Love, Jealousy and other Problems!

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  • Gary wälzte sich in seinem Bett hin und her. Die Sonne hatte ihn wach gekitzelt, doch der junge Trainer wollte noch nicht aufstehen. Etwas warmes, hartes berührte seine Wange und Gary schrak hoch. Das blaue Ei lag auf seinem Kissen. Es verhält sich immernoch wie ein Stein, dachte Gary und bemühte sich aufzustehen. Das Zimmer wurde von den Sonnenstrahlen, die durch das Fenster schienen, hell erleuchtet. Der junge Trainer streckte sich ausgiebig und gähnte herzhaft. Dann sah er sich kurz in dem kleinen Raum um. Das andere Bett war leer, doch Jace' Rucksack lag noch auf dem Boden. Gary zog sich schnell ein paar Klamotten über, packte Taschenlampe und Notizbuch in die Hosentaschen, schnappte sich das Ei und verließ das Zimmer.
    In der Eingangshalle saßen Jace, Chloé und Lucia an einem Tisch, auf dem eine riesige Tüte mit Brötchen stand. Die anderen Jugendlichen quatschten und lachten. Gary näherte sich dem Tisch und rief: "Guten Morgen!"
    Die Anderen antworteten im Chor: "Guten Morgen!"
    "Na, gut geschlafen?" fragte Jace.
    "Ja hab ich. Ich erkunde mal die Stadt. Ich hab was interesantes entdeckt. Erzähl ich euch später" sagte Gary, schnappte sich zwei Brötchen und verschwand aus dem Pokemoncenter.
    Draußen wehte eine kühle Brise. Gary schlang die Brötchen hinunter und ging auf eine alte Dame zu, die vor einem Haus im Schaukelstuhl saß und strickte. "Guten Tag, verehrte Dame. Entschuldigen sie die Störung, aber kann ich sie etwas fragen?"


    Chloé kam das vorbereitete Frühstück im Pokemoncenter schon beinahe mickrig vor, wenn sie an das atemberaubende Buffet in der Pension dachte. Hier standen nur ein paar Teller bereit, in der Mitte des Tisches eine große Tüte mit Brötchen und ein paar Eier, fünf um genau zu sein. Aber das Pokemoncenter schien ja auch nicht viel besucht, so war das wohl okay. Chloé und Lucia waren fast zeitgleich aufgewacht, hatten sich schweigend angezogen und waren zu dem einzigen Tisch des Centers gegangen, wo Jace schon auf sie wartete. Die dunklen Ringe unter seinen Augen waren fast vollständig verschwunden, doch man sah Jace noch immer an, wie erschöpft er war, denn seine Haare fielen ihm matt ins Gesicht. Nachdem sich die Mädchen gesetzt hatten, hatten sie begonnen, das Frühstück zu verzehren. Chloé nahm sich ein trockenes Brötchen und belegte es mit einem Ei, da es viel mehr Auswahl auch nicht gab. Es zerging ihr auf der Zunge und abermals merkte sie erst jetzt, wie viel Hunger sie eigentlich gehabt hatte. Binnen einiger Minuten war das erste Brötchen in ihr verschwunden, und sie wollte sich gerade ein zweites nehmen, als Gary aus dem Zimmer geeilt kam und ihr ein Brötchen vor der Nase wegschnappte, sodass keines mehr übrig war. Toll, dachte Chloé und griff sich missmutig das letzte Ei, während Gary schon wieder aus dem Gebäude verschwunden war. Jace starrte ihm mit einer Mischung aus Verwunderung und etwas anderem hinterher, was Chloé nicht deuten konnte. "Der hat an den Ruinen da unten wohl einen Narren gefressen," stellte Jace zwar sachlich, aber dennoch mit einem Grinsen unterstrichen, fest, und die beiden Mädchen mussten gleichzeitig lachen. Lucias Stimme ertönte. "Naja, wir haben ja noch ein bisschen Zeit hier, soll er machen, was er will. Aber wir machen uns heute auch wieder auf den Weg, oder?" Fragend blickte die Blauhaarige in die Runde, und ihre Frage wurde von einem zögerlichen, aber dennoch einstimmigen Nicken beantwortet. Geistesabwesend sah Chloé aus dem Fenster und versuchte, ihren noch immer knurrenden Magen zu ignorieren. Dort draußen sah sie Gary, der sich in ein Haus nach dem anderem schlich. Chloé schmunzelte. "Seht mal, geht Gary jetzt unter die Einbrecher, oder was?" Die Frage ging letztlich in einem Lachen unter, und auch Jace und Lucia stimmten schallend mit ein.


    "Sehr interassant. Vielen Dank" sagte Gary und schloss sein Notizbuch. Mit festem Schritt machte er sich wieder auf dem Weg zu den Ruinen. Als er wieder vor dem Eingang der Höhle stand, klappte er erneut sein Notizbuch auf und begann die Gravuren am Eingang abzuzeichnen. Das linke Bild betitelte er mit `Dialga`, während er über die Zeichnung der rechten Gravur `Palkia` schrieb. "Dialga, Palkia, Vesprit, Selfe und Tobutz. Welches Geheimniss bewahrt ihr?" flüsterte der zukünftige Professor vor sich hin.
    Als Gary sein Notizbuch schloss, zog er seine Taschenlampe hervor und betrat die Höhle. Erneut verschlang ihn die Dunkelheit. Allerdings war diesmal seine Taschenlampe nicht die einzige Lichtquelle. Eine weitere Lampe strahlte zwei behandschuhte Hände an, die mit Hammer und Meißel Löcher in die Wände schlugen. "Hey! Was machen sie da? Sie vernichten historisch wertvolle Objekte!" schrie Gary den Unbekannten an. Die zweite Lampe schwung von den Händen weg und blendete Gary. Der junge Trainer hielt sich die Hand vor die Augen, als eine raue Stimme von den Wänden wiederhallte.
    "Junge, in dieser Höhle gibt es nichts außer dieses eine Bild an der Wand. Obendrein grabe ich hier ganz legal. Ich habe den Ältesten in dem kleinen Dorf hier gefragt. Also spuck mal nicht so große Töne."
    Das Licht strahlte wieder die beiden Hände an. Gary hatte das Gefühl, dass es in der Höhle plötzlich noch dunkler war. Der Professor in spe umklammerte seine Lampe noch fester und strahlte den `Forscher` an. Der Mann trug einen Hut auf seinen schwarzen, zerzausten Haaren. Eine kleine, runde Brille saß auf seiner Nase und er hatte einen Drei-Tage-Bart. Seine braunen Klamotten waren mit Staub und Dreck bedeckt. "Und wonach graben sie hier?" fragte Gary, der nun doch etwas neugierig geworden war.
    "Nach allem was ich zu Geld machen kann. Das ist mein Beruf. Ich reise für das Museum in Erzelingen durch ganz Sinnoh und grabe nach Ausstellungsstücken. Und könntest du bitte woanders hinleuchten? Du behinderst meine Arbeit!" antwortete der Mann, der dabei noch nichteinmal aufsah.
    "Von dem Museum hab ich schon gehört. Dort kann man doch Fossilepokemon wieder zum Leben erwecken oder?" sagte Gary und leuchtete auf den Boden vor sich.
    "Ja, dafür musst du allerdings erstmal ein Fossil finden. Ah! Och, schon wieder eine Sphäre..." Der Forscher packte einen kleinen rot schimmernden Edelstein in seine Tasche und stand auf. "Willst du hier nur rumstehen oder warum bist du hier?" Erneut blendete das Licht des Forschers den jungen Trainer.
    "Ich wollte weitere Forschungen über diese Höhle anstellen. Woher wissen sie, dass es hier nur dieses Bild gibt?" antwortete Gary.
    Der fremde Mann stieß ein schallendes Lachen aus. "Denkst du, du bist der Erste der diese Höhle erforscht, Kleiner? Diese Höhle wurde schon vor Jahrhunderten tausendmal erforscht und hier wurde nur dieses Bild entdeckt mehr nicht. Also mach dir keine Hoffnungen und geh nach Hause."
    "Erstens: Nennen sie mich nie wieder Kleiner! Ich bin Gary Eich, der Enkel des berühmten Professor Samuel Eich aus Kanto! Und zweitens: Ich werde nicht nach Hause gehen. Ich werde ihnen helfen und ein Fossil für mein Team finden!" höhnte Gary.
    "Ganz schön große Worte für so einen Grünschnabel wie dich, aber wenn du unbedingt willst. Ich zeig dir, wie man buddelt und du darfst, falls wir überhaupt Fossile finden, eines behalten. Alles andere behalte ich, als Lohn für die Mühen, die du mir bereitest. Einverstanden?" bot der Forscher an und streckte Gary seine Hand aus.


    Nachdem die drei Trainer ihr kurzes Frühstück beendet hatten, war Jace mit den Mädchen auf ihr Zimmer gekommen, da es allen ziemlich sinnlos erschien, ihn auf ein bis auf ihn leeres Zimmer zu schicken. Als sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, ließen sich Chloé und Lucia fast gleichzeitig auf ihre Betten sinken. Erwartungsvoll blickten sie zu Jace. Der wechselte seinen Blick zwischen den Mädchen und Chloé meinte zu erkennen, wie sich eine leichte Röte auf seinem Gesicht breit machte. In Chloé jedoch machte sich ein beklommenes Gefühl breit. Wenn er sich jetzt zu Lucia setzt, ging es der Koordinatorin durch den Kopf, dann hat Gary womöglich doch Recht... Ihr Magen begann sich zu drehen und mit einem Seitenblick begutachtete sie Lucia, der anscheinend das gleiche durch den Kopf ging, da sie versuchte, ihren Blick hinter ihren Haaren zu verstecken, der auf Chloé ruhte. Als hätte das eine Starre in Lucia gelöst, streckte sie gewollt ihren Oberkörper ein wenig nach vorne, räkelte sich spielerisch und sagte mit vor Unschuld triefender Stimme: "Jace, setz dich doch." Sie blinzelte ihn unter ihren vollen Wimpern hindurch an, und einen Moment lang wünschte sich Chloé auch einen so schönen Augenaufschlag, denn ihrer Meinung nach besaß sie fast durchsichtige Wimpern. Chloé biss die Zähne zusammen und ihr Blick traf wieder Jace. Der schaute, eine Augenbraue hochgezogen, auf Lucia, und wirkte skeptisch. Doch Chloé wusste, sobald sie sich anfing Hoffnungen zu machen, würde die Enttäuschung nur noch größer werden. So zog sie ihre Beine an ihre Brust, schlang die Arme herum und legte sich mit ihrem Kinn auf ihre Knie. Doch sie hatte nicht aufgehört, Jace anzusehen. Er erwiderte ihren Blick mit seinen Augen, grün wie Gift, doch wäre es wirklich Gift in ihnen, so hätte Chloé den giftigen Tod gerne in Kauf genommen. Und einen kurzen Moment sah es tatsächlich so aus, als würde sich Jace zu ihr setzen, und ihr Herz flatterte wie ein Smettbo. Doch dann hielt er in der Bewegung inne und sagte mit leiser, zögerlicher Stimme: "Wir wollen doch schnell weiter, oder? Am besten, wir packen unsere Sachen zusammen, sammeln Gary ein und gehen weiter nach...nach?" "Ewigenau!" antwortete Lucia wie aus der Pistole geschossen, und Chloé widmete ihr einen boshaften Blick. Die Blauhaarige sprach weiter. "Dann müssen wir zwar durch den Kraterberg, aber das ist ja kein Ding. Und Ewigenau liegt inmitten eines Waldes, jedenfalls so ziemlich, das ist bestimmt super schön da." Ihre Stimme überschlug sich fast, und sofort hatte sie sich wieder kerzengrade aufgesetzt. Ihr Augen glänzten, als würden Sonnenstrahlen auf einem tiefblauen See tanzen. Doch Jace schien diesen Glanz kaum wahrzunehmen und sprach, mehr zu sich selbst: "Okay, von mir aus. Ich geh dann und pack mein Zeug. Wir treffen uns in fünf Minuten vorne in der Eingangshalle, okay?" Doch er wartete nicht mehr auf die Zustimmung und drehte sich schnell um, um aus der Tür zu verschwinden. Zuvor hatte er noch Chloés Augen gestreift, und kurz hatte sie den Eindruck, als hätte er ihr zugezwinkert. Chloés Mundwinkel zuckten und bildeten ein zaghaftes Lächeln. Kaum war Jace aus der Tür verschwunden, sprang Chloé auf und packte vorsichtig und so sanft wie möglich ihr Ei wieder in ihren Rucksack. "Komm, Lucia," sagte Chloé gedankenverloren. "Wir sollten uns beeilen."


    Jace trat gerade aus der Tür des Mädchenzimmers, als er auch schon von Schwester Joy erblickt wurde. "Guten Tag. Ich hab eben einen Anruf von der Schwester Joy aus Trostu bekommen. Bist du nicht Jace, der die Pension von Marie und Jakob übernimmt?" Der Trainer mit den grünen Augen war so überrumpelt, dass er nur mit den Kopf nickte - was dazu führte, dass Kindwurm anfing zu quängeln. "Wir haben hier zwar keinen Supermarkt, aber ein altes Ehepaar verkauft sehr gesunde Kräuter für Pokemon. Vielleicht interessiert dich das. Ich wollte dir nur bescheid sagen" plapperte die Krankenschwester.
    "Ähm... Danke" antwortete Jace, drehte sich um und klopfte an die Tür, aus der er vor wenigen Sekunden herausgetreten war.
    Als aus dem Zimmer ein "Herein" ertönte, öffnete Jace die Tür und sagte: "Sorry, dass ich störe, aber sollten wir uns hier nicht ein bisschen umsehen, bevor wir weiter reisen? Gary will bestimmt auch seine `Forschungen` beenden."
    Beide Mädchen fingen an zu lächeln, als sie Jace sahen und stimmten zufrieden ein. "Ok, sollen wir dann direkt los?" fragte Jace.
    "Einen Moment!" sagte Chloé und zog ihr Ei wieder aus der Tasche. "Ok, von mir aus können wir." Nun hielt auch Lucia ihr Ei in den Armen und zu dritt verließen die Trainer das Pokemoncenter. Ein frischer Wind wehte durch die Stadt und die Sonne stand an ihrem Höhepunkt.
    Die kleine Gruppe lief an einigen bescheidenen Hütten vorbei, bis sie ein großes Haus erreichten. Das Gebäude war ebenfalls aus Holz und an der Tür hing ein Schild: Kräuterladen - frisch und gesund! "Lasst mal hier rein" sagte Jace und stieß, ohne eine Antwort abzuwarten die Tür auf. In dem großen Raum herrschte ein bitterer Geruch. In den unzähligen Regalen standen die verschiedenen Pflanzenteile. Alles war voll mit Wurzeln, Stielen, Blättern, Blüten und Rinde. Allerdings schien es nichts Frisches zu geben, denn alles war entweder getrocknet oder in einer trüben Flüssigkeit eingelegt. Eine ältere Dame stand hinter einem Tresen und lächelte sie freundlich an. "Guten Tag. Was kann ich für sie tun?"
    "Noch nichts. Wir sehen uns ersteinmal um" sagte Jace und verschwand zwischen zwei Regalen. Kindwurm, das es sich in Jace´ Haaren bequem gemacht hatte, hob den Kopf, schnupperte kurz und fing an zu quengeln. "Was ist den Kindwurm?" fragte Jace. Als antwort bekam er nur einen schrillen Schrei zu hören.


    Chloé sah sich beeindruckt in dem kleinen Gebäude um. Im ersten Moment hatte es Chloé an ein Hexenhäuschen erinnert: Eine alte, groteskt wirkende Frau begrüßte sie, und überall standen, lagen oder hingen Kräuter, von deren Existenz Chloé noch nie etwas geahnt hatte. Ein merkwürdiger Geruch lag über dem allen - eine Art bittere Medizin, die die Koordinatorin in ihrer Kindheit einnehmen musste, wenn sie die Grippe hatte. Nur roch es hier um einiges schlimmer, sodass Chloé würgen musste und den säuerlichen Geruch mit Mühe versuchte, hinunterzuschlucken. Als Jace aus ihrem Blickfeld verschwunden war, empfand sie ein seltsames Gefühl in ihrer Magengegend - eine Mischung aus Einsamkeit und Angst, dass sie in ein paar Minuten von einer Hexe gefressen werden würde. Sie fröstelte und ihre Nackenhärchen stellten sich auf. Sie drückte ihr hellrotes Ei vorsichtig an sich, und erneut spendete es ihr tröstende Wärme. Sie blickte sich zu Lucia um, die wohl ähnlich wie Chloé selbst empfand, und deshalb wohl absichtlich am Eingang verweilte. Ohne zu Zögern gesellte sich Chloé zu ihr, und trotz aller kleinen Streitigkeiten fühlte sie sich in Lucias Gegenwart etwas sicherer. Dann sah sie wieder Jace, der mit einem breiten Grinsen an den Tresen zu der Hexe - ich meine alte Dame natürlich, ermahnte sich Chloé, trat, mit einer gigantischen Fuhre Kräutern im Arm. Das Kindwurm auf seinem Kopf schien von dem Geruch so umnebelt zu werden, dass es ohnmächtig zu werden drohte - vielleicht überreagierte es aber extra. Stumm bezahlte Jace, und erstaunlicherweise waren die unzähligen Kräuter nicht halb so teuer, wie Chloé es für solch eine Anzahl vermutet hatte. Grinsend kam er auf die Mädchen zu, nachdem er die Gewächse zunächst in eine Tüte und dann in seinen Rucksack gesteckt hatte. "So, wir können weiter." Chloé grinste scheinheilig, da sie sich ehrlich bemühte, den stechenden Geruch, der aus Jace' Rucksack in ihre Nase drang, zu ignorieren, und so nickte sie nur. Jace öffnete die schwerfällige Tür, und der Duft von frischer, reiner Dorfluft überwältigte Chloé so, dass es ihren Verstand vernebelte und sie fast von den Füßen zu kippen drohte. Als sich der Nebel wieder aus ihrem Kopf verzogen hatte, sah sie eine Gestalt auf sie zukommen: Gary, mit einem strahlenden Lachen im Gesicht. Und unwillkührlich fragte sich Chloé, was nur alle an diesem kleinen, merkwürdigen Dorf so zum Lachen brachte.


  • Gary trat aus der Höhle heraus und wurde vom starken Sonnenschein geblendet. Da ertönte eine Stimme hinter ihm: "Das ist das miese an meinem Job. Dieser Wechsel zwischen hell und dunkel. Aber du hast wirklich gute Arbeit geleistet."
    "Tja, ich stecke halt voller Überraschungen. Ich wünsch ihnen noch viel Erfolg bei ihrer Arbeit, vielleicht les ich mal von ihnen in der Zeitung" lachte Gary und ging allein Richtung Pokemoncenter, mit dem Ei im Arm und vielen Informationen in der Tasche. Als der zukünftige Professor die Treppe aus dem Krater empor stieg, erblickte er, wie Jace, Chloé und Lucia aus einer größeren Hütte traten. "Hey Leute!" rief er und rannte auf die Drei zu. "Na, wie gehts euch? Gefällt euch Elyses?" plapperte der braunäugige Trainer.
    "Naja, bis auf diesen Kräuterladen gibt es hier eigentlich nichts" antwortete Jace, "deswegen wollen wir auch gleich weiter reisen."
    "Was? Jetzt schon? Das ist blöd" grummelte Gary, "naja, ich hab alles, was ich brauch." Bei seinen letzten Worten klopfte Gary auf seine Hosentasche.
    "Dann lasst uns zurück zum Pokemoncenter gehen, Sachen packen und abhauen" sagte Lucia.
    Gemeinsam gingen die Jugendlichen zum Pokemoncenter und betraten getrennt ihre Zimmer. Stumm packten Gary und Jace die wenigen Sachen, die sie ausgepackt hatten ein - Gary musste sich noch umziehen, da seine Klamotten vollständig mit Staub und Schmutz bedeckt waren. Plötzlich flog ein bitterer Geruch in Garys Nase: "Was stinkt den hier drin so übel?" rief der Professor in spe.
    "Das ist der Geruch von Medizin, du Schnösel. Ich hab in dem Kräuterladen ein paar wertvolle Wurzeln und Blätter gekauft" antwortete Jace.
    "Soll ich dir mal etwas wertvolles zeigen?" antwortetet Gary und zog ein Fossil aus seiner Tasche.
    "Wow" sagt Jace nur und begutachtete das versteinerte Pokemon. "Und was willst du mit einem toten Pokemon machen?"
    "In Erzelingen gibt es ein Museum, das Fossile Pokemon wieder zum Leben erweckt. Dieses kleine Schuckelchen hier wird mein Team bereichern" antwortete Gary, zwinkerte und packte das Fossil in viele T-Shirt und Hosen gewickelt in seine Tasche.
    "Ich will auch ein Fossilpokemon" schmollte Jace und zog den Reißverschluss seines Rucksack zu.
    "Tja, Pech Kleiner" lachte Gary, warf seinen Rucksack über die Schultern und ging mit dem Ei in den Armen zur Tür. Jace folgte ihm mit Kindwurm, das ein Nickerchen in Jace' Haaren machte.


    "Warum genau mussten wir wieder auf unser Zimmer? Wir waren fast weg hier und haben unsere Sachen gepackt." In Chloés Augen blitzte eine Mischung aus Wut und Langeweile auf, als sie diese Worte über die Lippen brachte. Lucia musterte sie entschuldigend, während sie ausgestreckt auf ihrem Bett lag. "Gary sah halt total schmutzig aus, und wir hätten ja nicht einfach ohne seine Sachen gehen können." Sie lächelte verlegen. Ihre blauen Haare ruhten sanft auf ihren Schultern, und nach unten hin wurden sie immer welliger. Sie glänzten im Sonnenlicht, das durch das noch immer geöffnete Fenster hindurchfiel, und sie rochen nach Shampoo und Blumenwiese. Chloé beneidete ihre Freundin nicht das erste Mal ihrer Haare wegen. Verstohlen nahm sie eine ihrer Strähnen zwischen die Finger, und sie fühlte sich matt an und wirkte fast glanzlos im Gegensatz zu Lucias Pracht. Und wenn sich Chloé nicht irrte, so konnte sie an ihren brünetten Haarspitzen Ansätze von Spliss erkennen. Resigniert seufzte sie und ließ die Strähne los. Dann stand die Koordinatorin auf und nahm ihre Tasche, in der sie nun auch, aus Angst vor Strapazen auf der Weiterreise, ihr Ei verstaut hatte. Sie legte sich den Henkel ihrer Tasche über die Schulter und fragte in die entstandene Stille hinein: "Die Jungs sollten mittlerweile fertig sein. Können wir?" Ohne auf eine Antwort zu warten machte Chloé die Tür auf und trat heraus, und sofort traten in ihr Blickfeld die beiden braunhaarigen Jungen, und Chloé fiel unwillkührlich auf, dass die Haarfarbe Jace' Augen besonders hervorhob, im Gegensatz zu Garys, die fast komplett gleich aussahen. "Na, Mädels," Gary zwinkerte den beiden zu, und in sauberen Klamotten stach sein noch immer leicht staubiges Gesicht stark hervor. "Können wir?" Die beiden Mädchen nickten im Gleichtakt und das führte zu einem spielerischen Lächeln von Jace, der vorausging.
    Als sie das Pokemoncenter verlassen hatten, fiel Chloé ein, dass sie Schwester Joy doch nicht nach den unzähligen anderen Schwester Joys gefragt hatte, und die Brünette ärgerte sich und biss sich ausversehen auf die Zunge, sodass sie den metallischen Geruch von Blut schmeckte. Dann eben ein anderes Mal, es gibt ja genug von ihnen, dachte Chloé und schluckte den rostigen Geschmack schnell hinunter. Dann lenkte Jace ihre Aufmerksamkeit auf sich, und Chloé betrachtete den grünäugigen Trainer interessiert, befürchtete aber, sich in der endlosen Grüne seiner Augen zu verlieren. So verweilte ihr Blick auf seinen Lippen, die sich fast behutsam öffneten und schlossen, während er redete. "Wusstet ihr, Gary hat in den Ruinen einen Forscher getroffen, und hat sich ein gewisses Wissen über die Legenden von Sinnoh angeeignet." Er machte eine Pause, doch man konnte ihm ansehen, das er noch nicht fertig war, als wollte er zum finalen Stoß ansetzen, was er dann auch tat. "Und dann hat er ein Fossil gefunden!" Chloés Augen weiteten sich, ebenso wie Lucias. "Zeig mal." forderte diese, doch Gary winkte ab. "Später. Ich habs vorhin erst eingepackt, ich wills nicht unnötig stören." "Es ist kein Ei." entgegnete Jace schmunzelnd. Gary ignorierte ihn und fuhr fort. "Deshalb möchte ich nach Erzelingen, um das Fossil zu einem Pokemon zu machen. Einverstanden?" Einvernehmliches Nicken war die Antwort, und Gary schaute mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht wieder nach vorne. Dann ertönte Lucias Stimme, die Chloé kurzzeitig zusammenzucken ließ. "Wenn du sagst, Sinnoh-Legenden, was meinst du? Kleiner Eignungstest: Was hat es mit den legendären Seewächtern aufsich?" Gary stutzte, schien sich aber nicht aus der Ruhe bringen lassen zu wollen. Nach kurzem Zögern gab er die Antwort.


    "Ja, also..." Und dann sprudelte es nur so aus ihm heraus. "Es war vor vielen, abermillionen Jahren. Mit einem Knall entstand das Universum, was übrigens, der Legende nach, Arceus erschaffen hat. Ebenso entstand ein einzelnes Ei, in dem sich die beiden wichtigsten Wächter und die drei Seewächter befunden haben: Palkia, Herrscher über den Raum, Dialga, Herrscher über die Zeit, und dann, naja, noch Vesprit, Selfe und Tobutz, das See-Trio, halt.
    Nachdem diese wichtigen Pokemon geschlüpft waren, erschuf Dialga die Zeit und Palkia den Raum. Sie schickten Vesprit, Selfe und Tobutz, um ihre Welt zu beschützen, und vorzugsweise den Menschen noch das Gute zu lehren, soweit ich weiß. Ich hab im Pokedex nachgeschaut, den mein Opa mir gegeben hat: Vesprit ist das fühlende Wesen, und es lehrt den Menschen die Ideale von Trauer, Schmerz und Freude. Selfe ist das wissende Wesen, es soll angeblich die Einnerungen derer löschen, die ihm in die Augen sehen. Und dann noch Tobutz, das starke Wesen. Wie ihr wisst, war es das, was Team Galaktik beim See der Kühnheit gefangen genommen hat. So heißt es auch im Pokedex: Es schläft auf dem Grund eines Sees und hält die Welt so in Balance." Gary machte eine dramatische Pause, in der er jedem seiner drei Freunde in die Augen sah. Lucia sog scharf die Luft ein und fragte mit leiser, zittriger Stimme: "Aber wenn Tobutz die Welt in Balance hält, indem es im See schläft, und es von Team Galaktik entführt..." Ihre Stimme brach, und Gary erzählte eisern weiter, kaum Mitgefühl in der Stimme. "Naja, natürlich ist es furchtbar, was passiert ist. Man mag sich gar nicht ausmalen, was Team Galaktik mit Tobutz macht, aber es existieren immerhin noch die anderen beiden Wächter, Versprit und Selfe. Erst wenn auch die beiden in Team Galaktiks Gewalt sind, gibt es echt Ärger. Denn mithilfe des Trios können sie Dialga und Palkia heraufbeschwören, und was dann passiert, mag ich mir gar nicht auszumalen." Der angehende Professor blickte zur Seite, die Zähne sichtbar zusammengebissen, doch dann schien er sich schon wieder gefangen zu haben und erzählte weiter. "Aber mal abgesehen davon. Es ist zwar nicht sehr von Bedeutung, aber du wolltest ja mein Wissen testen. Neben Dialga, Palkia, dem See-Trio und Arceus gibt es noch Giratina, den Herrscher eines, naja, nennen wir es mal, Paralleluniversums. Es lebt in einer Zerrwelt, in der Spiegelwelt unserer Welt. Und angeblich soll es auf alten Fiedhöfen erscheinen." "Hör auf Gary", bat Chloé, die aufgrund Giratinas Legende angefangen hatte zu zittern, sehr zu Garys Belustigung, der sogleich seine Hand 'beruhigend' auf ihre Schulter legte. Lucia stimmte mit ein. "Ja, Gary. Glückwunsch, dein Wissen ist beeindruckend, ich könnte das aber auch, wenn ich so einen modernen Pokedex hätte. Aber genug der Märchenstunde," schloss Lucia.


    "Aber das sind alles nur Legenden!" warf Jace ein. "Wahrscheinlich will Team Galaktik einfach nur irgendwas anderes Böses mit Tobutz tun. Darum wird sich schon die Polizei kümmern." Der junge Züchter sah sich verwirrt um. "Wo sind wir?"
    "Auf Route 211" sagte Lucia, "sie führt von Elyses durch den Kraterberg nach Ewigenau."
    Jace sah sich um. Der Weg, den sie gerade gingen, war sehr steinig und nur wenige Bäume säumten die Straße. Am Horizont ragte ein gigantischer Berg gen Himmel. Seine Spitze war mit Schnee bedeckt. "Es ist nicht mehr weit, keine Sorge und wir müssen auch nicht auf den Berg steigen, ein Tunnel führt hindurch" ertönte erneut Lucias Stimme.
    "Ok" sagte Jace, "wie geht es eigentlich euren Eiern?" versuchte Jace das Thema zu wechseln.
    "Meins verhält sich wie ein Stein" sagte Gary und befreite mit einem Taschentuch sein Ei vom Staub.
    "Tja, was hat Marie nochmal gesagt: Nur wer geduldig ist, wird auch erfolgreich sein." höhnte Lucia.
    "Ach, wie verhält sich denn dein Ei, Miss Geduld in Person!" fauchte Gary.
    "Auch wie ein Stein" schmollte Lucia und drückte ihr Ei ganz fest an sich.
    "Pah, da haben wirs" sagte Gary.
    "Chloé? Wie siehts bei dir aus?" wand sich Jace an die brünette Koordinatorin.
    "Ähm, ich weiß nicht. Ich hab mein Ei immer in der warmen Tasche. Vielleicht hilft das ja." sagte Chloé schüchtern und sah auf den Boden.
    "Ja, das könnte eine gute Idee sein. Eier brauchen es warm. Nicht zu kalt, nicht zu warm. Manche Pokemon strahlen Wärme aus, wodurch Eier schneller schlüpfen."
    "Aha" sagte Chloé. Dann wandte sie ihren Blick zu dem Berg und erschauderte.


