.Six Heavens. || Kapitel 10 (1/2) || Aufbruch ins Ungewisse
Neo schaute zu Ryo und Aux hinauf, welche ihn nun fragend anschauten.
„Und?“, fragte sein kleiner Bruder nun zögerlich, erhielt als Antwort aber nur ein Lächeln, welches Neo aufsetzte, bevor dieser sich mit Leichtigkeit wieder auf den Vorsprung manövrierte.
„Sieht so aus als ob wir hier richtig wären. Das ist definitiv ein Portal zu einem der Himmelsreiche.“
„Und was genau ist jetzt der Plan?“, hakte Ryo nun nach, „Du meintest wir sollten uns alle hier treffen. Mittlerweile ist klar das du in die Himmelsreiche willst, aber wozu?“
„Das ist recht simpel. Bist du dir im Klaren darüber, dass das ganze irgendeinen Ursprung hatte? Dieser Ursprung ist auf keinen Fall irdisch. Einer der Götter muss dafür verantwortlich sein, wenn nicht sogar ein Halbgott. Wir finden diesen Halbgott, oder eben Gott und töten ihn.“, erklärte Ryo und setzte dazu an, den Weg durch den düsteren Gang anzustreben.
„Und du meinst es hilft? Was bringt es uns weiter einen Gott zu töten? Dazu sind wir erstens nicht in der Lage, und zweitens macht das die ganze Scheiße hier auch nicht rückgängig. Die Welt ist am Boden, sieh es ein.“
Neo unterbrach daraufhin seinen Gang, der letzte Schritt hallte wie ein dumpfer Knall durch die Katakomben:
„Die Welt besteht nicht nur aus Halbgöttern, wird sie aber bald wenn wir verdammt nochmal nichts unternehmen. Und nur falls du es nicht wissen solltest,“, einen Moment unterbrach Neo, um wieder einen Schritt auf Aux und Ryo zu zugehen, „Tötest du einen Gott, so annullierst du seine Taten.
Fazit: Töten wir denn verantwortlichen Gott werden alle Halbgötter, die durch ihn zu dem geworden sind was sie nun einmal sind wieder zu normalen Menschen. Den Halbgöttern wird so die Macht genommen, und wir können verhindern das auch die letzten normalen Menschen auf Erden den Tot zu sehen bekommen, huh?“
„Klar. Nur wissen wir nicht wer dieser Gott ist. Wir können nicht einfach jeden Gott töten.“, machte sich letztlich auch Aux bemerkbar.
„Nenn mir einen Grund, Aux… Warum wir das nicht können.“
„Wir könnten vielleicht alle jämmerlich verrecken.“, fügte Ryo an, ohne jedoch von Neo kommentiert zu werden.
„Der Plan steht fest. Wir schlafen jetzt, sagen morgen den anderen Bescheid und brechen auf, einverstanden?“, Neo setzte seinen Gang fort, näherte sich der Treppe welche nach oben führte und ignorierte gekonnt die leicht ratlosen Blicke der anderen.
„Yo, Aux.“, murmelte Ryo dann, nachdem Neo bereits die erste Stufe erklomm, „Findest du nicht auch das Neo irgendwie komisch drauf ist? Er hat sich seit diesen Ereignissen verändert.“
„Du meinst dass er nun mit den Fähigkeiten eines Halbgottes ausgestattet ist?“
„Nein. Er hat früher nie unüberlegt agiert. Er handelte stets bedacht, immer mit einem vernünftigen Plan im Kopf, und einen weiteren Plan falls irgendwas schief gehen sollte. Es passt nicht zu ihm so völlig überhastet einen Krieg gegen die Götter aufzuziehen.“, Ryos starrer Blick richtete sich ausdrucklos in die Dunkelheit, in die Neo vor wenigen Momenten verschwunden war.
„Er muss sich jetzt keine Sorgen mehr machen zu sterben. Ob wir dabei draufgehen ist egal. Wir werden schließlich nicht gezwungen mitzumachen. Ihm geht es nur darum das alles so wie früher ist.“
„Egal was er tut. All das hier kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Es sind zu viele Menschenleben verloren gegangen. Wir kennen nicht einmal die Ursache für all diese Geschehnisse und … Neo hat keinen besseren Gedanken als einen Krieg mit den Göttern anzuzetteln.“, Ryo machte eine kurze Pause, und setzte zur Verfolgung seines alten Freundes an: „Und, bei allen heiligen Göttern, ich freu mich drauf.“
Die Strahlen der Sonne kletterten über die Ränder der Kuppel, und erstrahlten das innere des Tempels mit dem gleißenden Licht des Sonnenaufgangs. Mia war die erste, die durch das helle Licht geweckt wurde. Sie blinzelte einige Male, hielt dann ihre Hand schützend vor die Augen und richtete sich auf. Ihr Blick fiel dabei auf die zerstörte Wand. Erschrocken blickte sie sich daraufhin um, auf der Suche nach fremden, welche während der Nacht in den Tempel gelangt waren. Ebenfalls untersuchte sie die Vollständigkeit der Gruppe, mit Erfolg. Jeder, inklusive Vehis und Erus war anwesend – und schlief.
