch anstatt sie nach vorn zu strecken, halte ich die Arme knapp vor der Brust. „Zwischen den Elementen deiner Arme und Beine müssen 90°-Winkel entstehen. Ober- und Unterarm noch ein wenig beugen…ja, genau so! Das ist Position 2: Kampfbereit.“, weise ich meine Freundin an. „Die Arme bewegst du immer von den Schulterblättern aus. Schau.“, ich drehe den Oberkörper nach rechts, das linke Bein muss ich dafür ein wenig senken, das rechte allerdings bleibt so stehen, wie es eben war. Meine rechte Hand bleibt ebenfalls unbewegt, doch die Linke balle ich zur Faust und ziehe den Arm zurück, drehe ihn soweit, bis mein Ellbogen nach hinten weist und die Faust knapp über meine Hüfte schwebt. „Und das hier ist Position 3: Der Schlag. Die Kraft, die du mit den Schultern aufbaust, lässt deine Faust geradezu zu einer Patrone werden. So wie jetzt.“. Blitzschnell setze ich das bisher gesenkte Bein vor, meine Linke schnellt nach vorn, dreht sich in der Bewegung, sodass der Arm gestreckt zum Stillstand kommt. Noch immer ist mein Kreuz durchgedrückt. Mit diesen Bewegungen kann man durch minimale Energieverschwendung maximale Wirkung erzielen. Ich gehe in Position 2 zurück.
    „Wenn du auf deinen Unterkörper achtest, kannst du in jede erdenkliche Position wechseln, ohne viel zu tun. Abwehren, Blocken, Ausweichen, selbst zuschlagen…das alles ist von der „Kampfbereit“-Stellung aus möglich. Jetzt du. Deine Bewegungen müssen wie Wasser sein.“. Lucia bekommt den fließenden Übergang von der 1 zur 2 nicht so gut hin, ihre Beine wollen sich nicht so bewegen, wie sie es sich abgeschaut hat. Geduldig gehe ich mit ihr den Vorgang immer wieder durch. An diesem Morgen üben wir den Übergang von „Kerze“ zu „Kampfbereit“ bestimmt 40 oder 50 Mal. Schließlich hat Lucia den Bogen raus. „Das linke Bein kannst du ein Stück zur Seite setzen. Richtig. Perfekt! Das sieht richtig gut aus.“, finde ich. Trotz des Regens machen wir weiter. Position 2 in 3 zu verwandeln fällt ihr noch schwerer. Mal ist ihre Faust zu weit oben, dann wieder vergisst sie, das Bein zu senken, von dem sie sich wegdreht. Meine Anweisungen helfen ihr zum Glück, sie versteht immer sofort, was ich von ihr will. Dennoch braucht sie ungefähr 30 Anläufe, um es einmal richtig zu machen, und 20 weitere, um mich zufrieden zu stellen.
    „1!“, wir stehen uns gegenüber, die Hände über den Kopf erhoben. „2!“, rufe ich, und wir gehen synchron in die Bereitschaftsstellung über. „3!“, Bein senken, Oberkörper drehen, Faust nach hinten, andere Hand vor. „Und zuschlagen.“, im selben Moment wie ich setzt Lucia das Bein vor, ihre Faust reicht einige Zentimeter kürzer als meine. „Perfekt. Nochmal! 1…! Und 2…! Und 3…!“, auf diese Weise machen wir weiter. Bald fließt der Schweiß bei uns beiden. „Das sieht bei mir fast so aus wie bei dir!“, keucht Lucia fröhlich. Sie lässt sich ins Gras fallen, ihr Atem geht schnell. „Du hast Recht. Übrigens kannst du auch bei Position 2 und 3 die flache Hand statt einer Faust benutzen. Eine Freundin von mir tut das.“ – „Was bringt denn das? Eine Faust hat doch mehr Kraft!“ – „Nein, hat sie nicht. Die Kraft kommt aus der Schulter, vergiss das nicht. Durch die Handfläche verteilt sich die Kraft nur besser. Nun, bei schwächeren Gegnern ist das…humaner. Du verletzt sie nicht so stark. Aber bei ihr war ein Trick dabei, ich glaube, sie braucht die Handfläche, um ihre Gegner zu lähmen. Cat macht das genauso.“ – „Wow. Das klingt gefährlich.“ – „Ist es auch. Vor allem, weil Yussuf diese Technik ebenfalls beherrscht. Wie dem auch sei, das war das Aufwärmen!“, ich klatsche einmal in die Hände. „Waaaaas?!“ – „Brauchst du eine Pause?“, wieder kann ich mir das Grinsen nicht verkneifen. „Gut, erhol dich ein bisschen. Du kannst nach der nächsten Übung wieder einsteigen.“ – „Gut. Danke!“.
    Diesmal mache ich die drei Positionen allein, hänge jedoch nach dem Schlag noch eine kleine Kombination aus mehreren verschiedenen Kicks hinzu. Einer davon wird durch eine Drehung um die eigene Achse ausgeführt, bei der man sich nach hinten lehnt und das Bein weit hochnimmt. Perfekt, um den Kopf eines Gegners anzugreifen. Am höchsten Punkt seiner Flugbahn kommt mein Fuß weit über meinen Kopf hinaus. Der zweite findet in Bodennähe statt, ich benutze ihn gern, um meinen Feinden die Füße unter dem Körper wegzutreten. Meist nehme ich eine Hand, um mich am Boden abzustützen, doch es ist nur in Notfällen wirklich nötig. Wichtig ist nur, den Körper gut auszubalancieren. Das rechte Bein wirkt dabei wie eine Sense, die knapp über dem Boden einen Halbkreis beschreibt. Nachdem ich meine Kombination 20 Mal durchgeführt habe, richte ich mich auf und streiche mir eine Strähne aus dem Gesicht. Lucia hatte 10 Minuten Zeit, sich auszuruhen.
    „Alles klar. Bist du bereit?“ – „Aber sowas von!“ – „Gut. Kannst du Handstand?“ – „Sicher. Da habe ich früher immer gemacht, wenn ich draußen gespielt habe.“ – „Gut. Es ist wichtig, den ganzen Körper zu spannen.“, ohne weitere Worte bringe ich mich in einen perfekten Handstand, meine Beine zeigen genau in Richtung Himmel. Wie zuvor imitiert Lucia mich. „Steh still.“, sage ich, als ihr linkes Bein sich bewegt. „Volle Konzentration. Du bist ein Grashalm. Nur dass du nicht im Wind umher raschelst.“ – „Ich…bin…ein Grashalm.“ – „Gut so. Du bist ein Grashalm.“, wiederhole ich. Lucia beginnt, zu kichern. „Das machst du doch mit Absicht!“ – „Ganz und gar nicht. Grashalme reden übrigens nicht.“ – „Jawohl, Sensei Maria.“, ihr liebevoller Spott gefällt mir. Einmal mehr schießt mir durch den Kopf, wie sehr ich sie mag.
    Dafür, dass dies die erste Trainingsstunde war, hat Lucia sich hervorragend geschlagen. Sie scheint ein Bewegungstalent zu sein, andere hätten Tage gebraucht, um den Übergang von der 2 zur 3 so flüssig hinzubekommen wie die Blauhaarige.
    „Sensei Maria? Damit kann ich mich glatt anfreunden.“ – „Sollte als Spaß gemeint sein!“ – „Dann bist du jetzt meine Schülerin.“ – „Haaai.“, erwidert sie und benutzt dabei einen Ausdruck, den sie von mir hat. „Gut. Wir wissen nicht, wann wir das nächste Mal kämpfen müssen, also üben wir, so viel wir können. Deine Muskeln werden im Laufe der Monate und Jahre stärker, wenn du weitertrainierst.“ – „Wie lange hast du gebraucht, um so stark zu werden?“ – „Hm. Ich habe eigentlich mein Leben lang gekämpft. Aber die Technik kam erst später… ich glaube, mittlerweile sind es fast 10 Jahre.“, ich denke kurz nach. Dann nicke ich. „Ja, das kommt ungefähr hin.“ – „Wow. Aua!“ – „Was ist?“, ich gehe neben ihr in die Hocke, als Lucia sich auf einmal den Nacken reibt und ein Auge vor Schmerz zugekniffen hat. „Ich glaube, ich habe es übertrieben!“, meint sie.
    „Ach was. Du bist solche Bewegungen nur nicht gewohnt. Das haben wir gleich.“. Der Regen hat aufgehört, wie ich feststelle. Meine Haare und Kleider sind total nass, die von Lucia ebenso. Mit einer Handbewegung lasse ich das Wasser verschwinden. Dann knie ich mich hinter Lucia und lege ihr die Hände auf die Schultern. „Entspann dich.“, sage ich. Es gibt einige Punkte im Körper eines Menschen, die man drücken muss, um ihn auszuschalten. Diese Punkte nutzen Yussuf und Cat im Kampf. Aber es gibt auch Punkte, welche bei Berührung dafür sorgen, dass der Körper sich entspannt. Bei Verspannungen, wie Lucia sie nun hat, hilft eine einfache Massage. „Ahh…das fühlt sich toll an.“, murmelt Lucia. Ich massiere sie weiter, spüre, wie ihre Muskeln sich lockern. „Ich finde es unglaublich.“ – „Was?“ – „Du bist so stark und kannst doch so sanft sein. Wie machst du das?“ – „Äh…“, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Aber eine gute Frage ist es ja schon... „Keine Ahnung. Ich tue das, was sich richtig anfühlt. Wenn ich meine ganze Kraft einsetzen würde, würde ich dir wehtun und das will ich nicht.“. Lucia legt den Kopf in den Nacken. Ich spüre ihr Haar auf meinen Händen. „Genug?“, frage ich. „Nein, mach weiter. Bitte.“, lächelt sie.
    Kurz darauf ist Lee bei uns. Er hat das Lager soweit abgebaut. Sobald wir mit dem Training fertig sind, geht unsere Reise weiter. „So, und nun bin ich dran.“, sagt er. Die Koordinatorin öffnet ihre Augen und sieht ihn fragend an. „Womit?“ – „Wahrscheinlich will er, dass du ein Panorama für ihn malst.“, flöte ich. Lee grinst kurz, dann geht er für eine Sekunde in die für ihn typische Kampfstellung: die Beine hält er fast so, wie ich es tue, wenn ich in der „Kampfbereit“-Stellung bin, doch seine Armarbeit ist anders. Beide Hände hat er vor der Brust zu Fäusten geballt, die Rechte ist dabei ein Stück weiter vorne. Aus der Position kann er nicht so hart zuschlagen wie ich, aber das muss er auch nicht. Ich weiß, wie er kämpft. Scheinbar will er Lucia auf die Probe stellen. „Stell dich vor mich.“, weist er sie an. Nachdem ich Lucia aufmunternd zugenickt habe, gehorcht sie.
    „Wir sind im Begriff, zu kämpfen.“, sagt Lee. Lucia steht ihm in meiner Kampfposition gegenüber. „Du siehst mich, und du weißt, dass du gewinnen musst, weil dir sonst Konsequenzen drohen, die du nicht willst. Was tust du also? Blind drauflos schlagen, um mich so schnell wie möglich kampfunfähig zu machen? Nein, du machst dir ein Bild davon, wie das Kampffeld aussieht. Maria bringt dir bei, wie du dich verteidigst, und ich zeige dir, wie du immer mit dem kämpfst, mit dem du kämpfen musst. Pure Kraft allein bringt dir nichts, es sei denn, du heißt Pay, aber der hat so große Energiemengen, dass er nicht nachdenkt.
    Schritt eins ist genau zu sehen, wo deine Verbündeten sind. Die greifst du natürlich nicht an. Schritt zwei ist, für die Feinde unsichtbar zu sein, die dich nicht angreifen dürfen. Unsichtbar wird man nicht durch irgendwelche Zaubertricks, sondern durch Kooperation mit der Umgebung. Nutze dein Umfeld für dich aus! Nutze jeden noch so kleinen Vorteil, den du findest. Selbst fallen gelassene Waffen deiner Feinde können dir helfen.“ – „Ich glaube, ich habe verstanden.“, sagt Lucia. Sie hat die Augen geschlossen um sich besser zu konzentrieren. „Dein Kicklee, was sich da gerade anschleichen wollte, habe ich übrigens schon lange gehört.“, fügt sie hinzu. Ich muss wieder zugeben, dass ich beeindruckt bin. Ihr Gehör ist hervorragend. Lee grinst und ruft seinen Partner zurück. „Mit Pokémon ist so ein Kampf noch viel schwerer, weil die Pokébälle überall hingeworfen werden können. Dein Team ist dein mächtigster Verbündeter.“, er gibt seine Kampfstellung auf und wendet sich mir zu. „Maria, wollt ihr einen kleinen Übungskampf machen? Ich halte mich außerhalb und greife eine von euch an, aber wann, das sage ich nicht. Damit schärft ihr eure Konzentration.“ – „In Wettbewerben ist Konzentration enorm wichtig, darum hatte ich dein Kicklee eben gehört. Ich habe Übung.“, erklärt Lucia. Der Blonde nickt anerkennend.
    „Also wird es ein Kampf eine gegen eine.“, sage ich. Gut, dann wollen wir doch mal sehen, wie viel Lucia schon im Kampf anwenden kann. Lee tritt ein wenig beiseite und sieht zu. Meine Freundin und ich stehen uns in derselben Kampfhaltung gegenüber. Zuerst tut keine von uns etwas, wir beobachten uns genau. Ich kenne Lucia sehr gut, doch in einem Kampf musste ich noch nie gegen sie bestehen. Was wird sie zuerst tun? Und was kann ich dagegen unternehmen? Das sind die wichtigsten Fragen eines Kampfes.
    „Gut, dann mache ich den ersten Schritt.“, murmele ich und führe den Schlag aus. Einfallslos, gerade nach vorn. Ein Test. Lucia kreuzt ihre Arme geschickt vor der Brust und wehrt meine Faust ab. Ich sehe, wie sich ihr Gesicht verzieht. Es hat ihr wehgetan. Dann eben eine Stufe zurückschalten, sage ich mir. Oder lieber nicht? Sie soll schließlich etwas lernen. „Aua.“, entfährt es ihr. „Tut mir Leid. Soll ich sanfter sein?“ – „Ja, aber nur in den nächsten 5 Minuten. Ich muss mich erst an sowas gewöhnen.“ – „Okay. Wenn dein Gegner stark ist, weiche lieber aus.“
    Die Hand, die normalerweise während Positionen zwei und drei zur Faust geballt ist, kann großen Schaden anrichten, also öffne ich sie und kämpfe mit der Handfläche weiter. Lucia schnellt vorwärts, geht dabei tief runter, um an meiner Abwehr vorbei zu kommen. Ich springe ein Stück zurück. Sie kommt hinterher, dreht sich einmal um die eigene Achse, wie sie es bei mir schon oft gesehen hat, und führt einen Kick aus. Ich warte auf ihr Bein und fange es in der Luft. Dann grinse ich sie an. „Was ich jetzt wohl damit anstellen soll…?“ – „Lass los! Bitte!“, fleht sie, und ich tue ihr den Gefallen. „Danke.“ – „Weiter, keine Pause. Kein anderer Gegner würde dich schonen.“ – „Jawohl!“
    Wie versprochen kämpfen wir erst 5 Minuten lang, ohne dass ich mich anstrenge. Meine Bewegungen sind wie gewohnt flüssig und gehen immer ineinander über. Lucia schafft es manchmal, mir einen Schlag oder einen Tritt zu verpassen, ihre Bewegungen sind elegant, aber lange nicht so ausgereift wie meine- logisch. Schließlich ist die Zeit rum, ich hänge mich ein wenig mehr rein. Mit einer Flugrolle springe ich über Lucia hinweg, gehe direkt in meine Kampfhaltung und greife an. Sie beugt den Oberkörper weit zurück, meine Hand rast über ihren Bauch hinweg. Während ich meinen Arm zurückziehe, folgt sie mir, will ihrerseits einen Treffer landen. Ihre Faust ist schnell, sie hat meinen Rat exzellent beherzigt. Die gesamte Kraft kommt aus der Schulter und wird beim Auftreffen in meinem Bauch freigesetzt. Für einen Moment bleibt mir die Luft weg, und das, obwohl ich die Bauchmuskeln angespannt habe. „Gut gemacht, Lucia.“, sage ich, bevor ich mich wieder bereit mache. „Danke.“
    Ab nun passe ich auf. Lucia steht der Schweiß auf der Stirn, ich hingegen bin noch relativ frisch. Ihr fehlt die Ausdauer, aber das würden wir auch noch hinkriegen. Ich kann das Adrenalin riechen, was sie ausschüttet. Ihre Brust hebt und senkt sich bei jedem Atemzug. Im nächsten Moment sind sich unsere Körper unglaublich nah, zugleich will ich angreifen und ihre Hand abwehren, schaffe beides, indem ich ihren Arm packe und so verdrehe, dass sie den gesamten Körper einmal umdrehen muss, um nicht verletzt zu werden, doch sie nutzt den Schwung der Bewegung, um sich noch weiter zu drehen. Das Resultat: ich muss sie loslassen und springe wieder rückwärts, bevor sie noch einen Treffer landet. Meine Füße rutschen leicht auf dem noch nassen Gras. Ich beiße die Zähne zusammen. Das Shirt klebt Lucia am Leib, ihr Atem geht noch schneller als zuvor. Sie setzt alles auf eine Karte, geht von der Kampfhaltung in einen kurzen Sprint über, weicht kurz vorher aus und will mich von hinten angreifen. Ich drehe mich blitzschnell um und lege ihr die Arme um den Oberkörper. Sie erstarrt mitten in der Bewegung. Ich war viel zu schnell für sie. „Das war für den ersten Kampf richtig gut.“, flüstere ich ihr ins Ohr. Die Koordinatorin entspannt sich.
    Nach diesem Kampf muss ich Lucia eine Weile auf dem Rücken tragen, weil sie einfach nicht mehr kann. Wir machen uns auf den Weg nach Weideburg. Darkrai schwebt neben mir her, Plinfa sitzt wie immer auf Lucias Kopf und scheint sich zu fragen, wieso jetzt die Menschen gegeneinander kämpfen. "Keine Sorge, Plinfa. Wir gewinnen jetzt als Einheit!", grinst Lucia müde. Ich sehe in den Himmel und spüre Lucias Kinn auf meiner Schulter.
    „Ich habe noch nie gesehen, wie ein Mädchen ein anderes trägt.“, bemerkt Lee. „Wirklich? Warum?“ – „Ich glaube, den meisten sind ihre Freundinnen zu schwer.“ – „Lucia, wie viel wiegst du?“ – „Sowas fragt man eine Lady nicht.“ – „Klaro. Sumimasen.“, grinse ich. „Wie dem auch sei, für mich wiegst du nicht allzu viel.“ – „Ich habe Maria auch schon getragen!“, berichtet die Koordinatorin. Lee sieht beeindruckt aus. „So eine Kraft hätte ich dir nicht zugetraut.“ – „Naja, sie hatte den Leichtstein.“ – „Ja. Verdammt, ich habe ihn am See verloren.“, seufze ich. Wenn Team Galaktik ihn hat…oder noch schlimmer: wenn Yussuf ihn hat, dann wird der nächste Kampf extrem hart, selbst für mich. Der Leichtstein reduziert das Gewicht des Körpers. Ich mag mir gar nicht ausmalen, wie schnell der Kerl damit wird. Bald darauf merke ich, dass Lucia eingeschlafen ist.
    //


    Kraterberg, Westseite
    Pay, Lilith und der Chief sind mittlerweile dabei, vom Kraterberg herabzusteigen. Die unwirtliche, felsige Gegend war nicht gerade einfach zu bewältigen. Chief fühlte sich richtig wohl, aber die anderen beiden sind froh, wieder Grasland sehen zu können. Sie hatten immer, wenn sie Zeit fanden, trainiert, um den anderen Teammitgliedern in nichts nachzustehen. Pays erklärtes Ziel ist es, beim nächsten Kampf gegen Maria zu gewinnen- trotz ihrer Wasserkraft. Daher hatte er unermüdlich Wege gesucht, sein Feuer zu verstärken oder vielleicht in pure Hitzeenergie verwandelt zu werden, so wie Maria es ebenfalls kann. Doch alles, was er bisher erreichte, sind stärkere und noch stärkere Feuerstöße. Momentan laufen sie eine lange, steinerne Rampe herab. Hinter ihnen befindet sich der Berg, vor ihnen liegt Erzelingen- eingebettet ins Tal. „Seht ihr das?“, fragt Chief. „Perfekt. Bald ham wirs geschafft!“, freut sich Pay. Doch die Freude währt nicht lange. Ein Schatten fällt auf Liliths Gesicht, und sie sieht nach oben. Ein Ballon fliegt über ihr, er hat die Form eines großen Mauzis. „Huch.“, entfährt es ihr. Der Rothaarige schirmt die Augen gegen die Sonne ab und versucht, die Insassen zu erkennen. „Wersn das?“
    „Sind das die Stimmen von drei unwissenden Trainern, die ich da hören kann?“, fragt die Stimme einer Frau. Ein Mann antwortet ihr.
    „Ja, laut und klar dringen sie zu mir.“
    „Wir vereiteln Glück, hassen Gerechtigkeit!“
    „Lauft besser, oder macht euch zum Scheitern bereit.“
    „Ein Übel, so alt wie die Galaxie…“
    „Macht euch gleich fertig wie noch nie!“
    „Jessie.“, stellt sich die Frauenstimme vor, der Ballon ist nun so weit gesunken, dass Pay ihre langen, roten Haare erkennen kann, dazu trägt sie eine schwarze Uniform mit einem roten R darauf.
    „Und James.“, der Mann tut es ihr gleich. Seine Uniform ist dieselbe, mit einer affektierten Geste fährt er sich durch sein violettes Haar.
    „Und Mauzi, das bin ich!“, ein Katzenpokémon mit beigefarbenem Fell springt kurz in die Luft, damit man es sehen kann. Vorher hatte die Brüstung des Ballons es verdeckt.
    „Wer seidn ihr?“, will Pay wissen. Irgendwie kommen ihm die drei bekannt vor, doch er kann sich beim besten Willen nicht erinnern, woher.
    „Team Rocket, strahlend wie die Sonne!“
    „Ergebt euch, sonst wird euer Schmerz unsre Wonne.“
    Danach ist es längere Zeit still.
    „Kommt da noch was?“ – „Ungehobelter Hitzkopf! Das war unser Intro!“ – „Wat? Intro?“ – „Ich kenn die Typen nicht, Mann.“ – „Ich ebenso wenig. Aber ich glaube, Maria hatte da mal was erzählt…“, überlegt Lilith.
    „So ein Pech! Wir kennen euch nämlich sehr gut, Pay, Lilith und Chief!“, ruft James. „Ist es gerade dann nicht extrem dumm, was ihr da macht? Wenn du mich kennst, weißte doch, was dir gleich blüht, wenne nich ausm Weg gehst!“ – „Ganz und gar nicht.“ – „Wieso?“ – „Weil wir gegen euch drei hervorragend gewappnet sind! Unser PR-7XL-0N ist resistent gegen alle Arten von Feuer- und Steinangriffen! Haha!“, lacht Jessie.
    Pay sieht sich um. „Was fürn Ding?“ – „DAS HIER!“, ruft Mauzi und drückt auf eine kleine Fernbedienung. Mit einem statischen Rauschen löst sich der Ballon von seiner Kanzel. Da, wo Pay dachte, dass sich dort Heißluft befände, kommt ein metallenes Gebilde zum Vorschein, welches aus Rohren und Stahlplatten besteht. Es entfaltet sich und nimmt die Form einer Art großen, schwarzen Röhre an, die sich um die Kanzel schließt. Zwei Roboterarme werden an den Seiten ausgefahren. Die Kanzel scheint sich im Inneren der Röhre nach oben zu bewegen. Und tatsächlich erscheinen die Gesichter der drei Rockets kurz darauf oben auf dem Kopf des Metallriesen.
    „Gegen Feuer und Stein, sagt ihr?“ – „Miauz, genau!“ – „Hm. Maria, was meinst du?“
    Auf Pays Worte hin herrscht erneut Stille.
    Rockys Geheimplan kommt ins Rollen. Lilith hebt ihren Kopf. Die Haare hatte sie sich in Herzhofen noch braun gefärbt, damit sie in etwa so aussehen wie die Marias. Zwar sind sie ein Stück kürzer als die der echten Maria, doch auf die Entfernung würde das nicht auffallen. Statt ihres üblichen Sommerkleids hat sich die Feuertrainerin auch eine von den Hotpants ausgeliehen, die Maria sonst trägt. Wenn man allerdings näher an sie heran kam, erkannte man den Unterschied leicht.
    Bevor sie antwortet, erinnert sie sich daran, was ihr Rocky gesagt hatte. ‚Marias Stimme ist ein wenig kühler als deine. Du solltest so tun, als wäre dir im Grunde egal, was dort passiert, wenn du diesen Trick anwendest.‘.
    „Ich meine, wir verpassen denen eine Abreibung.“
    „Was macht denn die hier?! Die sollte ganz woanders sein!“, fragt sich Jessie. „Keine Ahnung! Lasst uns verschwinden, solange es noch geht. Ihr wisst, was der Boss zu ihren Fähigkeiten gesagt hat! Wir müssen sofort dem Hauptquartier Bescheid geben!“, in Mauzis Stimme schwingt Angst mit. Lilith verschränkt spöttisch die Arme vor der Brust. Ihr gefällt diese Rolle, sie hat sich schon oft gefragt, wie es sich wohl als Maria anfühlt. Natürlich ist das nur eine Verkleidung, aber dennoch hat sie ihren Spaß daran. Was würde Maria als nächstes tun? Klar, eine Waffe aus Wasser erschaffen und diese drei Vögel aus ihrem Roboter holen. Aber das gehört nicht zu ihrem, zu Liliths Repertoire. „Ihr habt 10 Sekunden, um zu verschwinden. Mehr Zeit gebe ich euch nicht.“, sagt sie herablassend. „Willste die echt entkommen lassen?“, flüstert Pay. Lilith schüttelt den Kopf. Dabei streicht sie sich eine Strähne aus dem Gesicht, wie Maria es oft tut. „Die wissen zu viel. Und so einen Roboter können wir uns auf dem Schlachtfeld nicht leisten. Der muss weg.“ – „Aber wenn die mit der Resistenz Recht haben…“ – „Dann benutzen wir halt etwas Anderes, Liebling.“, Liliths Augen glänzen. Pay versteht sofort. „Du meinst…“ – „Ja.“ – „Geil!“.
    Team Rocket hat sich daran gemacht, zu verschwinden. An ihrem Roboter sind unten zwei Paar Ketten montiert, die ihn wegbringen sollen. Die drei Trainer warten etwa 10 Minuten, damit sich die Rockets sich auch sicher fühlen. In einiger Entfernung sieht man den Roboter noch. „Bereit?“, fragt Pay. „Immer, Mann.“
    Lilith zögert nicht länger. Sie ruft ihr bestes Pokémon.
    „Los. Rote Sonne, Machomei.“
    „Panferno, Rocket FIST! MWAHAHAHA!“
    „Fratzengeballer, Mann…!“
    Diese drei Techniken sind in Rockys Team die stärksten. Nur Marias schwarzer Mond oder der Blizzard von Lee reichen an die Kraft heran, die hier entfesselt wird. Machomei führt Feuerschlag und Kreuzhieb auf einmal aus, alle vier Fäuste beginnen zu brennen: Liliths Spezialattacke. Panferno springt hoch in die Luft, feuert einen Flammenwurf in den Himmel ab, um sich selbst zum Boden zu schießen, und setzt dann zugleich Tempohieb und Feuerschlag ein, mit der Geschwindigkeit von Pays „unique Attack“ hält niemand mit. Das Rihornior vom Chief reißt den Felsboden vor sich auf, schießt eine Steinkante vertikal vor sich her, die von Felswurf verstärkt wird. Große, mittlere und kleine Steinbrocken rasen auf den Gegner zu. Diesen Angriff hat er für besonders harte Kämpfe entwickelt. Für den nun ausgeführten Angriff variieren alle drei Techniken leicht. Machomei und Panferno rennen zuerst auf den Zielort zu, springen im Lauf auf die Steine auf, die von Rihornior kommen, und springen von Fels zu Fels. Die Steine, auf die sie drauftreten, verlieren an Fahrt und fallen zu Boden. Darum ist der Weg dieser Attacke gepflastert mit Steinsplittern, das Gras verbrennt vollständig, sodass eine schwarze Spur hinter den beiden Pokémon entsteht.
    Panferno setzt seinen Flammenwurf ein, um seine Fluggeschwindigkeit noch zu erhöhen. Machomei und der Affe rasen immer schneller auf ihr Ziel zu, mit jedem Sprung auf einen neuen Stein werden sie schneller. Die maximale Entfernung die ein Ziel für diesen Angriff haben darf beträgt drei Kilometer. Durch pure Geschwindigkeit, Feuer und geschmolzener Stein sowie das Gekreisch des Affen entsteht ein brennender Strahl aus Lava. Panferno und Machomei spüren davon nichts, ihre ausgestreckten Fäuste hungern nach dem Ziel. Pay, Lilith und der Chief rufen gemeinsam ihre Spezialtechnik aus. Pay zittert dabei vor Aufregung. Endlich ist es soweit!
    „Zisch“-
    „Zisch“-
    „Knall“-
    „MAGMA-METEOR!“
    Pays Gelächter verschmilzt mit Panfernos Kreischen weit vor ihm. Der Angriff trifft sein Ziel. Die Welt versinkt in Feuer. „BOOOOOOOOM!“, brüllt er begeistert. So viele Flammen auf einmal hatte er noch nie gesehen. Er ist beeindruckt von der puren Zerstörung, die er entfesselt hat. Die Druckwelle der Explosion erreicht die drei und lässt sie zurückzucken.


    Hat ein wenig gedauert, aufgrund der Uniklausuren :D hoffe, es macht nichts :x Das nächste Kapitel kommt bald.
    mfg
    DoD

  • Kapitel 48
    Die Diebin


    17.7.2009


    „Ihr habt WAS getan?“, ungläubig lege ich mir eine Hand an die Stirn. Mit der anderen halte ich das Handy. Rocky hat mal wieder eine Konferenzschaltung begonnen, sodass jedes Team sich absprechen kann. Pay, Lilith und Chief sind offenbar auf Team Rocket gestoßen und mussten sich gegen einen ihrer Roboter zur Wehr setzen.
    „Erst haben wir die verarscht, und dann haben wir den Meteor gezündet! Das hat BOOOM gemacht, wunderschön! Bwahaha!“
    „Das ist nicht witzig. Man bringt nicht einfach aus Spaß Menschen um. Was, wenn sie nun tot sind?“, entgegne ich. Es folgt eine kurze Stille.
    „Was soll das heißen, WENN? Die sind 100% verbrutzelt! Und außerdem: Das sagst gerade du?“, fragt Pay dann. Ich spüre, wie mir kalt wird. Céciles Gesicht erscheint vor meinem inneren Auge.
    „Es war…was ganz anderes.“, sage ich leise.
    „Und am See oben? Wie viele haste da umgelegt? Deine Spezialtechnik hat sicher auch einige…“
    „Sei still.“
    „Ich mein ja nur…“
    „Pay, es reicht.“, mischt sich Rocky ein. Sie kann sich gut vorstellen, wie ich mich fühle. Als Polizistin war sie sicher auch schon in dieser Situation.
    „Typisch Weibchen, Yeah! Ich tue nur das, was am besten für das Team is. Die hätten sonst ihren Roboter da auch gegen euch eingesetzt.“
    „Wir sind nicht die Bösen hier. Also sieh in Zukunft von solch explosiven Angriffen ab, wenn du nicht sicher bist, ob Menschen getötet werden.“, ermahne ich ihn.
    „Hey, gib nich mir die Schuld! Rocky hat mich doch extra für sowas mitgenommn!“
    „Das stimmt nicht! Wenn etwas zerstört werden muss, klar, aber…“, die Polizistin versucht, sich zu verteidigen. Dann wird sie kurz still.
    „Wie dem auch sei. Pay, sei ein wenig vorsichtiger, okay? Es kann sein, dass sie Spione in der Nähe haben. Und wenn sie merken, dass Lilith nicht Maria ist, steigt das Risiko auf einen Angriff in Herzhofen.“, ich merke, wie sich ihr Tonfall verändert hat. Sie will den Hitzkopf nicht gegen sich aufbringen. Wenn so jemand Amok läuft, können schreckliche Dinge passieren. Ich verstehe sofort, wie wichtig es ist, den Roten Riesen unter Kontrolle zu halten. Erschrocken stelle ich fest, dass ich Team Rocket ein schmerzhaftes Ende wünsche, weil sie dazu gehören. Sie sind mit dafür verantwortlich, dass Lee leiden musste. Hastig schüttele ich den Kopf, wie um den Gedanken abzuwehren, doch ich spüre Lees Blick auf mir.
    „Jo, schon kapiert. Aber wozu haben wir uns dann so viel Mühe gegeben?“
    „Die Mühe ist nicht umsonst. Ihr kriegt eure Chance. Aber eure Priorität liegt nun darin, Jubelstadt zu befreien.“
    „Sind aufm Weg!“, verabschiedet sich Pay und legt auf. Ich seufze. Er hat wahrscheinlich nicht einmal verstanden, was Rocky mit „Vorsichtig sein“ meinte.
    „Boss-Lady?“, meldet sich Cat.
    „Ja, Kitty?“, ich habe überlegt, ihr nun meinerseits einen Spitznamen zu geben. Kitty erscheint mir passend, es ist niedlich und drückt ihren Charakter aus. Das Mädchen kichert kurz.
    „Wo seid ihr gerade?“, fragt sie dann.
    „Kurz vor Weideburg. Wir erreichen die Stadt in schätzungsweise drei Stunden, wenn wir uns ranhalten.“
    „Okay! Kannst du…ähm…also, wenn du Zeit hast…“
    Cat druckst herum. Ich bin überrascht. Normalerweise ist das nicht ihr Stil. Dann fällt mir ein, dass sie aus Weideburg kommt.
    „Nachsehen, ob es deinen Eltern gut geht?“
    „Ja, das wäre nett!“, das Mädchen ist erleichtert, ich höre es an ihrer Stimme.
    „Keine Sorge, das mach ich. Wo wohnst du?“
    „Ach, kannst du gar nicht übersehen. Unser Anwesen…“
    „Anwesen?!“
    „Jaa, mein Dad ist ein hohes Tier in so einer Firma da unten. Wir wohnen ein wenig außerhalb der Stadt, auf einem Hügel.“ – „Gut.“ – „Danke!“
    Danach bespricht Rocky mit uns den weiteren Plan. Wir sollen in Sonnewik aufräumen und dann sofort zurück nach Herzhofen kommen, so schnell es geht, damit Siata unsere Truppe nicht zu sehr schwächt…von Mewtu ganz abgesehen. Mir läuft schon wieder ein Schauer über den Rücken, als ich an die Präsenz des Wesens denke, bevor es mein Inneres zerquetschte. Verdammt. Ich muss es beim nächsten Mal besiegen, sonst kriege ich echt noch Albträume davon. Im nächsten Moment erinnere ich mich an diese Frau, die in meinem Kopf war. Sie sagte, sie hat mir meinen Namen gegeben, aber das ist unmöglich. Maria ist ausgedacht. Es gibt keine echte Maria Jou. Obwohl…den Nachnamen hat sie nicht erwähnt. Ist sie wirklich meine…?
    „Maria!“ – „Wa…oh. Tut mir Leid, Rocky. Was hast du gesagt?“
    „Ich sagte, seid ebenfalls vorsichtig. Es können überall Fallen lauern.“
    „Sind wir. Bis dann.“, ich lege auf. Lucia nickt mir aufmunternd zu. Scheinbar sieht man mir genau an, was mir Sorgen bereitet.
    „Wir packen das schon.“, murmele ich.
    Während die Sonne immer höher steigt, nähern wir uns der Stadt. Lee ist bemerkenswert still geworden, selbst für seine Verhältnisse. Irgendetwas bedrückt ihn.
    „Hey. Alles klar bei dir?“, frage ich nach einer Weile. Lucia tut so, als würde sie mit Plinfa spielen, wofür ich ihr dankbar bin.
    „Nein. Nein, ganz und gar nicht. Am See wärst du fast gestorben. Und in Herzhofen erneut, ohne dass ich dir in irgendeiner Form geholfen habe.“, ich spüre seine Wut. Worauf ist er wütend?
    „Ich wäre gestorben, das stimmt. Ich bin es aber nicht, und darauf kommt es an.“. Trainiert er darum härter als je zuvor?
    „Ja, schon. Aber was für ein Freund bin ich? Freunde sind da, um die beschützen zu können, die man liebt. Und ich habe versagt.“
    „Du warst in Gefangenschaft, Lee. Du hast Hagane auch davor beschützt.“
    „Aber Tai nicht. Dich am See nicht.“, er beißt die Zähne zusammen.
    „Außerdem hat Hagane sich selbst befreit. Ich konnte rein gar nichts tun. Ich muss stärker werden.“
    „Ist das der Grund, wieso du Tag und Nacht trainierst? Lee, du siehst wirklich zum Anbeißen aus, aber diese Augenringe sind nicht gerade sexy. Du solltest mehr schlafen.“, ich versuche, ihm aufzuheitern. Es klappt nicht.
    „Das ist dann eben der Preis. Wenn dieses Vieh noch einmal aufkreuzt, wird es merken, dass es besser die Finger von dir gelassen hätte.“, knurrt er. Ohne weitere Worte drücke ich seine Hand kurz fester. Diese stumme Kommunikation hilft uns immer.
    Das ist eine der Eigenheiten Lees, er hat eine immense Wut in sich, die manchmal hervorkommt. In der Hinsicht ist er mir ähnlich. Und einer der Faktoren, die diese Wut auslösen können, bin ich. Oder besser gesagt, ich, wenn ich verletzt werde. Sein Beschützerinstinkt steht Lees Ehrgeiz in nichts nach.
    „Nachdem wir Cats Familie besucht haben, machen wir uns auf den Weg nach Sonnewik, richtig?“, will Lucia wissen, nachdem wir wieder eine Weile geschwiegen haben.
    „Nein. Eigentlich nicht.“, erwidere ich. Sie sieht mich überrascht an.
    „Warum?“
    „Weil da was faul ist. Lilith, Pay und der Chief werden zufällig von einem Roboter angegriffen, der ausgerechnet gegen Feuer und Gestein gewappnet ist? An solch einen Zufall glaube ich nicht. Die wissen genau, was wir vorhaben. Wahrscheinlich hören sie Rockys Handy ab oder so. Daher müssen wir den Plan sofort ändern. Wir verstärken Pay und sein Team in Jubelstadt, schätze ich.“
    „Aber das ist so weit!“
    „Ganz und gar nicht. Ich habe bereits mit Alfred geredet. Er leiht uns eines seiner Jets.“
    „EINES?!“, entfährt es der Koordinatorin.
    „Ja, jedenfalls sagte er das so. Mal ehrlich, überrascht dich das?“
    „N-Nein. Aber dennoch…“
    „Gut.“, Lee legt den Arm um meine Taille.
    „Und dann machen wir sie platt.“
    Eine Stunde später stehen wir auf dem letzten Hügel vor der Stadt. Weit unter uns erstreckt sich Weideburg, die Stadt des Moors. Ich blicke mich um. Cat hat gemeint, sie wohnt ein bisschen außerhalb, aber ich kann kein Gebäude entdecken, was sich irgendwie abhebt. Als ich den Kopf nach links wende, muss ich die Aussage revidieren; nicht einmal einen Kilometer entfernt sehe ich ein Herrenhaus, welches sich ebenfalls auf der Anhöhe befindet. „Sieht nicht schlecht aus.“, murmelt Lee. „Wusste nicht, dass sie aus einer so reichen Familie kommt!“, fügt Lucia hinzu.
    Das Gebäude ist aus hellgrauem Stein erbaut, ein zurückgesetztes Portal dominiert die zweigeschossige Vorderfront. Lange Seitenflügel erstrecken sich nach links und rechts, bis jeweils einer der insgesamt vier Türme sie eingrenzt. Was ist das? Barock? Nein, nicht alt genug. Die Türme haben im Gegensatz zum Rest des Gebäudes drei Geschosse, ich frage mich, wieso. Eine lange Treppe führt den Hügel bis zum Portal hinauf. Zwei Baumreihen flankieren sie. Wir gehen beinahe ehrfürchtig die steinernen Stufen hinauf, während ich im Kopf mein Bild von Cat grundlegend revidiere. Ich dachte…ja, was dachte ich über sie? Außer der Präsentation, die Rocky uns damals gab, hatte ich keinerlei Informationen über das Mädchen. Wer hätte gedacht, was für Lebensverhältnisse sie wohl zurückließ. Oben am Portal angekommen bemerke ich eine kleine Überwachungskamera, deren gläsernes Auge mich anstarrt. Ich blicke an mir herab. Vorhin erst habe ich mich umgezogen, trage nun eine kurze Stoffshorts und ein bauchfreies Top. Blaue Sandalen runden das Bild ab, ich schätze, mein Aussehen ist ausreichend, um eingelassen zu werden. Eine Erinnerung blitzt in mir auf, wie ich vor einem Jahr aus Versehen eine Zeitreise machte und dort mein zukünftiges Ich traf- in einem ähnlichen Outfit. Die Zeiten ändern sich wirklich…und wir Menschen auch.
    Entschlossen hebe ich die linke Hand und drücke auf die Klingel. Ein überraschend modernes Geräusch, was gar nicht zu dem Gebäude passen will, ertönt im Inneren. Wir warten etwa eine Minute, dann öffnet ein Bediensteter der Thompsons die Portaltür. Er erinnert mich ein wenig an Alfred, sogar der schwarze Anzug passt. Das schüttere weiße Haar hat er streng zurückgekämmt, während ich ihn mustere, mustert er mich. Dann hebt verneigt er sich knapp.
    „Der Master erwartet Sie bereits.“, mit diesen Worten tritt er beiseite und weist ins Innere der Eingangshalle. Ich versuche, das „Sie“ zu überhören. „Der Master erwartet bereits“ entspricht jedoch keiner mir geläufigen Grammatik, also muss ich es wohl oder übel annehmen.
    „Vielen Dank.“, antwortet Lee. Wir folgen dem Mann. Er scheint uns erwartet zu haben, aber wieso? Wurde uns eine Falle gestellt? Wieso hat der Diener so gefasst gewirkt? Ich spanne die Muskeln, bereit, zurückzuschlagen, wenn uns jemand angreift.
    Mir bleibt kaum Zeit, die Inneneinrichtung zu betrachten, wir gehen eine große Freitreppe hinauf, welche mit einem roten Läufer bedeckt ist. Am Treppenabsatz wendet unser Guide nach links, wir passieren einige steinerne Büsten, betreten einen schmalen Korridor, an dessen Ende eine dunkle Holztür wartet, welche sich wie von Geisterhand öffnet. Cats Vater ist ein kräftiger Mann mit einer Ausstrahlung, die er vermutlich seinem Geld zu verdanken hat. Er sieht mich ernst an. Noch gestatte ich es mir nicht, mich zu entspannen. Die Falle könnte immer noch zuschnappen.
    „Maria Jou. Willkommen in meinem bescheidenen Haus. Sie sind größer, als ich dachte.“, ich verkneife mir die Bemerkung, dass dieses Haus weit davon entfernt ist, als „bescheiden“ bezeichnet zu werden.
    „Und Sie beide heiße ich auch herzlich willkommen.“, wendet er sich an Lee und Lucia. Ich zwinge mich zu einem Lächeln. Es ist schließlich für Cat. Aber ihr Vater wirkt nicht so, als wäre er der Sorte Mann zugehörig, die es erlauben, dass ihre Tochter sich als Katze verkleidet und Verbrecher jagen geht.
    „Danke. Wir wollten Ihnen eigentlich bloß die Grüße Ihrer Tochter übermitteln. Es geht ihr ausgezeichnet, sie scheint sich wahnsinnig darüber zu freuen, der Region helfen zu können.“, antworte ich. Cat hatte mir erzählt, dass sie auf Wunsch ihrer Mutter einige Selbstverteidigungkurse belegt hat, um sich zu schützen, wenn es nötig sein sollte. Daher hat sie ihre unverwechselbare Technik. Wie viele reiche Trainer haben wir eigentlich im Team? Eva, Alfred und Cat, so wie es aussieht. Ich selbst habe immer nur das Nötigste. Wenn meine Mittel knapp werden, gewinne ich ein Turnier und nehme das Preisgeld mit. So halte ich es seit Jahren.
    „Ich danke Ihnen meinerseits.“, ich zucke zusammen. Dann atme ich tief aus. Ich werde mich langsam damit abfinden müssen, gesiezt zu werden. Schließlich bin ich kein kleines Kind mehr.
    „Ihre Mutter macht sich Sorgen um sie.“, fügt er hinzu.
    „Braucht sie nicht. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich finde es normal, wenn sich Mütter um ihre Töchter sorgen, aber Cat ist in den besten Händen. Zwei der stärksten Trainer Sinnohs passen auf die auf. Und außerdem gehört sie selbst zu den 20 besten.“, ich meine Manon und Joana, die beiden würden es nicht zulassen, dass Cat etwas passiert.
    Cats Vater schweigt eine Weile.
    „Dennoch ist es kein angenehmes Gefühl, zu wissen, dass sie in Gefahr schwebt. Ich habe gesehen, was Sie im Fernsehen getan haben.“, ich blicke ihm auf Augenhöhe ins Gesicht.
    „Ich muss zugeben, ich bin stolz auf Catherine. Das bringt mich aber zu einem Anliegen, welches ich habe, oder eher: zu zwei Fragen.“
    „Welche Fragen?“, ermuntert ihn Lucia, als er eine Weile geschwiegen hat und aus dem großen Fenster hinter seinem Schreibtisch sieht.
    „Zum ersten: Wie lange, glauben Sie, dauert diese Krise noch an? Das Einkaufen wird schon schwierig, weil aus Sonnewik keine Vorräte mehr kommen.“, ich lasse mir meinerseits Zeit.
    „Das können wir leider nicht absehen. Team Galaktik legt viele falsche Spuren und versucht, uns zu verwirren. Aber momentan sind wir dabei, eine der Städte zu befreien, die von ihnen besetzt worden sind.“
    „Gut. Und zweitens…was passiert mit den Familien Ihrer Teammitglieder? Wieso sind Kathya und ich noch nicht angegriffen worden?“.
    Ich schließe aus seinen Worten und seiner Miene, dass Kathya seine Frau und damit Cats Mutter sein muss.
    „Weil wir die Identität außerhalb des Teams geheim halten. Auch, wenn unsere internen Leitungen angezapft worden sind, fielen nie andere Namen als die, mit denen wir uns rufen. ‚Cat‘ ist die interne Bezeichnung für Ihre Tochter, niemand kommt auf die Idee, dass Catherine dahintersteckt. Und selbst wenn man ihren Vornamen errät, ist es unmöglich, ihre Herkunft herauszufinden. Wo ist denn Ihre Frau gerade?“
    „In ihrem Schlafzimmer. Sie ruht sich aus. Das tut sie immer um diese Zeit. Haben Sie alle…solche Decknamen?“
    „Manche. Pay zum Beispiel heißt ganz anders mit richtigem Namen. Lee und Hagane kommen aus der Einallregion, dort hat Team Galaktik keinen Einfluss. Es macht nichts, wenn man ihre richtigen Namen kennt. Kuré, unsere Psycho-Expertin, ist die Tochter von Lamina, welche sich uns ebenfalls schon angeschlossen hat. Das nur als Beispiel.“
    „Und Sie? Sie kennt man doch nun schon. Was ist mit Ihren Eltern? Machen die sich Sorgen? Bestimmt.“, er fixiert mich. Ich senke den Blick.
    „Ich habe keine Eltern.“, murmele ich. Das Bild der dunkelhaarigen Frau blitzt vor meinem inneren Auge auf, der Frau aus dem Licht. Ich verdränge den Gedanken.
    „Das tut mir leid.“, Cats Vater scheint verlegen zu sein. Ich tue ihm den Gefallen und wechsele das Thema.
    „Wie dem auch sei, wir haben getan, wofür wir herkamen. Wir müssen weiter.“
    „Verstehe. Zum Essen bleiben Sie sicher nicht.“
    „Geht leider nicht.“, Lucia scheint diesen Umstand sehr zu bedauern.
    Einige Minuten später stehen wir zu dritt auf der Freitreppe vor dem Anwesen und verabschieden uns wieder von Cats Vater. Ich habe wirklich das Gefühl, dass er eher stolz darauf ist, dass sie ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt. Es gibt Mädchen, die ein Leben lang davon träumen, ihre Wünsche wahr werden zu lassen, und später merken, dass es nie passieren wird. Cat ist einfach Rockys Ruf gefolgt und lebt ihren Traum: den einer Profitrainerin. Natürlich war sie davor schon ziemlich stark, sonst hätte Rocky sie nicht benachrichtigt, aber dennoch…es gibt noch einige andere in ihrer Liga, die Cat nun alle hinter sich zurücklässt.
    Wie wird es wohl nach der Krise weitergehen? Wird die Erwähnung eines Namens wie Cat oder Tai in den Turnieren, bei denen sie mitwirken, für Angst unter ihren Gegnern sorgen? Ich schüttele unwillig den Kopf, es ist nicht der richtige Zeitpunkt, um in solchen Träumereien zu versinken.
    „Also dann. Weiter geht’s, würde ich sagen.“, schlägt Lee vor.
    „Sehe ich auch so. Bleiben wir dabei, nach Jubelstadt zu fliegen und Pay zu helfen?“
    „Sonnewik muss allerdings auch befreit werden. Die haben ernste Probleme dort.“
    „Du hast Recht. Aber traust du Pay zu, das sauber zu regeln? Noch einen Magma-Meteor können wir nicht verantworten. Nicht in der Großstadt.“
    „Hm.“, Lee überlegt eine Weile.
    „Er hat Lilith dabei, ich nehme an, sie kann ihn davon abhalten.“, sage ich, doch ich bin mir keineswegs sicher, ob das stimmt. Lilith ist aus irgendeinem Grund Pay verfallen, und wenn er eine Explosion will, würde sie nicht nein sagen.
    „Wir sollten uns beeilen.“, murmelt Lucia. Dunkle Wolken ziehen am Horizont auf.
    //