    "Se...seht ihr das auch?" Chloés grüne Augen waren fast beunruhigend weit aufgerissen, sodass ihre Wangenknochen hervorstachen. Alle Blicke folgten dem ihren, und alle drei hielten den Atem an. Chloé schnappte benommen nach Luft. In ihrem Kopf drehte sich alles. Schon lange hatte sie davon geträumt, dieses Pokemon zu Gesicht zu bekommen, und auch wenn es nicht legendär war, so war die Aufregung in Chloés Inneren nicht minder gigantisch. Gary war der erste, der sich wieder gesammelt hatte. "Ein...Absol?" Chloé schluckte erneut. Es war so schön. Die Sonne stand hoch am Himmel, sodass das weiße Fell des graziösen Pokemon fast noch heller schien als der Schnee am Gipfel des Berges. Das Fell schimmerte - Chloé wünschte sich in dem Moment nichts sehnlicher, als es zu streicheln. Das anmutige Pokemon blickte auf die Trainer herab, seine Krallen schienen rasiermasserscharf. Jace taumelte unruhig von einem Bein auf das andere. "Ihr wisst doch, wie es heißt, oder? Angeblich taucht Absol nur auf, wenn eine Katastrophe bevorsteht. Mir ist da nicht ganz wohl bei." erläuterte der angehende Züchter. Doch Chloé hörte ihn kaum. Alles um sie herum schien zu verschwimmen. Sie wollte nicht glauben, dass eine Katastrophe bevorstand. Das konnte nicht sein, nicht bei diesem schönen Pokemon. Und Chloé hielt die Luft an, als sie in die komplett schwarzen Augen des Absol blickte. Die onyxschwarzen Augen, die auf ihr ruhten.

  • Absol stand auf einem Felsen über den Jugendlichen. Seine schwarzen Augen durchbohrten die Trainer. Dann blieb sein starrer Blick auf Chloé haften. Jace sah zu der Koordinatorin. Sie schien von Absol hypnotisiert und bewegte sich nicht. Plötzlich sprang das schneeweiße Pokemon hinab. Direkt auf das brünette Mädchen. "Chloé" rief Jace, packte die Koordinatorin am Handgelenck und zog sie Richtung Höhleneingang. Die Jugendlichen rannten so schnell sie konnten. Das Pokemon landete auf dem steinigen Untergrund und fauchte den Trainern hinterher. Jace sah zu Chloé, die eher vorwärts stolperte als rannte. Die Koordinatorin sah immernoch zu dem Unlicht-Pokemon. Bis die völlige Dunkelheit die kleine Gruppe verschlang.
    Plötzlich strahlte ein Licht durch die Höhle. Es war still, nur gelgentliches Tropfen von Wasser hallte von den Wänden. Ansonsten war es still. Zu still fand Jace. "Wieso hört man hier keine Pokemon?" fragte er in die Runde. Sie standen alle hinter einem Felsen in einiger Entfernung vom Höhleneingang.
    "Keine Ahnung. Das Absol war mir schon Zeichen genug. Lasst uns schnell von hier verschwinden!" antwortete Gary und die Gruppe machte sich wieder auf dem Weg.
    Jace´ Herz klopfte bis zum Hals. Der Schock und der plötzliche Sprint ließen ihn schwer Atmen. Schweiß sammelte sich auf seiner Stirn. Als er sich die feuchten Tropfen mit dem Handrücken weg streichen wollte, bemerkte er, dass er immer noch Chloés Handgelenk hielt. Er ließ sie los und fragte: "Ist alles ok bei dir?"
    "Jaja, alles ok" antwortete diese und sah kurz über ihre Schulter nach hinten.
    Plötzlich halte ein leises Pfiepen durch die Höhle. "Was war das?" sagte Gary und sah erschrocken durch die Reihe.


    Chloé wusste selbst nicht, was in sie gefahren war. Der Blick des Absol, so schwarz wie die Nacht selbst, hatte sie völlig in ihren Bann gezogen. Schon immer hatte sie sich gewünscht, ein Absol zu sehen - doch sie musste sich eingestehen, trotz der Anmut und Schönheit wirkte es bedrohlich. Sie hatte das Pokemon erst dann in eine hintere Ecke ihres Hirns verfrachten können, als sie sich keuchend auf die Knie beugte, Jace' warme Hand um ihr Handgelenk. Sie hatte kaum gemerkt, wie sie weggelaufen waren. Chloés Lungen brannten und verzweifelt versuchte sie, Sauerstoff hinein zu befördern. Mit einem letzten, tiefen Atemzug richtete sich das Mädchen auf und blickte durch einen Tränenschleier, ohne das sie wusste, wieso er überhaupt da war, auf ihre Freunde. Jace hielt sie immer noch fest, was sie erröten ließ. Auch er keuchte und sein Brustkorb hob und senkte sich verkrampft. Gary hatte sich ebenfalls auf seine Knie gestützt, schien aber nicht die Atemnot zu haben, die bei den anderen herrschte. Lucia hingegen hatte sich erstmal hingesetzt, war inzwischen aber wieder aufgestanden. Chloé blickte sich um - sie waren nicht lange gerannt, aber sie befanden sich schon inmitten des alles verschlingenden Berges. Chloé blinzelte ein paar Mal, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, doch alles was sie im trüben Licht erkennen konnte, waren undeutliche Umrisse von Steinen. Auch vom Absol war nichts mehr zu sehen, was Chloé ein Stück weit traurig machte. Doch sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als sie dieses Pfiepen vernahm, was sich schrill und unangenehm durch ihr Trommelfell fraß, mit der Zeit aber irgendwie wärmer und angenehmer wurde, was Chloé erstaunte. Und wenn sie sich nicht irrte, kam es aus ihrem Rucksack. Sofort machte ihr Herz einen Sprung, was nach dem plötzlichen Spurt nicht unbedingt gut war - der Koordinatorin wurde schwindelig, doch davon ließ sie sich nicht beirren. Sie stellte schnell ihren Rucksack ab, drehte sich und beugte sich hinab, und von der schnellen Bewegung stieg ihr Galle in den Mund, doch widerwillig schluckte sie es hinunter. Sie öffnete den Reißverschluss - und ein Leuchten, hell wie weißer Schnee in der Mittagssonne, erfasste die Dunkelheit, und Chloé hielt den Atem an. Ihr Blick schärfte sich durch das plötzlich eingetrende Adrenalin, und nachdem das Licht verblasst war, sah sie es: Ein hellrotes, flauschiges, kleines Knäul in ihrer Tasche, wo sich einst das Ei befunden hatte. Die Brünette hörte ihre Freunde scharf einatmen, und einzelne Sätze von Gary und Jace drangen an ihr Ohr. "Also, nach einem Unheil sieht mir das nicht aus!" und "Unfassbar, normalerweise brauchen Eier sonst viel länger..." Und dann noch Lucias Stimme, die schrill von den steinernen Wänden widerhallte. "Chloé, wie süüüüüüüüüüüüß! Ein..." "Vulpix..." flüsterte Chloé und nahm das in sich zusammengerollte Fellknäuel behutsam in die Hände. Sein Fell war sanfter als Voltilammwolle, dem war sich Chloé sicher. Es umstreichelte ihre Finger und kitzelte ihr Gesicht, als sie es sanft an sich drückte. Das Babypokemon gab ein kaum wahrnehmbares Quiken von sich, und öffnete die Augen, erst schwerfällig, dann aber ganz. Seine Augen strahlten Neugier aus, und Chloé hatte bei dem Anblick vergessen zu atmen. So sog sie leise, um das Vulpix nicht zu erschrecken, die Luft ein, die zu ihrem Erstaunen tatsächlich nach Neugeborenem roch, aber nicht aufdringlich und unangenehm, sondern so schwach und süßlich, dass es Chloé Tränen der Freude in die Augen trieb. Das Vulpix in ihren Händen gähnte herzhaft und drehte sich langsam, um anscheinend weiterzuschlafen. Ein mütterliches Lächeln schlich sich auf Chloés Gesicht. Doch der Moment der Freude sollte nicht von langer Dauer sein. Plötzlich hörte die Koordinatorin ein markerschütterndes Geräusch, als würden die Steine um sie herum bersten. Sie sah nur einen großen Schatten, konnte aber viel mehr nicht ausmachen. Denn sie konnte nur noch das Vulpix zärtlich an sich drücken und losrennen.


    Jace begutachtete das neugeborene Feuerpokemon. Es sah zwar sehr gesund aus, allerdings wirkte es etwas erschöpft. Bevor Jace sich weitere Gedanken machen konnte, ertönte das Geräusch von zerbrechendem Gestein. Aus dem Augenwinkel sah der junge Züchter, wie ein graues, großes Etwas aus der Wand herausbrach und auf die vier Jugendlichen zustürmte. Jace schrie: "Lauft!" Alle rannten dem jungen Züchter hinterher. Das gigantische Monster verfolgte die kleine Gruppe. Der grünäugige Trainer sah über seine Schulter und erblickte nur den silbern glänzenden Kopf des Ungeheuers. Winzige Augen fixierten sie. Der felsige Boden bekam Risse unter dem Gewicht des Monsters. Plötzlich ertönte erneut das Krachen von Felsen. Danach war es ruhig. Nur die schnellen Schritte der Jugendlichen hallten von den Wänden wieder.
    "Ich glaub es ist weg" sagte Gary und blieb keuchend stehen.
    "Was war das?" fragte Lucia.
    "Wichtiger ist erstmal: Wo ist der Ausgang?" sagte Jace, der verwirrte durch die Höhle blickte.
    "Sagt jetzt bloß nicht, wir haben uns verlaufen!" knurrte Gary. Alle sahen bedrübt nach Norden, Osten, Süden und Westen - jedenfalls dachten sie, dass es diese Richtungen sind. Doch bevor jemand noch etwas sagen konnte, schallte ein Kratzen durch den Tunnel. Alle zuckten zusammen und sahen zu der Geräuschquelle. Ein kleines maus-ähnliches Pokemon mit dunkelbraunen Stacheln auf dem Rücken wetzte seine Klauen an einem Stein.
    "Also, das dort drüben ist ein Sandamer" sagte Gary und atmete tief durch.
    Auf einmal erstarb das kratzende Geräusch und das Boden-Pokemon sah die Trainer an.
    "Ich hoffe, es will uns jetzt nicht auch noch angreifen" befürchtete Lucia.
    Doch dann hob es den Arm, machte eine winkende Bewegung und verschwand hinter einem Felsen.
    "Ich glaub, wir sollen ihm folgen" sagte Gary und ging zögerlich dem Pokemon nach.
    Die anderen wechselten kurze Blicke und liefen dann dem Professor hinterher.
    "Seid wann helfen Sandamer eigentlich Menschen?" fragte Jace etwas misstrauisch.
    "Frag mich nicht, ich hoffe nur, dass es uns wirklich zu einem Ausgang führt" antwortete Gary. Nach einigen Minuten oder Stunden, Jace konnte die Zeit nicht richtig einschätzen, wurde Sandamers Silhouette von Licht, das durch ein großes Loch vor ihnen fiel, beleuchtet. "Ein Ausgang" rief Gary und rannte auf das Boden-Pokemon zu. Doch plötzlich zerbrach die Wand zwischen Gary und Sandamer und das graue Monster versperrte ihnen den Weg in die Freiheit.


    Chloé wusste nicht, was ihr mehr zusetzte: Die beißende Angst, die alles in ihr betäubte, oder die Befürchtung, dass das noch nicht alles war. Das Vulpix in ihren Händen, nah an ihre Brust gedrückt, quengelte, schrie wie ein Baby, das unbedingt Milch brauchte. Es zerriss Chloé das Herz, sodass sich eine einsame Träne ihre Wange hinab schlich, die sogleich vom samtroten Fell des Babypokemon in ihren Armen aufgesogen wurde. Es war gerademal ein paar Minuten alt. Und musste schon so eine Hölle durchleben. Schuldgefühle fraßen sich in Chloés Herz, doch sie hatte einfach keine Zeit, weiter darüber nachzudenken - sie war viel zu abgelenkt damit, schnappend die Luft einzuatmen, versuchen, nicht vor Erschöpfung ohnmächtig zu werden, und wegzulaufen, obwohl ihre Beine jeden Moment unter ihr nachzugeben drohten. Der Wind, der bei ihrem ständigen Gerenne in ihr Gesicht peitschte, trieb ihr die Tränen in die Augen, doch sie rannte weiter - nicht für sich, sondern für ihr Vulpix, das sie sofort in ihr Herz geschlossen hatte. Und für Jace. Der Gedanke an ihn ließ ihr Herz nur noch mehr rasen und ließ sie das überstehen. Jedenfalls ein wenig. Das graue, metallische Pokemon hatte Chloé nach reichlich überlegen einordnen können: Stahlos, eines der furchterregensten Pokemon das sie kannte. Abgesehen von Gengar. Brrr, Gengar. Eine Gänsehaut machte sich auf ihrer Haut breit.
    Im Kraterberg war es laut. Entweder war die Luft erfüllt von den unverständlichen Rufen ihrer Freunde, dem Krachen und Brechen von Stein, den dröhnend lauten Rufen des Stahlos, dem Scharen anderer Pokemon und wenn das alles nicht zu hören war, mindestens das gehetzte Rennen der Jugendlichen. Unwillkührlich musste Chloé an das Absol denken. Es taucht nur auf, wenn eine Katastrophe bevorsteht. Chloé schluckte, und in dem Moment stolperte sie über einen Stein, konnte aber gerade noch verhindern, zu stürzen. Der Lärm des Stahlos war verschwunden, doch sie rannten immer noch - bis vor einem Ausgang das Pokemon wieder aufgetaucht war. Chloé war sich sicher, so viel Angst noch nie empfunden zu haben. Ihre Beine hatten sie nie lange oder schnell getragen - das war einfach nicht ihre Sache. Um so beeindruckender, das sie immer noch spürte, wie ihre Lungen sich mit jedem Schritt, den sie rannte, schmerzhaft zuzogen. Sie begann zu keuchen. Sie hatte solche Angst, unvorstellbar. Doch sie musste nur Jace ansehen, und es ging ihr, zumindest ein klein bisschen, besser. Doch dann sollte etwas passieren, zudem dieser Begriff wirklich fabelhaft passte: Katastrophe.


    Jace´ Herz blieb stehen, als das Stahlos seine weißen Zähne entblößte und einen dumpfen Schrei ausstieß. "Ich schätze, wir müssen wieder kämpfen" sagte Jace und hatte schon eine Hand an seinem Gürtel, wo seine Pokebälle hingen.
    "Endlich wieder ein wenig Aktion" stimmte Gary ein und hielt schon einen Pokeball in der Hand.
    Doch dann schallte eine eiskalte Stimme durch die Höhle: "Das würde ich besser lassen!" Die Jugendlichen wirbelten herum. Da stand er wieder. Der Typ im Anzug, mit glänzender Glatze und schwarzer Sonnenbrille. Hinter ihm standen wieder diese Leute mit den türkisen Topffrisuren, die auch schon die Pension überfallen hatten. Neben ihm knurrten Hundemon und Magnayen.
    Wut und Hass sammelten sich in Jace. Sein gesammter Körper verkrampfte sich und seine Hände ballten sich zu Fäusten. Seine Kehle war staubtrocken. Er zog die Luft scharf ein. "Matze! Was machst du hier!" knurrte Jace.
    "Ich war eigentlich nur auf der Durchreise, aber wenn ich euch schonmal hier treffe, kann ich mir einen kleinen Bonus einsammeln." Bei seinen letzten Worten fixierte er Chloé mit einem lüsterndem Blick.
    Jace und Gary stellten sich beide vor die brünette Koordinatorin. "Wenn du denkst, wir lassen zu, dass du sie auch nur berührst hast du dich getäuscht!" schrie Gary.
    "Jungs, seht ihr nicht, dass ihr ein für alle mal in der Falle sitzt?" Matzes Gelächter schallte durch die Höhle. "Hallo? Hinter euch steht mein neuer Freund Stahlos und vor euch steh ich. Ihr habt also keine Chance! Ihr entkommt mir diesmal nicht!" Das Gesicht des Glatzkopfs wurde von einem hässlichen Grinsen geziert. Ein eiskalter Schauer lief Jace´ Rücken hinab. Matze hatte Recht. Sie saßen wie vier Mäuse vor einer Horde hungriger Katzen.

  • Gehetzt sah Chloé sich um. Auch wenn ein Tränenschleier ihr die Sicht vernebelte, so würde sie diese Umrisse selbst blind erkennen: Matze. Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinab, der sie fast vergessen ließ, wie kalt es im Kraterberg wirklich war. Ihre Nackenhärchen stellten sich auf. Sie begann unbewusst zu hyperventillieren und drückte das kleine Babypokemon in ihren Armen noch enger an sich, und es quikte nörgelnd. Doch Chloé konnte es nicht loslassen. Nicht jetzt, da eine so große Gefahr auf sie zukam, dass es ihr den Atem raubte. Und trotzdem empfand sie ein unendlich dankbares Gefühl, als sich Gary und Jace schützend vor sie stellten. Ihr Herz flatterte und auch wenn sie in der Falle saßen, war die Brünette froh, dass sie stehen und sich für einen Moment ausruhen konnten. Sie spürte, wie ihre Beine zitterten, doch sie versuchte mit aller Kraft, stehen zu bleiben. Plötzlich spürte sie Lucia neben sich, die ebenfalls völlig entkräftet wirkte. "Chloé...einen schlechteren...Zeitpunkt hätte sich...Vulpix nicht aussuchen können..." Sie keuchte und atmete so heftig, das Chloé Mühe hatte, ihre Freundin zu verstehen. Doch sie machte sich nicht den Aufwand zu antworten, denn sie benötigte alle Kraft, die sie besaß. Chloé blinzelte ein paar Mal, um ihre Sicht zu schärfen, obwohl sie Matze eigentlich gar nicht wirklich sehen wollte. Aber dann beschloss sie, den Blick einfach abzuwenden und sich umzusehen, nach irgendeiner Möglichkeit, dieser Falle zu entkommen. Sie drehte sich um und erstarrte. Da hatte sie doch beinahe komplett vergessen, dass sich das Stahlos noch immer hinter ihnen befand. Ein panischer Schrei entrann Chloés Kehle, den sie nicht verhindern hatte können. Die kleinen, bösen Augen des Pokemon funkelten das Mädchen an. Chloé zitterte. Sie versuchte den Ausgang hinter dem Riesen zu fokussieren, so nah, jedoch so fern. Schwach konnte sie die Umrisse dieses Pokemon erkennen - Sandamer. Es schaute verwirrt, und soweit Chloé es aus der Entfernung abschätzen konnte, ruhte sein Blick auf dem Vulpix, das sich ängstlich an Chloés Brust zusammengerollt hatte. Dann tat das Bodenpokemon etwas, mit dem die Koordinatorin nicht gerechnet hatte. Es grub sich in die Erde und war so schnell verschwunden, dass Chloé sich fragte, ob sie sich Sandamer bloß eingebildet hatte. Feiges Pokemon, dachte sie missmutig und vernahm schwach Matzes Stimme, die jedoch soweit von dem Rauschen in ihren Ohren überdeckt wurde, dass sie die genauen Worte nicht verstand. Und plötzlich ging alles ganz schnell.


    Jace fokussierte mit seinen grünen Augen den Glatzkopf. Sein Blut pulsierte in seinen Adern. Der junge Züchter presste die Kiefer aneinander und versuchte ruhig zu atmen, einen klaren Kopf zu bekommen. Er wechselte einen Blick mit Gary. Ein Blick, der mehr sagte als tausend Worte. Ein Blick, der zeigte wie lange die beiden Trainer schon befreundet waren. Ein Blick, der sagte, dass es noch lange nicht vorbei war. Die beiden Trainer grinsten. Doch bevor sie ihren stummen Plan ausführen konnten, erklang ein dröhnender Schrei hinter ihnen. Jace wirbelte herum. Stahlos schrie. "Was ist da los?" brüllte Matze durch die Höhle.
    Das würde ich auch gern wissen, dachte Jace und scannte das Szenario vor ihm. Stahlos hielt den Kopf in die Höhe, es hatte tiefe Kratzer am Kinn. Vor dem Stahlpokemon stand Sandamer. Zwischen den beiden Pokemon klaffte ein kleines Loch.
    "Gary? Passiert das gerade wirklich?" fragte Jace ungläubig.
    "Ja, Jace. Sandamer hat Stahlos einen heftigen Schlag mit Schaufler verpasst" gab der Professor in spe zurück.
    Der schmerzerfüllte Schrei von Stahlos wurde zu einem bösartigen Knurren. Die Stahlschlange fixierte das kleine mausähnliche Pokemon und stürzte sich mit weit geöffnetem Maul auf es. Doch das Sandamer schleuderte Dreck in die Augen des Gegners und sprang zur Seite. Das Stahlos verschwand im Erdboden. Die einzigen Anzeichen, das Stahlos da gewesen war, waren ein riesiges Loch in der Wand und eines im Boden. Perplex suchten alle das Stahlpokemon, doch es war weg. In einer grauen Staubwolke verschwunden. Das Sandamer stand wieder im Lichtschein und winkte den Jugendlichen zu. "Jetzt oder nie!" schrie Gary und die Jugendlichen rannten zum Ausgang.
    "Haltet sie auf! Sie entkommen mir nicht noch einmal!" brüllte Matze und sofort wurden Jace und Co. von den Höllenhunden und türkisen Topffrisuren gejagt.
    "Verdammt, diese Biester sind schneller als wir!" rief Jace und versuchte noch schneller zu rennen. Der junge Züchter hatte das Gefühl, schon den heißen Atem der Pokemon im Nacken zu spüren. Plötzlich brach der Boden unter Jace´ Füßen auf. Geschockt riss der grünäugige die Augen weit auf. Stahlos bohrte sich durch die Erde. Ein Jaulen schallte durch die Höhle, begleitet von wilden Flüchen.
    Jace lag am Boden. Ihm war kalt, eiskalt. Er hatte das Gefühl in Schnee begraben zu sein. Dann hörte er, wie Steine aufeinander prasselten und alles um ihn herum war weiß.


    Chloé überkam ein Gefühl von Erleichterung, als sie im Schnee lag. Und dann wurde ihr bewusst, dass sie im Schnee lag. Ein Woge der Kälte überrollte die Koordinatorin, und ihre Zähne begannen zu klappern. Auch das Vulpix in ihren Armen gab zittrige Geräusche von sich und bibberte, um sich schließlich noch weiter an Chloés Brust zu kuscheln. Für einen kurzen Moment vergrub das Mädchen ihr Gesicht im weichen Fell des Neugeborenen. Es spendete noch immer Trost, wie zu dem Zeitpunkt, als es noch ein Ei gewesen war. Und unter der Fellschicht konnte Chloé das leise, stetige Pochen eines kleinen Herzens ausmachen. Dann setzte sich Chloé auf, und der Atem, den sie ausstieß, bildete weiße Wolken in der Luft. Sie richtete ihren Blick auf den Höhleneingang: Er war komplett mit Steinen zugeschüttet. Das musste das Sandamer gemacht haben. Wie auf Stichwort erhob sich ein Stück Erde aus dem Boden und das Bodenpokemon tauchte auf und musterte die Trainer neugierig. Langsam kam es auf sie zu, und Chloé bekam ein schlechtes Gewissen, dass sie Sandamer als feiges Pokemon bezeichnet hatte. Dann bahnte sich eine Stimme in ihren Gehörgang, die von der Kälte zu Zittern begonnen hatte. Jace' Stimme. "Geht's euch allen gut?" Chloé sah den Trainer nicht direkt an, ihr Blick war immer noch auf den verschütteten Eingang gerichtet, doch sie spürte, wie sein Blick bei den Worten auf ihr ruhte. Glücklicherweise waren ihre Wangen vor Anstrengung und Kälte so gerötet, dass man ihr ihre Erregung nicht erkennen konnte. Alle nickten. "Gut." Er machte eine Pause, in der Gary übernahm. "Ich klär mal auf. Soweit ich das im Adrenalinrausch beobachten konnte, hat Sandamer Stahlos einen Sandwirbel in die Augen geschossen und das Monster ist abgehauen. Als es daraufhin wieder auftauchte, war es durch die Attacke so verwirrt, dass es Matze und seine Idioten für uns gehalten hat. Und so konnten wir fliehen." Ein siegreiches Grinsen umspielte seine Lippen, doch Jace ließ das Grinsen sofort erblassen. "Freu dich mal nicht zu früh. Wir wollten nach Ewigenau, weißt du noch? Doch nach meiner Einschätzung ist das hier weder der Ewigwald noch irgendeine andere grüne Route." Er schaute Chloé direkt in die Augen. Sofort wünschte sich diese, dass sie auf einer Route wären, die auch nur annähernd so grün wäre wie Jace' Augen. Er fuhr fort. "Wir sind auf der Route nach Blizzach, denke ich. Und so schnell können wir nicht zurück." Sein Blick schweifte zur Höhle. Und erst da schien er das Sandamer bemerkt zu haben. "Oh, ein Gast." Alle Blicken richteten sich auf das Pokemon, das langsam angetapst kam. Es blieb vor Chloé stehen und beschnüffelte das kleine Vulpix in ihren Arm. Erst hatte Chloé Angst verspürt, doch im gleichen Moment wusste sie, das von diesem Sandamer keine Gefahr ausging. Es hatte etwas so fürsorgliches in den Augen, dass Chloé ganz begeistert war. Sie lächelte und streichelte das erste Mal den Kopf von Vulpix. Und schmiegte sich zärtlich ihrer Hand entgegen. Dann ertönte Lucias Stimme hinter ihr. "Na, ich würde sagen, wir gehen erstmal nach Blizzach, der Wettbewerb hat wie gesagt noch 'ne Weile Zeit. Und ich glaube ich spreche für uns alle, das wir eine Verschnaufpause brauchen. Und hier können wir uns wenigstens einkuscheln." Bei den Worten zwinkerte sie Jace zu, und am liebsten hätte Chloé ihre Freunden mit einem Stein beworfen. Chloé meldete sich nun unter zusammengebissenen Zähnen zu Wort. "Dafür bin ich auch. Aber lasst uns bitte schnell losgehen, sonst frier ich hier noch fest." Wie zur Bestätigung ihrer Aussage klapperten ihre Zähne. Jace lächelte. "Okay," sagte er. "Dann wollen wir mal."


    Die Kälte kroch in Jace´ Knochen. Er zitterte. Kleine Wölkchen drangen aus seinem Mund. Ein leises Klappern erklang. Jace nahm Kindwurm aus seinen Haaren und drückte es ganz fest an seine Brust. "Was ist mit Kindwurm los?" fragte Lucia.
    "Es ist ein Drache und Drachen vertragen keine Kälte" antwortete Jace knapp.
    "Dann ruf es doch in seinen Pokeball" sagte Lucia. Erst nach diesen Worten fiel Jace auf, dass er Kindwurm noch nie in einem Pokeball hatte. Es saß immer auf seinem Kopf.
    Der angehende Züchter holte einen leeren Pokeball aus seiner Tasche und rief Kindwurm hinein. Nachdem der rot-weiße Ball zweimal hin und her gewackelt war, blinkte er kurz auf und blieb dann still in Jace Hand liegen. Plötzllich überfiel Jace ein Gefühl der Einsamkeit. Er hatte sich schon daran gewöhnt, immer das kleine Drachenpokemon herumzutragen. Und jetzt schien es verschwunden. Jace packte den Ball ein und ging betrübt vor sich hin.
    Jeder in der Gruppe frierte und dennoch kämpften sie sich tapfer durch den Schnee, bis Gary fragte: "Kennt eigentlich jemand den Weg nach Blizzach?"
    Plötzlich blieben alle stehen und sahen in das endlose Weiß des Schnees. Dann schrie Chloé plötzlich und fiel in das gefrorene Wasser. Ein leises Pfeifen drang durch die Kälte. Das Sandamer stand hinter Chloé und sah beschähmt zu Boden. Sein hellbraunes Gesicht hatte einen leichten rotschimmer, als wäre es ihm peinlich. "Was machst du denn hier Sandamer?" fragte Jace.
    Das mausähnliche Pokemon sah zu Vulpix, das neben Chloé im Schnee lag. Die Koordinatorin rappelte sich auf und nahm das kleine Feuerpokemon sofort in die Arme. Es zitterte deutlich. Chloé warf dem Sandamer, das sie aus versehen in den Schnee geschupst hatte, einen bösen Blick zu. "Ich denke, es will uns nur helfen. Schließlich hat es uns vor Matze gerettet. Wir sollten ihm dankbar sein," sagte Gary in die Runde und richtete sich dann an Sandamer, "willst du uns begleitet?" Das Boden-Pokemon nickte heftig mit dem Kopf. "Na dann, willkommen im Team!" sagte Gary und warf einen Pokeball auf Sandamer. Die Kugel landete im Schnee, wackelte und blinkte ein paar mal auf, bis sie schließlich still liegen blieb. "So, jetzt zurück zu meiner Frage. Wo liegt den Blizzach überhaupt?"
    "Es ist die nördlichste Stadt in Sinnoh. Wir müssten eigentlich nur Route 216 und 217 folgen, dann sind wir da" antwortete Lucia.
    "Aber wo sind wir und in welche Richtung müssen wir?" hakte Gary weiter nach.
    "Lasst uns doch einfach weiter gehen. Irgendwann werden wir die Stadt schon finden" sagte Jace und lief stumpf weiter.
    Der Züchter hörte, wie Chloé zu Gary sagte: "Musstest du dieses tollpatschige Pokemon fangen? Wegen ihm wäre Vulpix fast erfroren!"
    Gary lachte und antwortete: "Mach doch nicht so einen Aufstand. Vulpix geht es gut und Sandamer ist stark. Du solltest ihm dankbar dafür sein, dass es uns vor Matze gerettet hat!"
    Die Koordinatorin sah nach diesen Worten leicht beschähmt zu Boden. Geistesabwesend streichelte sie ihrem Pokemon über den Kopf.
    Die vier Trainer stapften durch den immer tiefer werdenden Schnee. "Ich hoffe, dass wir uns nicht verlaufen und den Kältetot sterben" maulte Gary irgendwann vor sich hin.
    "Sei ruhig, wir werden diese Stadt schon irgendwann finden. Wir dürfen nur nicht stehen bleiben!" antwortete Jace.
    "Schaut mal, da vorne!" rief Lucia plötzlich.


