Fernweh // Heimweh
Sirenengeräusche, Zigarettenrauch. Ein Balkon, mitten in der Stadt – intim, und doch öffentlich.
Vielleicht sind wir zwei Blumen, wunderschön miteinander. Ich eine Rose, du eine Sonnenblume. Du strahlst, ich glühe. Wir sind perfekt, wunderschön miteinander.
Ein letzter Zug, Rauch formt einen Wirbelsturm in der Dunkelheit – sichtbar bloß im roten Auge des Feuers. Knistern, Asche schwebt davon.
Regentropfen prasseln herab, Wind pfeift durch die Straßen – er singt ein Lied, kaum verständlich. All‘ meine Ängste sammeln sich in diesem Aschenbecher; wehten sie doch hinfort. Dornen auf meiner Haut könnten dich verletzen, deine Haut aufschlitzen und dich bluten lassen. Und doch bleibst du bei mir, legst deinen Kopf auf meine Schulter und schweigst. Sagst du damit doch viel mehr, als andere es je könnten.
Behutsam fahre ich durch deine Haare, lege die Strähnen bei Seite und blicke dir in die Augen. Wie können zwei Augenblicke gleichzeitig passieren, hier und jetzt?
„Ich will für dich leben“, hauche ich.
Du siehst mich an – lächelst.
Auf den Blitz folgt grollender Donner, er verheißt, was vor uns liegt. Und doch trotzdem wir ihm, verstecken uns, bleiben allein, wunderschön miteinander.
Ich verstehe meine Gedanken nicht, sie drehen, spiegeln, stehen, fallen. Und dann bist du da, und sie lassen los. Sie ziehen fort, geben auf, lassen mich in Frieden.
Rosen und Sonnenblumen sind verschieden. Und doch haben sie eines gemeinsam: Sie sind Quellen des Lebens, wunderschön miteinander – teilen sie nichts anderes? Vielleicht sind wir anders, als andere Rosen und Sonnenblumen. Wir teilen Ekstase und Lethargie, Euphorie und Depression. Lass mich nie wieder gehen, denke ich und gebe dir einen Kuss.
„Nie wieder.“
Aus der Wohnung kratzen sie an der Scheibe, ihre toten Augen funkeln durch die Rollläden. Auf diesen Balkon sind wir sicher, solange wir uns haben, wunderschön miteinander.
Ich blicke zurück, auf längst vergangene Tage. Ich erinnere mich an Narben, Tränen und Schmerz. Doch all‘ das scheint weit entfernt zu liegen in diesem Augenblick. Du bist hier und ich kann atme dich ein. Der Regen lässt nach, das Lied wird leiser.
„Ohne dich schaffe ich das nicht.“
Ganz weit weg, tief, am Ende des Horizonts öffnest du deine Augen. Deine Lippen formen einen Satz, den ich nicht hören brauche. Denn ich kann ihn fühlen.