[tabmenu]
[tab=x]
Himmel x_x" Schon wieder einen Monat Pause... Und dann ist das Kapitel auch noch kürzer geworden als sonst. Es sind nur etwas acht Wordseiten, sonst waren es immer so um die zehn :D Ich entschuldige mich jetzt schon für das fehlende Niveau dieses Kapitels und hoffe, dass es euch trotzdem ein bisschen gefällt.
Und vielen, vielen Dank, dass ihr trotzdem dran festhaltete und ich jetzt sogar schon drei Kommentare habe <3 Ihr macht mich glücklich <3
[tab=Whit]
Mad Father is cool :D Keine Sorge, nur weil man auf Games steht ist man kein Nerd, und selbst wenn dann wäre ich auch einer, also von daher xD
Ja, ich glaube auch, dass Rosy sich selbst sehr unterschätzt. Sie kümmert sich um ihre Mutter, erträgt das gemobbe der Terrorziege und versucht trotzdem, ihre Eltern nicht damit zu belasten... Aber gerade deswegen, weil sie niemanden gerne belastet, fällt es ihr schwer, sich anderen ganz zu öffnen. Odette ist die einzige, der sie gänzlich Einblick gewährt, weder ihre Mutter noch Marin (der sowieso schon mal nicht) wissen genau, was alles in ihr vorgeht. Ich wollte unbedingt jemanden haben, der sie, abgesehen von Marin, unterstützt, da war das Konzept einer besten Freundin auf jeden Fall sehr geeignet.
Ja, Odette wird noch öfters vorkommen, genauso wie ein paar andere Charaktere, aber das werdet ihr dann ja (hoffentlich) sehen ^^
Wie immer, danke für den lieben Kommentar, Rechtschreibfehler werde ich beizeiten wieder einmal ausmerzen.
Caithy
[tab=Blümchen]
Huhu <3
Ich habs dir ja schon in der Pn geschrieben, aber auch hier noch einmal: stress dich doch bitte wegen so etwas nicht, okay? Es reicht mir ja im Grunde schon, wenn du das Kapitel liest, und Uni geht auf jeden Fall vor, okay? <3 Trotzdem danke, dass du dir dennoch die Mühe machst.
Zumindest den Teil mit dem weinerlichen Kind habe ich etwas von mir abgeschaut. Ich bin damals auch gerne mal gehänselt worden, aber das hat sich dann auch wieder schnell geändert und jetzt ist alles gut ^^ Vielleicht ist Rosy dadurch eine Mary Sue, aber für mich stand es von Anfang an fest, dass sie keinen Vater haben sollte. (Kann auch daran liegen, dass der im Spiel nie erwähnt wurde, lol xD) Er ist in keinem tödlichen Unfall gestorben, sondern hatte noch viel Zeit seine Frau und seine Tochter darauf vorzubereiten, was das Drama etwas abdämpft, finde ich. xD
Gerade die Selbstzweifel machen Rosy für mich zu einer glaubwürdigen Person. Sie ist nicht immer hundertprozentig fröhlich aber auch nicht total depressiv. Es ist ein gewisses Mischmasch, auch wenn sich bei ihr immer fiese Gedanken hereinschleichen. Sie ist eben ein recht pessmistisch eingestellter Mensch.
Odette ist doch unter Rivalen eingeteilt? Himmel, erschreck mich doch bitte nicht so xDDD
Ich bin auf einer reinen Mädchenschule und ich glaube, bei uns sind die Gespräche teilweise mehr unter der Gürtellinie als bei einer gemischten Schule. Wir lachen dann aber auch immer viel darüber, so etwas wollte ich auch für Odette. Sie sollte die Person sein, die Rosy ablenkt und die ihr zeigt, dass sie eine wundervolle Person ist, so wie sie ist. Deswegen wird sie auch nur äußerst selten etwas negativer über Rose sagen.
Die Fehler werd ich dann beseitigen, wenn ich etwas Zeit finde xD Danke fürs heraussuchen. ^^
Oh ja... da werden definitiv noch peinliche Situationen zwischen den drei vorkommen... *die Hände reib und böse lach*
Danke sehr für den netten Kommentar und die Mühe, die du dir gemacht hast. Hat mich wie immer sehr gefreut <3
Caithy
[tab=Sanny]
Bonjour Sanny!
Erst einmal, schicker Ava, den hatte ich auch mal ne Weile lang xD Das Bild ist glaube ich sogar irgendwo in meiner Gallerie, ich bin mir aber nicht sicher xD
Das Fanarts hab ich natürlich nicht selbst gemacht, allerdings konnte ich dazu keine gute Quelle finden, deswegen hab ich keine angegeben. Ich muss mal schauen, ob ich die irgendwo herbekomme ^^
Ich wusste beim Prolog anfangs nicht, wie ich einleiten sollte. Es sollte nichts krass spannendes werden, eben etwas, dass den Leser nicht sofort überfordert und langsam eingewöhnt.