    Sofort folgte Chloé Lucias Blick. Sie deutete auf einen Berg, nicht hoch, aber durch die Unmengen Schnee hatte er eine bedächtige Größe erreicht. Doch etwas war unnatürlich an diesem Hügel: Er wies einen pinken Fleck auf, der zudem auch noch hüpfte. Chloé kniff konzentriert die Augen zusammen, um ihren Blick zu schärfen, und dann konnte sie es sehen: Es war ein kleines, lila-pinkes Pokemon. Der Name des Pokemon schlich sich in ihren Kopf, als Lucia ihn auch schon lauthals ausrief: "Kussilaaaaaaaaaaaaaaa!" Ihre Stimme war so laut und schrill, dass Chloé eine Lawine befürchtete, doch glücklicherweise blieb diese aus. Das hätte ihnen auch noch gefehlt. Unwillkührlich musste Chloé zurück an das Absol denken, und was wohl aus ihm geworden war. Doch sie bekam nicht die Zeit, ausgiebig darüber nachzudenken, denn Lucia stapfte schon durch den Schnee, schien mit jedem Schritt in ihm zu versinken, immer weiter auf das Kussila zu. Zugegen, das war süß, aber wenn Chloé an seine Weiterentwicklung dachte, verstärkte sich ihre sowieso schon schlimme Gänsehaut. Plötzlich hörte sie Gary lachen, und auch Jace stimmte ein. Chloé wandte ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Kussila, und es winkte Lucia tatsächlich zu und schien durchaus erfreut, dass diese auf es zukam. Als die Blauhaarige Kussila erreicht hatte, drückte dieses, typisch für dieses Pokemon, ihr einen dicken Schmatzer auf die Wange, und Lucia schien fast umzufallen vor Aufregung. Sie nahm das Kussila auf den Arm und es wehrte sich nicht, dann rannte sie mit ihm in den Armen auf die drei anderen zu, und Chloé bewunderte es, dass sie in dem meterhohen Schnee nicht stolperte. Bei ihnen angekommen bettelte Lucia: "Kann ich es behalten? Es ist soooo süß! Bitte bitte bitte..." Das Pokemon in ihrem Arm kuschelte sich an Lucia und es sah aus, als wollte es sie nie mehr loslassen. Erneut lachte Gary auf. "Lucia, weder sind wir deine Eltern noch ist das ein streunender Hund. Wenn es bei dir bleiben will, dann behalt es ruhig. Ich find es passt zu dir." Erst glänzten Lucias Augen, doch dann verengte sie diese und fragte empört: "Was soll das denn heißen? Aber okay. Kussila?" Mit großen Augen blickte sie auf das kleine Pokemon in ihrem Arm hinab, und geistesabwesend begann Chloé, Vulpix' Köpfchen zu kraulen. Es schnurrte genüsslich und rieb seinen Kopf gegen ihre Brust. Die Koordinatorin lächelte. Dann hörte sie nur wieder ein schmatzendes Geräusch, und erschrocken fuhr sie hoch, in der Befürchtung, Lucia hatte ihn geküsst...
    Doch zu Chloés Erleichterung war es wieder nur das Kussila gewesen, was diese, ebenso wie Lucia als Zustimmung verstand. Doch Lucia machte nicht die Anstallten, als wollte sie das Pokemon in einen Pokeball verfrachten. Nein, sie behielt es im Arm. Nachmacherin, dachte Chloé mürrisch, und dann setzten die Jugendlichen ihren Gang fort. Irgendwie unfassbar, wir alle haben in kürzester Zeit ein Pokemon dazugewonnen, dachte die Brünette und lächelte. Dann wurde ihr wieder bewusst, wie kalt es war. Ihr Härchen an Armen und Beinen stellten sich auf, und wie schon so oft bereute sie es, keine Jacke und dafür knappe Klamotten eingepackt zu haben. Aber sie hatte ja nicht wissen können, dass sich ihr Urlaub so ändert. Also stapfte sie weiter. Der Schnee in ihren Schuhen hatte sich in Wasser verwandelt, was Chloé dazu veranlasste, wütend die kalte Luft einzusaugen, die in ihrer Lunge brannte und weh tat. Unbewusst krallte sie ihre Finger in Vulpix' Fell, was sich mit der Zeit ebenfalls beunruhigend abgekühlt hatte. Das Pokemon quengelte leise und Chloé lockerte ihren Griff. Ihre Fingernägel waren unangenehm blau gefärbt, und sie spürte schon ihre Fingerkuppen nicht mehr. "Sind wir bald da?", fragte sie, doch die Frage beantwortete sich selbst: Chloé blickte in die Ferne, sah jedoch nichts außer kalten, erbarmungslosen Schnee.

  • Chloé wusste nicht, wie lange sie schon gelaufen waren, immer nur geradeaus. Oder im Kreis? Ihr Orientierungssinn war schon lange ausgefallen. Das Wetter war zunehmend schlechter geworden - es schneite, und, so gerne sie den Anblick auch genossen hätte, im Moment spürte sie nur eine tiefe Abneigung dem Schnee gegenüber. Es war ja nicht so, als würden die vier Jugendlichen nicht schon bis zu den Knien im Schnee stecken - Chloé aufgrund ihrer Größe sogar bis zu den Hüften. Noch immer hielt sie ihr Vulpix im Arm, das sich eng an ihre Brust gekuschelt hatte. Das kleine Herz unter seinem hellroten Fell pochte unregelmäßig und es zitterte. Ein Pokemoncenter, dachte Chloé verbittert. Es ist noch so jung, kaum ein paar Stunden alt, ich muss es sofort in ein Pokemoncenter bringen! Unbewusst sammelten sich Tränen in den Augen der Koordinatorin und ein heißes Gefühl der Trauer brannte in ihrer Brust. Sie spürte, wenn auch nur leicht, da sie ihren gesamten Körper kaum mehr wahrnahm, wie eine leise Träne ihre Wange hinablief. Fast hätte Chloé damit gerechnet, dass sie zu Eis erstarren würde, doch sie tat es nicht. Noch nicht. Die Träne tastete sich ihren Weg Chloés Wange hinab, und die Berührung kitzelte auf ihrer tauben Haut. Bis schließlich zu ihrem Kinn, bis sie dann in das weiche, aber etwas steif wirkende Fell des Vulpix tropfte.
    Doch Chloé wollte nicht weinen. Nicht jetzt, das alles setzte ihr schon genug zu. Da konnte sie keine Kopfschmerzen, hervorgerufen vom Weinen, gebrauchen. Tief atmete sie die eingefrorene Luft ein, die in ihrer Lunge anfing zu brennen, anstatt einen kühlen Kopf zu bringen. Aber noch kühler hätte er wohl nicht werden können. Sie schaute zu ihren Händen hinab, die schützend das Vulpix hielten, doch an den Fingerkuppen hatte sich schon eine silberne, aus Eis bestehende Schicht gebildet. Resigniert seufzte Chloé, was die Aufmerksamkeit eines Jungen auf sich zog.


    Jace stapfte durch den Schnee. Er spürte nur noch diese stechende Kälte überall an seinem Körper. Er zitterte und seine Zähne klapperten. Seine Augen nahmen nichts außer diesem endlosen Weiß war. Es schien aussichtslos. Nur Schnee, Schnee und noch mehr Schnee. Der junge Trainer sah auf seine leeren Hände. Sie waren blass und seine Fingernägel begannen sich voilett zu verfärben. Er sah zu seinen Begleitern.
    Garys Lippen hatten einen starken blauen Ton. Das gefrorene Wasser, dass sich in seinen Haaren gesammelt hatte, glitzerte. Lucia war mit Kussila beschäftigt. Sie hatte es an ihre Brust gedrückt und streichelte über das gelbe Haupt des Pokemon. Chloé hatte den Blick dem weißen Boden zugewand. Das kleine Vulpix war schon in einer dünnen Decke aus Schnee gewickelt. Chloés Finger krallten sich in das gefrorene Fell des Feuerpokemon. In unregelmäßigen Abständen stiegen kleine Dampfwölckchen aus dem Mund von Vulpix auf. Ein Seufzen ertönte. Ein Funkeln, dass Chloés Wange hinabrollte, stach in Jace´ Auge.
    Der junge Züchter ließ seinen Rucksack von seinen Schultern hinab gleiten. Dass ich darauf nicht eher gekommen bin. Jace versuchte den Reisverschluss zu öffnen, doch seine Finger waren versteift. Ein Grummeln entkam seiner Kehle. Als er es schaffte, wurde seine Hand von warmen, weichen Stoff begrüßt. Am liebsten wäre Jace in seinen Rucksack geklettert, um sich vor der erbarmungslosen Kälte zu verstecken. Seine vereisten Finger - Jace befürchtete, sie würden zerbrechen - umklammerten etwas flauschiges. Mit viel Mühe zog er einen schwarzen Pullover und eine dünne graue Strickjacke aus seinem Rucksack. Jace lenkte seine Schritte so, dass er schnell Chloé erreichte. Ohne ein Wort zu sagen legte er ihr die Jacke um die Schultern und wickelte Vulpix so fest in den Pullover ein, dass es sich nicht mehr bewegen konnte und nur sein Kopf herausragte. Vulpix wirkte wie ein riesiges schwarzes Wollknäul. "Jetzt sollte ihm etwas Wärmer sein."


    Das Auftauchen von Jace überrumpelte Chloé nicht nur ein wenig. Sie hatte allmählich angenommen, mit der eisigen Kälte wäre auch ihr Umfeld komplett eingefroren. Doch dem war nicht so. Anscheinend könnte die umliegende Temperatur niemals Jace' Herz erreichen.
    "Nein. Nein, nein, nein...Jace. Es ist...v..verdammt kalt. Nimm selber, wir kommen schon zurecht..." Chloé war überrascht, dass sie überhaupt zu sprechen im Stande war. Bei ihrem Glück hätte sie vermutet, dass ihre Stimmbänder zusammengefroren waren. Sie begutachtete Jace. Tiefe Schatten lagen unter seinen Augen, die dadurch noch mehr hervorstachen. Und selbst das Grün in ihnen schien von einer dünnen Eisschicht bedeckt. Doch diese dünne Eisschicht war fast unsichtbar durch die Wärme, die sein Blick ausstrahlte. Seine Haare, in denen einzelne Schneeflocken glitzerten wie Sterne, fielen ihm in die Stirn. Sein Geruch war von der erstarrten Luft fast verschwunden, doch dafür haftete dieser umso stärker an seiner Jacke, die er ihr einfach umgelegt hatte. Doch wie immer konnte Chloé ihn einfach nicht beschreiben. Sie sah wieder zu Jace. Seine Lippen waren beängstigend lila gefärbt, ebenso wie seine Fingernägel, was Chloé beunruhigte. Seine Wangenknochen stachen stark hervor, was ihn aber nicht weniger attraktiver machte. Aber es war unverkennbar, dass auch er zitterte, es jedoch im Zaum zu halten versuchte. Chloé schluckte schwer an einem Kloß in ihrem Hals vorbei, während sie auf eine Antwort wartete. Doch wie es aussah, ließ Jace nicht lange mit sich reden. Sein Kiefer verhärtete sich, womit er wohl verhindern wollte, mit den Zähnen zu klappern. "Chloé, nimm. Du siehst nicht gut aus. Also, natürlich, aber..." Seine viel zu blassen Wangen nahmen einen leichten Rotton an, jedenfalls einen Schimmer, wenn Chloé sich nicht täuschte. Und auch in ihr Gesicht schoss eine kleine Spur Wärme. Schnell blickte sie auf ihr Vulpix, das sich friedlich in Jace' Pullover gekuschelt hatte. Ein Lächeln schlich sich auf Chloés Lippen, was sie gar nicht gedacht hatte, ihrer Meinung nach waren ihre Lippen schon seit einer Weile zugefroren und sie konnte nicht anders, als wieder hinauf in Jace' Augen zu blicken. Sein Blick war erst verlegen zur Seite gewandert, doch als Chloé den Kopf gehoben hatte, schaute auch er ihr wieder ins Gesicht. Einen endlosen Moment schienen sie sich einfach nur anzusehen, bis Chloé den Mund öffnete, um ihm zu sagen, wie töricht seine Idee war. "Jace, bitte. Die Kälte setzt auch dir zu, das sehe ich doch. Wieso gibst du sie mir also?"


    Jace riss seine Augen auf. Wieso geb ich ihr die Jacke? Auf diese Frage würde es nicht ausreichen, eine oberflächliche Antwort zu geben. Jace überlegte und vergaß alles, was um ihn rum los war. Vergaß die Kälte, vergaß das Taubheitsgefühl in seinen Muskeln, vergaß die bedrohliche Lage, vergaß alles und dachte nur an Chloé. Für einen Augenblick schloss er die Augen und sog die eiskalte Luft ein. Als er sie wieder öffnete sah er in das Gesicht von Chloé. Sie sah ihn mit diesen grünen Augen an, die ihn schon so oft angesehen hatten. Immer wenn Jace in diese Augen sahen, durchströmte ihn ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit. Sein Herz schlug schneller. "Darf ich nicht?" grinste Jace und fügte mit gespielter Beleidigkeit hinzu: "Dann geb ich dir halt nicht mehr meine Jacken."
    "Nein! So mein ich das doch nicht!" Betrübt sah Chloé zu Boden.
    "Ach, Chloé. Egal was passiert, ich werde dir immer meine Jacke geben. Es ist so und du musst das so hinnehmen. Es wird sich nicht ändern"
    Die brünette Koordinatorin sah mit einem Lächeln im Gesicht wieder auf. "Du bist echt süß Jace."
    "Ach, ich bin nur ein Gentleman" schüchtern fuhr sich Jace durch die Haare.
    Plötzlich ertönte ein Schrei. Jace zuckte zusammen. Nach einem schnellen Rundblick begannen alle in die gleiche Richtung zu rennen.

  • Chloé rannte. Sie rannte Lucia hinterher, ohne großartig weiter darüber nachzudenken. Als wäre es ein Instinkt, der sie alle in die richtige Richtung treiben würde. Ihre Gliedmaßen waren derart steif, dass Chloé alle Mühe hatte, überhaupt zu rennen. Nur langsam gewöhnte sich ihr Körper an die plötzlich eingetretende Anstrengung, denn das Taubheitsgefühl schwand nur geringfügig. Doch es war ihr egal. Sie rannte und rannte, der Schnee unter ihren Füßen gab mit jedem Schritt nach und sie versank immer wieder metertief, doch es kümmerte die Koordinatorin nicht. Sie wollte nur weg hier. Und wenn es nur so ging, dann musste sie das durchziehen.
    Chloé biss die Zähne zusammen, um das Klappern zu vermindern. Kleine, weiße Wölkchen bildeten sich vor ihr in der Luft, immer dann, wenn sie stoßweise ausatmete. Ihre Sicht war durch den hinabfallenden Schnee stark eingeschränkt, doch sie konnte sich an den Rufen ihrer besten Freundin orientieren: "Kussila! Kussila, bleib doch stehen!" Chloé konnte auch durch das Rauschen in ihren Ohren hindurch hören, wie sehr die Kälte in Lucias Kehle kratzte. So war das also. Ihr Kussila war weggelaufen. Und schlagartig wurde Chloé klar, dass dies nur zwei Möglichkeiten zur Folge haben konnte: Entweder, das kleine Pokemon führte sie geradewegs nach Blizzach, was eindeutig die günstigere Alternative war, denn Chloés Finger waren tauber denn je, auch wenn sie sich in die Jacke von Jace borhten, die dieser Vulpix umgelegt hatte. Das hellrote Pokemon in ihren Armen bewegte sich nicht mehr. Chloé konnte zwar noch seinen kleinen, langsamen Herzschlag fühlen, doch sie hatte Angst. Und diese Angst trieb sie weiter voran.
    Naja, und die zweite Möglichkeit wäre, das Kussila nur rennen würde. Egal wohin. Immer tiefer in den erbarmungslosen Schnee. Chloé schluckte, doch da gab es nicht viel zu schlucken. Ihre Kehle war staubtrocken, und selbst wenn etwas zum Schlucken dagewesen wäre, so wäre es längst gefroren.
    Allmählich spürte Chloé, wie ihr die Kräfte versagten. Ihre Beine begannen sich langsam, aber stetig in Wackelpudding zu verwandeln, und sie wusste, sobald sie erstmal am Boden liegen würde, gäbe es keinen Ausweg mehr. Außerdem wurde es nicht minder anstrengend, da der Boden unter ihren Füßen immer härte wurde. Moment mal, was?! Chloé verlangsamte ihr Tempo soweit, dass sie nur noch joggte. Sie spürte Boden. Richtigen, festen Boden! Sie blickte zu Boden. Dieser hatte zwar noch immer die Farbe von Wablufedern, aber nur noch ein hauchdünne Eisschicht bedeckte den Untergrund. Kein Schnee mehr. Kussila hatte sie also rausgeführt. Ein unbedachter Freudenschrei entfuhr Chloé und sie blieb stehen. Jedenfalls wollte sie stehenbleiben. Sie sackte auf die Knie, doch der Schmerz, der eigentlich hätte dasein müssen, kam nicht. Wahrscheinlich waren ihre Knie einfach noch zu taub dazu. "Wir sind gleich da," flüsterte Chloé dem zitternden Vulpix an ihrer Brust zu. "Gleich haben wir es geschafft."


    Eisiger Wind peitschte durch sein Gesicht. Die Kälte brannte auf seiner Haut. Alles an seinem Körper verfärbte sich unnatürlich violett. Und dennoch rannte Jace wie ein Verrückter. Er wusste nicht warum sie rannten, er hoffte einfach nur auf das Beste und sie würden auf Zivilisation treffen. Dann ertönte Lucias Stimme und Jace hätte am liebsten zurück geschrien, wie leichtsinnig sich die blauhaarige Koordinatorin verhielt. Das Kussilla würde sie wahrscheinlich nur noch tiefer in die Finger des Kältetodes führen. Allerdings reichten Jace' Kräfte nicht aus um zu schreien und er hatte das Gefühl, dass seine Lippen zugefroren waren. Daher verließ nur ein leises Murren seine Kehle und er rannte weiter, schließlich mussten sie zusammenbleiben. Seine Beine begannen zu schmerzen. Es fühlte sich an als würde jemand mit einem glühenden Messer Jace bei jedem Schritt in die Wade stechen. Trotzdem rannte er unaufhörlich weiter, denn sobald er stehen bleiben würde, wäre er verloren.
    Alles war weiß, nur die Kleidung der Trainer hoben sich verwischt von der Umgebung ab. In Jace´ Ohren hallte nur das Rauschen des erbarmungslosen Windes wieder. Plötzlich blieb eine schwummrige Gestalt direkt vor Jace stehen. Jace versuchte zu Bremsen und stehen zu bleiben, doch der Boden war zu glatt und rutschig. Ein schriller Schrei ertönte und Jace lag mit jemandem im Schnee.


    Gary stapfte durch den Schnee. Schräg vor ihm rannte Lucia ihrem neuen, aber hyperaktivem Kussila hinterher. Jace hatte ihn eben überholt (was natürlich daran lag, das Jace größer war und dadurch größere Schritte machte, nicht dass Gary langsam wäre). Gary drehte den Kopf nach hinten. Dort joggte Chloé in einigen Metern Abstand hinter ihnen her. Der Professor in spe verlangsamte sein Tempo, als Chloé auf die Knie fiel. Geschockt sprintete Gary zu der Koordinatorin. "Chloé alles ok bei dir?"
    "Ja es geht schon. Wir sind doch bald da oder?" Die Stimme des braunhaarigen Mädchens war nicht mehr als ein Zähneklappern.
    "Komm ich trag dich das letzte Stück" sagte Gary.
    "Nein dass brauchst du nicht, ich schaff das schon selber." antwortete Chloé und versuchte aufzustehen, doch sie brach wieder auf die Knie.
    Gary packte Chloé an der Taille und zog sie hoch, dann schob er eine Hand unter ihre Kniekehlen und die andere unter ihre Schulterblätter. Chloé wollte noch protestieren, doch sie hing schon in Garys Armen. Garys Herz schlug schneller. Er spürte wie sein Blut pulsierte und sein Atem stoßweise aus seinen Lungen drang. Er fragte sich, ob das jetzt von der Anstrengung kam oder wegen dem wunderschönen Mädchen in seinen Armen. Erst vorsichtig setzte er einen Fuß vor den Anderen. Dann begann er zu joggen und steigerte sein Tempo immer weiter. Bis sie Jace und Lucia erreichten.


    Chloés Augen begannen, zuzufallen. So sehr sie es sich nicht eingestehen wollte, aber Garys Arme waren einfach gemütlich. Nicht warm, die Umgebung hatte inzwischen wohl die gesamte Wärme jedes Lebewesens entzogen, doch bequem. Und die Kälte hatte Chloé alle Kraft entzogen, sodass sie nichtmal mehr dazu in der Lage gewesen war, aufzustehen, Wie peinlich. Doch nichtmal das erreichte Chloé in dem Moment. Sie wollte einfach nur schlafen. Mehr nicht. Und da ihr Körper ohnehin total taub war und gefroren schien, wieso nicht? Sie würde in diesem Moment nichts lieber tun als sich dem süßen Gefühl des Schlafes hinzugeben...
    "Schlaf nicht ein, Chloé." Leise drang Garys Stimme an Chloés Ohr, und sie fragte sich, wieso nicht? Er trug sie doch, sie musste nicht laufen, konnte einfach langsam in den Schlaf fliegen. Doch dann vermischte sich mit Garys Stimme noch eine andere, eine viel schönere, mit einem tadelnden Unterton. Jace' Stimme, und Chloé beschloss, sich an diesem Zipfel der Realität festzuklammern, um nicht wegzudämmern. Doch ihre Lider waren zu schwer, als dass sie die Augen hätte öffnen können. So lauschte sie nur.
    "Lucia, renn doch nicht wie blöd deinem Kussila hinterher!" "Aber -" "Nichts aber, es lebt hier doch schon lange, es hätte wohl auch überlebt, wenn du uns nicht in diese Lebensgefahr gebracht hättest!" Ein stilles Lächeln schlich sich auf Chloés Lippen, auch wenn es schwerfiel, das Mädchen hatte das Gefühl, als würden ihre Lippen bei dem Lächeln auseinander brechen, da sie solange nichts getan hatten. Dann gab es eine kurze Pause, und Chloé konnte den entsetzten Blick von Jace förmlich auf ihr spüren. Und jetzt wollte sie nichts sehnlicher, als ihn ansehen, entschuldigend und bittend, doch es war, als hätten sich unsichtbare Ketten um ihre Lider gelegt. Dann sprach Gary.
    "Jace, sie ist sehr schwach." Dann bebte seine Brust kurz, und Chloé konnte nicht abschätzen, ob vor Lachen und Schluchzen. Doch kurz danach wurde klar, das es ein unterdrücktes Lachen gewesen sein sollte. "Gut gemacht, Luci. Jace, seh mal hinter dich." Das Eis knackte unter Jace' Füßen, was wohl bedeutete, dass er Garys Befehl gehorchte, und dann hörte Chloé ihn scharf einatmen. "Okay, okay, gut gemacht Lucia. Jetzt aber alle schnell dorthin, ich will noch nicht dem Kältetod erliegen!" Und es ging weiter, Gary rannte und Chloé in seinen Armen wackelte hin und her. So wie sie das einschätzen konnte, war der Schnee unter ihren Füßen wieder tiefer geworden, doch kurz nachdem sie diesen Gedanken zuende gedacht hatte, blieb Gary stehen.


    Jace verspürte einen Stich im Herzen, als er sah, wie friedlich Chloé in Garys Armen lag. Er wollte diesen Anblick nicht noch länger als nötig ertragen, also folgte er Garys Rat und drehte sich um. Sein Atem blieb kurz stehen. Vor ihnen ragten ein halbes Dutzend Holzhütten aus dem Schnee, ein altes Steingebäude und eine Arena.
    Grummelnd stieß Jace ein Paar Worte als Entschuldigung aus und ging dann mit großen Schritten auf Blizzach zu.
    Jace fing an zu rennen, einerseits um der Kälte, andererseits um seinen Gedenken zu entkommen. Zwecklos. Gary mit Chloé in den Armen rannte ihm hinterher und somit konnte er seinen Gedanken und Gefühlen nicht davon laufen. Sein bester Freund und das Mädchen, für das er undefinierbare Gefühle spürte. Es konnte, durfte, sollte nicht sein. Jace konnte keinen klaren Gedanken fassen, doch eines war ihm klar. Sollte was zwischen Gary und Chloé laufen konnte er nicht mehr mit ihnen reisen. Er konnte es nicht über sein Herz bringen, dieses Mädchen zu verlieren!
    Ihm fielen Garys Worte wieder ein: "Jace, sie ist sehr schwach." Was wenn sie es nicht mehr rechtzeitig in die Stadt schaffen? Ein unmöglicher Gedanke! Jace sah über seine Schulter. Er hatte locker 100m Vorsprung. Er rannte zurück. Zurück zu dem Anblick, der ihm den Magen umdrehte und das Herz in Millionen winziger Splitter zerbrechen ließ.
    "Gary, lass mich Chloé tragen! Ich bin schneller und du hast selber gesagt dass wir nicht mehr viel Zeit haben!" Jace' entschlossener und sorgenvoller Blick traf den finsteren, berechnenden Blick von Gary.


    Chloé konnte Garys Zähneknirschen beinahe hören, doch es kümmerte sie nicht. Nicht, als Jace gesagt hatte, dass er sie tragen wollte. Ihr Herz, das zuvor eingefroren zu sein schien, explodierte förmlich und pumpte endlich wieder Blut durch ihren Körper, und endlich fühlte sich die Brünette wieder lebendig. Das Blut pulsierte in ihrem Kopf, und schließlich bekam sie die Kraft, die sie benötigte, um ihre Augen zu öffnen. Und schon raubte ihr der Anblick von dem aufgebrachten Jace den Atem. Sie war sich sicher, dass sie rot wurde. Endlich mal eine andere Farbe als blau und violett auf ihren Lippen und Nägeln.
    Doch die entstandene Pause war höllisch. Chloé war immer noch bitterkalt, und sie spürte, wie sich diese Kälte in ihr Herz zu schleichen versuchte, um sie zu schwächen. Jetzt musste sie eingreifen, oder die Jungs würden sich gegenseitig an die Gurgel gehen. Sie sammelte ihre Stimme, und glücklicherweise konnte man sie trotz des Zitterns hören. "Gary, bitte. Er hat Recht." Die Brünette konnte Jace triumphierend grinsen sehen, und sofort umgab das Mädchen die wohlige Wärme, die sie von Jace gewohnt war. Wie konnte er nur trotz der Umgebungstemperatur so unglaublich warm sein? Chloé konnte nicht anders. Kaum war sie in seinen Armen angekommen, kuschelte sie sich so eng an ihn, wie es das Vulpix in ihren Armen zuließ. Doch auch das kleine Feuerpokemon schnurrte zufrieden, und Chloé gab zustimmend ein sehnsüchtiges Seufzen von sich. Jace' Hände hielten sie fest, aber dennoch vorsichtig und zärtlich. "Danke," flüsterte Chloé noch, doch Jace hörte es nicht mehr. Er war schon losgerannt.

  • Sry, sry, sry, sry, sry...
    Ich hab echt ewig nicht mehr kommentiert, tut mir echt leid.


    Allerdings habe ich nicht vor, hier eine ellenlange erklärung zu tioppen, immerhin will ich etwas zu den Kapiteln sage.
    Aber eigentlich hauptsächlch zu den letzten beiden, sonst wir ddas echt ewig lang.
    Außerdem hab ich darauf keine Lust :P


    [tabmenu][tab=Geschichte]
    Ok, also wie immer finde ich die Geschichte gut.
    Was mich vor allem neugierig macht, sind die eiden verbliebenen Eier.
    Aber da werde ich wohl abwarten müssen, nicht?
    Um nicht jeden Absatz zu komentieren beschränke ich mich mal auf die in den letzten beiden kapis, die ich besonders gut fand.


    K. 34
    Ich finde, hier ast du toll beschrieben, wie sich Chloé sorgen macht, wegen ihrem kleinen Vulpix, Kuraudo.
    Na ja, würde sie das nicht, was wäre sie dann für eine Trainerin?
    was ich meine:
    eine gute stelle die danach find ich aber iwie noch besser,
    dass Jace dann ihr die Jacke gibt.
    Was mir allerdings fehlt: Auch, wenn sie durch das Kussilla abgelenkt war, hätte man nichtvllt Luci iwie mit einbauen können?
    spätestens dann in K. 35, als Jace Chloé getragen hat.


    nochmal k. 34:
    ich fand den letzten Absatz aber am besten, iwie total niedlich.
    Auch wenn das mit der Jacke für mich etwas komisch klingt,
    auch wenn es das einzige st, dass in dieser Situatuion passt.
    es klingt fast,
    wie wenn ein pärchen diskutiert, dass sie sich in welchen situationen auch immer, weiter liebem werden.
    soviel zu meiner Fantasie...


    K. 35
    Also, wie gesagt:
    total süß, dass Chloé getragen wird.
    aber mir fehlt an der stelle eben luci
    Na ja, ich denke, dass dazu vllt.später noch ein kommentar folgt.
    Ansonsten:
    schön, dass die vier endlich da sind ^^


    [tab=Rechtschreibung und grammatik]
    eigentlich kaum fehler.
    ich habe in den meisten kapiteln einen, vllt. zwei fehler gefunden. manchmal waren es auch mehr.
    jedenfalls ist das bei euch kein so großes problem.
    Was das angeht, habe ich also nicht wirklich etwas zu sagen.
    [tab=sonstiges]
    ich hoffe mal, ihr könnte mit diesem Buchstabensalat etwas anfangen.
    Ich werde ab jetzt mich wahrscheinlich wieder öfter hier zu wort melden.
    Also, ich freue mich auf das neue Kapi.
    Liebe Grüße, Nachtara


    [/tabmenu]


  • Chloés Augen begannen, allmählich zu zukleben. So kostete sie es alle Mühe, sie zu öffnen, als Jace endlich stehen geblieben war. Langsam hob sie ihre Lider, die Wimpern lösten sich nur schwer voneinander. Sie spürte noch immer die stetige Wärme, ausgehend von Jace' ganzem Körper. Seine Hände, die ihre Knie und ihre Schultern umfasst hielten, so behutsam, und doch so, als wollte er Chloé nie wieder gehen lassen. Auch seine Bewegungen waren vorsichtig, und er war nur so schnell gerannt, wie es das schlappe Mädchen in seinen Armen zuließ. Chloé selbst bekam nun endlich wieder Gefühl in ihre Finger. Sie schienen nicht mehr ganz so taub wie zuvor, nein sie konnte sich nun in das Vulpix bohren, wo ihre blaugefärbten Finger von einer flauschigen Jacke begrüßt wurden. Ein Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Sie war sich sicher, unter dieser dicken Schicht aus Daunen sah das zartrote Fell ihres frisch geschlüpften Pokemon bestimmt schon um einiges besser aus als zuvor. Plötzlich bemerkte Chloé, dass sie tatsächlich aufzutauen schien. Das Lächeln hatte eine Kettenreaktion hervorgerufen, ihre Wangen wurden, wenn auch nur minimal, etwas wärmer, ihre Wimpern schienen sich endlich von dem unsichtbaren Klebstoff befreien zu können, und ihre zugefrorenen, violetten Lippen waren bereit, sich langsam zu öffnen. Ebenso wie ihre Augen.
    Chloé war nicht bewusst gewesen, wie lange sie ihre Augen geschlossen haben musste. Aber es musste eine halbe Ewigkeit gewesen sein. Als sie die Lider vollständig gehoben hatte, empfing sie zunächst nur ein grelles, undurchdringliches Licht. Es brauchte Sekunden, bis sich auch nur Umrisse gebildet hatten, die sich jedoch nur minimal in der Farbe von dem gleißenden Licht unterschieden. Verzweifelt blinzelte Chloé, sie wollte so schnell wie möglich etwas erkennen, was ihr ein Zeichen geben konnte, wieso Jace stehen geblieben war. Nach unzähligen weiteren Sekunden aber breitete sich ein kleines Grinsen auf dem Gesicht der Brünetten aus: Sie erkannte allmählich das beleuchtete Pokemoncenter.


