Nicht für jeden ist selbstverständlich, wie man am besten an die Kritik eines Fotos herangeht. Aus diesem Grund und auch um euch die Möglichkeit zu geben, euch an einer Vorlage zu orientieren, möchte ich euch näher zu bringen, wie man Fotos konstruktiv kommentieren kann.
Konstruktiv ist schon das richtige Stichwort - in diesem Bereich versuchen wir, uns gegenseitig hilfreiche Kritik zu geben, mit der sich der Fotograf verbessern kann. Von Facebook, Instagram oder auch der Galerie-Funktion im Bisaboard seid ihr es vielleicht gewohnt, einfach ein kurzes "schön" oder "tolle Haare" dazulassen. Das freut den Ersteller zwar mit Sicherheit, hilft ihm aber nicht wirklich weiter; dabei gibt es so viel, worauf man achten kann!
Im Wort "Kritik" mag in manchen Ohren ein negativer Beigeschmack enthalten sein, tatsächlich bedeutet "Kritik" aber nichts weiter, als ganz neutal "eine Beurteilung". Diese wird anhand von Maßstäben vorgenommen, die möglichst offen dargelegt werden sollen. Da jeder auf etwas anderes wert legt, soll innerhalb des Kommentars deutlich werden, was genau das ist.
Lob vs. Tadel
Kritik hört prinzipiell niemand gerne, da eine gute Kritik immer auch Mängel aufzeigt und somit von vielen als persönlicher Angriff gewertet wird. Wichtig ist deshalb, eine gute Mischung aus positiven und negativen Gesichtspunkten zu finden und dem Gegenüber das Gefühl zu geben, dessen Werk und Mühen zu schätzen und ihm helfen zu wollen, sein Können zu verbessern.
Eine der wichtigsten Regeln ist deshalb, immer genügend Lob in einen Kommentar einzubauen. Dabei soll dem Kritisierten gesagt werden, was er richtig gemacht hat und was er beibehalten soll. Erst in einem zweiten Schritt können dann Dinge angesprochen werden, die verbesserungswürdig sind.
Der Ton
Damit der Inhalt richtig ankommt, ist der richtige Ton sehr bedeutend. Es ist kontraproduktiv, den Kritisierten zu hart heranzunehmen und Kraftausdrücke zu verwenden. Um jemanden zu kränken kann auch schon ein falsches Wort, wie beispielsweise "scheiße" genügen, auch wenn es vielleicht nicht so gemeint war. Deshalb ist es anzuraten, sich den Kommentar vor dem Abschicken noch einmal durchzulesen und sich zu überlegen, ob man das selbst gerne hören würde.
Umgekehrt hilft es aber auch niemandem, wenn man ihn mit Samthandschuhen anfasst. Solltejemand beispielsweise ein Werk präsentieren, das klar unter seinem Niveau liegt, kann man dieses schon etwas heftiger kritisieren und schärfere Kritik äußern, da es in diesem Fall angebracht wäre. Auch wenn jemand immer wieder die selbe Kritik bekommt, diese aber nie umsetzt, wäre das der Fall.
Das hängt aber immer von der jeweiligen Situation ab und es sollte abgewogen und ein guter Mittelweg gefunden werden.
Struktur
Um es dem Gegenüber einfacher zu machen, die Kritik richtig zu verstehen und umzusetzen, ist eine gewisse Struktur vonnöten, und zwar eine innere, sowie eine äußere. Bevor die Kritik also in Angriff genommen wird, sollte man sich darüber Gedanken machen, was man eigentlich sagen möchte und dieses schon im Voraus in eine sinnvolle Reihenfolge bringen. Dies erleichtert es ungemein, dem Kommentar zu folgen und die Betrachtungsweise des Kritikers nachzuvollziehen.
Auch das Gesagte sollte dementsprechend durchdacht sein und keine wirren Formulierungen enthalten, die man drei mal lesen muss, um sie zu verstehen.
Qualität vor Quantität!
Ein Kommentar wird nicht besser, alleine durch die Tatsache, dass er drei Wordseiten lang ist. Manchmal reichen ein paar kurze und prägnante Sätze, um den Inhalt auf den Punkt zu bringen. Auch ist es nicht verpflichtend, alle Bilder eines Updates zu kommentieren, manchmal sticht ein Bild im speziellen heraus und nimmt deshalb so viel Raum ein, dass es alleine stehen kann, oder aber es ist gar nicht die Zeit vorhanden, alle einzeln durchzugehen. Es ist auch durchaus legitim, ein paar allgemeine Worte zum Schaffen des Gegenüber zu verlieren, ohne sich dabei auf spezielle Beispiele zu beziehen.
Solange der Kommentar einen gewissen Gehalt hat, wird er nicht gelöscht!