Ich bin echt froh, dass es wieder jemanden gibt der mir sagt, dass er meinen Schreibstil und diese Geschichte gelungen findet, vielen, vielen Dank dafür <3 Und ja, ich gehe es langsam an, das sieht man bei mir in vielen Geschichten xD Ich finde, dass es immer etwas Zeit und Entwicklung braucht und das geht eben nur über Text bei einer Geschichte. ^^
Was mir Riolu ist erfährst du ja diesmal ^^
Danke sehr für den Kommentar,
Caithy <3
[/tabmenu]
Kapitel 8: Leidenschaft die Leiden schafft
Kennt ihr diese Augenblicke in denen ihr genau wisst, was ihr sagen müsst? Wenn der Lehrer euch dran nimmt, weil ihr kurz mal gepennt habt und trotzdem die Antwort auf diese eine Frage wisst? Wenn ihr einen genialen Einfall habt, über den andere sich den lieben langen Tag den Kopf zerbrechen? Oder wenn ihr die perfekte Retourkutsche geben könnt?
Ja? Na dann herzlichen Glückwunsch.
Ich kenne diesen Augenblick leider nicht.
„Rose!“
Hektisch schüttelte ich den Kopf und starrte auf das Kampfgeschehen vor mir. Riolu umkreiste Aquamarine jetzt schon eine ganze Weile in rasanter Geschwindigkeit und griff immer wieder an. Im Gegensatz zu meinem Pokemon schien es sich seiner Sache allerdings zunehmend sicherer, das Ottaro folgte den Bewegungen in Kreisdrehung. Ich sah ihm an, wie schwindelig ihm war, trotzdem vollbrachte Aquamarine noch immer das Kunstwerk auszuweichen wenn Riolu angriff.
Und ich? Ich stand immer noch regungslos daneben und konnte blöd aus der Wäsche glotzen. Juche!
Es war nicht so, dass ich nicht nachdachte und mir der Kampf egal war, ganz im Gegenteil. Ich hatte das Gefühl, dass mein Kopf bald platzen würde vor lauter Informationen, allerdings waren das genau die falschen. Es war gerade vollkommen unwichtig, dass mir jetzt auffiel, dass ich vergessen hatte, meine Bettdecke richtig zurückzuschlagen oder dass ich es niemals schaffen würde, meine offenen Haare in die gleichen Zöpfe zu frisieren wie meine Mutter es getan hatte.
Absoluter Höhepunkt meiner geistigen Denkleistung war zu diesem Zeitpunkt die Frage, ob drei mal drei auch wirklich neun machte und warum ich mir dabei überhaupt so sicher war.
Odette und auch Marin standen neben mir und beobachteten das Geschehen genauso angespannt wie ich, mit dem Unterschied, dass sie Aquamarine keine Befehle geben konnten. Ich war nun einmal seine Trainerin und war für es verantwortlich. In der wenigen Zeit, die es nicht damit zubrachte auf Riolus Attacken zu reagieren stieß mein Pokemon laute Rufe aus, als wollte es sagen „Jetzt mach schon, blöde Kuh!“
Aber ich konnte nicht mal eben machen! Mein Kopf war voll von unbrauchbarem Zeug und gleichzeitig total leer wenn ich versuchte, die Gedanken auf den Kampf zu lenken. Gleichzeitig pochte mein Herz und meine Arme und Beine zitterten wie verrückt. Ich wusste nicht genau, ob es nun Nervosität war… Oder die Angst, etwas falsch zu machen.
Wenn ich ihm einen falschen Befehl gab, würde es verletzt werden.
Wenn ich ihm keinen Befehl gab, würde es verletzt werden.
Sein Wohl hing davon ab, welche Befehle ich ihm gab! Dafür war eine Trainerin da! Aber…
„Rose!“, probierte Marin es noch einmal eindringlicher. Ich zischte und versuchte panisch, den fetten Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken, aber es ging nicht. Ich konnte einfach nicht! Ich wollte schreien vor Frust!
Warum war ich so eine blöde Versagerin? Warum konnte ich nicht einmal etwas richtig machen? Warum, warum, WARUM?!
Ich wandte mein Gesicht zur Erde.
Das wars. Ich war eine Niete und das würde auch immer so bleiben. Eine Schande für jeden Trainer. So theatralisch das auch klang, es stimmte nun einmal. Ich hätte niemals losziehen dürfen.
Meine Augen begannen zu kribbeln und ich spürte den Schmerz in meiner Unterlippe, in die sich meine Zähne gruben. Ich presste die Lieder zusammen bis grelle Blitze davor tanzten.
„Schau es dir an!“, befahl mir eine strenge Stimme. Warme Hände zogen mein Kinn in die Höhe und vor lauter Überraschung gehorchte ich. Gerade in dem Moment, in dem ich wieder hinsah schaute mich Aquamarine aus großen, traurigen Augen an. Es gab für diesen einen Moment die Vorsicht auf.
Riolu nutzte die Chance, sprintete von hinten auf es zu und fuhr meinem Pokemon mit den scharfen Klauen einmal über seinen Rücken. Aquamarine und ich schrien synchron auf. Es sackte getroffen zu Boden, wimmerte schmerzerfüllt, sah mich aber immer noch an.
