Evolis großes Abenteuer

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  • Hallo Cynda,


    allein wie du in das Kapitel einleitest, ist einfach schön. Man hat sofort ein klares Bild der Umgebung vor Augen und spürt die Natur an allen Ecken. Vor allem aber merkt man dadurch, im Nachhinein betrachtet, dass es jetzt wieder etwas ruhiger wird und die Gruppe um Yune im Vordergrund steht. Nach der Konfrontation das letzte Mal ist das eine gelungene Abwechslung.
    In weiterer Folge lässt auch die ausgelassene Stimmung am Morgen zu. Es wirkt dabei schon beinahe kindlich, wie sich die Pokémon unterhalten und sogar miteinander spielen, um Myrrh zu jagen. Da war es nur abzusehen, bis sich Micaiah einklinken würde und die Herausforderung annimmt. Auch hier wieder gefallen mir die ausführlichen und gut zu lesenden Dialoge, die jedem Charakter ihre Eigenarten entlocken.
    Speziell addressieren möchte ich hier aber einmal, dass Yune irgendwie zu kurz kam. Du hast ihr während des Schreibens zwar ausreichend Screentime gegeben, aber sie wirkt in der Gruppe nach wie vor relativ passiv. Mir ist klar, dass man in so einer kurzen Zeit nicht sofort Vertrauen mit allen anderen fassen kann, aber das Eis hast du ja bereits in vorhergehenden Kapiteln gebrochen und da fände ich es mal ganz cool, wenn Yune selbst etwas anspricht und nicht immer nur angesprochen werden muss, damit sie reagiert. Vielleicht kommt das alles ja noch, wenn sie ihr Selbstbewusstsein entlädt.
    Interessant finde ich dann noch, dass du den Traum aus einem früheren Kapitel wieder ansprichst. Damals wirkte er schon sehr fantastisch und dass du dich erneut darauf beziehst, könnte ja zur Folge haben, dass sich die Geschehnisse daraus bewahrheiten. Möglicherweise ist es auch nur eine falsche Fährte und es hat gar nichts mit der Geschichte zu tun. Das wird sich aber wohl auch erst herausstellen, wenn es so weit ist.


    Wir lesen uns!

  • Sou, nachdem mein getreuer Betaleser Rai-san und ich endlich zum Betalesen von Kapitel 15 kamen, wird es jetzt Zeit für den letzten Teil von Kapitel 14. (: Aber erstmal freu ich mich auf das Kommi von @Rusalka eingehen zu dürfen -- vielen lieben Dank dafür! (Oh mann, deine Treue ist echt unglaublich!)

    Es wirkt dabei schon beinahe kindlich, wie sich die Pokémon unterhalten und sogar miteinander spielen, um Myrrh zu jagen. Da war es nur abzusehen, bis sich Micaiah einklinken würde und die Herausforderung annimmt. Auch hier wieder gefallen mir die ausführlichen und gut zu lesenden Dialoge, die jedem Charakter ihre Eigenarten entlocken.

    Manchmal vergisst man es vielleicht, aber im Grunde befindet sich der Großteil der Gruppe im Teenageralter. Die Jüngsten sind dabei Fünkchen, Tricky und Sakura, mit gerade mal einer charakterlichen Reife von zehn Jahren. Der Rest bewegt sich da so zwischen zwölf und vierzehn -- Breaker eher in Richtung fünfzehn Jahren. Funfact: Riolu ist vom tatsächlichen Alter -- also in Tagen sozusagen -- der Jüngste in der Gruppe, tritt aber älter auf, als er eigentlich ist. Micaiah und Myrrh sind die ältesten vom Charakter her -- und vom tatsächlichen Alter --, hab die zwei so in der Volljährigkeit angesetzt, irgendwo zwischen achtzehn und zwanzig Jahren. Und nachdem ich mich selbst ab und an an die Jugend meiner Charas erinnern muss, schreib ich gern solche Szenen. Auch um zu zeigen, dass hier keiner traumatisiert ist, obwohl alle keine Eltern (mehr) haben.

    Mir ist klar, dass man in so einer kurzen Zeit nicht sofort Vertrauen mit allen anderen fassen kann, aber das Eis hast du ja bereits in vorhergehenden Kapiteln gebrochen und da fände ich es mal ganz cool, wenn Yune selbst etwas anspricht und nicht immer nur angesprochen werden muss, damit sie reagiert.

    Schuldig im Sinne der Anklage. ^^" Yune ist tatsächlich ein wenig arg passiv hier, was man jetzt an mehreren Dingen festmachen kann, ich muss gestehen, es liegt hauptsächlich daran, weil sie später sehr, sehr viel Screentime bekommt und ich deshalb noch mal ein wenig diese Gruppendynamik haben wollte. Auch um diese "schöne" Zeit in Kontrast zu dem zu setzen, was noch kommt. Möglicherweise ist Yune auch ein bissl zu sehr ich, °hüstl° ich bin ja auch so passiv veranlagt und geh in Gruppen eigentlich immer unter. Aber du hast Recht, wird aber hoffentlich wieder besser. (Auch wenn ich endlich weiß, wo ich charakterlich mit Yune hin will, das ist momentan auch noch so bissl offen.)

    Damals wirkte er schon sehr fantastisch und dass du dich erneut darauf beziehst, könnte ja zur Folge haben, dass sich die Geschehnisse daraus bewahrheiten. Möglicherweise ist es auch nur eine falsche Fährte und es hat gar nichts mit der Geschichte zu tun.

    Das kommt im Grunde darauf an, ob wir da noch eine Crossoverszene schreiben oder nicht, gell? ;) Du hast mich jedenfalls auf den Geschmack gebracht ein paar Träume in EgA einfließen zu lassen und ich fand es an der Stelle passend auf so ein paar Dinge einzugehen. Inwieweit ich das noch einmal aufnehmen werde, weiß ich nicht, aber es braucht ja auch nicht alles einen tieferen Sinn. Manchmal sind Träume auch einfach nur Träume.
    Danke auch für dein Lob und überhaupt, dass du dir jedes Mal die Mühe für ein paar Zeilen machst. Freut mich immer sehr! <3


    Und jetzt gibt's Teil zwei von diesem Kapitel. (:

  • Kapitel XIV: Veränderung
    Teil II/II


    „Der Baum könnte eine Kirschblüte gewesen sein. Wir haben hier in der Nähe einen solchen Baum, der auch auf einer Lichtung steht. Aber in Blüte wird er nie mehr stehen, er scheint schon eine ganze Weile tot zu sein“, erwiderte Myrrh nachdenklich, als sie darüber grübelte, warum Yune von so etwas geträumt hatte. Sie schien nicht mal zu wissen, wie ein blühender Kirschbaum aussieht und doch hatte sie davon geträumt. Das gab der Puppe schon Rätsel auf.
    „Ist ja seltsam, dass ich dann von ihm geträumt hab“, sprach sie aus, was der Geist dachte. „Weißt du vielleicht, was es für ein Pokémon war?“
    „Deine Beschreibung könnte auf ein Serpifeu passen“, meinte Myrrh. „Aber sicher bin ich mir nicht, ich bin noch keinem von ihnen selbst begegnet, sondern hab nur mal ein Bild gesehen.“
    „Das ist wirklich eigenartig, dass ich von einem Baum und von einem Pokémon träume, die ich beide noch nie gesehen habe.“
    „So was kommt schon mal vor. Sollte dich aber nicht zu sehr beschäftigen. Wir haben alle mal wirre Träume“, erwiderte der Geist darauf, zögerte dann aber einen Moment, bevor sie schließlich fragte: „Möchtest du wissen, warum die Blüten der Kirschblüte rosafarben sind?“
    Das Evoli-Mädchen nickte mit dem Kopf: „Ja, gerne.“
    „Man erzählt sich“, begann Myrrh, „dass die Farbe von dem Blut der begrabenen Toten kommt, welches die Bäume über ihre Wurzeln aufnehmen. Ich kann aber nicht sagen, ob es stimmt. Ich weiß nicht mal, ob diese Geschichte von den Pokémon oder den Menschen stammt. Man sagt nur, dass blühende Bäume immer für Vergänglichkeit stehen.“
    „Aber warum träum ich ausgerechnet so was?“, entkam es dem Evoli-Mädchen sichtlich verwirrt und etwas erschrocken.
    „Das weiß ich nicht“, gab die Puppe zu. „Keiner kann sagen, warum wir etwas träumen. Viele meiner eigenen Träume waren schon oft sehr verwirrend. Aber weißt du, ich beneide dich ein wenig um deinen.“
    „Wieso das?“
    „Es muss wunderschön gewesen sein, diesen Kirschbaum blühend zu sehen, egal welche Bedeutung man darin sehen möchte“, erwiderte Myrrh ein wenig schwärmend. „Vielleicht ging es in deinem Traum auch um eine positive Veränderung? Immerhin, der Baum ist tot und doch hat er in deinem Traum geblüht!“
    „Ja, das ist wahr … das alles ist trotzdem sehr verwirrend“, entgegnete Yune nachdenklich. Noch nie zuvor hatten ihre Träume sie derartig rätseln lassen. Sie fragte sich, woran das nur liegen konnte.
    „Das kann ich verstehen. Am besten denkt man auch nicht zu sehr über die Bedeutung eines Traumes nach“, meinte die Puppe und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich vermute, dass niemand weiß, warum wir im Schlaf manches sehen. Auch die Menschen haben darauf keine Antwort. Denk lieber an etwas schöneres, wie zum Beispiel, dass du bald deine Familie wiedersehen wirst.“
    Die Vorstellung ließ das Evoli-Mädchen tatsächlich wieder lächeln, denn sie freute sich wirklich sehr darauf, ihre Eltern und Refia wiederzutreffen.


    Als die Gruppe auf der Beerenlichtung ankam, stand das Frühstück im Mittelpunkt und alle stillten ihren Hunger an den frischen Früchten. Die Sonnenwärme hatte das Gras bereits getrocknet, sodass sich auch Tricky wieder frei bewegen konnte.
    „Vielen Dank Breaker!“, wandte er sich an das Bidifas, als er von dessen Rücken rutschte.
    „Immer gerne“, erwiderte dieser breit lächelnd, bevor er sich daran machte, die Sinelbeere vor seinen Pfoten zu verspeisen, die Zora ihm zugeschoben hatte. Lucky reichte Nicki eine Wikibeere, während Fünkchen und Sakura an einigen Morbbeeren knabberten. Nach nur wenigen Bissen, waren ihre Mäuler rundherum mit dem klebrigen, schwarzfärbenden Saft bedeckt. Dagegen verspeisten Tricky, Storm und Cloud genüßlich eine Amrenabeere nach der anderen. Micaiah graste in der Nähe des Magostbeerenbaums, der im südlichen Teil der Lichtung wuchs. In ihrer Nähe saßen Riolu, Yune und Myrrh, die zusammen einige Tsitrubeeren frühstückten. Obwohl das Evoli-Mädchen sehr aufgeregt war und deshalb nur wenig Appetit hatte, versuchte sie doch wenigstens zwei der harten Beeren zu essen. Immerhin wusste sie nicht, wann sie auf der Reise Rast machen würden.
    Als die Bäuche aller gefüllt waren, versammelte sich die ganze Gruppe in stiller Übereinkunft bei Micaiah. Der Stute wurde bei dem Anblick der vielen erwartungsvollen Blicke etwas mulmig. Sie wusste, dass alle eine Entscheidung erwarteten und sie selbst hatte lange darüber nachgedacht. Es wäre ihr am liebsten gewesen, dass sie Yune hätte selbst begleiten können, aber dafür kannte sie sich zu wenig jenseits des Kühnheitssees aus. Myrrh war die einzige mit ausreichend Erfahrung im Reisen und kannte das Gebiet auch besser. Es machte deshalb nur Sinn, dass die Puppe das Evoli-Mädchen begleitete. Damit schien die Sache gelöst, doch Micaiah war nicht entgangen, wie sich Riolu benahm, seitdem Yune bei ihnen war. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er sich mit dem Abschied sehr viel schwerer tun würde, als der Rest. Falls er es überhaupt akzeptieren würde, da war sie sich momentan nicht mal sicher. Deshalb hatte sie etwas anderes geplant, was ihr das unwohle Gefühl trotzdem nicht nahm.
    „Vielleicht haben sich meine Eltern ja ebenso gefühlt, als ich damals fort ging?“, ging es der Feuerstute durch den Kopf.
    „Also, wie machen wir’s jetzt?“, fragte Myrrh frei heraus und riss Micaiah bewusst aus ihren Gedanken.
    „Nun, wir können unmöglich alle zusammen Richtung Weideburg gehen, um Yunes Familie zu suchen. Als große Gruppe sind wir viel zu auffällig und vermutlich auch nicht besonders schnell. Deshalb wirst du, Myrrh, Yune begleiten. Du kennst dich besser in der Gegend und vor allem in Städten aus, als ich es tue.“
    „Einverstanden, ich begleite Yune gern“, erwiderte die Puppe und grinste das Evoli-Mädchen breit an, die zurück lächelte. Sie freute sich darüber, dass Myrrh sie begleiten würde. Riolu stand daneben und fixierte mit seinen roten Augen das Feuerpferd. In seinem Gesicht war keine Emotion ablesbar und nur Micaiah erkannte den trotzigen Ausdruck. Was ist mit mir?, fragte er sie lautlos.
    „Ich frage mich, ob du verstehst wie schwer das für mich ist“, dachte die Feuerstute, als sie den jungen Schakal mit einem verständnisvollen Blick bedachte.
    „Sollten Cloud und ich nicht besser auch mitkommen?“, fragte Storm unvermittelt. „Wir könnten doch voraus fliegen und die Gegend erkunden? Dann wäre es leichter für Myrrh und Yune voranzukommen.“
    „Das wäre grundsätzlich keine schlechte Idee“, meinte die Puppe nachdenklich, „aber euch fehlt die Kenntnis über das Gebiet. Und falls das Wetter nicht so mitspielt, hättet ihr große Probleme beim Fliegen.“
    „Das stimmt“, gab Cloud zu. „Schade.“
    Die beiden Staralili wirkten etwas bedrückt darüber, dass sie nicht helfen konnten und auch der Rest der Gruppe hätte das Evoli-Mädchen gern auf ihrer Reise begleitet. Aber wie Myrrh ihnen so ins Gesicht sah, da erkannte sie, dass sie dafür Verständnis hatten. Sie lächelte zufrieden, bis ihr Blick auf Riolu fiel, der Micaiah eindringlich ansah.
    „Ich kann mir denken, was er will“, ging es dem Geist durch den Kopf. „Ich frage mich wirklich, ob sie es ihm erlaubt. Ob ich mich da einmischen soll?“ Sie überlegte kurz, sah dabei hinauf in den blauen Himmel und bemerkte, wie spät es bereits war. Es war nun wirklich Zeit zum Aufbrechen!
    „Müssen wir dann jetzt schon Leb wohl sagen?“, fragte Zora traurig und sah die Feuerstute aus großen, dunklen Augen an. Sie löste sich widerwillig von Riolus Blick und wandte dem Bidiza den Kopf zu.
    „Nicht sofort, einen Teil der Strecke gehen wir noch gemeinsam. Südlich von Schleiede gibt es einen kleinen See, zu dem gehen wir alle zusammen.“
    „Dann nichts wie los!“, rief Breaker abenteuerlustig und lief zum Weg, der von der Lichtung wegführte.
    „Warte doch, du weißt gar nicht, wo es lang geht!“, entgegnete Zora gleich, als sie mit großen Sprüngen hinter ihm her rannte.
    „Wer kennt den Weg denn?“, wollte ihr Bruder verwundert wissen, da trabte auch schon die Feuerstute an ihm vorbei.
    „Mir nach“, war ihre knappe Erwiderung und die ganze Gruppe lief hinterher. Cloud und Storm flatterten sogleich vom Boden auf und flogen über Micaiah, welche sich nur schwer beherrschen konnte, in einem möglichst langsamen Trab zu bleiben. Sie hatte das Bedürfnis, einfach los zu laufen. Es war schon schwer genug, ihre gute Freundin Myrrh für eine ungewisse Zeit nicht mehr um sich zu haben, aber bei dem Gedanken, dass sie auch von Riolu getrennt werden würde, sträubte sich alles in ihr. Aber hatte sie denn das Recht ihn aufzuhalten?
    Sie war sich ihrer Verantwortung für ihn bewusst und Micaiah käme es nie in den Sinn diese zu vernachlässigen. Doch letztendlich war sie nicht seine leibliche Mutter und er war ja auch nicht gerade eben erst geschlüpft. Vielleicht sollte sie ihm vertrauen? Schließlich ging der junge Schakal nicht ganz alleine weg, Myrrh war ebenfalls dabei und würde auf ihn und Yune aufpassen. Trotzdem konnte die Stute eine Angst nicht abschütteln: dass die Puppe wohlmöglich allein zurückkehren würde.


