Destiny's Cards

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  • Destiny's Cards


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    Quelle ♥


    I entered this world, but never knew if everything was just a dream, a nightmare, or even worse




    Allgemeines


    Herzlich willkommen zu meiner neuen Geschichte! Ich habe mich, schneller als erwartet, aus dem Bereich der Einzelwerke und Sammlungen geschlichen, um euch meine neue Geschichte vorzustellen. Ihr werdet allerdings keinen extra Klappentext oder Charakterbriefe bekommen, weil ich nicht zu verkrampft oder geordnet daran gehen will. Ich lade euch viel lieber ein, in eine Welt, die ich geschaffen habe, und hoffe, dass sie euch gefällt. Alles Wichtige werdet ihr erfahren, wenn es soweit ist.
    Allgemein lässt sich sagen, dass ich die Geschichte mit P16 betiteln möchte. Es gibt zwar Knuffigkeit, ruhigere Phasen und eine gute Portion von bestimmten Genre, aber auch der Tod ist ein ständiger Begleiter in diesem Werk, der hin und wieder mit gezinkten Karten eingreifen wird. Bereitet euch auf Fantasie, Slice of Life, Romance und ??? vor. Natürlich manches mehr und manches eher weniger, aber das könnt ihr ja selbst herausfinden.




    Danksagung und Widmung


    Hier möchte ich drei User nennen, die mich seit Anbeginn begleiteten und verdient haben, hier zu stehen. Ich hoffe, dass ich es schaffe, diese Geschichte zu ihrem verdienten Ende zu bringen und wenn, dann dank euch.
    Die Krähe, die in den Flammen vom Phönix badet. Das Flunkifer, das in ewige Gespräche mit mir verwickelt ist. Sensei, die immer hilft und Tipps hat. ♥♥♥
    Natürlich auch danke an alle, die diese FF lesen, und ich hoffe, dass wir eine Menge Spaß hier haben werden - viel Spaß beim Lesen!


    Copyright


    Setting, Charaktere und weitere, schriftliche Aspekte unterliegen meinem Urheberrecht, somit dürft ihr meine Texte nicht verwenden, vervielfältigen oder auf andere Weise nutzen, ohne mich zu fragen. Zitatrecht ist selbstverständlich erlaubt, solange ihr mich als Urheber angibt. Bilder oder Zitate, die nicht von mir sind, werden mit entsprechenden Quellen versehen. Ansonsten stehe ich für Fragen und Ähnliches immer zur Verfügung.





    Regelung Regelbuch und Ticket Äon-Ticket
    Es gibt Regeln? Ja, eine Regel gibt es. Und an die müsst ihr euch halten, um das Ticket zu erhalten. Die Regelung ist, dass ihr Respekt vor dem Werk habt - mehr nicht. Meine Werke bedeuten mir viel, auch wenn sie noch so kurz sind, und deshalb erwarte ich einen angemessenen Umgang mit ihnen - schon habt ihr eurer Ticket, wenn ihr euch daran haltet. Natürlich bin ich nicht perfekt, muss noch eine Menge lernen und freue mich deshalb umso mehr über Feedback - sei es positiv oder negativ -, aber was ich mit Respekt meine, sollte anderen Autoren sofort klar sein. Danke fürs Lesen.


    Kapitelübersicht


    Prolog: Es beginnt - Ankunft
    Kapitel 1: Griff der Normalität
    Kapitel 2: Sorgenkäfig
    Kapitel 3: Befreiungszug




    Herzkonfekt

  • Prolog: Es beginnt - Ankunft

    Freut mich, dass ihr euch ein Ticket geschnappt habt und an diesen Ort mitkommen wollt. Wie ihr sehen könnt, fahren wir zu einer Insel, denn wofür auch sonst das Bootsticket, oder? Ach ja, keine Sorge, denn ihr müsst mich nur im Prolog ertragen, danach beginnt die Geschichte nämlich richtig. Aber warum sollte ich euch nicht vorbereiten und warnen, oder?
    Wie bitte? Ach so, wo wir hinfahren – guter Einwand.
    Die Insel, zu der wir fahren, ist fernab von den Kontinenten, die ihr kennt und befindet sich an einer Stelle, die wir nicht näher beschreiben brauchen. Der Name der Insel ist Senbon und wer hätte es gedacht: Die Hauptstadt ist Senbonza City
    Lasst mich euch einstimmen, damit ihr die Macht dieser Metropole versteht. Keine Sorge, es wird das einzige Drabble, was ihr in dieser Geschichte ertragen müsst.


    Wenn Kulturen der unterschiedlichsten Gebiete zusammenlaufen, entsteht ein Ort, der wie eine chaotische Mixtur wirkt. Doch in dieser reinen Form des Chaos, befindet sich die Schönheit davon. In dieser Welt kann dein Traum, den Alptraum eines anderen einleiten. Die Zukunft hat sich mit den Wurzeln der Vergangenheit verbunden und einen Ort geschaffen, der unbeschreiblich ist. Natur hat einen Dauerplatz in diesem Traum des Alptraums gebucht und wartet nur darauf, dass ihr versinkt. Alles, was auf jener Insel passiert, geschieht aufgrund dieses Ortes. Taucht in die Schatten der Nacht und badet in dem Blütenmeer ihrer Träume. Herzlich willkommen, in Senbonza City.


    100 Wörter, die euch hoffentlich einen Einblick geboten haben.
    Wir werden uns dem Leben eines Jungen widmen; sein Name ist Leo. Wir sind sogar fast dort, wie angenehm. Ich möchte euch gar nicht weiter aufhalten und werfe euch einfach mal in meine Welt – hey, ihr seid freiwillig hier, nicht vergessen! Hoffentlich werden wir uns eines Tages im Epilog wiedersehen, wenn ich euch abhole.
    Die Regeln kennt ihr ja bereits und die Karten wurden ausgeteilt…ach ja! Eine Sache wäre noch zu erwähnen, damit ihr vorgewarnt seid: Nichts ist so, wie es scheint.