    Sonnewik
    Johnny läuft durch die ausgestorbenen Straßen Sonnewiks. Im Gegensatz zu Herzhofen erholt sich die Stadt nur schlecht von der Infiltration Team Galaktiks. Er selbst trägt immer noch die schwarze Uniform mit dem roten R darauf, doch das Gefühl ist nicht mehr dasselbe. Er traut den Galaktikern nicht mehr, seit sie in Ewigenau Cécile und ihn als Köder benutzt haben. Über ihm führen die berühmten Solarwege entlang, die der Stadt zu ihren gigantischen Energiequellen verhelfen. Darum war Sonnewik die erste Stadt nach Herzhofen, die übernommen wurde: Saturn braucht den Strom für irgendeine Vorrichtung im Kraterberg. Worum es dabei geht, weiß Johnny nicht. Er atmet tief aus. Nach seinem Krankenhausaufenthalt hatte er einige Tage frei bekommen, wollte jedoch irgendwas zu tun haben, um sich abzulenken. Cécile war nicht nur seine Partnerin gewesen, sondern eine Freundin. Eigentlich sogar die engste Freundin, die er hatte.
    Er fragt sich, was in Maria vorgegangen ist, als sie die Hand hob und das Leben ihrer Gegnerin beendete. Klar, Team Rocket ist eine Verbrecherorganisation, und Johnny liebt den Nervenkitzel, der bei der Ausübung eines gewagten Plans kommt, doch er hat nicht gewusst, dass die Opfer eins solchen Plans zu denselben Taten fähig sind wie er. Seine Vorgesetzten werfen ihm ab und zu vor, er sei zu sentimental, aber Johnny kann nicht anders. Er fragt sich immer, was in anderen vorgeht.
    In den Besprechungen hat er nun immer öfter mitbekommen, wie Maria quasi zur Legende wurde. Erst hieß es, sie könne geringe Mengen Wasser kontrollieren, doch mittlerweile sprechen viele davon, sie könne mit nur einer Handbewegung Menschen töten, sie bewegungsunfähig machen oder Schlimmeres.
    Der Rocket-Agent bleibt kurz stehen. Sie haben eigentlich alle Recht, nur bedenken sie nicht, dass Maria das alles nur mit Wasser anstellt. Der menschliche Körper besteht zu 60% aus Wasser, mehr als genug, um ihre Kräfte zu aktivieren. Er stellt sich lieber nicht vor, was in Céciles Körper passiert ist, als diese Kräfte sie verwüsteten.
    Eine Frau bleibt vor ihm stehen. Sie trägt einen weißen Umhang mit Kapuze, deren Schatten ihr Gesicht unkenntlich macht.
    „Sie müssen vom Elite-Team der Galaktiker sein. Mein Name ist Johnny.“, sagt der Mann.
    „Bin ich.“, antwortet eine leise Stimme, die ihm eine Gänsehaut einjagt. Diese Stimme kennt keine Gefühle. Jedenfalls keine Positiven.
    „Und ich bin hier, um mit dir zu sprechen, Johnny.“
    „Worum geht’s?“, er fragt nicht, woher sie wusste, wo sie ihn suchen muss. Diese Typen haben andere Methoden als er.
    //


    Herzhofen
    In etwa so hatte sich Cat ihre Aufgabe vorgestellt, als sie den Brief von Rocky damals bekam. Um einen Angriff auf Saturns Hauptquartier vorzubereiten, braucht Rocky zuerst die Pläne des Gebäudes. Durch Alfreds Kontaktmänner und ein wenig „Überredungsarbeit“ von Eva ist das Team um die Blonde in den Besitz einiger Informationen gelangt. Die Pläne befinden sich offenbar in einem Safe, der wiederum in einem Gebäude im Stadtkern von Herzhofen steht. Tagsüber sind haufenweise Galaktiker in diesem Gebäude stationiert, sodass es nicht klug erscheint, einen Diebstahl zu wagen. Also hatten Cat, Manon und Joana auf den Einbruch der Nacht gewartet. Auf den Straßen war nun nichts mehr los, die Rothaarige und das kleine Mädchen warteten auf der anderen Straßenseite. Es ist Cats Aufgabe, die Pläne zu beschaffen. Sie ist eine Diebin, die sich die meisten Tricks selbst beigebracht hat.
    Sie überquert die Straße so schnell sie kann. Ohne von jemandem gesehen zu werden, packt sie einen Fenstersims und schwingt sich an der Fassade des Gebäudes hoch. Ihre Hände und Füße finden schnell dort Halt, wo sie ihn braucht. Unter ihr wird die Straße kleiner.
    „Das macht miau Spaß!“, grinst sie, bevor sie eine weitere Etage meistert. Insgesamt ist das Haus 3-stöckig, aus hellem Stein erbaut und ähnelt einem Museum. Das Eingangsportal ist aus massivem Holz, da kommt sie auf keinen Fall durch. Mal von der Alarmanlage abgesehen. Darum versucht sie, die Lüftungsschächte zu benutzen. Mit ihrer Beweglichkeit dürfte das kein Problem sein. Nach einer Viertelstunde Kletterei ist sie auf dem Dach angekommen, wo ihr das Glück gewogen scheint: mehrere metallene Schächte führen ins Innere des Gebäudes.
    „Dann mal los.“, seufzt das Mädchen, ihr Katzenschwanz legt sich um ihre Taille. Mit angehaltenem Atem schwingt sie sich in die Metallröhre. Es geht fast 2 Meter in die Tiefe, bevor der Schacht im 90° Winkel abknickt. Mit einem dumpfen Knall landet sie. Dann kriecht sie auf allen Vieren weiter, ihre Bewegungen verursachen nicht den geringsten Laut.
    Sie findet einen Ausstieg; eine in den Boden der Röhre eingelassene Schiene, die sich beiseiteschieben lässt. Trotz der Dunkelheit entgeht ihren Augen nichts. Sie selbst sagt von sich gern, dass sie Raubkatzenaugen hätte. Cat lässt sich durch die Öffnung nach unten fallen, im Fallen rührt ihr Körper eine reflexartige Rolle durch, die sie erneut auf allen Vieren landen lässt. Sie blickt auf.
    „Oh, igitt!“, maunzt sie, als sie sieht, wo sie gelandet ist. Eine weitläufige Halle erstreckt sich vor ihr, ganz hinten erkennt sie eine in die Wand eingelassene Tür.
    Und in dieser Halle tanzen Dutzende Laserstrahlen umher. Cat wettet, dass sie zum Alarmsystem gehören- und wenn ein Gebäude so gut gesichert ist, muss mehr zu holen sein als nur ein paar Pläne. Cat holt ihren Walkman heraus. Eine Sekunde später dringen die ersten Takte der Musik an ihr Ohr; ein sehr schneller Song wird gespielt. Sie hüpft ein paar Mal auf der Stelle, beugt sich dann mit durchgedrückten Beinen vor und führt die Fingerspitzen an ihre Zehen. Das muss als Dehnung genügen. Sie würde ihre ganze Beweglichkeit brauchen, um dieses Hindernis zu überwinden.
    Nach dem fünften Takt tritt sie vor und beginnt zu tanzen. Ihre Schritte führen sie direkt ins Lichtstrahlenfeld. Ihre Beine und Arme sind gut trainiert, die Flexibilität ihres Körpers ist in Sinnoh wahrscheinlich einzigartig. Obwohl die Laser aus allen Richtungen kommen, findet sie immer neue Stellungen, mit denen sie ausweichen kann. Sie muss hintereinander wahnsinnig schnell vom Kopf- und den Handstand übergehen, dann eine Flugrolle machen, danach in den Spagat, sie kann es sich nicht leisten, eine Pause zu machen. Es dauert bestimmt 5 Minuten, bis sie wieder tief Luft holen kann. Mit einem letzten Sprung, bei dem sie sich am höchsten Punkt der Flugbahn überschlägt, überwindet sie den letzten Lichtstrahl und landet danach auf ihren Füßen. Das Strahlenfeld liegt hinter ihr. Zufrieden grinsend macht sich Cat auf den Weg.
    „Ein Kinderspiel. Mich hält nichts auf!“, raunt sie. Hinter dem Strahlenfeld führt eine kurze Treppe zur Tür hinauf. Ein ungutes Gefühl in ihrem Kreuz lässt sie zusammenzucken. Ihre Hand fährt zu ihren Pokébällen.
    „Luxtra, ich brauche deine Kraft.“
    „Die wird nicht reichen.“, als Cat herumwirbelt, sieht sie eine Gestalt, die in reinstes Weiß gekleidet ist. Ein Kapuzenmantel verhüllt den Körper des Mannes, denn ein Mann muss es nach der Stimme nach sein.
    „Was? Wer bist du?“, fragt Cat.
    „Dein schlimmster Albtraum.“


    ich komme mittlerweile nicht mehr so viel zum schreiben, die uni halt... ich versuche, es in den ferien, die gerade beginnen, ein wenig aufzuholen, aber ihr müsst leider trotzdem geduldig sein :P bis zum nächsten mal,
    mfg
    DoD

  • Kapitel 49
    Fahrplanänderung!


    17.7.2009


    Luxtra knurrt den Gegner seiner Trainerin an. Diesen Eindringling mag es gar nicht. Cat hingegen sieht ihm ruhig entgegen.
    „Sieht nicht aus, als wärst du zur Teestunde vorbeigekommen. Miau solls recht sein. Luxtra, los, Donnerzahn!“
    „Hmmm…Lepumentas, dein Einsatz.“
    Der Donnerzahn trifft, doch Lepumentas‘ Lehmkörper absorbiert die Blitze.
    „Ein Psycho- und Bodentyp, was? Schlau gemacht! Aber nicht schlau genug für mich. Knirscher.“, befiehlt das Mädchen, ihr Gegner in Weiß reagiert nicht. Erst in allerletzter Sekunde rettet sich sein Lepumentas mit Schutzschild.
    Er will mich hinhalten. Ich muss weiter.“, überlegt Cat, nachdem sie einige Minuten ohne rechtes Ergebnis gekämpft hatten. Also spannt sie die Muskeln an, die noch vor Adrenalin quasi kochen, und stürzt sich auf den Mann vor ihr. Die Hände streckt sie vor, die Finger gekrümmt, als wäre sie eine Raubkatze, die sich auf ihre Beute stürzt.
    „Wenn du denkst, du könntest miau hinters Licht führen, hast du dich getäuscht!“, faucht sie.
    „Rollentausch, Lepumentas.“, sagt ihr Gegner leise. Cat spürt ein unerträgliches Kribbeln am ganzen Körper. Ihre Sicht verschwimmt. Als sie die Augen kurz schließt, reißt irgendetwas an ihrem Rücken, es ist, als würde sie aus ihrer Haut gezogen werden. Sie öffnet die Augen…
    Und sieht sich selbst von hinten. Zwei Beine, die zum Sprung bereit sind, alle Muskeln sind angespannt. Der Rücken leicht gebeugt, wie eine Feder, die gleich losschnellt. Aber sie sollte sich nicht selbst sehen können. Verwirrt blickt sie runter und sieht fellbesetzte Pfoten an ihren Armen. Ihre Gedanken rasen. Alle Farben sind schwächer als sonst, haben jedoch grelle Gelbschattierungen. Schatten existiert für sie kaum noch, ihre Augen sind tausendmal besser. Freude macht sich in ihr breit, das Lepumentas hat ihren Körper mit dem Luxtras vertauscht. Endlich ist sie eine richtige Katze! Dann schüttelt sie den Kopf. In dieser Situation ist das nicht gut. Was kann sie tun? Luxtras Attacken einsetzen? Sie muss ihren Auftrag erledigen.
    Luxtras Beine sind viel stärker als ihre, sie springt vor und verfehlt den Typen, weil sie viel zu schnell über ihn hinweg segelt. Mit allen vier Pfoten stützt sie sich für den Bruchteil einer Sekunde an einer Säule ab, bevor sie sich erneut nach vorn katapultiert. Diesmal erwischt sie ihn, ohne nachzudenken, beißt sie zu. Erst lösen sich nur ein paar Funken aus ihren Zähnen, dann werden es Blitze, welche durch ihren Feind jagen. Er geht ächzend in die Knie.
    Ihr menschlicher Körper- in dem jetzt Luxtra stecken muss- faucht laut, greift dann ebenfalls wieder an.
    „Was ist hier los? Lepumentas hat noch nie versagt!“, knurrt der Galaktiker. Cat geht ein Licht auf. Ihr eigenes Verhalten ist dem einer Katze so ähnlich, dass er nicht merkt, in welchem Körper sie nun wirklich steckt. Sie muss nun nur noch hoffen, dass Luxtra sich nicht allzu auffällig benimmt, während es ihre menschliche Gestalt benutzt.
    „Lux-Luxtra!“, knurrt sie, hält kurz inne, weil sie eigentlich etwas hatte sagen wollen. Stattdessen setzte ihr Gehirn aus ihren Gedanken den Namen des Pokémons zusammen, das sie nun war. Ihre menschliche Gestalt hat alles Menschliche aus den Augen verloren, Cat greift zusammen mit Luxtra Lepumentas und seinen Trainer an. Luxtra ist viel klüger, als man denken mag, es benutzt dieselben Techniken, die es sonst bei seiner Trainerin sieht. Sie denkt an die Knirscher-Attacke und fühlt, wie ihre Eckzähne ein bisschen länger werden. Mit einem gewaltigen Satz greift sie Lepumentas an. Die erhöhte Kraft von Luxtras Muskeln hilft ihr, weitere 10 Minuten zu Lepumentas‘ Albtraum werden zu lassen. Greift die Lehmpuppe an, bringt Cat sich mit einem Sprung in Sicherheit. Sie selbst allerdings landet nur Treffer. Der Körpertausch beginnt, ihr Spaß zu machen. Ihr menschlicher Körper kann trotz all des Trainings nicht mit Luxtras überlegener Kraft und Geschmeidigkeit mithalten. Ihre neuen Beine sind viel stärker, ihr Schwanz balanciert sie perfekt aus, mit ihren neuen Ohren hört sie alles. Absolut alles. Lepumentas hat keine Chance.
    „Das kann nicht sein! Noch einmal Rollentausch!“, befiehlt der Weiße, während er wilde Angriffe von Luxtra abwehrt. Cat will grinsen, doch sie bleckt nur die Fangzähne. Ihr Plan geht auf. Bevor der Rollentausch sie erwischt, greift sie aber noch einmal mit Knirscher an. Lepumentas wird besiegt.
    Ups.“, denkt Cat. Da hat sie wohl übertrieben. Andererseits würde der Typ jetzt denken, dass seine Technik wirklich fehlschlug, und Cat ihn an der erneuten Anwendung hindern wollte. Die Wirkung von Rollentausch lässt nach einer gewissen Zeit nach, das weiß sie. Sie würde aus ihrer Situation das Beste machen. Nach Lepumentas ruft ihr Gegner zu ihrem Leidwesen ein Gengar auf den Plan. Sie weiß, dass Maria eines hat. Sicher verlor sie irgendwann ein paar Worte über dessen Schwächen. Was war das noch gleich? Gengar ist ein Geist-Gifttyp. Mit Psycho- und Unlichtattacken dürfte sie im Vorteil sein. Knirscher würde die Sachlage klären, denkt sie. Sie spannt die Muskeln. Luxtra duckt sich halb.
    „Gengar, Kraftreserve!“, bevor Cat auch nur gucken kann, schießt eine glühende Kugel aus schwarzer Energie auf sie zu und trifft sie in die Seite. Es fühlt sich an, als würde jemand mit einem glühenden Brandeisen ihren Körper bearbeiten. Jede Zelle löst sich in Schmerz auf. Sie jault laut und bricht zusammen.
    „Die Kraftreserve muss vom Element Boden sein!“, fährt es ihr durch den Kopf. Boden ist sehr effektiv gegen sie, da sie nun ein Elektro-Wesen ist. Nach einigen Momenten klingt der Schmerz langsam ab. Sie müht sich auf alle Viere. Das Gengar grinst sie höhnisch an. Wenn sie jetzt in ihrem Körper wäre, würde sie Luxtra zurückrufen und stattdessen Snibunna nehmen. Aber so…hat der Kerl sie durchschaut? Will er, dass sie im Pokémonkörper gefangen bleibt, um nicht kämpfen zu können? Sie muss sich etwas einfallen lassen. Gengar ist weitaus schneller als sie, das ist klar. Sie muss über die Kraftreserve springen und dann den Knirscher versenken. Ihre Eckzähne kribbeln. Mit einer einzigen, fließenden Bewegung springt sie hoch, und wie sie es erwartet hatte, feuert Gengar einen weiteren Energieball auf sie ab. Mit der Zeit gewöhnt sie sich an ihre neue Kraft. Ihr linkes Vorderbein wird getroffen. Sie knurrt, ignoriert die Pein, die sich von ihrer Pfote aus rasend schnell über ihren gesamten Körper verteilt, reißt das Maul auf und zielt auf Gengars Arm.
    Entgegen ihrer Erwartungen trifft sie. Sie hatte sich immer gefragt, wie Geisterpokémon angegriffen werden können. Sie spürt den merkwürdig luftigen Arm Gengars in ihrem Maul. Cat beißt so fest zu, wie sie kann, aus den Augenwinkeln sieht sie, wie Gengar sich vor Schmerzen krümmt. Besiegt ist es allerdings noch nicht. Zähes Biest.
    Sie landet unsicher auf den Hinterbeinen, die verletzte Pfote tut so dermaßen weh, dass sie nicht mehr darauf stehen kann. Genau im richtigen Moment lässt der Rollentausch nach. Cats Sicht verschwimmt erneut, und kurz darauf steht sie wieder auf zwei Beinen. Luxtra jault laut auf, genauso, wie sie es eben tat. Zwei Kraftreserven steckt man nicht einfach so weg. Cat weiß nun, wie es sich anfühlt, so getroffen zu werden.
    „Tut miau leid, Luxtra! Zurück!“, ruft sie hastig.
    „Danke, mein Freund. Du hast alles gegeben.“; flüstert sie dann, bevor sie grimmig aufsieht. Ihr Katzenschwanz peitscht wütend durch die Luft.
    „Und nun zu dir! Los, Snibunna!“, ihr Snibunna ist eines der schnellsten Pokémon, die sie kennt. Nicht einmal Manons Togekiss kann mit ihm mithalten. Der weißgekleidete Mann scheint sie anzustarren, doch sie kann sein Gesicht nicht sehen, weil es immer noch in den Schatten liegt.
    „Mein Rollentausch wirkt immer gut, was?“, fragt er dann.
    „Miau! Ich habe deinem Gengar trotzdem schön in den Arsch getreten.“
    „Hm. Du gewinnst aber nicht. Los, Gengar, Fokusstoß!“, nach diesem Ausruf reißt er beide Arme vor, zwei kleine Kugeln aus Metall schießen aus seinen Ärmeln und rasen auf Cat zu.
    „Wa…?!“, macht sie, eine Kugel rast an ihr vorbei. Kurz darauf schneidet etwas in ihren Oberschenkel und ritzt den Stoff ihrer Shorts auf.
    Er hat Drähte an den Kugeln befestigt!“, sie will sich zur Seite werfen, aber beide Kugeln sind bereits an ihr vorbeigesaust, die Drähte spannen sich und verändern die Flugbahnen. Durch die Fliehkraft machen beide Kugeln kehrt, umrunden Cat und wickeln sie ein. Sie will sich freikämpfen, die einschneidenden Drähte verhindern dies. Ihr Shirt wird an mehreren Stellen zerschnitten.
    „Was für Draht ist das?! Snibunna, Nachthieb!“, das alles geschieht in Sekunden, Gengars Attacke pulverisiert eine der Säulen hinter Cats Partner, Snibunna befindet sich derweil schon lange auf dem Weg zu seinem Gegner. Der Nachthieb trifft. Nach dem Knirscher, den Cat selbst verwendet hat, ist dies zu viel für Gengar: es geht zu Boden, damit verliert der mysteriöse Kämpfer sein zweites Pokémon.
    „Verflucht! Zurück!“, dem Angreifer ist die Wut nun deutlich anzusehen. Er ballt die Fäuste. Der Draht lockert sich jedoch leider nicht. In Cats Kopf nimmt ein Plan Gestalt an.
    //


    Luftlinie Weideburg- Jubelstadt
    Lee schweigt. Der neue Plan Marias gefällt ihm ganz und gar nicht. Vorrangig, weil er sie schon wieder verlassen musste. Sie hatte ausgeführt, dass sie nicht sicher sein konnten, wann und ob sie abgehört wurden, und wie viel Info über das Team an Team Galaktik gelangt ist. Darum hatte sie sich nun allein nach Sonnewik aufgemacht, um das geheimnisvolle Quintett zu besiegen, welches dort aufgetaucht ist. Er und Lucia sollen Pay, Lilith und dem Chief in Jubelstadt helfen. Sie sitzen zu zweit in einer von Alfreds Luxusmaschinen, einem Sportflugzeug. Lucia ist auch relativ schweigsam, hat genauso wenig wie Lee verstanden, weshalb sich Maria allein solch einer Gefahr aussetzen will.
    Lee kann nicht umhin, eine Falle in Jubelstadt zu vermuten. Pay, Lilith und der Chief sind das stärkste Team in Rockys Gruppe, was die Kampfkraft angeht. Irgendwas wartet dort auf sie. Lee und Lucia sollen verhindern, dass die Falle zuschnappt.
    Aber Maria…
    „Lee.“, sagt Lucia. Er sieht auf.
    „Ja?“
    „Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, du wärst jetzt lieber wo ganz anders. Mach dir keine Sorgen. Maria wischt denen in Sekundenschnelle eins aus und ist wieder bei dir.“
    Lee zwingt sich zum Lächeln.
    „Sicher. Aber ich kann nicht anders. Was, wenn sie ihr jetzt in Sonnewik eine Falle stellen?“
    „Daran hat sie bestimmt auch schon gedacht, du kennst sie doch. Besser als sonst jemand.“
    „Weiß ich ja.“, murmelt der Blonde. Lucia stützt ihr Kinn auf eine Hand und sieht aus dem Fenster. Es wird schon Abend. Ihr blauschwarzes Haar fällt ihr ins Gesicht, sie streicht eine Strähne weg. Sofort fühlt sich Lee an Maria erinnert. Nicht, dass es nötig wäre, er hat sie ohnehin pausenlos im Kopf. Besser, er konzentrierte sich auf seine Aufgabe, dann würde er umso schneller mit ihr wieder vereint sein.
    Außerdem hat sie den schwarzen Wächter von Alamos bei sich. Seine düstere Laune verschwindet zusehends.
    „Danke, Lucia.“
    „Ihr seid euch so ähnlich.“, grinst die Koordinatorin.
    „Wirklich?“, Lee sieht sie interessiert an. Über ihre gemeinsame Zeit mit Maria weiß er kaum etwas, Maria hat nur einige Andeutungen gemacht.
    „Ja. Sie bedankt sich auf dieselbe Art wie du.“
    „Wie war es denn mit ihr so?“
    „Einfach schön. Sie ist wie eine große Schwester für mich. Wenn sie dabei ist, habe ich vor nichts Angst.“, Lucia kommt ins Plaudern, erzählt einige Anekdoten aus den Tagen von Lees Gefangenschaft. Lee findet seine Vermutung bestätigt; die beiden lieben sich wie Schwestern. Lucia würde für Maria durchs Feuer gehen und andersrum, wie er bereits weiß.
    „Wow. Mädels untereinander.“
    „Kannst du laut sagen. Wir schulden ihr noch eine Geburtstagsparty. Das darf sie nicht vergessen, und ich lasse nicht zu, dass sie sich davor drückt. Aber wie ich hörte, seid ihr beiden gar nicht so brav wie ich immer dachte…“, Lucias Lächeln wird breiter. Lee überlegt, was sie damit meinen könnte.
    „Was genau…“
    „Ach, nichts.“, lacht sie.
    „Sag schon. Was ist los?“
    „Maria und ich haben keine Geheimnisse voreinander, wusstest du das? Und ihr beiden seid wiiiirklich unartig, wenn ihr wollt. Mir wären fast die Ohren abgefallen, so neugierig hat sie mich gemacht.“
    „Sag mir nicht, wie hat dir…“, er spürt, wie flammendes Rot seine Wangen überzieht.
    „Sie hat.“, stöhnt er dann, als Lucias Grinsen anhält. Lee erkennt, dass Maria es ihr kaum erzählt hätte, wenn sie Lucia für eine Plaudertasche hielte. Also bestand kein Grund zur Beunruhigung.
    „Keine Sorge, eure Geheimnisse sind bei mir sicher. Aber sag mal…“
    „Was?“, Lees ungutes Gefühl kehrt zurück, als Lucia sich verschwörerisch vorbeugt und den Ellbogen genüsslich auf ein Knie stützt, bevor sie das Kinn auf dem Handballen bettet.
    „Schokoladensoße und Erdbeeren? Hattest du vor, sie vollends zu vernaschen?“
    „Oh Gott. Ich, äh, kann das erklären.“
    //


    Route 222
    Es ging beim besten Willen nicht anders. Ich würde liebend gern alle in Sicherheit wissen, doch solange wir den Galaktikern nicht in den Kopf schauen können, ist das unmöglich. Wir müssen unerwartet agieren. Sie dürfen keine Ahnung davon haben, was unsere Pläne sind, das ist essenziell. Ich bin auf dem Weg nach Sonnewik, die kühle Meeresluft weht mir um die Ohren, der Wind zaust mein Haar. Roter Schimmer fällt sowohl auf das Meer als auch auf den Himmel über mir. Die Wellen rauschen an den Strand, an dem ich entlang renne. Zum ersten Mal seit langer Zeit gebe ich Vollgas. Dank des harten Trainings, dem ich mich täglich unterwerfe, bin ich in der Lage, sowohl sehr ausdauernd als auch sehr, sehr schnell zu laufen. Darkrai schwebt neben mir her und hält locker Schritt. Seine Geschwindigkeit hat sich ebenfalls stark verbessert.
    „Lee und Lucia geht es gut, haa…“, keuche ich, auf Darkrais vorige Frage antwortend.
    „Ich…musste…etwas tun, um…Saturn…zu verunsichern.“
    Schon deinen Atem. Du kannst auf eine andere Weise mit mir sprechen.“
    Ich schelte mich innerlich. Wieso vergesse ich das andauernd?
    Danke. Wir besiegen die Typen in Sonnewik, danach bringt uns Zorro nach Herzhofen zurück, wo aus uns Eva nach Jubelstadt bringen kann.“
    Wieso bringt uns…Zorro nicht direkt dorthin?
    So leicht ist das leider nicht. Er ist kein vollentwickeltes Psychopokémon. Seine Teleports sind nicht so genau wie die eines Guardevoir oder gar von Evas Simsala. Es wäre möglich, dass wir sonst wo landen, und das wäre unklug.“
    Diese Teleportations-Sache ist ziemlich kompliziert.“
    Kannst du laut sagen. Wie dem auch sei, Sonnewik stellt absolut kein Problem dar. Wir müssen aber zuerst rauskriegen, wo sie die gestohlenen Pokémon hinbringen.“
    Wir schnappen uns einen Galaktiker und horchen ihn aus.“, ich muss über Darkrais Vorschlag lächeln.
    Und wenn sie sich weigern, zu kooperieren?
    Sie werden mit dir reden. Ich kenne dich doch.“
    Er hat Recht, es ist nicht vorstellbar, dass sie sich mir widersetzen würden. Atemlos springe ich über eine kleine Felsformation, die aus dem Sand ragt, ohne etwas von meiner Geschwindigkeit zu verlieren. Wenn ich nach links sehe, kann ich mal wieder einen der für Sinnoh typischen Wälder sehen, welche die Landschaft prägen. Rechts allerdings erstreckt sich der Ozean. Ich liebe den Ozean, liebe es, in seinen Wellen zu schwimmen, einzutauchen in das allumfassende, erfrischende, belebende Nass…
    Maria!
    Was? Oh. Sumimasen.“, ohne es zu merken, habe ich meine Kräfte aktiviert. Eine gigantische Wasserkugel erhebt sich aus den Wellen und löst sich erst auf, nachdem Darkrai mich darauf aufmerksam gemacht hat. Mit einem riesigen Platscher fällt sie ins Meer zurück. Ich konzentriere mich wieder auf den Weg vor mir. In der letzten Stunde habe ich Weideburg verlassen, bin am Hotel Prachtsee vorbeigekommen und danach folgte dieser unendlich lange Strand. Gegen ein wenig Jogging am Abend habe ich nichts, und wie ich bereits sagte, ist meine Ausdauer enorm…aber von einer Stadt zur nächsten in weniger als 5 Stunden, das ist heftig. Und ich habe vor, noch ehe es Mitternacht wird, in Sonnewik anzukommen. Wenn ich dieses Tempo halten kann, schaffe ich es. Ich rechne mit etwa 10 kürzeren Pausen. Manchmal muss sogar ich Luft holen.
    Wenn Mewtu das nächste Mal angreift, bleib solange im Verborgenen, bis du einen guten Zeitpunkt zum Angreifen siehst.“
    Ich weiß.“
    Seine Psychoattacken richten nichts gegen dich aus, damit wird es nicht rechnen.“
    Bist du nervös?
    Ja.“, gebe ich zu. Darkrai hatte mir zwar beigebracht, dass jedes Pokémon Gefühle und ein eigenes Herz hat, doch bei Mewtu glaube ich das einfach nicht. Es hätte mich, ohne mit der Wimper zu zucken, umgebracht. Und das schon zweimal. Ein Schauder läuft mir über den Rücken, ich werde langsamer, bleibe stehen und schlinge mir die Arme um den Körper. Trotz der warmen Sommerluft wird mir kalt. Darkrai sieht mich ruhig an. Es dauert einige Momente, bis er das Wort ergreift.
    Lass dich nicht fertig machen. Angst ist normal. Auch für dich. Konzentriere dich.“
    Nur der Narr hat keine Angst, und es braucht wenig, um aus Mut Torheit werden zu lassen. So spricht mein Denken. Ich weiß, Darkrai, aber dennoch…“, erwidere ich und hole tief Luft.
    Angst ist mir nicht neu. Ich hasse sie. Ich sollte stärker sein.“
    Diese Nahtoderfahrungen sind nicht angenehm. Ich muss zulassen, dass sie mich stärker machen, anstatt mich zu schwächen. Doch so leicht geht das leider nicht.
    Als mir Darkrai eine Hand auf die Schulter legt, blicke ich überrascht auf. Er ist nie der Typ für so etwas gewesen. Doch er weiß, wann ich selbst Zuspruch brauche.
    Vergiss nicht, dass du nicht allein kämpfst. Ich helfe dir. Beim letzten Mal hat uns Mewtu überrascht. Das passiert nicht noch einmal.“
    Verstanden.“
    Ohne ein weiteres Wort lächele ich ihn an, werde wieder ernst und dehne dann meine Beine, bevor ich erneut losrenne. Darkrai versinkt im Boden und huscht als Schatten neben mir her. Ich komme an einem Angler vorbei, der mir sprachlos hinterher starrt. Die Zahl der Angler, die am Ufer stehen, steigt an, je näher ich Sonnewik komme. Die Sonne geht unter.
    //