    Als der Rand des Forstes immer näher kam, verlangsamte die Feuerstute ihren Lauf und ging vorsichtig weiter. Die anderen drängten sich hinter ihr und atmeten schwer. Das schnelle Tempo war für sie anstrengend gewesen, doch keiner war zurückgeblieben, dafür hatte Myrrh gesorgt. Sie hatte sich an das Ende des Zuges postiert und im Auge behalten, dass alle mitkamen. Yune war von der Reaktion Micaiahs zu überrascht gewesen, um sich fragend an die Puppe zu wenden, sondern war einfach den anderen gefolgt. Riolu war dabei seltsam verbissen an ihrer Seite gelaufen, so als wolle er etwas beweisen. Das Evoli-Mädchen konnte nur nicht erraten, was es war.
    Schließlich blieb Micaiah beim letzten Baum, der sie von der Ebene trennte, stehen. Im leichten Wind wiegte sich das hohe Gras wellenartig und die Luft roch frisch. Die Nüstern der Stute weiteten sich, als sie den bekannten Geruch von blühenden Wiesenblumen wahrnahm. Sie musste zugeben, dass sie den Duft ein wenig vermisst hatte. Kurz wandte sie den Kopf, um über ihre Schulter zurück zu blicken, ob auch die anderen da waren. Die Gruppe war von dem Blick auf die Ebene ganz eingenommen; wie die Sonne das Grün leuchten ließ und sich in der Ferne ein weiterer Wald dunkel erhob. Eine helle Fläche schimmerte in einiger Entfernung wie ein großer Spiegel. Es war der kleine See von dem Micaiah gesprochen hatte.
    „Seid ihr soweit?“, fragte die Stute, worauf die anderen nickten. „Bleibt dicht hinter mir, ja?“ Und mit diesen Worten trat sie aus dem Schatten auf die Ebene.
    Yune musste daran denken, wie sie noch vor wenigen Tagen mit ihren Eltern hier gewesen war. Wie sie mit ihrer Familie Richtung Süden gezogen und in einem Waldstück von dem Gewitter überrascht worden war. Und nun war sie wieder hier. Unwillkürlich wurde sie an ihren Traum erinnert. Die Ebene sah genauso aus, nur, dass sie ihre Eltern nirgendwo entdecken konnte.
    Das Gras wurde bald so hoch, dass die meisten aus der Gruppe nur noch die grünen Halme vor sich sehen konnten. Cloud und Storm flogen immer wieder über sie hinweg und Myrrh achtete am Ende des Zuges darauf, dass sich niemand verirrte. Zora hielt sich eng an ihren großen Bruder, der wiederum mit seiner Kelle den Weg für Tricky, Sakura und Fünkchen ebnete. Lucky und Nicki sprangen immer mal wieder hoch um über die Grashalme hinweg zuschauen, damit sie Micaiah nicht aus den Augen verlieren konnten. Die Stute lief mit gespitzten Ohren über die Ebene. Ihr Feuer brannte im Sonnenschein größer und heller als je zuvor und der Wind spielte mit den Flammen, die von einer Seite zur anderen geweht wurden.
    Aus der Ferne war nur das Feuerpferd zu sehen und niemand bei Verstand hätte es gewagt, sich zu nähern. Dafür war Micaiahs Gang zu zielstrebig und ihre Haltung zu souverän. Jedermann konnte sehen, dass der Versuch, dieses Feuer zu zähmen, in einem alles verzehrenden Flächenbrand enden würde.
    Riolus Schnauze war knapp über der Höhe des Grases und er ging mit wachen Sinnen neben Yune her, obwohl sein Kopf mit allerlei Gedanken beschäftigt war. Er hatte sich entschieden und wollte das Evoli-Mädchen begleiten. Obwohl er wusste, dass er den Abschied damit nur ein wenig hinauszögerte, so konnte er den Gedanken, sich in wenigen Augenblicken von ihr zu trennen nicht ertragen. Die Verbundenheit zu Yune war ihm weiterhin unbegreiflich und so schob er es auf einen Instinkt, den er mit Worten nicht beschreiben konnte, der aber sogar stärker als seine Bindung zu der Feuerstute war. Und in seinem jugendlichen Trotz war ihm dabei nicht bewusst, wie verletzend es für Micaiah war.
    Während Myrrh darauf achtete, dass niemand verloren ging, beschäftigte sie sich gedanklich mit der bevorstehenden Reise. Diese sollte eigentlich recht ereignislos sein, nur mögliche Zusammenstöße mit Trainern machten ihr ein wenig Sorgen. Aber sie war zuversichtlich, dass sich solche Probleme ohne Weiteres lösen würden. Yune konnte nicht von einem anderen Trainer gefangen werden, da sie bereits zu Refia gehörte. Die Puppe selbst konnte zwar von einem Pokéball eingesogen werden, doch das dies wirklich passierte, hielt sie für unwahrscheinlich. Sie versuchte eine mögliche Reiseroute zusammenzustellen und hatte bald einen für sie passenden Weg im Kopf.
    „Eigentlich sollte nichts schief gehen. Ich bin nur gespannt, was Micaiah wegen Riolu tun wird. Fast möchte ich mich einmischen — es wäre nicht verkehrt ihn dabei zu haben. Und nicht nur deshalb, weil ich sein Verhalten in letzter Zeit zu gern beobachte. Seine Veränderung seit Yune da ist, ist nur schwer zu übersehen. Es freut mich wirklich, wie er sich öffnet und das geht Micaiah ganz genauso, davon bin ich überzeugt. Aber ich kann durchaus verstehen, dass es für sie nicht einfach ist.“



    Naesala kam aus dem Tunnel zu seinem Schlafquartier und streckte seine Flügel. Er fuhr sich schnell mit dem spitzen, gelben Schnabel über die Federn an seinen Schwingen und ordnete sein weißes Brustgefieder, bevor er mit erhobenem Haupt zur Höhle des Meisters schritt. Der Flammenwurf, der ihn die Nacht zuvor erwischt hatte, war wirklich stark gewesen und trotz heilender Beeren, spürte er immer noch einen schwachen Schmerz bei jeder Bewegung. Die Attacke hatte ihn vor dem Meister gedemütigt und hätte sie ihn nicht überrascht, hätte er seine Klauen mit dem größten Vergnügen in die Flügelhaut dieses Libelldra gebohrt. Danach wäre es für ihn ein leichtes gewesen, diesem Tauboss sämtliche Federn zu rupfen. Ein wenig musste er allerdings zugeben, dass er von der Größe des hellbraunen Vogel-Pokémon beeindruckt gewesen war. Die Augen des Kramshef waren im Mondlicht besonders scharf und es hatte ihm durchaus gefallen, dem Flug seines Gegners zuzusehen. Trotzdem hätte er das Tauboss überwältigt — da war er sich sicher.
    Stolz ging er mit klackernden Krallen durch die große Haupthöhle. Mit einem knappen Nicken grüßte er Jaffar, der am Ausgang Wache hielt und ihm kurz zuwinkte. Die Augen Naesalas verengten sich jedoch, als er Blacksilver entdeckte, der unruhig vor der Höhle des Meisters auf und ab ging und immer wieder verstohlen in die pechschwarze Öffnung schaute. Was wollte dieser schwarze Köter bloß? Nicht genug, dass Naesala die Stellung des Stellvertreters nicht inne hatte, sondern dieser Ajuga, nein, jetzt lungerte auch noch dieser gehörnte Hund dort rum. Das Kramshef atmete kurz tief durch, bevor er sich mit kräftiger Stimme an das Hundemon wandte.
    „Blacksilver, was tust du da?“
    „Oh, du bist’s, Naesala!“, erwiderte der Angesprochene und klang zur Überraschung der Krähe direkt erleichtert. „Irgendwas geht da vor, ich habe jemanden zum Meister hineingehen sehen. Aber Jaffar will mir nicht sagen, wer es war.“
    „Wer soll es schon gewesen sein?“, entgegnete Naesala mit grimmigen Ton. „Es war vermutlich Ajuga.“
    „Eben nicht!“, begehrte der schwarze Hund auf. „Ajuga erkenn ich doch, wenn ich ihn sehe. Nein, es war jemand anderes.“ Blacksilver war sichtlich aufgeregt, er konnte nicht stillstehen und das machte die Krähe wütend.
    „Wenn Jaffar es dir nicht gesagt hat, hat das seinen Grund, denn er hat Wachdienst gehabt und erhält seine Befehle somit direkt vom Meister. Und jetzt hau ab! Wenn der Meister mitbekommt, dass du hier sinnlos deiner kindischen Neugier folgst, kannst du dich auf etwas gefasst machen.“ Naesalas Stimme war scharf wie seine Krallen und trafen das Hundemon an einer empfindlichen Stelle. Nichts hasste Blacksilver so sehr, wie darauf aufmerksam gemacht zu werden, dass er sich erst vor kurzem entwickelt hatte und deshalb für einige immer noch als nutzloser Welpe galt. Mit großer Mühe musste er sich ein Knurren verkneifen, weil das die Krähe nur noch mehr gereizt hätte. Er wusste, dass Naesala sicherlich nicht davor zurückschreckte, ihn seinen Schnabel spüren zu lassen.
    „Jawohl“, erwiderte der schwarze Hund und trottete davon. Trotzdem konnte er nicht so leicht ignorieren, was er gesehen hatte. Dafür war das Bisschen Fell zu weiß gewesen.
    „Nichtsnütziger Köter“, grummelte die Krähe. „Gut, dass ich ihn in meinem Plan von vornherein nicht bedacht hatte. Der würde nur Ärger machen.“ Naesala rückte mit seinem Schnabel den Finsterstein um seinen Hals zurecht, der auf seiner weißgefiederten Brust lag. Danach schlug er noch einmal kurz mit den Flügeln und betrat die Höhle.
    Undurchdringliche Finsternis umgab ihn und ohne jegliches Licht war es ihm unmöglich festzustellen wohin er ging. Er konnte sich lediglich an dem Echo seiner eigener Schritte orientieren, was ihm Unwohlsein verursachte. Eine Sache fiel ihm jedoch sofort auf und es wunderte ihn sehr. Die Kälte, die sonst die Höhle ausfüllte, war nicht so stark, wie Naesala es kannte. Sie drang zwar trotzdem durch seine dichten Federn, aber sie ließ ihn nicht frösteln. Entweder war der Meister gerade gar nicht hier oder er war in ausgesprochen guter Stimmung. Was der Krähe nur zum Vorteil gereichen würde.
    „Ah, Naesala!“, begrüßte ihn die bekannte Stimme, als er stehen geblieben war. Wie gewohnt, verbeugte er sich mit ausgebreiteten Flügeln vor dem schwebenden Grinsen und den darüber leuchtenden Augen. „Ich habe dich erwartet.“
    „Gewiss, Gebieter, wie Ihr befohlen habt, hab ich den Plan ausgearbeitet, um das Evoli zu fangen“, begann der schwarze Vogel mit unterwürfiger Stimme, als er sich wieder aufrichtete.
    „Gut und wie sieht dein Plan nun aus?“
    „Wenn Ihr erlaubt, mein Lord, werde ich Darahan, Jaffar und Kobra mitnehmen. Die Drei werden mir dabei helfen, das Evoli zu erwischen.“
    „Sehr gut, das klingt vielversprechend, eine gute Wahl. Ach ja, bevor ich es vergesse. Ajuga berichtete mir gerade, dass er sich sehr sicher ist, dass das Evoli vermutlich in Begleitung sein wird, wenn ihr es erreichen werdet. Es wird sich auf den Weg nach Süden machen. Bring mir die Begleiter ebenfalls. Ich habe keine Lust auf Zeugen, so wie bei dem Magby.“ Die Stimme des Gengar zeugte von seinem unterdrückten Ärger. Natürlich hatte er durch Ajuga gewusst, dass der MondClan auf ihn aufmerksam werden würde und ihm hatte es gefallen, dieses schwächliche Traunmagil letzte Nacht vor den Augen ihres Clans zu demütigen. Aber dieses neue Ärgernis würde ihn sicherlich noch behindern, was ihn sehr störte.
    „Wenn du erlaubst, Naesala, erzähle ich dir vor deinem Aufbruch noch die voraussichtliche Lage des gesuchten Evoli“, wandte sich eine zweite Stimme aus der Dunkelheit an die Krähe. Obwohl diese einen ruhigen Klang besaß, reizte sie Naesala und er hatte jede Mühe sich das nicht anmerken zu lassen. Für ihn war jedes Wort von Ajuga eine Demütigung.
    „Gewiss“, erwiderte er knapp. Die Vorstellung später mit dem Stellvertreter des Meisters sprechen zu müssen, stieß ihn ab.
    „Und wo du schon einmal hier bist, Naesala, kann ich dir auch gleich unseren Neuzugang vor allen anderen vorstellen“, erhob sich wieder die Stimme Ashnards in der Höhle und in seinen roten Augen lag ein unbekannter, freudiger Schimmer. Er war sichtlich glücklich darüber, dass dieses Ereignis geschehen war und dass nicht einmal Ajuga dies vorausgesehen hatte. Welch herrliche Wendung, die ihm direkt in seine Hände spielte!
    „Neuzugang?“, platze es aus Naesala heraus. Das war ja schon ewig nicht mehr passiert.
    „Aber ja! Ist das nicht wunderbar? Der Ruf unseres Clans hat sich inzwischen so weit verbreitet, dass wir unsere Rekruten wohl in Zukunft nicht mehr selbst suchen müssen. Tritt hervor, Verehrteste!“ Die Stimme des Meisters überschlug sich fast vor lauter Überschwang und das bereitete der Krähe einiges an Unbehagen. Ashnard war besonders schwer einschätzbar, wenn er sich freute, denn dieses Gefühl war so selten bei ihm zu beobachten, dass er absolut unberechenbar für jedermann wurde.
    „Verehrteste?“, murmelte die Krähe verblüfft, als in nur zwei Sprüngen Entfernung plötzlich ein Paar roter Augen aufleuchtete. Blacksilver hatte also doch recht damit, dass jemand Unbekanntes in die Höhle des Meisters gegangen war.


  • Hey Cynda,


    gut zu wissen, dass du die Pokémon von ihrem Verhalten her ins Teenager-Alter gesetzt hast. Man kann es sich zwar von der Ausdrucksweise einigermaßen ableiten, aber es wirkt auch anders, wenn man das im Hinterkopf behalten kann, weil man sie dann auch eben als solche Gruppe einschätzt. Besonders Breaker wird hier ja beispielsweise doch erwachsener.


    Gut, die Traumszene wird noch etwas näher dargestellt, wie erwartet. Ich mag hier den Dialog, wie Myrrh beeindruckt ist und gleichzeitig auch mit Vermutungen darüber lockt, ob der Traum eine Bedeutung gehabt haben könnte oder nicht. Es ist wohl auch deswegen interessant, weil diese Begebenheit ja nicht direkt mit der Geschichte zu tun hat, du ihr aber trotzdem Beachtung schenkst und sie näher behandelst. Sowas liest man nicht oft, aber es enthüllt noch weitere Geheimnisse der Charaktere und auch so manche Denkweise über bestimmte Dinge. Auf einfache Art schaffst du es so, mehr zu erzählen und zu zeigen und kleine Details sind immer schön zu entdecken. Myrrhs Interpretation der Kirschbäume klingt wie eine Geschichte von den Menschen und tatsächlich gibt es diesen Glauben ja, dass der Baum für Vergänglichkeit steht.
    Fast noch interessanter ist der wohl letzte, aber trotzdem gemütliche Morgen mit der Gruppe und Riolus schlussendlicher Entscheidung, dass er Yune begleiten will. Wenn ich so überlege, wie verschlossen er noch am Anfang war, hat er sich schon ziemlich gebessert und zeigt sich auch nach außen hin offener. Wollen wir mal sehen, wie Micaiah darauf reagieren wird. Ich denke aber, dass alle damit einverstanden sein werden und das Beste für ihn wünschen.
    Ein paar Worte noch zum Schluss: Der verehrte Neuzugang scheint wohl ein Absol zu sein. So viel weißes Fell gibt es in der Pokémon-Welt ja tatsächlich nicht und die Vorausahnung im letzten Kapitel deutet auch darauf hin. Im Schattenclan macht sie sicher eine gute Figur, auch wenn sie wohl wegen etwas anderem da ist als sie unterstützen. Viel lässt du nicht durchklingen (auch in Bezug auf Blacksilver nicht), daher warte ich mal gespannt, was du so geplant hast.


    Wir lesen uns!

  • Etwas später als eigentlich geplant — was an meiner Faulheit liegt, schuldig im Sinne der Anklage — kommt hier jetzt der erste Teil von Kapitel 15.
    Doch zuvor möchte ich natürlich noch @Rusalka antworten — vielen lieben Dank für deinen Kommi! ^-^


    Ja, das vergisst man manchmal, wie alt die Charaktere wirklich sind. Ist bei den Pokémon ja auch schwierig abzuschätzen, weil ich hier auch das Level nicht mit dem Alter gleichgesetzt habe und allgemein Tierkinder ja schneller größer werden, als Menschenkinder. Deshalb hab ich hier auch paar Freiheiten. Allerdings fällt mir an manchen Stellen dann doch wieder auf, dass ich das alles von Anfang an bissl besser hätte durchdenken sollen. ^^“ Manche Sachen rächen sich dann.
    Danke für dein Lob! Es war mir schon wichtig diese Traumszene auch später noch mal zu erwähnen. Vor allem, nachdem sie ja doch recht „kryptisch“ ist. Träume sind ohnehin so ne interessante Geschichte. Vom Traumdeuten halte ich persönlich nicht so viel, aber nachdem ich selbst seit … nja, ungefähr zwei Jahren ziemlich „lebhaft“ träume, ist es manchmal ganz interessant zu versuchen herauszufinden, woher die Eindrücke kommen, die da im Traum verarbeitet wurden. (Und manchmal ist es auch einfach nur gut, wenn man den Traum zwei Stunden nach dem Aufwachen wieder vergessen hat. Ey, mein Unterbewusstsein kocht da manchmal so einen Schwachsinn zusammen …)
    Das kommt im nächsten Kapitel sogar gleich am Anfang dran, wie dieser kleine Konflikt bzgl. Riolus Entschluss Yune und Myrrh zu begleiten aufgelöst wird. Ich bin gespannt, was du dazu sagen wirst!


    Jap, da hast du Recht, der Neuzugang ist ein Absol und deine Vermutung ist auch richtig, da verfolgt jemand andere Interessen, als es zuerst den Anschein haben mag. Aber was da noch kommt, da verrat ich erstmal nichts. ;)


    And now ... the Cheetahmen! Ne, quatsch, ich mein natürlich: Kapitel fünfzehn! :D

  • Kapitel XV: Aufbruch
    Teil I/III


    Die Straße gleitet fort und fort,
    Weg von der Tür, wo sie begann,
    Weit Überland, von Ort zu Ort,
    Ich folge ihr, so gut ich kann.
    Ihr lauf ich raschen Fußes nach
    Bis sie sich groß und breit verflicht
    Mit Weg und Wagnis tausendfach
    Und wohin dann? Ich weiß es nicht.