    Leise wich die Doppeltür zur Seite, als Jace auf diese zu sprintete. Wohlige Wärme, gleißendes Licht und eine gut gelaunte Schwester Joy und ein Heiteira empfingen den Trainer mit dem Mädchen auf den Armen: "Guten Tag und herzlich willkommen im Pokemoncenter von Blizzach!"
    "Schwester Joy! Chloé ist halb erfroren! Können sie uns helfen?" platzte es aus Jace heraus.
    "Oje sie sieht gar nicht gut aus. Kommt mit. Wir haben eine heiße Quelle, da kann sie sich auftauen." antwortete die in rosa gekleidete Krankenschwester und verschwand durch eine Tür. Schnellen Schrittes und ohne einen weiteren Gedanken zu verlieren folgte der Züchter in spe ihr.
    Schwester Joy blieb vor zwei Türen stehen. "So wir sind bei den Umkleiden. Beeil dich, deine Freundin auszuziehen." sagte sie und wollte schon wieder zurück gehen.
    "Ähm...ähm ... Schwester Joy" stotterte Jace.
    "Keine falsche Scheu junger Mann. Sie können ihre Freundin doch nackt sehen."
    "Chloé ... ist nicht meine Freundin" korrigierte der Züchter in spe. Das Gesicht des Grünäugigen begann zu glühen. Blut pulsierte in seinen Ohren und Scham ließ ihn erstarren.
    Schwester Joy sah ihn an und blinzelte ein paar Mal. "Oh"
    Doch bevor die Krankenschwester noch etwas sagen konnte, ertönte eine quitschende Stimme hinter ihr: "Jace! Chloé!" Lucia und Gary kamen angerannt. "Geht es Chloé schon besser?"
    Jace verkrampfte sich, schluckte eine spöttische Antwort runter und schüttelte zähneknirschend den Kopf.
    "Sind sie mit den beiden befreundet?" fragte Schwester Joy.
    "Ja, sie ist meine Beste Freundin" antwortete Lucia.
    "Das trifft sich gut! Dann können sie sie ja ausziehen" lächelte die Krankenschwester.


    Chloé dachte sich still ein Dankgebet, dass Jace ihr nicht ins Gesicht sehen konnte. Denn was er gesehen hätte, wäre in jedem Falle eine Tomate gewesen, die keinerlei Ähnlichkeit mehr mit Chloé gehabt hätte. Deren Hals war ausgesprochen trocken, noch trockener als zuvor in der eisigen Kälte. Was sie wieder darauf brachte: Es war so warm. Kaum hatte sie in Jace' Armen das Pokemoncenter betreten, empfing sie eine solche wohlige Wärme, dass sie sogleich einzuschlafen drohte. Die Wärme drang durch ihre steifen Knochen, durch ihre blaue Haut und färbte sie nach und nach wieder rosa. Sie sog die nach Medizin duftende Luft ein, die ihr Gehirn ein wenig benebelte, sie jedoch weiterhin klar diesen einen Gedanken denken ließ: Schwester Joy hielt sie und Jace für ein Paar. Sie hätte schreien können, als sie das gehört hatte. Doch das hatte sie glücklicherweise unterdrücken können, indem sie sich auf die ohnehin schon taube Zunge gebissen hatte. Jace' Hände hatten sich bei dem Ausspruch von Schwester Joy ein wenig verkrampft, doch das konnte Chloé ihm natürlich nicht übel nehmen. Auch wenn es sie trotzdem verletzt hatte, dass er es leugnette. Doch die Trauer blieb nur von kurzer Dauer, denn abermals ertönte die Stimme der Krankenschwester: "Oh, was hält sie denn da im Arm?" "Was..? Ah! Ein Vulpix, frisch geschlüpft! Es muss sofort behandelt werden!", antwortete Jace gehetzt. Plötzlich stieß Panik in Chloé auf. Sie hatte ja immer noch das Pokemon in den Armen. Wenn es nun erfroren war? Nein, das war es nicht. Unter der dicken Jacke konnte Chloé noch den schwachen Herzschlag des Pokemon wahrnehmen. Doch Chloé war sich bewusst, dass es behandelt werden musste. Sofort. Also dachte sie nicht mehr nach, öffnete ihre Augen, was diesmal bedeutend besser gelang, und sah flehend in die blauen Augen der Krankenschwester, die sich sichtlich darüber wunderte, dass Chloé bei Bewusstsein war. Diese nahm ihre ganze verbliebene Kraft zusammen und flüsterte, naja, es war nicht mehr als ein Hauchen: "Bitte, es muss gesund sein." Jace zuckte bei ihren Worten zusammen, auch er hatte nicht damit gerechnet. Dann streckte die Brünette ihre Arme aus, sodass Schwester Joy das kleine Pokemon an sich nehmen konnte. Doch als sie die Jacke wegnahm, und das kleine Vulpix zum Vorschein kam, überkam es Chloé und sie konnte sich nicht mehr halten. Tränen liefen ihr über die Wangen, hinterließen Spuren, kitzelten ihre Haut, bis neue Tränen hinabliefen. Das kleine, unschuldige Vulpix war hellblau, seine Fellfarbe hatte sich also komplett verändert. Es zitterte, seine kleinen Augen waren geschlossen, an seiner Schnauze klebten kleine Eiskristalle. Chloé wandte den Blick ab und begann zu schluchzen. Es sollte nicht so schlüpfen. Die Welt nicht als kalt und zugefroren kennenlernen. Chloé plagten unglaubliche Schuldgefühle, bis sie neben der eiligen Stimme von Schwester Joy, die sagte, sie wolle Vulpix in den OP bringen und Chloé solle sich ausziehen, eine zarte Berührung auf ihrem Kopf vernahm. Es mussten erst einige Sekunden vergehen, bis Chloé realisierte, dass Jace ihr über die Haare strich. Es ließ sie kurz innehalten, sodass sie das Flüstern seiner Stimme hören konnte: "Pssst, alles wird gut. Schwester Joy kriegt das hin. Aber du musst dich jetzt aus...umziehen." Ein stummes Lächeln schlich sich auf Chloés Lippen, sie wisperte ein leises "Danke" und wurde dann in ein anderes Zimmer gebracht.


    Jace atmete spürbar auf, nachdem Lucia und Chloé hinter der Tür zur Umkleide verschwunden waren.
    "Du warst ziemlich schnell, Kleiner" ertönte Garys Stimme.
    "Nicht schnell genug" murrte Jace.
    "Ach komm schon, dem Vulpix wird es bald besser gehen." versuchte Gary Jace aufzumuntern, erfolglos. Jace drehte sich um und rannte Schwester Joy hinterher.
    "Hey! Wo rennst du hin?" hörte er noch den Professor in spe rufen, bevor er die Krankenschwester erreichte.
    "Schwester Joy! Lassen sie mich ihnen bitte helfen!" bettelte Jace.
    "Ähm ... ok. Aber beeil dich! Du musst die OP-Kleidung überziehen und die Unterarme desinfizieren!" antwortete Schwester Joy.
    "Vielen Dank!" Kaum 30Sekunden später stand Jace neben der rosahaarigen Frau und dem Heiteira und starrte auf das kleine, hellblaue Feuerpokemon hinab. Es waren viele Käbel und Schläuche an dem zitternden Körper angebracht. Ein Monitor piepte und zeichnete ein unregelmäßiges Zick-Zack-Muster auf.
    "Heiteira, wir brauchen eine WBI und Wärmekompressen!" befahl Schwester Joy und stach eine große Nadel in Vulpixs Seite.
    "Was ist eine WBI?" fragte Jace.
    "Wilbirbeereninfusion" antwortete die Krankenschwester.
    "Wilbirbeeren sind gut gegen Einfrierung" Kaum hatte der zukünftige Züchter dies ausgesprochen, kam Heiteira herein getappt mit einem Plastikbeutel, der eine gelbe Flüssigkeit enthielt, und mehreren dampfenden Tüchern.
    "Richtig. Danke Heiteira." Schwester Joy verband den Beutel mit der Nadel und ließ die Flüssigkeit langsam durchtropfen, dann begann sie Vulpix fest in den heißen Stoff einzuwickeln. Als sie fertig war, sagte sie: "So jetzt heißt es abwarten und Tee trinken."


    "Aaaaaaah..." Mehr brachte Chloé nicht raus, als sie, alleine nur mit einem Zeh, die heiße Quelle berührte. Das Umziehen ging trotz geschwächter Mädchen und einem glotzenden Kussila ziemlich schnell, sodass schnell nur noch ein Handtuch die Kurven von Chloé und Lucia umschmeichelte. Der flauschige, weiße Stoff, wie er in Pokemoncentern üblich war, fühlte sich angenehm auf der unterkühlten Haut der Mädchen an, und ließ Chloé fast vergessen, dass sie sonst nichts trug. Doch es war ihr egal, sie wollte sich einfach nur noch schnell wärmen. Und sie konnte ihr Glück kaum fassen, dass das eiskalte Blizzach eine heiße Quelle hatte.
    Nun stand sie da also, neben ihr Lucia, und vorsichtig tunkte sie ihren Fuß, erst langsam, dann immer schneller, in das dampfende Wasser, das um die 40 Grad heiß sein musste. Sogleich zog Chloé ihren Fuß wieder hinaus, und der Unterschied zwischen ihrem Fuß und der restlichen Haut war enorm: Im Fuß hatte sich das Blut wieder in Bewegung gesetzt, sodass er eine wohlige, rote Farbe angenommen hatte. Die plötzlich Hitze schlich sich vom Fuß hinauf in ihren Körper, der zu Kribbeln begann, und durch den zusätzlichen Dampf klebten Chloé einzelne Haarsträhnen ihres in der Eile zusammengebundenen Zopfes an Hals und Schläfen. Der Dampf reinigte Chloés Nase und ließ ihr die Tränen in die Augen steigen, doch es kümmerte sie kaum. Neben ihr stand Lucia, die den Anblick ebenso zu genießen schien wie Chloé. Auch sie trug natürlich nur ein Handtuch, und ihre rote Nase verriet Chloé, dass auch Lucia sehr gefroren haben musste. Dann wagte Chloé es, die heiße Quelle vor ihr war einfach zu verlockend. Sie tauchte wieder ihren Fuß hinein, dann ihre Wade, ihr Bein, dann saugte sich schon das Handtuch mit dem warmen Wasser voll, bis Chloé bis zum Hals in der heißen Quelle schwamm. Sie öffnete genüsslich den Mund und gab ein zufriedenes Seufzen von sich. Die Wärme ließ die Kälte sofort vergessen, lockerte Chloés steife Knochen und Gelenke und somit konnte Chloé die Sorge um ihr Vulpix kurzfristig ablegen. Augenblicklich fühlte sich die Brünette wieder lebendig, und wurde es dann wieder aus ihren Gedanken gerissen, als sie Wellen neben sich vernahm. Lucia war neben ihr ins Wasser geglitten, genoss es ebenso wie Chloé und legte den Kopf in den Nacken, sodass sie aussah, als würde sie schlafen. Chloé lächelte sanft. Dieser Moment konnte nur noch durch eine Sache besser werden. Oh ja, nur durch eine Sache. Und diese Sache betrat soeben den geschützten Raum mit der heißen Quelle.

  • Guten Abend, Onee-chan.


    Habe ich die Möglichkeit, mich für regelmäßige und äußerst freundlich gemeinte Kommentare zu bedanken, so erlaubt mir mein Gewissen nicht, alternativ zu handeln; da Du selbst an einer Geschichte schreibst (ich spreche, zum Verständnis, hiermit die Benutzerin Onee-chan an) musste ich nicht lange nachdenken, wie ich dies nun anstelle. Trotz des Volumens, die die Geschichte mittlerweile erreicht hat, beginne ich gerne mit eher grundgelegenen Aspekten, da ich als Autor die Wichtigkeit deren hervorragend einschätzen kann.


    Dem Namen, beziehungsweise Titel der Geschichte kann man zeitgleich viel und wenig entnehmen: sofort das Genre und das zu Erwartende in der weiteren Handlung und das korrekt, andererseits keinen wirklichen Widerspruch oder ein Geheimnis: wir alle können uns sofort etwas unter Liebe, Eifersucht und anderen Problemen vorstellen; bringt die Story dem Leser wohlgemerkt näher. Der Startpost enthält alles Nötige; professioneller wäre lediglich eine Gestsltung in Tabmenus, doch diese Überbringungsweise kommt übersichtlich hinüber. Kritik übe ich hier lediglich an den Beschreibungen der Charaktere: in der eigentlichen Geschichte bringst Du sie doch erwachsener und reifer an den Tag; stolzer und emotionaler, in der Vorstellung allerdings sind alle "lieb", "nett", "schüchtern" oder "super ernst", wohlgemerkt, auch Dein Wortschatz geht angenehm darüber hinaus, daher weiß ich, dass Du es besser könntest, jedenfalls auf heutigem Stand.
    Du stellst die Charaktere eben allgemein und generell positiv und nur in kritischen Situationen konfliktbehaftet vor, was doch auf keine wahre Persönlichkeit zutrifft, jeder besitzt seine alltäglichen Schwächen und Macken. Positiv anzumerken sind hier die vertretenen und bei einer solchen Anzahl wohl obligatorischen Kapitelverlinkungen, sowie Angaben zu Pokémon der Charaktere. Die Inhaltsangabe könnte gemäß der fortgeschrittenen Handlung aufgefrischt werden.


    Wesentlich mehr beginnen die Charaktere mir doch auch zu gefallen, als sie in Action treten, denn hier kommen bereits Aspekte, wie Eifersucht, angedeutetes Neid, Konkurrenz und Rage zum Einsatz, was zweifellos zur höheren Realitätsnähe beiträgt und im Wirklichen deutlich interessanter zu verfolgen ist, als die Charakterbeschreibungen es vermuten ließen. Ja, tatsächlich, die Charaktere "beweisen" auch ihr angegebenes Alter in den entstandenen Situationen. Gelungen finde ich persönlich hervorgehoben Chloé. Weißt Du, sie ist so... Feminin, mädchenhaft und gar tränenselig, etwas hilflos, dass sie vergleichsweise einseitig wirkt, doch genau das gefällt mir am anderen Geschlecht und weckt Sympathie: sie ist tatsächlich ein nettes Mädchen, welches auf andere angewiesen ist und man fiebert mit, dass sie ihr Glück tatsächlich auch findet, da sie in diesem Sinne sehr auf das Schicksal und Fügungen hoffen muss; selbst hingegen kaum die Initiative ergreift. Das macht sie zu meiner Lieblingsheldin im Punkt Sympathie und ich wünsche für ein glückliches Ende.
    Kritik übe ich hier eher an den Antagonisten: tut mir Leid, aber Matze verdient Deiner Fanfiction keine wirkliche Seriösität hinzu, er ist ein seit seinem circa dritten Auftritt ein vollkommen ausgelutschter Charakter; aus der Gegnergruppe Team Galaktik könnte man mehr herausholen, was man durch einen Auftritt der Commander richten könnte. Ebenso zweifelhaft finde ich die fehlende Absprache zwischen Lucia und Chloé bezüglich ihrer Kavaliere, gewöhnlich würden Mädchen in solchen Situationen doch nichts anderes besprechen, als wer wen bekommt, hm? Selbiges gilt aus eigener Erfahrung übrigens auch für junge Männer.


    Bei dem Schreibstil lassen sich vor allem Einheitlichkeit und Synergie positiv anmerken: ich bin schlecht informiert, inwiefern nun zwei Personen parallel schreiben, doch man erfährt tatsächlich keinen Hauch eines Stilbruches zwischen den Kapiteln. Wortschatz und Satzbau tragen tendenziell eher zu einem angenehmen Leseerlebnis aus, als die Handlung durch misslungene Formulierungen zu schmälern, Umschreibungen sind ausreichend vorhanden, Gefühle und Empfinden erwähnst Du so nötig und auch relativ detailliert, so bei der Kälte, die unsere Protagonisten die letzten Kapitel lang gequält hat.
    Als Verbesserungswürdig einstufen würde ich einzig die übersehenen offensichtlichen Tippfehler hier und da, (fehlende Leerzeichen) die nicht-ausgeschriebenen Ziffern, ("dreißig" liest sich simpel besser, als "30") ebenso wie von Zeit zu Zeit fragwürdige, also unnötige Kommasetzung. Der Stil ist ausbaufähig, doch zeitgleich in sich vergleichsweise vollständig, da er doch sehr einheitlich und auf einem Niveau befindet, das doch zufriedenstellend ist.


    Nun zum angenehmsten Teil eines Kommentars, der Handlung selbst. Im Prinzip sagt sie mir zu. Shipping&Reise eben, dazu mit einem ausreichenden Maße an beidem, Miteinbeziehen von Kämpfen und aus den Spielen bekannten Orten, noch dazu meine Lieblingsregion, noch dazu eine gut gelungene Kombination aller Aspekte. Als Kritikpunkt möchte ich ansprechen, dass Du es den Lesern okkasionell doch zu einfach machst, zu erahnen, wie es weitergeht oder was die Helden nun empfinden. Die Sympathie zwischen Jace und Chloé wurde ja schon sehr viel früher mehr als reich an Bestandteilen vergleichsweise früh in der Abhandlung angedeutet, doch sieht man keine Charakterentwicklungen oder Widersprüche, die einem eher linearen Verlauf ihrer Beziehungsentwicklung entgegenwirken. Stattdessen kommen sie sich immer näher, doch ohne das, was man Charakterentwicklung nennt. Dennoch kann ich nicht leugnen, die Eskapaden zwischen den beiden amüsiert mitverfolgt zu haben. Liebe und halbnackte Frauenkörper haben schon immer magisch Interessenten angezogen. Doch auch hier, beispielsweise im letzten Kapiteln, fehlen einem etwas die "Ohasoistdasalsoichdachteschon..."-Momente. Ich wusste, ich wusste, ich wusste, dass Jace die heiße Quelle betreten wird; wozu haben sich die Mädchen denn sonst so schön ausgezogen...? Tja, erpicht zu erfahren, wie es weitergeht und hoffe, dass ich mich ausreichend revanchieren konnte, um mir ein Päuschen zu gönnen.


    Man liest sich,
    TheLibertine.

  • Jace trat aus dem OP. Die ruhige Stimme von Schwester Joy ertönte: "Mach dir keine Sorgen ihr habt richtig gehandelt."
    "Danke" brachte der zukünftige Züchter nur heraus.
    "Aber wenn ihr das nächste Mal an Blizzachs frische Luft geht, zieht euch wärmer an" riet die rosarote Krankenschwester.
    "Wir wollten eigentlich nicht nach Blizzach, es war ein kleiner Unfall." antwortete der Braunhaarige.
    "Bedeutet das, ihr habt keine warmen Klamotten dabei?" sagte Joy geschockt. Jace nickt kurz. "OK, ihr wärmt euch auf, ich komme gleich wieder" mit diesen Worten war Schwester Joy auch schon verschwunden. Jace war überrumpelt. Er stand in der Eingangshalle. Allein und hatte keine Ahnung was er tun sollte. Da stapfte Heiteira aus dem OP. "Heiteira, zeigst du mir, wo die Küche ist?" fragte Jace mit einem zufriedenen Grinsen.
    "Heihei!" rief das Pokemon und tapste durch die Halle. Der Trainer folgte ihm.
    Heiteira blieb vor einer Tür stehen und lächelte. "Dankeschön" sagte Jace und trat durch die Tür. Er fand sich in einem großen Raum wieder. Dieser wurde von drei zylindrischen Lampen beleuchtet. Ein kleiner Tisch mit vier Stühlen stand an einer Wand, während sich direkt gegenüber ein Herd, zwei Schränke und ein Kühlschrank befand.
    Jace durchstöberte die Schränke, bis er gefunden hatte was er suchte. Grinsend prüfte er die Schärfe eines Messer an seinem Daumen. "Dann mal ran ans Werk" flüsterte er zu sich selbst.


    Chloé musste ein paar Mal blinzeln, bis sie realisierte, dass Jace in der Tür stand. Hinter ihm Gary, der die Mädchen gaffend ansah, doch das kümmerte die Brünette weniger, sie war dieses Verhalten von Gary schließlich schon gewöhnt. Dann richtete sie ihre Augen wieder auf Jace, der ebenso wie sie selbst nur ein Handtuch um die Hüften trug, jedoch mit noch etwas in der Hand: Einer milchigen Tasse, aus der es dampfte. Als Jace den fragenden Blick von Chloé bemerkt hatte, begann er schnell zu erklären: "Ehm, ich hatte Schwester Joy geholfen und da kam mir eine Idee." Der Junge kam schnellen Schrittes auf Chloé zu, die bei seinem halbnackten Anblick froh über die allgegenwärtige Hitze war, sodass er nicht erkennen konnte, wie rot sie war, undzwar nicht nur wegen dem Dampf. Als Jace am Rand der Quelle angekommen war, umschmeichelte der heiße Dampf seine Füße wie eine Schlange. Er beugte sich hinunter zu Chloé, die inzwischen an den Rand der Quelle geschwommen war und Jace neugierig begutachtete. Er war ihr plötzlich so nah. Sein Gesicht befand sich nur einige Zentimeter über der Brünetten, sodass diese aber immerhin noch den Kopf in den Nacken legen musste. In seinen Augen waren seine zuvor gefrorenen Smaragde wieder zu flüssiger Jade geworden, in ihnen konnte Chloé die Spiegelung des Wassers erkennen, die schimmerte als wäre sie ein Bestandteil seiner Augen. Seine Haare fielen ihm so sehr ins Gesicht, dass sie das von Chloé streiften. Dann schien Jace zu merken, wie er dastand, und befeuchtete aufgeregt seine Lippen mit der trockenen Zunge. Chloé wunderte sich, wieso sie sosehr auf die Gestik von Jace achtete, als Jace wieder begann, zu sprechen: "A..also...ich war in der Küche und hab dir einen Tee gemacht. Er besteht als Wilbirbeeren, die gegen Frost helfen. Und auch wenn du schon aufgewärmt genug bist, kann er nicht schaden." Irgendwie steif streckte Jace seinen Arm aus und hielt die Tasse direkt vor Chloés unter die Nase, sodass diese den köstlichen Duft einatmen konnte. Der extra für sie angefertigte Tee roch sauer, aber dennoch saftig, sodass es Chloé das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ, was ihr abermals klar machte, wie hungrig sie war. Gierig leckte sie sich über die Lippen und wollte schon die Hand nach der Tasse ausstrecken, als Jace diese wieder wegzog und sagte: "Na, vorsichtig, ist frisch und noch heiß. Und es schmeckt sehr sauer und könnte dir beim ersten Mal auf den Magen schlagen, aber ich hoffe danach geht es dir besser." Sanft lächelte er, und für einen kurzen Moment gab es für Chloé nur noch sie und Jace. Sie behielt ihren Mund offen, unfähig, ihn zu schließen. Er war so atemberaubend. Es raubte Chloé den Atem, und plötzlich wurde ihr sehr schwindelig, was sie jedoch versuchte, auf den starken Dampf zu schieben. Als sie anscheinend endlich ihre Stimme wiedergefunden hatte, flüsterte sie: "Danke, Jace. Wirklich, vielen Dank." Dann ließ er sie gewähren, reichte ihr die Tasse und wollte diese augenscheinlich nicht mehr aus der Hand geben, sie fast zu Chloés Lippen führen, doch die Brünette nahm sie ihm aus der Hand und nippte vorsichtig an dem heißen Gebräu. Allein der erste Kontakt mit der Flüssigkeit auf ihrer Zunge prickelte wohltuend, auch wenn es saurer als jede Zitrone war. Dann schluckte sie gierig, die Flüssigkeit ran schnell ihre Kehle hinunter und hinterließ einen prägnanten, sauren Geschmack. Im Magen jedoch entfaltete sich erst die ganze Wirkung des Tees: Ausgehend vom Magen wurde Chloé schlagartig heiß, sie war sich sicher, dass für die kurze Zeit ihre eigene Körpertemperatur die Umgebungstemperatur überragte. Als sie die Tasse vollständig geleert hatte, gab sie ein zufriedenes "Aaaaah." von sich und überreichte Jace wieder die Tasse, die er sogleich auf einen Tisch stellte. Dann herrschte kurz Stille, in der Chloé ihre Stimme sammelte und schließlich fragte: "Wollt ihr nicht reinkommen?"


    Jace schockte diese Frage. Er begann zu stottern, zum Glück nahm Gary ihm die Antwort ab: "Gerne Ladies." Gary grinste lüsternd. Jace lief ein eisiger Schauer über den Rücken. Der Professor in spe stand schon neben Jace und hielt schon einen Fuß ins dampfende Wasser.
    Doch plötzlich ertönte eine hohe, hysterische Stimme hinter den Trainern: "Meine Herren! Dies ist die Damen-Quelle! Es gibt eine extra Quelle für sie!" Jace und Gary wirbelten herum und sahen in das wütende Gesicht von Schwester Joy.
    "Es tut uns Leid. Das wussten wir nicht" sagte Gary und sah beschähmt zu Boden.
    "Das sollte es auch! Naja, Themawechsel. Ich habe hier einen Besucher für euch." Das Gesicht der Krankenschwester wechselte in dem Bruchteil einer Sekunde von wütend zu freundlich. Ein leises Pfiepen ertönte hinter der Dame und ein kleines Pokemon mit hellblauem Fell tauchte hinter ihren Beinen hervor.
    "Vulpix!?" hauchten alle Jugendlichen im Chor.
    "Ja, es ist euer Vulpix, aber warum sein Fell diese Färbung hat, ist mir ein Rätsel" sagte Schwester Joy und sah ein wenig bedrückt drein.
    "Vielleicht ist es ja ein Shiny!" meldete sich Gary.
    "Nein, als es schlüpfte, war es noch rot" widerlegte Jace.
    "Ist doch egal warum es hellblau ist! Hauptsache es ist gesund!" rief Chloé, sprang aus dem Wasser und nahm ihr Vulpix in den Arm, dieses quietschte freudig.
    "Ich wäre jetzt gern das Vulpix" flüsterte Gary Jace ins Ohr, woraufhin der Züchter seinem Freund in die Magengrube schlug.
    "Ich habe euch warme Kleidung in die Umkleiden gelegt, falls ihr wieder hinaus wollt. So wie ihr hier angekommen seid, überlebt ihr kein zweites Mal. Ihr könnt sie im nächsten Pokecenter wieder abgeben oder behalten, wie ihr wollt"
    "Vielen Dank!" sagten die Trainer erneut alle gemeinsam.
    Als Schwester Joy hinter der Tür wieder verschwunden war, sagte Jace: "Sollen wir uns wieder auf den Weg machen?"


    Chloé verspürte eine so große, überschwängliche Erleichterung, als sie ihr Vulpix erblickt hatte, dass sie beinahe vergessen hatte, dass sie, nur mit einem tropfnassen Handtuch bekleidet, aus dem Wasser gesprungen und auf ihr Vulpix zugerannt war. Doch sie konnte einfach an nichts anderes mehr denken, als sie das kleine Pokemon in die Arme schloss. Es fühlte sich warm an, sein Herz schlug stetig und leise, seine Nase war wieder feucht, und es gab zufriedene, verspielte Laute von sich, als Chloé es behutsam, aber dennoch fest an sich drückte. Die Brünette drückte dem kleinen Vulpix einen kleinen Kuss auf die Löckchen auf seinem Kopf, und auch so fühlte sich das Fell lebendiger an als in der eisigen Kälte. Chloé lächelte, als sie Jace' Stimme vernahm. "Sollen wir uns wieder auf den Weg machen?" Voll überschwänglicher Freude nickte Chloé, sodass ihr die nassen Spitzen einzelner Strähnen ins Gesicht peitschten. Erst jetzt merkte sie, dass sie vor Freude einzelne Tränen vergossen hatte, und wischte sie sich mit Vukpix' Fell ab, dass die Träne sofort einsog. Dann sagte Chloé: "Ja, ich will so schnell wie möglich weg hier. Aber...aber ich will Vulpix nicht nochmal dieser Kälte aussetzen...sag mal Jace, weißt du wieso sein Fell hellblau statt rot ist? Ich meine, ein Shiny-Vulpix sieht doch anders aus?" "Hmm, genau erklären kann ich dir das auch nicht, aber ich vermute, dass ist so eine Art Winterfell, aber es scheint ihm wieder gut zu gehen. Aber ich hab hier einen Pokeball, den kannst du erstmal haben. Das Vulpix in den Rucksack zu stopfen, kommt nicht gut." Er lachte zaghaft und warf Chloé gespielt leicht einen Pokeball zu, den die Koordinatorin trotz Pokemon im Arm gerade noch so fangen konnte. Ohne einen Gegenversuch sprang das Vulpix hinein, und erneut fiel dem Mädchen ein Stein vom Herzen. Dann ging sie auf die Tür zu, um sich so schnell wie möglich umzuziehen, als sie merkte, dass Gary, Jace und Lucia ihr folgten. Rasch drehte Chloé sich um, griff sich noch einen der bereitgelegten Pullover, der aus weißem Stoff bestand, und sagte: "Lucia und ich ziehen uns hier um, ihr könnte woanders hingehen." Sie zwinkerte den Jungs spielerisch zu und lachte. "Ich will hier eben so schnell wie möglich weg, in eine sonnige Gegend oder so. Bitte, beeilt euch." Sie spitzte die Lippen und drückte die Jungs unaufgefordert Richtung Ausgang. Hinter ihr konnte sie Lucia hell lachen hören, Gary rief ihr noch ein "Wir treffen uns in 5 Minuten hier draußen!" zu und dann schloss Chloé auch schon die Tür. Glücklicherweise hatte Schwester Joy ihr die Sachen noch hinterhergebracht, sodass sie sich sogleich umziehen konnte. Um so schnell wie möglich raus zu kommen aus Blizzach.

