Santa of the Day (RPG-Weihnachtsspecial)

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    Well then. Wir haben den 24. Dezember, Heiligabend. Bisschen merkwürdiges Timing, aber hey, ich war eben noch wach. Fangen wir mit dem Disclaimer an.


    Zuerst einmal, wovon handelt diese Fanfic? Das wird sozusagen so etwas wie Boardpremiere: Zum ersten Mal (soweit ich weiß) veröffentlicht hier ein Autor eine Fanfic zu einem Foren-RPG des BisaBoards. In diesem Fall handelt es sich um Erleuchtet, ein RPG, in dem ich schon seit einem gewissen Zeitraum Mitglied bin. Und dann bin ich irgendwie auf diese Idee hier gekommen.


    Die ganze Sache ist wie das Weihnachtsspecial einer Serie angelegt - kein offizieller Teil der Kontinuität des RPGs, sondern mehr so eine kleine Geschichte nebenher ohne praktischen Wert im Canon. Den richtigen Bereich dafür zu finden war schon eine recht schwierige Angelegenheit, aber schlussendlich habe ich mich für den "Allgemein/Spiele"-Bereich entschieden, da das RPG ja eigentlich wie ein Forenspiel ist.


    Also dann, das erste RPG-Weihnachtsspecial in der Geschichte des BisaBoards (soweit ich weiß). Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich dem FF-Komittee hätte Bescheid geben sollen, aber ich glaube nicht. Was soll schon an einer einfachen Fanfic so schlimm sein?


    Santa of the Day


    And so this is Christmas
    And what have you done
    Another year over
    And a new one just begun


    "And so this is Christmas, for old and for young..." Ein Weihnachtsklassiker knirschte aus dem Radio. Nicht die klassische Art von Weihnachtsklassikern, sondern die Art, die vor 40 Jahren das Neueste zum Frohen Fest gewesen sind. Trotzdem, man konnte eindeutig das Weihnachtsthema erkennen.


    Es war der 24. Dezember, der Heilige Abend, wie auch immer man ihn nennen mochte. Es wäre passend gewesen, wenn draußen vor dem Fenster der erste Schnee fiel, aber es war nur ganz allgemeiner Schnee. Der erste Schnee war vor drei Tagen gefallen, und Romantiker könnten sich durch das Fehlen romanischen Erstschnees vielleicht in ihrer Auffassung von Schönheit gestört fühlen.


    Artemis war kein Romantiker.


    Momentan saß er in einem kleinen Sessel im Gemeinschaftsraum der Morgan-Fox-Anstalt, zusammen mit einigen anderen Erleuchteten. Sogar die finsteren Bestien schienen sich bei Schnee zurückzuhalten - alles deutete darauf hin, dass es ein friedliches Weihnachtsfest werden würde. Artemis kümmerte das friedliche Weihnachtsfest herzlich wenig, war aber sicher, dass er bei diesem Schnee keinen Fuß vor die Tür setzen würde.


    Auf dem Sofa schielte Marcello zu Tomomi hinüber, welche, auf dem Fußboden kniend, ein Puzzle auf einem Beistelltisch löste. "Und? Freust du dich auf Weihnachten?"


    Tomomi wandte ihm ihr sichtbares Auge kurz zu. "Weihnachten ist schön. Der Weihnachtsmann bringt dann Geschenke..." flüsterte sie und setzte dann mit ihren bandagierten Händen das Puzzle fort.


    Stille herrschte für einen Moment, dann klang Alicias Stimme durch den Türrahmen. "Tomomi? Willst du mir helfen, die Lichterkette aufzuhängen?"


    Anstelle einer Antwort stand Tomomi einfach auf und schlich zur Tür hinaus, wobei sie ihr Puzzle unfertig auf dem Tisch zurückließ. Eine kurze Zeit sagte niemand etwas, dann räusperte sich Artemis. "H-hat sie das gerade echt gesagt? Das mit dem Weihnachtsmann?"