    — Der Herr der Ringe: Die Gefährten von J.R.R. Tolkien


    Als die Sonne kurz vor ihrem Zenit stand, erreichte Micaiah das Ufer des kleinen Sees am östlichen Rand der Route 214. Das Wasser war an drei Seiten von mehreren Laubbäumen umrahmt, die bereits Teil des dahinter liegenden Forstes waren, der sich weiter nach Osten und Süden erstreckte. Schleiede lag im Norden, was die Stute besonders aufmerksam auf ihre Gruppenmitglieder achten ließ, die einer nach dem anderen zu ihr aufschlossen. Sie blieben kurz stehen und betrachteten das still daliegende Wasser. Wie ein großer Spiegel zeigte es die Umgebung, vor allem aber den blauen Himmel über ihnen. Sanft kräuselte sich die Oberfläche, als der Wind darüber strich. Am seichten Ufer wuchs Schilfrohr und wiegte sich in der kurzen Brise.
    Breakers Augen weiteten sich, als er das Wasser sah und er lief sogleich darauf zu. Mit großen Sprüngen rannte er in den See, sodass das Wasser nur so spritzte und innerhalb weniger Herzschläge schwamm er sichtlich freudig herum.
    „Breaker!“, rief Zora, als ihr Bruder gerade komplett untergetaucht und somit außer Sicht war. Doch sein Kopf erschien gleich wieder aus dem Wasser.
    „Komm her, Zora!“, erwiderte er freudig, als er wieder etwas näher ans Ufer schwamm.
    „Ich weiß nicht …“, entgegnete das Bidiza unsicher und betrachtete das heran schwappende Wasser skeptisch.
    „Keine Angst, du kannst doch gut schwimmen. Ich bin auch die ganze Zeit in der Nähe, versprochen“, versuchte Breaker seine kleine Schwester zu beruhigen.
    „Na gut“, meinte Zora und ging vorsichtig näher heran, bis ihre Pfoten von dem Wasser bedeckt waren. Sie ging langsam immer weiter, bis sie schließlich den Kontakt zum Boden verlor und fleißig mit allen Vieren strampelte. Allmählich kam sie auf ihren großen Bruder zu, dessen braunes Fell nass in der Sonne glänzte.
    „Super!“, jubelte er ihr zu und schwamm mit kräftigen Schlägen seiner Kelle um sie herum. Zora lachte übermütig, als sie sich weiter durch das Wasser bewegte.
    Inzwischen saßen Storm und Cloud am Ufer und löschten ihren Durst, bevor sie anfingen an einer seichten Stelle zu baden. Mit halb ausgebreiteten Flügeln tauchten sie kurz ins Wasser und schüttelten sich, sodass die Tropfen in alle Richtungen spritzten. Dabei zwitscherten sie ganz ausgelassen. Ihr graues Gefieder war bald nass und sie flatterten einige Sprünge vom See weg, um mit ihren Schnäbeln ausgiebig ihre Federn zu putzen.
    „Iih!“, erklang es angeekelt, als Tricky den See sah. „Schon wieder Wasser! Aber das hatten wir doch gestern erst!“
    „Ist er nicht wunderschön?“, bemerkte Fünkchen ganz erstaunt und konnte ihren Blick gar nicht mehr abwenden.
    „Komm, lass uns näher ran gehen!“, forderte Sakura ihre Freunde auf, worauf das Pachirisu ihr sofort hinterher sprang.
    „Ne, ohne mich!“, erwiderte das Mobai und setzte sich in sicherer Entfernung ins Gras. „Und ich warne euch, wenn mich einer nass spritzt, dann werd ich richtig, richtig wütend!“
    „Ist es wirklich so schlimm?“, wandte sich Micaiah an das Bonsai-Pokémon, als sie auf ihn zukam. Dieser wippte mit seinem Körper vor und zurück; ein heftiges Nicken.
    „Möchtest du in meiner Nähe bleiben? Ich geh auch nur so nah ran, dass ich was trinken kann, näher aber nicht. Und die anderen wissen doch, dass du kein Wasser magst.“
    „Na gut“, meinte Tricky nach einer kurzen Denkpause und sprang auf seine zwei Beine. „Ich versteh gar nicht, was alle an Wasser so toll finden.“
    „Wasser ist ganz wichtig für uns und die Natur“, begann die Feuerstute, als sie näher an den See ging. „Irgendwie nehmen wir alle Wasser auf, auch du.“
    „Was? Ich doch nicht!“, entgegnete das Mobai bestimmt.
    „Aber die Beeren, die du isst, enthalten auch Wasser. Und ohne Beeren würde es dir bald gar nicht mehr gut gehen.“
    „Ja, da hätt ich bald ganz doll Hunger!“
    „Siehst du. Und damit die Beeren überhaupt wachsen, brauchen sie ja auch Wasser. Den Regen, der fällt oder eben das Wasser im Boden.“
    „So hab ich das noch nie gesehen“, gab Tricky nachdenklich zu. „Vielleicht ist Wasser gar nicht so schlecht. Trotzdem werd ich nicht gern nass.“
    „Das versteh ich, ich ja auch nicht. Aber in einer Welt ganz ohne Wasser, da gäbe es dich und mich gar nicht“, erwiderte Micaiah.
    „Na, solang es auch noch genug Plätze gibt, wo ich trocken bleibe, kann es ruhig Wasser geben“, beschloss das Mobai und die Feuerstute lächelte über seine Einsicht. Als die beiden am Ufer angekommen waren, schwammen Zora und Breaker weiterhin im See herum, während Lucky und Nicki ein wenig Gras knabberten und ihre Hinterpfoten ins Wasser hängten. Sie genossen sichtlich den Sonnenschein, der ihnen das dunkelbraune Fell wärmte. Schließlich kamen die Geschwister ans Ufer und standen mit triefendem Fell im Gras. Das Wasser floss besonders Breaker aus dem Pelz, während Zora richtig durchnässt war.
    „Hoffentlich brauch ich jetzt nicht ewig um wieder trocken zu werden“, meinte das Bidiza und legte sich auf dem Bauch ins Gras, um sich von der Sonne trocknen zu lassen.
    „Wenn du mal entwickelt bist, trocknet dein Fell viel schneller“, erwiderte das Bidifas und legte sich daneben.
    In einiger Entfernung erkundeten in der Zwischenzeit Sakura und Fünkchen die im seichten Wasser wachsenden Rohrkolben.
    „Findest du nicht auch, dass das eine komische Pflanze ist?“, wollte das Pachirisu wissen. Mit neugierigen Augen beäugte sie das hochgewachsene Gewächs mit dem braunen Kolben an der Spitze.
    „Wieso?“, fragte Sakura verwundert und sprang leichtfüßig durch das seichte Wasser.
    „Weil sie doch etwas seltsam aussehen. Sie sind so anders als die Pflanzen im Wald.“
    „Stimmt“, gab das Kikugi zu. „Aber wir sind hier ja auch nicht mehr im Wald, sondern an einem See.“
    „Ob ich eines von diesen braunen Dingern wohl erwischen kann?“, fragte sich Fünkchen laut und ging näher heran. Sie achtete nicht auf das Wasser, als sie sich vor einen der langen Stängel stellte und mit den Pfoten diesen nach unten bog. Sakura stand gebannt einen Sprung entfernt. Schließlich hatte das Pachirisu den Stängel weit genug nach unten gebogen, dass das Kikugi sich den braunen Kolben ansehen konnte. Fünkchen hielt sich mit dem Schweif an dem Stiel der Pflanze fest, sodass dieser sich nicht aufrichten konnte und ging auf Sakura zu.
    „Wie die wohl aussehen, wenn sie blühen?“, fragte das Kikugi.
    „Gute Frage, das würd ich auch gern wissen“, erwiderte Fünkchen. „Aber erstmal möcht ich schauen, was Tricky so macht.“
    „Genau, lass uns schauen, wo er ist!“ Mit diesen Worten hüpfte Sakura zu den anderen und das Elektrohörnchen ließ mit einem Mal den Stiel des Rohrkolbens los, der pfeilschnell zurückschnellte.


    Der Anblick des still daliegenden Sees weckte in Yune Erinnerungen. Bereits mit ihren Eltern und Refia war sie hier gewesen und hatte sich am Ufer ausgeruht. Den See nun erneut zu sehen, in dem sich die Wolken am Himmel spiegelten, machte sie sehr nachdenklich. Sie hatte sich nie gefragt, was im nächsten Moment passieren könnte. Dass sich von einem Augenblick auf den anderen etwas ändern könnte, war ihr nie wirklich bewusst gewesen. Und doch war genau das geschehen. Das Evoli-Mädchen stand an demselben Ort, der noch genauso schien, wie an dem Tag, als sie ihn das erste Mal besucht hatte. Doch alles andere hatte sich komplett verändert.
    In Gedanken versunken ging sie auf das Ufer zu und setzte sich in das kurze Gras. Sie erinnerte sich, wie ihre Mutter mithilfe ihrer Psychokinese ein wenig Wasser aus dem See geholt hatte und über ihren Vater herunterfallen ließ. Schatten war aufgesprungen, als hätte ihn hinterrücks ein Giftstachel getroffen und mit gesträubtem Fell war er fauchend davon gelaufen. Refia hatte sich erschrocken umgesehen, bis sie Sunlight und Yune breit grinsend entdeckt hatte. Das Evoli-Mädchen kicherte bereits ausgelassen und auch die Psychokatze konnte sich schließlich nicht mehr zurückhalten und begann laut miauend zu lachen. Als Schatten das hörte, schlich er sich an seine Partnerin heran und schüttelte sein nasses Fell, dass die Tropfen in alle Richtungen flogen. Erschrocken wich Yune zurück und Sunlight fauchte, drehte sich augenblicklich um und erhob spielerisch die Pfote, als sie das Nachtara sah. Schatten wich dem kommenden Schlag jedoch aus, biss leicht in das Ohr der Psychokatze und sprang davon. Daraufhin lief Sunlight ihrem Partner hinterher und Yune konnte sich vor lachen kaum auf den Pfoten halten.
    Bei den fröhlichen Bildern in ihrem Kopf, konnte das Evoli-Mädchen nicht anders als breit zu grinsen und leise zu kichern.
    „Was ist so lustig?“, fragte Riolu verwundert.
    „Ich hab mich nur gerade daran erinnert, als ich mit meinen Eltern hier war. Das war sehr lustig gewesen“, erwiderte sie, als sie einen Schritt auf den See zu ging, sich nieder kauerte und das Wasser aufzuschlecken begann. Der Schakal tat es ihr gleich und bemerkte einmal mehr, wie sehr Yune ihre Familie vermisste. Es war wichtig, dass sie bald zu ihnen zurück konnte, das wusste er. Leider bedeutete das auch, dass die gemeinsame Zeit immer mehr schrumpfte. Doch er würde sich nicht heute von ihr verabschieden.


    Fünkchen und Sakura hatten ihren Freund bei der Feuerstute gefunden und konnten ihn dazu überreden, mit zum Schilfrohr zu kommen. Als Myrrh bemerkte, dass Micaiah allein graste, schwebte sie auf sie zu.
    „Kann ich mit dir kurz etwas besprechen?“, wandte sich die Puppe an die Stute. Diese hob ein wenig den Kopf und nickte.
    „Natürlich, worum geht’s?“
    „Vermutlich ist das eine Sache, in die ich mich nicht einmischen sollte“, begann Myrrh vorsichtig, „doch ich bin der Ansicht, dass Riolu mitkommen sollte.“
    „Wieso denkst du das?“, fragte Micaiah sichtlich interessiert.
    „Weil ich denke, dass es falsch ist, ihn jetzt dazu zu zwingen, zurück zu bleiben. Zum einen bin ich mir sicher, dass er uns sowieso folgen wird und zum anderen meine ich, dass Yune ihm wirklich wichtig ist.“
    „Und du meinst, dass ich da nicht im Weg stehen sollte?“
    „Quatsch. Du hast allen Grund zu wollen, dass er bei dir bleibt. Das ist doch nur verständlich und ich würde in der Lage sicherlich dasselbe wollen. Aber wir dürfen beide nicht vergessen, dass er nicht wehrlos ist.“
    „Und was mache ich, wenn er nicht mehr wiederkommt?“, wollte die Feuerstute wissen und hatte Mühe ruhig zu klingen.
    „Weil er bei Yune bleiben will?“
    Micaiah nickte und sah kurz weg, bevor sie weitersprach: „Wir wissen beide nicht, aus welchem Grund ich Riolu damals im Wald gefunden habe. Deshalb können wir nicht ausschließen, dass Menschen dafür verantwortlich waren.“
    „Das stimmt natürlich“, erwiderte Myrrh, „aber findest du nicht, dass er das selbst entscheiden sollte? Meinst du nicht, dass du ein wenig Angst hast, er wählt jemand anderen vor dir?“
    „Kann sein“, seufzte die Stute. „Es tut einfach ein bisschen weh.“
    Die Puppe nickte wissend und schlang ihre Arme um Micaiahs Nüstern. „Was auch immer passiert, er wird nie vergessen, was du für ihn getan hast. Das darfst du auch nicht vergessen.“ Sie ließ los und lächelte ihre Freundin aufmunternd an.
    „Danke, Myrrh. Und du hast Recht, Riolu sollte selbst entscheiden. Ich hätte nie gedacht, dass ich meine Eltern mal so gut verstehen würde.“
    „Ich denke, für jeden kommt irgendwann der Moment, wo man solche Dinge auf einmal nachvollziehen kann. Riolu wird es eines Tages auch können, da bin ich mir sicher.“
    Die Feuerstute stupste die Puppe dankbar an und meinte schließlich: „Ihr müsst jetzt los, nicht wahr? Deshalb wolltest du mit mir über Riolu sprechen.“
    „Ja, es wäre gut, wenn wir bald los könnten.“
    Verständnisvoll nickend hob Micaiah den Kopf und sah zu dem Evoli-Mädchen und dem Schakal am Seeufer. Etwas in ihr sträubte sich dagegen, Riolu fortgehen zu lassen. Sie war für ihn verantwortlich und konnte es nur schwer zulassen, dass er ohne sie ging. Obwohl das Vertrauen der Feuerstute in Myrrh unerschütterlich war, bemerkte sie nun eine Grenze desselben. Wenn es um Riolu ging, reichte es einfach nicht und doch hatte Micaiah keine andere Wahl, denn die Puppe hatte recht. Selbst wenn sie dem Schakal die Reise verbieten würde, daran hindern konnte sie ihn nicht und sie wusste um seine Willensstärke. Niemals würde er sich davon abbringen lassen. Nicht einmal von ihr selbst.


    Die Puppe schwebte auf die beiden zu und als sie bei ihnen angekommen war, fragte Yune: „Ist es schon so weit?“
    Myrrh nickte: „Wir müssen uns jetzt auf den Weg machen, damit wir noch einiges an Strecke schaffen.“
    Das Evoli-Mädchen stand auf, etwas überrumpelt davon, dass es jetzt bereits los ging. Sie blickte unsicher zu Riolu, doch er erhob sich ebenfalls auf die Pfoten. Was hatte er vor?
    „Ich komme mit“, wandte er sich an Myrrh, die ihm einen skeptischen Blick zuwarf. Natürlich war ihr klar gewesen, dass er sie begleiten wollte, aber sie wollte wissen, ob dem Schakal wirklich bewusst war, was das bedeutete.
    „Bist du sicher, dass du darfst?“, fragte die Puppe, doch sie bemerkte gleich, dass ihre Frage überflüssig war. So gut Riolu auch darin war, seine Gefühle nicht zu zeigen, so war seine Entschlossenheit nicht zu übersehen.
    „Ich will“, war seine simple Antwort, die Myrrh sogleich akzeptierte.
    „Dann gehen wir drei mal zu den anderen, um uns zu verabschieden. Sie warten schon auf uns.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und schwebte voraus, dabei konnte sie sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. Es war schwer für sie zu verbergen, dass sie sich darüber freute, den jungen Schakal ebenfalls dabei zu haben. Trotzdem verging ihr das Lächeln, als sie Micaiah sah, die ein wenig verloren wirkte, obwohl sie von den anderen Mitgliedern der Gruppe umringt war.
    „Abschiedsszenen sind wirklich nicht mein Fall“, kommentierte die Puppe die Situation für sich.
    Die drei erreichten die Gruppe und bevor jemand etwas sagen konnte, wandte sich Riolu an die Stute: „Ich gehe mit.“
    Obwohl Micaiah diesen Moment erwartet hatte und sich nach dem Gespräch mit Myrrh darauf vorbereitet hatte, erschrak sie trotzdem darüber, wie sehr diese Worte sie trafen. Die standhafte Entschlossenheit in seiner Stimme war nicht zu überhören gewesen und obwohl sein Gesichtsausdruck so schwer wie immer zu deuten war, sah sie diesen Trotz in seinen Augen. Etwas in ihr sträubte sich so dagegen ihn gehen zu lassen, dass sie nicht sofort darauf reagieren konnte.
    „Das ist die Idee!“, holte Nicki die Stute zurück in den Moment.
    „Ja, genau, wenn jemand mit Myrrh und Yune mitgehen sollte, dann Riolu“, stimmte Breaker mit ein, wozu der Rest nur zustimmen konnte.
    „Riolu ist sehr aufmerksam, da geht bestimmt nichts schief“, fügte Zora breit grinsend hinzu.
    Von der Zustimmung der Gruppe war der Schakal ganz überrascht. Er war so davon überzeugt gewesen, dass sie ihn nicht leiden konnten, dass er damit nie gerechnet hätte. Zu perplex um etwas darauf zu erwidern, schaute er verwundert Micaiah an, die lächelnd nickte.
    „Das ist wirklich gut, dass du Yune und Myrrh begleiten möchtest. Zu dritt schafft ihr es bestimmt“, meinte sie, obwohl es sie einiges an Überwindung kostete.
    „Na, bei der Zusammenstellung kann nichts mehr schief gehen“, bemerkte die Puppe zuversichtlich und schwebte auf die Stute zu. „Ich kann dir leider noch nicht sagen, wie lang es dauert, aber wenn Yune wieder zu Hause ist, komm ich zurück.“
    „Ich freu mich schon darauf, wenn du mir davon erzählst“, entgegnete Micaiah und stupste den Geist mit den Nüstern an, bevor sie auf Yune zuging.
    „Es hat mich wirklich gefreut, dich kennenzulernen und ich bin mir sicher, dass du bald zurück bei deiner Familie sein wirst.“
    „Vielen Dank, Micaiah“, sagte das Evoli-Mädchen und versuchte sich an einem Lächeln. „Es hat mich auch sehr gefreut euch alle zu treffen.“
    „Komm uns vielleicht mal besuchen“, meinte Fünkchen, als sie ein paar Schritte auf Yune zuging.
    „Ja, wenn du in der Gegend bist, weißt du ja, wo du uns findest“, fügte Breaker hinzu.
    „Komm gut nach Hause, Yune!“, zwitscherten Storm und Cloud im Chor.
    „Gute Reise euch dreien!“, riefen Sakura und Tricky, während sie von einem Bein aufs andere hüpften.
    Nicki kam auf das Evoli-Mädchen zu und beugte sich zu ihr hinunter, als sie sagte: „Ich freu mich so für dich, dass du deine Familie bald wiedersehen wirst.“ Danach schloss das Haspiror Yune in eine kurze Umarmung.
    „Danke, Nicki. Ich danke euch allen, es war sehr schön, euch alle getroffen zu haben“, wandte sich das Evoli-Mädchen an die Gruppe und bemerkte nun, wie schwer es ihr fiel, sich von ihnen zu trennen.
    „Passt gut auf euch auf“, wandte sich Micaiah noch einmal an die drei Reisenden und bedachte Riolu mit einem besonders liebevollen Blick. Der Schakal nickte kurz lächelnd, denn auch ihm fiel der Abschied schwerer, als er zuerst gedacht hatte.
    „Das werden wir, macht euch keine Sorgen. Bis bald!“, erwiderte die Puppe und winkte mit beiden Armen, als sie sich rückwärts von der Gruppe entfernte.
    „Bis bald, Myrrh und Riolu! Auf Wiedersehen, Yune!“, rief die Gruppe um Micaiah den drei Reisenden hinterher, die sich nun mehr und mehr von ihnen entfernten.
    „Auf Wiedersehen! Und danke für alles!“, verabschiedete sich das Evoli-Mädchen, während sie mit ihrem Schweif den anderen zuwinkte.