    Cat und ihr Gegenspieler kämpfen bestimmt eine geschlagene Stunde gegeneinander. Es scheint, als würde der Typ für jedes Pokémon, was sie besiegt, nur noch ein Stärkeres rufen. Der Kampf wird immer härter. Sie hat es geschafft, sich aus den Drähten zu befreien, dadurch sind allerdings überall an ihrem Körper Schnittwunden entstanden. Ihre Kleidung ist an mehreren Stellen zerschnitten, den linken Ärmel ihres Tops hat sie schon verloren. Momentan kämpft ihr Enekoro gegen das Kramshef des Galaktikers. Cat fragt sich, wieso der Kerl keine Verstärkung gerufen hat. Kann er nicht? Ist sie ein zu guter Gegner? Bestimmt ist sie das. Anders kann es nicht sein.
    Oder…wird ihr gerade eine Falle gestellt? Alles ist möglich. Je schneller sie gewinnt, umso besser. Fauchend weicht sie einem Schlag aus. Ihr Bein saust hoch, erwischt den Typen am Kinn. Er röchelt, taumelt einige Schritte zurück. Dann schüttelt er den Kopf, befiehlt Kramshef einige neue Angriffe, die Cats Enekoro sofort kontern muss.
    Cat rafft ihre letzten Reserven zusammen, holt tief Luft und geht auf alle Viere runter. Mit wenigen Sätzen ist sie bei ihrem Gegner, der sich auch nur mit letzter Kraft wehrt. Ihre linke Faust trifft seinen rechten Ellbogen, doch als sie wieder ausweicht, rechnet er nicht mit einer Kombinationsattacke. Ihre Bewegungen sind zu schnell. Cat duckt sich an seinem Gegenangriff vorbei, zerkratzt ihm danach das Gesicht. Mit einem letzten Aufbäumen will er sie umwerfen. Cat bemerkt sein Vorhaben, lässt ihn ins Leere laufen und verstärkt seinen Schwung mit einem Tritt gegen seinen Rücken. Er kann nicht mehr bremsen und rennt mit dem Gesicht voran gegen eine der steinernen Statuen. Es knirscht laut, dann bleibt der Mann reglos liegen. Cat sinkt schwer atmend auf den Boden. Im selben Moment besiegt Enekoro Kramshef mit einer „Zuschuss“-Attacke, welche den Donnerzahn Luxtras imitiert.
    „Gut gemacht, Enekoro. Ich bin stolz auf dich.“, keucht Cat und streichelt ihr Pokémon am Kopf. Das Katzenpokémon lässt sich schnurrend neben ihr nieder. Sie gestattet sich eine kleine Pause, bevor sie ihren Auftrag ausführt.
    Eine weitere Stunde später verlässt Cat das Gebäude durch den Lüftungsschacht wieder, benutzt ihre angeborene Agilität, um den senkrecht nach oben führenden Tunnel aus glattem Metall zu erklimmen. Ihr Katzenschweif ist um ein kleines Paket geschlungen, in dem sich erstens die Pläne des Hauptquartiers der Galaktiker und zweitens noch einige Blaupausen befinden, die sie gefunden hat. Manon und Joana hatten sich auf der anderen Straßenseite in ein Nachtcafé gesetzt, um auf sie zu warten.
    Joana schien das Gebäude im Auge behalten zu haben. Beide hasten auf Cat zu.
    „Alles okay? Cat! Oh je, was ist denn passiert?", will Manon besorgt wissen, als sie den Aufzug ihrer Gefährtin sieht.
    „Können wir vielleicht schnell ins Pokémoncenter? Bevor es gleich von Galaktikern nur so wimmelt.“, entgegnet sie und nimmt dankend Manons Mantel in Empfang. Mit so zerrissener Kleidung will sie nicht durch Herzhofen laufen.
    „Also, der Weg bis zur Tür war leicht. Aber dann hat mich einer erwartet.“, noch immer ist Cat außer Atem, so einen schweren Kampf hatte sie lange nicht mehr ausfechten müssen.
    Sie erzählt die ganze Geschichte, teilt ihren beiden Freundinnen sämtliche Eigenheiten des Angreifers mit, und die unheimliche Tatsache, dass das Lepumentas in der Lage war, sie in Luxtras Körper zu stecken.
    „Ich bin froh, dass du da heil rausgekommen bist. Das klingt fast so, als wäre das einer der weißen Galaktiker gewesen, die eigentlich Sonnewik in Angst und Schrecken versetzen.“, staunt Manon.
    „Ist miau auch aufgefallen. Verteilen die sich jetzt überall? Was geht hier vor?“, überlegt Cat. Als Joana ihre Hand nimmt, blickt sie runter. Doch das jüngere Mädchen sieht nur ernst geradeaus. Ihre Berührung fühlt sich warm an, Cats Ermüdung schwindet zusehends. Wie sie das anstellte, fragte sich Cat seit Wochen nicht mehr. Joana kann alles heilen.
    Im Pokémoncenter bemerkt Cat zuerst, dass Officer Sophie wieder da ist. Sie ist eine hart arbeitende, leider momentan sehr übermüdete Frau, die sich zur Aufgabe gemacht hat, jeden Galaktiker in Herzhofen festzunehmen. Sie beugt sich mit mehreren Polizisten über einige Pläne, die auf einem der Tische liegen. Der Eingangsraum ist schwach beleuchtet. Zu oft wurde er von Galaktikern angegriffen, die ein leichtes Ziel vermuteten. Der Strom ist schon oft ausgefallen, daher sparen sie jetzt damit.
    „Officer!“
    „Ja? Oh, willkommen zur…Herrgott, was ist mit dir passiert?!“, entsetzt starrt sie die Wunden an, die unter Cats Mantel zum Vorschein kommen.
    Erneut muss Cat ihre Geschichte erzählen. Sophie winkt mit einer Hand, sofort stürmen zwei Polizisten, die zuvor mit ihr über die Pläne gebeugt geredet hatten, los, um den Kerl einzufangen, den Cat besiegt hatte. Er dürfte lange nicht mehr in der Lage sein, sich zu bewegen. Cats Angriffstechnik ließ das nicht zu; sie hatte fast alle Punkte in seinem Körper angegriffen, seine Nerven quasi ausgeschaltet.
    „Cat, das war verdammt gute Arbeit.“, lobt Sophie, als sie das Päckchen in Empfang nimmt. Bevor sie es öffnet, zieht sie Latexhandschuhe an, um Fingerabdrücke nicht zu verfälschen. Dann fällt ihr die Kinnlade runter.
    „Was ist?“, wundert sich Cat.
    „Das…sind nicht nur die Pläne für das Hauptquartier.“
    „Weiß ich. Hab mit Luxtras Augen noch einen verstecken Raum gesehen, der weiter hinten durch eine geheime Tür geschützt war. Röntgenblick, miau!“
    „Das sind Blaupausen. Blaupausen für alles, was die haben! Die Pokébälle, die alles fangen, von denen Lilith und Pay berichtet haben. Wie man sie unschädlich macht. Und dann Baupläne für eine Maschine, die Siata im Zaum hält. Und noch einiges mehr.“, sie ballt die Fäuste.
    „Perfekt! Wenn wir diese Maschine finden und zerstören, verlieren sie Siata!“
    „Miau ist nicht ganz klar, wie genau…“, doch Cat unterbricht sich. Sophie hört nicht mehr zu. Sie stellt sich mal wieder ihre typische Frage:
    „Wie sieht der nächste Schritt aus, Sophie?“
    Grinsend wendet sich Cat an ihr Team. Manon und Joana erwidern das Lächeln.
    „Sieht aus, als wären wir wieder obenauf.“


    hoffe ihr hattet spaß beim lesen! bin nun wieder in münchen und habe schon 2 weitere kapitel fertig, die ich bald posten werde.
    mfg
    DoD

  • Kapitel 50
    „Verhandlungen“


    18.7.2009


    Irgendwas weckt mich. Ein Geräusch? Kann ich nicht sagen. Ich bin nie imstande, ordentlich aufzuwachen. Jedes Mal folgt eine kurze, umso peinlichere Phase der Verschlafenheit. Keine Ahnung, wieso.
    „Noch ein paar Minuten, bitte…mir geht es gerade so flauschig.“, murmele ich, merke dann, dass ich Blödsinn geredet habe.
    Meine Berechnungen hatten sich als korrekt erwiesen. Kurz nach Mitternacht bin ich in Sonnewik angekommen, habe mir eine Pension gesucht und war unter die Dusche gestiegen. Die letzten Wochen hielten mehr Anstrengung bereit, als ich angenommen hatte. Wie dem auch sei, am nächsten Morgen erwache ich mit frischer Kraft, blicke mich kurz im Zimmer um-
    Und erstarre innerlich. Zwei weiß gekleidete Typen stehen in dem gemieteten Zimmer, einer vor der Tür, der andre vor dem Fenster.
    Flucht unmöglich. Kampffähigkeiten unbekannt. Pokémon ebenfalls unbekannt. Eventuelle Verstärkung vor der Tür unbekannt. Auftauchen der Herbergsleiterin unwahrscheinlich.“, schießt es mir durch den Kopf. Wie zum Teufel hatten die mich gefunden? Es besteht kein Zweifel, dass die zur weißen Garde der Galaktiker gehören. Laut den Berichten waren es insgesamt 5, das bedeutet, drei müssen sich hier noch irgendwo verstecken. Fünf Männer, möglicherweise Frauen, vielleicht auch verkleidete Pokémon, gegen ein gerade erst erwachtes Mädchen.
    Gibt es auf dieser Welt denn gar keine Fairness mehr? Die armen Galaktiker.
    „Na, wen haben wir denn da?“, frage ich leise, behalte den an der Tür im Auge. Er ist wesentlich muskulöser als der oder die am Fenster. Priorität 1. Ich kann aufgrund der weißen Kapuzen ihre Gesichter nicht sehen.
    „Was?“, fragt der Türsteher grimmig. Seine Stimme ist tief und volltönend.
    „Sagt man das nicht so, wenn man zu zweit um seine Beute rumsteht?“
    „Maul halten.“, zischte der andere, den ich nun als „die“ entlarvte. Es war die hohe Stimme einer Frau. Ich setze mich im Bett auf.
    „Oh. Wie unhöflich. Wusstet ihr, wen ihr hier angreift?“, frage ich. Schweigen.
    „Also nicht. Hat euch euer kleiner, feiger Chef nicht gesagt, wer ich bin?“
    „Beleidige den großen Saturn nicht. Maul halten!“, diesmal war das Zischen ein wenig lauter. Warten sie auf ihre Teamkollegen?
    „Um mich aufzuhalten seid ihr mindestens 20 Leute zu wenig. Ich gebe euch 10 Sekunden, um zu verschwinden. Wenn das nicht geschieht, bin ich gezwungen, euch aus Sonnewik fortzujagen. Und glaubt mir, das wollt ihr nicht.“, ich lüge nicht gern, aber das war nötig, um ihnen Angst einzujagen. Zu viele Faktoren sind unsicher. Ich kann nicht sagen, ob sich hier ein Kampf anfangen lässt. Außerdem muss ich rauskriegen, wo sie die geklauten Pokémon hinschleppen. Dazu brauche ich mindestens einen von denen.
    „Wir wissen genau, wer du bist!“, eine dritte Stimme mischt sich ein. Ein Mann tritt aus dem kleinen Badezimmer, in dem noch meine Kleider liegen. Einzig ein leichtes Shirt und die kurze Stoffhose trage ich am Leib. Wollen die mich nun auch noch ausrauben? Möglich wäre es.
    „Du bist Maria Jou, die Anführerin von Rockys Team. Viele unserer Leute haben Angst vor dir.“, fährt er fort.
    „Und du nicht?“, frage ich.
    „Nein. Ich weiß, dass du kein Herz aus Eis hast, wie man sich über dich erzählt. Aber ich verrate dir etwas.“, er beugt sich vor, ich erkenne einige Narben in seinem Gesicht. Wieso kommt mir der Kerl so bekannt vor?
    „Ich auch nicht.“, flüstert er. Mein Gedächtnis zeigt mir ein Bild von zwei besiegten Rocket-Agenten, die im Regen auf einer dreckigen Steinterrasse liegen. Verdammt.
    „Du…“, fange ich an, unterbreche mich jedoch. Was soll ich sagen? Er hat mir soeben deutlich gemacht, dass ihm die Agentin, die ich umgebracht habe, etwas bedeutete. Damals war ich unbeherrscht gewesen, hatte nichts als pure Wut im Sinn gehabt. Und im Nachhinein…
    Nein. Ich kann nicht sagen, dass es mir leid tut. Das hier sind Verbrecher, die mit allen Mitteln gestoppt werden müssen. Aber dieser Typ, wie heißt er… Johnny. Er ist anders.
    „Ich.“, knurrt er. Die beiden anderen mischen sich wieder ein.
    „Erst wollten wir nicht glauben, dass du Wasser kontrollieren kannst. Sowas hab ich noch nie gehört. Und beinahe hätten wir eine Falle aufgestellt, peinlich in ihrer Naivität. Doch durch seine Warnung…“
    „Seid ihr zu dritt. Herzlichen Glückwunsch. Soll ich euch gleich fertigmachen oder labert ihr lieber noch ein paar Minuten weiter?“, mir fällt auf, dass sie sich nicht über mein „zu dritt“ lustig machen. Habe ich Recht damit? Aber wo sind die anderen aus dem weißen Team dann? Beim Gedanken daran, dass sie sich, genau wie wir, auf Städte aufgeteilt haben könnten, schrillen meine Alarmglocken.
    „Nicht so vorlaut. Du bist in unserer Gewalt. Johnny möchte gerne an dir Rache nehmen.“
    „In eurer Gewalt? Wie schrecklich!“
    „Sie macht sich über uns lustig.“, knurrt der Türsteher, der jetzt schon eine ganze Weile geschwiegen hatte.
    „Wie käme ich auf die Idee!“
    „Arbok, Giftblick.“, die Schlange materialisiert sich genau vor mir auf dem Bett, ich spüre, wie ihr Gewicht auf meine Beine drückt. Ich werde in stechend gelbe Augen blicken, mein Körper wird taub werden, und sie werden mit mir anstellen können, wonach es ihnen gelüstet.
    Pech nur, dass ich darauf keine Lust habe. Ich reiße die Decke hoch, bevor Arbok Giftblick einsetzt, spanne die Beinmuskeln und katapultiere Arbok rückwärts vom Bett. Im nächsten Moment bin ich dennoch bewegungsunfähig. Ein Enton sitzt auf dem Fensterbrett, seine Augen glühen blau. Es fühlt sich an, als würden hunderte kleine Flossen mich festhalten. Die Decke rutscht runter, ich liege wie angenagelt auf dem Bett. Mein T-Shirt wird durch die Bewegung verschoben und gibt meinen Bauchnabel frei.
    „Ich hab euch gesagt, dass das keinen Sinn hat! Wir müssen sie betäuben!“, aufgeregt zückt die Frau in Weiß eine kleine Kanüle. Ich ahne dunkel, was sich darin befindet. Sie nährt sich meinem Arm.
    Darkrai? Jetzt wäre ein guter Augenblick.“
    /


    Golem, die zweite Hand des Anführers, zittert leicht. Hoffentlich merkt das Mädchen es nicht. Er konnte sich erst nicht vorstellen, dass sie gefährlich sein sollte. Sie liegt ganz harmlos auf dem Bett, die langen, nackten Beine ausgestreckt, die Arme liegen angewinkelt neben ihr auf dem Kopfkissen. Sie kann sich wegen Entons Konfusion nicht bewegen. Maria Jou- ihnen ausgeliefert! Es ist beinahe zu schön, um wahr zu sein. Irgendwie sieht sie aber auch sehr schön aus. Ihr Shirt lässt nicht viel Freiraum für Spekulationen. Golem zwingt sich, sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Maria ist noch ein wenig schlaftrunken, das sieht man in den Augen, die aussehen wir zwei tiefe Gebirgsseen.
    Tief und klar- und genauso kalt.
    „Wir haben sie.“, murmelt Johnny.
    „In der Tat.“, fügt Minerva hinzu, die das Fenster bewacht. Die Hand mit der Spritze nähert sich Marias linkem Arm. Sobald das Zeug sich in ihrem Körper befindet, werden ihre Kräfte blockiert. Wie genau das geht, weiß Golem nicht, aber anscheinend hatte sich ein Haufen Wissenschaftler von Team Galaktik sehr lange mit ihren Fähigkeiten befasst.
    „Minerva? Los, mach schon!“, drängt Golem. Dann bemerkt er, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmt. Seine Partnerin bewegt sich nicht mehr, seit Marias Augen sie fixieren. Der Schatten unter Marias Körper hat nicht die Form des Mädchens. Wieso fällt ihm das jetzt erst auf? Es wird dunkel in Marias Zimmer. Der Schatten löst sich von seiner Besitzerin.
    Der Schatten huscht vom Bett.
    Der Schatten verweilt…ohne ihr Zutun…auf dem Boden.
    Golem starrt den schwarzen Schatten an, der immer dunkler und dunkler wird…und irgendwie fester. Dann, aus dem hintersten Winkel seines Hirns, rufen die Reste jener Geistesgegenwart nach ihm, die ihn so weit gebracht hat. Doch diese ganze Ausbildung, die er durchgemacht hatte, all das Training, nutzte nichts mehr. Marias Schatten wächst aus dem Boden und verwandelt sich in ein Pokémon, das er noch nie gesehen hat. Es muss ein Pokémon sein. Auch wenn es aussieht wie ein lebendiges Nachtmahr. Das letzte, was er sieht, ist die schwarze Energiekugel, die das Wesen auf ihn abfeuert.
    Als er nach einem Moment zu sich kommt, weiß er nicht, wo er sich befindet. Eine steinerne Terrasse? Umgeben von Bäumen? Was soll das sein, eine Art Stadtgarten?
    „Minerva?“, ruft er, erhält jedoch keine Antwort. Es wirkt aus seiner Sicht so heimelig hier wie in einem Zwinger voller hungriger Knakrack, doch wie kommt er hier weg? Weder Menschen noch Pokémon sind in der Nähe.
    Ein riesenhafter, schwarzer Schatten erstreckt sich über die gesamte Steinfläche. Golem erkennt den Umriss: es ist derselbe, der vorhin unter Maria hervorgekommen war! Er bekommt es mit der Angst zu tun. Dieses Wesen muss Kräfte haben, die sich ihm nicht erschließen. Ein riesiges, blau leuchtendes Auge rast auf ihn zu. Die Angst steigt so schnell wie das Tempo eines Bojelin bei Regen.
    „NEIN!“
    /


    Die Lähmung fällt von mir ab. Ich sehe zu, wie die beiden weißen Galaktiker, das Enton und Arbok in Schlaf sinken und sich danach im Schlaf zu quälen scheinen. Nur Johnny hat Darkrai übrig gelassen. Ihn brauche ich noch.
    „Was…“, stammelt der Mann, als ich mich erhebe und mein Shirt straff ziehe. Dann richte ich mein Haar, was mir in einigen Strähnen im Gesicht hing. Mit dem rechten Fuß stupse ich den massigen Kerl an meiner Tür an, um mich zu vergewissern, ob er auch schön heftige Albträume hat. Die Kapuze ist ihm aus dem Gesicht gerutscht, ich sehe die harten Züge eines Mannes, der sein ganzes Leben lang gekämpft hat.
    Ich sehe zu Johnny auf.
    „Ihr dachtet doch nicht wirklich, dass das hier ausreicht, oder?“
    Er berappelt sich relativ schnell, das muss ich ihm lassen.
    „Nein. Für alles war gesorgt. Nur dieses…Ding da…kenne ich nicht.“, er blickt immer wieder nervös zu Darkrai, der sich nun nicht mehr um das Geschehen kümmerte und gedankenverloren aus dem Fenster sah. Gestern hatte er sich schon nicht am weiten Meer sattsehen können, und ich habe extra eine Pension am Wasser ausgesucht.
    „Das ist kein Ding, das ist mein Freund. Da das also geklärt ist, können wir zum Geschäftlichen kommen.“
    „Zum…was?“
    Ich unterdrücke den Zwang, die Augen zu verdrehen.
    „Ich bin hier das erste Mal seit langer Zeit. Mir wurde zugetragen, dass sich einige Veränderungen bemerkbar machen würden, die euch Typen betreffen. Du hast Informationen für mich.“
    „Du denkst, ich würde mein Team verraten?“
    „Ja.“, ich sehe ihn fest an. Er kann nicht anders als meinen Blick zu erwidern. Ich wusste, er ist nicht so kaltblütig wie seine Kollegen.
    „Was damals passiert ist, geht dir nahe, oder? Das mit Cécile.“
    „Du kennst ihren Namen…?“
    „Wie denn nicht? Ich muss oft an sie denken.“, sage ich leise. Es stimmt, ich habe mir oft Vorwürfe gemacht. Wir sind die Guten. Wir bringen niemanden um. So wollte ich es von Anfang an halten. Dass ich diese Regel gebrochen habe, hat mich sehr mitgenommen.
    „Denken…“, er klingt, als würde er stumpf das wiederholen, was ich sage. Ich ziehe eine Braue hoch.
    „Was ist los mit dir? Dachtest du, mich lässt sowas kalt? Ich töte nie leichtfertig. Ich bin wegen Lee ausgerastet.“
    „Wegen dem Gefangenen Nummer 45? Hm? Wieso?“
    „45?!“, meine Stimme wird gefährlich ruhig. 45 Menschen werden gegen ihren Willen festgehalten? Nein, mehr. Nach Lees und Tais Befreiung fing das große Infiltrieren erst an. Johnny sieht aus, als würde er sich am liebsten umbringen.
    „Schon gut. Die werde ich sowieso alle befreien.“, beruhige ich ihn. Er scheint nicht zu wissen, ob er sich freuen soll. Sein Gesicht wird ganz weiß. Mit seiner Furchtlosigkeit scheint es doch nicht so weit her zu sein.
    „Und was hast du mit mir vor?“
    „Zuerst einmal erzählst du mir, wer hier momentan der Boss ist. Danach will ich wissen, wo ihr die geklauten Pokémon versteckt.“
    Er beäugt seine Pokébälle, die vorn an seinem Gürtel angebracht sind. Will er sich wirklich jetzt noch mit mir anlegen? So dumm kann er nicht sein. Nach einigen Momenten verliert er diese nervöse Angespanntheit.
    „Ach ja, wenn du mich verarschst, endest du wie die da.“, wie beiläufig deute ich auf seine Kumpane, die zuckend am Boden liegen und sich manchmal umher wälzen, offensichtlich hatte Darkrai sich etwas besonders Fieses einfallen lassen. Johnny lässt sich schwer seufzend auf mein Bett sinken. Ich verschränke die Arme und sehe ihn an. Mein Gefühl hat mich wohl wieder nicht enttäuscht. Der Kerl hat kaum Widerstand geleistet.
    „Ich dachte, es wäre das Beste im Leben, so zu sein, wie die Idole, die man hat. Hm.“, fängt er an.
    „Johnny…der echte Johnny… war für mich so ein Idol. Er stellte nie etwas infrage, führte immer exakt das aus, was der Boss von ihm wollte. Wie ein Uhrwerk. Eine Präzisionsmaschine. Ich…“, hier unterbreche ich ihn.
    „Moment. Wie du auf die schiefe Bahn geraten bist, interessiert mich nicht, so rührend deine Geschichte auch sein mag. Ich weiß auch nicht, ob du mir hier irgendeinen Scheiß erzählst, um mich hinzuhalten, bis deine netten Kameraden mit dem Lähmungsgift wieder zu sich kommen. Zwei Fragen. Hitotsu: wer hat bei euch hier das Sagen? Futatsu: wo sind die geklauten Pokémon?“, ich klinge barscher, als ich es beabsichtigt habe, doch das hat einen einfachen Grund: ich will ihn darüber hinwegtäuschen, dass er mit solch einer Masche Erfolg haben könnte. Er kann genauso gut einer von uns sein, wie Manon oder Rocky. Doch das Schicksal wollte es anders. Jeder hat seine Geschichte. Die von Johnny will ich einfach nicht hören.
    Er zuckt die Schultern.
    „Selbst wenn Verstärkung kommt, hilft mir das nicht. Dieses Wesen da kann seine schwarzen Kugeln aufteilen. Jeder, der hier rein stürmt, hat verloren. Ist es nicht so?“, ich nicke widerstrebend. Er denkt schneller, als ich erst vermutete. Außerdem fällt mir auf, dass er seine Waffen vom letzten Mal nicht dabeihat.
    „Der Anführer hier war Officer Uranus, doch er ist schon lange nicht mehr hier. Ein Kerl, der sich „Der Seelensammler“ nennt, war nach ihm hier. Du hast ihn knapp verpasst. Vorgestern erst ist er nach Jubelstadt gereist.“
    „Also…?“, muntere ich ihn auf. Er sieht mich verständnislos an, was mir erneut ein Ziehen im Sehnerv verursacht.
    „Wer ist also der Chef?“
    „Nun…der da.“, er zeigt auf den massigen Mann, der neben meiner Tür liegt. Ich sehe kurz runter.
    „Aha.“
    „Er ist der Stellvertreter des Anführers von diesen weißen Typen. Die sind sogar mir unheimlich. Team Galaktik hat richtige Freaks in ihren Reihen.“
    Ich sage nicht, dass er mir beim letzten Mal, als ich ihn sah, einige äußerst unschöne Schimpfnamen verpasst hat und sich aufführte, als wäre er erhaben über den Tod. Seine Kooperation ist diesmal wichtiger. Danach werde ich diese drei sowieso der lokalen Rocky überlassen, damit sie ihren Kumpanen Darkrais Identität nicht enthüllen können.
    „Freaks, ja?“, murmele ich. Klingt ganz danach, als hätte ich es hier mit der Elite zu tun.
    //


    Jubelstadt


    Genau wie Maria sind auch Pay, Lilith und der Chief an ihrem Bestimmungsort angelangt. Jubelstadt ist eine der größten Städte Sinnohs, und das merkt man fast überall, ganz egal, wo man sich hier aufhält. Was sie hier erwartet, wissen die drei noch nicht. Das Suchen einer ungefährlichen Pension stand ganz oben auf ihrer Liste; als sie diesen Punkt abgehakt hatten, waren Lilith und Pay in die Innenstadt gezogen. Es ging ähnlich zu wie in Herzhofen: die Infrastruktur steht noch, wie gewöhnlich fahren die Menschen zur Arbeit, auch die drei großen Trainerschulen haben noch geöffnet. Doch bei allem was man tut begleitet einen ein unheimlicher Schatten, als könnte jeden Moment etwas Schlimmes passieren.
    Und tatsächlich, gerade dann, als sich Lilith über die Stressfreiheit zu wundern beginnt, die in Pays Gegenwart eigentlich unmöglich ist, passiert es. Die beiden waren auf der Suche nach ein paar Galaktikern, die sich vielleicht verfolgen ließ, damit sie zumindest einen Anhaltspunkt hatten. Einfach so in den Fernsehsender hineinzustürmen wäre zu gefährlich. Doch die Entscheidung wird ihnen abgenommen.
    Als Lilith in das Schaufenster eines Brautkleidspezialisten hineinschaut, schießt ein gleißender Lichtstrahl knapp hinter ihrem Rücken vorbei. Die Passanten um sie herum springen hastig beiseite. Der Auslöser muss irgendwo links von ihr stehen. Langsam wendet sie sich um.
    „Maria Jou! Du denkst wohl, du kannst einfach so in Jubelstadt shoppen gehen, ohne dass es uns auffällt! Da bist du schief gewickelt! Ninjatom, auf sie!“, der Mann, der sie anfährt, ist schon ein wenig älter, wenn sie schätzen müsste, würde sie auf Ende 20 tippen. Pay starrt den Typen verdutzt an.
    „Wer bist du?“
    „Ich.“, er legt sich eine Hand auf die Brust. Lilith fällt auf, dass er ziemlich komisch gekleidet ist; die Aufmachung erinnert sie ein wenig an einen Vampir, der auf dem Weg zum Karneval ist. Ein schwarzes Jackett, ein weißes Hemd, dazu ebenso schwarze Hosen und Schuhe. Das Haar ist glatt zurückgekämmt.
    „Bin.“, er macht eine weitere Pause und schließt theatralisch die Augen.
    „Der Seelensammler.“
    In der folgenden Pause wird er von der gesamten Straße angestarrt. Lilith steht jedoch im Mittelpunkt des Interesses, als er sie mit Maria Jou ansprach, dachten viele der Anwesenden, das Mädchen aus dem Fernsehen wäre hier. Der Seelensammler nutzt sie, um den Kopf zu senken. Wahrscheinlich denkt er, der dramatische Effekt wäre so stärker.
    Nach einigen Momenten lächelt Lilith.
    „Tut mir Leid. Ich bin nicht die, die du suchst.“
    „Ich.“, erneut folgt eine Pause, „weiß.“
    „Äh…“, Pay weiß nicht, was er von dem Typen halten soll. Jetzt, wo er näher an Lilith dran ist, hat er erkannt, dass sie nicht Maria ist, und dennoch macht der Kerl keine Anstalten, zu verschwinden? Komisch.
    Das Mädchen mit den braun gefärbten Haaren wendet sich um.
    „Komm, Schatz, wir müssen weiter.“
    „Nein.“, erwidert der komische Kauz in schwarz.
    „Nein?“; Liliths Stimme klingt, als würde sie den Mann auslachen wollen.
    „Ich weiß, wer du wirklich bist. Und ich muss dich leider dennoch bekämpfen. Ein Jammer!“, seufzt der Seelensammler, sieht dabei die ganze Zeit Lilith in die Augen.
    „Und wer bin ich?“, will sie mit süßer Stimme wissen, die über die Wachsamkeit in ihrem Blick hinwegtäuscht.
    „Lilith! Und es ist unser Schicksal, zu kämpfen.“, die nächste Pause, „…bis zum Tod.“
    „Der geht mir auf die Nerven.“, murmelt Pay. Lilith nickt leicht. Dabei lässt sie Pays Hand los und greift zu ihren Pokébällen.
    „Mir auch. Überlass das mir, Liebster.“
    „Gut. Aber mach nich zu lang, wir haben noch was vor.“, eine Frau schreit auf. Pay fragt sich, warum, im nächsten Moment erhält er einen Schlag gegen die Schulter, der ihn in das Schaufenster schleudert. Er reißt Kleiderständer um, ruiniert mehrere Auslagen, durchbricht auch die Rückwand und findet sich in der Gasse auf der anderen Seite des Gebäudes wieder. Wütend rappelt er sich hoch.
    „Wasn jetzt los?!“, den nächsten Schlag wehrt er mit der rechten Faust ab. Dann blickt er seinem Angreifer ins Gesicht. Der Mann hat die 60 schon überschritten, Pay erkennt es an dem gealterten Gesicht und den schlohweißen Haaren. Seine Kleidung erinnert an einen Kung-Fu-Meister: die Jacke ist weit und weiß, die Hose hellgrün. Genau wie bei dem ersten Angreifer, mit dem Lilith sich beschäftigt, trägt er ein kleines, gelbes G am Revers. Nun steht er kerzengerade im Loch, welches in der Wand entstanden ist, das eine Bein hat er angewinkelt, mit den Armen balanciert er sich aus. Trotz seines Alters geht immense Kraft von ihm aus. Ein Panferno steht neben ihm und hat dieselbe Pose eingenommen.
    „Panferno, ja? Das kann ich auch.“, grinst Pay und ruft sein eigenes Pokémon. Dann stutzt er.
    „Kenn ich dich nich irgendwoher?“
    „Ich wüsste nicht, von wo.“, die Stimme des Mannes ist leise und konzentriert. Er denkt nur daran, wie er Pay ausschalten kann, da ist sich der Rothaarige sicher. Außerdem ist es besser, sich nicht ablenken zu lassen. Pay hebt die Fäuste. Dann durchzuckt ihn ein neuer Gedanke.
    Ich darf Lilith nicht allein lassen, sonst tickt sie völlig aus, Junge!“, doch bevor er sich auf den Weg machen kann, greifen Panferno und der Kung-Fu-Typ an.
    „Panferno, Tempohieb!“, befiehlt Pay, reißt dabei eine Faust zurück und will sie dem älteren Mann ins Gesicht rammen, der aber sieht das kommen und weicht aus. Die Verteidigung seines Gegners ist nicht übel.
    Aber gegen Pays Stärke kommt er sicher nicht an.


    Blut. Lilith schüttelt kurz den Kopf, eine braune Strähne rutscht ihr ins Gesicht. Was soll sie tun? Sie aus dem Gesicht streichen, ist doch klar. Klar wie Kloßbrühe. Aber im Grunde ist es egal, die Strähne würde sowieso wieder rutschten. Nie machen diese Strähnen, was sie sollen! Lilith spürt, wie ihre Wut wächst. Blöde Strähne. Blödes braunes Haar. Sie starrt den Mann an, der vor ihr steht. Dann sein Ninjask. Oder Ninjatom? Spielt auch keine Rolle. Blut. Ein rotes Blitzen in ihrem Kopf. Es brennt, aber nicht lange. Sie spürt, wie ihr Verstand sie verlässt. Sie muss zu Pay!
    „Was gibt’s da zu gucken?“, faucht sie ihn an.
    „Du scheinst mir nicht ganz bei der Sache zu sein.“, meint der nur.
    „Na und? Das geht dich nichts an.“, gut gemacht, Lilith, denkt sie. Immerhin kannst du leise sprechen. Erneut ein Bild. Der Mann vor ihr, mit abgerissenem linkem Arm. Sie verdrängt es. Dann lacht sie leise. Diese blöde Strähne macht sich über sie lustig. Aber sie ist schlauer. Mit einem Ruck hebt sie die Hand und will sich die Strähne ausreißen, hält im letzten Moment inne und streicht sie hinter ihr Ohr. Nicht gut, fährt es ihr durch den Kopf. Sie muss zu Pay zurück. Dringend.
    „Ninjatom, hol dir ihre Seele. Machen wir es kurz.“, als er diesen Befehl gibt, ist der Bürgersteig schon fast leer, viele der Menschen sind auf die andere Straßenseite geflohen, als Pay eben attackiert wurde. Lilith hebt den Kopf und blickt in den Himmel. Auf einmal wird alles dunkel, sie merkt, dass sie in den ausgehöhlten Rücken des Käferpokémons sieht. Ein merkwürdiges Ziehen breitet sich in ihrem Gesicht aus. Was dann passiert, weiß sie nicht mehr.
    Der Seelensammler setzt ein kleines Lächeln auf, als Ninjatom sich an das Gesicht des Mädchens hängt. Gleich würde eine weitere Seele zu seiner Sammlung hinzugefügt werden. Er lässt den Blick schweifen. Auf der anderen Straßenseite stehen eine ganze Menge Zuschauer, die soeben Zeugen seiner Macht werden. Trainer befinden sich nicht unter ihnen, und selbst wenn, sie hätten kaum eine Chance. Einen Augenblick später sieht er, wie ein Glurak und ein Impergator inmitten der Menschen erscheinen, es sieht ganz danach aus, als hätte er sich geirrt. Es gibt doch Trainer dort. Mehrere Galaktiker stürmen aus einer weiteren Gasse und rufen ihrerseits Pokémon. Saturn hat an alles gedacht.
    „Ich hätte nicht gedacht, dass es so interessant werden würde, noch einmal für das Team zu kämpfen. Wirklich erstaunlich, dass sogar die Faust der Wut wieder dabei ist. Und ich habe sogar meine eigenen Untergebenen! Herrlich!“, überlegt der Mann. Auf der Straße explodiert der erste Bus, als ihn eine Attacke trifft. Der Kampf entbrennt mit extremer Schnelligkeit und Intensität. Diejenigen, die keine Pokémon haben, helfen den Insassen attackierter Autos, ins Freie zu gelangen und zu flüchten.
    „Aber das hätte nicht sein müssen. Saturn meinte, niemand wehrt sich. Außer diesen verrückten Trainern aus Rockys Gruppe. Was ist mit diesen Trainern hier los? Hat Jubelstadt auf einmal Mut geschöpft?“, weiter kommt er mit seinen Überlegungen nicht. Ninjatom verfärbt sich schwarz und fällt zu Boden.
    Sprachlos starrt der Seelensammler sein Ninjatom an.
    „Was zur vermaledeiten Hölle…“, er unterbricht sich, als er in Liliths Gesicht sieht. Ein starres Lächeln entstellt ihre sonst hübschen Züge. Die Augen sind weit aufgerissen, blicken in unverwandt an, und zu allem Übel hat sie es irgendwie geschafft, bei Bewusstsein zu bleiben. Das sollte eigentlich unmöglich sein.
    „Das ist unmöglich! Ninjatom hat deine Seele…“, doch sie antwortet nicht einmal. Stattdessen kichert sie leise und legt den Kopf leicht schief. Kann es sein, dass sie keine Seele hat? Scheinbar zusammenhangslos ruft sie ein Hundemon, das laut knurrt und sich kampfbereit macht.
    „Zurück!“, das besiegte Käferwesen verschwindet in einem roten Lichtblitz. Der Galaktiker beißt die Zähne zusammen, ein Traunmagil soll den Kampf zu seinen Gunsten wenden.
    „Schlechte Wahl.“, kichert Lilith. Sie wirkt, als habe ihr Verstand einen kleinen Urlaub geplant, denkt der Seelensammler. Hundemon sieht genauso rot wie seine Trainerin, nach seinem Knirscher bleibt Traunmagil reglos liegen. Der Seelensammler schüttelt bedächtig den Kopf und ruft sein Traunmagil zurück.
    „Ich.“, mal wieder eine Pause, „sollte vorsichtiger sein. Kryppuk, du bist an der Reihe!“
    Lilith denkt nicht nach. Nicht, dass sie es gekonnt hätte, nein, sie lebt nur für den Augenblick. Ihre Freunde und ihren Auftrag hat sie vergessen. Sie sieht nur diesen Mann vor sich, der sie angreifen will. In ihrem Kopf gibt es nur noch den Wunsch, ihn zu vernichten. Aber wie soll sie das anstellen? Soll sie ihm sämtliche Lebenskraft aus dem Körper saugen? Oder soll das schwarze Wesen ihn verbrennen? Egal, egal, alles egal! Hauptsache, er leidet. Dafür, dass er ihren Verstand zerstört hat. Denn daran ist er schuld, bestimmt, wer auch sonst? Eine Erinnerung blitzt auf, durchbricht das Chaos, was in ihrem Geist herrscht, und offenbart für eine Sekunde das Bild eines rothaarigen Trainers. Aus irgendeinem Grund weiß Lilith, dass seine Gegenwart ihr gut tun würde. Doch wo hält er sich auf? Das Bild verschwindet genauso schnell, wie es gekommen ist, und hinterlässt nichts außer einem leisen Lachen in Liliths Kopf. Einige Momente später merkt sie, dass sie es ist, die lacht.
    Den Kampf der Pokémon beachtet sie nicht mehr, in ihr Lachen mischt sich schreckliches Gebrüll. Woher kommt das nun wieder? Wieso stört sie andauernd jemand? Als würde ihr jemand während des Malens immer den Pinsel wegnehmen. Oder dagegenstupsen, sodass der Strich verrutscht. Der Eindruck eines braunhaarigen Mädchens blitzt in ihr auf. Irgendetwas Rotes fließt aus den Mundwinkeln des Mädchens. Sie umarmt einen Mann mit schwarzem Kostüm. Sie scheinen sich zu mögen. Aber wieso zittert der Mann so sehr? Als würde er einer Espe nacheifern.
    Und warum sind die Zähne des Mädchens in seinem Hals vergraben?


    So. Wir nähern uns dem Finale, die nächsten 6 Kapitel habe ich bereits fertig. Ab jetzt wird auch wieder regelmäßiger gepostet,
    mfg
    DoD

  • Kapitel 51
    Nicht ihr schon wieder…!