    Herzkonfekt

  • Kapitel 1: Griff der Normalität

    Spielerisch mischten sich die Wolken am Himmel, während die Sonne langsam den Zenit anstrebte und das Ende des Morgens einleitete. Das Rascheln von Blättern, Getuschel von Neuigkeiten und allgemeines Gewusel des Alltags untermalten das Szenario, das sich Leo aus dem Klassenraum ansah und dienten als die tägliche Musik seiner Klassenkameraden. Geistesabwesend betrachtete er den Horizont und versuchte, sich dem langweiligen Geschichtsunterricht zu entziehen.
    „Leo, ich hoffe, dass du nach unserer Pause ebenfalls den Enthusiasmus aufbringen kannst, meiner wichtigen Gruppeneinteilung zuzuhören. Es wäre mir wirklich eine Ehre, wenn du die Mühe aufbringen könntest“, ertönte die stets ironisch wirkende Stimme von Mrs. Seller, die sich mit einer Hand auf dem Pult abstützte und Richtung vorletzte Reihe blickte – wie ein Puma, der seine leichte Beute ausspäht. Gekonnt wiedersetzte er sich den starren Blick der Lehrerin, die einen viel zu kurzen Rock trug, tat es mit einem Seufzen ab und gab sich den Lachern seiner Mitschüler hin.
    Nur das plötzliche Geräusch bot endlich die ersehnte Erlösung dieser täglichen Tortur: Die stumpfen Töne der Schulklingel.
    „Haben wir jetzt Schluss, ja oder?“, fragte er seinen Sitznachbarn und zugleich besten Freund, der gelangweilt auf sein Handy starrte – nicht verwunderlich, schließlich waren sie mit 16 Jahren zu alt für den kindlichen Schulhof und viele Ablenkungen gab es innerhalb der Pause nicht mehr. In der Cafeteria waren die beiden heute Morgen bereits und Rauchen war ebenfalls gar nichts für sie, von daher verweilten sie auch in den Pausen gerne in der Klasse, um Hausaufgaben nachzumachen oder über die Welt zu philosophieren.
    „Hast du es wirklich vergessen?“ Chase konnte sein Lächeln nicht unterdrücken – typisch für ihn, er war eine Art Klassenclown, wenn man es so nennen will – und blickte Leo mit seinen blauen Augen unglaubwürdig an. Hell strahlten sie im leichten Schimmer der goldenen Sonne und die sonst blonden Haare taten es jener gleich, während sie leicht gegelt in die Höhe ragten.
    „Heute teilt Mrs. Seller, - die immer noch unsere Klassenlehrerin ist, also verspiel ihre Sympathie lieber nicht -, uns in zweier Teams ein, um das Fächerübergreifende Projekt zu starten“, fuhr Chase fort und ließ sein Handy in seine Schultasche gleiten.
    Entnervt lässt sich Leo in den Stuhl zurückfallen und unangenehme Erinnerungen kehren zurück, allesamt mit der ironischen Stimme versehen, die einige Wochen zuvor etliche Verpflichtungen und Projekte ankündigte. Kleinigkeiten, außer besagtem Partnerprojekt. Drei Fächer sind in diesem eingebettet und angeblich eine große Chance, sich gleich vielfach zu verbessern – Schwachsinn. Streber bekommen so oder so gute Noten und übernehmen im Notfall jene Arbeit für ihre Partner, sollten diese unter plötzlicher Scheinkrankheit oder Motivationsschwäche leiden, zumindest war sich Leo dessen bewusst, wenn er so an die alte Schule zurückdachte. Bevor Leo an die Strorsen-Highschool, vor ein paar Wochen, gekommen war, ging er noch an eine ganz andere Schule, die recht weit von hier lag und sich eben diesem System bediente, in denen es bereits zu Anfang klar war, wer die Arbeiten übernimmt.
    Bereits seit dem Tag, an dem seine Mutter ihm erzählte, dass sie in die langersehnte Metropole ziehen, schrieb er aufgeregt die Nachrichten an Chase. Nächte ohne ein Eintreten in die Traumwelten, und stattdessen aufgeregtes Rumwälzen im Bett, da die Aufregung sich definitiv nicht zurückhielt; das war der Preis der Aufregung. Die Wiedervereinigung mit seinem Kumpel aus Kindertagen diente natürlich auch zum Entfachen jener Spannung über die neue Umgebung, dessen er sich nur teilweise, bei den wenigen Besuchen, widmen konnte.
    Erneut erklang der Gong und eifrig kehrten vereinzelte Raucher und Cafeteriagänger zurück. Unzählige Zettel mit Formalitäten, Regeln und anderen Informationen – zum einen Ohr hinein, zum anderen Ohr wieder hinaus – wurden ausgeteilt, während Mrs. Seller einen endlosen Monolog darbot, der, ohne sichtbare Notizen, frei aus ihr heraussprudelte.
    Leo fixierte sich wiederum auf Chase, denn er schien völlig gebannt zu lauschen und als sein Name endlich fällt, offenbart er einen leichten Freudenschrei, der langsam im Gelächter ihrer Klassenkameraden untergeht. War es so wichtig für ihn, nicht mit bestimmten Leuten im Team zu enden? Chase war recht faul und vor allem unbekümmert, wenn es um seine eigenen Noten ging. Schnell konnte Leo feststellen, dass er sich mehr um die Belange seiner Mitschüler sorgte und seine eigenen Noten für andere vernachlässigte. Klassenclown mit Herz sozusagen.
    „Leo Lancaster und Zoey Wellington“, schallte es vom Puma aus der ersten Reihe. Stille bahnte sich kurzzeitig durch den stereotypischen Klassenraum und wandelte sich schnell in Tuscheln.
    Chases Verspannung kehrte zurück, die Hände verkrampften sich leicht und mit flacher Atmung durchlöcherte er Leo mit seinem Blick.
    „Ihr dürft jetzt zu euren Kursen gehen und danach habt ihr es überstanden.“ Diese Aufmunterung war bei Chase definitiv fehlgeschlagen.
    „Alles ok bei dir? Irgendwie wirkst du aufgeregt. Willst du mit ihr in einer Gruppe sein? Ich stehe euch nicht im Weg.“ Selbst nach Leos verzweifeltem Versuch, ihn aus der gefühlten Schockstarre zu befreien, zeigte er keine Veränderung in seiner Mimik.
    „Du solltest fragen, ob du die Partnerin tauschen kannst, ernsthaft.“
    Ungewohnte Ernsthaftigkeit erfüllte die Atmosphäre und obwohl die ersten Schüler die letzten Minuten ihres Schultages antraten, interessierte es dem sonst frohgesinnten Freund herzlich wenig.
    „Warum?“
    „Ich erkläre es dir gerne später, wenn wir Schluss haben, aber die kurze Verwirrung innerhalb des Raumes war kein Zufall – vertrau mir.“
    Es musste ein Scherz. Sicherlich wusste selbst Mrs. Seller vom Running Gag, den Chase beeindruckend gut präsentiert, dabei war er nicht einmal im Theaterkurs.
    Langsam erhob sich Leo aus dem gefühlten Halbschlaf, der wie hunderte Jahre wirkte, dabei war es ein normaler, acht Stunden langer, Schultag.
    Flink an den einzelnen Tischreihen vorbeigeschlichen, ohne in Richtung Zoeys zu blicken, die am anderen Ende des Raumes in ihrer Tasche kramte, trat er den Weg zur Chefin an.


    „Man hat mir geraten, die Partnerin zu wechseln, was sagen Sie dazu?“ Ein schiefes, gespieltes Grinsen zog sich über Leos Lippen, als er versuchte, verbleibende Sympathie nicht zu verspielen und eine Aufklärung zu bewirken.
    „Du glaubst doch nicht diesen Gerüchten? Ich bitte dich. Nachdem du gerne aus dem Fenster starrst, weil du mit Desinteresse auf die Geschichte unserer Ahnen blickst, habe ich umso weniger Lust, extrabürokratischen Aufwand für dich zu tätigen.“
    Streng, mit gerunzelter Stirn und Unverständnis, sah sie auf Leo herab. Nicht verwunderlich, da die Stöckelschuhe sie wie eine alte Giraffe wirken ließen - selbst mit 1,75 Metern, war Leo zu klein.
    Nicht mal der altbekannte Hundeblick, mit noch so viel Training dahinter, kratze an ihrem kalten Herz, aber Leo zweifelte an der Existenz dessen schon seit geraumer Zeit.
    „Leo, richtig? Du bist doch jetzt auch im Schauspielkurs, also können wir doch zusammen hingehen.“
    Mit dem Hauch von Camille in der Luft, unterbrach Zoey den gescheiterten Überzeugungsversuch zwischen Lehrer und Schüler sowie jede weitere Fortführung, denn Mrs. Seller nickte stolz über den Sieg und machte sich samt Tausche zur Flucht auf.
    Diesen dämlichen Kurs hatte er glatt vergessen. Beinahe alle waren bereits überfüllt – nicht verwunderlich, wenn die Schule tausende Schüler beherbergt – und neben Mathe - wie auch Geschichtskurs, stach dieser Kurs als einziger positiv heraus.
    Nickend folgte er ihrer Bitte und trat den Weg Richtung Tagesziel an: Dem Ende seiner Langeweile.
    Schweigend trotte er hinter Zoey hinterher, an den Spinden und Postern vorbei, die die Wände zierten und zum Teil bunt geschmückt waren. Sticker, kleine Graffitis und weitere Kunstwerke – neben Kaugummiresten und Abfallresten – markierten den Zahn der Zeit, der sich hier deutlich widerspiegelte. Trotzdem zierten auch schöne Kleinigkeiten die persönlichen Stauräume für allerlei Schulsachen und manche bemühten sich um fehlerfreies Aussehen. Beim Blick an die Decke wurde einem hingegen regelrecht schwindelig. Die Decke wirkte unerreichbar in die Höhe gebaut, aber dafür konnte man zum Reich der Engel hinaufblicken, denn statt einer trostlosen Abdeckung, hatten sich die Architekten definitiv Gedanken gemacht – Glasscheiben, gepaart mit schönen, silbernen Streben, zogen sich weitläufig über den Gebäudekomplex. Chase erzählte sogar einmal, dass es Schüler gab, die aufs Dach kletterten – zur Winterzeit - und Zeichnungen in den Schnee eingravierten sowie Schneeengel formten.
    „Sei vorgewarnt: Ich vermute, dass du dich gleich zwei Mal bei der Lehrerin beschweren musst“, sagte Zoey mit neckenden Unterton und ein kichern schlich sich über ihre feinen Lippen.
    Nie hatte Leo sich die Gesichter seiner Mitschüler eingeprägt, deshalb bemerkte er erst jetzt ihre minimal spitzen Lippen, das leicht runde Gesicht und die langen, komplett glatten sowie schwarzen Haare. Nach den paar Wochen erschien es ihm auch nicht wichtig, bereits zu wissen, was andere für körperliche Attribute haben. Allerdings musste er leicht schmunzeln, als er den Teddy mit flauschigem Mittelfinger, und Herzen in der anderen Tatze, entdeckte. Die minimalistisch zerrissene Jeans lag eng und währenddessen vergaß er völlig, dass sie immer noch wartete und deutlich spürte, dass er sie musterte.
    „Fertig, ja?“
    „Tut mir leid“, stammelte er leise und vermied jeglichen Augenkontakt mit ihr.
    Verlegen fuhr Leo sich zwischen die wuscheligen, braunen Haare und wartete auf ihre Befreiung von diesem peinlichen Moment.
    Sie deutete mit einer Handbewegung zum Folgen und presste ein leises kichern hinaus.
    Hell erleuchtet von der Sonne strahlte der Klassenraum und allerlei Bilder, die von ehemaligen Absolventen des Kurses geschaffen wurden, funkelten regelrecht, während sie im Sonnenlicht badeten. Doppelt so groß wie ein normaler Klassenraum, aber kaum mit Utensilien gespickt, bot der Raum lediglich ein paar Schränke an den Seiten und einen Halbkreis aus Stühlen.