  • Chloé dachte nicht lange darüber nach, was sie in welcher Reihenfolge anziehen wollte. Oder wie gut das Ganze aussah. Sie wollte einfach nur raus aus dem Eis, wieder in ein sonniges Gebiet, wo sie wärmende Sonnenstrahlen auf ihrer Haut spüren konnte. Doch mit dem Tempo, dass Lucia drauf hatte, würde sie wohl noch eine Ewigkeit in Blizzach gefangen sein. "Lucia, beeil dich mal. Oder willst du dich hier noch bis Sonnenuntergang umziehen?" neckte Chloé ihre Freundin. Diese stülpte sich gerade ihren bereitgelegten Pullover über, der eine gelbliche Farbe hatte und nach Medizin roch, wie alles in diesem Pokemoncenter. Doch der Geruch war keinesfalls unangenehm, er kribbelte nur in der Nase und hinterließ einen bitteren Geschmack in Chloés Rachen, was sie sich nicht erklären konnte. Als Lucia sich ihren Pulli über den Kopf gezogen hatte, sodass ihre tiefblauen Haare zu allen Seiten abstanden, antwortete sie: "Jaja, Chloé, keine Panik, ich denke die Jungs werden auch lange brauchen. Also keine Panik. Ich bin ja auch sofort -" Mit diesem nicht zuendegebrachten Satz zog sie eine Bürste aus einer kleinen Tasche hervor und durchfuhr mit dieser ihre Haare, sodass sie wieder glatt wie zuvor waren. "-fertig!" Dann steckte Lucia die Bürste wieder ein, griff sich ihre kleine Tasche und ging geradewegs zurück zur Tür, wo vor ein paar Minuten noch die Jungs durchgegangen waren.
    Als Chloé ihrer Freundin folgte, musste sie feststellen, dass der Pullover doch ziemlich kratzig war. Die Brünette war fest entschlossen, das Oberteil im nächsten Pokemoncenter, dass sie hoffentlich bald erreichen würden, abzugeben. Sie würde sich gerne die Ärmel hochkrempeln, doch Chloé war bewusst, dass sie sonst wieder unglaublich frieren würde. Also ließ sie die kratzigen Ärmel unten und versuchte sich irgendwie abzulenken. Was ihr jedoch erst dann vollständig gelang, als Gary und Jace, ebenfalls in zwei kratzig aussehende Pullover gehüllt, in ihr Blickfeld traten. Sofort sahen die Jungs hinüber, und ein breites Grinsen machte sich auf beiden Gesichtern breit. Wobei Chloé jedoch nur auf das von Jace achtete, das so sehr strahlte, dass es es mit dem Schnee in der Mittagssonne hätte aufnehmen können. Ebenso atemberaubend wie seine Stimme, die sogleich erklang. "Wollen wir?"


    Ein Murren erfüllte die Umkleide. "Man, diese Schwester Joy hatte auch ein Scheißtiming" sagte Gary und streifte sich einen Pullover über.
    "Ach, reg dich ab, du wirst noch viele Gelegenheiten haben mit Lucia zu schwimmen" antwortete Jace, der sich ebenfalls die warme Leihkleidung überzog.
    "Ach, um Lucia ging es mir doch gar nicht. Die kannst du von mir aus haben" spottete der zukünftige Professor.
    "Ich hab kein Interrese an unserem Blauschopf" knurrte Jace und streifte sich ein paar Stiefel über die Füße.
    "Tja, dein Pech" lachte der Trainer mit den braunen Augen, während er sich die erste Jacke über die Schultern legte.
    "Was soll das schon wieder heißen?" entgegnete der Grünäugige und starrte Gary finster an.
    "Nichts, nichts" kicherte dieser und setzte sich eine Mütze auf. "Ich bin fertig und du?"
    "Sofort" antwortete Jace grimmig und bedeckte seine Haare ebenfalls mit einer Mütze.
    Gemeinsam traten die Trainer aus der Umkleide und erblickten die schon wartenden Mädchen. "Wollen wir?" fragte Jace.
    Doch bevor die Mädchen etwas sagen konnten, warf Gary ein: "Ihr könnt doch nicht nur mit einem Pulli bekleidet raus in die mörderische Kälte! Und ich hab mich schon gewundert, dass ihr vor uns fertig wart." Jace sah, wie sein Freund die Augen verdrehte und dabei den Kopf schüttelte.
    "Sei doch nicht so gemein" sagte Lucia mir einem Schmollmund und die Mädchen verschwanden wieder in der Umkleide.
    "Typisch Weiber, brauchen immer Stunden zum Anziehen" knurrte Gary und setzte sich auf eine Bank.
    Jace machte es sich ihm gegenüber gemütlich und beobachtete seinen langjährigen Begleiter.
    Gary öffnete seinen Rucksack und zerrte ein Bündel Klamotten heraus. Schicht für Schicht wickelte er etwas heraus. Das Fossil! Mit konzentriertem Blick analysierte er jeden Quadratzentimeter des versteinerten Pokemon. "Und, kannst du die Zukunft im Stein lesen?" machte sich Jace über seinen Kumpel lustig.
    "Haha, sehr witzig" antwortete Gary, "aber ich kann schon Einzelheiten des Pokemon erkennen!"
    "Schnarch! Schau doch lieber wie es deinem Ei geht, nicht dass es schlüpft und in deinem Rucksack erstickt" antwortete Jace.
    "Hast du heute einen Clown gefrühstückt?" knurrte Gary und packte das Urzeitfossil wieder ein.
    "Nö, aber ich hätte Lust auf einen" sagte Jace mit einem sarkastischen Unterton in der Stimme und beobachtete, wie sein Gegenüber ein anderes Kleidungsbündel aus dessen Rucksack zog. Matt schimmerte die blaue Schale des Eis, das unter den unzähligen Hosen und T-Shirts vorborgen lag.
    Gary hielt sich das Ei ans Ohr. "Ich höre nix. Es ist wie ein Stein, nur etwas wärmer" berichtete dieser.
    "Dann wird es noch eine weile Dauern" sagte Jace.
    "Ach, wenn die Mädchen aus der Umkleide kommen, wird es bestimmt schon geschlüpft sein" scherzte Gary und steckte den Züchter mit seinem Lachen an.
    Wie aufs Stichwort öffnete sich die Tür der Damenumkleide und Lucia und Chloé kamen in vielen dicken Stoffschichten gehüllt heraus. "Wollen wir?" ahmte Lucia Jace nach.


    Da sie nun alle vollständig mollig warm angezogen waren, begaben sich alle gemeinsam durch die Eingangshalle in Richtung Tür. Erst jetzt konnte Chloé sich den Eingangsbereich ansehen, da sie das erste Mal nahe der Bewusstlosigkeit gewesen war. Nun konnte sie erkennen, dass das Pokemoncenter wirklich wohnlich und gemütlich eingerichtet war, wenn man bedachte, in welcher barbarischen Gegend es sich befand. Auf den Fensterbrettern standen eine Vielzahl an Blumen, Osterglocken, Tulpen, viele Blumen, die eben nicht im Winter blühten. Und aufgrund der angenehmen Temperatur, die herrschte, machte der Eingang auch nicht den Eindruck, als wäre er Teil einer vereisten Stadt, obgleich eine dünne Wasserschicht die Fußmatte direkt vor der Tür bedeckte, also erst kürzlich geschmolzener Schnee. Chloé begann sich eben zu fragen, ob das noch immer das Wasser von ihnen war, als sie durch die Stimme von Schwester Joy aus ihren Gedanken gerissen wurde. "Ihr seit schön warm eingepackt, gut. Hier habt ihr noch ein paar Handschuhe." Mit diesen Worten überreichte die Krankenschwester den Jugendlichen 4 Paar Handschuhe, die der Mädchen rot, die der Jungen blau. Chloé lächelte dankbar, als Schwester Joy, gerade zu ihr gewandt, fortfuhr: "Und du, ich weiß, du bist eine zuverlässige Trainierin, pass mir gut auf das kleine Vulpix auf, und berichte doch der Schwester Joy aus der nächsten Stadt, wie es deinem Vulpix geht, auch mit dem Fell, und das sie mir Bescheid sagen soll. Es interessiert mich." Sie lächelte. Dann verabschiedete sie die vier Freunde und diese traten hinaus.
    Chloé hatte mit einem extremen Kälteschock gerechnet, dass sich die erbarmungslose Kälte erneut in ihre Haut, Knochen und alles andere bohren würde, doch Schwester Joy hatte ganze Arbeit mit den Leihklamotten geleistet. Da sie im Gesicht nicht geschützt waren, konnte Chloé spüren, wie sie sofort eine rote Nase bekam und sich auch auf ihren Wangen rote Sprenkel breit machten. Und dort kam auch ein stechender Schmerz auf, doch er war erträglich und nicht halb so schlimm wie der anfängliche Schmerz bei der Ankunft. Und ihr Körper - vollständig geschützt. Gewiss war es ein deutlicher Unterschied zwischen der Temperatur im Pokemoncenter und der hier draußen, aber er betrug nur gefühlte 5 Grad, wenn überhaupt. Es war, wenn überhaupt, kühl. Und Chloé nahm sich vor, sich nie mehr über die Bewohner von Blizzach lustig zu machen, die so dick eingepackt waren, als dass sie als ein Relaxo durchgegangen wären - sie konnte es nun vollends verstehen. Nun konnte sie auch endlich Blizzach betrachten, und fast tat es ihr Leid, dass sie es so vorschnell hatte verlassen wollen. Alles war weiß, ein großes, weißes Glitzerland. Die dämmrige Sonne glitzerte auf dem Schnee, sodass es Chloé in den Augen wehtat, doch es kümmerte sie nicht viel. Sie trat einen Schritt vor, und versank augenblicklich fast im Schnee. Sie verfluchte ihre knapp ein Meter fünfundsechzig. Hinter sich hörte sie Jace und Gary lachen, jedoch nur gedämpft, da ihre Pudelmütze ihre Ohren überdeckte. Doch auch ihre Freunde schienen sichtliche Probleme mit dem allgegenwärtigen Schnee zu haben, und Lucia vorallem mit dem Ausrutschen an Stellen, wo niemand außer Lucia ausrutschen konnte. Chloé lächelte, ihr gefiel der Gedanke, endlich aus dem Eis zu verschwinden, als sie eine Gestalt vor ihr wahrnahm. Sie richtete ihren Blick auf den Schatten, hielt die Luft an und erstarrte.


    Die eisige Luft brannte in Jace´ Kehle. Der Schnee blendete den jungen Trainer. Dennoch war Blizzach eine bezaubernde Stadt. Überall glitzerte und funkelte es. Ein Lächeln machte sich auf Jace´ Gesicht breit.
    Doch dieses verschwand blitzartig, als ein Schatten vor den vier Jugendlichen auftauchte. Ein Fauchen zerschnitt die erstarrte Luft. Jace stellte sich schützend vor Chloé. Gary machte es ihm gleich.
    Die pechschwarzen Augen des Absols durchbohrten die beiden Jungen.
    "Ok, langsam reicht es! Was willst du von uns?" rief Jace dem Unlichtpokemon zu, doch dieses bewegte sich nicht und starrte die Trainer eisern an.
    "Wenn du nicht reden willst, wirst du kämpfen müssen!" rief Gary und zückte schon einen Pokeball. Jace tat es ihm gleich.
    Absol fauchte. Die Trainer warfen ihre Bälle in die Luft. Turtok und Arkani pressten den Schnee unter ihren Füßen zusammen. Das feindliche Pokemon fletschte die Zähne.
    "Nein!" rief eine feminine Stimme. Die Jungs wirbelten herum. Chloé sah die beiden Trainer traurig und bettelnd an. "Tut ihm nichts, bitte."
    Dieser Ausdruck in Chloé Augen versetzte Jace einen Stich ins Herz. Er konnte diesen Anblick nicht ertragen und wandte sich ab. Absol stand immer noch ihren Pokemon gegenüber. "Verschwinde!" rief Jace und sah in den weißen Schnee vor seinen Füßen, seine Hände waren zu Fäusten geballt.
    Ein erneutes Fauchen ertönte. Starker Wind wirbelte den feinen Schnee auf. Absol war verschwunden.

  • Chloé konnte zweierlei Dinge nicht begreifen: Erstens, wieso Jace solch eine Feindseligkeit Absol gegenüber gezeigt hatte, wo er ein sonst so fürsorglicher Züchter wie aus dem Bilderbuch war. Und zweitens, wieso immer wieder dieses Absol auftauchte. Dieses faszinierende und zugleich unheimliche Unlichtpokemon, das Chloé immer mit seinen onixschwarzen Augen musterte. Was hatte all dies zu bedeuten? War Absol wirklich ein Vorbote von so viel Unheil? Naja, schließlich hatte es mit seinem letzten Auftreten auch Recht, dachte sich Chloé, als sie eine vertraute Hand auf ihrem Rücken wahrnahm, sogleich folgte die Stimme von Jace. "Alles in Ordnung?", fragte Jace, und sah dabei Chloé ehrlich besorgt an. Chloé konnte den Blick nicht abwenden von den smaragdgrünen Augen, die in diesem Schnee, bei diesem Wetter besonders zur Geltung kamen. Sie zauberten unwillkührlich ein Lächeln in das Gesicht der Koordinatorin, und der anfängliche Ärger und Frust Jace gegenüber löste sich sofort in Luft auf. Schnell atmete sie ein, weil der Junge vor ihr ihr mal wieder den Atem geraubt hatte. Dann nickte sie, sodass einzelne Strähnen unter ihrer Mütze hervorlugten und ihre Wangen kitzelten. "J...ja, alles bestens." Doch dann konnte sie auch nicht anders und die Neugier gewann. "Aber mal ehrlich, wieso warst du so gemein zu Absol? Vielleicht wollte es uns hierraus bringen." Das Grün in Jace' Augen wurde eine Spur härter, als würde es gefrieren. Dann antwortete er, bemüht ruhig: "Chloé, ich und auch Gary haben gesehen wie es dich angestarrt hat mit seinen schwarzen Augen. Ein Absol erscheint dann, wenn Unheil bevorsteht, und dass es immer gerade dich anguckt, gefällt mir ganz und gar nicht." Sein Kiefer war angespannt und er schluckte. In seinem Blick spiegelte sich ein Schmerz, den Chloé nicht deuten konnte, und ihre ohnehin schon roten Wangen wurden aufgrund der Sorge von Jace noch eine Spur röter. Mit zwei schnellen Handbewegungen schob sie sich die wenigen verrutschten Haarsträhnen zurück unter ihre Mütze, damit sie ihre Scham zumindest ein wenig hinter ihrer Hand verstecken konnte. Dann, ohne ein weiteres Wort, machten sie sich wieder auf denn Weg, wieder geradewegs in die endlose Weiße des Schnees, der einen erbarmungslosen Tod hätte zur Folge haben können. Chloé schluckte und bedankte sich abermals still bei Schwester Joy, dass sie so warm angezogen war, denn noch immer spürte sie nur ein Kribbeln am Körper, dass maximal eine kühlere Umgebung andeutete. So stapften die vier Freunde immer weiter durch den Schnee, Chloé wurde mit der Zeit deutlich langsamer, doch die anderen vergaßen sie nicht, nein, im Gegenteil, sie passten ihr Tempo dem von Chloé an. Diese war weitaus dankbar für das Verständnis ihrer Freunde, sodass sie es erstmal in den Hinterkopf verschob, dass sie alle keine Ahnung hatten, wolang es eigentlich ging. Doch mit den Klamotten würden sie bestimmt eine Weile durchhalten. Gerade als Chloé auffiel, dass das geflohene Absol keinerlei Spuren hinterlassen hatte, hörte sie das Rufen eines Pokemon.


    Langsam und beständig stampfte Jace durch den weißen, unberührten Schnee. Wohin er auch sah, überall war Weiß, alles verschlingendes Weiß. Fast so weiß wie das Fell des Absol, das vor einigen Minuten verschwunden war. Dieses reine Weiß stand im völligen Kontrast zu seinen pechschwarzen Augen. Diese Augen die alle Vernunft aufsaugten wie ein schwarzes Loch das Licht.
    Jace schüttelte den Kopf, um seine Gedanken von diesem verfluchten Unlichtpokemon zu befreien. Er starrte weiter in die endlose Weite aus Schnee.
    Plötzlich ertönte ein leises Wimmern. Der Züchter blieb aprubt stehen. Seine Begleiter taten es ihm gleich. "Was war das?" sagte Lucia in die entstandene Stille hinein.
    "Ich hab keine Ahnung" antwortete Jace und spitzte die Ohren. Erneut erklang dieses Geräusch. "Es kommt von dort!" rief Jace und sprintete in die Richtung. Das Rufen eines Pokemon wurde lauter und lauter. Der Züchter rannte schneller. Er wusste nicht warum er das tat, aber etwas drängte ihn dazu, herauszufinden woher das Geräusch kam, wer es ausstieß und vor allem warum?
    Die Rufe seiner Freunde ignorierend, stapfte der junge Trainer weiter durch den Schnee. Plötzlich stieß er gegen etwas hartes, verlor das Gleichgewicht und landete mit dem Kopf voraus im Schnee. Jace spürte zahllose, eisige Stiche in seinem Gesicht und hörte gedämpft wie sein langjähriger Freund schallend lachte.
    Der Grünäugige rappelte sich auf und warf seinem Begleiter einen bösen Blick zu. Schon wieder erklang dieses Wimmern. Der Züchter sah in alle Richtungen, doch er konnte das Geräusch nicht lokalisieren. Das Gewinsel erklang immer seltener und immer leiser.


    "Dort vorne, seht mal!", rief Chloé aus und zeigte mit ausgestrecktem Arm in die Richtung, in die Jace gefallen war. Alle Blicke richteten sich in diese Richtung, und plötzlich war nichts mehr zu hören bis auf das Zischen des eisigen Windes.
    Ein kleiner, grün-weißer Klumpen lag zusammengekauert im tiefen Schnee. Wenn Chloé das durch die fiese Sicht einschätzen konnte, war das Knäul von Kiefernnadeln bedeckt. Und es bewegte sich. Noch. Kalter Schweiß sammelte sich in Chloés Handflächen und ihre Augen weiteten sich, auch wenn so die schnell herabnieselnden Schneeflocken in ihren Augen brannten. Sie wusste was jetzt geschehen würde. Jetzt, da die Laute immer leiser und weniger wurden. Jetzt, wo Chloé klar wurde, dass es ein kleines Pokemon war, dass da eingesunken im erbarmungslosen Schnee lag. Und sie würde Recht behalten.
    Jace krabbelte los. Als würde kein Schnee liegen, war er in Sekundenbruchteilen an dem Häufchen angelangt und beugte sich über dies, obwohl er nur wenige Meter neben ihm gelegen hatte. Ohne weiter darüber nachzudenken, rannte Chloé, kurz gefolgt von den taumelnden anderen, in die Richtung des Pokemon. Und was sie dort erwartete, schien wirklich ein von Absol vorherbestimmtes Unheil zu sein.
    Erst jetzt konnte Chloé sehen, dass dieses Pokemon keine Kiefernnadeln bedeckten, nein - sein Fell bestand aus solchen Nadeln. Man hatte es kaum gesehen, weil es eben so weiß war wie der Schnee, und jeder normale Mensch hätte die grünen Farbtupfer als Kiefernnadeln abgestempelt, was sie ja nunmal waren. Anders so Jace. Er hatte das natürlich gleich durchschaut. Gerade in diesem unpassenden Moment musste Chloé lächeln, weil ihr abermals bewusst wurde, wie fürsorglich Jace doch war. Unwillkührlich musste sie an das Gespräch vor der Pension zurückdenken, das Gespräch, wo sie ihm versichert hatte, sie würde ihm ihre Pokemon blind anvertrauen. Und erneut wurde ihr bewusst, dass das niemals ein leeres Versprechen war.
    Doch dann erstarb ihr Lächeln wieder und die Situation wurde todernst. Jace war wieder in seinem Element und ging als Züchter auf. "Gary, nehm du ein paar Klamotten aus deinem Rucksack und umwickel es. Lucia, du suchst bitte eine Tsitrubeere aus meinem Rucksack." Chloé wunderte sich, dass sie als einzige keine Aufgabe bekommen hatte, und da sie keine Zeit verlieren wollte, hakte sie einfach nach. "Und was soll ich tun?" Kurz musterte Jace die Koordinatorin eindringlich, er schien angespannt nachzudenken, und senkte dann wieder seinen Blick auf das schwache Pokemon. Dann sprach er gedankenverloren: "Streichel es. Oder tu etwas anderes, um es zu beruhigen. Es braucht jetzt jemanden, dem es vertrauen kann, und du kannst das." Abermals sah Jace Chloé an, ein kurzer, aber dennoch intensiver Blick. Dann sagte er: "Bitte, Shnebedeck braucht unsere Hilfe!"


    Tick, tick, tick. Jace' innere Uhr lief auf Hochtouren. Die Analyse des verletzten Eispokemon war in Sekundenbruchteilen abgeschlossen und eine Diagnose gestellt. Die Aufgaben waren verteilt. Chloé streichelte sanft den Kopf von Shnebedeck. Lucia hatte ihren Arm in Jace´ Rucksack vergraben. Gary zog diverse Kleidungsstücke aus seinem Rucksack und hielt Jace erst ein weißes T-Shirt hin, das der Züchter direkt zerriss. Jace sah noch wie Gary einen entsetzten Gesichtausdruck auflegte, doch das war jetzt unwichtig.
    "Ich weiß nicht, welche die Tsitrubeere ist" gestand Lucia plötzlich und hielt Jace seine Beerenbox hin.
    "Diese hier" antwortete Jace und nahm zwei der fünf vorhandenen Tsitrubeeren heraus.
    Eine zerquetschte er und ließ den Saft auf das zerstörte Shirt laufen. Den durchtränkten Stoff wickelte Jace nun um den Körper von Shnebedeck. Die zweite Beere hielt er dem Pflanzenpokemon an den Mund.
    Jace hielt den Atem an. Wenn das verletzte Pokemon nicht den Mund aufmachen würde, wäre er zu langsam gewesen und hätte versagt. Er sah in die Runde. Erwartungsvolle Blicke waren auf ihn gerichtet. Stille verschlang alles. Jace' ganzer Körper spannte sich an.
    Shnebedeck bewegte sich nicht. Jace´ Hand begann zu zittern. Er konnte nicht versagt haben! Er durfte nicht versagt haben! Jace ließ seine Hand sinken.
    "Du hast dein Bestes gegeben Jace. Du kannst nicht jedem Pokemon helfen" versuchte Lucia den Züchter zu trösten.
    Jace tat so als hätte er sie nicht gehört. Er legte dem armen Pokemon die Beere auf die Brust und stand auf. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ging er einfach weiter.
    Die Anderen folgten ihm. "Jace, Lucy hat recht. Es hätte wohl nicht sein sollen" sagte Gary.
    "Lass mich einfach in Ruhe" hauchte der Züchter nur.
    "Wenn du meinst" knurrte der Professor in spe.
    Plötzlich begann die Erde zu beben. Die Mädchen schrien. Das Eis zerbrach. Eine eiserne Fratze ragte aus dem Schnee hervor und schrie die Trainer an.

  • Chloé rannte. Sie rannte unentwegt immer geradeaus. Das Adrenalin strömte nur so durch ihre Adern, es machte sie wach, sie zitterte überall, und diesmal lag es ausnahmsweise Mal nicht an der Kälte. Denn die spürte das Mädchen momentan nicht, im Gegenteil. Schweiß rann ihr den Rücken hinab und sammelte sich auf ihrer Stirn, sodass ihre brünetten Strähnen an ihrer Haut klebten. Sie keuchte vor Anstrengung, und auch wenn sie nichts von der Kälte mehr spürte, so traten doch kleine, weiße Wölkchen aus ihrem Mund hervor und lösten sich kaum in der Umgebung auf, als Chloé auch schon in sie hineinrannte. Doch ihr blieb nicht viel Zeit darüber nachzudenken. Viel zu groß war die Panik, die sie empfand. Soweit sie das aufgrund der Panikschreie ausmachen konnte, waren alle vier Jugendlichen da. Jedenfalls beisammen, denn 'da' war in dem Tempo, in dem sie rannten eine weniger präzise Angabe. Gary keuchte nur, lag jedoch beunruhigend weit zurück, ebenso wie Lucia, die ab und zu ein paar ängstliche Rufe von sich gab. Und dann noch Jace. Und auch wenn man ihn am wenigsten hören konnte, so jagten gerade seine leisen Geräusche kleine Messerstiche in Chloés Herz. Es war ein leises, unstetes Schluchzen, vermischt mit angestrengtem Keuchen. Er weinte nicht, es war ein tränenloses Schluchzen, doch es tat Chloé Leid. Sie dachte stumm an das Shnebedeck, doch sie wurde sogleich wieder aus ihren Gedanken gerissen, als sie von hinten den markerschütternden Schrei dieses Pokemon ausmachen konnte. Doch Chloé wollte am Liebsten keinen einzigen Blick nach hinten riskieren, denn sobald sie erneut diese einschüchternde Fratze des Stahlos sehen würde, musste Chloé befürchten, einen Nervenzusammenbruch zu bekommen. Denn Chloé wusste nur zu gut, wem diese Schreckgestalt gehörte: Matze. Er musste also ganz in der Nähe sein. Ein kalter Schauer lief der Koordinatorin über den Rücken. Natürlich musste gerade das schlimmstmöglichte passieren, wo sie doch endlich aus dem eisigen Gefängnis fliehen wollten. Doch so musste es anscheinend kommen. Natürlich. Innerlich verdrehte Chloé die Augen, doch äußerlich blieb ihr dazu keine Zeit. Jace überholte sie, kurz gefolgt von Gary. Sie war also unbewusst langsamer geworden. Allmählich merkte Chloé, dass sie es nicht gewohnt war, so lange, so weit und vorallem durch so dichten Schnee zu laufen. Sie begann wieder zu keuchten, ihre Wangen begannen wieder zu kribbeln, die kalte Luft zog ihre Lungen zusammen, und ihre Beine verloren immer mehr an Gefühl. Tränen sammelten sich langsam in den Augen der Koordinatorin und gefroren sogleich an ihren Wimpern. Das Beben des Bodens verriet, dass das Stahlos immer näher kam. Chloé blickte nach vorne. Und sie war sich sicher, wenn sie nicht bald eine Zuflucht finden würden, würden sie vielleicht etwas schlimmerem sterben als dem Kältetod.


    Markerschütterndes Brüllen ertönte hinter den Jugendlichen. Jace´ Beine brannten vor Anstrengung. Sein Aten ging stoßweise. Schon wieder wurden sie verfolgt und erneut hatten sie keine Ahnung, wo sie eigentlich hin rannten. Und das zu diesem Zeitpunkt, nach dem armen Shnebedeck. Es reichte Jace jetzt langsam!
    Der Züchter in spe richtete seinen Blick nach vorn. Sie rannten geradewegs in eine Sackgasse. Links und Rechts befanden sich Bäume so dicht aneinander gereiht, dass sie unmöglich da durch rennen konnten, und vor ihnen war ein See, der mysteriöserweise nicht zugefroren war. Das Wasser schimmerte leicht im Sonnenlicht. Doch diese Tatsache brachte das Fass zum überlaufen. Das Schicksal hatte genug Spielchen mit Jace gespielt!
    Er ballte seine Hände zu Fäusten. Er drehte sich um 180° und schleuderte der grässlichen Stahlschlange einen Pokéball entgegen. Aus dem Augenwinkel konnte er die überraschten Gesichtsausdrücke seiner Begleiter war nehmen. Mit einem grellen Lichtblitz erschien der rot-braune Wolf. Flammen züngelten aus seinem Maul. Arkani fletschte die brennenden Zähne und verbiss sich in den Hals des Verfolgers. Das Stahlos kreischte laut. Das Stahlpokémon bäumte sich auf und warf den Kopf hin und her, doch das Feuerpokémon hielt sich mit Zähnen und Krallen fest.
    Jace versuchte ruhig zu atmen, doch Trauer, Verzweiflung und Zorn sprudelten in ihm auf. Sein Atem ging schnell, sein Blut pulsierte und er sah nur wie die Flammen in Arkanis Maul aufleuchteten. Doch als ein tiefblaues Etwas Stahlos hinauf huschte, weiteten sich seine Augen.


    Nun waren sie zwar dem unendlichen Weiß entkommen, doch wirklich besser war dieser Ort hier nicht. Zugegeben, er war schön, ruhig und beinahe himmlisch, doch in dieser Situation konnte man ein solches Paradies nicht gebrauchen. Zum einen, weil es eine wahrhaftige Sackgasse war. Und zum anderen, weil Chloé es nicht ertragen hätte, wenn dieses Paradies zerstört werden würde. Sie keuchte noch immer, versuchte verzweifelt irgendwie die Luft in ihre Lungen zu befördern, die hier aufrgrund des Sees bestimmt noch um einige Grad kälter war als ohnehin schon. Der Adrenalinpegel hatte noch immer nicht nachgelassen, was Chloé jedoch nicht missfiel, denn so konnte sie wenigstens alles scharf sehen. Auch wenn sie nicht alles sehen wollte. Da trug sich der Kampf zu. Stahlos gegen Arkani. Dann eine plötzliche Bewegung - erst hatte Chloé ihren Augen nicht getraut, da sie so unvorbereitet und schnell kam. Und dann lag es da. Das Arkani lag einfach im Schnee. Ein paar restliche Flammen aus seinem Maul schmolzen den Schnee, sodass eine kleine, blassgrüne Fläche frei wurde. Das Arkani rappelte sich schnell wieder auf, doch Jace war weiterhin angespannt und biss die Zähne zusammen. Aus dem Augenwinkel konnte Chloé sehen, wie Gary schon seinen Pokeball zückte, als sie eine ihr unbekannte Stimme vernahm. Doch allein der Ton reichte ihr, um zu wissen, dass es nichts gutes verheißen würde.
    "Na,na, ruhig Blut. Wer will denn schon kämpfen?" Alle Blicke richteten sich auf die Person, die das gesagt hatte. Selbst die der Pokemon. Lucia und Gary erstarrten. Jace neigte nur den Kopf zur Seite und schaute verwirrt drein. Auch Chloé sah ihn nun an. Es war ein Mann. Schlanke Statur, Ende zwanzig vielleicht. Das erste, was ihr ins Auge stach, waren seine Haare. Tiefblau, geradezu stechend im Kontrast mit dem blassblauen See der Stärke, wo sie sich befanden. Ein grausames Lächeln umspielte seine Lippen. Chloé hörte Schnee unter Sohlen knirschen, und plötzlich tauchte, für die anderen lautlos, Lucia hinter ihr auf. Sie lehnte sich zu Chloés Ohr und flüsterte: "Ich weiß wer das ist. Das ist -"
    "Saturn! Bitte, es hat doch gerade so einen Spaß gemacht." Und schon wieder diese Stimme. Das Adrenalin schwand augenblicklich der Angst. Nun richteten sich alle Blicke auf Chloé. Doch sie bekam es gar nicht mehr mit. Als er auch schon in ihr Blickfeld trat. Und damit ihr Innenleben komplett einfror.