    18.7.2009


    Während Lilith mit dem Seelensammler kämpft, hat Pay seinen eigenen Kampf auszutragen. Der Kerl, gegen den er kämpft, benutzt eine Technik, die der Lees nicht unähnlich ist, nur ist der Typ ein wenig langsamer als der Blonde.
    Es wäre kein Problem, einfach ein paar Feuerschläge auf den Typen herabregnen zu lassen, aber das würde den Spaß ruinieren. Außerdem lässt sich sowas hervorragend als Training sehen. Die bloße Theorie hatte Pay schon lange nicht mehr geübt, also versucht er, jeden Schlag richtig zu kontern. Außerdem wurde er das Gefühl nicht los, den Älteren zu kennen. Woher, will ihm jedoch nicht einfallen.
    „Wow, pass auf deinen Rücken auf!“, zieht er den alten Mann auf, der seine Anstrengungen nur erhöht.
    „Mit meinem Rücken ist alles in Ordnung!“, gibt er zurück.
    „Sicher?“, fragt Pay, der einen Schlag abwehrt, Panferno einen Tempohieb befiehlt und seinerseits angreift.
    „Du wirkst nämlich ziemlich zerbrechlich!“
    „Ja!“
    „Schon gut, schon gut.“, Pay grinst. Sein Gegenüber wird schnell wütend. Das ist gut.
    Panferno landet einen Volltreffer, sein Gegner prallt schmerzhaft gegen die Hauswand hinter ihm. Pays Pokémon springt kreischend hinterher, seine Schreiehallen von den Gebäudemauern wider. Weit oben ruft jemand heraus, sie sollten gefälligst leise sein, doch als er den Kampf bemerkt, schließt der Mann hastig das Fenster. Es dauert fünf Minuten, bis Pay sich einen Großteil der Angriffsmuster gemerkt hat, die der Alte ausführt.
    Eigentlich nich mein Ding. Den Kopf braucht man im Kampf nicht, finde ich. Aber Maria macht das so und die Kleine is nich übel, kann ja nich schaden, das auch mal zu versuchn.“, denkt er. Ob es Lilith wohl gut geht? Sie waren das ganze letzte Jahr gemeinsam unterwegs, und seine Abwesenheit könnte unschöne Nebenwirkungen zeigen. Dieses Mädchen ist unberechenbar.
    Als Pay gerade einen wuchtigen Faustschlag landen will, wirft sich das Panferno seines Gegners in die Bahn und blockt ihn ab. Pay weicht erstaunt zurück. Sein eigenes Panferno kommt hinterher und will den Kampf wieder aufnehmen, woraufhin der gegnerische Affe sich auf ein nahes Hausdach flüchtet. Pay versucht es erneut, wieder hält ihn das Panferno auf. Diesmal braucht sein Panferno länger, um aufzuholen, so schnell springt sein Gegner von einem Fleck zum nächsten.
    „Hey, hey! So macht das keinen Spaß.“, beschwert er sich.
    „Na und?!“
    „Sieht aus, als müsst ich dein Äffchen vorher plattmachn, was?“, grübelt er.
    „Versuchs nur. Es gibt kein Panferno, was mit der Geschwindigkeit mithalten kann!“
    „Wollen wir mal sehen. Panferno! HIKEN!“, Panferno stellt sich genau neben Pay, beide reißen die rechte Faust zurück. Beide Fäuste gehen in Flammen auf, schnellen vor. Der ältere Kämpfer reißt überrascht die Augen auf.
    „Schutzschild!“
    Eine blaue Membran erscheint genau vor dem Trainer, schützt ihn und lässt Pay zurückprallen.
    „Ey!“, er stürzt, rappelt sich sofort auf und ist wieder kampfbereit.
    „Nun du: Tempohieb!“, brüllt Pays Gegner. Er wird zusehends wütender, je länger der Kampf dauert, bemerkt Pay. Vielleicht macht er ja irgendwann einen dummen Fehler… jetzt allerdings sieht es nicht danach aus, Verteidigung und Angriff sind gut ausbalanciert. Doch es wird anstrengend, gegen Panferno und den Alten zugleich zu kämpfen, denkt sich der Rothaarige.
    „Panferno, weich aus! Danach setz Nahkampf ein.“
    „Du auch, Nahkampf!“
    Die Schläge, welche beide Affen austeilen, sind dermaßen heftig, dass der Boden manchmal erzittert, wenn einer fehlgeht und den Bürgersteig trifft. Auf den ersten Blick scheinen beide gleich stark zu sein. Das Panferno von Pay aber ist ein wenig schlagfester, während sein Gegner eine höhere Geschwindigkeit hat.
    „Nimm das!“, lacht Pay, seine Faust entflammt erneut und rast von unten auf die Magengrube seines Gegners zu. Im allerletzten Moment springt dieser zurück. Pay setzt nach, verfehlt den Kopf seines Kontrahenten nur um Zentimeter.
    //


    Sonnewik
    Manchmal frage ich mich, wieso ich bei meinen Feinden dermaßen beliebt bin. Kaum weiß einer, dass ich in Sonnewik bin, kommen sie alle, um Hallo zu sagen. Ihre Pokémon haben sie natürlich gleich mitgebracht, und ganz entgegen Johnnys Versprechen durfte ich den halben Vormittag kämpfend verbringen. Darkrai und Plinfa hatten alle Hände voll zu tun, ich habe mich anstrengen müssen, um neben ihnen eine gute Figur abzugeben. Und das alles in T-Shirt und Stoffshorts.
    Herrje, was für einen Eindruck macht denn das?
    „Plinfa? Alles okay?“, frage ich, als mein kleiner Partner anfängt, weiß zu leuchten. Mir bleibt kurz das Herz stehen. Mein Plinfa entwickelt sich! Fassungslos beobachte ich, wie sich sein Körper verändert, größer und breiter wird. Nach einigen Momenten ist es vorbei, ein Pliprin steht vor mir. Ich muss daran denken, wie unsere Reise damals begann. Damals nach meinem harten Training…ergriffen gehe ich vor Pliprin und die Knie und lege ihm eine Hand auf den Kopf. Plinfa hatte lange Zeit einen Ewigstein getragen, weil ich nicht wollte, dass es irgendwann nicht mehr so süß und knuffig aussieht, doch irgendwann hatten wir entschieden, dass es besser sei, wenn es sein volles Potenzial entfalten kann.
    „Ich bin stolz auf dich.“
    „Pli-Pliprin!“
    Ich blicke an der weißen Fassade der Pension hoch. Der letzte Galaktiker sitzt gut verschnürt hinter mir, seine silberne Uniform wirft bunte Reflexe an die Wand. Seine Kumpane sind in einem 20- Meter- Umkreis um ihn herum verstreut. Von oben sieht Tsuname zu mir herunter. Unser Kampf führte durch zwei Etagen der Pension, schließlich ins Freie und ein wenig am Strand entlang. Ich spüre Sand zwischen meinen Zehen.
    Das mit diesen Männern war zu erwarten.“, sagt Darkrai. Er hat sich wieder in meinen Schatten verwandelt.
    Zu erwarten? Das waren drei Dutzend. Grundsätzlich habe ich nichts gegen Morgensport, aber man kann es auch übertreiben.“
    Du hast vermutlich Recht. Aber wie sagst du selbst immer…“
    Erst die Arbeit, dann das Vergnügen?
    Nein. Eine gesunde Seele wohnt nur in einem gesunden Geist und einem gesunden Körper. Also sind diese Aufwärmübungen nur gut für dich.“
    Stimmt. Auch wenn ich dieses Zitat eigentlich von einer alten Bekannten habe.“, ich denke kurz nach. Johnny habe ich oben in meinem Zimmer zurückgelassen. Zeit für ein kleines Verhör. Sofern er nicht noch mehr Freunde eingeladen hat. Dann rufe ich Pliprin in seinen Ball zurück. Er hat sich die Pause gründlich verdient.
    Seufzend betrete ich die Pension wieder, winke einigen Gästen zu, die sich, als der Kampf losbrach, unter allen möglichen Tischen versteckt hatten. Die ganze Eingangshalle ist dekoriert mit modernen Möbeln. Also viel Platz, falls man mal…untertauchen muss. Nach und nach kommen sie wieder raus.
    „Danke.“, die Rezeptionistin tritt auf mich zu. Sie erinnert mich vom Gesicht her ein wenig an Schwester Joy, doch damit wars das auch schon. Ihre Haare sind im Gegensatz zu denen der Krankenschwester dunkelbraun.
    „Gerne doch. Ich halte meine Versprechen.“, als ich in der Nacht zuvor hier eingecheckt habe, war die Frau beunruhigt, weil sie nicht zur Zielscheibe werden wollte, sollte sie mich beherbergen. Darum hatte ich die Pension kurzerhand unter meinen Schutz gestellt. Es gehört einfach zu meinen Aufgaben, jene, denen ich begegne, ebenfalls vor den Galaktikern zu beschützen. Im Fernsehen hatte ich es ebenfalls schon gesagt: wo ich kann, bekämpfe ich diese Typen.
    „Und die Schäden…?“
    „Es sind keine Schäden entstanden, darauf habe ich geachtet.“, ich verziehe das Gesicht, als ich das linke Bein belaste. Es war oben geprellt worden, als ich mich vor eine Wand geworfen habe, die sonst von einem Wuchtschlag zertrümmert worden wäre. Mir ist Hören und Sehen vergangen, als mich der Hieb traf, aber ich bin ja nicht aus Zucker oder so. Auch, wenn Lee gerne das Gegenteil behauptet…er meint es halt ein wenig anders.
    Die Rezeptionistin ist sichtlich erleichtert.
    „Bei den Geräuschen, die von oben kamen, hatte ich schon befürchtet…“
    „Verständlich. Aber ich pflege nicht zu pfuschen. Haben Sie etwas zu essen für mich?“, erkundige ich mich.
    „Sicher. Gerne! Mit Freuden, bitte, folgen Sie mir.“
    Sie geht voraus, an einem älteren Mann vorbei, der sich gerade ein wenig zitternd aufrichtet, dann durch eine Glastür, welche zum Essenssaal führt. Eigentlich hasse ich es, vor dem Duschen zu essen, doch ich habe dermaßen Hunger, dass es heute nicht anders geht. Der Essensaal ist auch relativ leer, nur eine kleine Familie sitzt weiter hinten. Die vier machen den Eindruck, als hätten sie die letzte halbe Stunde auch in Angst verbracht. Vater, Mutter, Schwester und Sohn unterhalten sich angeregt.
    „Hier finden Sie Marmelade und alles, womit man ein Brot belegen kann. Müsli steht weiter da vorn.“, die Frau zeigt auf einen langen Tresen, hinter dessen Glas die Nahrungsmittel aufbewahrt sind.
    „Milch, Kaffee und alle möglichen Säfte gibt es da hinten. Sehen Sie den Automaten?“
    „Ja.“
    „Gut. Hier ist das Geschirr…“, wir gehen einmal an dem Tresen entlang, ich lausche den Ausführungen meiner Führerin. Schließlich sind wir am hinteren Ende angekommen.
    „So, ich müsste wieder an die Arbeit. Bleiben Sie noch länger in Sonnewik?“
    „Hm. Kommt drauf an, ich habe oben einen Typen sitzen, den ich gleich verhöre. Zwei weitere liegen daneben. Pliprin passt auf sie auf. Wenn die Infos, die ich von dem erhalte, ausreichen, kann ich morgen schon weiter.“
    „Gut. Viel Erfolg!“
    „Vielen Dank.“
    Sie wuselt zurück in Richtung Rezeption. Ich belade meinen Teller mit einigen Brötchen, Marmelade und Butter. Lucia findet, ich würde meist ziemlich viel essen, und vielleicht stimmt das, aber schließlich habe ich schon viel gekämpft heute. Irgendwie müssen die Kalorien wieder rein.
    Bei der Musik, die im Hintergrund spielt, fühle ich mich an das Diner erinnert, in dem Lucia und ich damals saßen. Damals…es kommt mir beinahe vor, als wäre es Jahre her, dabei kann es kaum ein Monat sein. Nachdem mir einen Tisch ausgesucht und mich gesetzt habe, freue ich mich auf mein Frühstück. Pliprin und die anderen werde ich direkt danach versorgen.
    „Hallo!“, sagt die Stimme des Mädchens, was vor einigen Momenten noch bei seiner Familie saß. Ich schaue auf und schlucke meinen Bissen herunter.
    „Hi!“, antworte ich dann, um einen ähnlich enthusiastischen Tonfall bemüht. Kenne ich sie irgendwoher? Nein, definitiv nicht. Mein Blick bleibt an verblüffend hellen Haaren hängen. Blond. Ihre Augen sind grün wie eine frische Frühlingswiese. Ich sollte Poetin werden.
    „Ich habe gesehen, dass du diese Typen ganz allein besiegt hast. Du bist Maria, oder?“
    „Ja, bin ich.“
    „Wahnsinn! Kann ich ein Autogramm haben?“
    Ich starre sie verständnislos an.
    „Ein…Autogramm?“
    „Ja. Bitte. Schau mal. Hier.“, sie hebt den rechten Arm ein wenig. Er ist mit einem Gips verbunden. Scheint, als hätte sie ihn sich gebrochen. Irgendwie rührt mich ihr Eifer. Sie ist schätzungsweise 16 Jahre alt, ich soll das Autogramm wahrscheinlich auf den Gips schreiben. In ihrer Linken erkenne ich einen dicken Filzstift.
    „Nein.“, erwidere ich, sehe, wie ihr Blick enttäuscht und traurig wird. Ich muss ein Lächeln unterdrücken. Sie weiß nicht, was ich vorhabe. Also nehme ich ihren gebrochenen Arm, sehe kurz auf mein Wasserglas und richte eine Hand auf den Gips. Das Wasser fließt aus dem Glas durch die Luft, legt sich wie eine Hülle um den Arm und dringt in den Verband ein. Ihre Augen werden groß.
    Danach nehme ich mir den Stift, schreibe einen Satz auf die Stoffserviette, die unter meinem Teller liegt, und frage das Mädchen nach ihrem Namen.
    „Yvonne.“
    „…also „für Yvonne“. Hai!“, ich setze die Kappe wieder auf den Stift, gebe ihn ihr zurück und falte die Serviette zusammen, bevor ich ihr die auch noch überreiche.
    „Danke! Mann, die werden Augen machen zuhause!“
    „Zuhause? Von wo kommst du?“
    „Aus einer anderen Region, wir sind zum Urlaubmachen hier. Vielen Dank nochmal, Maria!“
    „Genieß deinen Urlaub. Sayonara, Yvonne.“
    Mit gemischten Gefühlen blicke ich nach draußen. Einerseits ist es schön, einen Fan zu haben, es zeigt mir, dass meine Taten die Bevölkerung erreichen. Andererseits erinnert es mich an die Zeit vor einem Jahr, als mich die Presse belagert hat, nachdem ich das Abenteuer im Tiefseetempel hinter mir hatte. Ich hasse Pressemenschen, jedenfalls die meisten, weil sie mir einfach keine Ruhe ließen.
    Einige Minuten später bin ich auf dem Weg in mein Zimmer, ich muss aus Johnny die Infos rauskriegen, die ich brauche. Oder vielmehr aus dem bewusstlosen Typen, der nur irgendwie aufgeweckt werden muss. Laut dem Rocket-Agent ist er der Obermotz hier. Doch zuerst ziehe ich mir lieber was an.
    „Das war nicht meine Idee.“, sagt Johnny, als ich mein Zimmer betrete.
    „Ich weiß nicht, wo die auf einmal alle herkamen.“
    Ich beobachte, wie ein Polizeiwagen vor der Pension hält, ziehe mich dann vom Fenster zurück und drehe mich um.
    „Natürlich nicht. Und ich habe schwarze Haare und trinke Blut.“, woher ich diesen Vergleich habe, weiß ich nicht, und irgendwie kommt mir ein echt schlechtes Gefühl den Bauch hoch. Ich zwinge mich zur Ruhe.
    „Wirklich! Einer von denen hier muss einen Sender oder so haben.“, beteuert der Mann vor mir. Ich nicke nur ungeduldig. Dann gehe ich ins Bad, ziehe mir schwarze Leggins und ein blau- weiß gestreiftes Shirt an, bevor ich Darkrai bitte, den anderen Mann aufwachen zu lassen. Zuerst wird sein Gesicht entspannter, als der Albtraum ihn verlässt, dann macht er zögerlich die Augen auf.
    Und überrascht mich. Er hat die Lage in Sekundenbruchteilen neu sondiert, fasst mich ins Auge und will mich mit einem Faustschlag niederstrecken. Mit meiner Geschwindigkeit hat er jedoch erneut nicht gerechnet. Ich weiche aus und halt seine Faust fest.
    „Schlechte Idee.“
    „Lass los!“, grollt er.
    „Und dann springe ich am besten gleich aus dem Fenster, was? Nein, so läuft das nicht. Ihr drei hier seid meine Gefangenen und ihr könnt erst gehen, wenn ich zufrieden mit euren Antworten bin.“
    „Versuchs doch!“, es klingt, als würde er die Worte zerkauen und mir dann entgegen spucken. Dieser Typ würde nicht so leicht zu knacken sein wie Johnny. Er glaubt an sein Team und an dessen Überzeugung, das sehe ich an seinem Blick. Ich beuge mich vor und verstärke den Druck meiner Finger. Man hört leises Knacken aus seiner Faust.
    „Dann hör mal gut zu. Ich habe schon mehr von deinen…Schachbauern besiegt, als ich zählen kann, und du wärst nur einer mehr auf meiner Liste. Ich habe außerdem keine Lust, hier jemanden umzubringen, doch wenn du hier Stress machst, habe ich leider keine Wahl.“, sage ich, achte dabei darauf, seine Hand festzuhalten und eiskalt zu klingen. Seine Augen verraten jedoch keine Angst. Er wirft mir einige heftige Schimpfnamen an den Kopf, die ich nicht haben will.
    „Das üben wir nochmal.“, erwidere ich und verpasse ihm eine schallende Ohrfeige. Mädchenhaft, ja, aber wirksam. Sein Kopf fliegt zur Seite. Ein brennender roter Abdruck erscheint auf seiner Wange.
    „Also. Wo ist eure Zentrale hier?“
    „Dreckiges Luder!“
    Ich atme tief aus. Das wird wirklich nicht leicht. Wie oft wurde ich in den letzten Wochen auf diese Weise beleidigt? Langsam reicht es. Meine Hand ballt sich unwillkürlich. Der Mann unter mir zuckt nicht einmal zusammen. Als ich mich aufrichte, verdrehe ich seine Hand ruckartig, doch wieder schaffe ich es nicht, seine Körperbeherrschung zu zerstören. Hartes Kerlchen.
    „Du hast absolut nichts, womit du mir drohen kannst.“
    „Wo ist eure Zentrale?“, versuche ich es noch einmal.
    „Leck mich.“, er lehnt sich an die Tür, hält seine verletzte Hand und starrt mich ausdruckslos an.
    „Das werde ich sicher nicht tun. Aber zu deinem Glück habe ich viel Zeit, um mir die Informationen mit Gewalt zu nehmen, wenn es nicht anders geht.“, eine leere Drohung, doch das weiß er nicht. Diese Typen haben zu viele Gruselgeschichten über mich in Umlauf gebracht, wie ich von Johnny erfahren habe.
    //


    Jubelstadt, Lilith
    Manche Menschen kämpfen ihr Leben lang, ohne dabei irgendetwas zu empfinden. Auftragskiller oder Agenten entwickeln schnell eine Art Schalter, den sie umlegen können, sodass ihre Gefühle beim tödlichen Schlag ausgeschaltet sind. Andere wiederum genießen es, Psychopathie nennt man das. Wieder andere, wie Maria, sind gezwungen, zu kämpfen, sie tun es nur, um ihre Mitmenschen zu schützen.
    Und dann gibt es Lilith.
    Sie genießt den Kampf nicht, sie denkt nicht nach, sie will niemanden beschützen. Sie will nicht einmal, dass ihr Gegner leidet. Sie kann es nur nicht kontrollieren. Ihre Vergangenheit hielt zu viele Schicksalsschläge bereit, zu viel Leid hat ihren Verstand gemartert, sodass sie letztlich nur dann halbwegs normal sein konnte, wenn jemand Bestimmtes um sie herum ist. Eva, Maria und Pay sind diejenigen, die bei ihr noch eine gewisse Normalität auslösen. Alle anderen Menschen werden von ihrem Hirn als böse eingestuft. Jedenfalls…solange es noch funktionstüchtig ist. Kaum hat sich Pay einige Straßenzüge von ihr entfernt, zersplittert jeder Ansatz eines Denkversuchs in scharlachrotes Blut, was durch ihren Kopf treibt.
    Schmeckt Metall gut, Mama?
    Nein, Lilith.
    Was schmeckt denn hier metallisch?
    Lilith wischt sich glucksend über den Mund. Sie hat gar keine Mama mehr, oder? Neben ihr prallen Hundemon und Kryppuk aufeinander. Der Mann vor ihr hält sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Hals.
    „Du bist wahnsinnig!“, er macht eine kurze Pause und blickt in den Himmel.
    „Wenn es das ist, was mir mein Schicksal vorschreibt, werde ich bis zum Ende gehen. Für das neue Universum!“
    Universum, denkt Lilith, ein schönes Wort. Was daran neu sein soll, kann sie jedoch nicht sagen.
    „Komm her zu mir, mein Schöner.“, haucht sie und geht auf ihren Gegner zu. Er beißt sie Zähne zusammen und weicht zurück. Sofort fängt Lilith an, zu knurren. Denkt der, er wäre zu gut für sie? Bevor sie sich erinnern kann, für was genau er zu gut sein soll, hat sie den Gedanken vergessen.
    „Was starrst du so?“, faucht sie dann, als sie sich zum Seelensammler umdreht.
    Dieser denkt scharf nach. Er muss seine Wunde versorgen. Hat diese Wahnsinnige ihn doch tatsächlich in den Hals gebissen, und die Wunde ist sogar ziemlich tief. Zum Glück hat er eine gute Physis, fürs erste reicht es, die Blutung zu stoppen. Das muss Lilith Solaria sein, die sich aus irgendeinem Grund als Maria Jou verkleidet hat. Kaum zu fassen, dass sich Rocky so jemanden ins Team geholt hat. Der Mann taumelt leicht. Langsam macht sich der Blutverlust bemerkbar.
    „Kryppuk, setz Leidteiler ein.“, befiehlt er, als er merkt, dass Hundemon mehr und mehr die Oberhand gewonnen hat. Dunkle Energien brechen aus dem Verboten-Pokémon hervor, fesseln Hundemon und rauben ihm die Kraft. Gleichzeitig regeneriert sich Kryppuk mithilfe der abgesaugten Energiereserven. Lilith achtet nicht einmal darauf.
    /


    Lee steigt aus der Privatmaschine von Alfred. Der Jubelstadt-Flughafen liegt weiter vom Stadtkern weg, er ist noch genauso in Betrieb wie sonst auch. Allerdings sind die Galaktiker, die Patrouille gehen und jeden kontrollieren, der gerade in Jubelstadt ankommt, neu. Er hat einen gefälschten Pass dabei, Lucia ist mit einem großen, weißen Sommerhut und dazu passender Brille bestückt. Die Gläser sind jedoch normal, da Lucia normalerweise nicht auf eine Sehhilfe angewiesen ist.
    „Wow. Hoffentlich kommen wir da gut durch.“, murmelt die Koordinatorin.
    „Diese Typen sind Galaktiker, keine Professoren. Das dürfte kein Problem werden. Wo ist…ah, danke.“, Lucia reicht ihm eine Baseballmütze, deren Schirm Lee sich tief ins Gesicht zieht. Unauffälligkeit geht momentan vor.
    „Herrje, wie aufregend!“, macht Lucia. Der Blonde grinst sie an.
    „Was?“
    „Ach, das ist so ein kleiner Gag, den Maria und ich mal gemacht haben. Sie findet das lustig, den Tonfall einer stinkreichen, verwöhnten Frau nachzuahmen.“
    „Oh. Hat sie auch…“, Lee zögert.
    „Was meinst du?“
    „Nicht so wichtig. Pass auf.“
    Sie überqueren das betonierte Rollfeld, kommen an zwei Galaktikern vorbei, welche mit silbernen Uniformen und zwei Skuntank an der Passkontrolle stehen. Einer von beiden betrachtet mäßig interessiert beide Ausweise, gähnt hinter vorgehaltener Hand und nickt ihnen zu.
    „Sind Sie Trainer, Leiter, Koordinator oder so…?“, will er wissen. Lee verneint.
    „Nein. Wir sind aus Einall und wollten hier Urlaub machen. Mein Gummibärchen hier hat so von der Stadt geschwärmt…“
    „Schon gut, schon gut. Durchgehen.“, genervt winkt der Galaktiker sie durch.
    „Ich versteh nicht, wieso wir die Flugpläne nicht bekommen. Wäre so viel leichter, der Job!“, zischt der Kollege des ersten Galaktikers.
    „Beschwer dich nicht. Wir sind nicht so viele, wie du denkst. Das alles hier ist gut geplant, aber der Personalmangel…“
    Lee hört nicht weiter zu, nimmt Lucia an der Hand und zieht sie weiter in das Gebäude hinein.
    „Gummibärchen?! Nennst du Maria so?“
    „Nein, aber ich dachte, die nehmen unsere Geschichte dann ernster.“, erwidert Lee. Sie kommen an einigen Geschäftsleuten vorbei. Er vergewissert sich, dass sie außer Sichtweite der Galaktiker sind, und lässt Lucias Hand los.
    „Mit dem aufregend hattest du Recht. Ich fühle mich wie in einem schlechten Spionagefilm.“
    „Zwei mutige Trainer schleichen sich hinter feindliche Linien! Applaus!“
    Lee lacht kurz.
    „Du bist witzig. Ich verstehe, wieso Maria dich so gern hat. So, ich glaube, wir sind fürs Erste außer Gefahr.“, auf seine Worte folgt eine kurze Stille. Sie die Straße, die zur Bushaltestelle führt. Von dort aus wollen sie in Richtung Stadtzentrum.
    Während der Wartezeit füttert Lucia ihr Team mit frischen Knurspen. Lee lehnt an der gläsernen Wand der Wartekabine. Schließlich kommt der Bus.
    „Endlich.“, seufzt er. Das Sonnenlicht bricht sich auf der Frontscheibe des Fahrzeugs. Die Türen gleiten zischend auf. Lucia steigt zuerst ein, als Lee ihr folgt, rutscht ihm ein Eimer Eis in den Magen. Der ganze Bus ist voller Galaktiker.
    „Oh. Guten Tag allerseits.“, sagt er dann mit gezwungener Freundlichkeit.
    „Guten Tag.“, brummt einer der Typen, er ist extrem massig und trägt einen braunen Mantel. Seine Stimme klingt wie Felsen, die einen Abhang herabrollen. Lee denkt an die Beschreibung eines Mannes, gegen den Pay mal gekämpft hat.
    Das muss Argo sein. Interessant.“, im selben Moment rutscht Argo ein Stück nach vorn.
    „Du da. Nimm die Brille ab.“, befiehlt er Lucia. Marias Freund spannt die Muskeln an.
    „W-warum?“, stottert das Mädchen.
    „Scheinst hübsch zu sein. Will deine Augen sehen.“
    „Aber ich sehe ohne Brille nichts.“, flötet sie.
    „Das glaube ich zu deinem Pech nicht. Du bist die Göre, die zu Maria Jou gehört.“
    „Was?! Nein! I-„, weiter kommt sie nicht. Alle Galaktiker springen auf.
    „Nicht in meinem Bus!“, beschwert sich der Fahrer. Argo erhebt sich leise. Es knackt um ihn herum, als wäre er tonnenschwer.
    „Doch. Genau hier. Und wer ist dein Freund hier? Ist das…“, bevor er den Satz beenden kann, hat Lee das Bein hochgerissen und will es ihm in den Magen rammen. Der Unterarm Argos blockt den Kick ab.
    „Verdammt. Sieht aus, als wäre das hier die Falle.“, sagt der Blonde und stellt sich vor Lucia.

  • Kapitel 52
    Ein hoher Preis


    18.7.2009


    Langsam beuge ich mich ein Stück vor. Meine rechte Hand liegt auf der Schulter des Mannes.
    „Die Antwort lautet…?“, frage ich leise.
    „Nein, Herrin!“
    „Und die Pokébälle sind alle dort?“
    „Ja, Herrin!“
    „Und nicht in Herzhofen, wo euer Hauptquartier liegt?“
    „Nein, Herrin! Der Transport wäre zu riskant gewesen!“
    Ich stemme die Hände in die Hüften. Das sind die Infos, die ich brauchte.
    „Dein Leben soll verschont werden, weil du so mitteilsam warst. Verstanden?“
    „Habt Dank, Herrin!“, der Galaktiker in Weiß sitzt zitternd unter mir. Es hat länger gedauert, ihn zum Reden zu bringen, als ich dachte, aber letztlich waren meine Argumente…überzeugend. Nach und nach war aus dem aufmüpfigen, fanatischen Galaktiker ein wimmerndes Häuflein Elend geworden. Ich weiß immerhin nun, wo sich die Pokébälle befinden, die gestohlen wurden. Rocky zufolge sind sogar die von Volkner dort. Der wird sich freuen. Ihn werde ich zuerst anrufen.
    „Ich habe einen Anruf zu tätigen. Mein Freund hier lässt euch währenddessen schlafen.“
    Schlummerort!“, Darkrai versetzt alle drei wieder ins Reich der Albträume. Wenn ich wieder da bin, sollte die Polizei meine Gefangenen mitgenommen haben. Für Johnny werde ich ein gutes Wort einlegen. Mir scheint es, als wolle er sich von Team Rocket lossagen. Ich verlasse das Zimmer und biege links ab. Mein Weg führt mich in die Lobby, wo es Visophone gibt. Jedenfalls wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht. Dort angekommen nehme ich Platz und versuche, mich an die richtigen Knöpfe zu erinnern. Verdammte Maschinen. Nach einigen Momenten sinnlosen Knopfdrückens habe ich immerhin einen richtigen Knopf erwischt. Wenn mich Saturn so sehen könnte, er würde auf der Stelle den Glauben ans Böse in der Welt verlieren. Ich mag zwar im Kampf furchterregend sein, aber mit elektronischen Geräten komme ich selten klar.
    „Auskunft hier. Guten Tag. Was kann ich für Sie tun?“
    „Morgen. Ich würde gerne mit der Arena sprechen.“
    „Gerne, einen Moment.“, der Bildschirm bleibt schwarz, es dauert einige Sekunden. Schließlich erhellt er sich und zeigt mir einen blonden Mann, der Lee stark ähnelt. Ich muss schlucken. Meine Wangen fangen an zu glühen. Gerade jetzt, wo ich wieder von ihm getrennt bin! Beruhig dich, Maria.
    „Sie müssen Volkner sein…“, murmele ich.
    „Der bin ich. Mit wem habe ich das Vergnügen?“, er wirkt niedergeschlagen. Logisch, so würde es mir auch gehen, wenn ich mein Team verloren hätte. Die Aura der Kraft, die er ausstrahlt, kann ich dennoch selbst hier spüren. Genau wie bei Lee macht mich das an. Ich muss mich zusammenreißen.
    „Maria Jou. Ich… ich bringe Ihnen Ihre Pokémon wieder. Hier die Adresse…“
    „Warten Sie! Meine Pokémon? Wie?“, er wird aufgeregt. Seine Augen kriegen ihren Glanz zurück. Ich muss lächeln. Dann tritt Begreifen auf seine Züge.
    „Das Mädchen vom Stärkesee…die Wassertrainerin. Du bist das!“
    „Ganz recht. Also, die Adresse…“, ich nenne ihm die Straße, die ich eben von dem Bückling oben erfahren habe.
    „Wie haben Sie das gemacht?“, er siezt mich wieder. Scheinbar flößt ihm der Gedanke daran, dass ich all diese Galaktiker alleine auseinander genommen habe, Respekt ein. Ein Arenaleiter zollt mir Respekt! Einem Mädchen von der Straße. Innerlich würde ich mich gerne selber schlagen. Diese Denkweise passt lange nicht mehr zu mir.
    „Sie kennen sicher die Gerüchte darüber, dass ich Wasser kontrollieren könne, oder?“
    „Sicher.“
    „Nun, sie sind wahr. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass der Umstand, dass ich hier alleine aufkreuze, sie alle aus ihrem Nest lockt, aber nun ist Sonnewik weitaus leichter zu retten. Sie haben keinen Kopf mehr. Ihre wichtigsten Männer hat Officer Rocky soeben eingebuchtet. Die restlichen dürften leicht zu besiegen sein.“
    „Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich bin!“
    „Brauchen Sie auch nicht.“, ich werde rot. So wird Lee einmal aussehen, rast es mir die ganze Zeit durch den Kopf. Denselben Blick hat er oft drauf.
    „Ich werde mich sofort auf den Weg machen. Sämtliche Trainer müssen benachrichtigt werden. Darum kümmere ich mich.“, er redet schnell, wird dabei immer aufgeregter. Es muss niederschmetternd gewesen sein, der Stadt nicht helfen zu können.
    „Gut…und ich…“, weiter komme ich nicht. Irgendwas trifft die Fensterfront neben mir. Mehrere Scheiben gehen zu Bruch. Ich rase hoch, verlagere mein Gewicht, um eine Rückwärtsrolle zu schaffen, und lande hinter dem Stuhl, auf dem ich saß. Schon wieder diese Typen! Da muss doch ein Nest sein.
    „Tsuname, Pliprin, ihr…“, weiter komme ich nicht.
    Ein glühendes Messer rast an meinem rechten Auge vorbei und scheint mich sacht zu streicheln. Trotzdem wird mein Kopf von der Wucht herumgerissen. Seltsamerweise spüre ich außerdem einen Luftzug. Ich sehe noch, wie Volkner mit schreckgeweiteten Augen aufspringt. Die Schmerzen setzen so schnell ein, dass es mir den Magen umdreht. Ich sehe auf dem rechten Auge nichts mehr. Benommen rappele ich mich hoch und drücke auf einen Knopf am Visophon. Etwas Warmes läuft mein Gesicht herab.
    „Ich m…melde mich zurück!“, stammele ich. Meine Worte kommen irgendwie nur schwer aus meinem Mund. Was ist hier los? Es fühlt sich an, als würde meine Kraft aus meinem Körper gesaugt werden. Meine Beine zittern und verwandeln sich- genau wie der Rest meines Körpers- langsam in Wackelpudding. Der Arenaleiter will etwas sagen, doch der Anruf ist beendet.
    „Auf sie!“, befiehlt eine Frauenstimme. Mit dem funktionierenden Auge sehe ich, wie mindestens 20 Galaktiker in die Pension stürmen. Viele weitere kämpfen draußen mit den Polizisten, die ihre Kumpane festnehmen wollten. Ich muss die Wunde heilen, doch ich spüre, wie mein Bewusstsein schwindet…
    Diesmal nicht. Ich mach das.“, bevor es dunkel um mich wird, schießt Darkrai aus dem Boden.
    VERSCHWINDET“, die Galaktiker kommen ins Stocken, als der schwarze Wächter seine Kraft bündelt. Eine heftige Finsteraura trifft das Pokémon, was Maria verletzt hat. Das blau glühende Auge richtet sich auf die Galaktikerin, welche den Angriff befohlen hat.
    So…!“, das erste Wort hallt mit unverhohlener Wut durch den Geist der angreifenden Rüpel.
    Sinnlos!“, Darkrai feuert seine Attacken in alle Richtungen, trifft Pokémon und Galaktiker, achtet jedoch darauf, die Pension und die Polizisten auszulassen.
    Dieses Mädchen will Sinnoh Gutes tun!“, die nächste Finsteraura trifft drei Magnayen auf einmal, die eigentlich gerufen wurden, um der schwarzen Energie entgegen zu wirken. Den ersten Treffer halten sie aus, den Schlummerort jedoch nicht. Das Glühen in Darkrais Augen wird stärker. Als er sieht, dass Team Galaktik immer noch auf die am Boden liegende Maria zielt, wirft er sich in die Flugbahn einer Aurasphäre, kreuzt die Arme vor seinem roten Kragen und zieht den Kopf ein. Trotz des Fakts, dass es eine Kampfattacke ist, steckt er sie locker weg.
    Das reicht. Schlummerort!“, die kleinen Kugeln, die sich aus schwarzer Materie manifestieren und auf die Galaktiker zuschießen, sind zu schnell, als dass ihnen ausgewichen werden könnte. Darkrais Wut ist noch nicht verraucht. Die Träume werden umso schlimmer sein, das verspricht er.
    /


    Als Volkner eine halbe Stunde später mit seinem Elektropokémon-Arsenal an der Pension eintrifft, sind alle Galaktiker besiegt. Jeder einzelne wird von der zuständigen Rocky gefesselt und von den Officers ins Gefängnis gebracht. Sein Elevoltek sieht sich fassungslos um.
    „Ich weiß, du wolltest denen deine Entführung heimzahlen.“, Volkner grinst breit. Er ist viel zu glücklich darüber, sein Team wiederzuhaben. Als er sich daran erinnert, was mit Maria am Telefon passiert ist, läuft er den Hügel hinab zum Strand und betritt die Pension. Schwester Joy ist bereits anwesend. Maria wurde auf eine Bahre gelegt, welche wohl dem vorne parkenden Krankenwagen entnommen wurde. Ihr rechtes Auge ist mit einem kleinen weißen Kissen abgeklebt. Das Mädchen schläft tief und fest.
    „Oh, nein. Was ist ihr passiert?“, will Volkner wissen. Joy dreht sich um.
    „Es scheint, als habe die Gefangennahme der weißen Garde dazu geführt, dass alle, und damit meine ich: alle Galaktiker aus der Stadt hier herkamen, um ihre Anführer zu befreien. Maria hat einen Luftschnitt abbekommen. Diverse Attacken haben ihre Brust und die Hüften erwischt.“
    „Und ihr…ihr Auge?“, auf seine Worte hin schüttelt Joy nur stumm den Kopf. Volkner bemerkt ein blondes Mädchen, was ein wenig abseits steht und geschockt zu sein scheint. Sie wird von einer Frau, die wahrscheinlich ihre Mutter ist, in den Arm genommen und in den angrenzenden Speisesaal geführt.
    „Ich habe zwar gehört, dass sie Verletzungen mit Wasser heilen lassen kann, aber sie ist sofort ohnmächtig geworden. Und ich weiß nicht, wie lange Wunden verheilen dürfen, bevor ihre Kräfte nicht mehr funktionieren. Es kann sein, dass dieses Auge blind wird.“
    Volkner sieht sich Maria an. Ihr Gesicht ist entspannt, friedlich. Dennoch hat sie tiefe Schatten unter den Augen, als wären die letzten Wochen voller Anstrengung gewesen. Er hat schon viel von ihr gehört, sie will ihn bald herausfordern. Wenn unter den Herausforderern der Liga neue, vielversprechende Talente dabei sind, macht das schnell die Runde. Die Sendung im Fernsehen ging auch durch die gesamte Region. In dieser Trainerin steckt enormes Potenzial.
    „Blind? Die Ärmste.“, sagt Volkner leise.
    „Ein schrecklicher Vorfall. Erst recht für eine junge Frau. Aber wir werden es erst wissen, wenn sie erwacht.“, Joy legt einen Verband um Marias Arm, wo eine weitere Schnittwunde klafft.
    „Wer hat die ganzen Galaktik-Rüpel besiegt?“, will der Leiter wissen.
    „Eines ihrer Pokémon. Ein Darkrai.“
    „Interessant. Und ich dachte, sie kämpft nur mit Wasser-Typen.“
    Volkner legt Maria eine Hand an die Stirn.
    „Danke für meine Pokémon. Ab jetzt übernehme ich.“, er dreht sich um, denkt kurz nach und verlässt das Gebäude. Zuerst müssen alle Trainer Sonnewiks benachrichtigt werden, dass sie ihre Pokémon abholen können. Im Gehen zückt er sein Handy.
    //


    Kraterberg
    Rocky keucht leise. Der Kraterberg ist nicht leicht zu überqueren. Und wenn man, wie sie, etwas in seinem Inneren sucht, ist man besser damit beraten, viele Vorräte mitzuschleppen. Darum ist ihr Rucksack auch dementsprechend schwer. Hinter ihr: die Ebenen vor Herzhofen. Vor ihr: zerklüftetes Gestein. Neben ihr: Manon.
    „Wäre es nicht besser, wir wären als ganzes Team gegangen?“, fragt Manon.
    „Nein. Du bist in etwa so stark wie Lilith, das reicht völlig aus.“
    „Was? Wie Lilith? Angel, die Teufelin und ich sollten doch…“
    „Manon.“, Rocky unterbricht sie.
    „Weißt du, was Lilith draufhat?“
    „Sie entzieht anderen die Kraft.“, murmelt diese dann nach kurzer Überlegung.
    „Ich hätte keine Chance, oder?“
    „Nicht, wenn sie dich berühren kann.“
    „Wenn ich recht überlege, hätte auch Maria keine Chance.“
    „Fast richtig. Maria kann sich in Wasser verwandeln.“
    „Trotzdem…“, Manon wird schon wieder unterbrochen. Diesmal von Rockys Handy.
    „Kuré ruft an. Wieso ruft Kuré an? Sie weiß, dass ich hier bin.“, stirnrunzelnd drückt Rocky einen Knopf. Manon denkt kurz daran, dass Maria doch Kurés Handy hat.
    „Schwester?! Wie kommst du zu dem Handy…oh.“, Rocky wird still. Dann reißt sie die Augen auf.
    „Ein Auge? Wie schlimm ist es? …aha. Okay. Hm. Nein, ich sage den anderen Bescheid. Danke.“
    „Das klang fast so, als wäre etwas Schlimmes passiert.“, sagt Manon mit vorgetäuschtem Desinteresse.
    „Tu nicht so, als wäre es dir egal, du bist nicht deine Teufelin.“
    „Doch. Wir sind eins.“, auf Manons Worte hin seufzt Rocky leise.
    „Wie dem auch sei. Maria hat im Alleingang Sonnewik befreit.“, die Rothaarige sieht überrascht aus.
    „Unglaublich!“
    „Du wusstest doch, wie gut sie ist. Als sie den Anführer der Galaktiker festgesetzt hat, kamen alle Galaktiker der Stadt, um sie zu besiegen. Im Kampf hat sie vermutlich ein Auge verloren.“
    „Oh mein Gott!“, Manon starrt Rocky an.
    „Ist DAS der Grund, wieso du so beunruhigt bist? Sie besiegt ALLEINE hunderte von Galaktikern und verliert EIN Auge?! Ernsthaft?“
    „Wenn man bedenkt, was sie sonst wegsteckt, bevor sowas passiert…“
    „Hör zu, Sammy!“, Manon ist die einzige, die Rocky manchmal mit ihrem Spitznamen anredet.
    „Maria wacht auf, heilt das Auge in einer Sekunde und kämpft weiter. Das wird schon.“, versucht sie Rocky zu beruhigen.
    „Wenn ich da so sicher sein könnte. Ich bin für sie verantwortlich, das ist MEIN Team.“
    „Sie ist für sich selbst verantwortlich. Erstens hatte sie keine leichte Kindheit und zweitens ist sie 20 Jahre alt! Sie hat Kräfte, die deine bei weitem übersteigen. Vertrau der Frau einfach.“
    „Ich glaube du hast Recht.“
    Das war das erste Mal, dass jemand Maria in Rockys Beisein als Frau bezeichnete. Anscheinend musste sie ihr Bild von dem schüchternen Mädchen revidieren, was ihr damals die Führungsriege von Team Rocket auf dem Silbertablett präsentiert hatte.
    „Natürlich habe ich das. Wollen wir weitergehen? Dieser Berg ist nicht gerade klein.“, Manon trinkt einen Schluck Wasser und verstaut die Flasche wieder in ihrem Rucksack. Die beiden setzen ihren Aufstieg fort. Währenddessen ruft Rocky Eva Touretto an. Herzhofen muss sich bedeckt halten, solange diese Maschine noch läuft.
    //