    „Mach dein Leben zu einer Bühne und lade jeden Gast ein, den du dabei haben willst.“
    Jenen Satz bekam Leo damals an den Kopf geworfen, als die Kursleiterin ihn in der Schule rumführte.
    Nicht nur das große Projekt schien eine Belastung für die Schüler zu sein, denn die meisten Lehrer starteten Arbeitsgruppen, Projekte und entließen häufiger in die freie Arbeitsphase momentan. Die ironische Stimme seiner Lehrerin ging ihm nicht aus den Kopf und sie erzählte damals sogar noch, um sich vor den Schülern zu rechtfertigen, warum es denn nicht möglich sein, mit den Freunden eine Gruppe zu bilden: Das Leben ist kein Ponyhof. Eigentlich ging es eher darum, dass es diejenigen gab, die schlechter abschnitten, weil sie lieber mit jenen Freunden sich vergnügten, und somit den wichtigen Gesamtschnitt runterzogen. Letztendlich führte es zur Aufteilung, so dass die bestmöglichen Zensuren möglich waren. Blieb nur noch die Frage, warum-
    „Zoey, da dein Partner leider versetzt wurde, haben wir ein Problem.“ Erpicht darauf, eine Lösung zu finden, erhob sich Mrs. Wirlen bei ihrer Aussage und versuchte, dramatisch wie nur irgendwie möglich zu sein.Dramaqueen schimpften sie die Schüler, weil sie ihr Theaterdasein ernst nahm und es liebte, sich in den Mittelpunkt zu drängen, was auch gerne auf Kosten anderer geschah, wenn sie sich nicht ihrem Drehbuch fügten.
    „Ich kann das mit Leo machen, weil ich das Orion Projekt mit ihm zusammen anfertige“, warf Zoey mit euphorischer Stimme ein und winkte in Leos Richtung, als hätte sie ihn in die Pfanne hauen wollen.
    „Fabulös, dann erwarte ich Großes von euch! Und dass du mir ja keinen Schulwechsel vollführst!“
    Die Hand in Richtung des neuen Protagonisten des Stückes gerichtet und mit breitem Lächeln musterte sie Leo. „Ihr dürft gehen und proben, aber denkt daran, die neutrale Haltung zu üben und euch einen Tick auszudenken, damit eure Figur zum Leben erwacht“, fügte sie mit unnötig druckvoller Betonung hinzu und entließ ihre Schützlinge in die langersehnte Freiheit.
    Flink warf Leo sich die schwarze Umhängetasche um, die leicht klimperte, aufgrund der vielen Anhänger, welche an ihr befestigt wurden. Zoey tat es ihm gleich. Leicht baumelte die brandneue Umhängetasche, dessen beigefarbenes Aussehen gut zur Geltung kam bei diesen Lichtverhältnissen.
    Langsam füllten sich die Flure, aber umso schneller werden sie wieder geleert sein, wenn die Schüler ihren Weg nachhause antreten.
    „Du wohnst im Außenbezirk, stimmt’s?“
    Wie kam sie darauf, überlegte Leo sich, denn in dieser Stadt gab es unzählige Orte, die Wohnraum boten.
    „Ja“, erwiderte er stumpf und legte den Gedanken beiseite.
    „Ich mache dir einen Vorschlag. Wir treffen uns morgen bei mir, gib mir einfach deine Handynummer und ich schreib dir die Adresse.“ Im selben Moment ihrer Aussage zuckte sie ihr Handy bereits und wartete gespannt. Leo kramte in seiner Tasche und zog sein neues Handy hinaus. Die silberne Hülle funkelte im Sonnenlicht, das durch die obigen Fenster strahlte, und fix hatte er ihr die Nummer gezeigt, damit sie ihn einspeichern konnte.
    „Alles klar, dann bis morgen“, gab sie ihm mit einem zwinkern mit und trat den Abgang an.
    „Endlich ist sie weg“, kam sogleich von Chase, der in kleinen Abstand verborgen wartete.
    Ohne weitere Umschweife zog er Leo bis zum Eingang der Schule, wobei er akribisch versuchte, festzustellen, ob Zoey noch in der Umgebung lungerte oder auf jemanden wartete. Nichts. Keine Spur von ihr.
    „Was ist denn nun das schreckliche Geheimnis? Gehört sie zufällig zur Mafia?“, spottete Leo und steckte sein Handy derweil in die Tasche zurück.
    Chase holte tief Luft und überlegte, wie er seine Aussage verpacken sollte, um seinen Freund zu warnen.
    „Chase, ich kann sowieso nicht Partner wechseln und hab sogar ein Theaterstück, das ich mit ihr spielen muss, von daher ist es sowieso zwecklos“, unterbrach Leo den Denkvorgang, der ihm viel zu lang vorkam, um überhaupt noch ernstgenommen zu werden, und verabschiedete sich mit einer simplen Handbewegung.
    „Frag sie einfach nach den Zinten“, blaffte Chase genervt und trat den Weg in die entgegengesetzte Richtung an – im Hinterkopf ein Arsenal an Sorgen, das ihn jeden gedanklichen Freiraum nahm.




    Herzkonfekt

  • mit gezinkten Karten

    In Anbetracht des Titels ein interessantes Wortspiel.


    Hallo Musicmelon! Ich war schon sehr gespannt auf das neue Projekt und zumindest im Startpost und dem Prolog machst du schon mal viel Interesse auf die Welt und was wohl wartet. Besonders mit dieser allgemeinen Einleitung sprichst du mich als Leser geschickt an und ich kann mir vorstellen, dass das auch anderen Leuten so zusagt. Der Startpost ist natürlich völlig in Ordnung und ich danke für die Widmung. ♥


    Auf jeden Fall, zum ersten Kapitel. Mir ist während des Lesens aufgefallen, dass du sehr viel und ausführlich beschreibst; seien es auch noch so unwichtige Dinge, tragen sie zur Atmosphäre dabei und es fällt leichter, das Gelesene zu realisieren. Achte dabei aber in Zukunft darauf, die Sätze nicht zu stark zu verschachteln. Teilweise habe ich es gesehen, dass vier oder mehr Teilsätze in einen zusammengefasst sind und das mehrmals hintereinander, was das Lesen auf Dauer recht anstrengend gestalten kann - zumindest ging es mir so. Ein kleines Beispiel:

    Schweigend trotte er hinter Zoey hinterher, an den Spinden und Postern vorbei, die die Wände zierten und zum Teil bunt geschmückt waren.

    "Schweigend trottete er hinter Zoey an mehreren Spinden und bunten Postern vorbei."
    Hier entfallen nicht nur die Kommata, sondern die beiden Teilsätze werden auch gleich in den Hauptsatz integriert, was es leichter macht, den Satz als Ganzes zu verstehen. Zwar entfällt hier die Information, dass die Poster an den Wänden hängen, allerdings erwartet man die auch eher dort und sind daher nicht unbedingt erwähnenswert. Es ist wichtig, beim Schreiben eines Fließtextes auf die wesentlichen Dinge zu achten und diese kompakt zu vermitteln und in deinem Fall besteht noch viel Luft nach oben hin. Daran kannst du arbeiten.


    Von diesem Punkt abgesehen bleibt das Kapitel noch relativ offen, wie es um die Geschichte steht. Aktuell scheint das Ganze auf eine Theatergruppe hinauszulaufen, während das mysteriöse Mädchen in der Klasse irgendein Geheimnis umgibt, das noch gelöst werden soll. Das ist nicht viel Information, allerdings bleibt man sowieso erst einmal mit dem Begriff Zinten zurück; da hoffe ich einfach auf eine baldige Auflösung. Die Charaktere sind so weit in Ordnung; ich kann sie noch nicht so gut einschätzen, aber mal sehen, wie sie sich entwickeln werden.


    Insofern hoffe ich, dass dir der Kommentar hilft und wir lesen uns bestimmt wieder. Bis dahin!