Aus diesem Grund beschloss Mia nun das Loch auf eigene Faust zu erkunden, und setzte sich noch leicht wackelig in Bewegung. Die Müdigkeit, welche der leichten Unsicherheit auf ihrer Beine vorrausging, war nach wenigen Schritten vollkommen verflogen.
Das ‚Loch‘ war vielmehr ein perfekt ausgehobener Türrahmen, die Ränder waren glatt, man hätte einfach einen Rahmen hineinsetzen können und es wäre nicht einmal aufgefallen das das Loch erst seit kurzem die Wand ziert. Bei all der Begeisterung und Verwirrtheit welche in Mias Kopf herrschte interessierte sie das, was sich hinter dem Loch befand jedoch sehr viel mehr als das, was sie nun sah. Es herrschte dort absolute Dunkelheit, nicht einmal ein kleiner Lichtstrahl konnte das Schwarze, undurchdringliche Etwas erhellen. Als sie dann in das Dunkel eintauchen wollte, zuckte sie blitzartig zusammen. Ihr Blick wanderte hinab zu ihrer Schulter, auf der eine dürre, in Verband gehüllte Hand lag.
„Schon wach, huh?“ Durch die unverkennbare Stimme ließ sich Neo identifizieren, welcher nun die Hand von Mias Schulter nahm, da diese sich überrascht zu ihm umdrehte:
„Könnte ich dich genau so fragen, oder?“
„Könntest du - Ja. Tust du aber nicht weil du weißt dass es sinnlos wäre, da ich dir keine Antwort darauf geben würde, sonder nur eine Gegenfrage stelle, huh. Was das Ding in der Wand da vorne angeht, ich erkläre das wenn alle wach sind, aber mach dich bereit aufzubrechen.“
Mit diesen Worten wandte sich Neo von dem Loch ab, machte Mia mit einer Handbewegung klar das sie sich von dem Eingang fernhalten solle, diese jedoch hakte noch einmal nach:
„Wieso aufbrechen? Es wäre an sich von Vorteil wenn du uns überhaupt erst einmal erzählst warum du uns hierher bestellt hast.“, ihr Blick war geradewegs auf Neo gerichtet, geradezu bohrend sah sie ihn an, als ob sie nur durch einen Blick die Antwort aus ihm herausholen wollte.
„Wir besprechen das alles wenn auch die anderen wach sind. Hab ehrlich gesagt keine große Lust alles zweimal zu erklären, huh.“, Neo zeigte sich unbeeindruckt und setzte sich schließlich wartend auf den Boden - gegen den Sockel lehnend, auf dem sich die Truhe mit dem Calium befand.
Neo hatte sehr viel mehr Gründe in die Himmelsreiche einzudringen, als nur ein Krieg gegen die Götter. Ihm war nicht nur das Wohl der Menschheit und das alles so wird wie es einmal war wichtig, sondern auch etwas vollkommen anderes. Aber den anderen konnte er nichts erzählen. Womöglich würden sie ihn dann nicht mehr unterstützen, die Gruppe verlassen. Doch das konnte Neo nicht riskieren, er brauchte die Gruppe um da zu erreichen was er wollte. Er brauchte nicht nur die Kräfte des Einzelnen, viel mehr die Kraft der Gruppe. Neos leerer Blick schweifte über seine Kameraden. Wie würden sie reagieren? Würde tatsächlich jeder von ihnen mit in einen Krieg gegen die Götter ziehen? Das Warten darauf, dass alle wach waren schien sich für ihn in unendliche Längen zu ziehen.
Letztlich riss Neo dann das Strecken von Vehis aus den Gedanken, begleitet von einem Knurren ihres Leibwächters, was auch Kyon aufschrecken lies. Dieser war zwar ein Dämon- ein gefallener Engel, aber schlafen musste auch er. Kyon war immer noch ein Mensch, wenn man ihn auch nicht unbedingt mit einem vergleichen konnte. Vehis und Merkur lagen direkt neben Kyon, welcher sich nun aufbäumte und verschlafen umschaute. Sein Blick fiel ebenso wie der von Vehis und Merkur auf den Eingang, welcher in der Nacht von Aux in die Wand eingelassen war. Neo deutete mit Hilfe einer beruhigenden Handbewegung an, dass sie sich noch ein wenig gedulden sollten, bis er alles erklärt. Die düsteren Augen von Kyon wanderten immer wieder von dem Loch und wieder zu Neo. Er konnte ihn noch nie ausstehen, aber was zur Hölle hat er nun schon wieder gemacht? Vehis Unverständnis hielt sich im Gegensatz zu Kyon jedoch in Grenzen, sie setzte sich einfach geduldig auf den Boden und streichelte sanft über den Rücken ihres Dschinns.