An den Kritiker
Nun stellt sich natürlich die Frage: Worauf kann man eigentlich Bezug nehmen und was sind sinnvolle Ansatzpunkte, wenn man ein Foto kommentieren möchte?
Equipment
Die Information, die man gleich am Anfang benötigt, ist die Frage nach der Kamera und den evtl. verwendeten Objektiven. Laut Bereichsregeln sollten sich diese Informationen im Startpost jeder Galerie befinden, oder können der Bildbeschreibung entnommen werden. Um eine sinnvolle Kritik schreiben zu können, muss das zur Verfügung stehende Material unbedingt berücksichtigt werden. Mit einer Spiegelreflexkamera beispielsweise hat der Fotograf deutlich mehr Möglichkeiten, als mit dem Handy oder einer Digitalkamera.
Gesamteindruck und Motiv
Was einem bei einem Foto als erstes in den Sinn kommt, ist der Gesamteindruck. Die Frage, die man sich nach dem ersten Betrachten stellen sollte, ist: Gefällt mir das Foto? Wenn ja: Warum? Wenn nein: Warum nicht?
Wichtig hierbei ist vor allem das fotografierte Motiv, außerdem die transportierte Stimmung und die Bildaussage (gibt es die überhaupt?) und die Bearbeitung. Auf diesen ersten Eindruck könnt ihr im Laufe des Kommentars immer wieder Bezug nehmen. Eventuell ändert sich die Sichtweise auch bei längerer Betrachtung. Sollte das der Fall sein, kann das gerne thematisiert werden.
Fokus
Der Fokus ist der Schärfepunkt des Fotos und damit ausschlaggebend für die Qualität. Wenn ein Foto verwackelt ist, wirkt das unprofessionell, wird dagegen mit Schärfeebenen gearbeitet, macht das einen guten Eindruck. Wer selbst Erfahrung mit dem Fokussieren hat, kann diese hier teilen oder konkrete Tipps geben.
Bildausschnitt und -aufbau
Es gibt x Möglichkeiten, ein Motiv innerhalb des Fotos zu positionieren. Das Wissen hierüber wächst mit längerer Erfahrung, da manche Ausschnitte vorteilhaft, andere eher unvorteilhaft sind. Hier ist auch zu beachten, ob sich seitlich am Foto störende Elemente befinden und ob der Fotograf das Foto zugeschnitten hat, bzw. ob es sich im Nachhinein noch sinnvoll zuschneiden lässt. Bei fortgeschritteneren Fotografen kann man auch ein Auge darauf haben, ob eventuell Regeln wie der goldene Schnitt, die Drittel-Regel oder die Fibonacci-Spirale beachtet wurden.
Lichtverhätnisse
Ein Fotograf arbeitet vor allem mit dem Licht, weshalb die Lichtverhältnisse im Foto ein wichtiges Bewertungskriterium sind. Prinzipiell eignen sich vor allem die Morgen- oder die Abendsonne zum Fotografieren, während die zenitale Mittagssonne häufig zu Überbelichtung führen kann. Wenn die Verhältnisse schwierig waren, kann man darauf bezug nehmen und bewerten, wie gut der Fotograf mit der Situation umgegangen ist. Auch, wenn bewusst mit dem Licht gespielt wurde, ist das ein Punkt, der angesprochen werden kann.
Farben
Farben können die Stimmung eines Fotos massiv beeinflussen. Hier gilt es zu beachten, ob beim Fotografieren auf die Farbgebung geachtet wurde, beispielsweise, indem bewusst Komplementärfarben eingesetzt wurden. Bei zu viel Bearbeitung oder Unaufmerksamkeit können Farben aber auch schnell aufdringlich und chaotisch wirken.
Bearbeitung
Nicht jeder Fotograf bearbeitet seine Fotos, meistens wurden aber zumindest Helligkeit und Kontrast angepasst. Wenn das Original nicht vorhanden ist, kann über die genaue Bearbeitung nur gemutmaßt werden, manchmal fallen einem aber Dinge direkt ins Auge, beispielsweise wenn das Foto eine ungewöhnliche Farbgebung vorweist. Das kann gerne kommentiert werden, Verbesserungsvorschläge sind auch immer gerne gesehen.
Wer fachlich nicht ganz sicher ist und etwas Hilfestellung benötigt, findet in unserer Fotografenschule viele hilfreiche Tutorials, die vor allem die Basics ganz ausführlich erklären. In diesem Bereich werden aber auf keinen Fall nur 100% richtige und technisch versierte Kommentare erlaubt, solange ihr euch an ein paar der Punkte oben haltet, ist das absolut okay!