    ~Rusalka

  • Ich kommentiere selten, ich kenne deine sonstigen Geschichten nicht, ich habe mir auch nicht lange schon gedacht, ich müsse dir einen Kommentar hinterlassen ... trotzdem bin ich hier. Das ist übrigens Rusalkas Schuld, weil ich seinen Beitrag las und ihm hier und da (an einer Stelle, ich gebe es zu) nicht zustimmen kann. Mein Beileid.


    Kaum lese ich durch den Startpost, erlaube ich mir auch schon die erste Frage: Was für ein Ticket? Hat der Begriff irgendeine Bedeutung, die mir in diesem Fall bekannt sein sollte? Bin ich jetzt ein Außenseiter im FF-Bereich? Was soll das bloß?
    Okay, ich verstehe die Bedeutung, hat sich erledigt. Ich war verwirrt, weil es ein Story-Punkt war, der im handlungsfernen Startpost untergebracht wurde.


    Die grundsätzliche Gestaltung gefällt mir. Es ist eher simpel, aber das ist je nach Geschichte, Autor und Geschmack viel schöner als diese ganzen riesigen, mit hundert Farben verzierte Almanache, die einen lediglich erschlagen. Deine Haltung, dass da keine großen Vorabbeschreibungen und Charaktersteckbriefe folgen, finde ich erst einmal absolut vertretbar. Solange du den Leser über viele Kapitel mit deinen Charakteren zu verzaubern weißt, musst du der Tortur, so etwas in den Startpost zu packen, nicht zum Opfer fallen.
    Auch die Farbe, das doch gut gesättigte Pink, weiß zu überzeugen. Oftmals werden, wenn wenige Farben genommen werden, übertrieben auffallende Farben genutzt oder sehr langweilige Pastellfarben. Du hast mit deiner Wahl einen sehr schönen Mittelweg gefunden.


    Bei so Einleitungen wie Prologen bin ich immer recht zwiegespalten. Viele machen ein eigentlich erstes Kapitel zu einem Prolog, obwohl ein erstes Kapitel eben kein wirklicher Prolog ist. Andere beginnen ihre Geschichte mit einem Prolog, der eigentlich in der Mitte der Handlung anzusiedeln ist. Wieder andere erzählen aus einer anderen Perspektive und leiten so erst einmal in die Welt ein, bevor der eigentliche Plot Einzug hält.
    Dein Prolog lässt sich am ehesten in die Kategorie eines anderen Charakters einordnen, der deinen Beschreibungen nach ein Kapitän oder Matrose oder Schiffsmitarbeiter sein könnte, der erst beim Abholen wieder erscheint. Finde ich erst einmal gut. Es handelt sich um einen richtigen Prolog und das zeugt von dir; das ist das wichtigste Kriterium hier.
    Hier und da finden sich ein paar Zeichensetzungsfehler, aber die waren beim Lesen des ersten Abschnitts deiner Geschichte nicht untragbar, haben nicht weiter gestört und werden deswegen nicht weiter erwähnt.



    Nun zu den Punkten des ersten Kapitels!
    Beschreibungen sind Liebe. Nicht jede Liebe muss man ausleben und man sollte nicht alles auf einmal geben. Du beschreibst sehr viel, aber nicht unglaublich überwältigend viel, du weißt die Liebe zu den Beschreibungen zu nutzen. Deine Sätze finde ich entsprechend auch nicht zu schlimm belastet. Gerade das Beispiel, das sich Rusalka gesucht hat, gefiel mir gut. Es sind halt gar nicht so viele Teilsätze; vier, wobei man zwei auch noch verbinden könnte.
    Natürlich musst du schauen, was du wirklich beschreiben musst, was du etwas aus den Augen lassen kannst und so weiter. Das wichtigste Hilfsmittel beim Schreiben ist dabei in erster Linie ohnehin der Erzählstil. Schreibst du speziell aus Leos Sicht, musst du eben auf seine Gefühlslage achten. Gerade jetzt während so einer ruhigen Phase sieht er viel und dementsprechend kann beschrieben werden.
    Die Handlung an sich ist, soweit stimme ich zu, sehr offen und du kannst uns noch in alle möglichen Ecken und Enden deiner Welt entführen. Diese hat sich grundsätzlich bis jetzt ohne logische Fehler erleben lassen, aber das ist so früh auch noch leicht, also habe ich nichts anderes erwartet.
    So Aussagen wie die der Lehrerin aber finde ich zwiespältig zu betrachten. Natürlich denkt sie so etwas, aber meist haben Lehrer eine Pflicht, jeden möglichst gleich zu behandeln. Puh, ich weiß nicht so recht. Aber das ist ein Punkt und vielleicht gibt es so Lehrer ja, die das nicht nur denken, sondern auch offen so aussagen.


    Das war jetzt längst nicht so strukturiert wie vielleicht gewohnt, aber ich denke, meine Punkte waren verständlich.


    Lese bald weiter! \o

  • Herzlich willkommen zu einem neuen Kapitel. Danke an alle, die bisher gelesen haben (und @Rusalka sowie @Dusk für die Kommentare), und viel Spaß weiterhin beim Lesen!




    Kapitel 2: Sorgenkäfig

    Es war bereits später Nachmittag geworden und Leo erreichte sein Zuhause. Der Bus für die Außenbezirke hatte Verspätung, außerdem musste er noch einige Besorgungen für Schulutensilien machen – dessen Benutzung wahrscheinlich ein einmaliges Erlebnis sein wird, zumindest erinnerte er sich noch an vergangene „unersetzliche Materialien“ – bis er endlich das Haus betrat. Nicht zu groß, nicht zu klein war das cremefarbene Haus. Die Straße teilte die zwei Häuserreihen und nur wenige Vorgärten waren mit mehr Kreativität beglückt als ein stumpfer Rasen allein.
    „Hab es überstanden, Mum“, rief Leo in den Flur hinein und erwartete seine Mutter an denselben Ort, wo sie immer zu finden war; ihrem Büro.
    Sofort verschwand seine Tasche mit einem Schwung auf der Treppe, um sie später mit nach oben zu nehmen.
    „Leo, du kommst gerade richtig!“
    Ungewöhnlich, dass sie scheinbar nicht im Büro war, denn ihre Stimme hallte von links; dem Wohnzimmer.
    Die Wände waren größtenteils in einem hellen Gelb, nicht stechend oder Ähnliches, gefärbt und im Wohnzimmer fanden sich die Möbel, die man standartmäßig erwarten würde. Lediglich eine große Vase, mit unterschiedlichsten Verzierungen darauf, stach heraus.
    „Guten Tag“, gab Leo überrascht zur Begrüßung. Nicht nur Melissa, seine Mutter, saß am Tisch, sondern auch ein unbekannter Mann.
    Mit einem breiten Lächeln winkte der junge Mann – um die 19 Jahre alt, zumindest konnte man es ihm vage ansehen -, der eindeutig asiatischer Herkunft war.
    „Er wohnt ein paar Häuser weiter und hat diesen wundervollen Obstkorb vorbeigebracht.“ Glücklich zeigte sie auf das Präsent, ein Korb voller Früchte, und strich sich kurz eine braune Strähne aus dem Gesicht. Melissa schien noch keine Zeit gehabt zu haben, sich in bequemere Kleidung zu schmeißen. Das lange, rote Kleid trug sie hin und wieder bei der Arbeit und auch nur dort, denn zuhause wollte sie nur noch raus dem Ding – nicht verwunderlich, wenn es bereits zu klein gekauft wurde, aber ein Umtausch war keine Option damals. Für ihren Job quälte sie sich auch in dünne Designerkleidung, um ihrer Seriosität mehr Ausdruck zu verleihen – bei den Preisen war es definitiv das Mindeste, aber Leo gab es auf, sich darüber zu wundern.
    Mit mulmigem Gefühl, lehnte er sich an den hölzernen Türrahmen.
    „Oh, ich hab ja völlig vergessen, mich vorzustellen!“, unterbrach der junge Mann die Stille. „Mein Name ist Zaire“, fuhr er ruhig fort und starrte unnachgiebig in Leos Richtung.
    Er weigerte sich, das Lächeln zu erwidern und erst recht, ihm irgendwelche positiven Gesten zukommen zu lassen.
    Es verpasste ihm fast eine Gänsehaut, wie das Mädchen auf dem weißen T-Shirt – welches eindeutig aus einem dieser Animes stammte – ihn ebenfalls anzulächeln schien. Die blonden Haare teilten sich die Figur und Zaire, allerdings waren seine eindeutig kürzer und gefärbt.
    Gruselig…
    Leo konnte innerlich nur den Kopf schütteln und verkniff sich weitere solcher Gedanken, die durchaus nicht fair gegenüber jemand Fremden waren, aber er konnte nicht anders, als misstrauisch zu betrachten.
    „Ich weiß, ich bin etwas zu spät für Willkommensgrüße, aber in dieser Stadt passiert ständig etwas, da verliert man sich selbst im tristen Alltag, hier im Außenbezirk, sehr schnell“, erklärte Zaire, um die misstrauischen Blicke Leos zu besänftigen.
    „Das ist doch kein Problem-“
    Ein schriller Ton unterbrach Melissas Antwort. Kurz zupfte sie ihr Kleid gerade und machte sich in Richtung Küche, um den Tee zu holen.
    Das unangenehme Misstrauen wurde bestärkt, mit jedem Moment, den Leo in diese braunen Augen schauen musste, die ihr Ziel nicht verließen. Die Worte von Chase halfen nicht, die immer wieder in seinem Kopf abgespielt wurden wie eine Schaltplatte. Gab es etwas, was er befürchten musste? Genervt versuchte er, den Gedanken aufzugeben. Chase war einfach jemand, der es liebte, Dinge ins dramatische zu ziehen – ohne Grenzen oder Sinn dahinter, aber er lebte schon seit seiner Kindheit in einer eigenen Welt.