Und ich? Ich konnte mich mal wieder nicht bewegen. Ich stand da, vollkommen geschockt. Jetzt war es passiert. Es war verletzt worden. Es litt Schmerzen. Wegen mir. Nur wegen mir.
„Rose“, raunte mir jemand ins Ohr. „Es verlässt sich auf dich. Wenn du nichts tust, dann wird es noch sehr viel mehr leiden.“
Einen Augenblick blieb ich still, die Muskeln angespannt, den Blick starr auf Aquamarine gerichtete. Riolu bewegte sich gerade nicht, es schien das Interesse am Kampf schon wieder verloren zu haben. Kein Wunder. Bei so einer grottenschlechten Trainerin. Meine geballten Fäuste zitterten wie wild.
„Und was ist wenn ich etwas falsch mache? So wie sonst auch immer?“, hauchte ich leise. Meine Augen füllten sich schon wieder mit Tränen.
„Dann wird es noch sehr viel schlimmer verletzt!“, kreischte ich meinen Frust heraus. Meine Stimme nahm einen hysterischen Ton an, viel zu laut und schrill, aber das war mir gerade einfach egal. Ich wollte nicht mehr! Ich war noch nicht bereit!
Die Hände, die gerade eben noch mein Kinn hochgezogen hatten legten sich jetzt über meine Augen. Erst wollte ich mich befreien, aber der Griff war bestimmt. Locker und sanft, aber auch bestimmt.
„Beruhig dich“, befahl man mir und drückte mich gegen eine breite Brust. „Panik nützt gar nichts.“
„Ich bin aber panisch!“, krächzte ich verzweifelt.
„Dann beruhig dich.“
„Halt doch die Klappe Marin! Du hast doch keine Ahnung, wie ich mich fühle!“
Er schwieg eine Weile in der ich Aquamarine Wimmern hören konnte.
Waren die Kratzer tief? Litt es sehr? Das war nur meine Schuld! Nur meine, ganz allein meine Schuld!
„Ich muss dich nicht verstehen um dir helfen zu wollen“, antwortete der Junge hinter mir leise. „Du sorgst dich doch um dein Pokemon, oder? Dann reiß dich gefälligst zusammen und-“ Er nahm die Hände von meinen Augen, schubste mich dann sanft ein Stück vorwärts. Ich stolperte und fiel direkt vor meinem Ottaro auf die Knie, das sofort etwas erschrocken quietschte. Als ich regungslos blieb und auf den Boden starrte, da krabbelte es zu mir und stieß laute Rufe aus. Es sah mir bekümmert ins Gesicht.
„Machst du dir… etwas Sorgen um mich?“
Mein Pokemon sah mich mit weit geöffneten Augen einfach nur weiter an, hob dann seinen Arm und strich mir über die Wange. Ich fühlte seine weiche Haut und die Wärme seines Körpers.
Und plötzlich fühlte ich mich noch sehr viel schlechter als ohnehin schon.
Aquamarine litt, sehr viel mehr als ich es tat und trotzdem kümmerte es sich um mich, während ich selbst nur in dummem Selbstmitleid versank.
Eine meiner Hände riss einen Büschel Gras aus, die andere strich Ottaro vorsichtig über den Kopf.
„Schaffst du das noch?“, fragte ich es leise. Aquamarine nickte tapfer und ich musste grinsen. Wie dumm… Wie dumm von mir, mich so anzustellen! Immer lächeln! Aus jeder Situation das Beste machen! Nicht wahr, Papa?
Ich richtete mich mühsam auf, Odette eilte an meine Seite und half mir hoch.
„Alles o’kay?“, sprach sie mich besorgt an. Ich schenkte ihr ein kleines, motiviertes Lächeln.
„Klar“, meinte ich und fuhr mir mit dem Handrücken über die Augen, damit auch die restlichen, verräterischen Tränen verschwanden. „Also gut, Aquamarine! Zeig diesem kleinen Dieb, wo der Hammer hängt! Aquaknarre!“
Mein Pokemon drehte sich im Sprung herum und stieß den mächtigen Wasserstrahl genau in Richtung des Riolu, das sich mittlerweile gelangweilt auf den Boden gesetzt und seine Krallen beobachtet hatte. Es bemerkte zwar noch- mit einem sehr verdutzen Gesichtsausdruck- dass der Kampf noch nicht vorbei war, konnte aber nicht schnell genug fliehen und flog in hohem Bogen über die Weide. Odette jubelte und auch ich konnte einen kleinen Triumphruf á la „Na-na-na-na-na-na, erwischt!“ nicht unterdrücken.
„Nicht nachlassen jetzt, Tackle!“, befahl ich meinem Pokemon, das mit einer Geschwindigkeit, die ich ihm beim besten Willen nicht zugetraut hatte, vorpreschte und das Riolu erneut von hinten traf, als es sich schwankend aufrichtete. Ich ging ein paar Meter näher heran, um das Geschehen besser beobachten zu können. Das wilde Pokemon schien wieder einiges an Motivation zurückgewonnen zu haben, es lieferte sich ein Nahkampfduell mit Aquamarine, das souverän immer wieder auswich. Ich beobachtete das Geschehen stark konzentriert, und diesmal kamen mir keine Gedanken über Mathe in den Kopf. Diesmal versuchte ich, die Attacken vorherzusehen. Ich musste auf Aquamarines Ausdauern vertrauen und abwarten. Eine Tackle-Attacke noch, dann wäre der stark angeschlagene Dieb mit Sicherheit auch endlich am Ende.