    Herzhofen
    Eva und Alfred sitzen nebeneinander auf einer Parkbank nahe dem Pokémoncenter. Evas Leibwächter sondieren die Gegend.
    „Finden Sie nicht auch, dass dies ein ganz ausgezeichneter Sommertag ist, Fräulein Eva?“, fragt Alfred gerade. Den Flammenwurf, der knapp an ihm vorbeirast und in eine kleine Mauer irgendwo hinter ihm fährt, ignoriert er.
    „Wir stimmen dem zu.“, erwidert Eva und ignoriert ihrerseits eine Hydropumpe, welche sie verfehlt.
    „Diese Cretins scheinen Uns stören zu wollen. Simsala, bringe ihnen Manieren bei.“
    „Vortreffliche Idee. Raichu, schließe dich dem Simsala von Fräulein Eva an.“, Simsala und Raichu starten eine Kombinationsattacke, welche die beiden Galaktiker im Handumdrehen besiegt, die sich ihnen genähert hatten. Seit Wochen kommen immer mal wieder ein paar von denen auf den Gedanken, Eva besiegen zu wollen, doch der große Angriff bleibt aus, vermutlich, weil Saturn seine Leute nicht allzu schnell verpulvern will. Er hätte ihnen sämtliche Angriffe von vornherein verbieten sollen. Soweit scheint er nicht gedacht zu haben.
    „Unglaublich, dass sie mitten in der Stadt derartige Attacken einsetzen.“
    „In der Tat. Wissen Sie, Fräulein Eva, manche Männer wollen die Welt einfach nur brennen sehen.“
    „Den Spruch merken Wir uns. Anderson!“, der schwarz gekleidete Mann dreht sich um und steht stramm.
    „Mei, Madame Eva, mia hoam nix gfundn, und…“
    „Notiere Er: Manche Männer wollen die Welt einfach nur brennen sehen.“
    „I würd vorschloagn, Sie froagn Riley, der mocht sowas gern, so mit Feuerzeug und sowoas…“, beginnt Anderson, aber Eva lässt ihn nicht ausreden.
    Notiere Er.“
    „Achso!“, hastig zieht der Mann einen kleinen Notizblock hervor und kritzelt hastig darauf herum.
    „I bin untrösli, Madame Eva, i wusst net…“
    „Ihm sei vergeben. Weitermachen.“
    Riley hat nur stumm den Kopf geschüttelt, als Anderson sein Missverständnis aufklärte, nun jedoch schaltet er die beiden Galaktiker aus, wirft sie sich über die Schultern und macht sich auf dem Weg zum Pokémoncenter.
    „Oh. Telefon. Eva am Apparat.“, meldet sich die Blonde. Sie erhebt sich. Ihr teures Kleid raschelt leise. Das Gespräch dauert eine Weile.
    „Maria ist verletzt? Wie konnte das passieren? Ah. Ein Hinterhalt also. Sollen Wir sie nach Herzhofen holen? Nein? Gut. Wir werden uns bereit halten.“
    Eva sieht wieder nach oben, als sie auflegt. Noch muss die Stadt beschützt werden, aber es kann nicht mehr lange dauern, bis Rocky zum Angriff bläst. Erst muss Siata weg, das ist logisch.
    /


    Einige Kilometer weiter brütet Saturn über seinem Plan. Bisher hat niemand erraten, was er vorhat. Es war ein guter Plan, davon ist er überzeugt. Die Pokébälle, die Menschen fangen, waren eine gute Investition. Leider ist die Fabrik zerstört worden, doch das macht nichts. Jedenfalls hat das bis vor einigen Tagen nichts gemacht, doch nun hat dieses Katzenmädchen die Blaupausen gestohlen. Ohne die können die Bälle nicht nachproduziert werden. Desweiteren hat er die Verteidigung im Kraterberg drastisch erhöht. Es kann sein, dass sie nun gezielt nach solch einer Apparatur suchen werden, wie sie auf den Blaupausen war, und er kann sich keine weiteren Risiken leisten. Maria Jou ist laut seinen Informanten allein in Sonnewik aufgetaucht. Kurz nach dem Funkspruch ist die Verbindung zum Hauptgebäude in Sonnewik abgebrochen. Es ist das Schlimmste zu befürchten.
    Aber das macht alles nichts. Team Galaktik hat Siatas Energie lange genug angezapft. Bald wird er endlich in der Lage sein, das Portal zu öffnen. Und dann steht der Eroberung Sinnohs nichts mehr im Wege. Erst Sinnoh und dann die ganze Welt.
    „Ruft die Commander zusammen.“, befiehlt er den beiden Galaktikern, die weiter hinten in seinem Konferenzraum sitzen und sich etwas auf einem Monitor ansehen.
    „Sie sollen alle zum Kraterberg.“
    „Wird erledigt, Boss.“
    Saturn nickt. Bald wird er nicht mehr der Boss sein. Bald wird er etwas sehr viel Größeres sein. Maria hat ihm lange genug auf der Nase herumgetanzt. Maria und dieses Pack aus Trainern. Wie er sie verabscheut, diese Kreaturen, ohne Sinn für die pure Logik des Universums. Im Großen und Ganzen fragt niemand nach Liebe oder Freundschaft oder diesen Dingen, denen diese Trainer nachhängen. Der Stärkste überlebt, so ist das Gesetz. Es wird Zeit, zurückzuschlagen. Die Trainer müssen alle auf einmal vernichtet werden, hat er sich vorgenommen.
    //


    Jubelstadt
    Der Kampf gegen Argo erfordert von Lee äußerste Anstrengung. Er hatte nicht damit gerechnet, dass dieser Schrank von einem Mann so wendig sein könnte. Lucia hat sich mit zwei Galaktikern auf einmal angelegt, die restlichen kämpfen mit Argo zusammen gegen Lee. Immer wieder ruft der Blonde Lucia Anweisungen zu, sie ziehen sich langsam aber sicher in Richtung Stadtkern zurück. Den Bus haben sie schon längst hinter sich gelassen.
    Mehrere Straßen weiter bemerkt Lee immer wieder hohe Feuersäulen, die in den Himmel schießen. Das muss Pay sein. Lee duckt sich unter einem Schlag von Argo weg. Der Galaktiker hat ein Parasek zu Hilfe gerufen. Lees Kicklee konnte schon einige Treffer landen, aber durch die Synthese-Attacke heilt sich der Käfer immer wieder. Admurai hält die anderen Galaktiker in Schach, die noch übrig sind. Die Taktik des Blonden zielt darauf ab, die kleinen Fische nach und nach auszuschalten, bis nur noch Argo übrig ist.
    „Plinfa, Whirlpool!“, Lucia gibt ebenfalls ihr Bestes, und obwohl sie eigentlich Koordinatorin ist, können die Galaktiker ihr kaum etwas entgegensetzen. Das Training mit Maria war zwar bisher eher kurz gewesen, doch die Grundlagen helfen ihr bereits. Ein Strudel aus glitzerndem Wasser umschließt Plinfa und seinen Konkurrenten, ein Glutexo, und zieht sich zusammen.
    „Lucia! In die Richtung dort!“
    „Was ist da? Das sieht gefährlich aus“, erwidert die Blauhaarige. Lee beginnt zu rennen, Argo stapft ihm überraschend schnell hinterher.
    „Och nö.“, quengelt Lucia.
    „Nicht schon wieder Gerenne!“, doch sie schafft es, mit Lee mitzuhalten. Ihr Plinfa lässt das besiegte Glutexo zurück und folgt ihr.


    Alles in allem sieht es für die Trainer schlecht aus. Die Infrastruktur Herzhofens ist mehr und mehr zusammengebrochen. Mit jedem Tag, der von den Straßenkämpfen geprägt war, verließen größere Teile der Bürger die Stadt. Lee und Lucia wollen in Jubelstadt mit Pay und Lilith zusammenstoßen, während Eva und ihr Team Herzhofen bewacht, verstärkt werden sie von Joana und Cat. Maria liegt mittlerweile im Krankenhaus von Sonnewik. Volkner ist es gelungen, eine Radiosendung abzusetzen, mit deren Hilfe er die Trainer Sonnewiks mit ihren Pokémon wiedervereinen will. Eine von den drei großen Städten, die Team Galaktik übernommen hat, ist also wieder frei. Jubelstadt und Herzhofen sind übrig. Dennoch bleiben Fragen offen: was erwartet Rocky und Manon im Kraterberg? Wo werden Rockys Vater und die ganzen gefangenen Trainer festgehalten? Wieso ist Saturn immer noch so siegessicher und was ist sein wahrer Plan, den er bisher meisterhaft verbergen konnte? Und was treiben Hagane und Tai eigentlich in der verlassenen Wettbewerbshalle von Herzhofen?


    „Dein Name ist Siri, richtig?“
    „Stimmt.“
    „Gut.“, Hagane blickt sich um. Die riesige Halle steht seit der Besetzung durch Team Galaktik leer. Eine ferne Explosion erschüttert den Boden. Es wird immer noch überall gekämpft. Die Straßen, durch die Hagane eben gelaufen ist, waren größtenteils leer. Ab und zu versperrten große Trümmerteile den Weg. Viele der höchsten Gebäude sind bereits zerstört, den Kämpfen zum Opfer gefallen. Viele Trainer waren auch von Mewtu besiegt worden, und sobald dieses Wesen irgendwo gesichtet wurde, musste man in Deckung gehen. Wenn man Pech hatte, spürte es einen auf.
    Nun jedoch hatten sich knapp einhundert Trainer jeder Altersgruppe in der Halle eingefunden. Hagane und Tai hatten eine Art organisierten Widerstand aufgebaut, dem schon viele Galaktiker zum Opfer gefallen waren. Es war jedoch Zeit für den finalen Schlag; Herzhofen hatte keine Lust mehr, sich unterdrücken zu lassen. Ein blondes, sehr hübsches Mädchen trat gerade neben Hagane. Sie war eine der stärksten hier, schätzte Lees Schwester, also hatte sie einen Teil der Organisation übernommen. Lin-Fu spürt die Anspannung und zappelte ungeduldig in Haganes Armen.
    „Wir sind 109 Trainer. Team Galaktik ist uns zahlenmäßig vermutlich weit überlegen, doch das müssen wir mit Kampfkraft wettmachen!“, die Stimme des Mädchens schallt durch die Halle. Außer ihr redet niemand. Auch Tai nicht, der Hagane um keinen Preis mehr von der Seite weicht.
    „Jeder von uns kann, wenn es sein muss, drei von denen plattmachen. Ist doch so!“, ruft sie und erntet Applaus.
    „Wir haben vorhin dank unserer Infogruppe erfahren, dass Saturn seine Kräfte am Kraterberg zusammenzieht. Gegen die versammelten Kräfte von Team Galaktik wollen wir aber nicht kämpfen, was also tun wir?“
    „Wir fangen sie ab.“, Siri ergreift das Wort. Ihre Idee war es gewesen, die Fähigkeiten von einigen Geisterpokémon auszunutzen, die sich in den Wänden vom Galaktik-Hauptquartier versteckten. Sie hörten alles mit, was gesprochen wurde, und gaben die Infos mithilfe einiger telepathiebegabter Pokémon an ihre Trainer weiter.
    „Bevor sich die Galaktiker aus dem Hauptquartier mit denen am Kraterberg zusammenschließen, müssen wir da sein und sie zum Kampf zwingen. So muss jeder von uns vielleicht zwei besiegen, und ihre Gesamtkraft ist geschwächt.“, Steph drängelt sich nach vorn. Ihr Team war sofort Feuer und Flamme für diesen Plan gewesen. Sally und ihr Bruder, der Torwart, folgen ihr.
    „Und jetzt will ich hören, was für Trainer ihr seid!“, ruft Steph. Der Torwart hebt eine Faust.
    „WER VON EUCH IST DABEI?“, brüllt er dann. Hagane nickt anerkennend. Die wissen, wie man die Masse in Stimmung bringt. Minutenlang anhaltender Jubel lässt die Halle erzittern.
    Geschlossen machen sich die Trainer Herzhofens auf den Weg. De facto sind nur knapp zehn Jugendliche dabei, welche keine Pokémon haben: das Fußballteam von Sally. Mit Pokémon allein lässt sich dieser Kampf nicht gewinnen. Gleichzeitig trifft Team Galaktik die letzten Vorbereitungen, um das Hauptquartier in Herzhofen aufzulösen und die Beweise verschwinden zu lassen. Das Aufeinandertreffen steht unmittelbar bevor.

  • Kapitel 53
    Das ist nur ein Kratzer.


    18.7.2009


    Das menschliche Unterbewusstsein erstaunt mich immer wieder aus Neue. Wenn wir schlafen, träumen wir Dinge, mit denen wir uns innerlich stark beschäftigen. Ich weiß noch, dass ich am Kopf getroffen wurde, bevor ich in Ohnmacht fiel. Nun liege ich, nur mit einem schwarzen Kimono angetan, von dem ich nicht einmal weiß, wie der in mein Unterbewusstsein kommt, auf einer Wiese und starre in den blauen Himmel.
    „Was ist passiert?“, murmele ich. Es muss eine schwere Verletzung gewesen sein, die ich habe, ansonsten wäre ich schon lange wieder wach. Ich stütze mich auf die Ellbogen und sehe an mir herab. Keine Verletzungen. Keine Schrammen, nicht einmal Kratzer. Klar, immerhin ist das ein Traum. Ich kneife mir in den rechten Oberschenkel. Es tut nicht weh, aber leider wache ich auch nicht auf, wie ich eigentlich dachte.
    „Du hast Glück im Unglück gehabt. Der Luftschnitt ist ganz knapp an deinem linken Auge vorbeigezischt.“, sagt eine Frauenstimme hinter mir. Ich stehe hastig auf.
    „Sie!“, entfährt es mir. Es ist die Frau, der ich auch begegnet bin, nachdem Mewtu mein Inneres zerquetscht hatte.
    „Ich.“, erwidert sie gelassen und legt den Kopf schief, auf eine Weise, die mich an irgendwen erinnert. Ich verdränge den Gedanken.
    „Wie kommen Sie in meinen Kopf?“, auf meine Frage hin wirkt sie ehrlich erstaunt.
    „Das weißt du nicht?“
    „Nein.“
    „Ich auch nicht!“, grinst sie. Sie trägt ebenfalls einen Kimono, ihrer ist weiß.
    „Und was tun Sie dann hier?“
    „Wie soll ich sagen? Ich beschütze dich. Und hör auf, mich zu siezen, so alt bin ich nicht. Noch nicht.“, ich schaue mich kurz um. Die Wiese erstreckt sich bis zum Horizont.
    „Ich brauche keinen Schutz.“
    „Doch. Momentan verhindere ich, dass du aufwachst, damit Schwester Joy dein Auge operieren kann.“, bei der Art, wie sie das sagt, läuft es mir kalt den Rücken herunter. Ich hätte nicht gedacht, dass gleich eine Operation nötig wäre.
    „Operieren? Sagten Sie nicht, der Luftschnitt…“
    „…ist an deinem linken Auge vorbei, ja. Am rechten jedoch nicht.“, ich muss schlucken. Am rechten Auge nicht.
    „Wie schlimm ist es?“
    „Du weißt doch, wie es sich angefühlt hat. Rechne mit dem Schlimmsten, Maria.“, ich erinnere mich, dass sie mich auch beim letzten Mal so gerufen hat. Als würde sie mich kennen. Ich verdränge die Angst fürs Erste.
    „Hast du noch nicht erraten, wer ich bin?“, fragt sie leise. Ich betrachte sie näher. Sie ist schätzungsweise 6-8 Jahre älter als ich. Diese Augen…nein, das kann nicht sein.
    „Ich muss schon sagen, dafür, dass du normalerweise so intelligent bist, machst du heute eine schlechte Figur.“, lacht sie und kommt einige Schritte näher.
    „Bist du…eine Galaktikerin, die meine Gedanken manipuliert?“
    „Ja. Ich brauche nur mit dem Finger zu schnippen und du stirbst.“, bei der Art, wie sie das sagt, fühle ich mich erneut an mich selbst erinnert. Das ist mir Beweis genug.
    „Du kannst unmöglich… meine Mutter sein.“
    „Wieso denn nicht?“, fragt sie mit großen Augen zurück. Meine Gedanken rasen. Unmöglich ist es eigentlich wirklich nicht, wenn ich so nachdenke. Wenn ich meine Mutter als kleines Kind mal gesehen habe, und sich eine Erinnerung in meinem Kopf festgesetzt hat, darauf wartend, wieder ans Licht zu kommen…ich weiß nicht, was ich tun soll. Mein ganzes Leben lang war ich ohne Eltern ausgekommen. Und jetzt? Als sie ihre Arme ausbreitet und mich anlächelt, kann ich nicht anders. Ich falle ihr um den Hals.
    „Aber wo wart ihr immer? Wieso bin ich allein aufgewachsen? Wolltet ihr mich nicht? Wo komme ich her? Scheiße! Wer bin ich?“, ich fluche, als ich merke, dass schon wieder Tränen hochkommen. Ich unterdrücke sie gewaltsam. In den letzten Wochen bin ich immer sentimentaler geworden. Seit diese neue Krise losging. Ob das jetzt positiv ist, kann ich nicht genau sagen. Ebenso wenig weiß ich, wie lange wir so, eng umschlungen, stehen.
    „Maria, glaube nicht, dass du nicht geliebt wurdest. Wir wollten, als wir an unser erstes Kind dachten, alles richtig machen. Wir wollten, dass du perfekt bist, und wurden mit einer lieblichen kleinen Tochter gesegnet. Ich weiß noch, wie heiß es war, als ich im Krankenhaus lag!“
    „Der 13. Juli stimmt also als mein Geburtstag? Ich dachte immer, es wäre ein erfundenes Datum.“, murmele ich, will die Umarmung nicht lösen. All die Jahre ohne Mutter rechtfertigen das, finde ich.
    „Ja, der stimmt. Wir waren nie glücklicher. Dein Vater und ich haben uns geschworen, alles richtig zu machen. Wirklich alles. Und ich bin noch immer nicht enttäuscht, sieh dich nur an! Du bist eine wunderschöne Frau geworden.“
    „Und wieso war ich dann alleine?“
    „Das kann ich dir noch nicht sagen. Glaub mir, ich würde gern, aber es geht nicht.“
    „Dann erzähl mir was über meine…nein, unsere Familie. Wie heiße ich mit Nachnamen?“
    „Willst du das wirklich wissen? Ich meine, du lebst dein ganzes Leben mit dem Namen „Jou“. Das wäre eine heftige Umstellung für dich.“
    „Möglich. Aber ich will zumindest wissen, wo ich euch finde.“
    Sie flüstert mir einen Namen ins Ohr, der ein wenig französisch klingt. Ich löse mich langsam von ihr. Ich dachte, wenn ich endlich mehr über mein Leben erfahre, erklingen Paukenschläge in mir oder irgendeine Erleuchtung überkommt mich, doch ich fühle nur eine große Zufriedenheit, die sich in meiner Brust ausbreitet.
    „Danke.“
    „Gern geschehen, mein Sternchen.“
    „Sternchen?!“, frage ich.
    „So haben wir dich genannt, weil deine Augen immer blitzten, wenn du gelacht hast. Wie zwei Sternchen! Früher waren sie hellblau.“, sie sieht in meine Augen, die seit einem Jahr dunkelblau sind, wie ich weiß. Ich muss nun auch lachen, obwohl ich die Tränen wieder nicht halten kann. Wieso sehe ich das alles erst jetzt? Irgendwie musste die Verletzung an meinem Kopf diese alte Erinnerung ausgelöst haben. Mum tritt zurück.
    „Meine Zeit läuft ab. Ich bin sicher, wir sehen uns wieder. Zieh dich immer warm an, hörst du? Geh nicht mit fremden Männern mit. Abends, mittags und morgens Zähne putzen.“, es ist ein Abschied. Für wie lange, weiß ich nicht. Meine Zeit mit Mum war viel zu kurz.
    „Ja, Mama.“, mir fällt nichts anderes ein. Aber es tut so gut, diese Worte mal sagen zu können!
    „Ich habe wirklich eine wunderbare Tochter.“, die Worte werden immer leiser. Ihr Körper verblasst. Kurz darauf stehe ich allein auf der Wiese und schlinge meine Arme um den Körper, als würde ich frösteln. Erst jetzt realisiere ich in vollem Maße, was mir eben passiert ist. Ich lege mich ins Gras, lasse die Tränen laufen uns lächele in den Himmel. Trotz dieses Zeitlimits war es schön. Ist es eine Stunde, die ich da im Gras liege? Können auch Tage gewesen sein. Wer weiß? Keine Ahnung. Irgendwann merke ich, dass mein Bewusstsein wieder erwacht.


    19.7.2009


    Es wird kurz schwarz um mich herum, dann höre ich elektronisches Fiepen aus irgendwelchen Apparaturen neben mir. Ich schlage die Augen auf. Mit links sehe ich Schwester Joys besorgtes Gesicht über mir. Die rechte Hälfte bleibt schwarz. Meine Zunge fühlt sich irgendwie pelzig an, ich kann nicht richtig sprechen.
    „Wam!“, mache ich. Sofort reicht mir Joy ein Glas Wasser und setzt es an meine Lippen. Dankbar stürze ich es hinunter. Danach geht es mir schon ein wenig besser.
    „Die…je Feiglnge.“
    „Du darfst dich auf keinen Fall bewegen. Sprich nur, wenn du wirklich meinst, du kannst es!“, sagt Joy. Sie redet wie ein Wasserfall, erzählt mir irgendwas über Narkosemittel, die bei mir nicht funktionieren und wie erstaunt sie war, dass ich so lange geschlafen habe.
    „Wlang war ich we-weg?“, das Sprechen fällt mir immer noch schwer.
    „Einen Tag.“
    „Was?!“, ich will mich aufsetzen, doch ein stechender Schmerz in der rechten Gesichtshälfte zwingt mich ins Bett zurück. Ich werfe mich stöhnend hin und her, diese Schmerzen sind grässlich! Dem Reflex, die Hände vors Gesicht zu schlagen, widerstehe ich nur knapp. Der Schmerz würde nur größer werden.
    Ekitai Shojou!“, mein Körper verwandelt sich für den Bruchteil einer Sekunde in Wasser. Ich nehme wieder feste Form an, bevor meine Kleider durch mich hindurch sinken können. Die Schmerzen sind größtenteils verschwunden, aber ich sehe noch immer nichts. Natürlich! Joy hat mein Auge verbunden. Ich greife in mein Gesicht, spüre ein kleines Kissen, was mit Tape befestigt wurde. Mit langsamen Bewegungen nehme ich es ab. Öffne mein Auge. Es bleibt schwarz. Ich dränge das aufkeimende Grauen zurück. Ich muss das Naheliegendste tun. Informationen müssen her.
    „Das tut mir so leid!“, flüstert Joy, ich sehe, wie sie sich Vorwürfe macht.
    „Es war absolut unmöglich, das Auge war sofort…“, sie stockt, als ich ihre Hand nehme.
    „Sie haben alles getan, was sie konnten, das weiß ich.“, meine Sprachfähigkeiten sind wieder da. Dann zögere ich.
    „Könnte ich einen Spiegel haben?“, sie steht auf und verschafft mir damit Zeit, mich umzusehen. Klar, das ist ein einfaches Behandlungszimmer, ich liege auf so einer Bahre, die man da immer stehen sieht. In einer Ecke glimmt Joys Computer vor sich hin. Als Joy zurückkehrt, sitze ich auf der Kante der Bahre.
    „Danke.“, ich sehe in den Spiegel. Mein linkes Auge ist normal, sieht aus wie immer. Rechts jedoch…ich atme tief durch, bevor ich hinsehe. Das Augenlid ist geschlossen, eine Narbe zieht sich einmal horizontal von der Nase bis zu meinem Wangenknochen. Ich habe den Drang, es zu öffnen, aber ich will nicht sehen, was darunter ist. Vor allem, weil sich mein rechtes Auge so merkwürdig anfühlt.
    „Das war zu erwarten.“, sage ich und erhebe mich. Joy nimmt den Spiegel wieder entgegen, den ich ihr reiche.
    „Wäre auch zu schön gewesen, ohne solche Verluste Sinnoh zu retten.“
    „Sie können unmöglich schon wieder…“
    „Danke für alles, Schwester Joy. Und ja, ich kann nicht. Ich muss. Zorro, dein Auftritt. Herzhofen wartet.“
    „Halt!“, als Zorro erscheint und mich still ansieht, kramt Joy in einem ihrer weißen Schränkchen herum und holt etwas daraus hervor. Ich starre das Ding an. Meine Finger greifen danach, ehe ich es verhindern kann.
    //


    Es ist also ein ganzer Tag vergangen. Maria hat viel verpasst; Hagane und Tai führen die Trainer aus Herzhofen in die großen Ebenen zwischen der Stadt und dem Kraterberg. Steph hat die anwesenden Mädchen und Jungen in Gruppen unterteilt, damit ein gewaltiges Gebiet bewacht werden kann. Auf den Grasebenen warten die Trainer mit fliegenden und auf dem Land lebenden Pokémon. Dort, wo das Grasland in zerklüftete Gesteinsschluchten mit Flüssen ganz unten übergeht, werden Gesteins- und Wasserpokémon eingesetzt. Manon und Rocky sind noch immer im Kraterberg unterwegs, um die gigantischen Höhlen im Inneren zu erkunden. Einige Agenten LeBelles sind zu ihnen gestoßen. Er selbst beobachtet den Kraterberg von der Westseite. Verdächtige Transporte sind ihm aufgefallen.
    Eva, Alfred, Kuré, Lamina, Joana und Cat sind noch in Herzhofen. Die Stadt wird seit Wochen von Straßenkämpfen erschüttert.
    Der Chief, Lilith und Pay sind nach Jubelstadt gereist, werden dort von Lucia und Lee unterstützt. Team Galaktik zieht seine Kräfte zusammen. Was Team Rocket plant, weiß momentan niemand.

    //


    Am Abend zuvor
    „Du willst es nicht anders, alter Mann! Volle Power!“, mit einer nicht ganz so geschmeidigen Bewegung löst Pay die beiden stählernen Klammern, die um seine Oberarme gelegt sind. Diese Gewichte sollen einen Teil seiner Kraft beschränken, doch im Kampf nimmt er sie ab. Jedenfalls dann, wenn er aufs Ganze gehen muss. Erstaunlicherweise ist das bereits das zweite Mal innerhalb kurzer Zeit. Erst dieser Argo und jetzt der merkwürdige Kung-Fu-Kämpfer. Sie beide haben ihn an sein Limit getrieben.
    „Und FEUER!“, der Rothaarige entzündet seine Fäuste. Panferno tut es ihm gleich.
    „Mal schauen, was du gegen die doppelte Feuerfaust tun willst! Los, Panferno!“
    „Schutzschild!“, entgegnet sein Gegner, weicht gleichzeitig zurück, um dem Feuer zu entgehen. Pay springt ihm hinterher, lässt eine Faust auf den Schutzschild krachen. Er bricht, als wäre er aus Glas. Sein Gegner hat sich währenddessen krallenartige Handschuhe angezogen. Lange, metallene Klauen blitzen dem Feuertrainer entgegen. Feuerfaust prallt auf Eisenklaue. Funken sprühen, die Druckwelle zaust Pays Haar, beide Kontrahenten springen ein Stück zurück.
    „Du bist nicht schlecht. Aber ich habe nicht umsonst so lange trainiert.“
    „Um mich zu schlagen, bist du 50 Jahre zu jung!“, stößt der Alte hervor und stürmt vorwärts.
    „Glaub ich nich! Nahkampf, Panferno!“, die Seitenstraße erzittert. Nicht nur die beiden Affen liefern sich einen extrem heißen Kampf, auch Pay und der Alte stecken gleichermaßen ein, wie sie austeilen. Pay merkt bald, wie sein Gegner immer erschöpfter wird. Mit der jugendlichen Kraft des Rothaarigen, die dazu noch übermenschlich hoch ist, kann er auf Dauer nicht mithalten.
    „DU ENTKOMMST MIR NICHT.“, Pay blickt auf. Die Stimme kennt er doch! Wie Geröll, was einen Abhang herunterkommt. Das muss dieser andere Typ sein, gegen den er mal gekämpft hat. Zwei gegen einen? Nicht gerade fair!
    „Mist! Panferno, spring auf das Dach da!“, Pay zeigt an der Gassenmauer hoch, weit über ihm hat er die Stimme eben gehört. Doch bevor der Affe gehorchen kann, springt Lee von ebendiesem Dach hinunter. Pay starrt ihn an.
    „Bin ich rechtzeitig?“, fragt Lee und sieht sich grinsend um. Sein Blick bleibt an Pays Gegner hängen.
    „Ja, Mann! Genau wie damals! Wir gegen…wo is der Schranktyp?“
    „Da.“, Lee weist auf das Dach über ihm, von wo aus Argo nun hinunterfällt. Springen kann man das kaum nennen, der Galaktiker lässt sich einfach fallen und kracht auf die Erde. Den Sturz fängt er mit seinen Unterarmen ab, die er zum Schutz vor das Gesicht hält.
    „Unter diesem Mantel muss der irgendwelche Stahlplatten verstecken. Es ist, als würde man einen Tresor angreifen.“, murmelt Lee.
    „Ich hab ihn schonma geknackt, ich schaffe es auch diesmal!“
    „Wo ist Lilith?“
    „Keine Ahnung, kämpft irgendwo weiter westlich. Ich habe diesen hier verfolgt.“
    „Sie darf niemals allein sein, ich dachte, das wüsstest du!“
    „Ging nich anders! Der hier hat mich angegriffn!“
    „Verdammt. Beenden wir das schnell.“
    „Panferno! Benutz Flammenblitz!“
    „Und Admurai, Blizzard.“
    „Lee, das ist der Typ mit der Kralle!“
    „NICHT IHR SCHON WIEDER! ARRGGGHHH!“, endlich dämmert dem Alten, wen er vor sich hat. Mit diesen beiden ist er schon einmal zusammengestoßen.
    „Argo, übernimm du den Rothaarigen, ich kümmere mich um den mit…“, weiter kommt die „Faust der Wut“ nicht, Argo fliegt durch die Luft und durchbricht die nächsten drei Mauern. Lee und Pay haben gleichzeitig angegriffen, Pay mit seiner Faust und Lee mit einer Serie schneller Tritte. Argos Pokémon wird von einer Kombinationsattacke besiegt, die der Feueraffe und Admurai ausführen. Gegen die vereinte Kraft von Feuer und Eis kommen sie nicht an. Die Faust der Wut brüllt und stürmt wieder vorwärts. Sein Angriffsmuster in dem von Pay nicht unähnlich, alles auf brutale Kraft setzen und drauflos, das ist das Motto der beiden. In diesem Fall jedoch wird Pay von Lees kaltem Verstand unterstützt.
    /


    Einen Tag später sind Lucia, Lilith und die beiden Trainer wieder mit dem Chief zusammengestoßen. Lee hatte Lilith in einem Gebüsch kauernd aufgefunden, in dem es aus einem Grund, den er lieber nicht wissen wollte, rot glänzte. Das Mädchen war von oben bis unten blutbesudelt, aber nichts davon schien ihr eigenes zu sein. Nachdem Lee es gelungen war, sie davon zu überzeugen, dass er nicht umgebracht werden müsse, und Pay wieder in ihrer Nähe war, wurde sie auch größtenteils normal. Nun sind sie dabei, ihre nächsten Schritte zu planen. Zuvor hatten sie Schwester Rocky geholfen, sämtliche Verbrecher hinter Schloss und Riegel zu bringen. Viele der Galaktiker waren von Trainern besiegt worden, welche sich nach Pays und Liliths Vorbild ebenfalls dazu aufgerafft hatten, zu kämpfen.
    „Hm. Wollen wir nach Herzhofen zurück? Die Rocky hat die Galaktiker eingebuchtet.“, fragt Lee. Lucia nickt eifrig.
    „Die brauchen sicher unsere Hilfe dort!“
    „Mann, wieso habt ihr mich nicht geholt, als es hier n Kampf gab? Hätt helfen können.“
    „Ging nicht mehr, Chief! Die hatten uns aufgelauert. Lilith, was hast du eigentlich mitm Vampirtypen da gemacht?“
    „Hahaha…“, die Art, wie Lilith lacht, klingt immer noch nach Psychopathin. Sie weiß das und nutzt den Effekt gern aus, auch wenn sie normal denken kann.
    „Ah! Lach doch nicht so, da kriegt man ja Albträume!“, sie kuschelt sich näher an Pay.
    „Ist gut, mein Schatz.“, lächelt Lilith. Der Wahnsinn, der vor einem Tag in ihrem Geist getobt hatte, war verschwunden.
    „Wie dem auch sei. Hat von euch jemand ein Pokémon, was die Teleport-Attacke draufhat?“
    „Nein…“
    „Ne.“
    „Nein, Mann.“
    „Mist. Dann müssen wir zum Flughafen. Hoffentlich war Rocky da auch schon.“
    „Bestimmt! Also los.“, entscheidet Lucia. Die Koordinatorin geht neben Lee her, der wieder einmal ins Grübeln gekommen ist.
    //


    Kraterberg
    Manon späht um eine Ecke in der Felswand. Sie und Rocky halten sich schon seit Stunden in diesen Höhlen auf, ohne etwas gefunden zu haben. LeBelles Agenten sind ausgeschwärmt und suchen ebenfalls. Per Peilsender lassen sich ihre Positionen feststellen.
    „Hier ist niemand. Weiter.“, sie schleicht geduckt in einen kleinen Gang. Sie stößt gegen einen Stein, der wegkullert.
    „Pssst!“, macht Rocky.
    „Weiß ich. Pass auf, ein Kleinstein.“, Manon deutet auf einen größeren Stein, der Arme zu haben scheint.
    „Die explodieren leicht.“
    „Ich verstehe das nicht. Wir hätten längst etwas finden müssen!“, beschwert sich Rocky. Aber nicht einmal ein einzelner Galaktiker ist ihnen über den Weg gelaufen. Diese dunklen Höhlen zehren langsam aber sicher an den Nerven der Frau. Viel zu lange laufen sie schon hier herum.
    „Ha. Dachte ich mir.“, murmelt Manon. Rocky kommt hastig näher und kniet sich neben ihre Partnerin. Sie befinden sich auf einem winzigen Plateau, von dem aus man in einer gigantische Höhle herabblicken kann. Überall wuseln Galaktiker herum. Mitten in der Höhle steht eine merkwürdige Apparatur, die aus enormen Metallstangen besteht.
    „Das ist ein Käfig! Schau mal!“, zischt die Rothaarige. Als Rocky genauer hinsieht, erkennt sie außer der Maschine auch noch eine vollausgerüstete Zentrale; metallene Tische und Aktenschränke stehen herum. Die Forscher tragen alle Winterjacken, bei den Temperaturen, die im Kraterberg herrschen, ist das die beste Wahl.
    „Das muss Siata sein.“, Manon zeigt auf das rot-silbrige Pokémon im Inneren der Maschine.
    „Zapfen sie seine Kraft an?“, wundert sich Rocky.
    „Sieht fast so aus. Es leidet. Sieht aus, als ob es ohnmächtig ist.“
    „Kein Wunder, wieso es so wütend war, als es Herzhofen angegriffen hat. Es wird gefangen gehalten.“
    „Mal überlegen. Ein direkter Angriff wäre das Beste, oder?“, ohne gesehen zu werden, machen die beiden sich auf den Weg zurück in den felsigen Gang. Ein paar Magnezone schweben an ihnen vorüber. Zuerst müssen sie LeBelle kontaktieren, dann seine Leute, und dann die Trainer aus Rockys Team.
    „Saturn will ich in meinem Verhörzimmer sitzen sehen. Er wird eine ganze Menge Fragen zu beantworten haben.“, grollt Rocky.
    „Kümmere dich am besten erst um das, was vor uns liegt. Wie kommen wir hier raus? Ah, da.“, Manon zückt den GPS-Peilsender, mit dessen Hilfe sie sich in den Höhlen zurecht gefunden hatte. Ein dreidimensionales Netz aus grünen Linien erscheint auf der Anzeige. Mehrere kleine Punkte in Gelb markieren die Standort von LeBelles Männern. Die beiden roten Pünktchen sind Rocky und Manon.
    „Hier nach rechts.“
    „Sicher?“, auf Rockys Frage antwortet Manon nur mit einem genervten Stirnrunzeln.
    „Okay, okay! Rechts.“
    „Danke.“, die Zeit läuft. In diesen Momenten könnte Saturn den nächsten Schritt einleiten, der seinem Plan zugutekommt. Was auch immer er vorhat, es muss verhindert werden. Koste es, was es wolle. Zum Glück sind ihre Trainer so stark, denkt die Polizistin. Es war die richtige Wahl gewesen.