    Marika sah kurz der Weihnachtskugel auf, die sie in den Händen drehte. "Selbst wenn, was geht es uns an? Sie kann doch ruhig daran glauben, wenn sie will."


    Der Schwarzhaarige schüttelte kurz den Kopf. "Ist das dein Ernst? Sie ist, wie alt, fünfzehn? Und glaubt an den Weihnachtsmann? Ihr stimmt mir doch darin zu, dass das ziemlich lächerlich ist."


    Die Stimme Marikas gewann langsam einen drohenden Unterton. "Hör zu, Kollege," knurrte sie. "Du mischt dich da nicht ein. Sie glaubt an den Weihnachtsmann, und du hast damit nichts zu tun."


    "Aber..." Artemis gab auf. "In Ordnung. Ich werde mir jede Mühe geben, in ihrer Gegenwart keine Kommentare zu dem Thema fallen zu lassen."


    ***


    Später am Abend - nach dem Abendessen - hatte sich die kleine Gemeinschaft unter dem Weihnachtsbaum der Morgan-Fox-Anstalt versammelt, welcher in der Mensa aufgestellt war. Gewisse subtile Anzeichen deuteten darauf hin, dass er von der Bruderschaft gesponsort war - am Auffälligsten jedoch die Nachbildung der Rosetta Liurorum an der Spitze. Mensch, wie unauffällig, dachte Artemis sich.


    Er hatte Platz am Rand eingenommen, wo er in sich zusammengesunken auf Alicia wartete, die erst noch ihren Kaffee austrank. Der Scharfschütze hatte keine Ahnung, wie man hier Weihnachten feiert, aber er vermutete, dass Alicia für die Ausgabe der Geschenke zuständig war. Ein Wunder, dass Tomomi trotzdem noch an den alten Mann mit dem weißen Bart glaubte.


    Womit wir beim Thema wären, dachte Artemis verdrossen. Tomomi war für ihre Verhältnisse richtig hibbelig: sie war in den letzten 15 Minuten bereits zweimal aufgestanden, um ihren Platz zu wechseln. Und sie fing sogar von sich aus Gespräche an, auch wenn sie sich hauptsächlich nur um ein Thema drehten...


    Das bandagierte Mädchen stand erneut auf und ließ sich in Artemis Nähe nieder, um ihn mit einem kurzen Blick zu streifen. "Der Weihnachtsmann kommt," hauchte sie. Ihr Gesprächspartner wechselte kurz einen Blick mit Marika, um dann mit einem unverbindlichen "Mmmmph." zu antworten.


    Da dies anscheinend nicht die Reaktion war, die Tomomi erwartet hatte, setzte sie ihre Versuche, ihn in ein Gespräch über den Weihnachtsmann zu verwickeln, fort. Artemis argwöhnte, dass dieses Thema sie richtiggehend begeisterte.


    "Der Weihnachtsmann bringt allen Leuten auf der Welt Geschenke, sogar Leuten wie uns. Obwohl uns kaum einer mag. Und wenn man kurz vor Weihnachten eine Sternschnuppe sieht," Tomomi zeichnete mit einer Hand eine gedachte Linie durch die Luft, "ist das wahrscheinlich er, wenn er nachguckt, wer sich was wünscht. Und..."


    ...was der dritte Fakt war, würde wohl niemand erfahren. Denn Artemis explodierte, zum ersten Mal, seit er an der Morgan Fox war. Zu viel aufgestaute Wut, anscheinend. "Hör einfach auf damit, okay?", brüllte er. "Es interessiert mich kein Bisschen, was der Weihnachtsmann tut, denn es gibt ihn nicht! Er existiert nicht! Der Weihnachtsmann ist nichts als eine Werbefigur, keine real existierende Person! Es gibt! Keinen! Weihnachtsmann!"