An den Fotografen]
Um es den anderen zu ermöglichen, möglichst qualifizierte Kommentare zu hinterlassen, muss einiges sichergestellt werden:
- Bereitstellung von Informationen zum Foto, wie:
- Allgemeine Beschreibung
- Metadaten
- evtl. dem Original - Die Bereitschaft, Kritik anzunehmen
- Die Fähigkeit, Kritik nicht persönlich zu nehmen
- Die Bereitschaft, sich mit der Kritik auseinanderzusetzen
Sollte jemand aus etwaigen Gründen keine Kritik wünschen, kann er das dazuschreiben.
Nach Erhalten von Kritik ist es sehr wichtig, sich diese erst einmal sehr gründlich durchzulesen und sich zu überlegen, ob alle angesprochenen Punkte klar sind. In einem nächsten Schritt sollte nun eine Antwort verfasst werden, in der differenziert auf den Kommentar eingegangen wird. Hier kann der Kommentar beispielsweise zitiert werden und die Antworten farbig hineineditiert werden, oder gleich ein Fließtext geschrieben werden. Es ist nicht verpflichtend, in der Galerie auf die Kritik zu antworten, dies kann auch privat passieren. Ratsam wäre es allerdings, da so auch andere Benutzer daran teilhaben können.
Wenn die Meinung des Kritikers nicht geteilt wird, können die Gründe dafür genannt werden oder auf angesprochene Probleme eingegangen werden.
Die Antwort auf die Kritik ist obligatorisch und wird in unserem Bereich erwartet!
Das Foto
Das Beispielbild: Herbal Gypsy von Wolkenhase
[Blockierte Grafik: http://abload.de/img/e57tu7xgh9p6d.jpg]
Technik:
- Canon Eos 1100D
- 18-300 Objektiv
- Blende: F/4
- Belichtung: 1/250 Sek
- Bearbeitung: Leichte Kontrasterhöhung mit Photoshop
2 Negativbeispiele
ZitatDas ist wirklich ein schönes Bild, mir gefällt es sehr, weil ich Mohnblumen total gerne mag. Es erinnert mich an den Sommer und ich ärgere mich immer, wenn ich eine Mohnblume pflücke und sie kurz darauf schon verwelkt. Deshalb pflücke ich sie nicht mehr.
-> Das ist zwar ein sehr positiver Kommentar, über den sich jeder freut, aber effektiv anfangen kann man mit diesen Informationen gar nichts. Die zuvor genannten Kriterien wurden wenig bis gar nicht erfüllt, zusätzlich ist der Post zu kurz.
ZitatOh man, das Foto ist wirklich blöd. Ich mag keine Mohnblumen und das Bild hat überhaupt keinen Fokus, außerdem nervt die Blume im Vordergrund total, hast du das nicht gesehen, als du das Foto gemacht hast?!
-> Sollte eigentlich selbsterklärend sein. Hier wurden zwar schon ein paar Mängel aufgezeigt, aber der Ton macht die Musik.
Ein positives Beispiel
ZitatWie schön, Mohnblumen! Toll, dass du sie fotografiert hast, sie erinnern mich immer so an den Sommer und machen richtig gute Laune. Zusammen mit dem Grün und dem Weiß in deinem Foto ergibt sich eine richtig schöne Fabkomposition, die man sich gerne ansieht. Dein Foto ist quadratisch, was ein wirklich interessantes Format ist, das Fotos für mich irgendwie "auf den Punkt" bringt. In den Informationen steht, dass du das Foto leicht bearbeitet hast, mir gefällt, dass man das nicht wirklich sieht, da es sonst einfach zu viel gewesen wäre, das Foto soll ja für sich wirken.
Ein Kritikpunkt, den ich gerne anbringen möchte, ist der Fokus, der scheint in deinem Foto nämlich irgendwie nicht ganz vorhanden zu sein. Vielleicht merkst du selber, wie unruhig der Blick in dem Foto hin und herhuscht, das liegt daran, dass einfach kein Aufbau vorhanden ist. Die Mohnblume im Vordergrund ist unscharf und lenkt stark ab und auch im Hintergrund gibt es eigentlich nur ein Gewirr von Pflanzen. Mit einem Teleobjektiv, so wie du es verwendet hast, ist das sicher auch nicht einfach, aber ich möchte dir einen Tipp geben: In diesem Fall könntest du dir eine Mohnblume raussuchen, die dir besonders gefällt und sie fokussieren. Dann hast du einen scharfen Punkt, auf dem sich das Bild konzentriert und gleich etwas mehr Struktur.
Übung macht da natürlich den Meister!
-> So unglaublich lang ist dieser Kommentar auch nicht, aber er fasst alles Wichtige kurz zusammen und spricht sowohl Positives, als auch Negatives an. Die Fotografin kann mit dem Tipp konkret etwas anfangen und ihn beim nächsten mal gleich ausprobieren. Außerdem ist sie sicher nicht beleidigt, weil die Kritik in einem verständnisvollen und angemessenen Ton geschrieben wurde.