    Summend kam Melissa mit einem Tablett zurück,platzierte es in der Mitte des hölzernen Tisches. Gebäck und zwei Tassen Tee dampften freudig vor sich hin.
    Dankend nahm Zaire einen Schluck und lehnte sich zurück, während er sich halb in Richtung Leos drehte und erneut grinste.
    „Leo, du bist im Theaterkurs, oder?“
    Langsam schnürte sich der Knoten in seinem Magen fester und fester. Angespannt gab er seine Zustimmung mit einem Nicken und die Schallplatte spielte Chases Worte immer lauter, als würden sie hier erste Anwendung finden.
    „Ein Freund von mir, Tom, ist auch in deinem Kurs und schrieb mir, dass du die Rolle von Noah übernehmen würdest – grüß ihn doch von mir, wenn du ihn siehst.“
    Herausfordernd war der Blick vom unbekannten Gast und der Blickkontakt schien wie eingefroren.
    Erneut unterbrach ein Klingeln das Gespräch, allerdings dieses Mal von einem Handy ausgehend, welches Melissa gehörte.
    „Das ist wichtig, bin gleich zurück“, erwähnte sie und die Hälfte des Satzes verschwand im Flur. Wenn es um die Arbeit ging, schaltete sich ein Schalter in ihr um. Die freundliche Mutter setzte sich sozusagen und die Star-Vertriebsleiterin übernahm; bedacht sowie objektiv.
    „Noah?“, nahm Leo die Konversation wieder auf und machte es sich auf dem Stuhl, wo seine Mutter zuvor saß, bequem.
    „Noah ist leider nicht mehr in unserer City und du bist stattdessen der neue Akteur im Stück, wie schön, nicht? Du hast sicherlich von ihm gehört.“
    „Mir dämmert da etwas, ja“, erwiderte Leo mit einem frechen Lächeln, um das Unbehagen zu kaschieren.
    Melissa schien in einem hitzigen Telefonat gefangen zu sein - was viel zu häufig geschah -, denn selbst durch die bereits geschlossene Tür, konnte man sie deutlich hören.
    „Du Glücklicher, jetzt hast du die schöne Szene am Schluss“, fuhr Zaire fort und griff nach einem kleinen Schokoladenkeks.
    „Welche Szene genau? Ich erfuhr leider erst heute von meiner Rolle, nach dir wie es scheint.“
    „Die Szene, in der du Z-o-e-y küssen sollst.“
    Dem sollte man nachts nicht begegnen…
    Das Gefühl war schon kein verkrampfter Magen mehr, nein, es war eine Kette aus Knoten. Normal war Zaire auf keinen Fall und sicherlich war er auch niemand, der aus Spaß irgendwo auftauchen würde, wenn man sich schon derartig auffällig und merkwürdig gab.
    Wie er den Namen langgezogen aussprach, es war gruselig und eindeutig zum Einschüchtern. Mit einem Keks in der Hand, lehnte Leo sich zurück, um den Abstand unauffällig zu vergrößern, obwohl er genau wusste, dass es nichts bringen würde, sollte er sich in Gefahr befinden.
    Er würde doch nicht gefährlich sein, wenn seine Mutter nebenan war? War er vielleicht jemand, der für Geld alles macht oder nichts zu verlieren hat?
    Ein Stapel an Fragen baute sich in Leos Kopf auf. Zaire sah nicht danach aus, als hätte er irgendwelche Waffen bei sich und sein Körperbau war normal – nicht wirklich muskulös, nicht wirklich schwächlich.
    „Und, ist das etwas Schlimmes? Mir geht’s ja nur um die Note beim Projekt, mehr nicht“, beschwichtigte Leo, zumindest sah er die Notwendigkeit, die Dinge offenzulegen. Unsicher biss er verspeiste er das Gebäck und versuchte, den Blickkontakt beizubehalten.
    „Dann ist ja alles gut, wie schön!“
    Ein Lachen stieß er nach seinem Ausruf aus und stellte seine Tasse auf das Tablett.
    „Wir sehen uns sicher bald wieder, Glückskind“, fügte er leicht ironisch hinzu und begab sich zur Tür.
    Melissa stand an der Treppe nach oben und war immer noch in ihrem Gespräch vertieft, deshalb verabschiedete sie mit simplem Winken und Zaire war verschwunden.
    Seufzend atmete Leo aus, mit den Nerven sichtlich am Ende, und spürte, wie die Spannung ihm endlich Freiraum bereitstellte.


    5 Stunden seit der Begegnung...


    2 Folgen seiner Lieblingsserie „Flaws of Crime” und einem wundervollen Abendessen - natürlich bestellt, denn Melissa hasste es, Essen zu kochen – später, hatte Leo sich gefangen und konnte den verbleibenden Schulpflichten nachkommen. Er versuchte es zumindest, allerdings starrte er seit einigen Minuten gedankenversunken aus dem Fenster und betrachtete die menschenleere Straße.
    Dunkelheit hatte sich bereits verteilt und die wenigen Straßenlichter beleuchteten fleißig im Glanze des Mondscheins.
    Vereinzelt befanden sich Autos am Straßenrand, wenn sie nicht in die Garagen passten oder Besuch waren, der über Nacht blieb.
    Ein leises Klopfen unterbrach den starren Blick Leos und Dan betrat sein Zimmer, in seinen Händen zwei Tassen mit Tee und einer Schürze um. Es war immer wieder amüsant, wie Dan versuchte, sich im Haushalt zu beweisen, wenn er von der Arbeit kam. Neuerdings ist er um die Mittagszeit bereits zuhause und kümmert sich um die anstehenden Dinge, da Melissa bis abends, ja nicht selten sogar die Nacht durch, arbeitet.
    „Ich hab gehört, dass du einen anstrengenden Tag hattest und dachte mir, dass wir uns vielleicht drüber unterhalten, wenn du Lust hast“, gab der Vierzigjährige, zwei Jahre jünger als Melissa, von sich.
    Er war der Inbegriff von Entspannung und Hilfsbereitschaft – außerdem völlig verfallen in einen Workaholic.
    Nickend nahm Leo die Tasse an und lehnte sich auf die Fensterbank. Nur ein kleines Lämpchen beleuchtete seinen großen Schreibtisch und das Bücherregal sowie Bett lag verborgen im Schatten.
    Dan tat es ihm gleich und ignorierte Leos Grinsen, das er aufgrund der Schürze nicht zu unterdrücken versuchte.
    Völlig oberflächlich kratzte Leo seine letzte Woche und den heutigen Tag an, ohne seine Sorgen und Fragen offenzulegen, die ein Vaterersatz sicher nicht verstehen würde. Leo mochte Dan. Sehr sogar, aber er sah ihn nie als richtigen Vater an, sondern eher wie ein guter Freund und wichtige Person im Leben seiner Mutter. Dan war eben ihr Gegenstück geworden, was er damals nicht werden wollte.
    Dans Stimme war immer tief und irgendwie seit Anbeginn vertraut, seit damals schon. Die leicht grauen Haare und ein verträumten Eindruck, den er eigentlich nie verlor. Für ihn war es nicht einmal ein Problem, jeden Tag in die Stadt zu pendeln, so wie er es damals ständig tat, bevor sie nach Senbonza kamen.
    „Dan, hast du von dem Wort Zinten gehört?“
    In vollster Anspannung verließen die Worte seine Lippen und das Gefühl der Unsicherheit über den morgigen Tag kroch langsam zurück.
    „Urban Legends, mehr nicht. Erwähne solche Sachen bitte nicht vor deiner Mutter“, ermahnte Dan vorsichtig und nahm einen Schluck vom Tee. Er musste unangenehme Tatsachen mit diesem Wort verbinden oder sich, wie er es fast täglich tat, Sorgen um die Psyche von Melissa machte. Sie war willensstark, aber trotzdem anfällig zu ungeplanten Problemen, die sie von der Arbeit ablenkten. Eine Familie sollte Kraft schenken, aber jene Wirkung hatte sie nicht auf Melissa. Es zerrte an ihren Kräften und erschöpfte, sodass sie sich schon Tage freinehmen musste, um alles wieder geordnet zu haben. Manche Familienmitglieder waren leider nicht sehr…pflegeleicht, um es angemessen auszudrücken. Sozusagen die andere Hälfte des zerrissenen Familienbildes.
    Leo konnte es genau sehen, sehen wie Dan Bilder der Vergangenheit in seinem Tee gedanklich abspielte. Für ihn stand sie an oberster Stelle, weil er eben hoffnungsloser Romantiker war.
    „Kannst du mir erzählen, wer sie sind? Oder was sie angeblich sind?“
    Leo ersuchte nur einen ungefähren Eindruck, versuchte ein grobes Bild zu sehen, welches seine Sorgen greifbar machen sollte. Sein mögliches Feindbild, zukünftiges Problem oder wie er es betitelte – es brauchte ein schemenhaftes Aussehen.
    „Freaks, die in der Stadt lungern und angeblich Macht besitzen. Man sagt ihnen bestimmte Ereignisse nach, die man einfach nicht gründlich untersucht hat, sonst wüsste jeder, dass sie nicht zu sowas fähig sind.“
    Entnervt atmete Dan tief ein und beruhigte sich. „Ich werde versuchen, Melissa von ihrem angewachsenen Handy zu trennen, alles klar?“
    Dan versuchte lediglich, die Atmosphäre zu lockern, was sein großes Talent war – seine Sorgen verdecken, wenn es drauf ankommt, und andere aus dem Strom des Alltagstresses zu ziehen. Trotzdem brannten sich die Worte, vor allem seine bewusste Betonung in den wenigen Worten, in Leos Gedächtnis hinein. Auf die Schallplatte eingraviert, die Chase produziert hatte – eine schreckliche Melodie. Zwar klang es interessant, das konnte Leo nicht verneinen, aber dass er ein Feind dieser ominösen Menschen sein könnte – oder eher ein Dorn im Auge, der nur weggepustet werden müsse -, widerstrebte ihm durch und durch.
    Ausnahmsweise widersetzte Leo sich dem Drang, sich an den Computer zu setzen und legte sich aufs Bett, den Tee auf der Ablage daneben platziert. Langsam versank er in möglichen Szenarien, die ihn ereilen könnten, wenn auch nur Bruchstücke der Wahrheit entsprechen würden. Unmöglich zu entkommen. Die Bedenken hafteten sich an ihn und wollten erst vergehen, wenn er Zoey danach fragen würde…