    Artemis lehnte sich keuchend zurück und realisierte, dass alle Blicke im Raum auf ihn gerichtet waren. Bis auf der von Tomomi, welcher einen unbekannten Punkt mehrere Meter hinter Artemis Stirn fixierte. "Kein... Weihnachtsmann?" Dann stiegen ihr die Tränen in die Augen.


    Der Scharfschütze widerum kriegte das kaum mit - er blickte sich gehetzt um. "Warum guckt ihr alle so? Ich habe Recht, und ihr wisst es. Oh my, was habe ich bloß getan? Ihren kindlichen Glauben zerstört? Was wollt ihr eigentlich?" Anstatt eine Antwort abzuwarten, stand er auf und stürmte aus dem Zimmer, an Alicia vorbei, die gerade die Tür öffnen wollte.


    Alicia sah ihm kurz nach, bevor sie sich an die versammelten Erleuchteten kümmerte. "Was war eigentlich hier los?", fragte sie scharf.


    ***


    Es war zwanzig Minuten später.


    "... und so hat es sich tatsächlich abgespielt," schloss Marika ihren Bericht. Ihrer war bereits der zweite - vor ihr hatte Laverne die Ereignisse zusammengefasst. Wenn man die Ereignisse von drei Minuten erzählt in einer Viertelstunde als "zusammengefasst" bezeichnen konnte. "Dämlicher Vollidiot." Sie fuhr sich mit ihrer rechten Hand durch die kurzen Stoppeln auf ihrem Kopf, während sie mit angezogenen Füßen schräg in einem Sessel hockte. "Warum macht er so etwas?"


    "Ich werde mich später um ihn kümmern." Alicia senkte ihren Blick auf Tomomi, die sich mittlerweile etwas gefangen hatte. "Momentan ist es wichtiger, dass ich mich um Tomomi kümmere. Sie ist normalerweise sehr... fragil, was emotionale Probleme angeht."


    Marika stand auf und ging zu Tomomi hinüber, die sich auf dem Fußboden zusammengekauert hatte. "Hey," grüßte sie unsicher.


    Tomomi sah nicht zu ihr auf. "Hat er recht?", fragte sie mit zitternder Stimme. "Gibt es ihn echt nicht?"


    Die Blonde ging in die Knie, um auf einer Augenhöhe mit Tomomi zu sein, und schenkte ihr ein unsicheres Lächeln. Tolle Arbeit, Artemis, dachte sie. Den kleinen Scheißer bring ich um. Anstatt das Tomomi zu sagen, meinte sie "Sehen wir es mal so. Heute Nacht kommt der Weihnachtsmann, und dann siehst du ja, dass es ihn gibt. Wer sollte sonst die Geschenke vorbeibringen?"


    Tomomi schniefte nur. "Ich geh raus," flüsterte sie und stand abrupt auf. In sich zusammengesunken schlurfte sie durch das Zimmer, hinaus in den Flur. "Zieh dir was Warmes an," rief ihr Alicia hinterher.


    Aus dem Flur erklangen Geräusche, wie jemand eine dicke Winterjacke von einem Haken hob und sie sich anzog. Danach hörte man eine Tür knarzend aufgehen und kurz darauf wieder zufallen.


    Marika stand auf und ging zu Alicia zurück. "Kopf hoch, du hast dein Bestes gegeben", meinte diese und blickte in den Flur. "Ich spreche nachher noch mal mit ihr. Momentan glaube ich, dass sie einfach nur allein sein will." Fröhlich blickte sie in die Runde. "Singen wir ein paar Weihnachtslieder?"


    ***


    Auf seinem Zimmer stellte Artemis den letzten Teil von Plan Jackpot fertig - das Seil mit dem Haken dran. Damit ihn niemand störte, hatte er die Tür abgeschlossen und nun das Fenster geöffnet. Als nächstes hakte er den Haken am Fensterbrett ein und blickte dann aus dem Fenster auf den verschneiten Rasen unten. Ein Sturz wäre zwar lebensgefährlich, aber er würde es wohl hinkriegen, sich aus dieser Höhe abzuseilen.