Riolu fuhr mit seinen Krallen haarscharf an Ottaros Gesicht vorbei, doch der Otter drehte sich geschickt zur Seite und wich dabei einem Tritt des blauen Pokemon aus, das frustriert aufheulte. Gut so! Wenn es wütend wurde, dann würde es mit Sicherheit weniger vorsichtig sein!
Ein Attacke, dann einer weitere. Riolu nahm noch an Tempo auf. Unglaublich! Wie viel Kraft in diesem Pokemon steckte! Ich schüttelte leicht den Kopf. Jetzt nicht darüber nachdenken. Weiter zuschauen und aufpassen.
Jaulend tat es einen Schritt zu viel. Jetzt? Jetzt!
„Tackle!“, schrie ich Aquamarine entgegen und sah zu, wie es sich mit einer schnellen Bewegung hinter das verdutzte Riolu platzierte und seinen blauen Körper mit aller Wucht gegen dieses warf. Das wilde Pokemon brüllte auf als es in hohem Bogen durch die Luft flog und mit einem dumpfen Aufprall auf dem Boden aufschlug. Hastig eilte ich dorthin, wo der blau-schwarze Körper im Gras verschwunden war.
Da lag er, der kleine Dieb. Den Körper zusammengekugelt, die Augen geschlossen und das Gesicht vor Schmerz verzerrt. Odette streckte ihren Kopf über meine Schulter.
„Ist ös… vorbei?“, fragte sie zögerlich.
„Scheint so“, antwortete Marin mit gebührendem Abstand.
„Es leidet“, hauchte ich mit einem langen Blick auf das Pokemon. „Vielleicht… Vielleicht war das zu viel?“
„Es hat sich vermutlich im Kampf überanstrengt“, entgegnete Marin. „Das Adrenalin lässt wohl nach.“
Wir schwiegen für einen Moment, in dem Aquamarine zu uns watschelte. Es betrachtete das Pokemon etwas bekümmert. Vermutlich hatte es ihm nie wirklich Schaden zufügen wollen. Aber es ging nun mal nicht anders. Riolu hatte und angegriffen, nicht umgekehrt.
„Wirst du ös nischt fangön?“, sprach Odette.
Ich sah sie wohl wieder etwas dümmlich an, denn sie verzog ihr Gesicht augenblicklich zu einem amüsierten, breiten, typischen Odette-Grinsen. „Du ‘ast ös bekämpft, also kannst du ös auch fangön!“
Ich blickte etwas verunsichert zwischen Odettes Strahlefraulächeln, dem bewusstlosen Körper und Marin hin und her. Letzterer zuckte mit den Schultern und ließ verlauten:„ Stark ist es auf jeden Fall. Also wenn ich du wäre…“ …Würde ich es fangen. Ich konnte es ihm ansehen, auch wenn er versuchte, es zu verstecken. Am liebsten hätte Marin gegen dieses Pokemon gekämpft. Sin Serpifeu wäre auch sicherlich nicht verletzt worden und… Dann würde dieses Riolu sicherlich einen besseren Trainer gehabt als ich…
Aquamarine ging auf den Körper zu und stupste ihn an. Ich konnte die roten Striemen auf seinem Rücken sehen, doch Gottseidank schienen sie nicht so tief zu sein, schließlich färbte sich das Fell rund um die Wunden nicht rot. Wenn wir wieder auf der Farm waren, würde ich es versorgen. Und… Jetzt, wenn ich mir das Riolu ansah, da fielen mir all die kleinen Kratzer auf, die sicherlich schmerzen mussten. Die Tackleattacken hatten definitiv für Prellungen gesorgt, da war ich mir sicher. Es einfach so hier zu lassen wäre unverantwortlich. Nein, das konnte ich nicht.
Etwas zögerlich griff meine Hand in meine Umhängetasche, wo sie die kleinen Kapseln erspürte und wahllos eine davon herauszog. Ich hockte mich vor das kleine Wesen hin und berührte es vorsichtig mit meinem Ball, der einen lauten Klickton von sich gab. Riolu wurde zu einem roten Schemen, der in die Kapsel hineingezogen wurde, die jäh zu wackeln begann. Mit einem Kloß im Hals wartete ich ab, bis schließlich der erlösende Ton erklang.
„Klick!“ kam es vom Ball, der einfach still liegen blieb. Ich hob ihn hoch, hielt ihn in die Sonne und kniff die Augen zusammen, als das Licht direkt in meine Augen geleitet wurde.
Odette schlang von hinten die Arme um meinen Hals und sprang auf und ab.