  • Kapitel 54
    Kampf um Sinnoh (Teil 1)-Herzhofen geht voran


    18.7.2009


    „Okay. Ich rufe die anderen an. Das in der Höhle ist mir Beweis genug.“, entschlossen zückt Rocky ihr Handy und wählt die Konferenzschaltung. Wie immer meldet sich jeder Trainer mit seinem unverkennbaren Sprachmuster.
    „Hört zu, Rocky hier. Kommt so schnell wie es geht zum Kraterberg. Dank Cats Blaupausen haben wir den Ort der Maschine gefunden. Sie halten Siata gefangen, darum ist es so wütend. Nehmt so viele Trainer mit, wie ihr finden könnt. Wir brauchen jeden einzelnen hier!“
    „Es scheint Uns, als wären die Trainer aus Herzhofen schon auf eigene Faust losgegangen.“, entgegnet Eva.
    „Was?!“
    „Wir campieren alle auf der Route zwischen Herzhofen und dem Kraterberg!“, Hagane mischt sich ein.
    „Team Galaktik will sich in einer Woche dünne machen! Die aus Herzhofen wollen alle in deine Richtung. Sei auf alles gefasst, Rocky.“, Tais Stimme. Nun meldet sich auch Lee zu Wort.
    „Was soll das heißen, du campierst auf der Route? Ich habe die Verantwortung für dich!“
    „Ich bin alt genug, um auf mich selber aufzupassen. Außerdem bin ich hier nicht allein. Und wo warst du die letzten Wochen? Ich krieg das hin!“, Lee stutzt. Wie schnell sie erwachsen geworden ist. Liegt das an ihrer Zeit als Trainerin? Oder an den ganzen Erfahrungen, die sie nun gesammelt hat? Aber wo sie Recht hat, hat sie Recht- sie ist kein kleines Kind mehr.
    „Wie du meinst. Aber tu nichts Unüberlegtes. Ich komme zu dir, so schnell es geht.“
    „Wir auch, Mann. Haltet durch.“
    „Mon Dieu! Alle Trainör aus ´Erz’ofän? Wie viele seid ihr?“
    „Naja…nicht ganz alle. Knapp 100. Wir mischen sie auf.“, Tai klingt siegessicher. Diesmal ist es Alfred, der antwortet.
    „Meine Güte. All diese Kämpfe in diesen Tagen. Wirklich bemerkenswert. Ich werde sofort alle meine Jets aktivieren. In Jubelstadt steht bereits eines. Aus Herzhofen und Sonnewik habe ich vor einigen Tagen schon Rückmeldungen meiner Piloten erhalten. Sämtliche Maschinen sind einsatzbereit. Es kommt auf Geschwindigkeit an.“
    „Perfekt, Miau! Es kann sofort losgehen.“
    „Keine Zeit mehr zu verlieren. Setzt alles ein was ihr habt.“, befiehlt Rocky.
    „Nichts Anderes hatte ich vor.“, entgegnet Maria kühl. Die Polizistin stockt kurz. Dann fragt sie vorsichtig:
    „Geht es dir wieder besser?“
    „Es geht. Zorro hat mich nach Weideburg teleportiert, ich bin in wenigen Minuten in Herzhofen.“, Rocky beschließt, nicht weiter nachzufragen. Aus den Beschreibungen der Schwester Rocky aus Sonnewik hatte es wirklich ungut geklungen, was mit Marias Auge passiert war.
    „Maria?“, Lee klingt besorgt. Mehr als besorgt. Als sie antwortet, ist ihre Stimme sanfter.
    „Es ist alles in Ordnung. Das Schicksal wollte es so. Ich bin gleich bei euch.“, sie legt auf. Es ist einen Moment still, dann reden alle durcheinander.
    „Das Schicksal?! Das muss heftig sein, Mann…“
    „Iesch waiß niescht, ob iesch wissän will, was Mademoiselle Jou passiert ist.“
    „Glaubt ihr, sie hat ihr…ihr wisst schon, ihr Auge verloren?“
    „Lucia, mal nicht den Teufel an die Wand. Leute, wir müssen uns konzentrieren! Maria meint, es geht ihr gut, also geht es ihr gut.“, entscheidet Rocky. Lee sagt nichts mehr. Rocky gibt noch einige Anweisungen an die Gruppe in Herzhofen durch, dann beendet sie den Anruf und wendet sich zu Manon um.
    „So. Sind Angel und deine Teufelin bereit für den großen Kampf?“
    „Sicher doch.“, für einen kurzen Moment leuchten Manons Augen in demselben Rot wie ihre Haare, dann hat sie sich wieder im Griff. Rocky ist froh, dass die Gegenseite sie nicht rekrutiert hat. Andererseits fragt sie sich auch, wo sie all diese Typen herkriegen, von denen ihre Trainer berichtet haben.
    /


    Es dauert dennoch eine Woche, bis die Koordination beider Seiten abgeschlossen ist. Währenddessen campieren die Trainer Herzhofens auf der Route zwischen Kraterberg und der Großstadt. Einige der Trainer benachrichtigen ihre Freunde und Verwandten, machen sozusagen alle mobil, die in Sinnoh kämpfen können. Andere Pokémontrainer aus der ganzen Region verteilen sich in den gigantischen Ebenen, die den Kraterberg umgeben. Volkner, Frida und Lamina versuchen, die anderen Leiter zu erreichen, nur Marinus folgt ihrem Ruf. Abends sieht es zwar nach Lagerfeuerromantik aus, wie hunderte kleiner Zelte dicht beisammenstehen und Feuerchen brennen, doch tagsüber leben sie in beständiger Sorge um den nächsten Angriff Mewtus. Rockys Team trainiert umso härter, um den letzten Kampf zu bestreiten. Rocky selbst heckt mit Manons und LeBelles Hilfe einen Plan aus, wie sie die Maschine abschalten können, die Siata kontrolliert. Scheinbar wird sie durch eine Art Kraftfeld geschützt. Dieses Kraftfeld wird entweder von einer weiteren Vorrichtung oder von Psychopokémon gespeist- welche von beiden Optionen es wirklich ist, müssen sie herausfinden.
    -Kampf der Trainer

    Am Morgen des achten Tages ist es soweit. Die letzten Vorbereitungen werden getroffen. Sämtliche Trainer wollen den bevorstehenden Kampf gewinnen. Im Grunde ist die gesamte Region um den Kraterberg herum unter den verschiedenen Städten aufgeteilt, die Trainer Jubelstadts beispielsweise bewachen die Nordseite. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass Team Galaktik ihnen irgendwie durch die Lappen geht.
    Viele Kilometer entfernt startet eine Kolonne von Luftfahrzeugen aus Herzhofen. An Bord sind unter anderem Saturn, Uranus und viele der Officer. Argo ist, so kurz nach seiner Befreiung aus dem Gefängnis, wieder eingebuchtet worden. Er hatte gegen den Eisbrecher und die Koordinatorin offenbar versagt. Die weiße Garde war ebenfalls zu schwach gewesen, sämtliche Mitglieder sind vernichtet worden. Gut dreihundert Mitglieder von Team Galaktik schmoren in Gefängnissen überall in Einall. Es steht schlecht, doch Saturn gibt nicht auf. Er ist zu nah an seinem Ziel. Die ersten Flugmeilen laufen ohne Probleme ab, doch mitten über den Wiesen, die zwischen Herzhofen und der Flusslandschaft vor dem Kraterberg liegen, passiert es. Auf einmal wimmelt es vor Flugpokémon, die dem Konvoi offenbar aufgelauert haben. Ibitak, Togekiss, Tauboss, Schwalboss, sogar ein Aerodactyl ist dabei, man sieht den Himmel kaum mehr lauter Flügeln. Steph sitzt unten hinter ein paar Bäumen, die Trainer, die in dem Gebiet postiert waren, sind nach und nach eingetrudelt, um ihre Pokémon zu unterstützen. Die Schreie der Vögel hallen über die Felder.
    „Das entscheidet alles.“, murmelt Steph. Doch dann sieht sie, wie oben am Himmel die Mittagssonne durch ein plötzlich auftauchendes Loch in den Reihen der Vögel scheint. Violette Blitze schießen aus dem Helikopter ganz links. Steph fühlt, wie ihr kalt wird. Mewtu ist hier.
    „Das ist Mewtu!“, entfährt es einem der Trainer neben ihr. Der Junge kriegt es mit der Angst zu tun.
    „Na und? Wir sind einhundert Trainer, wir packen das!“
    „Ich…“, ein Mädchen weiter vorn druckst herum.
    „Du was?“
    „Ich habe meine Cousine in Jubelstadt angerufen. Vielleicht kommt Verstärkung.“
    „Aber die Telefone sind seit Wochen tot! Team Galaktik hat die Sendestationen unter Kontrolle.“
    „Satellit nicht. Die aus Jubelstadt sind am nächsten an uns dran.“, darauf erwidert Steph nichts mehr. Ihr Temperament hat sie hierhin geführt, Tommy und die anderen geben ihr Bestes, und sie darf ihnen in nichts nachstehen. Aber es schien, als wäre die Lage doch nicht so ausweglos.
    Sie beobachtet, wie die kleine Armee aus Flugfahrzeugen in der Ferne landet.
    „Keiner weicht zurück!“, brüllt Steph. Die Trainer Herzhofens haben sich weit verteilt, überall wird ihr Befehl wiederholt. Jeder hat mindestens zwei Pokémon gerufen, die ihm helfen sollen. Die Anzahl der Galaktiker ist jedoch mindestens viermal so groß. Überall glitzert es silbern, wo dicht an dicht die Galaktiker stehen. Über die Weltraumfrisuren dieser Typen wäre Steph amüsiert, wenn es nur nicht so viele wären. Das dürfte ein harter Kampf werden.
    „Nidoking, Konzentration!“, ruft sie ihrem Partner zu. Das Gift-Bodenpokémon grollt leise. Sie sieht, wie überall auf der Route Schutzschilde erscheinen. Die Idee, 20% der Trainer mit Hilfstechniken zu betrauen, kam von Tai. Rundumschutz, Scanner und Schutzschild sollen helfen, die restlichen 80% ungestört angreifen zu lassen. Ein Mädchen aus der Innenstadt Herzhofens hat sich ein Team nur aus Plusle und Minun zusammengefangen, die ihre Anfeuertechnik benutzen. Eine geschlagene Stunde lang betrachten sich die beiden Seiten nur, Steph merkt, dass die Trainer Herzhofens Gefahr laufen, umstellt zu werden. Es ist verdammt hart, den ersten Schritt zu wagen, wenn so viel auf dem Spiel steht wie das Schicksal Sinnohs. Ihre Verbündeten stehen weit verteilt, damit die Attacken mehr Platz haben, aber wenn etwas schief läuft, ist es für Team Galaktik leicht, die Lücken mit ihren eigenen Leuten zu schließen und einzelne Trainer abzuschneiden. Das darf nicht passieren.
    „Hast du das im Kasten? Damit kommen wir groß raus!“, hastig geht Pia hinter ein paar Bäumen in Deckung. Ihr Kameramann nickt hastig.
    „Natürlich, ichbikeimateurmehr, mit Verlaub!“
    „Sprich langsamer, kapiert? Ich warte nur noch auf die Ansage vom Chef, dann sind wir live auf Sendung.“
    Wenig später kommt diese Ansage, der Sender in Herzhofen hat sich dazu entschieden, den Kampf in ganz Sinnoh auszustrahlen. Einerseits, um die Bevölkerung aufzurütteln, andererseits um ihr zu zeigen, was die Trainer für Sinnoh tun. Pia stellt sich vor die Kamera.
    „Wir befinden uns auf der Ostseite des Kraterbergs. Die verbrecherischen Aktionen Team Galaktiks, die in Herzhofen und Jubelstadt ihren Anfang nahmen, scheinen sich hier in extremen Ausmaßen zu manifestieren. Hinter uns haben Herzhofens Trainer, so berichtete mir ein Insider, einen Kampf mit Team Galaktik angezettelt. Ich bin Pia aus Blizzach, Ihre Reporterin, die keine Gefahren scheut, um Ihnen zu zeigen, was momentan auf dem Spiel steht. Sehen Sie selbst.“, sie tritt beiseite und weist mit dem Arm in Richtung des Kampffelds, wo vereinzelt Attacken abgefeuert werden.
    Nach dieser einen Stunde fängt der Kampf an. Erst setzen die Trainer in der Frontreihe nur zögerlich einige Flammenwürfe und Donnerblitze ab. Dann jedoch kommen die Galaktiker näher und geraten in Reichweite der Kurzstreckentechniken. Schließlich entbrennt der Kampf in vollem Ausmaße. Nidoking stampft auf ein Arkani zu, welches Stromstoß einsetzt, was jedoch von Nidokings Bodenelement geschluckt wird. Nidoking schnaubt verächtlich. Die Erdkräfte, welche Nidoking entfesselt, fügen Arkani schwere Schäden zu. Rechts von Steph steht Tommy, links Mike, beiden vertraut sie rückhaltlos. In so einem Kampf ist das von essentieller Wichtigkeit. Weiter vorn sieht sie, wie Haganes Stahlos mehrere Gegner auf einmal besiegt. Selbst dieses junge Mädchen ist so stark wie zwei Galaktiker zusammen. Was muss dann erst der Rest aus Rockys Gruppe draufhaben, wenn schon ein so junges Mädchen so stark ist?
    Danach scheint der Kampf nur noch aus Aktion und Reaktion zu bestehen. Stephs Kopf ist vollkommen klar, wie sonst auch, wenn sie kämpft. Sie sieht es als Vorteil. Jeden Gegner, der sie überraschen will, sieht sie kommen, und greift ohne zu zögern an. Nidoking wird mit dem Andauern der Kampfhandlungen immer schwächer und schwächer, bis eine Aquawelle es letztendlich besiegt. Sie ruft ein Aquana, welches diese Schwäche ausgleichen soll. Doch in so einem gigantischen Kampf ist es unmöglich, zu kontern, da von irgendwoher immer ein Donnerblitz kommen kann. Ebenso wie ihr Nidoking wird auch Haganes Stahlos besiegt, weil die Gefährlichkeit der Eisenschlange den Galaktikern schnell klar wurde und sie drei Wasserpokémon auf sie ansetzten. Steph erstarrt, als gleichzeitig ein Rasierblatt und ein Donnerschock auf Aquana zurasen.
    „Schutzschild!“, ruft Tommy seinem Kappalores zu. Aquana wird geschützt.
    „Danke, Kleiner!“, ruft Steph.
    „Kein Problem!“, lacht der jüngere Trainer. Steph schreit auf, als das abgelenkte Rasierblatt an Aquana vorbei mitten in ihren Schenkel rast. Sie bleibt einzig durch Willenskraft stehen.
    Das macht mir gar nichts. Meine Pokémon kämpfen für mich, also kämpfe ich für sie!“, rast es ihr durch den Kopf.
    /


    Zeitgleich legen sich Manon und Rocky mit den Wachleuten von Team Galaktik an. Vor einigen Stunden sind viele der hier stationierten Galaktiker abgeholt worden, wahrscheinlich sollen sie die Trainer aus Herzhofen bekämpfen. Rocky hält zwar nichts von diesem „All-out“-Kampf, doch wenn sie es rechtzeitig schafft, die Maschine zu zerstören, die Siata festhält, gelingt ihnen ein Überraschungsangriff auf das geschwächte Team Galaktik. Es sind 15 Wachleute übrig, ein wenig viele, doch Manon ist stark, und sie, Rocky, ist es ebenso. Mit einigen Tricks sollten sie das schaffen. Siata ist nun wieder bei Bewusstsein und wird scheinbar ebenfalls im Kampf eingesetzt. Ein Grund mehr, die Maschine loszuwerden.
    „Gut. Wir gehen da rein, schalten die Wachen aus und zerstören die Maschine, sobald Siata weg ist.“, schlägt Rocky vor.
    „Alles klar.“, die beiden Frauen verstecken sich hinter einigen Felsen und beobachten die Situation. Nach einigen Minuten wird es heller. Irritiert blickt Rocky nach oben und sieht, dass sich dort eine gigantische, stählerne Luke im Fels öffnet. Siata schwebt höher und höher, passiert die Öffnung und verschwindet.
    „Das ist unsere Chance.“, sie sprintet los und ruft drei ihrer Vogelpokémon auf einmal. Die Höhle ist zum Glück groß genug für ihre Flugmanöver. Arkani und Bojelin kämpfen für Rocky. Togekiss, Staraptor und Tauboss kreisen hoch über ihnen. Die Wachleute sind überrascht, fassen sich jedoch schnell. Erst schien der Kampf relativ einfach zu werden, doch die Wachen sind offenbar Elitemitglieder der Galaktiker. Sumpex, Guardevoir, Magnezone und Elevoltek werden in den Kampf gerufen. Zwei davon sind Elektro-Pokémon; Manons Team ist schwach gegen sie. Rocky würde das ausgleichen müssen. Die erste Angriffswelle ist heftig, mehrere Donnerblitze schießen durch die Höhle. Rocky duckt sich und holt ihr Arkani aus seinem Ball.
    „Arkani, Justizkanone!“, genau wie die Trainer, die sie zu ihrem Team zusammengestellt hat, ist auch Rocky keine einfache Trainerin. Ihr Arkani ist eines der stärksten Feuerpokémon, die sie kennt. Justizkanone ist eine Mischung aus Flammenblitz und Turbotempo. Die Geschwindigkeit Arkanis sorgt dafür, dass der Flammenblitz noch verheerender wird- die stärkste Technik aus Rockys Team. Drei der Gegner werden getroffen, doch sie stehen danach noch. Ein weiteres Indiz dafür, wie gut diese Pokémon trainiert sein müssen. Arkani wiederum kann vielen Techniken, die gegen es eingesetzt werden, ausweichen. Einer der Männer stürmt vor, doch bevor er Rocky erreicht, stellt sich Manon ihm in den Weg.
    „Nicht so schnell. Zuerst musst du an mir vorbei.“
    Ansatzlos rammt sie ihm das Knie von unten zwischen die Beine, der Kerl geht hustend zu Boden.
    „Uh, das muss wehgetan haben.“, bemerkt Rocky. Manon lacht leise.
    „Keine Zeit für Höflichkeiten. Wir haben zu tun.“, mit diesen Worten stellt sie sich den anderen Galaktikern entgegen, damit Rocky sich auf den Pokémonkampf konzentrieren kann. Im Nahkampf ist Manon um Längen besser, wie die Polizistin zugeben muss.
    „Es sind nur zwei Frauen, macht sie fertig!“, ruft einer der Wachleute, der sich bisher im Hintergrund gehalten hat. Rocky erblickt am anderen Ende der Höhle eine Art Container aus Stahl, in den einige kleine Fenster, die an Schießkarten erinnern, eingebaut sind. Die Maße des Kastens betragen so in etwa 10 mal 5 Meter, ein ziemlich großes Ding. Der Wachmann sieht sich öfters um, als ob er sich vergewissern wollte, ob mit dem Ding noch alles okay ist.
    „Manon, siehst du das dahinten?“
    „Dieses Gefängnis-Ding?“, Rocky stutzt. Gefängnis? Und wirklich, jetzt, wo sie sich das Teil näher ansieht, merkt sie, dass Manon recht hat. Ob da Menschen gefangen gehalten werden? Oder geklaute Pokémon? Sie muss es um jeden Preis herausfinden.
    „Halt mir den Rücken frei! Arkani, Flammenwurf!“
    „Staraptor, Sturzflug, los.“, Rocky und Manon kämpfen im Team gegen die Wachen, deren Pokémon eines nach dem anderen von den Doppelkombinationen besiegt werden. Von oben droht die Gefahr in Form von Staraptor und Manons Vogelpokémon, auf dem Boden lässt Arkani seine Feuerattacken los. Im Grunde gibt es also relativ wenige Fluchtmöglichkeiten für die Galaktiker. Dennoch gelingt es dem Magnezone, Tauboss und Staraptor kurz hintereinander mit einem Ladungsstoß zu besiegen. Guardevoir und mehrere andere Gegner werden ebenfalls besiegt. Gleichzeitig verwickeln drei der Wachmänner Manon in einen Nahkampf, sie hat alle Hände voll zu tun, die Angriffe abzuwehren. Der Typ, der sich im Hintergrund gehalten hat, nimmt sich Rocky vor.
    „Sie können hier nichts ausrichten! Die Maschine wird nur durch den richtigen Code abgeschaltet.“
    „Klar kann ich. Indem ich sie zerstöre!“, erwidert Rocky, nachdem sie einen Tritt abgeblockt und ihrerseits zum Schlag angesetzt hat. Sie trifft nur den Ellbogen des Galaktikers, ihre Faust schmerzt gewaltig. Ihr Schlag war vergleichsweise stark gewesen, doch damit hat sie sich selbst keinen Gefallen getan.
    „Dann fliegt hier alles in die Luft. Wir betreiben sie mit dem Prototyp einer neuen Energiequelle. Wenn Sie sie zerstören, geht die Höhle hoch.“
    „Ich finde einen Weg.“, danach sagt Rocky nichts mehr, der Kampf wird zu anstrengend. Ihr Gegner landet mehrere schmerzhafte Treffer gegen ihre Brust und den Bauch, während sie ihm nur einige blaue Flecken an den Armen zufügt. Er reißt den Arm zurück. Rocky zuckt zusammen, sie weiß, dass er ihren Hals angreift. Ihre Arme sind zu weit unten, sie kann sich nicht verteidigen…
    „Verdammt!“
    Ein Lichtblitz blendet sie. Vor Rocky steht ein blondes Mädchen, welches den Schlag mit beiden Händen abgewehrt hat.
    Die Polizistin atmet stoßweise. Ihr Atem geht flach. Genau im richtigen Moment hat Eva sich her teleportiert, um Rocky beizustehen.
    „Rettung in letzter Sekunde.“, keucht sie. Die Blonde muss ihren Standort mithilfe von LeBelles Männern festgestellt haben. Eva sieht sich mit neutralem Gesichtsausdruck um. Rocky kniet hinter ihr, aus der Wunde an ihrem Oberarm fließt Blut.
    „Wir sind pünktlich, scheint es Uns.“, sagt sie dann. Simsala richtet beide Löffel auf die letzten paar Wachmänner, die nach dem Kampf gegen Manon übrig sind. Verunsicherung macht sich auf Seiten der Galaktiker breit.
    „Wer ist das?“
    „Das weißt du nicht? Eva ist das! Nichts wie weg hier!“, doch als sie sich umdrehen und weglaufen wollen, steht ihnen Alfred im Weg. Scheinbar ist Eva nicht allein gekommen. Er zückt einen Pokéball.
    „Zu meiner Zeit wurden Feiglinge verachtet.“, sagt er bedauernd. Der Kampf entbrennt erneut.
    /


    Auf dem Kampffeld sieht es für die Trainer Herzhofens währenddessen ziemlich schlecht aus. Die Galaktiker haben eine Übermacht in den Kampf geschickt, mit der sie fertig werden müssen. Viele gegnerische Pokémon sind zwar schon besiegt, aber für ein Pokémon, was zurückgerufen wird, scheinen zwei neue nachzukommen. Jeder der Trainer gibt sein Bestes, um zu gewinnen.
    Steph gibt beinahe schon die Hoffnung auf, da zeigt eines der Mädchen, welches neben ihr kämpft, nach Westen.
    „Schaut!“, ruft sie. Der Kampf kommt nach und nach zum Erliegen, Galaktiker und Trainer wenden die Köpfe.
    „Und dort auch.“, fügt ein weiterer Trainer hinzu. Aus Norden und Osten strömen ebenfalls Trainer heran, die ihre Pokémon bereits gerufen haben.
    „Das muss ganz Sinnoh sein!“, jubelt Tommy. Seine Freundin lächelt schwach.
    „Sieht so aus. Sind das viele!“
    „Jetzt geben wir euch Typen den Rest!“, brüllt eine Stimme von links. Aus der gesamten Sinnoh-Region kommen die Trainer, um Herzhofen beizustehen. Einer der Galaktiker, er hat blaues Haar, welches zu einer Art Halbmond geformt ist, sieht sich kühl um.
    „Das ändert gar nichts. Team Galaktik wird nicht verlieren.“
    „Ach ja? Hast du auch noch Nachschub parat?“, brüllt Steph ihn an.
    „Sozusagen.“, doch bevor klar wird, was er damit meint, trifft die Trainergruppe aus dem Westen auf die Galaktiker. Kurz darauf erreichen auch die Trainer aus Norden, Süden und Osten den Kampf. Die Cousine in Jubelstadt scheint ganze Arbeit geleistet zu haben. Das alles zu koordinieren musste schwierig gewesen sein.
    Wenige Minuten später merkt Steph, was der „Nachschub“ sein soll, von dem der Kerl geredet hat. Ein silbrig-rotes Drachenpokémon rast vom Kraterberg heran. Ihr Herz stockt erneut.


    Siata zählt laut den Berichten, die Steph bisher darüber gehört hat, zu den legendären Drachen von Sinnoh. Dialga und Palkia sind die ersten beiden, welche Zeit und Raum kontrollieren. Durch neue Forschungen ist auch noch Giratina aufgetaucht, welches in einer anderen Welt lebt, die parallel zur realen Welt existiert. Siata ist der Meister über die Gravitation, ohne seinen Herzschlag würde alles einfach so wegschweben, vermutet das Mädchen. Und gegen so etwas müssen sie nun kämpfen. Wie es Team Galaktik gelang, den Drachen zu zähmen, will sie sich nicht ausmalen.
    „Alle ruhig bleiben!“, brüllt Steph.
    „Das ist ein Drachen-Typ, also benutzt Eis-Attacken! Die Trainer mit Wasser- und Eispokémon gehen nach vorn!“
    Doch nach wenigen Minuten des Kampfes sind bereits etliche Trainer mitsamt ihrer Pokémon kampfunfähig. Siata erhöht das Gewicht einzelner Objekte, Pokémon und sogar Menschen. Steph muss mit ansehen, wie neben ihr ein Trainer zusammenbricht, weil seine Knochen auf einmal viel zu viel wiegen und er sich nicht mehr halten kann. Auf der anderen Seite verliert ein Mädchen ihr Körpergewicht, schwebt in die Höhe und fängt an zu schreien. Steph versucht, nach ihrem Knöchel zu greifen, schafft es und hält sie fest.
    „Helft mir! So helft mir doch!“, schreit die Trainerin. Steph beißt die Zähne zusammen.
    „Wie denn! Du wiegst nichts mehr!“
    Den Kommentar, dass viele Mädchen sich so etwas wünschen würden, verkneift sich die Schwarzhaarige und sieht sich um. Es ist das pure Chaos ausgebrochen: Trainer liegen entweder verkrampft auf dem Boden, fliegen durch die Luft oder versuchen in Deckung zu gehen. Siata hat die komplette Strategie und Kampfbereitschaft zerstört, von der Moral ganz zu schweigen.
    „Nidoking, ruh dich aus! Raus mit dir, Walraisa!“, Steph tauscht ihre Partner aus, dann reißt sie die Augen auf. War das eben ein leichtes Flimmern in der Luft, bevor der Trainer vor ihr in die Luft gerissen wurde?
    Das Vieh schießt mit irgendwas. Das ist es!“, denkt sie. Von da an achtet sie darauf, immer in Bewegung zu bleiben, und teilt ihre Beobachtung mit anderen. Doch außer ihr scheinen nicht viele das Flimmern sehen zu können. Wenig später muss auch sie einsehen, dass es verloren ist. Ihr Walraisa gibt alles, die Trainer um sie herum schicken die letzten Reserven in den Kampf. Es reicht nicht, die Attacken treffen Siata nicht einmal. Der Drache schafft es immer, auszuweichen oder die Attacken an einem Schild abprallen zu lassen. Sally und ihr Bruder geben ihr Bestes, auch der Fußball des Torwarts kann nichts ausrichten. Es ist zum Verzweifeln. Nichts hilft.
    Die Trainergruppe um Sally und ihren Bruder ist eng zusammengedrängt in einem Bündel aus Galaktikern gefangen. Von allen Seiten drängen die gegnerischen Pokémon heran. Überall auf dem Kampffeld sieht es ähnlich aus; die Pokémon der Trainer sind besiegt, die Trainer selbst werden zusammengetrieben. Sollte das das Ende der Sinnoh-Region sein? Eigentlich hatten die meisten hier auf Verstärkung von Rocky gehofft, doch bisher ist keiner dieser Elite-Trainer aufgetaucht. Als der Schmerz ihren Oberschenkel herauf rast, knickt Sally ein. Ihr Bruder hockt sich neben sie.
    „Alles okay?“
    „Nein, du Idiot! Mein Bein ist im Eimer.“, knurrt sie.
    „Wir müssen hier raus. Halt durch.“
    „Was du nicht sagst! Ich tu mein Bestes!“
    „Ich dachte wirklich, Rocky kommt uns helfen. Dieses Mädchen mit den Haaren aus Stahl hat gesagt…“
    „Ich weiß, was sie gesagt hat. Scheinbar hat sie keinerlei Einfluss auf den großen Plan. Der große Plan, der uns scheinbar nicht vorsieht.“, erwidert das Mädchen mit zusammengebissenen Zähnen. Der Schmerz ist echt widerlich, denkt sie. Sie sieht nicht mal hoch, als jemand vor sie hintritt und sich ebenfalls hinkniet. Doch dann wird ihr eine Hand aufs Bein gelegt, was sie veranlasst, aufzuschauen. Ihr Bein kribbelt.
    Sally traut ihren Augen nicht. Wo eben noch eine klaffende Schnittwunde an ihrem Bein war, ist nun nur noch glatte, verheilte Haut. Das Mädchen mit den pinkfarbenen Haaren lächelt ihr zu. Ein neben ihr stehendes Heiteira summt leise.
    „Du bist…“
    „Das ist die Heilerin!“, zischt einer der Jungs, die mit ihr zusammen den finalen Angriff abwehren wollten.
    „Aber das muss bedeuten, Rockys Team ist doch hier!“, murmelt ein Mädchen. Sie flüstert fast, um keine Aufmerksamkeit vonseiten der Galaktiker zu erregen.
    „Wir sind gerettet!“, doch so sehr Sally sich auch umsieht, sie kann den Enthusiasmus ihres Bruders nicht teilen. Außer der kleinen Heilerin ist nämlich kein Neuankömmling zu sehen.
    Im nächsten Moment blitzt es zehnmal. Säulen aus Eis schießen mit jedem Blitz aus dem Boden um die Trainergruppe herum, dort, wo sie aus dem Boden brechen, springen die Galaktiker beiseite.
    „Was geht hier vor!“, verlangt Saturn zu wissen. Er war sich seines Sieges schon sicher, doch nun muss er feststellen, dass sich das Glück des Kampfes anscheinend erneut ändert. Dann verstummt er, als sein Blick auf die Personen fällt, die auf den Säulen draufstehen. Die Säulen sind in einem Kreis angeordnet, nur eine steht in dessen Mitte, genau unter den Trainern Sinnohs. Auf dieser Säule steht Maria Jou, das Mädchen, das ihm so oft rein gepfuscht hat und noch immer lebt. Ihr eines Auge wird von ihrem Seitenscheitel überdeckt. Das andere starrt ihn an. Ihre Arme sind verschränkt. Sie trägt schwarze Stiefel und Hotpants, dazu ein eng anliegendes, blaues Top. Scheinbar ihr Kampfoutfit. Hinter ihr hält sich Lucia, diese Koordinatorin, an ihrem Arm fest, um nicht aus Versehen von der Säule zu fallen.
    „Hier geht nur eines vor sich, und zwar die Niederlage deiner Verbrecherbande!“, ruft Maria ihm mit klarer Stimme zu.

  • Kapitel 55
    Kampf um Sinnoh (Teil 2)- Rockys Opfer


    18.7.2009


    Saturn reißt den Kopf herum, als von rechts brüllendes Gelächter kommt.
    „BWAHAHA! Nett gesagt! Haun wir sie kaputt!“, lacht Pay, der rote Riese. Wie immer trägt er rote Shorts und ein ebenso flammendes Hemd. Sein Panferno steht hinter ihm. Es speit einen Flammenstrahl in die Luft, um seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen.
    „Sinnoh ist eine friedliebende Region, es steht Team Galaktik nicht zu, diesen Frieden zu stören!“, auf der anderen Seite von Saturn sitzt der Eisbrecher. Sein Blick gleitet übers Kampffeld, als würde er sich schon eine Kampfstrategie überlegen. Wieso ihm mit dem schwarzen Hemd bei der Sonne nicht heiß wird, ist unbekannt. Sein Admurai begleitet ihn.
    „Was für ain Auftritt! Musstä das sain?!“, Saturn fragt sich nicht einmal, wer das ist, er kennt die Eigenarten jedes Trainers aus Rockys Team auswendig. Kuré aus der Einallregion ist die einzige mit solch einem Akzent. Ihre weiße Bluse reflektiert das Sonnenlicht und sticht in den Augen. Hinter ihr schwebt Guardevoir in der Luft.
    „Miau fällt kein guter Satz ein. Unfair!“, mault Cat, die sich auf der nächsten Säule zusammengerollt hat. Ihr Katzenschwanz zuckt ungeduldig, als würde sie auf ihre Beute lauern. Im Gegensatz zu ihren üblichen Vorlieben hat sie diesmal Maria imitiert und ein tiefes Blau ihr Outfit dominieren lassen.
    „Vergiss den Satz, Frau, wir haben Wichtigeres zu tun.“, der Chief sieht weitaus ernster aus als sonst. Den indianischen Kopfschmuck hat er abgelegt. Nun erinnert seine Erscheinung eher an einen Cowboy aus einem alten Film. Den Blick hat er himmelwärts gerichtet. Er scheint zu seinem Manitou zu sprechen. Oder zu beten.
    „Uns scheint, als wären wir gerade im rechten Moment gekommen. Und mit „wir“ meine ich ausnahmsweise nicht „Uns“.“
    „Sehr gut, sehr gut. Fünf Minuten vor der Zeit ist des Soldaten Pünktlichkeit. So sagt man doch in niedrigeren Kreisen, nicht wahr?“, Eva und Alfred teilen sich die nächste Säule, so viel Reichtum ist wahrscheinlich selten auf einem einzigen Fleck vereint worden. Ihrem Stand entsprechen tragen beide nur das Teuerste: Alfred hat sich für einen schwarzen Anzug entscheiden, Eva für ein einfaches weißes Kleid. Wäre nicht der Altersunterschied so gewaltig, könnte man sie beinahe für ein Hochzeitspaar halten.
    „Genug geredet! Ich wähle Togekiss, Staraptor und Tropius!“, wie immer ruft Manon, die auf der vorletzten Säule kniet, drei Pokémon auf einmal. Passend zu ihrer dreigeteilten Seele, wie Saturn denkt. Dass mit einem Mal das gesamte Team hier aufkreuzen würde, damit hatte er zwar gerechnet, aber er hatte auch gehofft, dass seine vielen Ablenkungsmanöver sie hinhalten würden. Zumindest bis er die Trainer hier ausgeschaltet hatte.
    „Kommt…zu…Lilith.“, flüstert die Irre, die in den Reihen der Galaktiker noch mehr Angst und Schrecken verbreitet hat als Maria. Angeblich saugt sie jetzt auch noch Menschen das Blut ab, haben einige von Saturns Spähern berichtet. Er hat nicht vor, gegen diese Freaks fair anzutreten.
    „Wieso ist denn die zehnte Säule leer?“, ruft Hagane, die zwischen den Trainern steht. Maria blickt sich kurz um.
    „Da Tai auch hier irgendwo rumrennt, war die eigentlich für Rocky vorgesehen. Wo ist sie?“, auf diese Frage hin blickt Manon nur zur Seite, sagt aber nichts. Marias Kiefermuskel spannt sich.
    „Wo ist Rocky?“
    „Sie wollte zurückbleiben. Alfred, Eva und ich haben die Galaktik-Wachen besiegt und danach die Gefangenen, die wir fanden, in Sicherheit gebracht. Rocky sucht einen Weg, um die Maschine zu zerstören.“
    „Gefangenen? Welche Gefangenen? Meinst du…ihren Vater?!“
    „Auch. Das hättest du sehen sollen.“, erwidert die Rothaarige. Maria richtet den Blick wieder auf den Galaktik-Boss.
    „Ihr geht mir dermaßen auf den Geist mit eurem Gefasel von Pflicht, Frieden und Freundschaft!“, ergreift Saturn das Wort.
    „Ich habe Pokébälle gebaut, die selbst Menschen die Freiheit nehmen können! Ich habe einen der legendären Drachen Sinnohs gefangen und seine Energie abgezapft! Ich habe mehr von euch lausigen Trainern eingefangen als Pokémon! Niemand hält mich auf, versteht ihr? Niemand! Mewtu und Siata, macht diese Plagen fertig!“
    Der Drache setzt sich in Bewegung, im selben Moment springt Mewtu hoch in die Luft und feuert eine Salve von seinen verheerenden Blitzen mitten unter die Trainer. Viele der Mädchen schreien vor Angst auf. Zu viele Trainer sind schon von dieser Attacke besiegt worden.
    „Guardevoir, würdäst du bitte?“, das Pokémon von Kuré breitet die Arme aus und erschafft eine Kuppel aus fünf Schutzschilden. Eine rosafarbene Blase wölbt sich über den Trainern, dann noch eine und noch eine und noch eine. Vier von fünfen zerbrechen unter Mewtus Macht, die letzte hält gerade so stand.
    „Ich mach das.“, die tiefe Stimme, die das sagt, hallt in den Köpfen der Jungen und Mädchen wieder. Niemand sieht genau, wie es passiert, doch Marias Schatten löst sich von ihren Füßen und verwandelt sich in Darkrai, welcher genau auf Mewtu zufliegt und eine Finsteraura abfeuert.
    „Du gehörst mir!“, ruft er.
    „Mary?“, brüllt Pay.
    „Nenn sie Sachiko!“
    „Maria tuts auch.“, entgegnet die Braunhaarige trocken.
    „Wir machn den Drachen kalt, oder?“
    „Wenn du kannst, folge mir. Wir müssen ihn weglocken, sonst richtet er hier nur unnötigen Schaden an!“, nach diesem Satz zwinkert Maria Lucia zu, ruft auf einen Schlag alle ihre Pokémon, springt mit einem Salto von der Eissäule und rennt wie der Blitz auf Siata zu, welches eine von seinen Schwerkraftwellen in ihre Richtung schleudert. Sie springt darüber hinweg, ein Felsen wird getroffen und fliegt in die Luft, als sein Gewicht verschwindet. Pay springt ebenfalls, richtet die Fäuste in Richtung Boden und lässt Feuer daraus hervorschießen. Auf diese Weise fliegt er Maria hinterher. Siata brüllt laut, als Maria ihm einen Tritt an sein drittes Bein versetzt, und als sie einfach weiterrennt, auf die Flusslandschaft zu, folgt Siata ihr.
    „Pass auf, Siata kann die Gravitation von Gegenständen kontrollieren!“, ruft Maria Pay zu.
    „Das is ziemlich unfair, oder?“
    „Schon, ich hoffe darauf, dass Rocky die Maschine schnell zerstört, die Siata festhält. Wenn das passiert, hat es keinen Grund mehr, zu kämpfen, und wir können den anderen helfen.“
    Garados, Milotic, Pliprin, Malegoche und Galagladi folgen Maria, so schnell sie können. Nach ungefähr zwei Kilometern, weit genug von der Gruppe entfernt, bleibt Maria stehen. Ein Netz kleiner Flüsse durchzieht das Grasland und würde wieder einige Kilometer weiter durch felsigen Untergrund fließen. Hier will sie gegen den legendären Drachen kämpfen.
    „Mach dich bereit, Pay.“
    „Bin ich immer.“
    „Und eigentlich ist das kein legendärer Drache, fällt mir gerade ein. Zu wenige Menschen kennen ihn.“
    „Naja, jetz, wo er diese ganzen Trainer fertiggemacht hat wohl doch.“
    „Da hast du Recht. Egal, duck dich!“, Pay gehorcht hastig, Sekundenbruchteile später rast eine Schwerkraftwelle über ihn hinweg. Er wirbelt herum. Siata rast heran, weicht einem Flammenstoß aus, den Pay abfeuert, und fixiert die Braunhaarige. Sie springt mit übermenschlicher Geschwindigkeit außer Reichweite, sucht sich einen neuen Winkel, aus dem sie angreifen kann und attackiert den silbrigen Leib vor sich. Mit einem gewaltigen Salto fliegt sie über Siata hinweg, ihre Füße treffen den Hals des Drachens am höchsten Punkt ihrer Flugbahn. Siata sinkt brüllend einige Meter in die Tiefe. Maria springt wieder zurück und geht in Deckung.
    „Das wird nicht leicht!“
    „Hatte ich auch nicht erwartet.“, keucht sie.