    Er ergriff das Seil fest mit beiden Händen und kletterte aufs Fensterbrett, wobei er sich vergewisserte, dass der Haken vernünftig hielt. Kurz erwog er, "Geronimo!" zu rufen, aber das wäre wohl zu auffällig gewesen. Also stilles Abseilen.


    Die ersten zweieinhalb Meter verliefen gut, aber dann ging Artemis auf, dass er die Haltung des Hakens wohl hätte besser überprüfen sollen. Auf jeden Fall segelte der Haken aus dem Fenster, und Artemis den letzten halben Meter zu Boden. Einen Moment dachte er darüber nach, einfach liegen zu bleiben, aber das wäre nicht so gut angekommen, wenn irgendwer nun nach draußen gekommen wäre.


    Wie dem aufmerksamen Leser bereits aufgefallen ist, war Artemis nicht umbedingt vom Geist der Weihnacht beseelt. Aber die Geschenke zu Weihnachten reizten ihn, auch wenn sie nicht immer umbedingt fair verteilt waren. Da galt es für Abhilfe zu sorgen.


    Vor sich hin fluchend rollte er das Seil-mit-dem-Haken-dran auf und verstaute es unter seinem Mantel. Nun huschte er am Schulgebäude vorbei und... presste sich an die Wand. Dort war Tomomi. Hatte sie etwas von Plan Jackpot spitzgekriegt. Nein, sie schniefte. War sie etwa immer noch traurig?


    Wie pathetisch. Na ja, Artemis würde sie nicht beim Traurigsein aufhalten. Vorsichtig schlich er sich an der kleinen Gestalt vorbei und stieg schließlich durch ein Fenster in die Garage ein.


    Zwölf Jahre lang hatte Artemis mit seiner Familie Weihnachten gefeiert, auf einem Anwesen, gegen das die Morgan-Fox-Anstalt eine Hundehütte war. Und nach einer Weile kriegte man den Dreh raus.


    Geschenke waren immer dort versteckt, wo Kinder am allerwenigsten suchen würden. Und von solchen Orten gab es nur eine Handvoll, selbst auf riesigen Anwesen oder "Privatschulen". Zum Beispiel waren Geschenke nie im Haupthaus versteckt. Garagen oder Schuppen waren die erste Wahl, da dort die meisten Kinder garnicht erst rein durften. Dann musste der Ort allerdings auffällig genug sein, damit die Erwachsenen ihn an Heiligabend wiederfinden...


    Der Metallschrank, in dem Bruno anscheinend die Pflegeprodukte für den Bus aufbewahrte. Es musste der Schrank sein. Er war verkratzt und in einem unangenemen Beige angestrichen, das an einigen Stellen abblätterte. Darunter war rostiges Eisen zu erkennen. Dieser Schrank war so unauffällig, dass er richtiggehend hervorstach. Mit angehaltenem Atem zog Artemis die Türen langsam auf, wobei er sicher ging, dass diese nicht knarrten. Man konnte nicht vorsichtig genug sein, wenn man Plan Jackpot ausführte. Und im untersten Teil des Schrankes stand ein alter, unauffälliger Sack mit deutlichen rechteckigen Ausbeulungen.


    Es tat so gut, Recht zu haben.


    Nun, das Wichtigste war - keinen Verdacht erregen. Jeder bekam eine bestimmte Anzahl von Geschenken, und er wusste, dass Alicia das wusste. Aber wenn man nur die Namen tauschte, so dass jeder die gleiche Anzahl von Geschenken bekam... Artemis hatte mit neun die antike Kunst erlernt, durch das Schütteln eines Pakets mit einer Fehlerwahrscheinlichkeit von 17% den Inhalt zu erraten. Mal sehen, wer wieviel kriegte.