„’erzlichen Glückwunsch!“, lachte sie ihr glockenhelles Lachen. Ich lächelte leicht, aber ganz zufrieden war ich nicht. Hätte Marin mich nicht zur Vernunft gebracht… Ich sah ihn kurz aus dem Augenwinkel an, was er mit einer hochgezogenen Augenbraue quittierte. Dann aber grinste auch er für eine Sekunde.
„Na, was ist denn mit euch passiert?“
Elisabeth stand vor uns, die Arme in die breiten Hüften gestemmt und uns von oben nach unten betrachtend. Erst jetzt fiel ihr auf, dass unsere Gruppe Zuwachs bekommen hatte, allerdings war ihre Reaktion ganz anders, als ich erwartet hatte.
„Odette! Meine Liebe!“, stieß sie aus, breitete ihre Arme aus und drückte meine Freundin in eine feste Umarmung eng an ihren massigen Busen. Sie lachte herzhaft und auch wenn Odette aussah, als würde sie gerade zerquetscht werden, stimmte sie mit ein.
„Elli! Wie langö ist ös ‘er?“, fragte sie mit deutlichem Luftmangel. Elisabeth entließ sie aus dem Ringergriff und strahlte über beide Ohren.
„Vier Jahre, wenn nicht noch länger! Was treibt dich her, du kleiner Wirbelwind?“
Die beiden verfielen in eine Konversation, die vor lauter Aufregung so schnell wurde, dass ich irgendwann den Faden verlor.
„Sie kennen sich?“, raunte Marin mir verwirrt blinzelnd zu.
„Odette stammt aus Dausing. Sie wird vermutlich auch hier vorbeigekommen sein, als sie ihre Reise begann“, sagte ich mehr zu mir selbst. Ich konnte eine Weile nur dumm aus der Wäsche schauen- was mir in letzter Zeit deutlich zu oft vorkam- bis Elisabeth uns dann endlich auch wieder etwas Aufmerksamkeit schenkte und uns in die Küche schubste, wo der fürstlich gedeckter Tisch stand, an dem wir schon gestern gesessen hatten. Ich atmete die warme Luft voll mit Gerüchen von deftigen Gerichten ein und bemerkte mit ein wenig Scham, dass mir sofort das Wasser im Mund zusammenlief und das auch noch wörtlich. Ich schluckte den kleinen See schnell herunter, sonst bräuchte ich wohl noch einen Sabberlatz und da war ich nun wirklich nicht scharf drauf.
Elisabeth drückte uns in die Stühle und wies uns an, zuzugreifen. Odette bedankte sich und tat mehr oder weniger direkt wie ihr gehießen. Ich lächelte etwas schief. Das war einfach typisch für sie, Odette wie sie leibt und lebt. Zurückhaltung war für die Brünette ein echtes Fremdwort. Auch Marin sah sie mit ein wenig Verwunderung an, als ich dann aber auch zugriff, tat er es uns nach.
„Sag mal“, ließ ich zwischen zwei Bissen von warmem Brot verlauten. „Was treibst du eigentlich hier? Ich dachte, du wärst auf dem Weg nach Panaero City?“
Odette schluckte ihren Mundinhalt herunter und antwortete etwas genervt: „Dachte isch auch.“ Sie nahm einen Schluck von ihrem Tee und fuhr dann fort: „Allerdings ’at mir Turnär einen Strisch dursch die Reschnung gemacht. Irgendetwas scheint mit der Elektroliten’öhle nischt zu stimmen. Jedenfalls sagte er mir, dass isch es gar nischt erst versuchen breuschte.“
Marin hob den Kopf: „Mehr hat er nicht gesagt?“
„Mais, non.“
„Komisch“, kommentierte ich. Ich war noch nie in der Elektrolitenhöhle gewesen, allerdings hatte ich im Unterricht davon gehört. Dass jetzt plötzlich etwas passiert war, was es unmöglich machte, nach Panaero zu kommen… Da blieb uns Trainern wohl nichts anderes übrig, als auch Flug-Pokemon umzusteigen. Im Moment war das für mich aber ohnehin nicht relevant. Bis ich mich zu Géraldine wagen könnte… Da würde noch eine Menge Wasser an die Ufer von Abidaya angespült werden.
Das Schnurren von Cassiopeia riss mich aus meinen Gedanken. Sie schlängelte sich langsam um Marins Beine und rieb ihr Gesicht an diesen. Er beugte sich herunter und hob sie auf seinen Schoß.
„He, pack sie vom Tisch herunter!“, murrte ich ihn an.
„Warum? Sie will doch nur etwas gestreichelt werden“, entgegnete mein Freund mir.
„Weil du sie zu sehr verwöhnst! Pokemon gehören nicht an den Tisch!“, antwortete ich mit zusammengekniffenen Augen. Marin verdrehte seine und hob Cassiopeia, die keinerlei Probleme machte- bei mir hätte sie längst eine Salve Kratzfurie losgelassen- vor sein Gesicht.
„Na, meine Kleine“, sprach er sie leicht grinsend an. „Da hast du dir aber eine strenge Trainerin gesucht. Die ist ja geradezu spießig.“ Und als ob es nicht genug wäre, miaute meine Katze auch noch, als würde sie ihm zustimmen.