    Herzkonfekt

  • Herzlich willkommen zu einem neuen Kapitel und viel Spaß beim Lesen.


    Kapitel 3: Befreiungszug

    19 Stunden seit der Begegnung


    Gemischte Gefühle rangen in Leos Inneren und sie wollten einfach keine Ruhe geben. Seine Neugier bewegte ihn dazu, nicht abzusagen, aber trotzdem tanzte ihm eine gewisse Neugier auf der Nase herum. 50 Meter trennten ihn noch von Zoeys Haus, während er gezielt jegliche Nachrichten von Chase ignorierte, die ihn dazu bewegen sollten, vielleicht etwas anderes zu unternehmen – für kleinere Bestechungen war er sich ebenfalls nicht zu schade gewesen. Er war die männliche Dramaqueen. Weitaus besser geeignet für den Theaterkurs.
    Um sein Gewissen zu beruhigen, hinterließ er eine Nachricht zuhause, die mit Adresse und Namen versehen war. „Urban Legends“, murmelte er vor sich hin und stellte sich die unterschiedlichsten Stereotypen vor, die wohl jeder bereits aus Film und Fernsehen kannte.
    Das muss es wohl sein…
    Ein Einfamilienhaus erstreckte sich vor Leos Augen und war Teil eines Häuserhalbkreises, der das Ende der Straße kennzeichnete. Links vom mittleren Haus lag das ansehnliche Ziel und vereinzelt ragten stolze Bäume hervor, die Schatten für zierliche Sträucher boten. Herrlich war der angenehme Luftzug, der sich sanft an Leos Wange vorbeischlich. Das Himmelszelt war heute wolkenlos und gab der Sonne alle Freiheiten.
    Musternd näherte Leo sich seinem Alptraumgebilde von letzter Nacht und beobachtete, ob jemand an den Fenstern stand – niemand zu sehen. Flink presste er die Klingel und ein helles Geräusch ertönte.
    Zoey öffnete ihm die Tür, in schwarzer Jogginghose wie T-Shirt, und begrüßte mit einem freundlichen Lächeln. „Hab gedacht, dass du später erscheinst – komm rein“, sagte sie beim Umdrehen beiläufig und schubste die Tür weit offen. Kommentarlos betrat Leo den breiten, weißen Flur und lauschte, ob vielleicht jemand anderes, vor allem ihr Bruder in diesem Fall, ebenfalls anwesend war.
    „Er ist nicht da, keine Sorge“, gab sie wortkarg von sich und deutete gen Treppe. War es so offensichtlich, dass er sich Sorgen machte? Seine Schuhe gesellten sich zu Zoeys, die auf einer kleinen Matte im Eingangsbereich standen.
    Stumpf trottete er die hölzernen Treppen hinauf und 5 offene Räume grüßten in hellem Obergeschoss. Das hintere schien ihres zu sein. Beim Betreten kam der bekannte Duft von Camille entgegen, der ihm um die Nase strich und verwöhnte. Leo sollte sich aufs Bett setzen und untersuchte eifrig den Raum, der kaum Persönlichkeit versprühte. Ein weißer Schreibtisch mit neuartigem, silbernem Computer und auch der Schrank war weiß, schwarzes Regalbrett sowie das weiße, hölzerne Bett.
    „Ich telefonier kurz und dann geht’slos.“ Zoey sauste davon und schloss die Tür lautstark hinter sich. Mit einem Schwung machte Leo sich auf und sah sich ein wenig im Raum um. Ein Rundumblick gab kaum Auskunft darüber, wer hier eigentlich wohnte. Viele Bücher mit den unterschiedlichsten Themen standen im Bücherregal und der Schreibtisch war von jeglichem Chaos verschont. Lediglich eine Kleinigkeit stach bei dem trockenen Mädchenzimmer heraus, nämlich ein kleines Büchlein, welches auf einem Schränklein lag – ganz allein.
    Tagebuch…
    Ein zierliches Herz sowie eine Strophe zierten die Vorderseite:


    Ein flüchtiger Hauch der Zeit
    Die Reise geht nicht weit
    Ich suche die Wahrheit
    Bitte, gib mir mehr Zeit


    Für einige Sekunden verharrte er in seiner Position. Irgendwas ging in ihm vor und das Tagebuch zog ihn förmlich an sich. Als würde es gelesen werden wollen und rufen, die leisen Worte kamen aus dem kleinen Herzchen selbst und er wusste, dass es ein Fehler wäre. Leichtes Zittern erfüllte seine Hand und sie schwebte schon über dem Buch. Vorsichtig glitten die Fingerkuppen über das Cover und es fühlte sich…ungewöhnlich an. Ein schwer zu beschreibendes Gefühl überkam Leo und nahm ihn vollkommen ein.
    „Gefährlich“, zischte es hinter Leo und das Wort alleine riss ihn aus der Gedankenstarre heraus. Das mysteriöse Gefühl verschwand und wurde mit einer Gänsehaut des Schams ersetzt.
    „Ich ähm…“, stammelte er vor sich hin, vermied es, dass sich ihre Augen kreuzten und selbst ohne sie direkt anzusehen, wusste er, dass Zoey nicht gerade erfreut darüber war.
    „Vergessen wir das, ich weiß wie es ist, wenn einem die Neugier packt.“ Trotzdem war sie unsicher und verstaute ihr Tagebuch schleunigst in einer Schreibtischschublade.
    Zwei Stunden vergangen und die Atmosphäre zwischen Leo und Zoey wurde nur bedingt besser. Lediglich Kleinigkeiten schossen ihnen durch den Kopf, die sie für ihr Projekt nutzen wollten.
    „Was ist denn ein Thema, was nie genommen wird und am ehesten ankommt?“, warf Leo ein. Er erinnerte sich zwar nur an vereinzelte Schnipsel der Monologe, aber die ironische Stimme hatte auch ihren Vorteil, nämlich nervig einprägend zu sein, wenn sie nicht bewusst ausgeblendet wird. Ein Bewertungspunkt war nämlich als individuell und speziell festgehalten. Unter ihm fielen nicht nur formale Angelegenheiten, sondern vor allem auch die Einzigartigkeit der Thematik.
    „Klima, weil es langweilig ist, wirtschaftliche Strukturen, etliche Systeme und die Stadt sowie Insel.“
    Bei dem Wort Stadt blitzten seine Augen regelrecht. Es gab nichts Spannenderes, als die riesige Stadt zu erkunden und die schier unendlichen Möglichkeiten. Wieso sollte man sowas nicht nehmen?
    „Die Stadt ist riesig, da haben wir doch Spielraum“, warf Leo euphorisch ein.
    „Du kennst die Stadt nicht.“
    „Ich war öfters dort, ich liebe diese Stadt.“
    „Niemand wählt die Stadt, weil man dann alle Teile der Stadt einbeziehen müsste.“
    Leos Vorfreude lag bewusstlos auf dem Boden und erholen würde sie sich davon auch nicht leicht. Der starre, bohrende Blick Zoeys war mehr als deutlich und es fühlte sich niederschmetternd an, wenn eine Idee mit einer solchen Einstellung zunichtegemacht wird.
    Kurz hielt er Inne und überlegte, ob er es sagen sollte…