  • Hey Cynda,


    jetzt ist es also endlich so weit, dass Yune Abschied von der Gruppe nehmen muss. Wobei der Abschied insgesamt durch die frohen Worte aller Beteiligten wie auch durch die allgemein gute Stimmung gar nicht mal so tränenreich verläuft wie angenommen. Das ist auch eher ungewöhnlich und man merkt hier einfach, dass sich alle für Yune gefreut haben, dass sie bald wieder bei ihrer Familie ist. Ehrliche, wahre Freude. Da frage ich mich schon, ob nicht doch jemand ein paar Hintergedanken hatte und die einfach nicht aussprechen wollte, um die Szene so zu halten, wie sie ist. Eventuell hätte das dem ein oder anderen Charakter auch ganz gut getan; spontan denke ich da an Tricky wegen seiner ungestümen Art.
    Ganz anders sah das ja zuerst bei Riolu und Micaiah aus, die sich beide schon insgeheim darauf vorbereitet hatten, dass es nicht so laufen würde wie geplant. Riolus Standhaftigkeit spricht dabei für ihn, vor allem wenn man sich in Erinnerung ruft, wie verschlossen er noch am Anfang der Geschichte war. Micaiah hatte da schon eher zu kämpfen, obwohl sie immer für ihren starken Willen bekannt war. An dieser Szene merkt man auch gut, dass selbst kleinste Änderungen, die einen selbst betreffen, seelisch durcheinander bringen können und diesen Zwiespalt hast du gut dargestellt. Auch wenn er recht schnell durch die anderen Mitglieder der Gruppe wieder verworfen wurde, einfach damit sie zeigen können, wie überzeugt sie von der Idee sind. Womöglich war das aber auch ganz richtig so, damit sich Micaiah für den Moment ablenken konnte.
    Alles in allem ist der Kapitelpart schön geworden. Von der ausgelassenen Einleitung bis hin zu den Sorgen und dem anders als erwarteten Abschied ist alles drin, was drin sein muss. Bleibt nur noch zu hoffen, dass sie ohne größere Komplikationen dort ankommen, wo sie hin möchten.


    Wir lesen uns!

  • Wird Zeit für Teil zwei dieses Kapitels. (: Doch zuvor noch ein großes Danke an den lieben @Rusalka für das Kommi. <3


    Das stimmt, der Abschied ist weniger „schlimm“ gewesen, als man vielleicht gedacht hat. Ich selbst übrigens eingeschlossen, aber ich muss dazu sagen, dass Yune im Grunde noch gar nicht so lang in der Gruppe ist. Also zeitlich gesehen von den Tagen her. Da ist gar nicht so viel Zeit vergangen. Und nachdem sich ja alle wünschen, dass sie ihre Familie wiederfindet fand ich es komisch, dass anders darzustellen.
    Ja, ich weiß was du meinst, hätte sich eventuell angeboten, dass jemand doch den Wunsch äußert, dass Yune einfach bei ihnen bleibt, aber … irgendwie hat da keiner so richtig einen Hintergrund. Zu Tricky hätte es zwar gepasst, aber auch er hatte eigentlich keinen Grund. Selbst er hat verstanden, dass es Yune wichtig ist wieder nach Hause zu kommen. ;)
    Da bin ich froh, dass ich das gut darstellen konnte, war mir nämlich bei der Ausarbeitung gar nicht so sicher, ob ich hier nicht irgendwo zu dick auftrage, wenn es um Micaiah und Riolu geht. Micaiahs Blick auf Riolu ist ja ein anderer, als auf die anderen Mitglieder. Zum einen sind die anderen Mitglieder alle als „Pärchen“ — oder Trio im Fall von Fünkchen, Sakura und Tricky — in die Gruppe gekommen und hatten deshalb schon Bezugspersonen. Sie sind also etwas weniger auf Micaiahs mütterliche Art angewiesen als Riolu. Der von Anfang an, ja nur sie als Bezugsperson hatte. Ist dann natürlich eine andere Ausgangslage. Der Rest der Gruppe hat das jedoch von Anfang an schon erwartet gehabt, weil es für sie einfach Sinn macht, dass Riolu mit Myrrh und Yune mitgeht. (Auch auf die Gefahr hin, dass er vielleicht nicht wiederkommt.)
    Funfact: in der ersten Fassung der Story hat Micaiah damals bewusst Riolu und Myrrh ausgewählt um mit Yune zu reisen. Kam mir allerdings etwas merkwürdig vor, dass sie Riolu einfach so gehen lässt, weswegen ich das hier bissl abgeändert hab. (:
    Danke für dein Lob! ^.^


    Zum nächsten Kapitelpart kann ich so gar nicht so viel sagen, er schrammt nämlich haarscharf an einer kleinen Legende vorbei, die ich mir beim Schreiben des Kapitels mehr oder weniger spontan ausgedacht hab. Die gibt's dann leider erst im letzten Part dieses Kapitels. Dafür hat der jetzige Part einen Szenenwechsel drin, der die Thematik von Kapitel sechzehn ein wenig einläutet.
    Viel Spaß!

  • Kapitel XV: Aufbruch
    Teil II/III


    Eine ganze Weile erfüllten die Stimmen der Pokémon die nähere Umgebung, sodass im Forst einige Skunkapuh auf ihrem Weg stehen blieben und mit gespitzten Ohren neugierig lauschten. Am Waldrand grasende Girafarig hoben verwundert den Kopf und wunderten sich über die vielen Rufe auf der sonst so ruhigen Ebene.
    Als die drei Pokémon schließlich außer Sicht waren, verstummte die Gruppe um Micaiah für einige Herzschläge.
    „Ich werde Yune vermissen“, sprach Zora schließlich aus, was alle dachten.
    „Ja, ich auch“, stimmte Fünkchen mit ein, als sie ihren buschigen Schweif um sich schlang. „Es war wirklich schön sie kennenzulernen.“
    „Schade, dass wir ihre Familie nicht auch kennenlernen können“, meinte Breaker sichtlich enttäuscht. „Ich hätte gern Refia mal getroffen.“
    „Ich auch“, erwiderte Micaiah. „Aber sicherlich wird uns Myrrh alles genau erzählen, wenn sie wieder zurückkommt.“
    „Glaubt ihr, dass Riolu auch zurückkommt?“, fragte Tricky plötzlich und die Stute konnte nicht verhindern, dass sich alles in ihr anspannte. Unwillkürlich fiel ihr ein menschliches Sprichwort ein, was die Puppe ihr mal erzählt hatte: Kindermund tut Wahrheit kund. Vermutlich war das einer dieser Momente, in denen so ein Sprichwort zutraf.
    „Wieso sollte er nicht?“, wollte Fünkchen verwundert wissen.
    „Er hat ziemlich viel Zeit mit Yune verbracht“, meinte Nicki nachdenklich. „Vielleicht möchte er ja bei ihr bleiben?“
    „Meint ihr wirklich?“, entgegnete Breaker skeptisch. „Ich denk nicht, dass er sich von Refia was sagen lässt.“
    „Warum nicht?“, wollte Zora neugierig wissen.
    „Naja, einfach, weil er so ist. Er hört doch nur auf Micaiah“, erwiderte das Bidifas.
    „Am besten warten wir einfach ab, was passiert“, mischte sich die Stute schließlich ein. Es kostete sie viel Anstrengung ruhig zu bleiben. „Es wird ohnehin Zeit, dass wir wieder zurückgehen. Allzu lang sollten wir uns nicht so ungeschützt hier auf der Ebene aufhalten.“
    Erst in diesem Moment wurde auch den anderen wieder bewusst, dass sie nicht mehr im Wald waren und die Gruppe entschloss sich zum sofortigen Aufbruch zurück in die bekannte Umgebung. Storm und Cloud flogen sehr viele Kreise und waren besonders aufmerksam, ob sich in der Nähe ihrer Freunde etwas regte. Micaiah musste sich viele Male umsehen, um ganz sicher zu sein, dass sich niemand im hohen Gras verlief. Als sie schließlich den Schatten der Bäume erreichten, fühlte sich die Stute sehr erleichtert. Trotzdem ging ihr der Gedanke nicht aus dem Kopf, dass vielleicht nur Myrrh wiederkehren würde.



    „Seid ihr soweit?“, fragte Naesala sichtlich ungehalten. „Wir haben immerhin nicht den ganzen Tag Zeit.“ Er stand hoch aufgerichtet und mit angelegten Flügeln in der Nähe des Ausgangs der Höhle. Ein wenig Licht fiel herein und zeichnete die Schatten der Sträucher draußen auf den dunklen steinernen Boden. Vor dem schwarzen Vogel hatten sich Jaffar, Kobra und Darahan positioniert, die alle aufgrund ihrer Größe zu ihm herunter sahen. Die Schwanzspitze der Giftschlange wiegte von einer Seite zur anderen und auch der Schweif des Drachen schwang hin und her. Lediglich der Giftfrosch schaffte es, seine Aufregung zu verstecken, obwohl er ebenso voller Vorfreude wie seine Kameraden war.
    „Ja, wir sind fertig“, quakte Jaffar schließlich und die anderen beiden nickten sogleich. Mit Genugtuung erkannte Naesala, dass sie ihm gegenüber gehorsam waren, denn trotz ihrer Größe konnte er sicher sein, dass sie es nicht wagen würden, sich gegen ihn zu stellen.
    „Gut“, erwiderte er. „Der Weg ist recht weit und wir wissen nicht, wie schnell sich unsere Beute fortbewegt. Die ganze Aktion kam recht überraschend.“
    „Das schaffen wir schon“, zischelte Kobra ungeduldig. „Jaffar kann bei Darahan mitfliegen und ich finde schon einen Weg.“
    „Das ist auch das Stichwort“, hakte das Kramshef sogleich ein, „denn wir werden so schnell wie möglich Herzhofen durchqueren und danach dem Fluss folgen der in den Kühnheitssee mündet.“
    „Heißt das, unsere Beute ist am See der Kühnheit?“, wollte Darahan wissen und kratzte mit seinen Krallen kurz über den Felsboden.
    „Jedenfalls hat Ajuga mir das so berichtet“, erwiderte Naesala, der sich überwinden musste, den Namen seines Rivalen auszusprechen. „Laut seiner Auskunft werden wir gegen Abend dort bei ihnen eintreffen.“
    „Worauf warten wir dann noch?“, fragte Jaffar und wechselte von einem Bein auf das andere.
    „Folgt mir“, befahl Naesala kurz. Die vier Jäger gingen durch die Öffnung im Gestein, wo das Licht sie verschluckte.