„Marin!“, herrschte ich ihn an, weswegen er zusammenzuckte. „Lass sie herunter!“ Er verzog das Gesicht zu einer genervten Grimasse, flötete noch leise „Ja, Fräulein Oberlehrerin“, tat dann schließlich aber doch das, was ich ihm gesagt hatte. Cassiopeia war zwar wenig davon begeistert, dass die Streicheleinheiten aufhörten, verzog sich dann aber nach ein paar vergeblichen Versuchen, Marins Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken.
Ich warf meinem Freund einen bitterbösen Blick zu, bei dem sich selbst die Toten in ihre Gräber zurück verkrochen hätte, starrte aber umsonst Löcher in die Gegend, weil man mich nicht Nichtachtung strafte. Odettes Blick glitt von mir zu ihm und wieder zurück und ich beobachtete mit einem unguten Gefühl in der Magengrube, wie sich ihre Lippen zu einem wissenden Grinsen verzogen.
„Seid ihr-“, begann sie kichernd, aber ich fuhr ihr schnell über den Mund indem ich sie am Arm packte und verkündete, dass ich meine Sachen packen würde. Obwohl sie protestiere zog ich sie am Arm vom Tisch weg, wo Marin mit seinem Brot im Mund den Kopf schief legte, aber keine Anstalten machte, uns zu folgen.
„Nischt so schnell!“, bat Odette mich nach dem fünften Mal Stolpern, aber ich hörte nicht auf sie. Mir brodelte noch der Schädel vor lauter Wut und Aggression und ich wollte gerne jemanden oder etwas schlagen, weil das aber zweifelslos in Mord und Totschlag geendet wäre, versuchte ich es zu unterdrücken. Cassiopeia, die den Flur entlangstolzierte, sprang fauchend aus dem Weg als ich an ihr vorbeirauschte. Ich zog die einklappbare Treppe zum Dachboden wohl ein wenig zu fest auf, denn die Stelzen knallten mit voller Wucht auf den Holzboden, vermutlich hatte das Laminat jetzt Dellen, aber darüber machte ich mir in diesem Moment keine großen Gedanken.
Oben angekommen schmiss ich mich auf Bett, vergrub mein Gesicht ins Kissen und brüllte alle Wut laut aus mir heraus. Glücklicherweise wurde der Lärm von Federn und Stoff gedämpft, sodass die Schimpfwörter nur unverständlich zu Odette herüberschallten, die mir hochgefolgt war. Ich hörte, dass die Treppe hochgezogen wurde, dann spürte ich, dass sich das Bett auf dem ich lag unter ihrem Gewicht nach unten wölbte.
„Also seid ihr nischt…“, hörte ich sie sagen. Ebenso merkte ich, dass sie ein lautes Lachen unterdrücken musste, denn das zeigte sich in Form eines unterschwelligen Anspannens ihres Bauches aus, das sich wiederrum über die Matratze zu mir ausbreitete. Ich drehte meinen Kopf halb, um sie mit einem Auge anzuschauen.
„Wie kommst du denn da drauf?“, fragte ich sie ernsthaft. Marin und ich? Der Spacko? Der faule Nichtsnutz? Die Nervensäge die nichts Besseres zu tun hatte als sein Pokemon zu verlieren und mich zu beleidigen? Der es wagte, mein- ich wiederhole: MEIN- Pokemon zu verziehen? Ich wollte ja lachen, nur leider war ich sogar dafür zu wütend.
„Naja, isch dachtö nür“, sagte sie so vor sich hin. Und Himmel, der Ausdruck in ihren Augen ließ mich nichts Gutes erwarten. Wenn sie diesen Blick aufsetzte, dann wusste ich, hatte sie irgendetwas vor.
„Odette“, stieß ich ihm drohenden Tonfall aus, doch sie grinste nur, auch wenn sie versuchte es mit einer Drehung von mir weg zu verbergen. Ich sah es ganz genau. Darin hatte ich mittlerweile Übung. Sehr, sehr viel Übung, zu meinem Leidwesen.
„Was dönn?“, fragte sie mit einer Stimme aus so purem Zucker, dass ich alleine vom Hören schon Diabetes bekam und entsetzt mein Gesicht verzog. Sie tänzelte durch den Raum zum Fenster, öffnete es und legte ihre Arme mit einem verträumten Blick auf die Fensterbank.
„Odette!“, wandte ich mich noch einmal etwas lauter an sie. Meine Freundin wippte mit der Hüfte von rechts nach links, als würde sie auf der Stelle tanzen, sagte aber nichts mehr.
„Wag es ja nicht-!“, stieß ich meine unvollendete Drohung aus. Sie wusste ganz genau, was ich meinte, denn die Brünette erstarrte für einen Sekunde, als fühlte sie sich ertappt. Zwar ging sie dann wieder in ihren Rhythmus über und fügte sogar noch ein lautes Summen mit hinzu, bei dem sie zwischendurch immer wieder ein paar Textzeilen hineinmischte, aber ertappt hatte ich sie trotzdem.