    Darkrai


    Mewtu lässt seine Psychokräfte warmlaufen. Die erste Psychokinese scheint dieses schwarze Wesen vor ihm nicht betroffen zu haben. Es richtet beide Arme auf Darkrai, die folgende Attacke hätte jeden anderen Gegner auseinandergenommen. Darkrai rast einfach weiter auf Mewtu zu, ohne sich auch nur im Geringsten beeindruckt zu zeigen.
    Was bist du?“, fragt Mewtu. Darkrai antwortet nicht, ein Wortspiel über den schlimmsten Albtraum hätte Mewtu sogar noch verraten, mit was es hier zu tun hat.
    Kämpfst du für das Mädchen? Wie sinnlos.“, Mewtu weicht einer Finsteraura aus.
    Wir sind nur auf der Welt, um stärker zu werden. Fressen oder gefressen werden, etwas Anderes gibt es auf dieser Welt nicht!“, nach diesen Worten benutzt Mewtu seine Teleportationsfähigkeiten, um sich hinter Darkrai zu bringen, und versucht zum dritten Mal Psychokinese.
    Für ein Pokémon, das stärker werden will, ist es merkwürdig, die Verliererseite ausgesucht zu haben.“, zum ersten Mal antwortet Darkrai, die Psychokinese prallt erneut an seinem Finsternis-Typ ab. Mewtu bleibt ihm die Antwort schuldig, weil es nicht begreifen kann, wieso sein Gegner gegen seine Attacken immun ist. Den Schlummerort-Angriffen Darkrais weicht es auch größtenteils aus, die Finsterauren jedoch sind zu schnell und fügen ihm großen Schaden zu. Nach mehreren Minuten des Kampfes benutzt Mewtu seine Psychokinese dazu, Bäume und Felsen aus der Umgebung in seinen Kampfstil mit einzubeziehen. An den Steinen prallen Darkrais Attacken größtenteils ab, doch auf diese Weise ist es Mewtu nicht möglich, selbst anzugreifen. Würde es seine improvisierte Verteidigung zum Angriff benutzen, hätte sein Gegner freie Fahrt.
    Weit unter den beiden schwebenden Wesen kämpfen die Trainer Sinnohs weiter. Darkrai muss sich etwas einfallen lassen, er will nicht, dass durch die Attacken Mewtus unten Menschen gefährdet werden. Wie kann er seinen Gegner am besten weglocken?
    /


    Maria und Pay
    Mit nur einem Auge zu kämpfen ist hart. Viel härter als ich eigentlich dachte. Viele Attacken, denen ich früher mit Leichtigkeit ausgewichen wäre, treffen mich nun sehr oft. Ich werde mehr trainieren müssen. Garados und Malegoche geben ihr Bestes im Kampf gegen Siata, unterstützt werden sie von Panferno und Ramoth, die Pay ins Rennen geschickt hat. Zorro und das Arkani von Pay sind leider bereits von Siatas Schwerkraftwellen besiegt worden. Tsuname schickt einige Male eisiger Energiestrahlen über das Kampffeld, die jedoch irgendwie keinen Schaden an Siata anrichten. Hat es außer „Drache“ noch einen weiteren Elementtypus? Wenn ja, dann muss es einer sein, der meine Eisangriffe abschwächt. Feuer oder Stahl? Den Nahkampf überlasse ich wegen meines Auges größtenteils Pay, wenn er etwas einsteckt, heile ich seine Wunden sofort. Er übernimmt sozusagen meine Sicht auf der einen Hälfte.
    „Spring hoch!“, ruft er, ich gehorche und sehe wieder dieses Flimmern unter mir hinweg jagen, bevor ich elegant wieder lande. Naja, halbwegs… ich kann die Entfernung nicht mehr so gut abschätzen. Im Alltag ist der Rothaarige ein Spaßvogel, den man nicht so recht ernstnehmen mag, aber wenn es zum Kampf kommt, ist er mit seiner ganzen gewaltigen Kraft dabei. Ohne meine Wasserkräfte wäre ich sicher aufgeschmissen, wenn ich gegen ihn kämpfen müsste. Ich bin schnell, klar, aber gegen solche Muskeln ist nur schwer anzukommen. Ich muss an Lee denken. Geht es ihm gut? Bestimmt. Er ist nicht so stark wie Pay, und auch nicht so schnell wie ich, aber dafür hat er eine Balance zwischen beidem. Soll heißen: seine Kraft übersteigt die meine, seine Schnelligkeit die von Pay.
    „Malegoche, Fluch-Attacke! Garados, du benutzt Drachentanz, Tsuname Siedewasser und Pliprin Whirlpool!“
    „So macht das Spaß, WAHAHA! Panferno, Rocket Fist! Ramoth, Feuerrreigen, Knakrack, du weißt, was zu tun is, und Gallopa Sprungfeder!“, die letzte Attacke will ich ihm ausreden, doch Gallopa ist zu schnell. Es springt hoch in die Luft, wird dort von einer Antischwerkraftwelle getroffen und fliegt immer höher.
    „Mist! Zurück!“, die restlichen Pokémon greifen simultan an. Siata schafft es, allen Angriffen durch geschickte Flug- und Schwebemanöver auszuweichen. Ich selbst muss mich anstrengen wie noch nie zuvor, dieses Ding scheint seine Augen überall zu haben. Immer, wenn ich angreifen will, schützt es sich, indem es mir eine von diesen Wellen entgegen schleudert. Ich will nicht getroffen werden, darum muss ich mich öfter zurückziehen.
    „Pay! PASS AUF!“
    „Hä?“, eine der Wellen trifft den Rothaarigen, der versucht hat, Siata mit seinen Fäusten zu erwischen. Er bricht in die Knie. Ich weiß genau, wie es sich anfühlt: der eigene Körper wiegt auf einmal Tonnen, man kann sich nicht mehr rühren. Und da Pay sich nicht in Feuer verwandeln kann, bleibt das Gewicht. Pays Kopf wird fast ebenso rot wie seine Haare, doch er geht nicht zu Boden. Ungläubig sehe ich mit an, wie er sich unter größten Mühen wieder auf die Beine kämpft. Der Kerl wird mir langsam unheimlich. Das sind Tonnen, die er da wiegt, und er steht noch! Tonnen!
    „Was, bei den sieben Weltmeeren, ist mit dir los?“, rufe ich. Er grinst mich an, während ihm der Schweiß über das Gesicht läuft.
    „Das…ist…nichts! Das juckt nur! ARRRRGH! DAS JUCKT!“
    „Tu nicht so stolz! Wie machst du das?! Diese Schwerkraftfähigkeit ist die Hölle auf Erden!“
    „Nein. Das ist Training!“, er geht langsam auf Siata zu, hebt langsam den linken Arm und nimmt erst die Eisenklammer am rechten, dann die am linken Arm ab. Das Wesen sieht ihn nicht kommen, weil es zu sehr mit Garados und Panferno beschäftigt ist. Ich versuche, ihm Tipps zu geben.
    „Vielleicht ist es bei dir genau, wie es bei mir war. Als ich eine vernichtende Niederlage eingesteckt habe und beinahe verlor, habe ich das erste Mal Ekitai Shojou benutzt. Möglicherweise kannst du dich in Feuer verwandeln, wenn die Anstrengung zu groß wird!“
    „Ich brauche das nicht! Panferno, greif weiter an!“, Pay benutzt seine Fäuste wie einen Düsenantrieb und rast auf Siata zu. Unfassbar. Ich hätte nie im Leben damit gerechnet, dass seine Kraft so groß ist. Als wir gegeneinander kämpften, war das nicht so. Klar, ich habe heftig einstecken müssen, aber keiner seiner Schläge hat mich vermuten lassen, dass er Tonnen stemmen könnte, als wäre es nichts. Oder doch? Aber dann müsste auch ich widerstandsfähiger sein als ich bisher dachte. Der Kampf geht in die nächste Runde, Pay gerät allerdings sehr schnell außer Puste, was mich wiederum weniger überrascht. Er hält lange durch, wenn man bedenkt, was Siata mit ihm gemacht hat. Ich würde das nicht schaffen. Als ich selbst von einer Welle getroffen werde und mich kurz in Wasser verwandele, klingelt das Handy. Ich gehe ran, achte dabei sehr genau auf Siata. Ich spüre allerdings, wie auch meine Kraft schwindet. Der Kampf dauert zu lang. Ich kann kaum einen Treffer landen. Auch unsere Pokémon haben große Schwierigkeiten. Kurz hintereinander werden Tsuname und Malegoche besiegt. Sie haben gekämpft wie verrückt, und jeden anderen Gegner hätte ich bezwungen. Siata aber spielt in einer Liga, die die meine bei Weitem übersteigt. In Herzhofen war es leichter, da konnte ich den Höhenunterschied mit Sprüngen auf Hausdächer überbrücken. Hier geht das nicht.
    Es muss etwas geschehen. Die Maschine MUSS zerstört werden. Sinnoh steht auf dem Spiel.
    //


    Rocky blickt sich um. Alle Gefangenen sind herausteleportiert worden. Ihr Vater hatte so stolz ausgesehen, trotz seines abgemagerten Zustands. Die schiere Anzahl der Geiseln hatte Rocky überrascht. Nun waren sie jedoch frei, nur sie und die restlichen Galaktik-Wachen waren noch hier. Und ein gigantisches Aufgebot an gegnerischen Pokémon. In der rechten Hand hält sie das Telefon, mit links tastet sie nach ihrem letzten Pokéball.
    „Maria?“
    „Ja, bin da. Aber das ist verdammt nochmal nicht leicht!“, aus dem Hintergrund sind Kampfgeräusche zu hören. Siata ist offenbar nahezu unbezwingbar, sogar für Maria und Pay.
    „Verschwinden Sie endlich! Sie können hier nichts ausrichten! Saturn wird siegen!“, brüllt einer der Forscher Rocky an. Sie ignoriert ihn.
    „Wenn die Maschine außer Kraft gesetzt ist, wird Siata frei sein. Pay und du, ihr müsst dann sofort die anderen unterstützen.“
    „Ja, das glaube ich auch. Haben Sie einen Weg gefunden, sie abzuschalten?“, sagt Maria nur.
    „Habe ich. Maria…“, Rocky stockt. Die Worte wollen nicht aus ihrem Mund kommen. Sie ist nicht bereit für diesen Schritt. Aber es muss getan werden.
    „Ihr wart das beste Team, was ich je zusammengestellt habe. Wirklich. Trotz der Umstände hat es sogar Spaß gemacht, mit euch zu reden und herumzualbern.“
    „Pay, du musst vorsichtiger sein! Äh, sumimasen, Rocky. Ich habe verstanden.“, Maria macht eine kleine Pause.
    „Sekunde, wieso redest du ihn der Vergangenheitsform…?“
    „Sag meinem Vater, dass ich ihn liebe.“
    „Was hast du vor? Nein! Stopp! Tu das nicht! ROCKY!“
    Die Polizistin lässt das Handy nicht sinken, doch sie nimmt Marias Stimme nicht mehr wahr. Die junge Frau redet hektisch auf sie ein, gibt ihr irgendwelche Anweisungen, doch die helfen nicht. Sie kann gar nichts anderes mehr tun, als Siatas Gefängnis zu zerstören. Dann wird Sinnoh frei sein.
    „Maria, du weißt, was zu tun ist.“
    „Du…“, Rocky hört, wie Maria ein Schluchzen unterdrückt. So gut sie auch kämpft, so kalt sie oft erscheint, in ihrem Kern ist sie ein warmherziges Mädchen geblieben.
    „Danke für alles!“, Marias Stimme ist ruhig, sie beherrscht sich, und Rocky lächelt. Eine Träne rinnt ihr die Wange herab.
    „Arkani, Justizkanone.“
    Die Höhle wird von einem gigantischen Feuerball erleuchtet, der aus den Resten der Maschine steigt, welche die Macht hatte, einen legendären Drachen der Sinnoh-Region zu kontrollieren und ihm Kraft abzusaugen. In ihren letzten Momenten denkt Rocky an all das, was sie in ihrem Leben erreicht hat. Ohne Frage ist dieser letzte Auftrag ihr bester gewesen. Und sie hat ihr Ziel erreicht.
    /


    Mewtu und Darkrai


    Mewtu blickt sich wütend um. Von seinem Gegner ist nichts zu sehen. Ihr Kampf hat sie von den Trainern weggeführt. Mittlerweile befinden sie sich in einem kleinen Wäldchen in der Nähe. Als Mewtu aus den Augenwinkeln einen umher huschenden Schatten bemerkt, feuert es eine Aurasphäre ab. Der Schatten zischt weiter, kurz darauf manifestiert sich Darkrai vor ihm.
    Wenn man seine größte Angst bekämpft, kann man daran wachsen.“, fängt Darkrai an. Mewtu hat sich das lange genug angehört, findet es. Die ganze Zeit versucht sein Gegner, es davon zu überzeugen, dass der Kampf nicht notwendig ist.
    Ich habe keine Angst! Ich wurde von den Menschen verraten und nur Rache gibt mir Genugtuung!
    Jeder hat vor irgendwas Angst. Komplette Furchtlosigkeit gibt es nicht. Was fürchtest du?“, die letzten Worte sind kaum mehr als die Erinnerung an einen Hauch, der durch Mewtus Geist fegt. Darkrai hatte sich blitzschnell zwischen den Bäumen hindurch auf Mewtu zubewegt und einen Schlummerort abgefeuert, dem Mewtu nur knapp entging. Es reichte. Gegen diesen Gegner kam es nicht an. Blieb nur noch eins: die unwürdigen Trainer zu dezimieren, die noch kämpften. Eine violette Aura umgibt Mewtu. Es nimmt Tempo auf und rast davon. Ein Blick über die Schulter verrät ihm, dass Darkrai ihm scheinbar nicht folgt, aber das kann auch so geplant sein. Es schaut wieder nach vorn.
    Zuckt zusammen. Will umdrehen. Darkrai ist genau vor ihm. Der schwarze Energieball, der auf Mewtu zukommt, wird rasch größer. Ausweichen? Zu langsam. Mewtus Welt wird schwarz.
    Schlummerort!
    /
    Maria und Pay VS Siata


    Ein langgezogenes Piepen ertönt aus dem Handy. Meine tauben Finger können es nicht mehr halten und es fällt auf den Boden. Ich zwinge mich zur Ruhe. Der Kampf geht vor.
    Plötzlich trifft mich eine unsichtbare Faust mit Wucht in den Magen. Ich werde einige Meter zurückgeschleudert und bleibe keuchend liegen. Pliprin kann sich kaum noch auf den Beinen halten. Siata hat eine neue Seite seiner Fähigkeiten gezeigt, es kann Gravitation bündeln und entladen. Das Resultat hat mich eben erwischt. Bisher konnte ich ausweichen, aber es wird schwerer und schwerer. Es flimmert vor mir in der Luft. Ich rappele mich halb hoch. Dann sehe ich, dass Pay vor mir steht und drei weitere dieser Schläge wegsteckt, die mich sonst erledigt hätten. Er blickt über die Schulter nach unten zu mir.
    „Hoch mit dir, aber dalli!“
    „Ich…“, ein kurzer Hustenanfall unterbricht mich.
    „Ich versuchs.“, kurz darauf stehen wir wieder nebeneinander. Meine Arme lassen sich nur noch schwer heben. Mittels meiner Kräfte lasse ich eine Wasserkugel entstehen, welche auf Siata zurast. Das Pokémon schwebt höher, ich balle die Faust und die Kugel zerspringt in hundert Tropfen, die zu Eis werden. Einige davon sitzen. Siatas Gebrüll schallt uns entgegen.
    „Netter Trick, was war das?“
    „Eine Wasserkugel.“
    „Hab ich gesehn! Jetz volle Power! Haste mich schonmal voll aufdrehen sehn?“
    „Ja, im Kampf gegen mich.“
    „Das war noch gar nix. Höllenfeuer! Yeah! Du musst richtig heiß sein, um volle Power zu geben!“
    Ich reiße mich zusammen. Scheint, als würde Pay einen gigantischen Angriff planen, der Siata auf einen Schlag besiegen soll.
    „Soll das heißen, ich bin normalerweise nicht heiß?“
    „Genau!“
    „Du…“
    „Hey, so war das nich gemeint. Du bist mehr son Taifun, kein Feuer. Verstehste?“
    „Hm. Taifun sagst du? Pliprin, zurück! Du hast genug getan.“, nun schließe ich die Augen und konzentriere mich. Mein Körper verwandelt sich in Wasser. Ein Taifun entsteht meist auf dem Meer, ich habe hier zwar nur ein paar kleine Flüsse zur Verfügung, aber das sollte genügen. Mit einer schnellen Bewegung drehe ich mich um 45° nach links, breite die Arme gerade zu den Seiten aus, die Handflächen nach außen gerichtet. Aus mehreren Flüssen steigen Säulen aus Wasser, die sich rasend schnell drehen. Es ist wirklich anstrengend, so viel Wasser auf einmal zu kontrollieren, selbst in meiner Wasserform kostet es unglaublich viel Kraft. Die vier Säulen werden immer größer, als ich mich ein Stück weiter drehe, verlassen sie ihre Flussbetten und streben aufeinander zu. In der Mitte des Vierecks befindet sich Siata. Das Pokémon sieht die Gefahr kommen und feuert Gravitationsstrahlen auf meine Technik ab, doch sie rasen nur durch das Wasser hindurch. Ein Teil des Wassers wird schwerer, aber es ist nur wenig und sackt nach unten, ohne die Säulen zu zerstören.
    Währenddessen hat Pay sich geduckt, scheint massiv Kraft aufzubauen und sagt kein Wort mehr. Leider wird dieser Zustand nicht dauerhaft sein, das muss mir bewusst bleiben. Als er sich aufrichtet, brennen seine Fäuste stärker als zuvor. Unsere Pokémon halten sich zurück, um nicht von unseren Angriffen getroffen zu werden. Zwei Feuerstrahlen vereinen sich und verwandeln sich in einen Drachen aus Flammen.
    „BOOYAH!“, als Pay fertig ist, steigt sein Lautstärkepegel wieder ins Unermessliche. Ich beeile mich, um mit seiner Technik mitzuhalten.
    „Windhose gefällig?", rufe ich.

  • Die Story geht auf ihr Ende zu, und nachdem ich jetzt Pokemon X durchgespielt habe, war ich sehr überrascht. Wieso ich das war, erfahrt ihr bald. Hier aber erstmal das neue Kapitel:


    Kapitel 56
    Kampf um Sinnoh (Teil 3)- Glaube und Hoffnung


    18.7.2009


    Der Feuerdrache brüllt auf Siata zu. Gleichzeitig umschließen die Wasserhosen den Körper des Wesens. Eine dampfende Explosion erschüttert den Kampfplatz. Erschöpft sinke ich auf die Knie. Pay lässt sich auf den Hintern fallen.
    „Wenn den das ma nich umgelegt hat, weiß ich auch nich we…“, er unterbricht sich, als sich der Nebel verzieht und Siata nahezu unbeschadet zum Vorschein kommt. Ich fluche laut. Meine Stimme hat wie immer, wenn ich Ekitai Shojou benutze, eine Art blubberndes Nebengeräusch.
    „Ich habe keine Lust mehr auf dieses Vieh! Verdammter Mist!“
    „Beruhig dich, wir kriegn das hin! Ich weiß nur nich, wie…“
    „Das war eine meiner stärksten Techniken! Bleib zurück!“, aufgebracht stehe ich auf. Meine Kraft reicht gerade noch so, schätze ich. Diesmal hebe ich beide Arme über den Kopf, beiße die Zähne zusammen und jage so viel Kraft wie ich kann in die umliegenden Flüsse und die Luft. Nach etwa zwanzig Sekunden bewegen sich viele kleine Wassersphären durch die Luft, wachsen zu einer wabernden Blase zusammen, die so groß ist wie ein Haus. Als ich sichergestellt habe, dass das Wasser sich nicht selbstständig macht, sprinte ich auf Siata zu. Ich muss knapp 60 Meter überwinden, springe über zwei Schwerkraftstrahlen hinweg, mit dem Schwung nehme ich die Arme zurück, führe sie im letzten Sprung mit einer wellenförmigen Bewegung nach vorn. Die Wasserblase ist meinen Bewegungen gefolgt, nun schnellt das Ding auf Siata zu, fängt dabei an, sich zu verformen. Die Kugelform löst sich auf, wird zu einer Schlange aus Wasser, die sich wiederum aufteilt um in mehreren Schlangen um Siata herum schwebt. Alle verfestigen sich nun zu Eis, scheinen sich vom Schwanz her aufzulösen, weil sie sich nach und nach in dünne Nadeln verwandeln, welche ich auf Siata loslasse. Dort, wo sie das Wesen treffen, frieren sie fest. Kurze Zeit später erinnert mich Siata an einen Igel aus Eis.
    „Ha. Das dürfte reichen.“, keuche ich.
    „Der sieht aus wien Igelavar!“
    „Richtig erkannt. Und ich kann nicht mehr.“
    Nach diesen Worten explodiert Siata förmlich. Gigantische Stichflammen schießen auf uns zu. Mit einem Aufschrei stürzt Pay vor und stellt sich wieder vor mich, doch sein Schutz reicht nicht ganz aus. Ich fühle die Hitze an meinem Körper zerren. Ich hasse Hitze, denn solange ich selbst aus Wasser bestehe, laufe ich bei großer Wärme Gefahr, zu verdampfen.
    „Danke.“
    „Sieht nich gut aus, was?“, Pays Shirt ist verbrannt, er steht mit bloßem Oberkörper über mir und hält das Feuer fern. Und Siata hat sich schon wieder befreit.
    „Das muss ein Feuertyp sein!“
    „Feuer und Drache? Fett.“, freut sich Pay. Ich funkele ihn an.
    „Das ist NICHT gut. Meine Kraft ist aufgebraucht.“
    Was dann passiert, erlöst uns von diesem Kampf, den wir nicht gewinnen können. Siata hält inne, ein blau leuchtendes Portal öffnet sich neben ihm. Es brüllt noch einmal so laut, dass meine Ohren schmerzen. Danach schwebt es in Richtung des Portals und verschwindet darin. Ich stoße die Luft aus, die ich angehalten hatte, und verwandele mich wieder in einen Menschen. Pay sieht mit offenem Mund die Stelle an, an der Siata verschwunden ist.
    „Es hat so lange gebraucht, um zu checken, dass es abhauen kann?“
    „Nein. Erinnerst du dich? Palkia muss ihm das Tor öffnen. Wahrscheinlich hat es irgendwie in Gedanken Kontakt mit Palkia aufgenommen. Wir hätten gar nicht mehr kämpfen müssen.“
    „Dieses Ding war heftig.“
    „Ja. Und das Heftigste steht uns noch bevor. Jetzt steht Saturn auf meiner Liste.“, ich sehe an mir herunter, nachdem ich mich wieder angekleidet habe. Durch die Kämpfe ist meine Kleidung arg mitgenommen. Meine Stiefel sind schlammverkrustet, die Hotpants sind an einigen Stellen eingerissen, mein Top ebenso. An Armen und Beinen habe ich Schrammen und Prellungen davongetragen.
    Ich stehe keuchend auf. Dann renne ich los. Pay kommt, so schnell er kann, hinterher. Er scheint sich an seine Feuerkraft schon gewöhnt zu haben; diesen Düsenantrieb benutzt er schon wieder. Es scheint ihn auch kaum Kraft zu kosten. Innerlich fluche ich. Ekitai Shojou kann ich im Kampf gegen Saturn jetzt nicht mehr benutzen. Meine Kraft reicht nicht.
    „Schneller! Die stecken in Schwierigkeiten!“, ruft Pay mir zu. Ich erhöhe das Tempo, die Landschaft rast unter mir hinweg. Nachdem ich über mehrere kleine Flüsse gesprungen bin, kommt das große Kampffeld in Sicht. Die Galaktiker haben Sinnohs Trainer eigentlich umzingelt, nun jedoch stehen sich die beiden Parteien gegenüber. Sinnohs Trainer haben Boden gutgemacht. Pay und ich nähern uns von der Seite der Trainer. Ohne auf die Jubelrufe und so etwas zu achten, renne ich direkt in die vorderste Reihe, werde erst langsamer, als die Front in Sicht kommt. Ganz vorne stehen Saturn und Eva, sie scheinen sich eine Art Wortgefecht zu liefern. Verständlich; Saturn glaubt wahrscheinlich an seinen Sieg, aber durch solch ein Gespräch könnte er die Trainer zur Aufgabe überreden, scheinbar setzt er darauf.
    Ich weiß, dass mich wahrscheinlich gerade alle anstarren, die so weit vorn stehen, als ich zwischen Eva und ihren Leibwachen hindurch auf Saturn zugehe.


    „Hast du mich vermisst? Wird Zeit, dass jemand euch Typen die Leviten liest.“, sage ich. Saturn starrt mich nur an. Um uns herum ist es relativ still, der Kampf ist wohl gerade in einer Art Waffenstillstand, während Saturn und Eva verhandelt hatten. Ohne Siata, so dachte ich, gibt Saturn auf, doch er scheint den Kampfeswillen noch nicht verloren zu haben. Ich habe nur noch Garados und Pliprin übrig, meine stärksten Pokémon. Und er? Sein ganzes Team? Hat er nicht mitgekämpft? Ich kann es nicht genau sagen, da ich nicht dabei war. Ich muss mich zusammenreißen, um jetzt nicht in Tränen auszubrechen. Ich hätte nie im Leben daran gedacht, dass Rocky sich selbst opfern würde, um uns den Sieg zu ermöglichen. Aber anders hätten wir auf keinen Fall gegen den Drachen bestanden. Rocky hat uns alle gerettet. Denn wäre ich jetzt nicht hier, hätte auch Saturn gewonnen. Fürs Erste werde ich die Gefühle wegsperren und kämpfen. Wie immer.
    „Du bist gerade zu deiner endgültigen Vernichtung gekommen, Maria Jou.“, sagt er. Ich stehe allein vor ihm, um uns herum sind bestimmt 30 Meter Platz. Saturn und ich sind sozusagen zwischen den Fronten gefangen. Ich sehe Yussuf, das falsche Phantom, Uranus und all die Commander in der vordersten Reihe stehen. Hinter mir machen sich Pay, Lilith und der Chief ebenfalls zum Kampf bereit.
    „Oder zu deiner.“
    „Eine Niederlage steht für mich nicht zur Debatte. Du wirst erfahren, was es heißt, sich mit Team Galaktik anzulegen.“
    „Ich habe schon oft erlebt, was das heißt! Geringfügige Anstrengung und am Ende der unausweichliche Sieg. Immer und immer wieder. Ich habe deine Leute in Ewigenau besiegt, in Blizzach, in Sonnewik. Darkrai hat dein Mewtu fertig gemacht, und Siata ist auch weg. Was hast du noch?“, auf meine Worte hin zuckt sein rechter Mundwinkel, kehrt jedoch sofort an seinen ursprünglichen Platz zurück. Er lächelt scheinbar nie.
    „Was ich noch habe, fragst du? Ich habe Siatas Energie abgezapft, wochenlang! Ihr habt trotz Rockys Anstrengungen nie erraten, was mein eigentlicher Plan war. So viel Energie hätte ausgereicht, um eine weitere rote Kette zu schmieden und Sinnoh neu entstehen zu lassen! Die Energie hätte ausgereicht, um jedes legendäre Pokémon der Welt zu bändigen. Und doch wollte ich sie dafür nicht einsetzen.“
    „Wofür dann?“
    „Ganz einfach. Mit all dieser Gravitationsenergie werde ich ein Reversivportal in die Zerrwelt öffnen. Die Zerrwelt wird sich ausbreiten und diese Welt absorbieren. Dann wird Zyrus endlich herrschen!“
    Mir wird kalt. Zyrus war der alte Boss von Team Galaktik, ein emotionsloses Gerät mit dem Plan zur Weltherrschaft. Ash, Lucia und Rocko hatten ihn mithilfe der drei Seen-Pokémon aufgehalten, doch irgendwie war Zyrus nach dem großen Showdown mit Palkia, Dialga und Giratina in der Zerrwelt verschwunden. Und jetzt hat Saturn Siata benutzt, um die Zerrwelt in unsere Welt herüberzuziehen? War das überhaupt möglich? Egal, ich muss ihn aufhalten.
    „Das ist Wahnsinn! Du könntest beide Welten zerstören! Die Zerrwelt ist nur dazu da, unsere Welt im Gleichgewicht zu halten.“
    „Dann muss es so sein. Menschen sind unperfekte, irrationale Wesen. Deine Gefühle und Moralvorstellungen sind reine Illusionen, und das werde ich dir hier und jetzt beweisen.“
    Ich kann nicht erkennen, ob er auf irgendeinen verstecken Knopf drückt, aber irgendetwas scheinen seine Worte auszulösen. Die Temperatur sinkt um einige Grade. Die Sonne verdunkelt sich, als dicke Wolken aufziehen. Ich muss handeln. Saturn ist nicht wahnsinnig, und genau das macht ihn so gefährlich. Er weiß genau, was er tut.
    „Pliprin, Garados, los!“, meine beiden Partner sind schwer angeschlagen. Aber ich weiß, was sie können. Ich weiß, wie stark sie in Wirklichkeit sind. Wenn es zwei Pokémon aus meinem Team schaffen, dann sind es diese beiden hier.
    „Maria!“, ruft Lucia mir zu. Ich wende mich um, und mir wird noch kälter. Ihr ausgestreckter Finger zeigt in Richtung Kraterberg, der sich weit hinter uns erhebt. Ganz oben auf seiner Spitze erkenne ich ein Blitzgewitter, es leuchtet fast taghell da oben. Das ist die Speersäule. Verdammt, es geht schon los! Wie zur Hölle hat der Kerl das angestellt, ohne das LeBelle und Rocky davon Wind gekriegt haben?
    „Ein Pokémon-Kampf? Wie sinnlos. Du bist nichts im Vergleich zu mir.“
    Einen Moment später sehe ich mich einem Rihornior, Galagladi, Toxiquak, Iksbat, Bronzong und Magbrant gegenüber. Zwei gegen sechs, das ist gar nicht gut. Und ich selbst bin auch schwer angeschlagen, ich weiß nicht, ob ich gegen ihn im Zweikampf bestehen könnte. Seine physischen Fähigkeiten sind mir gänzlich unbekannt.
    Ich atme tief durch und straffe die Schultern. Eine kleine Hand berührt meinen Oberschenkel. Erstaunt blicke ich herab. Joana sieht zu mir hoch. Mit einem Mal rauscht eine heiße Welle durch meinen Körper und scheint mich von innen zu erfrischen. Ihre geheimnisvollen Fähigkeiten überraschen mich immer wieder.
    „Danke.“, flüstere ich lächelnd. Sie nickt, holt ihren kleinen Medizinkasten hervor und reicht mir ein glitzerndes Pulver in einem kleinen Säckchen. In meinem Kopf erscheint ein Eindruck davon, wie ich dieses Pulver über meine besiegten Pokémon streue.
    „Ist das Zauberasche? Wo hast du die her?“, will ich perplex wissen, doch Joana ist schon wieder zu Manon zurück. Dieses Mädchen ist unglaublich. Wahrscheinlich hat ihr Ho-Oh die Asche sogar freiwillig überlassen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihr irgendjemand nicht sofort vertrauen würde. Eine Aura der Unschuld umgibt sie wie einen Schild. Wenig später steht mein Team wieder, Malegoche außen rechts, dann Pliprin, Garados und Tsuname, dann Zorro ganz links. Darkrai ist noch nicht wieder zurück, ich habe nur durch Gedankenübertragung von seinem Sieg erfahren. Saturn hat die ganze Zeit abgewartet und seinen Commanders Befehle erteilt, die ich nicht richtig verstanden habe, weil mittlerweile auch Sturm aufgekommen ist.
    Unser Kampf beginnt ohne weiteres Vorgeplänkel. Pay macht sich oft einen Spaß daraus, seine Gegner noch zu beleidigen und einzuschüchtern, doch ich bin nicht gut in sowas. Ich muss mich konzentrieren. Mein Team ist gut trainiert, sogar extrem gut, mit Ausnahme von Malegoche, welches ein kleines Stück über mir schwebt und sich mit Iksbat ein Duell liefert. Ich rufe Anweisungen in alle Richtungen, damit jede Attacke auch gut sitzt und meine Pokémon keinen allzu großen Schaden nehmen. Garados bekämpft Magbrant und Bronzong gleichzeitig. Pliprin hat sich Rihornior vorgenommen. Tsuname stellt sich Toxiquak. Die beiden Galagladis schenken sich ebenfalls nichts, das klirren ihrer waffenähnlichen Ellbogen schallt über das Kampffeld. Dieser Kampf übertrifft so ziemlich alles, was ich bisher erlebt habe. Kein Arenaleiter, kein Trainer der Welt hat sich mir bisher mit solcher Macht entgegenstellen können. Mein Blickfeld verengt sich noch weiter, obwohl ich ohnehin schon nur ein Auge zur Verfügung habe. Wie durch einen Tunnel sehe ich Garados‘ schnelle, schlängelnde Bewegungen, mit denen es Bronzong und Magbrant in Schach hält und gleichzeitig austeilt.
    Galagladi bewegt sich so schnell wie noch nie, um seinen Konkurrenten auszuschalten. Pliprin entgeht einem Felswurf, indem es sich hinter Bronzong duckt und danach mit einem Sprung den nächsten Angriff vorbereitet. Toxiquak landet einige schwere Treffer gegen Tsuname, die meine Wasserschlange jedoch mit einer Erholung kompensiert. Unser Zweikampf, ich gegen Saturn, ist in vielerlei Hinsicht wichtig für das Fortbestehen Sinnohs. Ich muss den Galaktikern ihren Kopf nehmen. Ich muss die Zerstörung aufhalten, die sich von der Speersäule ausbreitet. Derjenige von uns, der verliert, verliert die Moral seiner Verbündeten.
    Saturn selbst erteilt seinen Pokémon ebenfalls Anweisungen, ist ansonsten jedoch eher passiv. Kann er kämpfen? Soll ich die Chance nutzen und ihn einfach angreifen? Oder schützen seine Pokémon ihn? Zögern hilft mir nicht. Ich strecke eine Hand nach vorn, die Handfläche leicht nach unten gerichtet, den anderen Arm winkele ich an und nehme meine Kampfhaltung ein. Nach kurzer Berechnung renne ich los, auf den Galaktik-Boss zu. Er richtet seine Augen auf mich, die erschreckend gefühllos aussehen. Kurz bevor ich ihn erreiche, springe ich ab, nehme die Hand zurück, balle sie zur Faust, stoße sie nach vorn und ziele auf seinen rechten Arm. Beinahe zu schnell für mich hebt er einen Arm, schlägt meine Faust nach unten und bringt mich aus dem Gleichgewicht. Ich rolle mich ab und springe wieder auf die Füße.
    „Zorro, Teleport, dann Psychoklinge! Tsuname, setz Eisstrahl ein, wenn die Attacke da weg ist.“, es ist nicht leicht, gleichzeitig selbst zu kämpfen und den Pokémon zu sagen, wie sie kämpfen sollen. Saturn ist ein ernst zu nehmender Gegner, merkwürdig. Er sieht gar nicht so stark aus, wie er sich verhält.
    „Du wirkst eingeschüchtert. Woran liegt das nur?“, fragt er. Ich sage nichts. Was hätte ich auch antworten sollen? Ich habe noch nie gegen ihn gekämpft, kenne seine Eigenheiten und Schwächen nicht. Im Gegensatz zu vielen anderen Menschen, gegen die ich schon bestanden habe, hält er sich völlig aufrecht, seine Haltung ist kerzengerade und verrät nichts über seine Schwächen. Auch eben, als er mich abgeblockt hat, war keine Bewegung verschwendet oder unnötig. Angst hat er auch keine, obwohl ihm selten ein stärkerer Gegner als ich gegenüber gestanden haben dürfte, ohne mich selbst loben zu wollen.
    Er muss dieses Portal oben am Kraterberg irgendwie mit Energie versorgen, denke ich. Da Rocky die Maschine, in der Siata gefangen gehalten wurde, zerstört hat, kann sie nicht der auslösende Faktor sein. Aber welcher ist es dann? Ich reiße mich zusammen, als mich die Trauer über Rockys Tod wieder überkommt. Ich will es einfach nicht akzeptieren.
    Während wir weiterkämpfen, kommt mir ein anderer Gedanke. Wenn ich diesen Typen besiege, ist es vorbei! Alles ist vorbei. Team Galaktik hätte verloren. Sinnoh wäre gerettet und Rockys Mission erfüllt. Ähnliches muss ihm durch den Kopf gehen, seine Angriffe werden immer härter. Es kostet immer mehr Mühe, sie abzuwehren oder auszuweichen. Von allen Gegnern, die ich bisher hatte, ist Saturn der stärkste. Nicht einmal Yussuf kann mit der Wucht mithalten, mit der mich die Hiebe treffen. Nach wenigen Minuten sind meine Unterarme von blauen Flecken übersät, ich bin sicher, dass es dem Galaktik-Boss genauso geht. Meine Angriffe kann er bisher auch abwehren.
    Zeit, einen Gang hochzuschalten.
    „Tsuname, weich aus! Oh, nein!“, Toxiquak und Galagladi haben sich zu zweit auf Milotic gestürzt, als mein Galagladi durch einen Mogelhieb zurückgetaumelt ist. Durch die doppelte Kraft wird Tsuname besiegt, doch das Galagladi von Saturn kehrte Zorro dabei den Rücken, und das hätte es nicht tun dürfen. Die nächste Psychoklinge erledigt es ebenso. Zorro nutzt den Schwung aus, teleportiert sich hinter Toxiquak und besiegt es gleich mit. Ich lächele grimmig.
    „Sieht aus, als hätten wir Gleichstand.“
    „Freu dich nicht zu früh, Jou.“
    „Im Gegenteil. Ich lege jetzt erst richtig los.“, ich zögere nicht weiter. Für Ekitai Shojou reicht meine Kraft nach dem Kampf gegen Siata nicht mehr, aber ich kann immer noch das Wasser nutzen, was sich in der Umgebung befindet. Ein Donnerblitz jagt von irgendwo rechts auf mich zu, ich weiche mit einem Rückwärtssalto aus. In derselben Sekunde, in der ich aufkomme, springe ich schon wieder nach vorn. Saturn sieht mich kommen und geht runter, greift dann mit dem linken Bein und dem Arm zugleich meine rechte Seite an, auf der ich nichts sehe. Ich versuche, auszuweichen, doch die Entfernung war zu knapp bemessen. Er trifft mich an der Schläfe und an der Hüfte. Die Kraft reicht, um mich durch die Luft zu schleudern und hart aufprallen zu lassen. Mir bleibt kurz die Luft weg. Ich bleibe einige Sekunden liegen, um wieder Luft zu holen, richte mich dann wieder auf. Alle verlassen sich auf mich, Versagen kommt nicht infrage. Ich aktiviere meine Wasserkräfte. Es wird wieder einige Grade kälter um mich herum, die Luft gefriert fast.
    „Oh. Werden wir etwa Zeuge deiner geheimnisvollen Fähigkeiten?“, fragt Saturn emotionslos. Es klingt, als würde er mich verspotten, doch so etwas liegt wohl ebenfalls außerhalb seines Repertoires.
    „Vielleicht.“, erwidere ich nur und greife wieder an. Ich weiß genau, wo ich einen Treffer landen muss, damit es richtig wehtut. In dieser kalten Luft kann ich weitaus besser atmen, meine Reflexe werden schärfer. Unser Atem bildet kleine Wölkchen in der Luft. Trotz meiner fehlenden Sicht überwinde ich durch pure Geschwindigkeit Saturns Defensive und versetze ihm einen Tritt in den Solarplexus. Ich sehe, wie ihm nun seinerseits die Luft wegbleibt, er schnappt nach Luft wie ein Fisch, der an Land gezogen wird. Der Boss taumelt zurück, hält sich mit beiden Händen den Bauch. Ich setze nach, zwei schnelle Kicks treffen seinen Oberschenkel. Er knickt ein.
    Als seine Uniform am Hals verrutscht, sehe ich dort etwas Grünes glänzen. Hat er die extrahierte Kraft ebenfalls zu einer Kette geschmiedet, wie Zyrus es damals tat? Damit kanalisiert er das Portal! Das muss es sein. Wenn ich ihm das Ding abnehme, dürfte mir das den Sieg erleichtern. Oder ich schlage ihn K.O., das geht auch. Mehr Zeit zum Nachdenken habe ich nicht, seine Pokémon machen ebenfalls mehr Druck. Mein Team gerät arg in Bedrängnis, es kostet mich jedoch nicht viel, mir einen Plan auszudenken, wie ich in vier Schritten zwei seiner Pokémon ausschalten kann. Saturn wittert die Falle, verhindert Galagladis Teleport mit einem Folterknecht, damit ich diese Technik so schnell nicht mehr einsetzen würde. Im selben Moment, in dem er die Attacke befiehlt, plane ich um. So laufen meine Kämpfe immer ab; es kommt nur darauf an, schneller zu sein, als der Gegner. Als sich Zorro in einer günstigen Position befindet und das gegnerische Iksbat mit Garados beschäftigt ist, denke ich, es wäre schlau, angreifen zu lassen, und bevor ich zu Ende gedacht habe, ist der Befehl schon ausgerufen. Saturn ist ähnlich schnell. Die gleichzeitige physische und psychische Belastung ist enorm.
    Ich selbst versuche, Saturns Vorteil auszugleichen, den er gegenüber meiner eingeschränkten Sicht hat. Mit fließenden Bewegungen schaffe ich es immer wieder, ihm auszuweichen. Nach einigen Minuten wird das grüne Schimmern stärker, zur selben Zeit erhöhen sich auch sein Tempo und seine Kraft. Er nutzt die Energie der Kette für seinen eigenen Nahkampfstil. Nicht gut. Unsere Schläge und Tritte werden immer heftiger, während mehr und mehr unserer Pokémon besiegt werden. Ich bin schnell, er ist es auch, und manchmal kann ich die Niederlage eines Partners nicht verhindern. Grüne Energieschleier lösen sich nach und nach aus Saturns Körper, ich sehe sie auch nur, weil ich so nah dran bin. Er holt zu viel Kraft aus der Kette. Dem kann ich nur entgegenwirken, indem ich meine Muskeln dehnbarer mache, als es für einen Menschen normalerweise gut ist, um besser auszuweichen. Einem geraden Tritt weiche ich aus, indem ich mich weit nach hinten biege und dabei mit den Armen abstütze. Ich verlagere mein Gewicht, kriege die Beine hoch, verpasse Saturn einen Tritt von unten gegen das Kinn. Erneut taumelt er zurück, fängt sich aber auch sofort wieder, um nun selbst anzugreifen.
    „Du hast keine Chance. Sicher weißt du mittlerweile, woher meine Kraft kommt.“, sagt er und holt mit rechts aus. Ich kreuze die Arme vor der Brust, der Schlag erschüttert mich bis in die Knochen. So stark kann ein Mensch eigentlich nicht sein.
    „Aus der komischen Kette. Das ist Siatas Kraft! Niemand hat das Recht, sie zu benutzen, außer ihm.“
    „Lächerlich. Nun ist es meine, und die benutze ich, um dich zu zerschmettern, Jou.“, kalt wird ihm auch nicht, wie ich schnell bemerkt habe. Ich muss das schnell beenden. Saturn drängt mich ab, sodass ich ein wenig zu weit rechts stehe. Ich kann ihn nicht mehr genau erkennen und verfluche mein fehlendes Augenlicht. Der Kampf wird immer härter, mit den Sekunden, vielleicht Minuten oder gar Stunden werde ich immer öfter getroffen. Mein Zeitgefühl ist im Eimer. Ein besonders harter Schlag trifft meinen Ellbogen, ich höre ein trockenes Knacken. Schmerz rast meine Schulter herauf. Mein Arm lässt sich nicht mehr bewegen. Den Schrei kann ich unterdrücken.
    Also wehre ich die folgenden Angriffe umso hastiger mit nur einem Arm und meinen Beinen ab. Saturn ergeht es aber nicht anders. Ich habe stärkere Beine als er. Jeden Kick, den er abwehrt, bereitet ihm mehr Schmerzen, das sehe ich genau. Letztendlich hat er aber einen riesigen Vorteil: er hat davor nicht gekämpft, während ich mich schon mit Siata auseinandersetzen musste. Er ist ausgeruhter und frischer als ich. Andererseits bin ich jünger und geschmeidiger als er. Und ich trainiere oft, was er aber offenbar auch tut, wie ich an seinen kraftvollen Bewegungen erkenne. Das macht es nicht leichter.
    In einem Moment nutzt er meinen nutzlosen Arm und mein fehlendes Auge gleichzeitig aus und greift aus einem Winkel an, den ich nicht vollständig sehen kann. Ich versuche, das Bein hochzureißen, aber ich bin zu langsam. Sein Schlag trifft mich mitten ins Gesicht, er setzt nach und landet zwei weitere Treffer in meinem Magen und am Hals. Ich muss husten. Rote Tröpfchen fallen auf die Erde. Meine Nase fühlt sich gebrochen an.
    Die nächste Minute ist die reinste Qual, ich versuche, mich so gut es geht zu verteidigen, doch Saturn lässt nicht nach. Von überall scheinen die Schmerzen zu kommen. Ich spüre, wie meine Gedanken verschwimmen. Mein Blickfeld verdunkelt sich. Heftig keuchend breche ich in die Knie.
    /