    Ein leichter Wind wehte über die Ebene, bewegte das Gras und machte die heißen Sonnenstrahlen angenehmer. Inzwischen hatte der Himmel die Wolken verloren, nur noch dünne Fäden hingen in dem Azurblau. Die meisten Bewohner von Route 214 hatten sich einen schattigen Platz im Schutz der Bäume gesucht und selbst eine Herde Ponita und Gallopa mied das kräftige Sonnenlicht und graste am Waldrand.
    Myrrh hatte ihre Begleiter vorsorglich so bald wie möglich an den Beginn des östlichen Forstes geführt, nachdem sie sich von der Gruppe verabschiedet hatten. Unter dem dichten Blätterdach war der Boden angenehm weich und kühl, sodass Riolu und Yune kaum bemerkten, wie weit sie bereits gelaufen waren. Seit sie sich von Micaiah und den anderen getrennt hatten, hatte keiner der Drei viel gesprochen. Ab und an hatte die Puppe den eingeschlagenen Weg erklärt, aber sie fand ihre Begleiter derartig in Gedanken versunken, dass sie selbst diese Bemerkungen irgendwann einstellte. Myrrh genoss die Reise mit einem konkreten Ziel vor Augen. Zwar war weiterhin ungewiss, ob sie Refia tatsächlich treffen würden, aber ihre Chancen waren in Weideburg wesentlich größer als hier. Außerdem musste die Puppe sich eingestehen, dass sie das Reisen doch etwas vermisst hatte. Obwohl die Zeit mit Micaiah und der Gruppe nie langweilig gewesen war, war sie es doch nicht gewöhnt sehr lange an einem Ort zu verweilen. Als Trainer-Pokémon war sie damit aufgewachsen, dass es immer darum ging, die nächste Stadt zu erreichen; den nächsten Punkt auf der Landkarte von Johannes’ Pokétch.
    Von dem Abschied zuvor war Yune noch innerlich aufgewühlt, sodass sie froh war, nicht viel auf den Weg achten zu müssen. In ihr stritten sich die Vorfreude darauf, ihre Eltern und Refia wiederzutreffen, mit der Ahnung, dass sie die anderen vielleicht nicht mehr wiedersehen würde. Das beschäftigte sie sehr, doch je mehr sie darüber nachdachte, desto mehr drehten sich ihre Gedanken im Kreis. Immerhin hatte sie auf die Reiseroute mit ihrer Familie keinerlei Einfluss und bisher auch nie hinterfragt, warum sie eigentlich reisten. Natürlich machte es ihr Spaß neue Orte zu sehen, aber in den wenigen Tagen, die sie mit Micaiah und den anderen verbracht hatte, hatte sie sich sehr heimisch in der Höhle gefühlt. Ein wenig erschreckte es sie, dass der Wunsch nach Hause zu kommen etwas an Stärke verloren hatte. Schließlich versuchte sie sich von den verwirrenden Gedanken abzulenken in dem sie die Umgebung betrachtete. Unter ihren Pfoten lagen Tannennadeln und herabgefallenes Laub, die sich angenehm auf ihren Ballen anfühlten. Die Sonne schien durch das Blätterdach über ihnen und wenn das Evoli-Mädchen nach rechts blickte, streckte sich die Grasebene aus, bis sie auf den Fuß des kleinen Gebirges traf. Sie musste lächeln, als sie sich an Stone erinnerte — bestimmt machte er wieder ein Nickerchen irgendwo in der Schlucht. Als sie ihren Kopf nach links drehte, sah sie Riolu neben sich, wie er die Augen fest auf Myrrh gerichtet hatte.
    „Was er wohl gerade denkt?“, fragte sich Yune und konnte nicht verhindern, dass ihre Gedanken erneut zu kreisen begannen.
    Die Gefühlswelt des Schakals war ein wildes Durcheinander und es kostete ihn alle Kraft es irgendwie zu kontrollieren. Er wusste, dass sie von ihrem Ziel noch weit entfernt waren, aber er konnte nichts dagegen tun, dass es sich anfühlte, als würde ihm die Zeit davonlaufen. Noch immer wusste er nicht, was er wollte. Eine unbekannte Verlorenheit erfüllte ihn, das Gefühl nicht mehr zu wissen, wo er eigentlich hingehörte. Er wollte zu seiner Entscheidung stehen, Yune auf ihrem Weg zu ihren Eltern zu begleiten und konnte trotzdem nicht verhindern, dass er Micaiah vermisste. Mehr als er sich in den ersten Augenblicken nach dem Abschied eingestehen wollte. Ihre warme Präsenz fehlte ihm, die Gewissheit ihrer Nähe war plötzlich nicht mehr vorhanden. Das hier war ja kein Ausflug, wie die Suche nach Hinweisen auf Yunes Familie. Und obwohl er genau wusste, dass es eine neue Situation war, schalt er sich dafür, dass es ihn so überforderte. Gleichzeitig begann er sich für seine trotzige Art zu schämen, denn er glaubte nun zu verstehen, dass es der Stute sehr schwer gefallen sein musste, ihn gehen zu lassen. Auf keinen Fall wollte er akzeptieren, dass dies ihre letzte Begegnung sein sollte. Aber wie sollte er dann bei Yune bleiben?
    Riolu hatte sich keinen Plan ausgedacht, sondern lediglich einen Entschluss gefasst. Wie er diesen jedoch umsetzen konnte, das war für ihn ein großes unbekanntes Gebiet. Zwar gestand er es sich nicht gerne ein, aber er hatte Angst davor. Doch noch mehr fürchtete er sich davor, sich von dem Evoli-Mädchen zu trennen. Er wusste, dass es nicht richtig war, aber er war doch erleichtert, dass er noch ein wenig Zeit hatte, bis es soweit war.
    „Ihr zwei könnt wirklich froh sein, dass ich auch noch dabei bin, sonst würdet ihr ja vollkommen gedankenverloren herumlaufen“, holte Myrrh ihre Begleiter zurück in die Gegenwart. Sie schwebte mit verschränkten Armen auf der Stelle und bedachte Yune und Riolu mit einem ernsten Blick. Beide konnten nicht lang in die rosenquarzgleichen Augen der Puppe sehen, was deren Sorgen nicht minderte.
    „Also gut, machen wir eine Pause. Wir sind ohnehin schon sehr weit gekommen. Die Scheidequelle ist ganz in der Nähe und ich bin mir sicher, dass wir dort Beeren finden werden. Folgt mir“, beschloss sie kurzerhand und schwebte auf einen unscheinbaren Pfad zwischen den Bäumen zu. „Wenn du welche riechen kannst, dann sag Bescheid, ja, Riolu?“, meinte sie noch beiläufig ohne sich umzusehen und erwartete auch keine Antwort.
    Buche und Ahorn standen immer näher beieinander, je weiter sie dem Pfad folgten und nur selten schaffte es eine Kiefer sich zwischen dem dichten Blattwerk hindurch zu kämpfen und mit ihrer hohen Krone darüber zu ragen. Auf dem Waldboden wuchsen an jedem verfügbaren Sonnenfleck Farne und nach einer Weile konnte Yune gar nicht mehr erkennen wohin sie gingen. Es schien so, als würde der Wald immer dichter werden und die Bäume sich regelrecht versammeln um etwas vor ihnen zu verbergen. Ob es sich dabei um diese Scheidequelle handelte, die Myrrh erwähnt hatte?
    „Myrrh?“, fragte das Evoli-Mädchen schließlich.
    „Ja?“, erwiderte die Puppe, blieb stehen und drehte sich zu ihr um.
    „Was ist eigentlich die Scheidequelle?“, wollte Yune wissen. „Und warum heißt sie so?“
    „Das ist eine sehr gute Frage“, entgegnete Myrrh mit einem breiten Grinsen, sichtlich erfreut darüber, die Geschichte erzählen zu dürfen. „Aber bevor ich diese Frage beantworte, sollten wir uns einen Beerenbaum suchen, was meint ihr?“
    „Eine gute Idee“, meinte das Evoli-Mädchen und blickte zu Riolu hoch, der kurz nickte, als er seine Pfote hob und nach vorne zeigte.
    „Dahinten müssten welche stehen“, sagte er mit neutraler Stimme. Die Puppe wandte sich um, um in die Richtung zu sehen und beschloss schließlich: „Na dann, geh mal voraus.“
    Sichtlich verwundert über die Anweisung zögerte der Schakal kurz, bevor er doch an ihr vorbei ging und die kleine Gruppe anführte. Es war ein merkwürdiges Gefühl allein an der Spitze zu gehen, trotzdem nahm Riolu seine Aufgabe sehr ernst. Bewusst wählte er einen Weg, der ihm besser zugänglich erschien und nutzte Lücken zwischen den dichtwachsenden Farnen und Baumstämmen. Das dichte Blätterdach über ihnen sorgte an einigen Stellen für ein diffuses Zwielicht. Immer wieder schnüffelte der Schakal, um sicher zu gehen, dass sie sich den Beerenbäumen auch näherten. Myrrh beobachtete mit einem zufriedenen Grinsen, wie Riolu sie durch den Forst führte und freute sich über ihre spontane Idee. Zufrieden bemerkte sie, dass Yune ebenfalls ganz gespannt war und sichtlich aufmerksamer als zuvor ihre Umgebung betrachtete.
    „Es bringt ja auch nichts, sich unnötig den Kopf zu zerbrechen“, dachte die Puppe bei sich. „Ich wünschte wirklich, ich könnte ihnen helfen …“
    Eine Gruppe großer, dichter Farne versperrte ihnen den Weg und sie blieben stehen. Vorsichtig schob der Schakal die breiten, spitz zulaufenden Blätter beiseite und ging hindurch. Auf der anderen Seite war eine kleine Lichtung, die von den Bäumen freigehalten wurde und obwohl sich ihre dicht belaubten Äste darüber wölbten, ließen sie noch genug Sonnenlicht den Boden erreichen. Es wirkte, als wollten die Waldbäume die viel kleineren Beerenbäume auf diese Art schützen. Riolu verwunderte dieser Anblick, hatte er sich selbst in dem Wald doch wie ein Eindringling gefühlt, gegen den die Buchen und Ahornbäume sich verteidigen wollten.
    „Ein merkwürdiger Ort ist das hier … ob das an dieser Scheidequelle liegt, die Myrrh erwähnt hat?“, fragte er sich.
    Schließlich sah er sich die drei Beerenbäume genauer an. Ihre Blätter hatten einen ungewöhnlich bläulichen Farbton und zwischen diesem Laub blitzten längliche, rosafarbene Früchte hervor. Ein paar von ihnen lagen auf dem Boden um die schmalen, dunkelbraunen Stämme herum. Es waren Persimbeeren, wie sie auch auf der Beerenlichtung wuchsen und auf dem Gesicht des jungen Schakals erschien ein kurzes Lächeln. Die bekannten Früchte hatten ihn daran erinnert, wie er vor wenigen Tagen eine solche Yune gereicht hatte, als sie das erste Mal zusammen auf der Beerenlichtung waren.
    „Jetzt weiß ich, warum mir der Geruch so bekannt vorgekommen war“, ging es ihm durch den Kopf und für einige Herzschläge verweilte er in der schönen Erinnerung.
    „Riolu? Hast du die Beerenbäume gefunden?“, meldete sich plötzlich die Puppe zu Wort.
    „Ja, sie sind hier“, erwiderte er schnell und ging durch die Farnblätter zurück.
    „Sehr gut, ich hab nämlich wirklich Hunger inzwischen“, meinte Myrrh und schwebte mit nach vorn gestreckten Armen durch die Farne, damit sie die Blätter beiseite biegen konnte. Yune ging zögerlich auf die hohen Pflanzen zu und suchte einen Weg, doch dafür waren die Blätter zu breit und die Farne standen zu dicht.
    „Du kannst mit mir durchgehen“, schlug Riolu vor und stellte sich neben sie. „Ich kann für dich die Blätter beiseite halten.“
    „Danke, das wär nett“, meinte sie lächelnd. „Ich bin mir sonst nicht sicher, ob ich mich da nicht verlaufe.“
    „Bestimmt nicht, einfach geradeaus.“
    Der junge Schakal ging auf die Farne zu und hielt das erste Blatt mit der linken Pfote nach oben. Das Evoli-Mädchen tapste an seine Seite und zusammen liefen sie hindurch. Auf der anderen Seite wartete die Puppe bereits auf die Beiden.
    „Gute Arbeit, Riolu“, lobte Myrrh und schwebte an die beiden Beerenbäume heran, um eine heruntergefallene Frucht aufzuheben. „Persimbeeren! Genau wie daheim! Kommt her und nehmt euch welche“, sagte sie noch, bevor sie sich die Beere durch einen Schlitz in ihr Maul schob und zufrieden kaute. Riolu ging auf die nächstgelegenen Persimbeeren zu, hob eine auf und hielt sie Yune hin, die ihm gefolgt war. Sie lächelte ihn dankbar an und biss zufrieden in die harte Schale. Der Geschmack der Frucht breitete sich in ihrem Mund aus, der sie plötzlich an etwas erinnerte. Genau diese Beerensorte hatte sie bei ihrem ersten Besuch auf der Beerenlichtung gegessen! Ihr Grinsen wurde noch breiter, als sie aufsah und in den roten Augen von Riolu genau denselben Ausdruck erkannte. Wortlos aßen sie weiter und freuten sich über die gemeinsame Erinnerung, die sie verband.
    „Oh, war das gut!“, brach es aus Myrrh heraus, als sie sich zu den Beiden auf den moosigen Boden setzte. „Das reicht hoffentlich bis zur nächsten Pause, die wird nämlich noch eine Weile dauern. Immerhin wollen wir ja noch weit kommen.“
    „Wie weit denn?“, fragte Yune neugierig und leckte sich über das Maul.
    „Ich hoffe, wir schaffen es bis zum See der Kühnheit heute.“
    „Ist das noch weit?“
    „Ein bisschen müssen wir schon noch laufen, aber ich denke, wir sollten das schaffen, wenn nichts dazwischen kommt. Aber nach so einem ausgiebigen Essen müssen wir ohnehin eine Weile rasten. Soll ich euch jetzt die Geschichte von der Scheidequelle erzählen?“
    „Oh ja, bitte“, erwiderte das Evoli-Mädchen sofort.
    „Ich würde sie auch gern hören“, meinte Riolu. „Dieser Ort ist irgendwie … anders.“
    „Das ist gar keine so schlechte Beschreibung“, begann Myrrh, „denn die Scheidequelle ist schon besonders. Zusammen mit dem See der Kühnheit, See der Wahrheit und See der Stärke ist die Scheidequelle der vierte große See hier in Sinnoh. Aber das wissen nur die wenigsten Menschen und selbst unter Pokémon wissen nur diejenigen, die in seiner Nähe leben von der Existenz dieses vierten Sees.“


  • Hallo Cynda,


    besonders gefallen haben mir an diesem Kapitel ja Yunes kleine Fragen gegen Ende des Kapitels. Dadurch verdeutlichst du nur noch mal, dass sie eben auch noch ein Kind ist (Myrrh hatte eben schon von Anfang an recht) und dass sie dementsprechend ungeduldig wirkt, wenn es um ihre Eltern und Refia geht. Das macht Yune auf irgendeine Art und Weise niedlich.
    Schlussendlich ist da am Anfang aber auch das eingetreten, was ich erwartet habe. Nämlich eine kleine Szene, in der die Gruppe noch einmal über Yune spricht und sich fragt, ob sie sie wiedersehen werden. Das zeigt hier ebenfalls recht gut, dass sie trotz der kurzen Zeit in Erinnerung bleibt und dass die Erlebnisse ihre Früchte getragen haben. Micaiah wird da wohl noch etwas länger benötigen, um über Riolus Quasi-Abschied hinwegzukommen, aber auch sie wird das sicherlich schaffen können.
    Lediglich die Einbindung des Schattenclans macht hier so einen ungewollten Einschnitt, als wollen sie sagen "Hey, wir sind auch noch da". Da du schon eine Legende geteasert hast, wird im dritten Part wahrscheinlich nicht mehr so viel vorkommen. Sollten sie also nicht mehr zuschlagen, wäre es vielleicht besser gewesen, diesen Abschnitt schon etwas früher zu zeigen.


    Wir lesen uns!

  • Hallo, @Cyndaquil! Dann will ich mich nach langer Zeit auch mal wieder zu Wort melden. Genauer werde ich dann den letzten veröffentlichten Part kommentieren!



    Die Handlung kommt richtig in Fahrt, wunderbar! Die drohenden Schatten des Gengarclans liegen über der Gegend und man fragt sich schon sehr gespannt, was als nächstes passieren wird! Ich fand es auch toll, mehr über die anderen Clans der Gegend zu erfahren und dass sich der 'Bösewicht' endlich richtig zeigt. Allerdings war mir der Abschnitt, in dem die Sichtweise wechselt, etwas zu lang. Man hätte das vielleicht ein wenig verteilen können (zwischendurch wieder andere Szenen zeigen), aber vielleicht war das auch nicht zu machen, weil Yunes Gruppe sich den Gengarianern storytechnisch schon so sehr nähert, hmm …


    Wie auch immer, ich freue mich sehr auf die Fortsetzung! Machs gut und bis zum nächsten Mal!


    ~ Deine Sheo

  • And here we are again!


    Ich hab dieses Update ziemlich weit nach hinten geschoben, weil ich momentan leider zwei Probleme habe: erstens, das nächste Kapitel ist noch eine kleine Baustelle und deshalb noch nicht betagelesen. Zweitens bin ich momentan leider total mit paar … gesundheitlichen Dingen beschäftigt. (Mental illness sucks …) Deshalb ist es gut möglich, dass dieser Kapitelpart das letzte Update für sehr lange Zeit sein wird. Eventuell läuft gegen Ende des Jahres noch etwas, aber für's erste sieht's so aus, als wäre mein Jahresplan in puncto EgA hinfällig geworden. :/ (Dabei hatte ich das so schön geplant ...)


    Bevor aber das Update kommt, erstmal ein großes Danke an @Rusalka und @Sheogorath für eure Kommis. Hat mir sehr viel Freude gemacht eure Gedanken zu dem Kapitel zu lesen. <3



  • Kapitel XV: Aufbruch
    Teil III/III


    „Wieso das?“, fragte Yune verwundert.
    „Die Scheidequelle liegt auf einer Anhöhe, die schwer zu erreichen ist. Und das ist auch gut so, denn der Eingang zur Höhle der Umkehr befindet sich dort. Ein Ort, an dem die Grenze zwischen dieser Welt und der anderen sehr dünn ist.“
    „Welche andere Welt meinst du?“, wollte Riolu wissen.
    „Bevor ich das beantworte, frage ich euch lieber mal, ob ihr die Geschichte von Giratina kennt?“, erwiderte Myrrh und erhielt von ihren beiden Begleitern ein synchrones Kopfschütteln. „Dann fang ich wohl besser damit an, nicht wahr?“
    Die Puppe schob sich noch eine Beere in den Mund und kaute mehrere Augenblicke darauf herum, bevor sie schließlich zu erzählen begann: „Vor langer, sehr, sehr langer Zeit lebten Dialga, Palkia und Giratina zusammen bei Arceus, dem König der Pokémon. Natürlich lebten sie nicht hier in unserer Welt, sondern in einer anderen Dimension, denn legendäre Pokémon besitzen Fähigkeiten, die unsere Vorstellungskraft weit übersteigen. Was genau zu dieser Zeit geschah, das wissen wohl nur diese vier Pokémon, doch man erzählt sich folgendes: Arceus rief eines Tages diese drei Pokémon zu sich, um ihnen Aufgaben zu geben. Denn alle legendären Pokémon haben ihre Aufgaben im Königreich von Arceus. Das Königreich an sich gab es aber zu dieser Zeit noch gar nicht, deshalb fing der Herrscher damit an, seinen drei engsten Vertrauten die ersten Arbeiten zuzuteilen. Dialga gab er die Macht über die Zeit, sodass diese sich stetig bewegte und von niemandem kontrolliert wurde, außer von dem Stahldrachen selbst. Palkia gab er die Macht über den Raum, damit jener sich ausbreitete und formbar wurde, wie Wasser und nur der Wasserdrache selbst konnte diesen beherrschen. Als Arceus diese beiden Aufgaben verteilt hatte und Zeit und Raum anfingen ihre Arbeit zu tun, erwachten aus der entstandenen Energie drei kleine Pokémon. Nun, eigentlich waren es vier — das vierte von ihnen entließ Arceus aber sofort, denn es unterschied sich von den anderen drei und durfte sofort in unsere Dimension gelangen. Durch welche Kräfte auch immer, aber dieses vierte Pokémon kennt man auch als unseren Vorfahren. Die anderen drei folgten ihm bald, denn der König gab ihnen sogleich passende Eigenschaften: Wissen, Gefühl und Willenskraft. Als nun diese Aufgaben verteilt waren, war Arceus sehr zufrieden und betrachtete mit Freuden wie Dialga und Palkia ihren Aufgaben nachkamen. Nun trat Giratina vor und fragte: „Mein König, welche Aufgabe hast du für mich?“ Und Arceus soll darauf geantwortet haben: „Das weiß ich noch nicht, aber mir wird bestimmt noch eine Aufgabe für dich einfallen. Lass erstmal Zeit fließen und Raum sich ausdehnen und dann sehen wir, was ich dir geben kann.“ Und damit zog sich der König zurück und Giratina blieb allein, denn nun hatten Dialga und Palkia so viel zu tun, dass sie dem Geistdrachen keine Aufmerksamkeit mehr schenkten. Vergeblich versuchte Giratina sich einzubringen, doch er merkte gleich, dass kein Platz für ihn da war. So wartete er. Aber das Warten wurde ihm bald zu lang, denn nun da die Zeit floß, bemerkte er erst, wie diese verging und er wurde immer ungeduldiger. Ohne Aufgabe wanderte er durch die Dimension und versuchte selbst etwas zu finden, was er tun konnte. Dabei richtete er jedoch nur Schaden an, bis Dialga und Palkia zu Arceus gingen und ihm davon erzählten.
    Der König suchte daraufhin Giratina und fand ihn schließlich, wie er mit dem Raum spielte, den Palkia erschaffen hatte und wie er versuchte die Zeit zu stören, die Dialga kontrollierte. Es entstanden Risse und Verzerrungen, Blasen, in denen keines der Gesetze galt, die Arceus mit Dialga und Palkia in Kraft gesetzt hatte.
    „Giratina! Was tust du hier?“, forderte der König nun zu wissen, doch der Geistdrache reagierte trotzig.
    „Was werd ich schon tun? Ich such mir selbst eine Aufgabe, nachdem du mir keine geben willst!“
    „Aber das habe ich niemals gesagt. Ich bat dich, zu warten, bis ich weiß, was noch fehlt. Aber ich sehe, du hast mehr Spaß daran, die Arbeit deiner Kameraden zu manipulieren. Deshalb sollst du nun deine Aufgabe haben. Du selbst wirst in dieser verzerrten Welt leben und ganz allein über sie wachen.“
    Und mit diesen Worten schleuderte Arceus mit seiner Macht Giratina in die verzerrte Blase und er versiegelte diese Dimension, sodass der Geistdrache ihr nicht entfliehen konnte, sie aber trotzdem vergrößern konnte, wie er wollte. Und weil diese Welt so verzerrt war, gab Arceus Giratina die Macht seine Gestalt zu wechseln, denn nun war er der Hüter der Zerrwelt. Von diesem Tag an, hat niemand mehr den Geistdrachen gesehen. Aber das gefiel ihm nicht, denn er merkte bald, dass seine Welt, im Gegensatz zu den Welten seiner einstigen Kameraden, begrenzt war. Und man sagt, dass die Höhle der Umkehr, hier an der Scheidequelle die schwächste Grenze zu dieser Zerrwelt darstellt. Man soll sogar im Inneren der Höhle in die Zerrwelt gelangen können, aber das hat bisher noch niemand beweisen können. Denn keiner weiß, ob nicht Giratina erscheinen wird, um sich für die Verbannung zu rächen.“
    Myrrh verstummte und blickte in die Gesichter ihrer Zuhörer. Beide hatten ihren Worten aufmerksam gelauscht und waren so sehr von der Erzählung eingenommen gewesen, dass sie einige Momente brauchten, um festzustellen, dass die Puppe aufgehört hatte zu sprechen. Diese Geschichten waren für Yune absolut neu und ihr schwirrten viele Fragen im Kopf herum. Was machte Giratina in der Zerrwelt? Wie sah die Zerrwelt überhaupt aus? Was würde passieren, würde man sie betreten? Und, was geschah danach in dieser Welt, als Wissen, Gefühl und Willenskraft mit dem Vorfahren der Pokémon hier lebten? Doch bevor sie sich für eine dieser Fragen entscheiden konnte, beendete Riolu das plötzliche Schweigen unter ihnen.
    „Könnte Giratina die Zerrwelt nicht durch die Höhle der Umkehr verlassen?“
    Die Puppe überlegte eine Weile und hielt sich nachdenklich eine Hand an ihr Kinn.
    „Das möchte man meinen, nicht wahr? Aber wollt ihr wissen, was ich denke?“
    Die beiden jungen Pokémon nickten synchron und schauten Myrrh aus neugierigen Augen an.
    „Meiner Ansicht nach, weiß Giratina ganz genau, dass die Zerrwelt wichtig für diese Welt ist. Mehr noch, ich glaube, dass die Zerrwelt eine Stütze für diese Welt ist und dass die eine ohne die andere gar nicht richtig existieren kann. Aber vielleicht liegt das auch bloß daran, dass ein Geistdrache darüber wacht und ich mir nicht vorstellen kann, dass dieser seine Aufgabe nicht ernst nimmt. Vielleicht wählte Giratina die Zerrwelt ja auch freiwillig? Und die Geschichte ist so gar nicht passiert.“
    Noch sitzend begann die Puppe zu schweben, richtete sich aber schließlich auf und sah sich um. Auch ihre Begleiter standen auf, ausgeruht und gestärkt. Die Geschichte von Giratina hatte sie beide von ihren wirren Gedanken abgelenkt, sodass Myrrh es als idealen Moment empfand, die Reise fortzusetzen.
    „Ich denke, unsere Pause war lang genug, wir sollten jetzt wirklich weiter.“