Ich würde unglaublich vorsichtig sein müssen. Denn wenn Odette einmal etwas geplant hatte… Allein bei dem Gedanken tanzte das Blut in meinem Körper Tango.
„Doch wönn tausönd Lichtör glühen“, sang meine Freundin gerade vor sich hin und schlug dazu im Takt mit ihrem Ring auf das Holzbrett. Sie übersprang ein paar dutzend Textzeilen und fuhr dann fort:
„Denn isch bin morgöns immör müde, aber abönds wird isch wach! Morgöns bin isch so solidö, doch am Abönd werd isch wach!“
„Schwach“, entgegnete ich, als ich mir die Schläfen rieb.
„Hm?“, sie drehte sich zu mir um und stemmte ihren Hintern auf das Fensterbrett.
„Morgens bin ich so solide, doch am Abend werd ich schwach“, widerholte ich und setzte mich vernünftig aufs Bett, die Beine in den Yogasitz geschlängelt, den meine Mutter und ich durchführten, wenn eine von uns wieder einmal die verrückte Idee hatte, sich mehr sportlich zu betätigen. Dann kramten wir die Yoga CDs heraus und verrenkten uns ein bisschen, bis sich die eine nicht mehr alleine entwickeln konnte. Danach war der hoch und heilig geschworene Vorsatz, endlich fit und gelenkig zu werden, wieder vergessen und wir futterten eine Packung Jen&Berrys. Die mit den Keksteigstücken mochten wir am liebsten.
„Ah, oui“, grinste Odette. „Fast vergessön.“
Wir starrten uns eine Weile wortlos an, sie in gewohnt unschuldiger Manier, ich mit größter Vorsicht. Sie würde nicht so einfach aufgeben. Definitiv nicht. Dafür kannte ich sie zu gut.
„Weißt dü“, begann sie dann wieder. „Isch ’atte ihn mir andörs vorgestöllt.“
Ich sah sie mit hochgezogener Augenbraue an. Ich hatte es ja geahnt. Sie würde dieses Thema mit Sicherheit nicht ruhen lassen.
„Warum?“, fragte ich sie, weil Odette mich auffordernd ansah.
„Isch ‘ätte ihn mir… wenigör attraktiv vorgestöllt.“
Ich schwöre es beim lieben Gott, an den ich ja leider gar nicht glaube, ich hab es versucht. Ich habe versucht mich zurückzuhalten. Ich habe versucht, das Kichern im Keim zu ersticken und in meinen Magen zu verbannen, aber… Es ging einfach nicht. Vergebt mir!
Ich brauchte knappe fünf Minuten um wieder einigermaßen Luft holen zu können, dann noch einmal drei Minuten, um mich zusammenzureißen, als Odette mich halb vorwurfsvoll, halb belustigt ansah und ganz sieben weitere Minuten, um die ungesunde, rot –bläuliche Gesichtsfarbe loszuwerden.
„Attraktiv?“, stieß ich in dieser Zeit immer wieder erstickt aus, während ich mit verknoteten Beinen übers Bett rollte und mir den Bauch hielt. Mir standen die Tränen in den Augen und ich konnte nur noch eine notdürftige Schnappatmung durchführen, die mich aber zumindest am Leben erhielt. Anschließend tat mir alles weh, aber… Ich konnte nicht anders. Es ging einfach nicht. Und Odette machte es auch nicht besser..
„Also isch findö“, begann sie irgendwann grinsend. „Seinö Haare sehen sehr… scharf aus, meinst du nischt auch? So scharf, als könnte man damit etwas aufstechön!“
Oder: „Und seinö Hosö! Betont auf jedön Fall seine stark trainiertön Oberschenkel!“
Letztlich war ich dann aber diejenige, die Odette zum Schweigen brachte, weil diese sich immer und immer wieder andere Witze einfallen ließ. Und irgendwann begann ich mich deswegen schlecht zu fühlen. Gut, er war ein Idiot. Und sein Aussehen schrie geradezu nach schlechten Comedianwitzen, aber… Er war eben auch mein Freund und man machte sich nicht über Leute lustig, erst Recht nicht hinter ihrem Rücken.
„Wir lästörn nischt!“, berichtigte Odette mich grinsend. „Wir stellön fest!“
„Jetzt ernsthaft“, keuchte ich, nachdem die besagten acht Minuten vergangen waren, in denen ich nichts Produktives mehr zum Gesprächsverlauf beitragen konnte. „Du findest ihn…attraktiv?“ Ich musste wieder etwas prusten, aber zumindest beruhigte ich mich schneller als beim letzten Mal.
„Also isch findö er ‘at etwas“, gestand Odette ohne auch nur ein wenig rot zu werden. Sie saß neben mir auf dem Bett und strich mir mit ihren Fingern durch die langen, offenen Haare. „Isch meinö… ‘ast du seinö Augen gesehen? Magnifique!“
„Ja, okay“, antwortete ich etwas nachdenklich. „Seine Augen sind schon etwas Besonderes. Hat nicht jeder.“
„Isch wettö, seine Haare sind rischtig weisch, nischt wahr?“
„Woher soll ich das wissen?“, gab ich lachend zurück.