    „Nein. Nein. Neineinein, das kann unmöglich wahr sein.“, flüstert Lucia und klammert sich an Lees Arm. Er starrt ausdruckslos zu dem runden, freien Feld in der Mitte des Kampfes herüber, auf dem Maria und Saturn kämpften. Nur noch Garados und Iksbat sind übrig, doch Maria liegt am Boden und regt sich nicht mehr. Saturn steht über ihr, die Faust noch zum Schlag erhoben. Grünes Licht strahlt von ihm ab. Während des Kampfes ist dieses Glühen immer stärker geworden. Lee versucht, durch die Reihen der Trainer zu Maria zu gelangen, doch Pay streckt den Arm aus und packt ihn. Der Blonde fährt herum.
    „Was soll das? Ich muss zu ihr!“
    „Is zu spät, Alter. Wenn sies jetz nich packt, sind wir eh am Ende. Schau ma, wie motiviert die Typen sind. Und von uns kann keiner gegen Saturn gewinnen.“, tatsächlich scheinen die Galaktiker nun endlich an sich zu glauben, jetzt, wo Maria aus dem Weg scheint. Lucia schlägt sich eine Hand vor den Mund. Sie hat schon oft gesehen, wie ihre Freundin am Boden war, doch jedes Mal hat sie es schnell geschafft, wieder obenauf zu sein. Diesmal aber scheint es anders. Das rote Rinnsal in ihrem Gesicht ist nicht zu übersehen. Ihr rechtes Auge ist von Haarsträhnen verdeckt. Das linke ist leicht geöffnet, doch sie scheint nichts zu sehen.
    //


    Herzhofen
    Emma sieht den Fernseher an. Überall in Sinnoh wird die Aufnahme Pias übertragen, welche live vom Kampfplatz sendet. Der finale Kampf zwischen den Trainern Sinnohs und Team Galaktik hält die Region in Atem.
    „Mama? Das Mädchen soll aufstehen.“, sagt sie mit leiser Stimme. Ihre Mutter nimmt sie in den Arm.
    „Das hoffe ich auch.“
    „Wieso tut es denn das nicht?“
    „Sie ist sehr, sehr schwach im Moment.“
    „Ich bin nicht schwach, kann ich ihr meine Kraft schenken?“
    „Du kannst für sie beten.“, entgegnet die Mutter und fixiert den Bildschirm. Jeder in Herzhofen hat zu spüren bekommen, was es bedeutet, wenn Team Galaktik an der Macht ist. Sie hofft, dass Maria und ihre Freunde stark genug sind. Die Wochen zuvor waren schlimm gewesen, andauernde Explosionen und Kämpfe in den Straßen.
    „Bitte steh auf. Sinnoh braucht dich.“
    //


    Blizzach
    Ein älterer Mann greift nach seinem Wasserglas. Er sitzt im Wohnzimmer. Auch er sieht sich den Kampf an, fragt sich nebenbei, wie die Reporterin so nah ans Kampffeld herankommen konnte. Als Maria zusammenbricht, zuckt er zusammen. Zu seiner Zeit gab es noch keine größenwahnsinnigen Superschurken, weil einfach die Technik nicht ausgereift war. Er hofft inständig, dass die Trainerin sich wieder aufraffen kann, um ihren Feind zu besiegen.
    „Hoch mit dir, Fräulein. Tu uns das nicht an. Ich weiß, dass du es kannst.“, murmelt er.
    „Lass Sinnoh nicht hängen.“

  • Kapitel 57
    Kampf um Sinnoh (Teil 4) –Snow white sorrow


    18.7.2009


    Sogar das Atmen tut weh. So etwas habe ich lange nicht mehr gefühlt, nicht mal in den Kämpfen gegen Mewtu. Da wurde ich gnädigerweise immer schnell ohnmächtig. Einatmen. Ausatmen. Nicht sterben, Maria. Du packst das. Irgendwo in der brennenden Hölle unterhalb meiner Brust müssten sich meine Beine befinden, vielleicht kriege ich sie ja dazu, mir den Gefallen zu tun und sich zu bewegen. Mein Inneres fühlt sich an als wäre es geschmolzen. Ist er zu stark? Nein, auf keinen Fall. Das volle Ausmaß meiner Kräfte sollte jeden besiegen, der sich mir in den Weg stellt.
    Das rechte Bein zuckt kurz. Ein Anfang.
    /


    Saturn hingegen fühlt nichts. Er hat, genau wie Zyrus damals, das geschafft, was notwendig war, um das Richtige zu tun: seine Emotionen verbannt. Doch der Sieg ist köstlich gewesen. Endlich hat er seine einzige wirkliche Feindin zerschmettert. Die Verzweiflung in den Augen ihrer Freunde entschädigt ihn für die ganzen Rückschläge, die er ihretwegen zu verzeichnen hatte. Er blickt kurz herab und stößt Maria mit dem Fuß an. Sie rührt sich noch immer nicht. Ihr linker Stiefel ist nahezu völlig zerstört, die Belastung des Kampfes war zu groß gewesen. Ihre ganze Kleidung weist überall Risse, Schnitte und Löcher auf. Der Rest der Trainer ist jetzt kein Problem mehr.
    „Rühr sie nicht an!“, brüllt der Eisbrecher herüber. Ach ja richtig, die beiden liebten sich ja. Wie unnötig und irrational. Und was hat es ihnen letztendlich gebracht? Nichts.
    „Da das nun erledigt ist…“, Saturn richtet seine zerzauste Frisur ein wenig. Er muss zugeben, dass das Mädchen gut war. Nicht gut genug natürlich, aber sie war sehr stark.
    „…muss ich euch zur Kapitulation auffordern. Ansonsten endet ihr alle so wie sie.“
    „Das! Ist völlig, inkorrekt. Korrekt! Er, ich meine, sie, nein, wir! Haben auf ganzer Linie. Gewonnen, und! Ihr seid am Ende.“, mischt sich Uranus mit ein. Venus lacht leise.
    „Immerhin habt ihr noch mich, damit ihr ihre Stimme noch hören könnt.“
    „Halts Maul!“, ruft Pay. Er dreht sich zu Manon um.
    „Was meinste, was machen wir? So viel Kampfkraft kriegen wir nie wieder auf einem Fleck zusammen. Zurückziehen ist unmöglich. Wir müssen das zu Ende bringen, auch ohne Maria.“, Manon sind, genau wie Lucia, die Augen feucht geworden. Eva lässt den Tränen freien Lauf, ihr geht nicht vieles nah, sie hat noch nie erlebt, wie jemand Maria in einem Kampf so auseinandergenommen hat. Der Anblick war ihr zu schockierend gewesen. Ist das das Ende ihrer Sinnoh-Region? Wird die Zerrwelt wirklich alles auslöschen, was hier existiert? Sämtliche der jungen und älteren Trainer um sie herum sind still. Jeder hier weiß, was auf dem Spiel steht. Jeder hier kennt Maria.
    „Jetzt steh schon auf, Frau! Ich weiß genau, dass du das kannst!“, der Chief hält die Hände wie einen Trichter in Marias Richtung. Lilith sieht ihn kurz an. Auf ihrer Reise hat sie gelernt, dass auf ihn Verlass ist. Also lässt sie den Chief jetzt auch nicht im Stich.
    „Maria, hör auf mit dem Unsinn! Hoch mit dir!“, schreit sie nun ebenfalls. Der Trainer hinter ihr lässt sich anstecken.
    „Aufstehen!“, der Ruf setzt sich weiter fort. Lucia sieht sich verwundert um. Dann nickt sie grimmig, wischt sich die Tränen weg und hebt die Faust in die Luft.
    „Aufstehen! Aufstehen!“, nach wenigen Momenten erschallt ein Chor aus tausend Stimmen, die Maria anfeuern. Saturn hebt desinteressiert die Brauen. Als Chef, Lee und Pay gleichzeitig ihre Attacken auf ihn abfeuern, halten seine Commander sie auf. Eis, Felsbrocken und Feuer prallen an den Schutzschilden ab, welche Uranus und Venus errichten.
    „Ihr wollt nicht aufgeben? Gut. Dann eben auf die harte Tour.“, während dieser Worte verstärkt sich das Blitzgewitter auf der Speersäule. Die ersten, riesigen Steinbrocken lösen sich und rauschen in das offene Portal. Saturn konzentriert sich. Das Blitzgewitter färbt sich grün. Als er eine Bewegung neben sich wahrnimmt, erstarrt er kurz, bevor ihm einfällt, dass Maria, auch wenn sie jetzt aufsteht, keine Gegnerin mehr ist. Das Mädchen krallt die Finger in die Erde, hinterlässt dort blutige Kratzspuren. Sie zieht die Beine an, stützt sich mit einem Arm ab, und drückt sich in die Höhe. Ihr linkes Bein zittert stark, doch es reicht nicht, um sie zu Fall zu bringen. Ein Arm hängt nutzlos an ihr herab, doch sie steht. Sie hat den Kopf in den Nacken gelegt und sieht in den Himmel. Die Trainer Sinnohs brechen in Jubel aus. Das Lächeln auf Marias Gesicht wirkt, als hätte sie auf einmal eine Idee, wie sie gewinnen kann. Unmöglich, denkt Saturn. Das Lächeln muss durch irgendwelche angeschlagenen Nerven aktiviert worden sein. Sie kann ihn nicht auslachen, so kurz nachdem er sie besiegt hat.
    „Ich wusste es!“, brüllt der Chief. Lucia und Eva fallen sich um den Hals. Manon hat einen Arm über dem Gesicht, um ihre Gefühle zu verbergen. Lee fühlt, wie ihn die Liebe zu Maria übermannt. Sie erstaunt ihn jeden Tag aufs Neue.
    „Team Galaktiks Zeit ist abgelaufen.“, murmelt Maria. Sie nimmt die Arme langsam hoch. Ein Ring aus Wasser entsteht, wabert in der Luft. Kleine Wassertropfen schweben um ihn herum, runter zu dem verletzten Bein, und verschmelzen mit der Haut. Das Zittern in ihrem Bein lässt nach.
    „Du kannst kaum mehr stehen. Woher willst du so viel zusätzliche Kraft nehmen? Gib endlich auf.“, fragt Saturn. Sie antwortet nicht. All diese Wochen haben sie gegen Saturn und sein Team gekämpft. Nun kann - und wird- sie es beenden.


    Ich sehe meinen Gegner genau vor mir. Er hat ordentlich eingesteckt, nicht so viel wie ich, klar, aber es reicht. Sinnoh hat lange genug unter Team Galaktik gelitten. Ich sammele meine ganze verbliebene Kraft. Für diesen einen Angriff habe ich noch genug. Ich habe ihn so oft durchgeführt. Aber es brennt alles so sehr. Meine Sicht verschwimmt schon wieder. Als würde ich in einem brennenden Topf stehen. Saturn weiß, wie schwach ich bin. Ich weiß, dass mir alle zusehen. Alle Trainer hier, meine Freunde, Lee. Und sie rufen etwas, doch ich höre nur das Rauschen meines Bluts in den Ohren… und merkwürdigerweise ein Orchester, das zum Crescendo aufspielt und von einer Sängerin untermalt wird. Komisch. Alle zählen auf mich. Alle warten auf meinen Sieg. Es fühlt sich wider Erwarten gut an. Die Gedanken rasen. Aus einem Mädchen von der Straße ist jemand geworden, auf den man sich verlassen kann, eine Trainerin, in die Hoffnungen gesetzt werden. Verdammt, ich fühle mich so stark! Als würden die tausend Stimmen mir Kraft verleihen.
    „Weißt du, es war ab und zu sogar aufregend. Wie bei einem Schachspiel. Nur bist du jetzt Schachmatt, Jou.“, sagt Saturn, als ich endlich meine Energie gebündelt habe. Wie nett von ihm, dass er extra wartet, denke ich, aber wahrscheinlich ist er nur siegessicher.
    „Gibst du zu, dass du verloren hast? Dass Dinge wie Liebe und Freundschaft nicht existent sind?“, fragt Saturn, als er die Tränen auf meinen Wangen bemerkt. Das reicht. Dieser Kerl hat Rocky auf dem Gewissen und bereut nichts!
    „Nichts, woran ich glaube, ist eine Illusion, du Abschaum! Dein Kalkül und dein Plan haben Rocky umgebracht.“, ich höre, wie Eva hinter mir nach Luft schnappt. Saturn hebt eine Braue.
    „Und?“, dieses Wort löst in mir etwas aus, was ich lange nicht gespürt habe. Als mir Lee genommen wurde, war ich zornig, aber diesmal ist es völlig anders. Rocky lebt nicht mehr. Es gibt nichts, was ich tun kann, um das rückgängig zu machen. Wut überflutet meinen Verstand.
    „Ja. Ich will wissen, was du noch zu sagen hast. Menschen leben, Menschen sterben. Das ist nur natürlich. Die Polizistin wusste, auf was sie sich einlässt.“, weiter kommt er nicht, ich fange an zu schreien.
    „Sie wollte nur Gutes tun! Rocky hat mehr gegeben, als irgendwer hier zu geben bereit ist! Sie hat ihr LEBEN gegen deinen verfluchten Plan eingesetzt!“
    „Aus Liebe entstehen Opfer. Und aus Opfern entstehen Leiden. Aus Leiden entsteht Wut. So ist der Gang der Dinge.“
    „Dafür wirst du bezahlen! ZETTAI YURUSENAI!“, ich spüre, dass ich ihn töten will. Mit meinen eigenen Händen. Das ist gar nicht gut, ich brauche die Kontrolle über meinen Körper. Die Trainer hier sollen nicht Zeugen davon werden, wie ich einen Mord begehe.
    „Ich weiß nicht, was diese Wut dir nutzen soll. Gefühle lenken nur vom eigentlichen Ziel ab.“
    „Du hast das verloren, was einen Menschen zum Menschen macht. Durch Gefühle und Freundschaft werden wir stärker. Shinkai Kogeki!“, Saturn erblasst, als er merkt, dass ich doch noch mehr Kraft in mir habe, als er wohl vermutete.
    „Nein. Das ist nicht mö…“
    Jeder Trainer in Sinnoh, der momentan auf dem Kampffeld dabei ist oder per Fernseher zuschaut, sieht, wie Maria das eine Bein anwinkelt, sich einmal blitzschnell um die eigene Achse dreht, das Bein dabei streckt, auf Saturns Kopf zielt und ihn frontal erwischt. Ihr verbliebenes Auge glüht in dunklem Blau. Während dieser irrsinnigen Bewegung hat der Galaktik-Boss nicht einmal genug Zeit, die Augen überrascht aufzureißen. Diesmal ist es Maria, die nachsetzt, ihre Tritte werden immer schneller, niemand außer Manon und Lee sieht, wie genau die Maria angreift. Saturn wehrt mit Müh und Not so viele Angriffe ab, wie er kann, wird jedoch sehr schnell an seine Grenze getrieben. Ein letzter Kick vonseiten der Braunhaarigen streckt ihn zu Boden.
    Sie kniet sich über ihren Feind, der sie aus gerade noch so geöffneten Augen anstarrt. Was er zu ihr sagt, hört außer der Wassertrainerin niemand. Ein Käfig aus Eis, der aus dem Nichts erscheint, schließt den Galaktik-Boss ein. Maria bleibt so knien, ihre Kraft reicht nicht mehr, um aufzustehen. Sie holt tief Luft.
    „Für Sinnoh!
    Nach diesen Worten stürmen hunderte von Trainern an ihr vorbei, auf die Gegner zu.
    „Haste das gesehen? Die hat ihn voll ausm Bild getreten!“, grinst Pay.
    „Was auch immer du damit meinst.“, entgegnet Lee. Er zückt einen Pokéball und wirft. Das Blitzgewitter oben auf dem Kraterberg lässt nach, es dauert nicht lang und es sind nur noch einige schwarze Wölkchen übrig, die von der verhinderten Zerstörung Sinnohs künden. Die Energie, die nötig war, um das Portal zu öffnen, kam anscheinend von Saturn- und nun, da er bewusstlos ist, kanalisiert er die nötige Kraft nicht mehr.


    Alfred nimmt den Arm, den er sonst immer auf dem Rücken hat, nach vorn. Ein weiterer Pokéball befindet sich darin.
    „Wir müssen noch einmal gewinnen, mein alter Freund. Los.“, sagt er, seine Stimme klingt, als würde er in einem britischen Teehaus sitzen und nicht auf dem Kampfplatz. Ein gigantisches Dragoran bricht aus dem Ball hervor, landet mit einem Krachen auf der Erde hinter dem Gentleman und brüllt in die Luft. Steph klappern von dem Geräusch die Zähne, sie spürt die Vibration sogar in ihrem Magen.
    „BUUURN!“, Pay ist mal wieder total begeistert von dieser Gelegenheit, allen seine Stärke zu zeigen. Sein Panferno hat den Kampf mit Siata noch nicht verkraftet, daher holt er sein letztes Pokémon raus. Ein Heatran. Es stampft neben ihm her auf die gegnerischen Reihen zu. Kurés Cresselia schwebt neben Alfreds Dragoran und wartet auf ihren Einsatz. Tais Lucario kämpft gemeinsam mit dem Wie-Shu von Hagane, welches sich gerade erst entwickelt hat. Manon schickt ihr Zapdos in den Kampf, welches sich zu Lees Arktos gesellt und über den Trainern kreist, dabei unablässig Donnerblitze auf die Galaktiker herabregnen lässt. Steph beobachtet gebannt, wie all diese übermächtigen Pokémon in den Kampf starten.
    „Steph? Worauf wartest du?“, ruft ihr Tommy zu, der nun auch losrennt und sich damit den Trainern anschließt, die Team Galaktik besiegen wollen. Neben ihm schießt der Bruder von Sally einen Fußball in Richtung der Galaktiker, trifft einen von ihnen in den Magen und lässt ihn zusammenklappen. Der Ball springt zurück, wo der Torwart ihn auffängt.
    „Ich komm schon! Raichu, raus mit dir!“, überall um sie herum werden neue Pokémon gerufen, die diesen letzten Angriff begleiten sollen. Evas Simsala, welches in den letzten Wochen Herzhofen bewachte, ist ebenso dabei wie das Machomei von Lilith und ein merkwürdiges Quallenpokémon von Lamina, welches sie noch nie zuvor gesehen hat.
    Kurz bevor auch Kuré losrennt, packt ihre Mutter sie und sieht sie an.
    „Maman! Was iest los?“
    „‘ast du gesä’ön, was für ein Pokémon Maria da vor’in benusst ‚at? Diesär komische Geist?“
    „Non, weiß iesch niescht.“
    „Iesch würdä es gärn kennen lärnön.“
    „Ssu’ärst müssän wier gewinnen!“
    Mehr Zeit zum Reden bleibt nicht. In der Mitte, wo Maria und Saturn gekämpft haben, prallen die beiden Seiten aufeinander. Heatran schafft sehr bald sehr viel Platz um sich herum, da es Spaß daran zu haben scheint, massive Feuermengen einfach in die Gegend zu spucken, die Gegner werden vorsichtig. Dragoran hält es genauso, dort, wo sein Schweif zuerst große Löcher in die Abwehr der Galaktiker gerissen hat, ist bald eine große, freie Stelle, weil sich niemand mehr in seine Nähe traut. Simsala und Machomei haben sich hinter Heatran postiert und wehren die Wasserattacken ab, die es treffen würden. Der Chief kämpft mit Geowaz, Rameidon und Wielie gleichzeitig. Er konnte sie erst rufen, als der Regen nachgelassen hat, den Saturns merkwürdige Maschine auslöste. Steinpokémon mögen kein Wasser.
    „Du! Gehörst, wenn, nein, ganz unsicher. Sicher. Mir! Ich, fordere dich zum! Kampf.“, dieses Sprachmuster kann nur einem gehören, denkt Eva, und sieht sich Uranus gegenüber.
    „Uns?“
    „Nein, dich!“
    „Also Uns. Simsala!“
    „Nein, ich. Meinte! Dich.“
    „Genau das sagten Wir doch.“, Uranus fragt nicht weiter. Evas Sprechweise verwirrt ihn. Sein Honweisel erscheint in einem roten Blitz und soll nun Eva bekämpfen. Sobald Eva das Käferpokémon sieht, befiehlt sie ihrem Simsala einen Donnerblitz, der von Blockbefehl abgewehrt wird.
    „Simsala, goldener Stern, bitte.“, viele der Trainer aus Rockys Team besitzen einzigartige Angriffstechniken, die von Eva ist- ganz ihrer Art entsprechend- auf Eleganz und Stärke ausgelegt. Simsala beginnt mit einem Lichtschild, der sich als golden glänzende Kuppel manifestiert und es vor Attacken schützt, überlagert wird die erste, goldene Kuppel von einer zweiten, einem Schutzschild, welches weiß glüht. Zuletzt feuert Simsala die gesammelte Psychoenergie aus beiden Schilden ab, um eine flächendeckende Psychokinese freizusetzen, wie ein goldener Stern, der explodiert. Nur Honweisels Typvorteil gegenüber Psycho-Attacken schützt Uranus davor, von Eva Touretto mit nur einer Attacke besiegt zu werden. Die Explosion des goldenen Sterns hinterlässt ein kleines Universum voller weißer Sternchen, die um Simsala herumschweben.
    Die letzten Jahre hat Eva nur in Begleitung ihrer Bodyguards gelebt, nun, denkt sie, ist es an der Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen. Sie würde sich ebenfalls auf Reisen begeben, um neue Dinge kennen zu lernen- vielleicht sogar jemanden, der sie liebt, ohne dass sie ihre Fähigkeit einsetzt. Sie wirft ihr blondes Haar zurück.
    „Er gibt nicht auf?“
    „Doch! Nein, will ich. Muss ich, sagen. Es ist richtig, dass du schwach, nein, stark bist, aber das! Hält mich nicht davon ab, für. Team Galaktiks Ehre zu kämpfen.“
    „Ehre? Hm. Wir werden Ihm zeigen, wie ehrenvoll Sein Team ist.“, entgegnet Eva. Sie hat nicht vor, Gnade walten zu lassen. Früher, als sie mit Lilith und Eva unterwegs war, war sie diejenige, die Liliths Sanftheit und Marias Arroganz ausgeglichen hat. Sie kann beides sein- auch zugleich, wenn es sein muss.
    An mehreren anderen Stellen des Kampffeldes suchen sich die Commander ebenfalls die gefährlichsten Gegner aus.


    Solaris, der Kerl mit dem Rexblisar, wird von Lilith aufgehalten.
    „Nun sehen wir, wer die echte Solaria ist.“, raunt die Schwarzhaarige.
    „Tut mir leid, ich bekämpfe nur geistig gesunde Menschen!“, erwidert er mit seiner nervtötend hohen Stimme. Ohne weitere Worte geht Lilith auf ihn zu. Ihr Machomei folgt ihr in den Kampf.
    „Amoroso, zeige ihr unsere Kraft!“
    „Machomei, rote Sonne!“, das Kampfpokémon kreuzt die Arme, alle vier beginnen zu brennen. Die Flammen vereinen sich zu einer roten Kugel, die aussieht wie eine Sonne. Danach reißt Machomei die Arme zurück, springt auf seinen Gegner zu und landet einen Treffer mit allen vier Armen zugleich, unter dem Amorosos Schutzschild restlos zerbricht. Die rote Sonne trifft Amorosos Panzer.
    Und explodiert.
    In Machomeis Einschlagsradius springen die Trainer und Galaktiker beiseite, um nicht auch noch von der Explosion erwischt zu werden. Als sich die große rote Kugel verflüchtigt, hinterlässt sie einen Krater mit einem Amoroso, was sich kaum mehr aufrecht halten kann. Lilith lacht laut.
    „Da, das ereilt dich, wenn du für die falsche Seite kämpfst!“
    „Unmöglich! Ich hatte es ausgerechnet, der Sieg stand fest…“
    „Berechnungen helfen nichts…gegen die süße kleine Lilith…“, haucht das Mädchen, als es auf den Officer zugeht.
    „YO! Lilith!“, ruft Pay herüber. Sie zuckt zusammen.
    „Ja?“
    „Alles klar?“
    Sie stutzt, überlegt einen Moment. Ihre Gedanken werden wieder klarer.
    „Ja. Machomei, Kreuzhieb, los!“, sie kämpft weiter. Ihr Leben hat einiges bereitgehalten- die Begegnung und die Reise mit Eva und Maria, dann die lange Gefangenschaft, dann erneute Freiheit und das Training mit Pay… ja, es hat sich alles zum Guten gewandt. Lilith ruft ein weiteres Pokémon, um Solaris auszuschalten. Ihr Hundemon knurrt laut. Wenn sie kämpft, droht der in ihr wohnende Wahnsinn manchmal, Überhand zu gewinnen. Nur in Pays Anwesenheit geht es ihr gut.


    Manon steht Yussuf gegenüber.
    „Diesmal entkommst du Yussuf nicht.“, wie immer ist die Stimme des Offiziers nur ein Zischen. Manon nimmt ihr Bandana ab.
    „Will ich auch gar nicht.“, in ihrem Innern verschmelzen schwarz und weiß. Die dunkle Lichtsäule, die sie umhüllt und in den Himmel steigt, lässt die Galaktiker zurückschrecken. Volle Power. Endspurt. Für Rocky, denkt Manon. Yussuf ist unfassbar schnell, er rast auf sie zu, als würde er quasi nichts wiegen. Ihr bleibt gerade genug Zeit, die Arme hochzureißen. Dann spürt sie, wie Angels weiß leuchtende Kraft durch ihre Adern fließt. Ihre Geschwindigkeit erhöht sich ebenfalls drastisch. Ihre Flugpokémon kämpfen zu dritt gegen das halbe Team Yussufs, welches aus mehreren Unlicht-Typen besteht, die kaum eine Chance gegen die andauernden Ausweichmanöver haben. Der Schlagabtausch, den sie sich mit dem ersten Offizier des Phantoms liefert, ist für normale Augen beinahe unsichtbar, so schnell gehen beide von der Defensive in die Offensive und zurück.
    „Was ihr Rocky angetan habt, ist unverzeihlich.“, knurrt die Frau mit den weiß-schwarzen Haaren, wehrt dabei einen Rechtshaken von Yussuf ab, springt über ihn hinweg, überschlägt sich in der Luft, stößt sich, kaum dass sie auf dem Boden aufkommt, ab, will dem Kuttenträger das Knie in den Rücken rammen, doch auch er ist schnell und kann ausweichen. Knapp, aber es genügt. Manon erkennt die Trainer um sich herum kaum, ihr Sichtbereich beschränkt sich auf ihre Pokémon, die des Gegners, und Yussuf.
    „Ich habe nichts mit Rocky getan.“, zischt Yussuf. Manon überlegt, wie der Kerl in so kurzer Zeit so schnell werden konnte. Ihr kommt ein Verdacht. Hat Maria nicht…
    Ein Schlag trifft ihre Schläfe, sie kann den Gedanken nicht zu Ende führen.
    In ihrem Kopf stehen sie, Angel und die Teufelin wieder in dem schwarz-weiß gefliesten Raum mit ihren Erinnerungen. Angel hat einen Finger ans Kinn gelegt.
    „Maria hat am See mit einem Leichtstein gekämpft, ihn aber verloren, sagte sie.“
    „Und? Wir hauen dem Typen gepflegt eine rein, dann wars das.“, die Teufelin wird ungeduldig. Manon winkt ab.
    „Keinen Streit. Wenn er den Leichtstein gefunden hat, würde das seine enorme Geschwindigkeit erklären. Aber es gibt auch Nachteile, von denen Maria aus Erfahrung berichtet hat- Ihr Körper war zu leicht, sie konnte daher keine schweren Angriffe einstecken, ohne meterweit durch die Luft geschleudert zu werden.“
    „Hm. Aber dazu müssten wir den erst treffen.“, mischt sich Angel wieder ein.
    Auf dem Kampffeld weicht Manon erneut aus, Yussuf springt ihr hinterher, schafft es, einen Schlag an ihrem Arm zu landen, und wird von der Gravitation langsam wieder zurück auf die Erde gezogen.
    Dachte ich es mir. Er hat den Stein.“, mit zusammengebissenen Zähnen umkreist Manon ihren Gegner, ruft dabei für Togekiss und Kramshef neue Attacken aus. Yussufs Zobiris weicht aus, ist nicht schnell genug für Kramshefs Nachthieb, und geht zu Boden.


    Das falsche Phantom kämpft erneut gegen Lucia, die in letzter Zeit immer mit Maria trainiert hat.
    „Arrr! Immer kriege ich nur das kleine Mädchen ab! Aber gut, ich werde nicht verlieren, beim Klabautermann!“
    „Sei dir da mal nicht so sicher. Los, Plinfa!“, gleichzeitig nimmt Lucia die Verteidigungshaltung ein, die ihr Maria beigebracht hat. Sie würde zeigen, was sie draufhat, sagt sie sich. Mit einem Kick eröffnet sie den Kampf. Plinfa setzt sich mit Whirlpool gegen seinen Gegner zur Wehr. Den ersten Angriff wehrt das Phantom ab, greift in seine Tasche und zückt einen kleinen Beutel. Lucia erinnert sich an die Tricks, die beim letzten Mal gegen sie eingesetzt wurden, und duckt sich halb.
    „Diesmal klappt das nicht!“, verspricht sie.
    „Aye, das sehe ich!“, das Phantom flucht, als der Scheinangriff ins Leere geht. Sein Magnayen wird von Whirlpool getroffen, gleichzeitig greift auch Lucia wieder an. Mit dem rechten Bein will sie einen Drehkick ausführen, wie sie es oft bei Maria gesehen hat, doch das Phantom fängt ihren Knöchel in der Luft, spannt die Muskeln an und schleudert die Koordinatorin mit Wucht auf den Boden. Lucia bleibt kurz die Luft weg.
    „Aua…“, jammert sie, rappelt sich dann langsam hoch.
    „Ohne deine Freundin scheinst du nicht so ne große Welle zu machen! Woran liegt das?“, fragt der Pirat, brüllt Magnayen weitere Befehle zu und stapft los. Er streckt die Hand nach Lucia aus. Das Mädchen springt zur Seite, geht wieder in ihre Verteidigungsposition.
    „Na und? Ich mag nicht so stark sein wie sie, aber ich gebe alles, um Sinnoh zu retten!“


    Lee nimmt sich Venus vor, um endlich seine Rache zu kriegen.
    „Nicht mehr so mutig ohne deinen Chef, oder?“, fragt er leise.
    „Spiel dich nicht so auf, nur weil deine kleine Schlampe gegen ihn gewonnen hat!“, faucht sie zurück. Lee schließt die Augen und konzentriert sich.
    „Das wirst du noch bereuen.“, sein Arktos beschwört einen Blizzard, der 4 Pokémon der Galaktiker sofort einfriert. Venus weicht zurück.
    „Arktos, weiter!“, im nächsten Moment steht Lee direkt vor Venus, die in letzter Sekunde die Arme zur Verteidigung hochreißt. Lee verpasst ihr einen Handkantenschlag gegen den Unterarm, der sie erneut zurückzucken lässt.
    „Sieht schlecht für dich aus.“, doch Venus bringt sich mit einem Sprung in Sicherheit. Sie ruft ihr Venuflibis zurück, welches vom Blizzard besiegt wurde, und ruft ein Toxiquak.
    „Spürst du es? Der Winter kommt.“, sagt Lee leise. Um ihn herum wird es kälter. Maria hat zwar die Fähigkeit, Wasser, Eis und sogar Wasserdampf zu manipulieren, ihr Freund allerdings ist ein Experte des kalten Elements. Jedes seiner Pokémon ist stark genug, um einen Hagelsturm zu rufen, wenn es nur das Kampffeld betritt. So ist es auch diesmal; Arktos‘ Anwesenheit lässt die Luft gefrieren. Einerseits werden die gegnerischen Pokémon davon geschwächt, doch auch diejenigen, die auf seiner Seite kämpfen, müssen sich von Lee fernhalten.
    „Ich habe ewig in den kältesten Regionen trainiert. In den Seeschauminseln, im Eispfad, in der Eiskaskadenhöhle und in den Tiefkühlcontainern in Einall. Glaubst du, du kannst in der Hölle aus Eis bestehen?“, fragt er. Arktos schlägt einmal mit den Flügeln. Eisige Nadeln rasen auf Toxiquak zu.
    „D-d-du w-w-wagst es, d-dich Team G-galaktik in den W-weg zu stellen?“, höhnt Venus. Ihre Zähne klappern jedoch so laut, dass Lee es hören kann. Um sie beide herum ist ein Kampfplatz entstanden, auf den sich sonst niemand traut- das Gras wird hart wie Stein. Bemitleidenswerte Kreaturen. allesamt, doch sie haben den Fehler gemacht, sich mit dem Eisbrecher anzulegen, denkt er.
    „Ja, das tue ich. Hat es euch Spaß gemacht, mich gefangen zu halten? Hat es dir Spaß gemacht, Marias Stimme zu benutzen? Hat es dir auch Spaß gemacht, mich zu foltern? Nur zu, lache über mich, wie du es damals getan hast. Los.“, als sie einige Momente lang nichts sagt, verdunkelt sich Lees Gesicht.
    „LOS! Lach schon! Du willst nicht? Keine lustigen Späße mehr, dass ich Maria nie wieder sehen werde? Keine Versprechungen mehr, mir ihr Herz zu schicken, damit ich etwas von ihr habe? Was ist denn aus deinen Witzen geworden?“, er redet sich langsam in Rage, seine Stimme wird immer kälter. Venus kann ihrem Toxiquak nicht einmal mehr Befehle zurufen, so kalt ist es um sie herum. Die dünne Uniform lässt zu viel des eisigen Winds durch, der nun bis in ihre Knochen zu kriechen scheint. Lee hockt sich vor sie. In ihren grünen Haaren glitzern Eiszapfen.
    „Ich habe so lange darauf gewartet, dir zu geben, was du verdienst. Dieses hohle Gerede vom großen Team Galaktik bedeutet nichts. Du hast es wahrscheinlich gemerkt, als dein Boss verloren hat. Wir sind stärker als ihr. Ich dachte, ich würde endlich Genugtuung erfahren, wenn ich dich kaltstelle, aber daraus wird nichts. Viele meiner Gegner waren weitaus besser als du. Sieh dich an- du hast nicht einmal fünf Minuten im Sturm ausgehalten und wimmerst schon wie ein Neugeborenes. Du bist ein nichtswürdiger Bauer auf Saturns Schachfeld, wusstest du das? Gegen so jemanden zu gewinnen, bedeutet mir nichts. Aber es muss getan werden.“, Lees Worte lösen etwas aus, Venus sammelt die letzten Reste an Stolz und Trotz zusammen, die sie noch in sich trägt.
    „Ich schätze, ich sollte mich geehrt fühlen, dass ich vom großen Eisbrecher so gedemütigt wurde!“, stößt sie hervor. Lee, der schon aufgestanden und sich umgedreht hatte, wirft einen Blick zurück. Venus lacht, muss dann zweimal niesen. Sie kann ihren Körper kaum noch bewegen. Es ist, als würde sie in einer Schneekugel festsitzen; keine Verstärkung kommt ihr zuhilfe. Sie kann auch kaum weiter als 5 Meter sehen. Zu der Kälte hat sich ein dichter Schnee gesellt, der offenbar nur in einem bestimmten Bereich um dieses Arktos herum fällt.
    „Du rennst also vor mir davon, ja?“, ruft sie ihm hinterher. Eine innere Stimme schreit ihr zu, sich klein zusammenzurollen und den Sturm abzuwarten, doch immerhin ist sie Venus, die Göttin der galaktischen Commander, und niemand demütigt sie, ohne bestraft zu werden. Unter Aufbietung aller ihrer Kräfte erhebt sie sich und versucht, das Zittern in den Griff zu kriegen. Ein unheimliches Grinsen entstellt das sonst hübsche Gesicht. Lee legt sich eine Hand vors Gesicht und seufzt, verschränkt dann die Arme vor der Brust.
    „Du willst es nicht anders. Arktos!“, der Kryophönix stößt auf sein Opfer herab.
    „Ich bin nicht umsonst der Eisbrecher, die Nummer eins dieses Teams.“, Lee beschließt, seine gesamte frostige Macht gegen Venus einzusetzen. Als Exempel.


    So, die Story ist bald beendet, ich befinde mich mitten im Wintersemester und habe seit Wochen das letzte Kapitel fertig- wird alles nach und nach gepostet. Auf Kommentare hoffe ich mittlerweile nicht mehr, aber vielleicht gibt es ja doch einige da draußen, die Marias zweites Abenteuer mitverfolgt haben. Zwei weitere sind bereits in Planung- zuerst die Vorgeschichte, wie aus Maria das geworden ist, was wir hier sehen- wer ihre Eltern sind, wo sie herkommt und alles. Die nächste Geschichte befasst sich dann mit ihren Abenteuern in Kalos, wie gesagt, das kommt alles noch.


    mfg
    DoD

  • Ich verfolge deine Story nun schon ein Weilchen, machdem ich jetz alles gelesen hab, sag ich mal ein paar Worte ^~^


    Das ich nich zu jedem Kapitel einzeln was schreiben kann, kann man mir hoffentlich verzeihen, ich werd aber mal son bissl was Allgemeines sagen.


    Zuerst mal muss ich sagen: dein Schreibstil is einfach wunderbar. Lässt sich flüssig lesen, ziemlich großes Vokabular auch noch, klasse. Und die 1-2 Rechtschreibfehler auf die Menge Text, da kann man drüber hinweg sehen ^^ Und ich finde auch, dass die Kapitel ne zu lang sind, da ich das gern gelesen hab, und wenn man so "gefangen" is, da fällt die Länge nich so auf, aber das is nur meine Meinung ^^


    Die Story an sich find ich auch sehr toll, das "hin und her" springen zwischen den einzelnen Gruppen fand ich sehr interessant, und obwohl es doch recht viele waren, nicht verwirrend oder so. Auch die Individualität deiner Charaktere kann man noch positiv hervorheben, gefällt mir, da hat jeder Char seine ganz persönlichen (teils verrückten) Macken ^^ (und nen großen Pluspunkt erhälst du von mir, weil du Satun zum Big Boss der Galaktiker gemacht hast, is einer meiner lieblingschars un so x3)



    joar, is ein bisschen kurz vielleicht, aber hoffe du freust dich vielleicht trotzdem; ich kann wirklich nur sagen, dass mir die Geschichte sehr gut gefällt, und ich mich schon wahnsinnig auf das nächste Kapitel freue n.n


    LG Mettl :)