    Beinahe lautlos glitt Kobra in den Fluss und bewegte sich durch das Wasser. Über ihm flog in Sichtweite Naesala, der darauf achtete, dass das Arbok auch den richtigen Weg nahm. Sie hatten Herzhofen in recht kurzer Zeit hinter sich gebracht, in dem sie sich südlich am Stadtrand bewegt hatten. Darahan und Jaffar waren vorausgeflogen, um zu sehen, ob sich Trainer oder andere Menschen in der Nähe befanden, aber es war ein warmer Tag und als sich die Sonne ihrer höchsten Position näherte, wurde es immer ruhiger. Naesala war die ganze Zeit über bei Kobra geblieben, damit dieser ohne Probleme vorankommen konnte. Die Ausdauer der Schlange war für die Krähe durchaus beeindruckend, trotzdem ging es ihm ein wenig zu langsam. So sehr er auch Ajuga verachtete, so konnte er dessen Fähigkeiten doch nicht leugnen. Und der Zeitplan, der von ihm genannt wurde, war eng gewesen. Immer wieder prüfte die Krähe den Stand der Sonne und hoffte, dass sie auf keine Hindernisse stoßen würden. Wenn dieser Auftrag nicht gelang, würde der Meister ihm jede Feder einzeln ausreißen.
    Vor sich erkannte die Krähe eine Gabelung des Flusses und gab mit einem kurzen Krächzen, sowie einem deutlichen Schwenk nach rechts Kobra zu verstehen, dass er sich zur Rechten halten musste. Ob die Schlange ihn verstanden hatte, konnte Naesala nur hoffen. In einiger Entfernung sah er, wie sich mehrere Berggipfel in den azurblauen, wolkenlosen Himmel reckten. Im Gegensatz zum gigantischen Bergmassiv des Kraterbergs war es nur eine Ansammlung etwas höherer Hügel. Der Blick der Krähe schwenkte nach Norden, wo sich ein hoher, steinerner Turm über die Route erhob. Naesala wusste, wofür dieses Denkmal stand, er vermied es jedoch, dieses lang anzusehen. Er konnte sich einfach nicht entscheiden, wie er darüber denken sollte. Als Ruheort für verstorbene Pokémon war es ein wichtiger Platz, der geachtet wurde. Doch die Tatsache, dass er von Menschen erbaut wurde, stieß ihn ab.
    Die Krähe wandte den Blick wieder der Bergkette zu und schlug einige Mal mit den schwarzen Flügeln.



    Myrrh war ausgesprochen überrascht darüber, wie gut sie vorankamen und gleichzeitig sehr zufrieden. Riolu und Yune waren zwar erneut in ein tiefes Schweigen verfallen, aber das war der Puppe momentan auch ganz recht. Sie spielte im Kopf bereits ihre Möglichkeiten durch, wie sie weiter vorgehen konnten. Immerhin lag das Hotel Prachtsee fast am Ufer des Sees der Kühnheit und somit waren Begegnungen mit Menschen sehr wahrscheinlich. Die Frage, die sich die Puppe nun stellte: sollten sie sich vor diesen verstecken? Oder sich ihnen zeigen? Das war nicht leicht zu entscheiden. Es konnte sein, dass Refia dort nach Yune gesucht hatte und die Besucher oder Angestellten des Hotels bei der Sichtung eines Evoli möglicherweise an die Trainerin dachten. Aber es war genauso möglich, dass Refia andere Personen nicht mit einbezogen hatte und es somit für die kleine Gruppe gefährlich wäre, sich offen anderen Menschen zu zeigen. Myrrh wusste, dass sie selbst schon eine Menge Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde — sowohl positiv als auch negativ. Aber Riolu und Yune genauso — sie stachen aus den hier beheimateten Pokémon hervor, wie ein rosafarbenes Shiny Voltilamm in einer Gruppe naturfarbener. Natürlich wusste die Puppe das nicht genau, hatte sie doch selbst noch nicht alles von Sinnoh gesehen. Aber sie hatte viel gehört und viel erzählt bekommen. Evoli tummelten sich in dieser Region manchmal im Trophäengarten auf dem Pokémon-Landgut. Dort wurden sie gut versorgt und nur wenige Trainer erlangen dort Zutritt, heißt es. Riolu dagegen war in der Wildnis in Sinnoh noch nie gesichtet worden. Das wusste Myrrh, denn sie hatte bei den Besuchen mehrerer Pokémon Center immer wieder davon gehört, dass Trainer nach den Wellenspiel-Pokémon suchten. Soweit sie sich erinnern konnte, gab es nur einen Züchter in der Region, der manches Mal Eier verschenkte — und dieser war wohl nur schwer zu finden.
    Das Risiko lag also auf der Hand und das konnte der Geist unmöglich eingehen. Yune war vor jedem Fang geschützt, aber Riolu und die Puppe nicht. Es galt also, besondere Vorsicht auf dem Gelände des Hotels walten zu lassen.
    „Vielleicht könnte ich des nachts einen Rundgang machen, um herauszufinden, ob sich Refia dort befindet? Es behagt mir zwar nicht, die beiden gerade im Dunkeln in einer fremden Umgebung zurück zu lassen, aber ich bin allein schneller. Außerdem kann Yune überhaupt nichts passieren, solang Riolu da ist, so viel ist klar“, überlegte Myrrh und nickte dabei, als sie sich selbst zustimmte. Eine andere Möglichkeit sah sie nicht. Außerdem konnten sie, falls sich Refia nicht auf dem Gelände befand, dieses schneller hinter sich bringen und Weideburg erreichen. Es gab also nur Vorteile.
    Der junge Schakal wurde erneut unruhig und hatte Schwierigkeiten seine Gefühle zu kontrollieren. Vergeblich versuchte er sich abzulenken, die Umgebung zu betrachten und sich so diese einzuprägen oder die Fußabdrücke einiger Pokémon im feuchten Waldboden zu erkennen. Aber nichts davon half, er konnte sich kaum konzentrieren. Was war das bloß? War es die Stille des Mittags an einem warmen Sommertag? Oder die Tatsache, dass sie bisher so gut vorangekommen waren? Er wunderte sich darüber, dass er noch nicht erschöpft war und ihm das Gehen so leicht fiel, dabei wäre ihm jede Verzögerung recht gewesen. Schließlich musste er sich eingestehen, dass es nichts half. Er musste sich entscheiden und zwar gleich. Länger warten hatte keinen Sinn und würde ihn nur weiter quälen. Der Moment war da, an dem er für sich festlegen musste, ob er nun Yune begleiten würde oder mit Myrrh zurück zu Micaiah und der Gruppe ging. Eigentlich hatte er sich ja schon entschieden, nur war er sich nicht sicher, ob das nicht etwas voreilig von ihm war. Immerhin wusste er gar nicht, wie das Evoli-Mädchen eigentlich darüber dachte.
    Die Geschichte von Giratina hatte Yune gezeigt, wie wenig sie eigentlich über die Welt wusste, in der sie lebte und das beschäftigte sie sehr. Sie fragte sich, warum ihre Eltern nichts davon erzählt hatten. Ob sie wohl gemeint haben, sie wäre dafür noch zu jung? Oder vielleicht kannten sie die Geschichte selbst nicht?
    „Aber das ist doch unsinnig, natürlich müssten Papa und Mama die Geschichte gekannt haben. Vielleicht hätten sie sie mir auch erzählt, wenn wir dort gewesen wären“, dachte sie und erinnerte sich daran, wie ausführlich ihre Eltern von dem Turm der Ruhenden gesprochen hatten oder ihr von den merkwürdigen Icognito erzählten, als sie in Trostu waren. Yune fragte sich, wie viel sie noch nicht wusste und wann sie wohl mehr darüber lernen würde. Am liebsten hätte sie Myrrh gefragt, doch diese war vollauf darauf konzentriert, wohin sie gingen. Plötzlich hatte das Evoli-Mädchen es gar nicht mehr eilig ihre Familie zu treffen, denn die Erzählung der Puppe hatte ihr erneut gezeigt, wie gern sie bei dieser und Riolu war. Wie würde es wohl sein, wenn die beiden nicht mehr um sie herum waren?
    „Es ist schon seltsam … von Anfang an wollte ich nur ganz schnell zurück zu Mama, Papa und Refia und jetzt … würd ich gern Dialga sagen, er soll die Zeit für mich anhalten, weil mir alles zu schnell geht.“
    Sie bewegten sich weiterhin an der Flanke des Forstes, der sich vom östlichen Rand der Route 214 bis weit zu den Klippen im Osten der Insel Sinnoh ausbreitete. Die Bergkette im Westen wurde immer kleiner, je mehr sie sich von ihr entfernten und bald waren die Gipfel nur noch einfarbige, dunstige Flächen, die sich vom blauen Himmel abhoben. Die Sonne wanderte von ihrem höchsten Punkt weiter nach Westen und als die Mittagshitze langsam abnahm, wagten sich auch mehr Pokémon aus ihren Verstecken. In der Ferne sah Yune, wie sich eine Herde Ponita und Gallopa über die Grasebene Richtung Norden bewegte. Sie musste an Micaiah und die anderen denken und fragte sich, was sie wohl gerade machten. Kurz sah sie zu Riolu, doch dieser blickte starr nach vorne und schien abwesend zu sein.
    Der Wind wehte von Westen her und fuhr durch die Blätter der Bäume, wodurch sich ein vielstimmiges Rascheln und Flüstern erhob. Das Evoli-Mädchen bemerkte, dass die Luft auf einmal besonders frisch und feucht roch, was auch dem Schakal auffiel, als er seine Schnauze in den Wind hielt.
    „Ah, der See der Kühnheit ist nah“, bemerkte Myrrh sichtlich zufrieden, als sie sich zu den beiden umdrehte. „Was haltet ihr davon, wenn wir ihn uns ansehen? Wir könnten dort noch eine kleine Rast machen und dann sehen, wie weit wir heute noch kommen können.“
    „Ich würd sehr gern den See sehen“, erwiderte Yune breit lächelnd und Riolu nickte daraufhin zustimmend.
    „Gut, dann ist es beschlossen“, freute sich die Puppe und ging Richtung Westen aus dem Schatten des Forstes heraus auf die Ebene.



    Vor Naesala breitete sich der See der Kühnheit wie ein riesiger Spiegel aus. Eingerahmt von dichtem Wald lag die Wasserfläche südlich der Bergkette, einige Meilen bevor das Land zum Meer hin immer mehr abflachte. Mit kräftigen Flügelschlägen hielt sich das Kramshef in der Luft und prüfte erneut den Stand der Sonne, die sich nun deutlich Richtung Westen neigte. Trotzdem war der Sonnenuntergang noch weit entfernt, wie Naesala zufrieden bemerkte. Die Angaben Ajugas hatte er soweit erfüllt. Er sah sich nach Darahan und Jaffar um, die viele Flügellängen unter ihm dicht über die Baumkronen des Waldes kreisten und auf ein Zeichen von Kobra warteten. Die Schlange war weiterhin dem Fluss gefolgt, der schließlich in den See der Kühnheit münden musste. Es war geplant, dass er sich bemerkbar machte, wenn er den See erreicht hatte und als Treffpunkt war der nordwestliche Teil des Forstes ausgemacht worden. Es störte die Krähe sichtlich, dass sich die Sache wegen einem Mitglied so schwierig gestaltete, auch wenn er wusste, dass er Kobra brauchte.
    „Letztendlich ist er immer noch eine bessere Wahl als dieser Köter“, ging es Naesala durch den Kopf. Er war sehr froh gewesen, dass der Meister nicht darauf bestanden hatte, dass er Blacksilver auf diese Jagd mitnimmt. Sonst wären sie niemals soweit gekommen. Ein tiefes Grollen holte das Kramshef aus seinen Gedanken und er sah nach unten, wo Darahans kräftige Flügelschläge die Kronen der Bäume zerzausten, als er sich in der Luft hielt. Kobra musste sich wohl dort unten befinden und so legte Naesala die Schwingen an den Körper, um sich einige Flügellängen in die Tiefe fallen zu lassen. Alles verlief nach Plan.


  • Hey Cynda,


    zuerst einmal ein paar Zitate.



    So. Mir hat besonders die Legende in diesem Kapitel gefallen, weil sie zu dem sonstigen Alltagsleben mit den anderen Pokémon und dem finsteren Plot auf der anderen Seite eine gute Abwechslung darstellt. Am besten ist dabei wohl, dass es einmal aus der Sicht eines Pokémons erzählt wird und daher nicht nur die Fakten aufgezählt werden, sondern jedes der erwähnten Pokémon auch seine eigene tragende Rolle spielt und spricht. Ich glaube, so oft wie ich diese Legende um Arceus schon gelesen habe, war das das erste Mal, dass es so gehandhabt wurde. Mein Lob an der Stelle. Auch, dass Giratina nachvollziehbare Gründe für die Störungen hatte, machen die Geschichte lebendig und lässt erahnen, woher der Pokédex seine Informationen hat.
    Immerhin kamen sie nun auch am See der Kühnheit an. Da sie schon das Wasser sehen wollen, wäre es ja ganz witzig, wenn da zufällig in der Mitte des Sees eine Luftspiegelung auftaucht. Allerdings lässt du schon durchscheinen, dass die Suche nach Refia nicht so einfach wird, da vieles auf Vermutungen basiert. Wo sie ist, wie sie sich zeigen und vor allem, wie die Leute im Hotel Prachtsee reagieren würden. Die wissen ja im schlimmsten Fall nicht mal, was Sache ist. Allerdings sind da auch noch die Pokémon des SchattenClans, die nun langsam in Aktion treten. Ich nehme mal an, es ist nicht ganz zufällig, dass sie sich nun alle am gleichen See befinden. Ich hab schon ein paar Vermutungen, wie es weiter gehen könnte, aber erwarte mal das nächste Kapitel mit Spannung.


    Wir lesen uns!

  • Heyho, @Cyndaquil!


    Dann schaff ichs endlich mal wieder, ein Kapitel von EgA zu kommentieren, bevor schon wieder das nächste auf mich wartet - das muss man ausnutzen, nicht? :D



    Moah, du bist unglaublich. Selten erlebt man Kapitel, in denen Handlungs technisch nicht ganz so viel geschieht, die einen aber trotzdem spannungsgeladen zurücklassen! Ich bin mal wieder so sehr begeistert von deiner Art zu schreiben, deiner meisterhaften Fertigkeit im filigranen Umgang mit Details, diesem kribbeligen Foreshadowinggefühl - und es ist so dermaßen Wurst, ob diese Gedanken zutreffen werden oder nicht, aber allein schon die angeregte Fantasie ist Gold wert ;A;


    Hrrrrr, das wird spannend, furchtbar spannend. Und ich bin erpicht darauf, mehr in mich aufsaugen zu dürfen! :D


    Hoffentlich bis bald,


    ~ Deine Sheo

  • Es geht weiter! o/


    Hat mal wieder länger gedauert, als ich wollte, aber es war ein wenig schwierig das Betalesen von Kapitel 16 in den Terminplan von mir und Rai-san reinzukriegen. Muss aber gestehen, dass ich nach meinem Tiefpunkt im Sommer 2017 auch nicht wirklich viele Nerven dafür hatte. Ist jetzt aber auch nicht mehr so wichtig, weil jetzt geht’s ja weiter. :D


    Vielen Dank an @Rusalka und @Sheogorath für eure Kommentare — tut mir leid, dass es so lang gedauert hat euch zu antworten.



  • Kapitel XVI: Die Jagd
    Teil I/III


    Hunting is not a sport.
    In a sport, both sides should know they’re in a game.
    — Paul Rodriguez


    Vor ihnen erstreckte sich eine größere Grasfläche, ehe sich ein weiterer Forst mit einem dichten Blätterdach aus der Landschaft erhob. Aufmerksam sah sich Myrrh um, die beiden jungen Pokémon warteten hinter ihr. Sie musste ganz sicher sein, dass kein Mensch in der Nähe war. Angespannt blickte sie in Richtung Süden, wo irgendwo das Hotel Prachtsee liegen musste. Eine Gruppe Girafarig bewegte sich einige Sprünge entfernt aus dem Wald und begann friedlich zu grasen. Erleichtert seufzte die Puppe — wenn diese scheuen Pokémon sich hier so offen zeigten, konnten keine Menschen in der Nähe sein. Trotzdem wollte sie den Forst auf der anderen Seite so schnell wie möglich erreichen.
    „Okay“, meinte Myrrh plötzlich und drehte sich zu ihren Begleitern um. „Wir müssen schnell den anderen Wald erreichen. Und am besten geht das, indem wir rennen. Meint ihr, ihr schafft das?“
    Yune und Riolu wechselten einen verwirrten Blick, nickten aber schließlich. Ganz überzeugt war die Puppe von ihrer Antwort nicht, aber im Gegenzug war sie selbst auch nicht gewillt, so kurz vor dem See das Tempo noch mal zu verlangsamen. Immerhin neigte sich auch der Nachmittag schon langsam dem Ende zu, auch wenn die Wärme des Tages noch in der Luft lag.
    „Gut“, beschloss Myrrh und wandte sich wieder zur Ebene, „auf mein Zeichen lauft ihr hinter mir her. Und … los!“ Sofort schwebte sie voraus, der dunkle Stoff an ihrem Kopf flatterte im Wind. Die beiden jungen Pokémon stürzten hinter ihr her, folgten dem Geist so schnell sie konnten. Yune spürte den härteren Boden unter ihren Pfoten und in ihren Ohren hörte sie das stetige Rascheln des Grases. Es wuchs recht hoch und machte es nicht leicht Myrrh im Auge zu behalten. Trotzdem gab sie sich alle Mühe die graue Puppe vor ihr nicht zu verlieren. Sie liefen noch gar nicht lang, da bemerkte das Evoli-Mädchen, wie ihre Kräfte schwanden. Dabei hatte sie sich zuvor doch gar nicht müde gefühlt. Aber ihre Ausdauer war trotzdem bald erschöpft, sodass sie keuchte und die Anstrengung in ihren Beinen spürte.
    Riolu erging es genauso. Auch er bemerkte zu seiner Verwunderung, wie schnell er ermüdete, obwohl er sich zuvor gar nicht so erschöpft gefühlt hatte. Er begann bald zu hecheln und sehnte den Schatten des Waldes herbei, dem er sich immer mehr näherte. Schließlich erreichten sie den gegenüberliegenden Forst und Myrrh stoppte abrupt unter dem dichten Blätterdach. Sie drehte sich um und erkannte besorgt, dass ihre jungen Begleiter die letzten Kräfte aufgebracht hatten. Yune rang mit zitternden Beinen nach Atem und Riolu hechelte mit heraushängender Zunge. Beide saßen auf dem mit Blättern bedeckten Boden und schauten erschöpft vor sich hin. Eigentlich hatte die Puppe keine Pause geplant, bevor sie das Ufer des Sees erreicht hatten, aber sie konnte die Beiden jetzt auch unmöglich wieder aufschrecken.
    „Das habt ihr ganz toll gemacht“, lobte sie die Zwei. „Bleibt erstmal hier und kommt wieder zu Atem, ich schau mal, wie wir am schnellsten zum See kommen.“ Sie bekam von den jungen Pokémon ein abwesendes Nicken, was ihr in diesem Moment als Zustimmung reichen musste, und schwebte voran zwischen die hohen Baumstämme. Noch ein paar Augenblicke konnte man sie in dem Zwielicht ausmachen, dann verdeckte ein großer Farn ihre Gestalt.