„Und sein Gesischt… Schön kantig, aber nischt zu ‘art. Einö perfekte Mischung. Mal von döm ‘elde’aften Charaktör abgesehen.“
„Na, du gerätst ja richtig ins Schwärmen!“ , kicherte ich.
„Es ist einfach merkwürdisch“, murmelte sie vor sich hin. „Nachdöm du mir geschrieben hast, wie oft du disch mit ihm streitest… Ihr scheint trotzdem sehr güt surescht su kommen.“
„Natürlich.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Wir sind immerhin gute Freunde.“
„Ein Mädschön regt sisch nischt so über einen Streit auf, wenn sie mit diesöm Jungön nur befreundet ist“, teilte sie mir mit einem vielsagenden Blick mit. Ich rollte mit den Augen und zuckte die Schultern. Was sollte ich den groß sagen? Ja, okay. In den Briefen, die ich ihr geschickt hatte, hatte ich immer nur vom Streit mit Marin berichtetet, nie wirklich von Zeiten, in denen wir uns sehr gut verstanden. Ich tendierte leider dazu, zu dramatisieren und nur das Schlechte zu sehen, nicht das Gute… Aber ging es nicht jedem irgendwann einmal so? Dass das Leben so beschissen erschien? Für mich gab es diese Zeiten eben oft, immer dann, wenn Papas Todestag näher rückte oder ich mich mit Marin stritt, was öfter geschah als ich es wollte. Und immer war ich es, die sich aufregte. Marin quittierte schon damals immer alles mit einem simplen Schulterzucken, als würde es ihn überhaupt nicht interessieren, dass er mich verletzt hatte. Indem er mich aufzog oder mich scherzhaft beschimpfte, indem er mir kurzfristig absagte und lieber mit seinen Jungs Fußball spielte.
Warum genau regte ich mich denn eigentlich immer so sehr darüber auf? Vermutlich, weil er es immer wieder tat und sich niemals etwas änderte. Aber war erwartete ich eigentlich? Genauso wie ich hitzig war, was ihn betraf, war er eben ruhiger, was mich betraf. Daran konnte ich nichts ändern und irgendwie hatte ich es ja schon akzeptiert. Aber aufregen tat ich mich trotzdem über seine Ignoranz.
„Wönn er misch begöhren würde“, säuselte Odette mir ins Ohr. „Isch würde ihm einö Chanse gebön!“
Ich seufzte laut auf, konnte aber nicht ganz verhindern, kurz darüber nachzudenken. Was wäre denn wenn er… Wenn wir…
„Ach, Mist!“, entfuhr es mir urplötzlich. Ich konnte mich nicht einmal daran erinnern, dass ich den Mund aufgemacht hatte. Ich sprang auf und ging zur Treppenklappe, die ich auch gleich aufstieß. „Ich habe das Riolu total vergessen!“, kam es wie mechanisch aus meinem Mund. Ja, das stimmte zwar, aber irgendwie… warum erinnerte ich mich gerade jetzt daran? Es war nur ein kurzer Moment zwischen einem Haufen wahlloser Erinnerungen gewesen.
Odette legte den Kopf zwar etwas schief, sagte aber nichts. Ich trat schnell die Stufen herunter und eilte daraufhin auch noch die zweite Treppe ins Erdgeschoss herunter. Ich wollte gerade um die Ecke biegen, da prallte ich beinahe mit Marin zusammen, den wohl die gleiche Idee gehabt hatte. Wir wichen noch im letzten Augenblick aus.
„Holla, vorsichtig“, grinste er in gewohnter Marin-Manier. Als ob wir uns nie gestritten hatten. Hatten wir ja auch nicht. Also zumindest nicht wirklich. Ich war wütend geworden und er hatte es wieder ignoriert. So wie immer.
Ich blieb wie angewurzelt vor ihm stehen als mir klar wurde, dass ich eigentlich noch sauer auf ihn sein müsste. Mein Blick wanderte von seinen Beinen (diese Pumphosen ließen ihn wirklich irgendwie komisch aussehen) über seinen Oberkörper bis hin zu seinem kantigen, blassen Gesicht, blieb dann an seinen Augen hängen.
Diese schönen, blauen Augen, die nach innen hin plötzlich so tiefrot wurden. Er hatte mir mal gesagt, dass das ein Gendefekt sei. Es wäre nicht gefährlich und auch nicht schädlich… Aber eben besonders. Natürlich hatte ich diese Augen schon hunderte Male gesehen, immer und immer wieder. Ich wusste, dass sie so aussahen, aber…
Ich hatte nie bemerkt, dass sie so… So…
„Magnifique“, murmelte ich mit Odettes Akzent gerade so leise, dass Marin verwirrt die Stirn runzelte.
Odette hatte wirklich Recht gehabt. So wie er mich gerade anlächelte, als er dachte, dass ich noch immer wütend auf ihn wäre, so unschuldig und entschuldigend, mit einem Hauch Naivität aber der echten Bitte darin, ihm doch zu verzeihen…
War er wirklich schon immer so attraktiv gewesen?