    Das erste Paket ging an Laverne. Vielleicht kann ich es so drehen, dass der Vollidiot die miserabelsten Geschenke von allen kriegt, dachte Artemis, und ein diabolisches Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Die Idee schien schon reizvoll, aber erst einmal sehen, wie viele er kriegte.


    Emma. Laverne. Marika. Tomomi. Jasmin. Jasmin. Tomomi. Emma. Simon. Marcello. Leira. Xaroc. Marcello. Emma. Marika. Simon. Xaroc...


    Artemis untersuchte alle Pakete in dem Sack und sank dann wie ein Häufchen Elend zusammen. Kein Paket? Kein gottverdammtes Weihnachtsgeschenk für mich? Aber wieso? In Ordnung, vielleicht war er nicht immer so freundlich zu den anderen. Und ihm ging eindeutig der Geist der Weihnacht ab. Aber er war doch auch nur ein Mensch... Korrektur, auch nur ein Erleuchteter! Kein Geschenk? Es war nicht fair!


    Unter dem Sack war noch etwas Rotes zu sehen, das Artemis mit ersterbender Hoffnung hinauszog. Weißer Kunstpelz und eine Mütze bildeten eine Form, die ihm äußerst bekannt vorkam. Und plötzlich begriff er, warum Tomomi immer noch an den Weihnachtsmann glaubte. Das war doch Brunos Schrank, oder? Als er sich den knurrigen Busfahrer in Weihnachtsmannkostüm vorstellte, musste er doch, auf dem absoluten Launetiefpunkt, immer noch schmunzeln. Sogar ein falscher Bart war dabei - anscheinend hatte Bruno nicht immer Vollbart getragen.


    Tomomi... Eine schniefende Gestalt, die mitleiderregend im Schnee hockte, schob sich in Artemis' mentales Blickfeld. Und was ist mit ihr?, dachte er. Ich verliere nur meine Geschenke, aber sie... Sie verliert den Hauptgrund, weshalb sie sich auf das Fest gefreut hat. Die Geschenke kümmern sie garnicht, es ist, dass jemand sich um sie kümmert, obwohl sie eine Erleuchtete ist... Und ich habe es ihr weggenommen.


    Plötzlich kam er sich noch wesentlich kleiner und elender vor. Er hoffte bloß, dass er hier kein Gewissen ausbildete. Damit konnte er erst recht nichts anfangen. Aber trotzdem... Sein Blick fiel auf den Sack, dann auf das Weihnachtsmannkostüm, und schließlich auf ein paar Übungsmatten, die Bruno hier zur Seite gelegt hatte. Alles ergab in Artemis' Kopf plötzlich eine absolut vernünftige Form.


    ***


    Draußen vor der Garage erschien es ihm nur noch wie eine saublöde Idee. Also nochmal zum Mitschreiben - er ging jetzt raus zu Tomomi, in einem schlecht sitzenden Kostüm, spulte sein Ho Ho Ho ab, bescherte sie und verschwand dann? Wenn man davon absah, dass bestimmt etwas schiefgehen würde, schien es eigentlich narrensicher.


    Das Kostüm wirkte wirklich unrealistisch. Aus dem überragenden Weihnachtsmann war eine auf Normalgröße geschrumpfte Gestalt geworden, die ihren falschen Bauch auf ungefährer Höhe der Hüften hängen hatte. Seine schwarzen Haare lugten unter der Weihnachtsmütze vor, ganz zu schweigen von seinem Mal. Und da er sich nicht komplett umziehen wollte, ragte das untere Drittel seines Mantels unter der Jacke des Weihnachtsmannes hervor. Alles, was er hoffen konnte, war, dass Tomomi tatsächlich darauf reinfiel.


    Trotzdem, es war nicht alles schlecht. Der Schnee war dichter geworden, was ein plötzliches Auftauchen aus dem Schnee möglich machte. Also dann, worauf wartete er noch? Je eher er fertig war, desto eher konnte er auf sein Zimmer und diese Farce vergessen.