    Jace´ Augen formten sich zu Schlitzen, als die Gestalten hinter Stahlos auftauchten. Erst dieser Saturn, dann ein Haufen Typen mit diesen türkisen Topffrisuren und zu allem Übel auch noch Matze. Dieser schmierige, hässliche Drecksack, der sogar in dieser Kälte seinen Anzug und seine Sonnenbrille trug. Jace wollte seinem Arkani gerade den Befehl zum Angriff geben, als erneut die Stimme von Saturn erklang: "Ach, diese Kinder haben dich schon so oft besiegt! Machen dir diese Niederlagen denn so viel Spaß?"
    Matze stieß ein wütendes Knurren aus. "Nein! Aber diesmal werde ich sie besiegen! Die letzten Male hatten sie einfach nur Glück!"
    "Ach, du bist doch ein einfältiger Tölpel. Aber von mir aus. Rüpel 7 bis 10 ihr unterstützt diesen Hohlkopf. 1 bis 6, ihr folgt mir zu Selfe!" Der Typ mit den blauen Haaren hob eine Hand. Saturn, sechs der Rüpel und das blaue Pokemon, das Arkani angegriffen hatte, gingen langsam auf die Jugendlichen zu.
    "Wie dreist seid ihr eigentlich?! Denkt ihr wir lassen es zu, dass ihr Selfe entführt?" rief Jace und Arkani sprang Saturn in den Weg.
    "Junger Mann, du solltest dich nicht in die Angelegenheiten von Erwachsenen einmischen. Ruf besser dein Pokemon zurück, ich will es nicht verletzen" sagte Saturn kalt.
    "Niemals" hauchte Jace und sein Arkani fletschte die Zähne.
    "Wie du willst. Toxiquak mach uns den Weg frei." Das Giftpokémon gackerte zufrieden und und mit einem violett leuchtenden Arm stieß es Arkani in den Schnee. Das hässliche Lachen des Pokemon hallte durch die Landschaft und vermischte sich mit dem Lachen von Matze. Jace fiel auf die Knie und streichelte den Kopf von Arkani.


    Chloé konnte all das einfach nicht ertragen. Nicht nur Matze, ja, er war abartig und schrecklich, aber durch seine Anwesenheit war sie taub geworden. Komplett. In dem Moment, wo sie seine Stimme gehört hatte, gab es einfach kein Adrenalin mehr. Nirgendwo, in keiner einzigen Zelle ihres Körpers. Als hätte ein Wirbelwind durch sie durchgejagd. Mit leeren Augen hatte sie die Situation beobachtet, ihre Lippen zu einer Linie geformt, ihre Arme schlapp herabhängend an ihrem Körper. Sie hörte in ihren Ohren ihr eigenes Herz schlagen, doch fühlen konnte sie es nicht, als wäre eine gigantische Betonwand zwischen ihr und ihren Gefühlen errichtet worden. Eine kalte Angst fraß sich von ihrem Herz in jedes einzelne Gliedmaß, was diese Wand noch verstärkte. Taub vor Angst. Was für ein Weichei Chloé doch war. Matze würdigte ihr nur eines kurzen Blickes, nicht viel, doch es reichte, damit sich Chloé auf die Zunge beißen musste um nicht loszuschreien. Sie begann zu zittern und konnte ihre Beine nun komplett nicht mehr spüren. Lucia vergrub ihre in Handschuhe gehüllten Finger in Chloés Schultern, um ihr eigenes Zittern zu verbergen. Sie flüsterte etwas ganz nah an Chloés Ohr, doch diese hörte es nicht. Es beherrschte sie die pure Angst. Bis das Arkani fiel.
    Da schien ein Schalter in ihr umgelegt worden zu sein. Schlagartig fühlte sie wieder, begann, die zuvor angehaltene Luft wieder rauszulassen und zu atmen. Gefühl kam wieder in ihre Gliedmaßen. Sie blinzelte ein paar Mal, um ihren Blick zu schärfen. Sie befeuchtete ihre trockenen Lippen und bewegte ihre Finger, die steif geworden waren. Und dann traten auch schon wieder Tränen in ihre Augen. Sie konnte es eindeutig nicht abhaben, wenn es Jace schlecht ging, aus welchem Grund auch immer. Es tat ihr im Herzen weh, was sie aber zumindest wieder spürte. Und dieses Herz schlug unverkennbar lauter, nur wenn sie Jace ansah. Diese Tatsache schien Chloé erst wieder komplett aufzutauen. Ohne Matze weiter zu beachten, schrie sie irgendwas, dass sie selbst nicht richtig verstand, und tat ein paar schnelle Schritte in Jace' Richtung, der aufsah, doch sofort wurde sie gestoppt. Zum einen von Lucias Hand, die sie gekonnt zurückhielt, weil sie wohl wusste, welche Gefahr allen drohte. Zum anderen von Jace' Blick, der neben Güte und Trauer gleichzeitig auch eine Warnung beinhaltete: 'Bleib stehen.' Und schließlich noch die Stimme von Matze, die Chloé alle Mühe kostete, nicht wieder zu einem gefühllosen Klotz zu werden.


    Wenige Emotionen fluteten durch Jace. Doch diese waren so stark, dass sie ihn überrumpelten. Trauer um das arme Shnebedeck, Wut über Saturn, und Nutzlosigkeit. Er hatte es weder geschaft das kleine Pflanzenpokémon zu retten, noch konnte er Team Galaktik aufhalten, und vor allem konnte er noch nicht mal seine eigenen Pokemon gesund halten! Sein Arkani lag im Schnee. Nur sein Brustkorb hob und senkte sich langsam und kaum merkbar. Eine einzelne, stille Träne rann über Jace´ Wange und gefror im Schnee. Arkanis Augen öffneten sich. Ein leises, fast nicht zu hörendes Jaulen drang durch die Kehle des Feuerpokemons. Jace fuhr ihm sanft über das Fell. "Du hast gut gekämpft mein Freund", flüsterte er, "jetzt kannst du dir eine Pause gönnen." Als Jace den Pokéball heben wollte, fing Arkani an sich zu winden. "Was ist los?" Jace verfiel in Schockstarre. Das wolfsähnliche Pokemon starrte seinen Trainer mir einem Ausdruck in den Augen an, der in totalem Kontrast zu Jace´ Gefühlen stand: Hoffnung, Stolz und Tatendrang. Niemals würde Arkani jetzt wieder in den Ball zurück gehen! Jace entspannte sich ein bisschen und legte den Ball weg, stattdessen holte er einen Top-Trank hervor. "Wenn du kämpfen willst, werde ich dich unterstützen mein Freund! Komm wir zeigen denen, dass man uns nicht besiegen kann!"


    "Bleib ja stehen, Kleine." Alle Kiefer schienen sich gleichzeitig bei diesem Satz anzuspannen. "Wir kämpfen doch nur. Und diesmal werdet ihr verdammt nochmal verlieren." Matze ging ein paar Schritte auf Chloé zu, die sich sofort versteifte und instinktiv ein paar Schritte zurück torkelte, wo sie die Arme von Lucia empfingen. Ein kleiner Trost, doch die Angst wuchs, als Matze immer weiter auf die Mädchen zukam. Chloé befürchtete schon, zu hyperventilieren, als plötzlich Gary und Jace sich ihnen in den Weg stellten. "Nein, du lässt sie schön in Ruhe!" rief Gary aus. Seine Stimme bebte und er zückte einen Pokeball, aus dem sogleich Turtok geflogen kam. Jace unterstützte ihn. "Ja, wir wollen deinen Untergang, lass sie endlich daraus!" Seinem Arkani schien es besser zu gehen als zuvor, Jace hatte bestimmt irgendeinen Trank eingesetzt. Zusammen mit Turtok gab es wirklich ein starkes Team ab. Kurz atmete Chloé auf, doch die Erleichterung sollte nicht von langer Dauer sein. Matze brachte zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: "Rüpel, ihr kümmert euch um die Mädchen. Ich mach diese Pimpfe hier ein für alle Mal fertig." Mit diesen Worten kamen eine Menge türkishaarige Leute auf die beiden Mädchen zu und Matze schickte das bereits geschwächte Stahlos und Skorgro in den Kampf. Doch Chloé blieb schließlich keine Zeit, sich auf den Kampf der Jungs zu konzentrieren. Die beiden waren stark genug, sie würden Matze wohl immer besiegen. Jetzt löste sie sich von Lucia, tastete sich mit einer Hand unter die vielen dicken Schichten ihrer Kleidung zu ihren Pokebällen und griff sich entschlossen einen. Lucia tat es ihr gleich. Ein siegessicheres Lächeln umspielte die Lippen der beiden Koordinatorinnen. Dann warfen sie die Bälle, Chloé zuerst. "Los, Kirlia!" Kurz gefolgt von Lucia. "Haspiror, zeigs ihnen!"
    Und noch bevor die Pokemon erschienen waren, war sich Chloé einer Sache sicher: Auch wenn sie nicht gerne kämpfte, diesen Kampf würde sie gewinnen. Für Shnebedeck. Für Tobutz. Für Selfe. Für Jace. Und letztendlich für sie selbst.

  • Tatsächlich war Chloé noch nie ein großer Fan von Pokemonkämpfen gewesen. Doch in diesem Augenblick war sie Feuer und Flamme, zu gewinnen. Wenn es da nur nicht ein Problem gäbe. "Hey, Lucia." flüsterte Chloé ihrer Freundin zu, in deren Augen ebenfalls Kampfgeist herrschte. "Was?" antwortete diese, ohne großartig die Lippen zu bewegen. Während die Galaktiktölpel ihre Pokemon, Golbat und Skunkapuh, zu Kirlia und Haspiror schickten, versuchte Chloé hastig, ihre Sorge zu erläutern. "Naja, du weißt, ich kämpfe nicht gerne. Und auch nicht brutal oder so. Also was...?" "Keine Sorge, Chloé." unterbrach Lucia diese ohne mit der Wimper zu zucken, ihre Lippen zu einem siegessicheren Lächeln verzogen. "Kämpfe wie im Wettbewerb. Kämpfen wir wie im Wettbewerb. Das haben wir schon oft gemacht." Nun sah sie Chloé direkt an, und sie schien endlich zu begreifen, und ihre anfängliche Sorge verwandelte sich wieder in Kampfgeist. Mit einem Lächeln auf den Lippen nickte sie hastig und sagte: "Ja. Machen wir sie fertig." Und mit diesen Worten begann der Kampf.
    Chloés Sinne waren geschärft und völlig auf den Kampf konzentriert. Nun konnte sie alles ausblenden, oder es zumindest versuchen, denn sie durfte nun keine Schwäche zeigen. Kurz schloss sie die Augen, um ihre Gedanken zu fokussieren. Nicht nur um ihrer selbst wegen, sondern um Kirlia klar zu machen, dass sie miteinander verbunden waren. Das hatte sie schon oft gemacht. Und sie genoss es jedes Mal aufs Neue, sich innerlich mit ihrem Pokemon zu verbinden, sodass sie ihm sogar Attacken zuhauchen konnte, ohne auch nur die Lippen zu bewegen. Langsam atmete die Koordinatorin ein und aus und dann konnte sie auch schon die geistige Verbindung zu ihrem Kirlia spüren. Es wirkte angriffslustig. Und dann öffnete Chloé die Augen, sah noch einmal zu Lucia, und dann ging es auch schon wirklich los.
    Eine Taktik der beiden Koordinatorinnen war es, den Erstangriff des Gegners abzuwarten. Was sie auch nun taten.
    Skunkapuh kam zuerst auf die beiden zu, seinen erhobenen Schweif bedrohlich lila gefärbt. Kurz kamen Chloé Zweifel, sie schluckte, doch dazu hatte sie keine Zeit. Lucia schien alles unter Kontrolle zu haben, ihre Stimme klang fest und sicher. "Haspiror, setz Sprungfeder ein, du weißt wie!" Der kleine Hase, um den Chloé Lucia schon so oft beineidet hatte, wartete nicht lange und sprang für seine Größe beachtlich hoch. Sogleich war alle Furcht aus Chloé gewichen, denn diese Kombi hatten die beiden Mädchen und Pokemon schon oft durchgeführt. Chloé füllte ihre Lungen wieder mit Luft, schloss konzentriert die Augen und dachte sich, im Hinterkopf Kirlia spürend: Kirlia, Psychokinese. Chloé konnte wie durch eine unsichtbare Kraft spüren, dass Kirlia sie verstanden hatte und die Aufgabe ausführte. Es war jedes Mal ein unbeschreibliches Gefühl, wenn das kleine Psychopokemon sich mit seiner mentalen Kraft mit Chloés Gedanken verband. Diese konnte nun förmlich sehen, wie Kirlias Augen aufleuchteten und sich auf Haspiror richteten. Dieses wurde in der Luft durch die Kraft von Kirlia aufgehalten, schwebte umher und Kirlia versetzte es direkt über Skunkapuh. Dieses wunderte sich, schaute verwirrt nach oben - und genau in diesem Moment ließ Kirlia seine Kraft ersterben und Haspiror konnte aufgrund seiner zuvor gespeicherten Kraft ungebremst auf Skunkapuh fallen. Mithilfe des Aufpralls sprang es wieder einige Meter auf Kirlia zu und blieb dort stehen. Das gegnerische Pokemon taumelte zurück und schüttelte sich, blieb jedoch stehen. Der Kampf lief doch schonmal ganz gut. Chloé lächelte. Und nur ganz kurz begann sie sich zu fragen, wie es bei den Jungs so lief.


    Ein kalter Schauer überlief Jace´ ganzen Körper. Erneut stand er Matze gegenüber, dessen Gesicht von einem scheußlichen Grinsen geziert wurde. Und erneut stand sein ständiger Begleiter, Gary, neben ihm. Er wechselte einen Kurzen Blick mit ihm. Die braunen Augen des Professors in spe funkelten angriffslustig. Seine zerzausten Haare wackelten leicht im eisigen Wind. Jace richtete seinen Blick zurück auf seinen Gegner. Seine Augen schweiften über die feindlichen Pokémon. Stahlos, die eiserne Schlange, und Skorgro, der fliegenden Skorpion, standen Jace´ Arkani und Garys Turtok gegenüber. Ein spielerisches Lächeln lag elegant auf den Lippen des zukünftigen Züchters. "Ey Gary, wann haben wir eigentlich das letzte Mal unser unschlagbares Duo eingesetzt?" rief er seinem Kumpan zu.
    "Das ist eine Ewigkeit her. Aber ich denke, die alten Kombis haben wir immernoch spitzen mässig drauf" lachte Gary zurück.
    "Hört auf zu Quatschen! Es wird Zeit zu verlieren!" schrie Matze und sein Lächeln wurde breiter.
    "Och Dickerchen, hast du noch nicht genug vom ständigem Verlieren?" fragte Gary spöttisch.
    "Diesmal wird es anders! Stahlos setz Eisenschweif ein! Skorgro benutz Giftzahn!" schrie Matze und seine Pokémon stürzten sich auf Arkani und Turtok.
    "Sollen wir uns erstmal einzeln warm machen?" fragte Jace ganz ruhig.
    "Ok, können wir gerne machen" antwortete Gary. "Turtok, Panzerschutz!" Die riesige Schildkröte versteckte sich in seinem Panzer, kurz bevor Skorgro seine violett leuchtenden Zähne erfolglos in diesen bohrte.
    "Arkani, Turbotempo!" rief Jace. Der Feuer-Wolf verschwand direkt und hinterließ eine kleine Staubwolke, die direkt von einer Größeren, durch Stahlos grell leuchtenden Schweif hervorgerufen, abgelöst wurde. Kurz darauf erschien Arkani wieder und rammte die eiserne Schlange am Kopf. Diese schrie auf und kroch ein paar Meter zurück.
    "Elendige Rotzbälger" knurrte Matze.
    "Gib lieber direkt auf, bevor wir dich komplett fertig machen!" lachte Gary.
    "Niemals! Stahlos, Skorgro! Greift nochmal an!" schrie der Anzugträger.


    Nur einen kurzen Augenblick hatte Chloé sich einen Blick auf das parallele Kampfgeschehen gestattet, schließlich musste sie sich selber voll und ganz konzentrieren. Doch letztlich hatten Sorge und Neugier gewonnen, doch der Anblick der beiden starken Jungs, die wie eine Einheit im Kampf funktionierten, beruhigte Chloé soweit, dass sie wieder ausatmen konnte und sich wieder ihrem eigenen Kampf zuwandt. Das Skunkapuh hatten die beiden Mädchen mittlerweile besiegt, selbst wenn Kirlia und Haspiror, vorallem das letztere, schon ganz schön was eingesteckt hatten. Das Golbat jedoch war guter Dinge, es hatte kaum eine Attacke abgekriegt, da seine Schnelligkeit bemerkenswert war. Doch Lucia und Chloé dachten gar nicht daran, aufzugeben.
    Chloé biss die Zähne zusammen, so stark, dass es sich schon anfühlte, sie würden brechen. Zwar konnte sie sich per Telepathie mit Kirlia verständigen, doch der Rüpel hatte diese Taktik schnell verstanden, und wich immer vorsorglich mit Agilität oder solchen Attacken aus. Eine Schweißperle kroch Chloé den Nacken hinab und sie ballte ihre Hände zu Fäusten, bis sich ihre Fingernägel tief in ihre Haut gruben. Auch Lucia schien versteift, ihr Kiefer war angespannt und ihre Augen waren sturr auf den Kampf gerichtet, konzentriert, als würde sie alle Möglichkeiten abrechnen. Dann sagte sie, einzig für Chloé hörbar: "Psst, Süße. Ich hab einen Plan. Du schließt die Augen und tust so, als würdest du Kirlia etwas zuflüstern, und dann..."
    Der Plan war schnell verstanden, ein Nicken beiderseits bestätigte es. Dann richteten sich beide Augenpaare wieder auf die Kampffläche, und Chloé senkte ihre Lider, sodass ihre Wimpern den Bereich unter ihrem Auge kitzelten. Sie kaute etwas unruhig auf ihrer Wange rum, denn sie wusste nicht so Recht, was sie tun sollte, wo sie doch nur so tat, als würde sie mit Kirlia kommunizieren. Und da dachte sie sich, wieso eigentlich nicht?
    Hey, Kirlia, pass mal auf. Wir haben grad einen Plan am laufen, ich weiß nicht, ob du das mitgekriegt hast, aber der Typ von Team Galaktik denkt grad, ich gebe dir den Befehl für eine Attacke. Also wunder dich nicht. Gleich geht der Kampf weiter, Kleines.
    Kurz wartete Chloé auf eine Antwort, und kurz kamen ihr Zweifel, ob sie nicht verrückt wäre, wenn sie sich über ihre Gedanken mit ihrem Kirlia unterhielt. Ob dieses sie überhaupt richtig verstand. Doch ihre Zweifel wurden schnell beiseite gewischt, als sie zur Bestätigung in ihren Gedanken eine positive Welle verspürte, die sie immer dann spürte, wenn Kirlia mit etwas einverstanden war. Es war wie eine Woge aus einem Lachreflex und ausgeschütteten Glückshormonen. Chloé fühlte sie so gut, dass sie unbewusst anfing zu Lächeln. Was ihr Gegenüber wohl vollends als Angriff verstand. "Golbat, Flügelschlag auf Kirlia, bevor es angreift!" Chloé öffnete die Augen, schnell, jedoch langsam genug, sodass es bedrohlich wirkte. Sie konnte sehen, wie sich der Rüpel anspannte und Zweifel bekam, doch er achtete nur auf Chloé und ihr Kirlia, das anscheinend mitspielte und seine Augen geschlossen hatte. Perfekt. Der Plan ging auf.
    "Haspiror, setz Irrschlag ein!" Und dann ging es so schnell, dass Chloé Mühe hatte, dem Geschehen zu folgen. Haspirors kleine Pfote leuchtete hinter Golbat auf und traf dieses sogleich unvorbereitet. Der Rüpel schrie, kreischte fast vor Entrüstung. Das Golbat war sofort verwirrt, es taumelte, flog noch ein paar Meter nach dem Aufprall durch die Luft und fiel auf den Boden. K.O. Chloés Lächeln verzog sich zu einem Lachen. Kirlia sprang auf und ab und hüpfte elfengleich auf Chloé zu, direkt in ihre Arme. "Super gemacht, Kleines!" Chloé rieb liebevoll ihren Kopf an den des Pokemon in ihren Armen. Lucia tat es ihr mit Haspiror gleich, Golbat wurde zurück in seinen Pokeball gerufen. Chloés Haarspitzen kitzelten ihre Wangen, doch die Freude blieb nicht von langer Dauer. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, als die gnadenlose Stimme von Saturn erklang.


    Stahlos stürzte sich auf Turtok, das seinen Blick auf Skorgro gerichtet hatte. Turtok gab ein leidvolles Stöhnen von sich, als der Eisenschweif es zu Boden drückte. Gary knirschte mit den Zähnen.
    Arkani wurde von Skorgros Giftzahn erwischt und jaulte schmerzverzerrt. Jace´ Fingernägel gruben sich in seine Handballen.
    "Tja, wer wird nun fertiggemacht?" gackerte Matze.
    "OK, ich denke, wir sind warm genug" knurrte Gary.
    "Wo du gerade von warm sprichst. Denkst du das Gleiche wie ich?" grinste Jace.
    "Oh gute Idee!" Der Professor in spe grinste und rief: "Turtok, Turbodreher!" Das Wasserpokémon zog seinen Kopf, Arme und Beine ein und begann sich um die eigene Achse zu drehen. Die beiden Trainer begannen finster zu grinsen.
    Während Turtoks routierender Panzer sich auf Stahlos zu bewegte, lachte Matze: "Dieser kleine Kreisel kann meinem mächtigen Stahlos doch nix an haben."
    "Noch nicht" sagte Jace, "Arkani Flammenwurf auf Turtok!"
    Matze kniff die Augen zusammen "Was soll das werden?" fragte dieser verwirrt.
    "Warte ab" lachte Jace, als eine Feuersäule aus Arkanis Maul auf Turtok zusteuerte. Durch die Rotation wickelten sich die Flammen um Turtok. Das Feuer züngelte um Turtok und verschlung es schließlich. Funken flogen durch die Luft und ein gigantischer Feuertornado rasste auf Stahlos zu. Jace hörte nur noch, wie Matze laut kreischte, bevor alles durch Stahlos Schmerzensschreie übertönt wurde.
    Die Flammen züngelten um die Stahlschlange und hinterließen schwarze Streifen. Als das Feuer langsam nachließ, stürzte Stahlos durch die restlichen Funken besiegt zu Boden.
    "Eins am Boden, bleibt nur noch eins" sagte Gary.
    Matze knirschte mit den Zähnen und knurrte: "Ihr miesen, kleinen ..."
    Doch er konnte seine Schimpftirade nicht weiter ausführen, denn Saturns Stimme erklang.

  • "Matze, Matze, Matze. Kannst nichtmal gegen diese Pimpfe gewinnen. Wieso genau hat dich Zyrus nochmal eingestellt?" Saturn lachte, doch das Geräusch klang nicht im geringsten freundlich. Chloé lief ein kalter Schauer über den Rücken, besonders als Matze zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorbrachte: "Klappe, Blauschopf! Ich hab mehr Bedeutung bei dieser Mission wie ihr alle!" Sein Blick hinter seiner undurchdringenbaren Sonnenbrille musterte das gesamte Kampfgeschehen. Lucia und Chloé, die angriffslustig, aber dennoch etwas ängstlich vor ihren Pokemon standen. Gary und Jace, die den Glatzkopf feindlich anfunkelten. Die Rüpel, die unruhig überall herumstanden und Löcher in die Luft starrten. Und dann ruhte sein Blick auf Commander Saturn. Der Kiefer des Mannes war deutlich angespannt, und Chloé konnte die dicke Luft förmlich mit den Händen greifen. Doch Saturn ließ sich davon nicht unterkriegen. Lässig erwiderte er: "Ja genau. Du warst es ja auch, der Selfe gefangen hat, während ich mich nichtmal gegen kleine Jungs behaupten kann, genau." Erneut dieses emotionslose Lachen. Chloé schluckte. Ihr wurde wieder kälter, obgleich die Kleidung noch immer alle Kälte von ihrem Körper fernhielt. Ihre Gedanken schweiften wieder ab zu dem Absol. Unwillkührlich sammelten sich Tränen in ihren Augen, die ihr ihre Sicht verschleierten. Die eisige Temperatur nagte an ihr, sie begann zu zittern, was aber wahrscheinlich nur an der steigenden Angst lag. Saturn fuhr fort. "So, wir haben unsere Mission erfüllt. Wir können abhauen." Und dann wachte Chloé auf. Ihr Körper erlöste sich von seiner unsichtbaren Starre, seine nicht vorhandenen Ketten fielen ab, und Chloé fühlte wieder. Adrenalin strömte durch ihren Körper, wurde zu einem Schutzschild gegen die erbitterte Kälte. Augenblicklich sammelten sich kleine Schweißperlen auf ihrer Stirn, sodass einzelne ihrer Haarsträhnen an dieser klebten. Ohne dass sie es wirklich realisierte, schrie sie: "Nein! Lasst Selfe da, wo es ist!" Alle Blicke richteten sich auf die Brünette. Ihre Wangen kribbelten vor Erregung, sie hatte ihre Hände zu Fäusten geballt, so fest, dass sich ihre Fingernägel in ihre Haut bohrten. Doch es war ihr egal. Sie spürte die unsichtbare Macht, die von ihrem Pokemon ausging. Kirlia stellte sich neben das Mädchen, sandte ihr per Telekinese seine Entschlossenheit. Und ein Lächeln formte sich auf Chloés Lippen.
    Dann hörte sie auch die entschlossene Stimme von ihrer Freundin neben ihr: "Genau, ihr habt schon genug Mist gebaut, lasst stecken!" Kurz wechselten die beiden Mädchen einen Blick, Lucias blaue Augen glänzten wie gerade schmelzendes Eis, und ihre Züge waren schön, aber hart vor Anspannung. Dann jedoch hörte Chloé wieder die Stimme des Commanders, und sofort war ihre Aufmerksamkeit wieder auf den blauhaarigen Mann gerichtet. Der grinste - ein fieses Grinsen, nicht so fies wie das von Matze, aber fies. Er schloss die Augen, schüttelte langsam den Kopf und sprach mit warnendem Unterton: "Ts,ts,ts. Selfe befindet sich bereits in meiner Obhut. Ihr habt keine Chance, denn, anders als Matze hier, kämpfe ich wie ein Mann. Also geht mir aus den Augen, wir haben noch viel vor." Alle Augenpaare ruhten auf den beiden Mädchen. Saturns Blick wandelte von warnend zu ungeduldig und schließlich zu verbittert. Aus dem Augenwinkel konnte Chloé Jace und Gary erkennen, die, wenn sich Chloé nicht irrte, mit ihren Lippen warnende Worte formten. Doch Chloé ließ sich von ihrem Vorhaben nicht abbringen, ebenso wenig wie Lucia. Sie blieben standhaft, rührten sich nicht, und die Luft schien eingefrorener denn je. Erneut schüttelte Saturn wieder mit dem Kopf. "Ihr wolltet ja nicht hören. Dann müsst ihr jetzt eben fühlen." Ohne ein weiteres Wort trat ein unheimliches Pokemon hervor. Chloé hatte schon davon gehört, jedoch hatte sie nicht gewusst, dass es von Nahem wirklich so grausam war. Toxiquak. Die rote Blase unter seinem Kiefer war voll mit Gift, dass war der Koordinatorin klar. Sie pulsierte regelrecht vor freudiger Erwartung, bald ein paar Pokemon zu vergiften. Seine Augen starrten ausdruckslos vor sich hin, und wirkten dabei nicht weniger giftig als seine Blase. Dann rief Saturn: "Angriff!"
    Und dann ging alles ganz schnell. Viel zu schnell.
    So schnell griff Toxiquak an, seine Krallen leuchteten gefährlich auf. So schnell sprang es auf Kirlia und Haspiror zu. So schnell bohrte es seine mit Gift durchtränkten Krallen in die Pokemon. So schnell gingen diese zu Boden. Und so schnell war Chloé wieder den Tränen nah.
    Doch es musste ja noch mehr sein. Das Toxiquak begann, mit einer Attacke die Chloé im Moment nicht einfallen wollte, die beiden überraschten und total überforderten Pokemon zu attackieren. Plötzlich entfuhr Chloé ein Ausruf. "Hör auf, bitte!" Es hörte nicht auf. Eine stille Träne lief Chloé über die Wange. Sie konnte es hören - in ihrem Kopf schrie Kirlia vor Schmerz. Chloé bekam sofort unglaubliche Kopfschmerzen, ihre Schläfen pulsierten. Sie fasste sich mit einer Hand an die Stirn, die ungewöhnlich heiß zu sein schien. Ihr wurde schwummerig , die schnellen Bewegungen des Giftpokemon verschwammen vor ihren Augen. Und dann gab es Kirlia und Haspiror den finalen Schlag. Undzwar nicht einfach nur so, dass sie auf dem Boden lagen. Wenn sich Chloé nicht irrte, grinste das Toxiquak, als es Haspiror so stark boxte, dass es mit einer unglaublichen Geschwindigkeit auf seine Trainierin zuflog. Es traf Lucia mit einer so krassen Geschwindigkeit und so einem Aufprall, dass sie nach hinten fiel. Chloé wollte sich umdrehen, doch ihr blieb keine Zeit. Denn Toxiquak wiederholte seine erbarmungslose Attacke mit Kirlia. In ihr Gehör drangen nur noch zwei unterschiedliche Schreie, doch sie konnte die dazugehörigen Menschen nicht zuordnen. Und dann traf Kirlia sie. Der Aufprall war so gigantisch, das es Chloé die Luft aus den Lungen zog. Sie schnappte laut nach Luft und vor ihren Augen wurde es kurze Zeit schwarz. Sie merkte nur, wie sie fast unbewusst die Arme um Kirlia legte, um es zu schützen, und sie drückte es gegen ihre Brust. Und dann fiel sie. Sie fiel fast ungewöhnlich lange, aber vielleicht war auch nur ihr Gefühl kaputt. Als sie dann den stolpernden Fall fast hinter sich gelassen hatte, und sie nun eigentlich den Boden erwartet hätte, wurde sie von zwei warmen Armen aufgefangen.