    „Dein Bruder könnte uns doch helfen“, gab Leo vorsichtig hervor und wartete auf eine Reaktion.
    „Frag ihn doch selbst, er ist sicherlich schon da und dann kannst du dich auch gleich vorstellen, viel Glück“, blaffte Zoey gereizt. Bevor er seine Gedanken ordnen konnte, begab sie sich Richtung Tür und rief mit einer Fingerbewegung nach ihm. Für den blink einer Sekunde konnte man meinen, dass sie herausfordernd lächelte.
    Jede Stufe der hölzernen Treppe hörte sich wie ein lautes Knarzen an, welches sie ankündigte. Gelächter ertönten von der Küche – alleine war ihr Bruder nicht. Jetzt würden die Sorgen hoffentlich verblassen und das erfüllende Gefühl, Chase ärgern zu dürfen, weil er völlig übertrieben hatte, einsetzen.
    „Das ist Leo, mein Partner von dem ich dir erzählt hatte, sieh mal“, rief Zoey in die Küche und zerrte ihn die letzten Meter regelrecht hinein. Die Stimmen verstummten. Subtiler Rauch schwamm durch den Raum, ausgehend von einer Zigarette, die ein Mann in der Hand hielt. Völlig genervt blickte er bereits auf Leo herab, während er sich an die Wand lehnte und in Jeans sowie schwarzem Unterhemd getaucht war.
    Wem er nachts nicht begegnen wollte, wusste Leo bereits jetzt. Vier andere Personen sammelten sich ebenfalls in dem stickigen Raum, wo normalerweise Unordnung erwartet wird, wenn Besuch da ist. Hier war es allerdings nicht der Fall, denn die Spüle glänzte vor Sauberkeit und auch auf dem Tisch befand sich kein Geschirr. Nur zwei Würfel und ein Aschenbecher standen auf jenem. Im Hintergrund spielte die leichte Melodie des Radios, die immerhin erheiternd wirkte. Leo versuchte, den Raucher zu ignorieren, der bereits mit skeptischen Blicken Drohbriefe schrieb. Zwei junge Männer, eine Frau und…Zaire saßen an dem Küchentisch. Der Asiate hatte das gleiche, verrückte Grinsen auf den Lippen, was scheinbar angewachsen war, und gab keinen Ton von sich. Simples Winken genügte ihm, um den Moment voll auszukosten.
    Der genervte war doch nicht ihr Bruder? Die Haarfarbe war immerhin nicht wie Zoeys, aber das war kein Beweis. Seine braun, Zoeys schwarz. Zaire war es sicherlich auch nicht. Mit einem Satz stand der andere junge Mann vom linken Platz auf und bewegte sich Richtung Leo. Sein Mund war aufgrund des Drucks völlig ausgetrocknet und eine gewisse Anspannung umarmte jede Faser seines Körpers.
    „Freut mich, dich kennenzulernen, Leo. Ich bin Gino“, sagte er mit lockerem Unterton, griff Leos Hand, um sie zu schütteln und wandte sich wieder seinem Platz zu. Freundlich blickte er drein, während die längeren, blonden Haare bei jedem Schritt flatterten.
    „Unseren Quotenasiaten kennst du ja bereits. Ich bin Victoria, willkommen in der Familie.“ Die braunhaarige, junge Frau, mit den langen Haaren, legte einen Arm um Zaire und lächelte verführerisch in Leos Richtung. Schmunzelnd nahm Leo ihre Namen zur Kenntnis.
    „Vic“, schallte es hinter ihr. Tief war die Stimme, dessen Unterton wie eine Warnung klang. Schluckend verschwand Leos angesammelte Hoffnung, dass es eine angenehme Runde ist. Sein Blick wanderte gen Zoey, aber sie beobachtete geistesabwesend das Geschehen und schien sich bereits zurückgezogen zu haben.
    „Jetzt mach ihm nicht unnötig Angst. Ich hab nur Spaß gemacht, Riley, “, verteidigte sich Victoria und lehnte sich seufzend in den Stuhl zurück. Kommentarlos stand der Mann auf. Verwirrt starrte Leo auf seine Jacke, die unechtes, flauschiges Fell um die Kapuze eingearbeitet hatte. Nicht nur war der Raum mit einer ekligen Luft gefüllt, die den Atem beinahe abschnürte, nein, es war auch heiß. Durch die Sonnenstrahlen, die sich vereinzelt durch das Fenster stahlen und die warme Jahreszeit, kam die Temperatur zustande. Ein T-Shirt war das höchste der Gefühle, aber er trug eine dunkelblaue Jacke. Kurz fuhr er sich durch seine schwarzen, gestylten Haare und postierte sich direkt vor Leo. Um die zwanzig herum war die kleine Gruppe im Durchschnitt. Scharf musterten die smaragdgrünen Augen des stattlich gebauten Mannes. Wie ein Tier, das sich vor der Beute totstellt, verharrte Leo in seiner Stellung. Mit einer leichtenden Handbewegung Rileys, zuckte Leo kurz und wich einen halben Schritt zurück, was der Startschuss für die verhöhnenden Lacher der anderen wurde.
    „Der ist ja ziemlich schreckhaft, Zoey.“ Der einzige, der nicht lachte, war Riley selbst. Er deutete auf Leos Hand und ignorierte das kichern seiner Freunde vollkommen.
    Gerötet blickte Leo hinunter auf seine Hand mit seinem Accessoire. Der Großteil seiner Nervosität erlosch mit dem peinlichen Moment, den er unbedingt verhindern wollte. Das Bibbern und die Anspannung hatten sich mit Nachgeschmack verabschiedet.
    „Der Ring? Ist ein Geschenk von meiner Schwester“, gab er aufatmend von sich. Er hatte total vergessen, dass er ihn seit ein paar Tagen nicht mehr abgenommen hatte – selbst beim Duschen nicht. Silbern und mit klitzekleinen, blauen Steinen war der funkelnde Ring besetzt. Kurz dachte Leo an den Einzug zurück, denn am gleichen Tag erschien der Ring mit der Post und war an ihn alleine adressiert, aber auf dem Absender konnte man keine Spuren erkennen, dass es von einem Familienmitglied war – im Gegenteil; es wirkte vertuschend. In diesem kleinen Umschlag befanden sich der Ring und ein verdrehter Brief, welcher an Leo appellierte, den Ring zu tragen, weil er nicht nur gut aussieht, sondern auch wichtig für seine Schwester war. Warum wusste er selbst nicht, aber der Brief wirkte, im Gegensatz zum Umschlag, sehr persönlich und herzlich, was er so nicht mehr kannte, seit das Bild zerrissen war. Er kannte sie nicht mehr.
    Ohne Worte begutachtete Riley den Ring.
    „Wirklich ein schönes Schmuckstück. Deine Schwester wohnt aber nicht bei euch, warum?“, fragte Riley skeptisch und Leo erstarrte innerlich zu Eis. Flach atmete er und überlegte, ob er es vielleicht einmal erwähnte, aber nicht mal bei Zaires Besuch war es ersichtlich, dass seine Schwester bei ihrem Vater wohnte. Selbst seine Mutter konnte es nicht ausgeplaudert haben, denn sie hasste es, wenn die Familie erwähnt wurde – vor allem seine Schwester. Wenn man sich nie meldet, ist es auch nicht verwunderlich.
    Wohlüberlegt formulierte er gedanklich seine Antwort, die er in einem ausgedachten Dialog immer wieder geprüft hatte – so etwas spielte sich meist innerhalb von wenigen Sekunden hab.
    „Das geht dich, Riley, nichts an und du hältst dich zukünftig von ihm fern, verstanden Zaire?“, brüllte Zoey von der Seite und verschränkte genervt die Arme. Plötzlich schien ihr Desinteresse verschwunden zu sein und angestauter Frust übernahm sie voll und ganz.
    „Vic hat geplaudert“, erklang langgezogen von Zaire, der seinen Arm dieses Mal um sie legte. Eine Reaktion verkniff sich Leo lieber, um die geballte Wut nicht versehentlich auf sich zu ziehen.
    Ohne eine aussagekräftige Reaktion zu zeigen, lediglich die Hände zur Beschwichtigung gehoben, setzte Riley sich zurück auf seinen Platz. Verwirrung breitete sich in Leos Kopf aus und gleichzeitig die erlöste Befreiung aus dem Sorgenkäfig, welcher ihm eine schlaflose Nacht bescherte. Der angeblich gefährliche Mensch, der Teil dieser Gerüchte sein sollte, musste sich von seiner aufbrausenden, kleinen Schwester belehren lassen und versprühte zwar eine merkwürdige Ausstrahlung, aber keine große Bedrohung- seine Freunde umso weniger.
    „Der Typ nimmt dich nicht einmal ernst, Riley, sieh dir dieses arrogante Arschloch an“, schrie der Raucher, dessen Namen als einziger noch nicht fiel, und machte einen Satz nach vorne. Völlig außer sich packte er Leo am Kragen. Stärker schien er definitiv zu sein, als so mancher bei dem dünnen Körperbau annehmen würde.
    „Ga- Ganz ruhig“, stotterte Leo vor sich hin. Ängstlich kniff er die Augen zu und wartete auf die Abstrafung für seine scheinbar herausfordernde Ausstrahlung. Sich zu wehren würde wohl kaum hilfreich sein, wenn seine Freunde dann ein völlig falsches Bild hätten – es war sicherlich nicht das letzte Mal, dass er hier sein müsste. Vor allem Victoria schien einen positiven Eindruck von ihm zu haben und den wollte er ebenfalls nicht verspielen.
    „Jetzt lass den Welpen runter und zünd dir eine Zigarette an, du wirkst schon wieder gereizt, Darian“, beschwichtigte Victoria mit neckendem Unterton. Zustimmend nickte Riley dabei und der wütende Affe zog sich kurzerhand zurück. Mit einem Schnauben griff er sich in die Tasche und fischte eine Zigarette heraus, die er mit einem orangefarbenen Feuerzug anzündete.
    Wie ein verängstigter Hase, so musste er jetzt vor den anderen aussehen und es schmerzte Leos Stolz umso mehr. Zoey machte sich zwar nicht über ihn lustig, aber einen derartigen Partner konnte sie wohl kaum ernst nehmen.
    Der kurze Mantel der Stille wurde durch einen Klingelton, ausgehend von Zaires Handy, unterbrochen. Kurze Antworten erfolgten und ein wirklicher Dialog entstand nicht.
    „Wir sollten losgehen.“ Mysteriös war die Aussage nicht, aber die Tatsache, dass Zaire keinen Moment den Blickkontakt mit Leo vernachlässigte, verunsicherte immens.
    „Wir klären das Thema dann morgen, in Ordnung? Wenn die anderen nicht dabei sind.“ Zoey legte die Hand auf Leos Schulter. Ihre Stimme wirkte ermüdet und enttäuscht, dabei hatte sie doch ihren Standpunkt klar gemacht, oder nicht?
    Er konnte das Angebot nur akzeptieren und machte sich schnell auf den Weg zur Tür, um nicht versehentlich mit den anderen loszugehen.