    Mit gewichtigen Schritten machte er sich auf den Weg zu Tomomi, die desinteressiert zu ihm aufblickte. In Sekundenschnelle weitete sich ihr sichtbares Auge. "Weihnachtsmann?", fragte sie. "Bist du das?"


    Artemis pausierte, holte tief Luft und versuchte seine Stimme so tief wie möglich klingen zu lassen. "Ja, Tomomi. Ich bin der Weihnachtsmann. Ähm. Ho Ho Ho, glaube ich."


    Tomomi kniff das Auge zu. "Aber, er sagte... Tja... In Ordnung." Bei den letzten beiden Wörtern klang ihre Stimme beinahe fröhlich.


    Der Weihnachtsmann wuchtete seinen Geschenkesack von den Schultern. "Und ich habe auch Geschenke für dich Tomomi. Wie jedes Jahr." Artemis kramte im Sack und zog schließlich Tomomis drei Geschenke hinaus. "Hier, für dich. Aber ich kann dir nicht sagen, was drin ist. Gewerkschaftsregelung."


    Tomomi schien gar nicht richtig zuzuhören. "Danke." Ihr Blick fiel auf die leuchtende Mensa auf dem Dach des Schulgebäudes. "Warte hier... ich hole die anderen..." Mit diesen Worten setzte sie sich in Bewegung.


    Artemis wusste nun nicht, wie er reagieren sollte. Einfach abhauen? Das würde ihren Glauben nur erneut erschüttern. Er beschloss einfach, hierzubleiben. Wenn er Tomomi täuschen konnte, warum nicht den Rest?"


    ***


    "...And a happy new year!" Marcello verneigte sich vor seinem Publikum, welches applaudierte.


    "Großartig, Marcello. Nun, wer möchte..." Alicia wandte sich zur Tür, als sie Schritte die Treppe hinauf hörte. Kurz darauf öffnete Tomomi die Tür. "Der Weihnachtsmann ist da... für uns..."


    Die restlichen Erleuchteten tauschten Blicke aus, und Alicia sah auf die Uhr. Bruno ist dieses Jahr aber früh dran... Sie schenkte Tomomi ein Lächeln und blickte die anderen Erleuchteten an. "Geht doch schon mal mit Tomomi runter," schlug sie vor. "Die Geschenke sind ja für euch."


    ***


    Als die Erleuchteten durch die Tür traten, änderte die Idee "Hey, ich posiere als Weihnachtsmann, damit Tomomi nicht mehr so traurig ist" ihren Status von saublöde Idee zu blödeste Idee des Jahrzehnts. Marika erholte sich als erste von ihrer Fassungslosigkeit. "Was?", keuchte sie.


    Artemis wog den Sack mit den Geschenken unsicher auf den Schultern. "Nun, Ho Ho Ho," fing er an. Dann realisierte er, dass er die tiefe Stimme vergessen hatte, und begann erneut. "Ho Ho Ho," brummte er. "Frohe Weihnachten. Ich bin heute hier von meiner Fabrik persönlich hergekommen, um euch ein frohes Weihnachtsfest zu wünschen. Und..." Er legte den Geschenkesack ab und griff hinein. "...Geschenke gibt es auch noch. Frohes Fest."


    Stillschweigend verteilte er die Geschenke. Die Reaktionen waren vielfältig: von eisigem Schweigen bei Marika über fortgesetzte Fassungslosigkeit bei Emma bis hin zu unterdrücktem Kichern von Jasmins und Lavernes Part. Letzterem hätte es Artemis am allerliebsten aus dem Gesicht geschlagen. Schließlich kam er zum Ende und machte sich für seinen Abschied bereit - "Also dann, bis zum nächsten Ja..."