    Die Jungs zuckten zusammen, als Saturns Stimme ertönte. Kalt und eisig wie der Schnee.
    Matzes Gesicht verfinsterte sich mit jedem Wort aus dem Mund des Komanders mehr. Jace fragte sich, was für eine Stellung der Glatzkopf bei Team Galaktik hatte. Doch dafür blieb keine Zeit. Sein ganzer Körper füllte sich mit Angst und Schrecken, als Chloés Stimme ertönte. Sein Blick richtete sich auf die Mädchen, die kampfbereit vor Saturn standen. Der Züchter wollte die Mädchen davon abhalten, doch seine Kehle war zugeschnürt. Der Schock lähmte ihn. Sein Atem blieb stehen. Kalter Angstschweiß lief seinen Rücken hinab. Von jetzt auf gleich flogen die Pokémon der Mädchen durch die Luft.
    Die Mädchen wurden von ihren eigenen Pokémon von den Füßen gerissen. Jace´ Lähmung verschwand blitzartig und er sprintete los. Es schien alles in Zeitlupe zu passieren. Die Mädchen, die tapfer ihre Pokémon in den Armen hielten, schienen eine Ewigkeit in der Luft zu schweben.
    Der Zusammenstoß mit der Koordinatorin zog Jace mit und er landete mit dem Mädchen im Arm im Schnee. Die Wucht der Kollision presste die Luft aus Jace´ Lungen. Feiner Pulverschnee wurde durch den Sturz aufgewirbelt und legte sich nun auf die Trainer. Die langen Haare des Mädchens kitzelten dem Züchter in spe in der Nase und versperrten ihm die Sicht. Jace spürte, wie sich die Koordinatorin langsam bewegte. Er atmete beruhigt ein und aus. Er strich sich die blau glitzernden Haare aus dem Gesicht und fragte: "Alles in Ordnung bei dir?"
    Die feminine Stimme von Lucia ertönte: "Es geht... Da...danke dass du mich aufgefangen hast."
    Jace´anfängliche Ruhe schwang in Unbehagen um. "Kein Problem, würdest du bitte von mir runter gehen?" Der zukünftige Züchter sah sich um. Wut und Eifersucht stiegen in ihm auf.


    Gary lag im Schnee. Das Gewicht der Brünetten und ihres Pokemon drückte auf seinen Bauch. Die Arme des Professors umklammerten die Koordinatorin. Ihre Haare kitzelten sanft sein Gesicht. Gary sah, wie Chloés Atem direkt vor ihm kleine Wölkchen bildete. "Geht es dir gut?" fragte er und seine Stimme war mit aufrichtiger Sorge erfüllt.
    Das Wackeln von Chloés Haaren interpretierte Gary als Ja. "Geht es Kirlia auch gut?" erkundete sich Gary. Erneut wackelten die braun glänzenden Haare der Koordinatorin.
    "Warum sagts du nichts?" Gary wusste nicht, ob er deswegen beleidigt sein sollte oder sich Sorgen machen müsste. Er strich dem Mädchen mit einer Hand sanft über die feuchte, kalte Wange. "Chloé es ist alles ok. Diese Typen werden Selfe nicht bekommen und wir werden uns gut um dein Kirlia kümmern" versuchte er Chloé zu beruhigen, doch der Gedanke das mit "wir" überwiegend Jace gemeint war, ließ den Professor in spe sich auf die Lippe beißen.
    Gary hörte, wie Chloé schluchzte. "Chloé, alles wird gut, mach dir keine Sorgen." Sanft schob er ihr Geischt in seine Richtung, so dass sich ihre Nasen beinahe berührten. Die grünen Augen von Chloé glänzten sanft, trotz der Tränen. Garys Herz begann schneller zu schlagen. Sein Atem ging stoßweise. Alles andere wirkte weit weg. Für Gary gab es jetzt nur noch ihn und Chloé, mit ihren grasgrünen Augen, ihren sanften Lippen und ihre roten Wangen. Der Professor in spe nährte sich mit seinem Kopf Chloé und versuchte seine Lippen auf die ihren zu legen.


    Kurzzeitig blieb Lucias Herz stehen. Nicht nur wegen der Tatsache, dass sie auf Jace gelandet war. Sondern auch deswegen, dass Gary tatsächlich versuchte, Chloé zu küssen. Lucias Mund trocknete maßgeblich aus. Sie blinzelte ein paar Mal, war völlig von dem Anblick gefesselt und wusste nicht Recht, was sie denken sollte. Als Jace sie wieder in die Realität zurück holte, sodass Lucia ihren Blick von den beiden anderen abwenden konnte. Als Jace in ihr Blickfeld trat, schmerzte ihr Herz und ihr Puls raste. Sein Blick war gesenkt, doch sie spürte, wie vereinzelte Beben durch seinen Körper fuhren. Kurz schweifte ihr Blick ab zu seinen Händen, die zu Fäusten geballt waren und zitterten. Seine Brust hob und senkte sich unregelmäßig. Lucia zog ihre Stirn in Falten und bewegte ihre freie Hand langsam auf die seine zu, mit der anderen hielt sie weiterhin ihr verletztes Haspiror fest, das reglos an ihrer Brust ruhte. Als sie Jace' Hand fasste, schrak sie kurz zusammen. Sie war eiskalt. Kälter als der Schnee, wenn sich die Blauhaarige nicht irrte. Und solange sie Jace nun kannte, so war er immer warm gewesen. Wärmer als alles, was sie kannte. Und nun waren seine nicht zu sehenden Fingernägel wahrscheinlich tiefblau. Kurz hielt sie inne, war schon bereit, ihre Hand, die in der Luft verweilte, zurückzuziehen, doch dann gewann die Sorge. So umschloss sie mit ihrer zarten, in einen Handschuh gehüllten Hand die Faust von Jace. Sie hörte kurzzeitig auf zu zittern, und er blickte auf. Als seine Augen die von Lucia trafen, waren sie von einem dunklen Schatten bedeckt. Ein Schmerz lag in seinem Blick, der Lucia tief traf. Kurz schien Jace etwas hinter Lucia wahrzunehmen, doch sogleich sah er ihr wieder in die Augen. Lucias Herz dröhnte ihr in den Ohren, und schnell befeuchtete sie ihre Lippen. Triumphierte sie nun über Chloé? Ohne etwas anderes mehr wahrzunehmen, blickte sie in die grünen Augen von Jace, die wie zugefrorene Smaragde aussahen. Lucias Atem kam mit kleinen, weißen Wolken aus ihrem Mund hervor. Diese Wolken brachen sich an Jace Gesicht, so nahe waren sie sich nun. Doch natürlich musste dieser Augenblick zerstört werden.


    Chloé wusste nicht, wie ihr geschah, als Gary sich mit geschlossenen Augen ihren Lippen näherte. Aus dem Augenwinkel konnte sie noch erkennen, wie Jace sie ansah, doch den Ausdruck in seinen Augen konnte sie nicht schließen. Denn ihre Gedanken rasten und wollten ihr keine Ruhe geben. Sein Gesicht war schon so nahe, sie hatte kaum eine Chance, sich zu wehren. Ihr Atem ging schneller, ihr Gesicht wurde zunehmend heißer. Am liebsten hätte sie ihm Kirlia vor die Nase gehalten, doch es war schon verletzt genug. Sie bekam Panik. Ihre Handflächen wurden feucht, und Garys Atem kitzelte sie schon auf ihre Lippen, die zunehmend ausgetrocknet waren. Schließlich gewann das Adrenalin die Oberhand und Chloés zuvor Matsch gewesene Beine verfestigten sich. Sie suchte halt auf dem schon etwas geschmolzenen Schnee, versuchte, nicht wegzurutschen. Als sie sich zumindest einigermaßen sicher war, nicht gleich wieder hinzufallen, versuchte sie aufzustehen, stolperte nach hinten. Doch sie hatte etwas in ihrem Plan nicht bedacht: Sie war ein verdammter Tollpatsch. Der Schnee war zwar schon ansatzweise geschmolzen, doch rutschiger, als Chloé es erwartet hätte. Ihre Schuhsohlen hatten keine Chance, sofort rutschten sie ab, und Chloé landete wieder auf ihrem Hosenboden. Etwas weiter hinten als vorher, immerhin. Aus der Reichweite seiner vollen Lippen. Doch wenn es nur das gewesen wäre.
    "Woooaah, Chloé!" rief Gary aus, zog seine Beine zusammen, was ihm aber nicht gut gelang, da Chloé, nicht wenig verdutzt, immer noch auf ihm saß. Sein Mnd verzog sich zu einem stummen Schrei, den Chloé nicht zu deuten wusste. Und plötzlich bemerkte sie, wohin sie sich mit voller Kraft fallen gelassen hatte. Sie biss die Zähne zusammen und die Wärme in ihrem Gesicht explodierte. Sie lief so rot an wie eine Tomate, sprang auf, und plötzlich war es unwichtig, wo sie wie landen würde. Sie sprang fast zurück, landete wieder im Schnee, der sich sofort durch ihre Kleidung fraß. Sie krabbelte ein paar Meter zurück, was mit nur einer Hand und einem Pokemon auf dem Arm nicht wirklich leicht war. Sie befand sich in einer Art Schockstarre, sodass sie sich schon fast schämte, als ein leises Lachen ihre Lippen verließ, als Gary sich auf dem kalten Boden wandt. Seine Hände im Schritt, vergrub er seinen Kopf fast vollständig im Schnee, um seine Schmerzenschreie zu unterdrücken. Chloés Hand wanderte zu ihrem Mund, damit niemand ihr Kichern hörte, doch sie war zum Glück nicht die einzige.
    "Haha, Gary. Das kommt davon!" Jace war aufgestanden, ging langsam, mit den Händen in den Hosentaschen auf seinen Freund zu und lachte ihn auffällig aus. Lucia, die bis dahin noch immer auf dem Boden gelegen hatte, gesellte sich zu ihm, viel zu nah, wie Chloé fand. Verbittert biss sie sich auf die Zunge, sodass ihr Lachen vollständig verschwand. Sie rappelte sich auf, bedacht, nicht nochmal zu fallen. Als sie sich zu den beiden Stehenden und dem einen auf dem Boden liegenden gesellte, sah Jace ihr in die Augen. Kühl, distanziert und traurig. Chloé biss sich weiter auf die Zunge, bis sie Blut schmeckte, damit sie nicht auf der Stelle anfing zu heulen. Sie erwiderte seinen Blick, stumm leidend, so lange, bis Gary aufstehen konnte. Doch als sie sich dann umsahen, war Team Galaktik verschwunden.

  • "Verdammte..." Gary knurrte einige wilde Flüche, während er sich aufrappelte. Schmerz, ausgehend von seinem Lendenbereich, und Wut über das Verschwinden von Team Galaktik durchströmten seinen Körper. "Wir müssen sie Verfolgen! Wir können sie nicht entkommen lassen!"
    "Es ist zu spät Gary. Ihre Spuren werden gerade vom Schnee verdeckt und wir wissen nicht wo sie hin sind. Obendrein sollten wir uns erstmal um uns kümmern" sagte Jace in einem möglichst ruhigen Tonfall. "Wie geht es Haspiror und Kirlia?" richtete sich der Züchter an die Mädchen.
    "Nicht gut" flüsterte Chloé beinahe unhörbar.
    Gary beobachtete, wie Jace zu den Mädchen ging und ihre Pokémon musterte.
    "Und was ist ihre Diagnose, Herr Pokémondoktor?" spottete Gary.
    "Eventuelle Vergiftung bei beiden. Eine Pirsifbeere pro Kopf und viel Ruhe, dann sind sie in ein paar Stunden wieder fit" antwortete Jace kühl, zog die besagten Beeren aus seinem Rucksack und verfütterte diese an die erschöpften Pokémon. "Lasst uns unseren Weg fortsetzen" sagte Jace, rief sein Arkani zurück und machte sich auf den Weg. Ihn quälte immer noch diese Spannung zwischen Gary und Chloé. Hass und Eifersucht erfüllten ihn. Er ballte seine Hände zu Fäusten und ging stur gerade aus. Seine Gedanken blieben an diesem Bild hängen. Gary, der mit diesem wunderschönen Mädchen in den Armen am Boden lag. Jace biss sich auf die Lippe und versuchte an etwas anderes zu denken, doch es gelang ihm nicht.
    Plötzlich rief Gary: "Jace! Warte! Weißt du überhaupt, wo wir lang müssen?"
    Beschämt blickte dieser zu Boden. Seine Fingernägel bohrten sich in seine Handballen.
    Plötzlich ertönte ein kurzer, hoher Schrei.


    Chloé zuckte zusammen, als sie den schrillen Schrei ihrer besten Freundin vernahm. Naja, konnte man überhaupt noch beste Freundin sagen? Die Eifersucht, die sie im Moment für Lucia empfand, gewann die Oberhand. Ihr Inneres hätte locker mit der Außentemperatur mithalten können. Sie fühlte weder ihr taubes Gesicht noch ihre zu Fäusten geballten Hände. Die Kälte, mit der Jace sie ansah, verletzte sie zutiefst und brannte trotz der Kühle tiefe Narben in ihr Herz. Sein Blick ging ins Leere, Chloé konnte in ihm keine Spur der früheren Wärme mehr vernehmen. Traurig biss sie die Zähne zusammen, die wenig später anfangen aufgrund des Drucks zu zittern. Ja, Kirlia ging es wahrscheinlich wieder besser, aber dennoch fühlte sie sich keinen Deut erleichtert. Warum musste Gary auch so ein Idiot sein?
    Doch das alles konnte Chloé für den Moment vergessen, in dem Lucia schrie. Schnell blickte sie zu der Blauhaarigen hinüber, die sich jedoch anscheinend nur kurz erschreckt hatte. Ihr Blick haftete auf etwas knapp vor ihr, und Chloé folgte ihrem Blick. Dort unten hockte, als hätte es im Leben noch nichts anderes gemacht und als wäre niemals etwas passiert, Lucias Kussila, seine Lippen merkwürdig verzogen. Chloé runzelte die Stirn, wirklich süß fand sie das Kussila nicht. Doch es schien eine gute Idee zu haben.
    "Kussila, du sollst dich doch nicht einfach so aus deinem Ball befreien! Das ist gefährlich, du bist noch so klein und -" "Lucia," unterbrach Jace die Blauhaarige, den Blick auf das kleine Eispokemon gerichtet. "Es ist hier aufgewachsen, vielleicht weiß es den Weg hier raus." Mit den Worten bückte er sich knapp vor Kussila hinab. Die Kälte führte dazu, dass seine Gelenke eingefroren und steif geworden waren, denn seine Knie knackten besorgniserregend. Dann sah er das Pokemon mit durchdringendem Blick an und fragte mit fester Stimme: "Kussila, kannst du uns hier weg bringen? In Richtung Kraterberg?" Kurz hielt er inne und begutachtete das Kussila, das den Züchter interessiert musterte. Dann nickte es hastig und drückte Jace einen Kuss auf die Wange. Chloé war sichtlich verdutzt, ebenso Jace, der sich mit seinem Ärmel schnell den Bitterkuss von der Wange wischte und wieder aufstand. Kussila schien das zu amüsieren, genauso wie seine Trainierin, die spitzbübisch kicherte. Eifersucht drohte in Chloé überzuschäumen, deshalb wandte sie den Blick ab und versteckte ihre Augen hinter ihren Haaren.
    "Da steht wohl wer auf dich, Kleiner!" lachte Gary, was Jace' Gesicht vor Wut rot anlaufen ließ. Jace grummelte zurück: "Hm, ja ja. Also dann, lasst uns gehen. Immer dem Kleinen hinterher. Und Lucia, sag ihm, es soll nicht bei jedem Bitterkuss einsetzen." Lucia kicherte, doch Chloé war noch immer nicht zum Lachen zumute. Dann stapfte Jace auch schon weiter, weil das Kussila vorangegangen war. Zwangsläufig musste er also an Chloé vorbei. Diese machte sich innerlich schon bereit, loszuheulen. Sie könnte alles ertragen, nur nicht, wenn Jace ihr Kälte und Abneigung entgegenbrachte. Sie ermahnte sich, nicht so zu denken - er gehörte ihr schließlich nicht. Doch es machte ihr dennoch unglaublich viel zu schaffen. Dann ging Jace an ihr vorbei, und ihr Herz blieb den Bruchteil einer Sekunde stehen. Seine Augen waren auf sie gerichtet. Sie waren zwar nicht mehr so kalt und emotionslos wie zuvor, aber immer noch etwas traurig. Chloé schluckte. Doch dann streifte seine lauwarme Hand die ihre. Und mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen, gingen beide Trainer dem kleinen Kussila hinterher.


    Jace rieb sich immernoch seine Wange. Die Stelle an der Kussila ihn geküsst hatte, kribbelte und juckte. Dazu kam noch Lucias nerviges Gekicher. Jace fühlte sich in diesem Moment ziemlich veräppelt. Dennoch ging er langsam dem kleinen Eispokémon hinterher.
    Jace wagte einen Blick auf Chloé. Ihr Gesicht wirkte ziemlich bedrückt. Der Züchter versuchte ihr ein Lächeln zu schenken und brachte damit auch das brünette Mädchen zum Lächeln.
    Schritt für Schritt stapfte die kleine Gruppe dem kleinen Kusspokémon hinterher. Niemand sagte ein Wort, nur das Pfeifen des Windes und das Knirschen des Schnees waren zu hören.
    Irgendwie wirkte diese Stille für Jace unbehaglich und es kam ihm so vor, als würden sie schon Stunden lang durch den Schnee stampfen.
    Das Kussila hüpfte freudig durch das gefrorene Wasser, bis es plötzlich die Richtung änderte.
    Jace runzelte die Stirn und blickte in die Runde, doch auch seine Begleiter wirkten verwirrt. Lucia zuckte nur mit den Schultern und lächelte.
    Da ihnen nichts anderes übrig blieb, folgten sie weiter dem kleinen Pokémon, das weiter durch den Schnee tollte. "Ich hoffe, Kussila weiß wohin wir wollen" grummelte Jace.
    "Das weiß es bestimmt!" protzte Lucia.
    "Ja bestimmt" flüsterte Chloé mit einem Hauch von Sarkasmus.
    Jace musste nach dieser Bemerkung grinsen. Plötzlich blieb Kussila stehen und quitschte ganz laut, bevor es los sprintete. Jace hörte nur noch, wie ein anderes Pokemon einen leisen tiefen Schrei ausstieß. Der Züchter blinzelte ein paar mal bevor er verstand was vor sich ging.


    Chloé war inzwischen stehengeblieben. Sie hielt ihren Kopf leicht schräg, vielleicht war es ja ein Hirngespinst, dass sie da aufgrund der ganzen Anstrengung heimsuchte. Sie blinzelte ein paar Mal, doch es verschwand nicht. Hinter sich hörte Chloé sowohl Lucia als auch Gary laut auflachen. Und auch sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
    Kussila rannte mit gespitzten Lippen hinter einem Pokemon her. Es rannte und rannte, seine Augen waren geschlossen, und dennoch schien es zu wissen, wohin es lief. Hätte ich doch auch nur so einen Orientierungssinn, seufzte Chloé, doch selbst das Kussila war nicht das Skurrilste bei dem Anblick. Es rannte hinter Shnebedeck her. Chloé war sich ganz sicher. Es sah viel besser aus als zuvor, doch trotzdem konnte man noch deutlich Blessuren erkennen. Beim Rennen wackelten seine Arme beachtlich weit auf und ab, und letztendlich kam es wieder in die Nähe der Trainer. Chloé wollte schon etwas sagen, doch ihr blieb die Luft weg. Das Shnebedeck war doch...? "Shnebedeck?" Jace' Stimme durchfuhr die entstandene Stille. Alle Augen waren auf das Eispokemon gerichtet, das die Verwunderung der Menschen um es herum wohl nicht ganz verstand. Aus dem Augenwinkel konnte Chloé erkennen, wie Jace ein paar unsichere Schritte auf das Pokemon zuging. Mittlerweile hatte auch das Kussila die Jugendlichen erreicht, doch Lucia verstand wohl die Wichtigkeit des Augenblicks und nahm es augenblicklich, jedoch unter quengeln in die Arme und trat wieder hinter Jace, direkt neben Gary. Chloé hielt den Atem an. So eine Itensität hatte sie selten vernommen. Solch ein enormer Blickkontakt zwischen Trainer und Pokemon war durchaus selten. Ein Kloß sammelte sich in Chloés Hals. Wenn jetzt nicht bald jemand was sagte, so würde der Koordinatorin bestimmt ein Schrei entfahren. Wieso auch immer. Doch glücklicherweise fand Jace endlich seine Stimme wieder. "Ich...ich dachte du..." Shnebedeck legte den Kopf schief. Chloé glaubte zu sehen, wie sich Tränen in Jace' Augen sammelten. Zumindest glänzten sie. Und dann schloss er die Arme um das Snebedeck. Er schluchzte lautlos, doch das Pokemon schien noch immer nicht zu wissen, was denn eigentlich so schlimm an der Lage war. Irgendwann löste sich Jace von Shnebedeck, stand auf und fragte: "Shnebedeck, kannst du uns vielleicht den genauen Weg zurück zum Kraterberg erklären?"


    Durch Jace´ ganzen Körper schoss eine Mischung aus diversen Gefühlen. Das Pokemon in seinen Armen war zwar eiskalt, aber es rief in Jace eine wohlige Wärme aus. Ein kleiner Lichtblick nach diesen schrecklichen Momenten. Erleichterung und Freude erfüllten den Trainer. Die Emotionen überrannten den Züchter und trieben ihm beinahe die Tränen in die Augen. Jace sah das kleine Pflanzenpokémon an. Es hatte noch Reste von der Beere um den Mund und Garys zerrissenes T-Shirt war noch um dessen Körper gewickelt. Es war eindeutig das totgeglaubte Shnebedeck.
    Der Blick von Shnebedeck wirkte sichtlich verwirrt. "Ich geb dir noch eine Tsitrubeere, wenn du uns zum Kraterberg führst, OK?" bot Jace dem Pokémon an. Dies schien allerdings nur "Essen" verstanden zu haben, hüpfte freudig auf und ab und streckte seine langen Arme aus. "Erst bringst du uns zum Kraterberg! Verstanden? Kra-ter-berg" sagte Jace ganz langsam. Das Pokémon legte den Kopf schief. "Berg, Höhle, Steine" zählte Jace auf in der Hoffnung das Pokémon würde ihn verstehen. Das Pokémon blinzelte ein paar mal, hüpfte auf und ab und ging dann los.
    "Ich hoffe, es findet den Weg" knurrte Gary.
    "Es führt uns bestimmt besser als Kussila" antwortete Jace und ging Shnebedeck hinterher.
    "Ey! Mein Kussila ist süß und toll!" protestierte Lucia.
    Jace konnte ein spötisches Kichern nicht unterdrücken, in das auch Chloé und Gary einstimmten. Lucia plusterte ihre Backen auf und stapfte den anderen hinterher.
    Nachdem sie einige Minuten dem Shnebedeck gefolgt waren, sagte Gary: "Ich glaube, das Shnebedeck denkt nur ans essen."
    "Ach, denkst du? Dann schau mal was dort drüben ist" antwortete Jace triumphal. Vor den Jugendlichen ragte der Kraterberg empor. Vor dem Tunneleingang lagen riesige Felsbrocken verstreut.
    "Super Shnebedeck! Jetzt bekommst du auch deine Belohnung." Jace ließ seinen Rucksack von den Schultern gleiten und öffnete den Reißverschluss. Bevor Jace auch nur ansatzweise nach der Beerenbox suchen konnte, stürmte Shnebedeck auf den Rucksack zu und verschwand beinahe darin. "Shnebedeck!" schrie Jace und versuchte das Baumpokémon aus seinem Rucksack zu ziehen. Im Hintergrund ertönte schallendes Gelächter der anderen Trainer. Plötzlich erstrahlte ein heller Lichtblitz. Alle Jugendliche erstarrten augenblicklich. Der Rucksack fiel in den Schnee. Shnebedeck war verschwunden und Stille herrschte.
    "Das kann doch nicht wahr sein oder?" hauchte Gary.
    Jace hob seinen Rucksack hoch und zog einen Pokéball heraus. Nach einem erneuten Lichtblitz erschien Shnebedeck wieder und hüpfte glücklich auf und ab.
    "Shnebedeck, willst du uns lieber begleiten?" fragte Jace. Das Pokémon hörte nicht auf zu springen. Der Züchter grinste und rief es zurück in den Ball. "Tja ich würde sagen, jetzt ist unsere Gruppe noch größer" grinste Jace und rieb sich den Kopf.


    Chloé staunte nicht schlecht. Es konnte auch nur Jace gelingen, so einfach ein Pokemon zu fangen. Doch es war keine Zeit, viel darüber zu diskutieren. Denn auch wenn die Kleidung weiterhin die Temperatur größtenteils fernhielt, so begann Chloé langsam zu frieren. "Können wir jetzt weiter? Er ist doch da vorne, der Kraterberg. Gleich sind wir raus aus diesem Eisgefängnis." Chloé lächelte bittend, und Jace und Gary lächelten geichzeitig zurück. Lucia schien nur Augen für ihr noch immer meckerndes Kussila zu haben.
    "Klar. Na dann, lass uns voraus gehen." Jace' Lächeln blieb nach diesem Satz bestehen, das Shnebedeck hatte ihn also wirklich aufgeheitert. Das freute Chloé ungemein, ihr Herz machte einen Sprung und ein Hochgefühl erfüllte sie. Ins Besondere, weil er sie angesprochen hatte. So trat Jace ein paar Schritte vor und blieb dann direkt neben Chloé stehen, um auf sie zu warten. Geduldig sah er sie an, und der Ausdruck in seinen Augen war wieder sanft wie zuvor. Chloé lächelte breiter. Dann ging sie, mit Jace neben sich, in den Kraterberg.
    Die Dunkelheit umschloss sie völlig unerwartet. Chloé musste permanent blinzeln, damit sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnen konnten. Kaum konnte sie die Umrisse der vielen, kantigen Steine erkennen, spürte sie, wie sich eine Hand auf ihrer Schulter niederlegte, wahrscheinlich, um die ja ach so tollpatschige Chloé zu führen, damit sie ja nicht hinfiel. Kurz sah sie sich um, doch sie konnte erneut nur die Umrisse des Jungen erkennen. Egal, wie stark sie blinzelte, egal, wie stark sie ihre Lider aufeinander presste, sie konnte nicht mehr erkennen. Sie wandte ihren Kopf wieder nach vorne, obwohl sie eigentlich über keinen Orientierungssinn mehr verfügte. Neben ihr erklang die Stimme von Jace, was daraufhin deutete, dass die Hand von Gary stammte. Schon während sie der leisen, gedämmten Stimme von Jace lauschte, schüttelte sie unauffällig die Hand von ihrer Schulter ab. "Also, ich weiß nicht wie es euch geht, aber ich seh hier nichts. Hat jemand eine bessere Idee?" Seine Stimme hallte von den vielen, steinernen Wänden wider, sogleich gefolgt von Garys. "Brauchst wohl 'ne Brille, was, Kleiner?" Er lachte, und das Lachen ließ ein so lautes Echo entstehen, dass Chloé befürchten musste, Gary würde einen Steinfall herbeirufen. Kein weiterer lachte.
    "Gary, er hat Recht. Ich seh auch nichts." In Lucias Stimme schwang Verdrossenheit mit, ihr erging es wohl ebenso wie Chloé. Diese hatte allmählich nämlich wirklich Angst, oder vielmehr Respekt, vor irgendwelchen Steinen, die sie stolpern lassen würden. Es war bei ihr nicht nur einmal vorgekommen, dass sie auch über unsichtbare Sachen gestolpert war. So schlürfte sie jetzt nur noch mehr oder weniger über den Boden, sodass sie durch ihre Schuhsohlen hindurch kleinste Erhebungen wahrnehmen konnte.
    "Ja, ich ja schon gut." Gary räusperte sich. "Ich hab kein Pokemon mit Blitz im Team, mir fällt nur spontan ein, Sandamer etwas voraus zu schicken, es hat uns schließlich schon einmal hier raus geführt." Die Idee blieb in der Luft hängen, und die Jugendlichen blieben stehen. Alle sahen den Braunhaarigen an, bis Jace augenscheinlich die Geduld verließ. "Ja, jetzt mach schon! Hol es raus, ich will mal wieder die Sonne sehen!"
    "Nicht so aggressiv, Kleiner. Ich mach ja schon." Mit den Worten packte er sich an den Gürtel, was Chloé unerklärlicherweise erröten ließ. Sie schaute weg, um sogleich von einem grellen Lichtstrahl geblendet zu werden. Sie kniff die Augen zusammen, und schon stand das Sandamer vor ihnen. Und Garys Stimme ertönte erneut. "Sandamer, du hast uns schonmal einen Weg nach draußen gezeigt. Wir müssen hier weg, den schnellstmöglichen Weg, bitte."
    Und dann legte Sandamer auch schon los. Mittlerweile hatte sich Chloé, anders als ihre Augen, an die Dunkelheit gewöhnt, sodass sie zumindest die Umrisse des Sandamers erkennen konnte, das flott voraus ging. In der Ferne hörte Chloé schwach Wasser plätschern, was auf eine Besserung hinwies. Hoffte das Mädchen. Und tatsächlich, sie konnte sich auch täuschen, aber sie meinte, ein schwaches Licht zu vernehmen. Zumindest war es ihrer Meinung nach einen Deut heller geworden. Und auch Gary schien das bemerkt zu haben. "Hey, Sandamer hat es geschafft. Seht nur!" Alle Blicke schweiften in die Richtung, auf die Gary mit ausgestrecktem Arm zeigte. In weiter Ferne, aber trotz der Dunkelheit deutlich erkennbar, konnte man einen Ausgang sehen. Sandamer beschleunigte sein Tempo, ebenso wie die vier Jugendlichen. Man hörte neben dem Auftreten der schneller werdenden Fußsohlen nur das Klopfen aufgeregt schlagender Herzen und das gelegentliche Keuchen der Freunde. Nach wenigen Minuten standen sie vor der großen Aushebung in der Steinwand. Das Licht blendete Chloé mehr als der Pokeball, sodass sie die Augen fast vollständig schließen musste, um überhaupt ein wenig erkennen zu können. Sie hielt sich die Hand schützend an die Stirn und so vor die Augen, doch das half nicht viel. Dann gingen die vier Jugendlichen hinein in das Licht.
    Chloé gab sich einer wohligen Umarmung hin. Die Wärme fraß sich sofort durch ihre kälteundurchlässige Kleidung, kribbelte auf ihrem Gesicht, kitzelte ihre Nase, taute ihre Lippen auf. Das Licht war nunmehr so hell, dass sie ihre Augen vollkommen schließen musste, und selbst hinter ihren Lidern blendete sie die rot gewordene Farbe des Lichts. Hinter und neben sich hörte Chloé erfreutes, erstauntes und wohliges Stöhnen, also erging es ihren Freuden so wie ihr.
    Dann konnte es die Brünette einfach nicht mehr erwarten. Egal, ob ihre Augen verbrennen würden oder nicht. Sie hob ihre Lider. Und in ihr Blickfeld trat der atemberaubende Anblick der untergehenden Sonne.