    Die Fragen rangen um Priorität in seinem Kopf, während er den Gang nachhause antrat. Die Sonne tauchte den Himmel in wunderschönes Rot. Einige Wolken hatten sich in das Bild des blauen Himmels gestohlen, aber dennoch versprühte die sommerliche Atmosphäre positives.
    „Dieser Darian ist eindeutig niemand, den ich kennenlernen will“, flüsterte er in das Bild des schönen Himmels, den Kopf dabei in den Nacken gelegt.
    Ein aufdringliches Hupen riss leider den Film abrupt ab. Neben dem Bürgersteig hielt ein dunkelblauer Wagen und ein bekanntes Gesicht stieg aus.Erleichterung schoss durch Leos Adern und kein weiteres Adrenalin musste ausgeschüttet werden, denn Victoria stieg aus dem teuren Auto aus. Der Beifahrersitz war leer, somit schien die Zwanzigjährige alleine zu sein. Stumm, aufgrund der Verwunderung und häufenden Fragezeichen, stoppte er und wartete gespannt.
    „Tut mir echt leid, dass er so ausgetickt ist. Er ist eigentlich nie gut drauf, aber erträglich und witzig meistens. Kann halt nur Fremde nicht ausstehen.“
    Wen sie meinte, war unschwer zu erkennen, denn nur einer hatte das Aggressivitätsproblem in der Gruppe, während Zaire gruselig war, Victoria und Riley relativ normal wirkten noch und Gino freundlich war. Darian musste der Schläger und Problemlöser sein, den man für die Drecksarbeit losschickte, falls sie überhaupt mit solchen Aktivitäten zu tun hatten – der heutige Tag sprach eindeutig dagegen.
    „Schon ok, ich hatte mit Schlimmeren gerechnet.“
    „Du hast ja keine Ahnung“, antwortete sie mit keckem Zwinkern. „Ich gebe dir meine Nummer, dann kannst du mich anrufen falls du Probleme bekommst, er welche macht oder du reden willst“, fügte sie hinzu und drückte ihm eine Karte mit Nummer in die Hand. Flink stieg sie zurück in ihr Fahrzeug und machte sich davon. Leo sah geistesabwesend hinter her, ohne überhaupt ein Danke über die Lippen gepresst zubekommen. Ob er glücklich oder besorgt sein sollte, wusste er spätestens jetzt nicht mehr.




    Herzkonfekt

  • Hallo Melone,


    nun ist ja einige Zeit vergangen und wie es scheint, spitzt sich die Lage mit neuen Charakteren und einem möglichen Ergebnis für dieses Theaterstück weiter zu. Noch wurde dazu ja nicht viel geäußert und auch das plötzliche Auftauchen neuer Persönlichkeiten im Haus, die noch dazu sehr vertraut mit der Familie zu sein scheinen, fällt auf. Auch bei Zoeys Zuhause wirkten die Anwesenden recht herzlich, wenngleich auch sehr unterschiedlich und das gibt ihnen viel Charakter. Was sie noch auf dem Kasten haben, muss sich im späteren Verlauf ja noch herausstellen und auch die Beziehung zu Zoey ist ja noch nicht völlig ausgereift, da sie sehr verschieden reagieren kann. Mal sehen, was du für die beiden weiterhin geplant hast.


    Aber zuvor will ich dir sagen, dass mich etwas an der Geschichte ziemlich stört. Ich beschreib's mal so: Du hast bisher einige gute Charaktere, deren volles Potenzial noch entfaltet werden will. Der Schreibstil ist sehr malerisch und du schweifst oftmals ab, ohne dass es allzu störend wirkt oder dass man sich denkt, dass es zu viele Beschreibungen sind. Und das ist eine gute Sache.
    Leo verhält sich allerdings in beinahe jeder Situation sehr, sehr passiv und das lässt ihn auch eindimensional und uninteressant wirken. Diesen Gedanken hatte ich aber erst zur Mitte des dritten Kapitels hin, konnte das allerdings auch bis ins zweite Kapitel rückverfolgen, was im Endeffekt für einen faden Beigeschmack gesorgt hat. Vielleicht ist er auch einfach so schüchtern, dass er manchmal nicht antwortet, aber dadurch, dass seine Umgebung immer auf ihn einspricht, wirkt er einfach merkwürdig ruhig. Er lässt mehr seine Gedanken spielen und driftet dabei auch ab, hat bei Zoey aber auch nicht die Zinten erwähnt, wie ihm Chase geraten hatte. Vermutlich hatte Leo einfach zu viel um die Ohren, allerdings wollte ich das einmal anmerken, weil es mir aufgefallen ist und er auch bisher relativ kurz kommt.


    Ich bin daher mal gespannt, was du in Zukunft für ihn bereit hältst und wie sich der Plot entwickelt. Die Stadt scheint wohl auch noch einige Geheimnisse bereitzuhalten und wer weiß, welche Aufmerksamkeit das Theaterstück noch bekommen wird. Bis dahin!