    Vom Türrahmen aus traf ihn Alicias Blick und degradierte die Idee von der schlechtesten Idee des Jahrzehnts zum suizidalen Irrsinn mit Katastrophenfolge. Er hatte Tomomi an diesem Abend zum Weinen gebracht, war eindeutig aus seinem Zimmer abgehauen, war in die Garage eingestiegen und hatte, worst of all, Alicias Festtagspläne aufgemischt. Vermutlich stand Kerker auf so etwas.


    Um das Thema zu wechseln, blickte er zum Nachthimmel hinauf - wo eine Sternschnuppe aufblitzte. "Schnell, eine Sternschnuppe," brummte er. "Wünscht euch etwas, bevor sie wieder verschwindet!"


    Mit mehr oder weniger Enthusiasmus schlossen alle um Artemis herum die Augen. Er blickte sich um kniff sie dann auch zusammen. Ich wünsche wirklich, ich hätte irgendetwas hiervon - abgesehen von Ärger. Es würde schön sein, wenn es etwas gibt, was mich daran erinnert, wie ich einen Abend nett zu anderen war.


    ***


    Die Sternschnuppe erlosch, und er Weihnachtsmann rollte seinen Sack zusammen. "So, das wars für dieses Jahr," fing er an. "Ich muss jetzt wieder los..."


    Tomomi hielt eine Hand zum Mund. "Was ist mit Artemis?", fragte sie.


    Alle im Vorgarten starrten sie im verblüfft an. "W-Was ist denn mit ihm?", fragte Artemis zurück.


    "Was ist mit seinen Geschenken?" Tomomi blickte zum Wohnhaus hinüber. "Er hat zwar gesagt, dass es dich nicht gäbe, aber sonst ist er nicht so schlimm. Ich glaube..." Ihre Stimme senkte sich zu einem Flüstern hinab. "...ich glaube, er ist sogar ein bisschen nett. Wenn er will. Außerdem soll er dich auch mal treffen."


    Artemis blickte Tomomi unsicher an. "Nein, das ist nicht nötig. Ich leg ihm sein Geschenk einfach... in sein Zimmer. Immerhin..." Er ging ein wenig in die Knie, um auf Augenhöhe mit Tomomi zu sein. "Es ist doch seine Entscheidung, oder? Wir können doch niemanden dazu zwingen, das zu glauben, wovon wir wollen, dass er es glaubt, nicht wahr?" Er warf einen hilflosen Blick zu Marika, die knapp nickte. "Nicht wahr?"


    Zum ersten Mal hörte er Tomomi kichern. "Du hast recht," meinte sie und lächelte schwach.


    "Freut mich," antwortete Artemis und richtete sich auf. "Also dann. Tomomi. Kinder. Ma'am." Er warf Alicia einen ängstlichen Blick zu, auf den sie mit einem Lächeln reagierte. Erleichtert blickte er alle einmal an. "Machts gut. Und - bis nächstes Jahr!" Mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand im Schnee.


    Marika trat zu Tomomi heran. "Und? Er war dieses Jahr doch da, nicht wahr?"


    Tomomi blickte von der Stelle, an der Artemis im Schnee verschwunden war, auf die Geschenke in ihren Händen. "Ja. Gehen wir jetzt rein? Wir können dann gemeinsam Weihnachten feiern." Sie warf einen weiteren Blick zum ersten Stock der Wohnhäuser. "Fast gemeinsam. Frohe Weihnachten, Artemis."


    ***


    Erschöpft kletterte Artemis durch das Werkstattfenster, verstaute den Geschenkbeutel und zog das Kostüm aus. Gähnend verließ er die Werkstatt, suchte sein Fenster, fand es und warf das Seil-mit-dem-Haken-drin durch die Öffnung. Mit letzter Kraft zog er sich hoch, nahm den Haken vom Fensterrahmen und schloss das Fenster hinter sich.


    Dann erst erlaubte er es sich, vor Erschöpfung umzukippen.


    ***


    Am nächsten Morgen erwachte Artemis in voller Montur auf seinem Fußboden. Was war letzte Nacht geschehen?