    „Meine Pfoten tun weh“, jammerte das Evoli-Mädchen, nachdem ihr Atem sich normalisiert hatte. Zum ersten Mal fühlte sich reisen wirklich anstrengend an. Wenn sie in der Vergangenheit müde geworden war, dann hatte sie sich nur bei Refia bemerkbar machen müssen und war auf den Arm genommen worden, sodass sie sich ausruhen konnte. Auch meinte sie, dass ihre Familie immer mehr Pausen gemacht hatte.
    „Myrrh scheint noch überhaupt nicht erschöpft zu sein. Ob das Schweben viel weniger anstrengend ist, als laufen?“, ging es ihr durch den Kopf, während sie ihre Pfotenballen leckte. Doch das half nur wenig gegen den Schmerz.
    „Bist du irgendwo reingetreten?“, fragte Riolu besorgt und kam näher zu ihr.
    „Nein, ich glaube nicht.“
    „Darf ich trotzdem sehen?“
    „Ja, klar …“, erwiderte Yune ein wenig verwundert und drehte ihre rechte Pfote auf die Seite, sodass der Schakal die Unterseite sehen konnte. Er beugte sich darüber und betrachtete sichtlich konzentriert den dunkelbraunen Ballen. Nach einigen Herzschlägen wollte er die linke Pfote sehen und nachdem er auch diese einige Momente angeschaut hatte, atmete er sichtlich erleichtert aus.
    „Das ist wirklich nur, weil du heute so viel gelaufen bist“, meinte er und setzte sich auf den moosigen Boden.
    „Tun dir deine Pfoten gar nicht weh?“, wollte Yune erstaunt wissen.
    „Schon, aber es geht noch. Wir haben heute auch eine ziemliche Strecke zurückgelegt. Bist du schon mal so weit gelaufen?“
    Das Evoli-Mädchen schüttelte den Kopf und erwiderte: „Ich denke nicht. Aber ich konnte auch bei Refia auf den Arm, wenn ich müde war, dann hat sie mich getragen.“
    „Das wär schön, wenn Myrrh uns tragen würde“, witzelte Riolu und grinste bei der Vorstellung breit.
    „Ja, das wär sicher lustig“, meinte Yune und musste lachen. In ihrem Kopf war das Bild einfach zu komisch, wie die graue Puppe beide auf dem Arm trug.
    „Was ist so lustig, dass ihr beide wie eine Gruppe frecher Griffel kichert?“, meldete sich Myrrh zu Wort, die gerade ein großes Farnblatt beiseite schob und vor den Beiden stand.
    „Wir haben uns nur vorgestellt, wie es wäre, wenn du uns tragen würdest, wenn wir zu müde zum Weiterlaufen sind“, antwortete das Evoli-Mädchen kichernd.
    „Ach ja? Na, da kann ich euch beruhigen, ich habe nicht vor euch so lang laufen zu lassen, dass ihr nicht mehr könnt. Denn ich habe nicht geplant euch zu tragen, ihr habt alle beide genug Beine, um allein voranzukommen“, entgegnete Myrrh mit einem Augenzwinkern. „Und jetzt müsst ihr beide auch nicht mehr weit laufen, denn der See ist ganz nah.“
    Die Puppe führte die zwei jungen Pokémon durch das Unterholz. Einige große Farne versperrten ihnen an manchen Stellen den Weg, doch die drei Reisenden kämpften sich durch die großen Blätter. Der weiche Waldboden war übersät mit vielen Blättern und Nadeln, dazwischen wuchs hellgrünes Moos, wo der Boden besonders feucht war. Yune blickte nach oben in die dichten Baumkronen über ihnen, durch die an einigen Stellen Sonnenlicht hindurch blitzte. Je weiter sie gingen, desto feuchter und kühler wurde die Luft, bis das Evoli-Mädchen meinte, sie könne das Wasser riechen. Schließlich hörte der Forst abrupt auf und gab den Blick frei auf eine weite Wasserfläche.
    „Und das ist er, der See der Kühnheit“, verkündete Myrrh feierlich und breitete die Arme aus. Yune und Riolu standen staunend vor dem See und konnten im ersten Moment nichts anderes tun, als sich umzusehen. Sanft schlug das Wasser gegen das Ufer, an dem Schilfrohr und Rohrkolben wuchsen. Der frische, kalte Geruch des Sees vermischte sich mit dem warmen Duft des Waldes zu einem Aroma, welches das Evoli-Mädchen bisher noch nie in der Nase gehabt hatte. Sie atmete einige Male tief durch und wusste gar nicht, wohin sie als nächstes blicken sollte.
    „Der ist ja riesig“, entkam es Yune ehrfürchtig, als sie einige Schritte näher an das Ufer heranging.
    „Oh ja“, erwiderte Myrrh. „Der See von heute morgen ist im Gegensatz zum Kühnheitssee nur eine Pfütze. Selbst die Scheidequelle, so sagt man, ist nicht so groß wie die anderen drei Seen von Sinnoh.“
    „Wo liegen die anderen beiden Seen?“, wollte Riolu wissen und trat an die Seite des Evoli-Mädchens.
    „Soweit ich weiß“, begann die Puppe, „liegt der See der Stärke ganz im Norden, wo es immer kalt ist. Und der See der Wahrheit liegt im Westen, südlich der Hafenstadt Fleetburg und in der Nähe des kleinen Ortes Zweiblattdorf.“
    „Ist das sehr weit weg von hier?“
    „Ja, sehr weit weg“, erwiderte die Puppe. „Wir können uns glücklich schätzen, dass der See der Kühnheit auf unserer Reiseroute liegt.“
    „Was ist das dort in der Mitte?“, fragte Yune und blickte angestrengt auf den kleinen Hügel, der nur als Schemen zu erkennen war.
    „Das ist die Höhle, in der Tobutz lebt“, antwortete Myrrh. „Ich habe euch doch die Geschichte mit Arceus erzählt und dass vier kleinere Pokémon aus der Energie entstanden, als Zeit und Raum ins Dasein kamen.“
    „Ja, du sagtest, dass eines von diesen unser Vorfahre ist und die anderen drei hätten Aufgaben bekommen.“
    „Wissen, Gefühl und Willenskraft“, fügte Riolu hinzu.
    „Genau“, erwiderte die Puppe und führte weiter aus, „und diese drei Pokémon leben hier in Sinnoh. Jeder See ist die Heimat eines von ihnen. Hier am See der Kühnheit lebt Tobutz, die Personifikation der Willenskraft. Man traut es ihm vielleicht nicht zu, weil er ein recht kleines Pokémon ist, aber unterschätzen sollte man ihn nicht. Vesprit ist das Gefühl und lebt am See der Wahrheit. Er hat enorme Macht über die Emotionen anderer, mit ihm anlegen sollte man sich nicht. Der letzte der drei ist Selfe und lebt am See der Stärke. Er ist das reine Wissen und hat immer seine Augen geschlossen. Warum meint ihr, ist das so?“
    „Vielleicht, weil er mit seinen Augen alles sehen und erfahren kann und er sonst verwirrt ist, wenn er alles auf einmal wahrnimmt?“, vermutete Yune.
    „Vielleicht, weil seine ganze Macht in seinen Augen liegt?“, versuchte sich Riolu an einer Antwort.
    „Gar nicht mal schlecht und das könnte durchaus sein“, erwiderte Myrrh. „Landläufig sagt man jedoch, dass, wenn Selfe seine Augen öffnet, derjenige der hineinsieht seine Erinnerung verliert. Ob das stimmt, ist schwer zu sagen, Legendäre trifft man ja nicht jeden Tag. Wir können nicht mal sicher sein, ob jetzt in diesem Moment Tobutz überhaupt in dieser Höhle dort ist.“
    „Warum nicht?“, fragte das Evoli-Mädchen verwundert. „Er lebt doch dort.“
    „Ja, das schon, aber das wär doch ziemlich eintönig, wenn man stetig am selben Ort sein würde, nicht wahr? Natürlich weiß ich nichts Genaues, aber ich schätze, dass die Legendären ihre ganz eigenen Verstecke haben. Außerdem, die haben ja auch was zu tun.“
    „Was denkst du, was sie den ganzen Tag so tun?“, fragte Riolu neugierig.
    „Mhm“, meinte die Puppe nachdenklich, „schwer zu sagen. Das kommt wohl auf das legendäre Pokémon drauf an. Viele von ihnen ziehen durch die Lande, weswegen manche Trainer sich der Suche nach ihnen verschrieben haben. Meist können sie froh sein, wenn sie sie kurz am Horizont erblicken, aber manche Menschen sind wirklich so, dass sie denken, diese starken Pokémon fangen zu können. Andere von den Legendären sind so stark, dass sie ganz abgeschieden leben und sich vermutlich nur mit anderen Legendären austauschen. Aber wir sind ja nicht hier, um über legendäre Pokémon zu reden, sondern um uns den See anzuschauen.“
    „Warst du schon einmal hier, Myrrh?“, wollte Riolu wissen, als er sich in das kurze Gras am Ufer setzte.
    „Nicht so richtig“, gab die Puppe zu. „Das Hotel Prachtsee liegt auf einer Anhöhe, von wo aus man den See sehen kann. Ich war mit meinem Trainer kurz dort gewesen, bevor wir Richtung Schleiede gelaufen sind und ich dort auf Micaiah getroffen bin.“
    „Wohin wart ihr unterwegs?“, fragte Yune interessiert.
    „Johannes hatte gerade den Orden in Weideburg erhalten und wollte nun den nächsten in Schleiede holen“, fuhr Myrrh fort. „Wir waren nicht mehr weit von dieser Felsstadt entfernt, als ich Micaiah sah und nun, mich am Ende der Gruppe angeschlossen habe.“
    Bei den Worten der Puppe blickte der junge Schakal nachdenklich auf das Wasser. Er fragte sich, ob er sich Refia auch einfach anschließen konnte. Ob es wirklich so einfach war? Gern hätte er nachgefragt, aber er traute sich nicht. Noch versuchte er seine Entscheidung auf Abstand zu halten, auch wenn die Zeit dafür immer näher rückte.
    Mit einem wohligen Seufzen setzte sich der graue Geist auf den Boden und genoss die Aussicht auf die weite Wasserfläche, bevor sie sich nach hinten fallen ließ und ausgestreckt im Gras lag.
    „Ich würd sagen, wir bleiben noch ein wenig hier, bevor wir weitergehen. Einverstanden?“
    „Ich hab nichts dagegen“, entgegnete das Evoli-Mädchen freudig und streckte sich auf dem sonnengewärmten Boden aus. „Hier ist es schön.“



    Darahan flog über den südlichen Teil des Forstes rund um den See der Kühnheit und hielt nach ihrer Beute Ausschau. Dabei musste er darauf achten, hoch genug zu fliegen, um nicht entdeckt zu werden, aber trotzdem am Boden noch etwas erkennen zu können. Jaffar, Kobra und Naesala befanden sich am westlichen Ufer des Sees und warteten auf seine Rückkehr. Das Kramshef hatte den Drachen vorausgeschickt, weil er wusste, dass Darahan schnell an Höhe gewinnen konnte und für ungeübte Augen kaum zu identifizieren sein würde. Im Gleitflug näherte er sich dem östlichen Teil des Sees, als er am Boden drei Gestalten sah. Lautlos flog der Drache einen Bogen ostwärts, bevor er erneut, zwei Flügellängen tiefer, an der Stelle vorbei kam. Tatsächlich! Darahan hatte sich nicht getäuscht. Sein breites Maul verzog sich zu einem Grinsen, bei dem er die Lefzen hochzog und spitze Zähne entblößte. Mit einem Flügelschlag gewann er an Höhe und flog dieselbe Strecke zurück, die er gekommen war. Er konnte es kaum erwarten, Naesala von seiner Entdeckung zu erzählen.



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  • Ich hab mal wieder den Jahrestag von EgA verpasst ... nun, zumindest nur um vier Tage. Es ist schon komisch, dass die Geschichte sich so lang gehalten hat und ich immer noch daran arbeite. An dieser Stelle also ein Dankeschön an alle Leser und Kommentatoren über die vergangenen sieben Jahre, die die Neufassung von EgA inzwischen online ist! Bedeutet mir wirklich eine Menge. ^-^ Zur Feier des Tages präsentiere ich mal den zweiten Teil von Kapitel sechzehn.




    Kapitel XVI: Die Jagd
    Teil II/III



    „Ach ja“, seufzte die Puppe, bevor sie sich aufrichtete. „Es ist ein wenig schade, aber wir müssen weiter.“
    „Was wird unser heutiges Ziel denn sein?“, fragte Yune und begann sich zu strecken, während Riolu neben ihr aufstand und den Blick nicht vom See abwandte.
    „Das kommt drauf an“, gab Myrrh zurück. „Im Grunde wollte ich, dass wir es heute zur Hotelanlage schaffen. Dort könnte ich mich in der Nacht ein wenig umsehen, um herauszufinden, ob Refia dort war oder vielleicht sogar gerade dort ist. Wenn ich aber keine Spur von ihr finde, dann müssen wir die Anlage so schnell wie möglich morgen früh hinter uns lassen, bevor man uns sieht.“
    „Wegen der anderen Menschen, oder?“, wollte der Schakal wissen und die Puppe nickte daraufhin.
    „Das sehen wir aber dann, wenn wir dort sind. Seid ihr soweit?“
    Die beiden jungen Pokémon nickten und folgten dem Geist zurück in den Wald; fort von dem ruhigen See der Kühnheit. Sie bewegten sich nun südwärts und als sich das Blätterdach über sie wölbte, bemerkten sie erst, wie weit die Sonne bereits gewandert war. Ein merkwürdiges Zwielicht herrschte zwischen den hohen Baumstämmen, nur an wenigen Stellen floß warmes Licht durch eine Lücke im dichten Blattwerk über ihnen. Die Ruhe des Sees hatte dafür gesorgt, dass Yunes aufgewühlte Gefühle und Gedanken stiller geworden waren. Sie genoß sichtlich diesen Abschnitt ihrer Reise, was ihre Neugierde auf die Umwelt zurückbrachte. Ab und an fragte sie Myrrh nach einem Strauch, der zwischen zwei Bäumen wuchs, nach einer Ansammlung Blumen, die sich an einer lichten Stelle auf dem Waldboden dem Sonnenlicht entgegen reckten und die Puppe beantwortete willig und mit wachsender Freude die Neugierde des jungen Pokémon. Riolu hielt sich im Hintergrund, lauschte jedoch dem Gespräch mit großem Interesse und ließ sich nicht von seinen eigenen Gedanken vereinnahmen. Für viele Augenblicke genoßen die drei Pokémon ihre Reise besonders.



    Züngelnd schlängelte sich Kobra über den Waldboden und hob immer wieder zufrieden den Kopf.
    „Hast du die Spur?“, fragte Jaffar leise, als er neben die große Schlange getreten war.
    „Allerdings“, zischte das Arbok, während seine Zunge immer wieder nach vorn schnellte. „Sie bewegen sich recht langsam. Wir haben sie bald eingeholt.“
    „Perfekt“, erwiderte der Giftfrosch und blähte seinen blutroten Kehlsack vor Aufregung auf. „Dann wollen wir keine Zeit verlieren.“


    In der Luft hatte Naesala ihre Beute bereits im Auge. Nachdem Darahan den Standort der drei Pokémon mitgeteilt hatte, war sich die Krähe des Erfolgs dieser Mission sicher. Es lief alles genau so, wie Ajuga es vorausgesagt hatte. Eine Tatsache, die der schwarze Vogel nur ungern zugab, die dieses Mal aber ohne Zweifel mehr als zuvorkommend war. Ihre Beute bewegte sich ohne große Eile Richtung Süden und als er nah über das Blätterdach geflogen war, hatte er sogar ihre Stimmen gehört. Seitdem wusste er genau, wie schnell sie sich bewegten und wo sie ihnen auflauern konnten. Das Brutalanda flog auf Anordnung mehrere Fluglängen höher, als das Kramshef, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Doch in ihrem Plan hatten die Jäger einen Faktor vergessen, den selbst Ajuga nicht vorausgesehen hatte.