Auch in der anderen Ecke des Tempels ließ sich nun vermuten das die ersten aufwachen, da Silver sich zuerst kräftig streckte, dabei jedoch an Ryo stieß, welcher sich blitzartig aufrichtete, dann jedoch die Situation erkannte und sich nach Neo umschaute. Auf dem Weg zu Neo kam er an Aux vorbei, welchen er mit einem leichten Tritt gegen die Wade zu wecken versuchte.
Aux linkes Auge öffnete sich zuerst, dann lugte er auch mit dem rechten hervor.
„Es geht los.“, erklärte Ryo sich knapp und setzte dann seinen Gang fort. Ihm folgte Silver, als auch diese nun mit einem knappen: „Morgen, Aux.“ An ihm vorbeizog bequemte sich auch das jüngste Glied der Gruppe sich aufzurichten und in die Mitte des Tempels – zu Neo zu schreiten. Die Mittlerweile weit oben stehende Sonne strahlte durch die Kuppel auf die Häupter der Gruppe, welche angespannt wartete, was Neo zu erzählen hatte. Der Blick aller wanderte nun zu Erus, welcher der letzte war, der noch nicht wach war. Das nahm Neo zum Anlass sich vom Sockel inmitten des Raumes abzustoßen und sich mit wenigen Schritten in Richtung des Schlafenden zu begeben.
„Huh, Erus.“ Neo bückte sich um ihn wach zu rütteln, ohne jedoch eine Reaktion zu erhalten. „Erus.“, versuchte er es nun etwas lauter, diesmal mit Erfolg – der junge Mann drehte sich auf die Seite, dann wieder auf den Rücken, schlug die Augen auf und blickte Neo leicht entrüstet an.
„Was?“, entgegnete Erus schon fast zornig, während er sich nun aufrichtete und ein guten halben Kopf größer als Neo war.
„Komm. Wir haben etwas zu klären, du bist der letzte der noch nicht fertig ist, also beeil dich ein wenig und sie zu das du nicht alles vergisst was du gleich hörst, huh?“
„Gut. Wenn alle da sind denke ich … Können wir anfangen, huh?
Zu aller erst: Wir sind hier weil es unter diesem Tempel angeblich ein Portal zum 1.Himmelsreich gibt. Das haben Aux, Ryo und ich heute Nacht untersucht. Daher das Loch da vorne in der Wand.“ Neo deutete kurz auf den Eingang, fuhr aber nach wenigen Sekunden fort:
„Erst wird es da ziemlich dunkel, dann kommt eine Treppe und schließlich eine Art Raum. In diesem Raum befindet sich tatsächlich das Portal zu einem der Himmelsreiche, das es wirklich das 1.Himmelsreich ist, ist nicht bestätigt, davon gehe ich aber aus da es so in der Legende von Calium steht. Punkt zwei wäre also Calium, welches tatsächlich existiert. Es liegt hier, in der Truhe.“
Neo drehte sich um. Er hatte den anderen bis hierher die Sicht auf die Truhe versperrt, gab dieses jedoch nun frei und klopfte ein paarmal auf den Deckel: „Hier drin ist also Calium, was bedeutet das die Legende tatsächlich wahr sein muss. Um es kurz zu fassen: Unter uns befindet sich das Portal zum ersten Himmelsreich, und das Calium liegt hier.
Wir gehen in die Himmelsreiche, und suchen den Schlüssel zu Calium. Und mit diesem erschaffen wir die neue Welt, ohne Halbgötter. Damit wäre zumindest ein Teil der Menschheit gerettet, was haltet ihr davon?“
Sekundenlange Verunsicherung spiegelte sich in der Stille wieder, welche sich nun um die Gruppe legte. Keiner sagte etwas, Neo konnte sich die Kommentare und Meinungen nur erahnen, dann begann Ryo zu lächeln, und wies freundlich auf eine Kleinigkeit hin: „Du hast etwas vergessen, huh? Neo, was ist nochmal mit den Göttern? Werden die uns nicht aufhalten? Schließlich würden sie in einer solchen Welt nicht existieren! Und laut Legende ist der Schlüssel schließlich bei Hroen.“
Neo warf einen scharfen Blick auf Ryo, welcher ihn immer noch triumphierend anlächelte.
„Die Sache mit den Göttern ist etwas kompliziert. Ich denke, wir müssten sie nach und nach töten um dann unbedrängt zu Hroen vorzustoßen. Ihn töten wir dann auch. Die Halbgötter werden dadurch außerdem… wahrscheinlich ihre Kräfte verlieren, und wir können die neue Welt dann… Ja. Eröffnen. Ohne Götter, und mit umso mehr Menschen.“ Sein Blick schweifte über ungläubige, teils enthusiastische, teils finstere Mienen, doch alle hatten mehr oder weniger die gleiche Aussagekraft.