    Plan Jackpot. Keine Geschenke. Nervenzusammenbruch. Weihnachtsmannkostüm. Peinlicher Auftritt vor dem Rest. Sternschnuppe. Herausgefunden, dass Tomomi mir verziehen hat.


    Er stöhnte. Was auch immer ihn da geritten hatte, es hatte sich anscheinend verflüchtigt. Gähnend zog er sich an der Tischkante hoch. Yeesh. Sein Mund fühlte sich an, als hätte irgendjemand versucht, ihn zu tapezieren.


    Sein unsicherer Blick fiel auf etwas Rotes, Glänzendes auf seinem Schreibtisch. Nach ein paar mal Rein- und Rauszoomen hatten sich seine Augen so weit eingestellt, dass er wieder auf kurze Entferung scharf sehen konnte.


    Ein Paket. Es waren doch keine Geschenke für ihn dabei gewesen, oder? Auf dem Paket stand trotzdem "Artemis". Das war doch eindeutig.


    Vorsichtig öffnete er das Paket, in dem eine weiße Schachtel lag. In der Schachtel...


    Er sog scharf Luft ein. Das Objekt, das in dieser Schachtel lag, hatte Stil. Es war eine Schirmmütze, nicht unähnlich der, die er normalerweise trug. Allerdings war diese hier aus schwarzem Stoff, gefüttert mit Samt und mit einer roten, runden Plakette über dem Schirm, auf der eine weiße Acht prangte. Artemis nahm seine Mütze ab und probierte diese an - sie passte wie angegossen.


    Anscheinend hatte Alicia die Mütze noch letzte Nacht gekauft und in sein Zimmer geschmuggelt. Tja, Freundlichkeit zahlte sich anscheind doch aus. Vielleicht sollte ich das öfter probieren, überlegte er, während er zu seiner Zimmertür schritt.


    Diese weigerte sich zu reagieren. Erst nach einigem Rütteln bemerkte er, dass der Schlüssel von innen steckte. Ach, stimmt ja, dacht er. Ich habe ja gestern abgeschlossen. Damit keiner... rein... kommt...


    Irritiert blickte er zwischen der geschlossenen Tür und der Mütze hin und her - um dann zum offenen Fenster hinter ihm zu blicken. Er hatte das Fenster gestern abend geschlossen...


    Vor seinem inneren Auge erschien Tomomi, wie sie ihm vom Weihnachtsmann erzählte. Und wenn man kurz vor Weihnachten eine Sternschnuppe sieht, ist das wahrscheinlich er, wenn er nachguckt, wer sich was wünscht, rekapitulierte er.


    Was war nun wahr? Gab es den Weihnachtsmann tatsächlich? Hatte er herausgefunden, was Artemis' Wunsch war? Weshalb hatte er doch noch ein Geschenk gekriegt? Auf all diese Fragen, das spürte er, würde er nie eine Antwort finden.


    Aber wenn er ehrlich war - wollte er es gar nicht erst wissen.


    ***


    Wäre das hier ein Film, würde die Kamera nun zurückzoomen, aus Artemis' Zimmer hinaus, auf die gesamte Morgan-Fox-Anstalt, untermalt von einem Weihnachtsklassiker - nicht die klassische Art von Weihnachtsklassikern, sondern die Art, die vor 40 Jahren das Neueste zum Frohen Fest gewesen sind. Und draußen würde der Schnee langsam anfangen zu schneien - nicht der erste Schnee zum Frohen Fest, sondern einfach nur ruhiger, friedlicher Schnee.


    Wer weiß. Vielleicht passierte das tatsächlich. Fest steht, es war ein friedliches Ende.


    Frohe Weihnachten, Leute. Frohe Weihnachten.


    ~ MentalChocobo

    No time to search the world around
    'Cause you know where I'll be found
    When I come around
    When I come around, yeah

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