    Mit einem schrillen Warnruf flog in ihrer Nähe ein Staravia fort. Augenblicklich verstummte Myrrh und sah sich aufmerksam um. Yune und Riolu wechselten einen verwirrten Blick, doch in den Augen des Schakals konnte man aufkeimende Sorge erkennen. Die Puppe stoppte, dabei streckte sie beide Arme von sich, damit ihre jungen Begleiter ebenfalls stehen blieben. Nach dem Schrei des Staravia wirkte die Ruhe des Waldes auf einmal trügerisch.
    „Irgendwas stimmt nicht“, murmelte die Puppe, als sie angestrengt um sich blickte. Plötzlich hörten sie, wie sich hinter ihnen etwas rasch näherte. Kleine Zweige auf dem Boden knackten, die schnellen Schritte klangen dumpf auf dem Waldboden. Je näher sie kamen, desto lauter wurden sie. Geistesgegenwärtig drängte die Puppe die beiden jungen Pokémon an den Stamm des nächststehenden Baumes und stellte sich schützend vor sie. Mit einem Mal brach eine kleine Gruppe Girafarig durch einen jungen Vogelbeerbaum. Sie waren völlig verschreckt und rannten mit donnernden Hufen an den drei Reisenden vorbei. Die schwarzen Köpfe auf den Schwänzen der Langhals-Pokémon bissen völlig unkontrolliert in die Luft.
    „Holla, das Celebi!“, entkam es Myrrh lauter, als sie eigentlich wollte. Ihr Verdacht wuchs in jedem Augenblick. Irgendetwas lag in der Luft. Sie wandte ihre rosenquarzfarbenen Augen nicht von dem jungen Vogelbeerbaum ab, dessen Äste von den panischen Girafarig abgebrochen und zertrampelt waren, als sie schließlich sagte: „Riolu, wir müssen wissen, was hier los ist.“



    „Verflixt!“, fluchte das Kramshef, als er das schreiende Staravia fortfliegen sah. Er war so konzentriert gewesen, dass er den dämlichen Star übersehen hatte und beinahe mit ihm zusammengestoßen wäre.
    „Elendiges Federvieh“, murmelte er, während er versuchte, die Lage am Waldboden einzuschätzen. Möglicherweise war ihre Beute dumm genug dem Geschrei eines fremden Pokémon keine Beachtung zu schenken. Doch genau in diesem Moment hörte er wildes Hufgetrappel.


    Jaffar hieb seine giftdurchtränkte Klaue in den nächsten Baum und schlitzte die Rinde auf.
    „Beruhig dich, es waren nur ein paar Girafarig“, züngelte Kobra, doch das Toxiquak zog grob seine Kralle aus der Borke, einen tiefen Riss hinterlassend.
    „Wenn die genau an unserer Beute vorbei rasen und die auch noch warnen, sind wir geliefert! Der Meister bringt uns um“, knurrte der Giftfrosch. Sie hatten eine Gruppe der Langhals-Pokémon in ihrer Nähe für schlafend gehalten, doch der zweite Kopf eines von ihnen war wach gewesen. Als er die zwei Fremdlinge wahrgenommen hatte, war er panisch geworden und hatte mit seinen wilden Gebaren die ganze Gruppe geweckt, die voller Angst geflohen war.
    „Wir haben keine Wahl, wir müssen schnell hinterher und die Beute stellen, bevor sie noch flieht“, beschloss Jaffar und wollte schon loslaufen, doch Kobra stellte sich vor ihn.
    „Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist? Es war doch ausgemacht, dass wir auf Naesalas Zeichen warten.“
    „Er wird das sicherlich auch mitbekommen haben. Und jetzt beweg dich, ansonsten mach ich die Sache auch allein!“
    Der Frosch sprang entschlossen vor und die Schlange schlängelte sich mit ungeahnter Geschwindigkeit hinter ihm her.



    Ein paar Herzschläge lang sah Riolu die Puppe an und fragte sich, ob er sie richtig verstanden hatte. Es war nun schon das zweite Mal, dass sie ihn darum bat, seine Fähigkeit einzusetzen. Die Stille wurde immer unangenehmer, je mehr die Unsicherheit wuchs. Etwas war passiert, das spürten die drei Reisenden, doch sie konnten es nicht fassen, als wollten sie in einem Traum nach etwas greifen. Mit dieser Unfähigkeit einzuschätzen was geschehen war, kam die Angst, die der Schakal nun deutlich wahrnahm. Yune zeigte diese am meisten, auch wenn sie es nicht wollte, doch sie konnte nichts dagegen tun. Unweigerlich kauerte sie sich hinter Myrrh auf den Boden und war unfähig den Blick von dem Vogelbeerbaum abzuwenden. Die Puppe selbst versuchte sich zu beruhigen, doch auch ihre verwirrten Gefühle konnte Riolu wahrnehmen. Er schloss die Augen und konzentrierte sich, bis sich die Dunkelheit vor seinem inneren Auge bläulich färbte und die Umgebung in Schemen darstellte. Die Bäume waren dunkle Streifen, der Boden beinahe schwarz. Die Gefühlswellen seiner Begleiter dagegen waren hell, aber hektisch. Sie zitterten auf ihn zu wie kleine Blitze, wogten hoch und nieder wie schwerer Seegang auf dem Meer. Er hatte einige Mühe sich davon abzuschotten und selbst all seine Anstrengung reichte nicht aus, um nicht doch dumpf Yunes Angst zu spüren.
    Riolu konzentrierte sich und ging auf die Suche nach weiteren Gefühlswellen. Dabei öffnete er seine Wahrnehmung weit genug, um die Emotionen anderer Pokémon zu sehen, dennoch würde er nicht von ihnen betroffen werden. Es war nicht leicht, denn anders als bei der Suche in dem Talkessel, war der Wald nicht überschaubar und die Bäume standen überall als dunkle Schemen. Viele Herzschläge vergingen, in denen die trügerische Stille Myrrh immer nervöser machte. Die Ahnung, dass sie schon längst hätte loslaufen sollen, überkam sie immer mehr und jeder verstrichene Moment schien ihr wie Sand durch die Finger zu rinnen. Doch sie wartete auf Riolu, sie musste wissen, ob Gefahr bestand oder das alles nur ein merkwürdiger Zufall war. Eine seltsame Verkettung von Ereignissen.
    Die Wellen tauchten so plötzlich auf, dass der junge Schakal beinahe von ihnen übermannt worden wäre.



    Ihre Beute war direkt vor ihnen, da war sich Kobra sicher. Immer wieder schnellte seine gespaltene Zunge aus seinem Maul, als er gierig den Geruch aufnahm. Es gab keinen Zweifel. Er wechselte einen Blick mit Jaffar, der daraufhin kurz nickte. Er hatte verstanden. Sie bewegten sich nun beinahe lautlos vorwärts und kamen immer näher.


    „Darahan“, wandte sich Naesala an den Drachen, als er mit heftigen Flügelschlägen neben diesem flog, „du wirst ihnen den Weg abschneiden. Sobald Jaffar und Kobra sie aufgescheucht haben, fliegst du voraus und landest. Ich werde runter in den Wald fliegen, um die genaue Position zu bestimmen und dir ein Zeichen geben, wenn es soweit ist.“
    „Einverstanden“, war die knappe Erwiderung des Brutalanda, daraufhin flog er etwas höher und begann Kreise zu ziehen. Das Kramshef selbst kreiste dicht über den Baumkronen, auf die das Sonnenlicht in einem immer flacheren Winkel fiel. Das Grün bekam in dem warmen Licht eine orangene Nuance und als der Wind darüber fuhr, wogte das dichte Blattwerk wie der Ozean. Naesala nahm das alles jedoch nicht wahr, er war viel zu sehr darauf konzentriert, das Zeichen von Jaffar und Kobra am Boden nicht zu verpassen.



    Von einem Herzschlag auf den anderen strömten die Gefühlswellen in ungeahnter Stärke auf Riolu ein. Sie waren erfüllt von Grausamkeit, Stolz und Gier und kamen immer näher. Es war nicht ganz klar, was die zwei Wesen, von denen diese Emotionen ausgingen, vorhatten, doch der junge Schakal sah, wie sie direkt auf ihn, Myrrh und Yune zuhielten. Das waren Jäger und sie waren die Beute. Schlagartig öffnete er die Augen und ignorierte den leichten Schwindel, den er verspürte. Er hatte seine Fähigkeit zu schnell abgebrochen, aber darauf konnte er keine Rücksicht nehmen.
    „Weg hier, schnell“, zischte er der Puppe zu, die augenblicklich voraus schwebte, das Evoli-Mädchen und der Schakal folgten. Yune war verwirrt über die ganze Situation, doch sie konnte das Gefühl der Angst nicht mehr unterdrücken. Was auch immer los war, es war gefährlich, das konnte sie spüren. Eilig führte Myrrh die jungen Pokémon durch den Wald, umrundete Bäume und wollte so schnell wie möglich diesen Wald hinter sich bringen. Vielleicht hatten sie auf offenem Gelände mehr Chancen dem zu entkommen, was sie verfolgte.



    Ihre Beute hatte sich in Bewegung gesetzt, sie waren bemerkt worden. Jaffar fluchte leise, als er seine Geschwindigkeit erhöhte und jegliche Deckung vergaß. Kobra schlängelte neben ihm, immer wieder züngelnd und wälzte sich ohne Rücksicht über Farne und kleinere Pflanzen. Seine ganze Konzentration lag auf der Jagd, alles andere nahm er kaum wahr. Ein lautes Quaken entkam dem Giftfrosch, das ausgemachte Zeichen für Naesala, der mit einem lauten Krächzen antwortete.
    Die Krähe legte die schwarzen Flügel an den Körper und tauchte in das Blätterdach ein, seinen Körper mit Unheilböen schützend. Äste brachen, Blätter regneten zu Boden und manch dünner Baum zitterte bis zu den Wurzeln, als sich das Kramshef einen Weg zum Waldboden bahnte. Unter ihm bewegten sich die drei Pokémon, die es zu fangen galt. Immer wieder schlugen sie Haken, rannten völlig orientierungslos durch den Forst. Naesala stellte zufrieden fest, dass die Panik die Oberhand gewonnen hatte. Ein weiteres lautes Krächzen entkam seinem großen, gelben Schnabel. Das entscheidende Zeichen für Darahan.



    Ein plötzliches Quaken durchbrach die Stille im Wald. Es klang furchtbar nah und ließ Myrrh noch schneller schweben. Ihre Gedanken hatten beinahe dieselbe Geschwindigkeit wie ihr Körper und wurden abwechselnd in ihrem Kopf laut.
    „Wer verfolgt uns? Was wollen sie von uns? Hab ich was falsch gemacht? Sind wir in irgendein Territorium eingedrungen? Was in aller Welt ist hier los?!“
    Doch sie hatte nicht die Zeit sich diesen Fragen zu widmen, denn ein nahes, lautes Krächzen erhöhte ihre eigene Angst. Wer auch immer sie verfolgte, er kam immer näher. Kurz blickte die Puppe über die Schulter und sah Riolu und Yune tapfer hinter ihr rennen. Die Miene des Schakals war wie versteinert, als würde er seine ganze Energie und Konzentration fürs Laufen verwenden. Das Gesicht des Evoli-Mädchens war dagegen von Verwirrung und Angst erfüllt. Ein Grund mehr für Myrrh einen Ausweg aus dieser Situation zu finden. Ein zweites Krächzen war zu hören, als plötzlich etwas von oben durch die Bäume brach. Das laute Knacken von brechenden Ästen erfüllte die Luft, als tausende von hellgrünen Blättern zur Erde fielen, wie Schneeflocken im Winter. Erschrocken sah die Puppe nach oben und erkannte einen schwarzen Schemen, der mit ihnen mithielt. Sie kam jedoch nicht dazu herauszufinden, was die Gestalt sein konnte, als es direkt vor ihnen in den Bäumen gefährlich knackte. Myrrh stoppte abrupt und hielt Riolu und Yune mit ausgestreckten Armen davon ab weiterzulaufen. Sie wandten den Blick nach oben und sahen, wie eine große Gestalt durch das Blätterdach brach. Frisches Laub bedeckte bald den braunen Waldboden und dicke Äste schlugen nur wenige Sprünge vor ihnen auf. Ein grau beschuppter Bauch näherte sich dem Erdboden und als schließlich der letzte Ast ächzend abbrach, landete ein riesiger Drache vor den drei Pokémon. Die Abendsonne schien durch das Loch im Laubdach herein und traf auf die türkisen Schuppen des Brutalanda. Der mächtige Schweif wischte hinter ihm über den Waldboden, wo er mehreren Farnen die Blätter abriss. Aus kleinen Augen blickte er auf Myrrh, Riolu und Yune herab. Er machte ein paar Schritte auf sie zu und hinterließ mit seinen vier Pranken tiefe Abdrücke im weichen Untergrund.
    Sogleich schaute sich die Puppe nach einem Ausweg um und wollte zurückrennen, doch da erschienen zwei weitere Pokémon zwischen den Bäumen. Zischelnd erhob sich ein Arbok vom Boden und zeigte das Augenmuster auf seiner Brust. Neben ihm stand ein Toxiquak und blähte seinen blutroten Kehlsack demonstrativ auf. Lautes Flügelschlagen veranlasste Myrrh dazu, sich erneut umzudrehen. Die dunkle Gestalt, die sie zuerst gesehen hatte, landete zwei Sprünge entfernt auf dem Boden. Es war ein Kramshef, dessen ausladender Hut einen tiefen Schatten auf sein Gesicht warf. Er ging mit erhobenem Kopf auf die drei eingekreisten Reisenden zu und streckte seine weiße Brust nach vorn. Um seinen Hals trug er einen dunklen Finsterstein, der zwischen seinen Federn ruhte.
    Riolu konnte ein Knurren nicht unterdrücken, als er sah, dass sie von diesen Pokémon umzingelt waren. Das konnte kein Zufall sein und er bezweifelte, dass irgendeine Gruppe so ihr Revier verteidigen würde. Dafür gab es ja nicht einmal einen Grund! Er wurde das Gefühl nicht los, dass diese Pokémon ihnen aufgelauert waren. Mehr noch, dass sie ganz gezielt auf sie Jagd gemacht hatten. Nur, zu welchem Zweck? Er warf einen kurzen Seitenblick zu Myrrh, die verwirrt, aber auch entschlossen aussah.
    „Seid gegrüßt!“, wandte sich die Krähe mit krächzender Stimme an die umkreisten Reisenden. Es klang überraschend förmlich und gerade das machte die Puppe nur noch misstrauischer. Sie konnte nicht mehr still sein und platzte heraus: „Was in aller Welt soll das hier? Warum habt ihr uns verfolgt? Und warum lasst ihr uns nicht einfach diesen Wald und euer Revier verlassen?“
    „Das sind aber viele Fragen auf einmal“, erwiderte das Kramshef und kam noch ein paar Schritte näher. Die anderen Pokémon kicherten wissend, was Myrrh sichtlich unruhig machte. Im Augenwinkel konnte sie sehen, dass Yune bereits verängstigt am Boden kauerte.
    „Was in aller Welt geht hier bloß vor?“


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  • Hab mal gedacht, lass dir einen kleinen Kommi da, Cynda.
    Kapitellänge ist in Ordnung, doch ehrlich gesagt, manchmal finde ich die Absätze leicht zu versetzt, oder ist das nur meine Meinung?
    Schreibstil Top, kaum was zu meckern, weiter so! Doch... Kannst du mir mal ein Sheet für alle deine Chars geben? Dann könnte ich sogar präziser bewerten.
    „Was in aller Welt geht hier bloß vor?“, das ist irgendwie Aussage des ganzen Kapitels... Nun, dann gute N8, bis zum nächsten Kapitel.

  • Das ist ja schon wieder ne Weile her, dass ich hier ein Update geschafft hab und noch dazu wird das hier das letzte Update überhaupt werden.

    Das bedeutet nicht, dass ich an EgA nicht weiterschreiben werde, aber ich werde mit der Veröffentlichung aufhören. Jedenfalls hier.


    Lynneth Bucherstede

    Danke für deinen Kommi! Hat mich gefreut, dass dir das Kapitel gefallen hat. Eine Übersicht aller bisher genannten Charaktere gibt es im Startpost. Ist ein Anfängerfehler dieser FF. Mit 16 wollte ich einfach zu viele Charaktere haben und jetzt im Nachhinein kann ich keinen mehr rausnehmen. In Zukunft werde ich so etwas vermeiden.




    Evolis großes Abenteuer wird dieses Jahr eigentlich schon neun Jahre alt. Ich weiß leider nicht mehr, wann ich genau angefangen hab im Jahr 2009 diese FF zu schreiben. War es April? War es Mai? Keine Ahnung. Das original Pages-Dok gibt mir leider auch keine genaue Auskunft, weil die erste Seite voller Bilder ist und die Geschichte erst danach los geht. Jedenfalls, es ist sehr lang. Mit der Überarbeitung hab ich dann Ende 2010, Anfang 2011 begonnen und dieses neue Topic für die überarbeitete Fassung gestartet. Tja, auch schon wieder sieben Jahre her.

    Ich hab weiterhin sehr viel Spaß an dieser Geschichte und mag alle meine Charaktere. Sie sind mir sehr wichtig in den letzten Jahren geworden.


    Aber auch einige Personen, die mich auf dieser Reise begleitet haben, sind mir sehr wichtig geworden und die bekommen hier einen wohlverdienten Spotlight.

    Zuerst möchte ich hier Rai nennen. Meinen Betaleser und Motivator diese FF überhaupt zu schreiben. Keine Ahnung, ob ich es jemals schaffen werde, mich bei dir zu revanchieren. Du hast eine Menge Zeit für das Betalesen dieser FF aufgewendet und warst gerade anfangs sehr geduldig mit mir und meinen Fehler. Vielen Dank, für deine Mühe und für deine Freundschaft. Einen besseren besten Kumpel kann ich mir gar nicht wünschen!


    Als nächstes möchte ich der lieben Lynn-san danken. Deine Unterstützung für mich und diese Geschichte war mir immer sehr wichtig. Ich bin dir dankbar für deine Anmerkungen, die mir oft geholfen haben, meine Sichtweise etwas zu ändern und an meinem Schreibstil zu arbeiten. Danke für deine Zeit und deine Freundschaft!


    Zu guter letzt ein sehr großes Danke an Rusalka. Du hast EgA gelesen, als ich dachte, du hättest bereits komplett das Interesse verloren und einige Zeit als einziger hier kommentiert. Das bedeutet mir sehr viel und für diese Treue möchte ich dir sehr danken. Und auch, dass du mich immer mal wieder auf die Geschichte und ihren Stand ansprichst und mir geduldig zuhörst, wie ich von meinen Plänen erzähle, bedeutet mir wirklich eine Menge. Vielen Dank für alles!


    Ein großes Dankeschön geht natürlich auch an alle Leser! Danke, dass ihr mich auf dieser Reise, ja, diesem Abenteuer so lang begleitet habt. Es tut mir leid, dass ich die Geschichte hier nicht zu Ende erzählen werde.


    Hier nun Part drei von Kapitel sechzehn. Danke für’s Lesen!