  • Kühle Abendluft durchflutete seine Lungen. Die versinkende Sonne kitzelte seine Haut und blendete ihn. Eine gefühlte Ewigkeit in der Finsternis der Höhle sensibilisierten Jace´ Augen.
    Ein süßer Duft lag in der Luft und frischer Wind wehte der Gruppe um die Nasen.
    Ein erleichtertes Seufzen brach durch Jace´ Kehle. Er atmete tief ein. Der erste Atemzug in Freiheit war im Vergleich zu der Lage in der bedrängenden Dunkelheit und der stickigen Atmosphäre einfach pure Erleichterung.
    Nach wenigen Augenblicken hob Jace seine Lider und erblickte eine beruhigende Farbpalette. Die Sonne, auf ihrem Weg am Horizont vorbei, färbte den Himmel leicht orange und die vereinzelten Wolken sanft rosa. Das frische Grün des Grases und der Bäume formten einen angenehmen Kontrast. Weiße Blüten erstrahlten im letzten Schein des großen Feuerballs.
    Ein ehrwürdiges Raunen lief durch die Truppe. Die Mädchen stießen leise Geräusche der Bewunderung und Begeisterung aus.
    "Ein Anblick, den man jeden Abend bewundern kann" zerstörte Gary den Moment, "es wird dunkel. Wir müssen in die nächste Stadt!"
    Knurrend und betrübt begann der Züchter einen Fuß vor den anderen zu setzen. Dennoch haftete sein Blick weiter auf der Sonne.
    Jace versuchte den süßlichen Duft, der dezent in der Luft hing, einzuordnen. Doch bevor er ganz in dieser momentan unwichtigen Aufgabe versank, erklang eine Stimme: "Ewigenau?" fragte Lucia schockiert. Jace brauchte einen Moment, um ebenfalls den Wegweiser zu entdecken. Ein kleines Holzschild in der Form eines Pfeils und der Aufschrifft "Ewigenau".
    "Super Luci, du kannst lesen" sagte Gary und ging in die Richtung in die der Pfeil zeigte.
    Die anderen folgten ihm. Jace fragte sich, was mit Gary los war, dass dieser so mürrisch gelaunt war. Doch bevor Jace dieser Frage auf den Grund gehen konnte, erschienen schon einige kleine Gebäude zwischen dem Dickicht.


    Die Sonne verschwand langsam hinter dem Horizont. Je weniger von dem Feuerball zu sehen war, desto mehr betrübte es Chloé. Sie waren doch gerade erst wieder aus der Dunkelheit entkommen. Wieso musste es jetzt schon wieder dunkel werden? Es schien dem Mädchen, als würde die untergehende Sonne ihr die letzte Hoffnung nehmen, mit jedem Zentimeter, die sie niedersank fühlte Chloé sich schlapper. Bis sie schließlich ganz verschwunden war und sich Dunkelheit über Sinnoh legte. In den über ihnen liegenden Baumkronen hörte Chloé Noctus rufen, die Blätter raschelten und Müdigkeit zerrte mit irrationaler Kraft an Chloés Lidern. Glücklicherweise war Ewigenau nicht mehr fern. Schlapp bewegte sie einen Fuß vor den anderen, was unglaublich an ihren Kräften zog. Sie konnte sich diese plötzlich eingetretene Müdigkeit nicht erklären. Vielleicht lag es ja tatsächlich an der Dunkelheit. Unter ihren Augen pulsierte die Haut, als würde sie Chloé zwingen wollen, auf der Stelle einzuschlafen. Sie bemühte sich, gegen den Drang anzukämpfen, sich in den nächsten Busch zu legen und einzuschlafen. Ihre Glieder schmerzten. Um so wach wie möglich zu bleiben, hob sie einen Arm, um sich die reche Schläfe zu massieren, die unter ihrer Fingerspitze pulsierte. Sie war wohl noch müder, als sie sich fühlte.
    "Chloé, bist du müde?" Garys Stimme durchbrach die entstandene Stille so plötzlich, das Chloé zusammenzuckte.
    Sie zog ihren Arm wieder weg, in der Hoffnung, Gary würde ihr nicht zu Nahe treten, obwohl sie ja prinzipiell nichts gegen den Professor hatte. Ihr Kopf tat zu weh, als dass sie darüber nachdenken konnte.
    "Nein, nein, geht schon. Wir sind ja gleich da." Zögerlich lächelte Chloé, doch Garys Gesichtsausdruck zufolge schenkte er ihr keinen großen Glauben, beließ es aber dabei. Chloé richtete ihren Blick wieder nach vorne, und tatsächlich befanden sie sich schon am Stadtrand von Ewigenau. Chloé wollte schon immer mal in diese grüne Stadt, die Idylle genießen und Tee trinken. Oder so. Und jetzt kam sie, maßlos übermüdet und mitten in der Nacht, in gerade diese Stadt. Irgendwie schien auf ihr ein Fluch zu haften. Was sich später noch beweisen würde.
    "Na, hoffentlich ist noch ein Platz im Pokemoncenter frei, zu dieser späten Stunde," sagte Jace, doch in seiner Stimme schwang so viel Mutlosigkeit mit, dass sich Chloé gleich noch eine Spur elender fühlte. Wenn selbst der optimistische Jace keine Hoffnung mehr auf einen Schlafplatz hatte, wer dann?
    Allmählich wurde es wieder kälter. So schön auch die Tage in eigentlich ganz Sinnoh waren, so grausam kalt waren die Nächte in den meisten Fällen. Auf Chloés Körper machte sich eine Gänsehaut breit, und leise begann sie zu zittern. Sie gingen alle weiter, bis sie beim verhältnismäßig großen Pokemoncenter ankamen. Ein Platz muss doch noch frei sein! dachte Chloé voller Hoffnung, und dann traten die Jugendlichen ein.


    Das grelle Licht der summenden Neonröhren blendete die übermüdete Truppe. Eine angenehme Temperatur herrschte in dem großen Raum vor und erneut kroch ein süßlicher Duft in die Nasen der Truppe. Die Eingangshalle des Pokémoncenters war beinahe leer. Nur einige Tische und Stühle standen an den Wänden und eine Schwester Joy stand am Tresen. Sie begrüßte die Trainer freundlich und mit einem Lächeln auf den Lippen.
    "Guten Abend. Haben sie noch ein Zimmer frei?" fragte Gary.
    "Tut mir leid. Ich habe eben das letzte Zimmer vergeben" antwortete die Krankenschwester. Gary warf den Anderen einen bösen Blick zu und murmelte: "Ich habs euch doch gesagt!"
    "Ihr könnt allerdings ins Gasthaus. Es ist nicht weit entfernt und das größte Gebäude hier. Ihr könnt es nicht verfehlen." schlug die in rosa gekleidete Frau vor.
    "Danke für den Tipp" sagte Gary und trat wieder in bedrückende Dunkelheit. Jace, Lucia und Chloé folgten ihm. Bis sie das Gebäude erreicht hatten, sprach keiner ein Wort.
    Das Gebäude war locker doppelt so groß wie das Pokémoncenter. Von außen wirkte es ziemlich rustikal, doch als sie durch die Tür gingen, befanden sie sich in einem gigantischen Saal, in dem große Tische systematische verteilt waren und fein gedeckt waren. Vergoldete Kronleuchter hingen von der Decke. Im hinteren Teil befand sich eine Theke, an der ein Mann mitte dreißig ein Glas polierte. Er hatte einen Drei-Tage-Bart und kurze blonde Haare. Der Barmann trug ein weißes T-Shirt und hätte von seiner Statur aus ebenfalls Türsteher des Gasthofs sein können. Seine Stimme war rau, aber dennoch freundlich. "Guten Abend, Reisende"
    "Guten Abend. Haben sie ein Zimmer frei?" fragte Gary und setzte sich an die Theke.
    "Ja wir haben einige Zimmer frei, allerdings nur zweier Zimmer. Eine Nacht kostet 10.000 Pokédollar."
    Gary riss die Augen auf und begann zu stottern: "Wie bitte? Schwester Joy meinte wir könnten hier unterkommen!"
    Der Barmann lächelte: "Schwester Joy schickt immer alle hier hin, weil wir die einzige Unterkunft sind, nicht weil wir billig sind. Ihr steht im 4-Sterne-Gasthof Zum-Lachenden-Kapilz. Aber wenn ihr nicht zahlen könnt, hab ich ein Angebot für euch," dabei wanderte sein Blick zu den beiden Mädchen.
    Jace stellte sich vor die Mädchen. Gary stand wieder auf, sein ganzer Körper war angespannt. Er fragte: "Was für ein Angebot?"
    "Wir brauchen für morgen noch zwei Kellnerinnen und zwei Aushilfen in der Küche, dafür lass ich euch heute und morgen hier schlafen."
    Garys Anspannung löste sich und erleichtert sah er in die Runde. Alle nickten zustimmend. Es war besser als gar nichts. "OK" sagte Gary und reichte dem Barmann die Hand.


    Chloés Anspannung hatte sich mit einem Schlag gelöst. Sie hatte kurz Angst gehabt, was für ein Angebot dieser Barmann meinte, doch glücklicherweise musste sie nur kellnern. Kurz machte sie sich ernsthafte Sorgen, da sie nunmal mit zwei linken Füßen geboren worden war, doch sie bekam ein Zimmer. Ein Bett. Eine vielleicht endlich erholsame Nacht. Sehnsüchtig dachte Chloé an den Schlaf, der mittlerweile deutlich stärker als zuvor an ihren Nerven riss. Wieder massierte sie ihre Schläfe und schaute dann wieder zu dem Barmann. Er hatte breite Schultern aber weiche Gesichtszüge, was ein merkwürdiger Kontrast war. Auf Chloés Stirn bildete sich eine Falte, sie war eindeutig zu müde um rational denken zu können. Es war doch völlig egal, wie er aussah, hauptsache er bot ihnen einen Platz zum schlafen. Doch sein Blick haftete auf ihr und Lucia, sprang unaufhörlich zwischen ihnen beiden hin und her. Dann lächelte er selig und sagte: "Morgen um acht Uhr beginnt hier das Frühstück." "Gut, endlich was zu essen. Aber können wir auch früher -", fing Gary an und leckte sich dabei gierig über die Lippen. Doch der Mann unterbrach ihn. "Nein, nein. Nicht für euch. Wir sind ein Gasthof, das heißt, wie bieten zu jeder Hauptmahlzeit ausreichendes und ausgewogenes Essen an. Ihr steht also schön früh auf, um alles vorzubereiten. Um spätestens sieben will ich euch ihr unten sehen, bereit und ausgeschlafen. Also geht am besten sofort schlafen. Dann bis morgen." Mit den Worten drehte er sich um und putzte geistesabwesend ein Waschbecken. Kurz war Chloé mulmig, weil sie seinen Namen noch nicht kannten, doch sie war eindeutig zu müde, um weiter darüber nachzudenken. Das er Gary so schnell abgewimmelt hatte, brachte Jace zwar zum schmunzeln, doch die tiefen Ringe unter seinen Augen waren nicht zu übersehen. Ebenso war es bei Gary, nur das er sich auch keine Mühe mehr machte, seine Augen auf zu halten, er hatte sie halb geschlossen. Lucia hingegen schien noch relativ wach, doch Chloé kannte ihre beste Freundin inzwischen gut genug, um zu wissen, dass sie auch sehr fertig war. So begaben sie sich jetzt alle auf die Zimmer, sie murmelten sich gegenseitig noch eine Gute Nacht zu und die Türen schlossen sich. Ohne sich die Mühe zu machen, sich alle Sachen auszuziehen, warf Chloé nur die erste Schicht ihrer dicken Sachen auf den Boden, streifte schon halb liegend ihre Socken von ihren Füßen und ließ sich auf ihr Bett sacken. Es waren zwei Betten an gegenüberliegenden Wänden, über dem von Chloé hing ein Bild in Sepia-Tönen, die das Anwesen des Lachenden-Kapilz in früheren Zeiten zeigte, es war eine Panoramaaufnahme. Blasses Mondlicht schien vom Fenster hinein, doch das störte Chloé nicht weiter. Sie war ohne weitere Unwege eingeschlafen.


    Die Tür fiel mit einem leisen Klicken ins Schloss. Mühsam pellten sich die Jungs aus den vielen Kleidungsschichten. Jace fühlte sich hellwach, doch würde er es momentan nicht wagen in einen Spiegel zu schauen. Stattdessen sah er sich kurz in dem Zimmer um. Es war fein eingerichtet und bot viel Platz. An der Wand gegenüber der Tür befand sich ein Fenster, durch das das sanfte Mondlicht ins Zimmer fiel. An den Wänden links und rechts befanden sich jeweils ein großes Bett, ein Nachttisch und ein großer Schrank. Unter dem Fenster stand ein Tisch mit zwei Stühlen.
    Jace warf seine Sachen auf einen der Stühle. Gary tat es ihm gleich. "Wenn wir morgen Zeit haben, müssen wir die Sachen zu Schwester Joy bringen" sagte Jace. Gary nickte nur. "Du bist in letzter Zeit so mies drauf. Was ist los?" Der Züchter setzte sich auf eines der Betten und beobachtete, wie sein Freund an der Wand neben dem Fenster lehnte.
    "Ach, es ist nix" murmelte Gary.
    "Für nichts bist du ziemlich grießgrämig. Komm du kannst doch mit mir sprechen" sagte Jace und versuchte dabei den letzten Satz süß und gleichzeitig sarkastisch rüberzubringen.
    Garys Blick verfinsterte sich. "Sei gefälligst ernst!"
    "Ja, ok. Also schieß los" sagte Jace und versuchte dabei möglichst seriös zu wirken.
    "Wie gesagt, es ist nichts" widersprach Gary weiter und sah aus dem Fenster.
    "Jetzt sag endlich oder muss ich dich dazu zwingen?" drohte Jace und stand auf.
    "Ach, mich regt es nur auf, dass Team Galaktik verschwinden konnte" antwortete Gary.
    Wut stieg in Jace auf und seine Stimme wurde lauter: "Lüge! Denkst du ernsthaft, nach all den Jahren könntest du mich anlügen und ich würde das nicht merken? Und obendrein, Team Galaktik konnte nur entkommen, weil du ja versuchen musstest Chloé abzulecken!"
    "Was fällt dir ein mich anzubrüllen! Es ist nicht meine Schuld, dass Team Galaktik abgehauen ist!" schrie der Professor zurück.
    "Jetzt fängst du wieder an, auszuweichen! Jetzt sag schon!" drängte Jace. Sein Körper begann sich anzuspannen. Der Grund für Garys Verhalten konnte nicht in so etwas banalem liegen. Der Professor sagte kein Wort und starrte in die Finsternis. "Chloé" flüsterte Jace.
    Schlagartig drehte sich Gary um. Seine Augen wirkten verloren. "Es ist wegen Chloé, richtig?" fragte Jace.
    Gary nickte und sah weiter verträumt aus dem Fenster.
    "Wieso stehst du auf Chloé? Verdammt! Warum?" rief Jace und raufte sich die Haare.
    "Was ist daran so schlimm? Jace, reg dich doch nicht so auf!" rief Gary, bevor er seine Augen weit aufriss, "du stehst auch auf Chloé" flüsterte er.
    "Natürlich! Ich dachte du wüsstest es!" rief der Züchter.
    "Nein! Ich dachte die ganze Zeit, du willst was von Lucia, so wie die dich anflirtet" versuchte der Professor in spe sich zu rechtfertigen.
    "Ach, der Blauschopf nervt mich nur" sagte Jace, "Wieso musst du auf Chloé stehen? Verdammt!"
    "Ich dachte, du bringst die Ignoriernummer. Ich hatte ja keine Ahnung" beteuerte Gary, "aber Jace, es ist nur ein Mädchen. Reg dich nicht so auf."
    "Sie ist nicht nur ein Mädchen. Und seit Sabrina ..." flüsterte Jace.
    "Komm doch endlich über dieses Miststück hinweg! Es gibt viele Mädchen auf der Welt" rief Gary.
    "Nur weil es viele Mädchen gibt, heißt dass nicht, dass alle gleich sind! Sabrina war was besonderes und Chloé ist es auch!" schrie Jace.
    "Ach, du kannst alle Mädchen über einen Kamm scheren" sagte Gary.
    "Du bist so ein Sexist! Dann kannst du dich ja an Lucia ran machen!" fauchte Jace.
    "Nein! Ich will Chloé" forderte Gary.
    "Damit du mit ihr ins Bett steigen kannst und dann wegwerfen, wie deine Cheerleader?" warf Jace ihm vor.
    Gary stapfte zu Jace. Beide Trainer waren angespannt. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt. "Sag das nochmal und du fängst dir eine" fauchte Gary, "du weißt, dass ich sowas nie gemacht habe und auch niemals Chloé antun würde!"
    "Du traust dich das doch e nicht!" keifte Jace zurück. Jace wusste nicht, wie lang er in die kalten Augen seines besten Freundes sah. Die Spannung war beinahe greifbar. Nur das schwere Atmen der gereizten Trainer brach durch die entstande Stille.


  • Chloé erwachte aus einem unruhigen, traumlosen Schlaf. Ständig hatte sie sich drehen müssen, jedoch war irgendwie jede Position unbequem. So lag sie jetzt wach im Bett, die Augen geschlossen, weil sie immer noch durch die Müdigkeit zugeklebt waren. Langsam und regelmäßig atmete sie ein und aus, sodass sich ihr Brustkorb stetig hob und senkte. Lucia atmete laut - doch das beruhigte Chloé irgendwie, es ließ sie auf dem Boden der Tatsachen bleiben und nicht abheben, es ließ sie ruhig bleiben. Ein kleiner Teil Normalität, den Chloé momentan gut gebrauchen konnte. Ihre Gedanken kreisten, immer um den selben Weg. Sie dachte an das, was am See der Stärke geschehen war. Dachte an Gary. Dachte an seine Beinahe-Berührung seiner Lippen. Bekam ein schlechtes Gewissen Jace gegenüber. Jace. Jace, Jace, Jace. Und da blieben ihre Gedanken immer wieder hängen. Hinter ihren Lidern sah sie ständig sein Gesicht, seine grünen Augen, die in der Sonne glänzten.
    Plötzlich drangen Stimmen an ihr müdes Gehör. Erst fragte sich Chloé, ob sie sich diese Stimmen nur einbildete aufgrund ihrer stark ausgeprägten Fantasie und Müdigkeit nur einbildete, doch es drangen immer mehr Bruchstücke an ihr Gehör. Sie versuchte sich angestrengt zu konzentrieren, kniff die Augen fest zusammen, war bis aufs Äußerste angespannt. Doch noch immer konnte sie nur einzelne Wörter ausmachen. Vom wem genau, ob nun von Gary oder Jace, konnte sie jedoch nicht abschätzen, dafür war die Wand zu dick, obgleich sich die Zimmer direkt nebeneinander befanden.
    "Denkst du...?"
    "Wieso stehst du...?"
    "Sabrina..."
    "Chloé! Verdammt!"
    "Nur ein Mädchen..."
    "Alle Mädchen über einen Kamm scheren...!"
    "So ein Sexist!"
    "Ins Bett steigen.."
    Und ab da hörte Chloé weg. Sie drehte sich auf die rechte Seite, sodass zumindest ihr eines Ohr vom Kissen so verdeckt war, dass sich die Stimmen in Murmeln verwandelten. Sie stritten sich also. Chloé dröhnte ihr Herz in den Ohren. Auch gut, so musste sie wenigstens nicht mehr hinhören. Sie wollte vielleicht gar nicht wissen, worum genau es in diesem Disput der beiden Jungs ging. Eine einsame Träne rollte ihr auf die Nasenspitze und wurde sogleich vom Kissen aufgesaugt. Und nun war sich Chloé sicher, dass sie keinen ruhigen Schlaf mehr genießen konnte.


    Schwer atmete Jace aus. Sein ganzer Körper war angespannt. Wut und Verzweiflung durchfluteten den Züchter. Der Blick seines Gegenübers war eiskalt und erbarmungslos. Ein Funke und die Situation würde eskalieren.
    "Ich verschwinde!" fauchte Jace, wandte sich ab und schlug die Tür hinter sich zu.
    Zornig stapfte der junge Trainer in die einsame Nacht. Eisig und gefühllos wehte der Wind um seine Nase. Die Finsternis umhüllte ihn. Weder das sanfte Mondlicht noch das Funkeln der Sterne drangen zu ihm durch. Nur die erbarmunslose Kälte und die Dunkelheit drangen in ihm ein und schürten die Wut und Verzweiflung.
    Seine festen, aggressiven Schritte verlangsamten sich und verloren an Kraft, als Jace merkte, dass er von der Finsternis verschluckt wurde. Es dauerte eine Weile bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
    Jace stand in einer Lichtung, umrandet von Bäumen. "Verdammt, wie bin ich hier hin gekommen?" hauchte er in die unheimliche Stille.
    Erschöpft und resignierend seufzte der junge Trainer und gleitete an einem Baum herab.
    Die Einsamkeit fraß ihn auf. Die Kälte drang durch seine Kleider. Die nächtliche Schwärze legte sich über alles.
    Jace´ Verzweiflung übermannte ihn. Sein Körper zitterte. Unheimliche Fratzen flogen an seinem inneren Auge vorbei. Grässliches Lachen dröhnte in seinen Ohren.
    Jace sprang auf. Ein Schrei durchbrach seine Kehle. Sein Körper war angespannt. Ruhig atmete er ein und aus. Niemals werde ich aufgeben! Niemals lass ich mich unterkriegen! Niemals lass ich mich quälen! Helle Lichtblitze erleuchteten die Lichtung. Alle seine Pokémon standen vor ihm. "Niemals bin ich allein" flüsterte Jace mit einem Lächeln auf den Lippen. "Nächtliches Training" lächelte er und rieb sich am Hinterkopf.


    Nach einem noch miserableren Schlaf als zuvor erwachte Chloé. Ihre Augen waren verquollen, was zum einen an der noch nicht vollständig verflogenen Müdigkeit und zum anderen an der nächtlichen Heulattacke lag. Sie hatte einfach nicht aufhören können. Fragen hatten sie gequält, sie einfach nicht schlafen lassen. Wer war Sabrina? Welche Mädchen konnte man alle über einen Kamm scheren? Und mit wem ins Bett steigen?
    Chloé schluckte und es schmeckte salzig, was sie da schluckte. Helle Sonnenstrahlen drangen von draußen in das quadratische Zimmer. Doch Chloé fühlte sich noch immer wie von der Dunkelheit gefangen.
    Sie öffnete langsam ihre Augen, was ihr wirklich schwerfiel. Ihre Wimpern schienen zu bersten, als sie ihre Lider anhob. Das Licht blendete sie, doch sie kniff die Augen nicht zusammen. Sie setzte sich auf, fuhr sich mit ihrer Hand durch die Haare, sodass sie eingermaßen lagen, dann stand sie auf. Sie konnte sich nicht dazu ermutigen, sich umzuziehen, deshalb rüttelte sie Lucia an der Schulter und wartete am Fenster, bis Lucia bereit war, hinunter zu gehen. Wenn man aus dem Fenster schaute, sah man nur die schier endlosen Wälder von Ewigenau. Chloé schluckte, weil diese Wälder irgendwie etwas Unheimliches hatten. Als Lucia endlich fertig war, gingen die beiden zusammen in die große Einganshalle. Die Tische waren schon hergerichtet, Besteck lag in vollendeter Eleganz neben dem Teller, und das Silber glänzte in den einfallenden Sonnenstrahlen. Doch Chloé konnte sich nichtmal ein Lächeln abzwingen. Lucia und sie redeten kein Wort, doch es war kein unangenehmes Schweigen. Chloé war froh, nicht unnötig plaudern zu müssen. Sie hätte ohnehin nichts vernünftiges herausgebracht.
    Unten angekommen, empfing sie schon der Barmann. Er sagte ebenfalls nicht viel, er stellte sich nur kurz vor. Die Mädchen sollten ihn Steve nennen. Kurz danach erschien Gary aus der Richtung seines Zimmers. Seine Haare waren viel stärker zerzaust als es je der Fall gewesen war, Augenringe zeichneten sich unter seinen Augen ab, und sein Mund war zu einer strengen Linie verzogen. Chloé hatte also Recht behalten. Die beiden hatten sich gestritten. Und das war nicht spurlos an Gary vorbeigegangen. Kurz haftete sein geschaffter Blick auf Chloé. Diese hielt den Atem an. Nur für den Bruchteil einer Sekunde verfinsterte sich sein Blick, doch dann lächelte er schwach und brachte ein "Guten Morgen.", heraus. Chloé konnte sich noch immer kein Lächeln abgewinnen, flüsterte allenfalls ein "Morgen."
    Und wo war Jace? Diese Frage beschäftigte sie viel mehr. Er war keinesfalls auch in dem Zimmer, und Sorge flammte in Chloé auf. Die erste richtige Emotion heute morgen, das war zumindest schonmal ein Anfang. Nervös biss sich Chloé auf die Unterlippe, und ignorierte dabei gekonnt, dass Gary das genau beobachtete. Plötzlich vernahm sie ein Geräusch und wandte den Blick in Richtung Eingang. Und ihr stockte der Atem.


    Jace stand vor der Tür zum Gasthof. Er war nicht müde, aber auch nicht richtig wach. Sein Körper und sein Kopf fühlten sich leer an. Genau wie sein Herz.
    Kindwurm und Shnebedeck rannten um seine Füße herum, immernoch vom Kampffieber gepackt. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als er sah wie fröhlich seine Pokémon waren, obwohl sie die Nacht durch gemacht hatten.
    Noch einmal atmete er tief durch, dann stieß er die Tür auf und betrat die Eingangshalle. Die Anderen waren schon wach und standen an der Theke. Gary sah ihn kurz an und wandte dann den Blick ab. Chloé und Lucia rissen die ihre Augen auf und hielten sich eine Hand vor den offenen Mund. Jace fragte sich kurz, wie er wohl aussah, doch das war in diesem Moment nichtig.
    "Oh mein Gott! Wie seht ihr den aus?" rief der Barmann. "Jungs, so könnt ihr nicht kellnern! Ab in die Küche! Die Köche werden euch einweisen! Und stell deine Pokémon ruhig! Sie können gleich den Mädels helfen. Chloé und Lucia, hier, dass zieht ihr an." Der bärtige Mann warf den beiden Koordinatorinnen jeweils ein schwarz-weißes Kleid zu. Die Mädchen sahen etwas verwirrt drein und gingen zögerlich auf ihre Zimmer. Jace erhaschte noch einen Blick von den Beiden. Es waren traurige Blicke.
    "So und jetzt zu euch! Ich heiße Steve und ihr werdet jetzt mitkommen!" sagte der Barmann und verschwand durch eine Tür neben der Theke. Die Jungs warfen sich gegenseitig einen finsteren Blick zu, aber wechselten kein Wort. Jace sah kurz zu seinen Pokémon, die daraufhin wie kleine Soldaten stramm standen und ihm durch die Tür folgten.
    Die Wände waren mit weißen Fließen bedeckt. Die Küchengeräte glänzten metallisch. Einige Menschen in weißen Kitteln schnitten mit fließenden Bewegungen Gemüse klein. Alles war sauber, bis auf die Spülbecken.
    "So hier werdet ihr arbeiten, besser gesagt spülen" befahl Steve.
    Beide Trainer schnaubten synkron, warfen sich einen bösen Blick zu und sahen in entgegengesetzte Richtungen weg.
    "Viel Vergnügen" sagte der Barmann noch und verließ den Raum wieder.
    Gary und Jace stellten sich an verschiedene Becken und begannen zu spülen. Sie wechselten kein Wort und würdigten den Anderen keines Blickes.


    Unbehaglich zupfte Chloé an ihrer Kleidung herum. Sie trug nicht oft Kleider, und so eins schon gar nicht. Ein Magd-Kostüm. Schwarz-weiß mit Schürze, kniehohe, weiße Strümpfe, und eine Haube für die Haare. Allmählich war sich Chloé nicht mehr sicher, wie moralisch korrekt hier alles von statten ging. Lucia schien ebensolche Zweifel zu haben, rückte ihre Haube zurecht und sagte: "Ich hab nicht so eine große Lust, damit - " sie zeigte übertrieben mit den Händen wedelnd auf ihren Ausschnitt - "fremde Leute zu bedienen. Besonders nicht, wenn Jace und Gary zusehen. Obwohl..." Sie lachte, doch Chloé war nicht zum Lachen zumute. Zum einen nicht, weil Lucia Recht hatte: Das Outfit zeigte extrem viel, zu viel, Dekolté, und Chloé fühlte sich merklich unwohl. Und zum anderen, weil Lucia anscheinend nichts von der ungeheuren Spannung zwischen den Jungs mitbekomme hatte. Chloé biss die Zähne zusammen, um ihre aufkeimende Wut zu zügeln, und antwortete dann so ruhig wie möglich: "Hm, du hast Recht, das ist Mist. Aber wir wollten ja das Zimmer."
    "Weißt du übrigens, wo Jace sich letzte Nacht rumgetrieben hat?" Chloé schluckte einen Kloß in ihrem Hals hinunter, ballte hinter ihrem Rücken ihre Hände zu Fäusten und brachte zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: "Keinen Schimmer. Können wir bitte anfangen? Je schneller wir anfangen, desto schneller können wir auch wieder raus aus diesem...Kostüm." Die Brünette bekam ein mulmiges Gefühl in der Magengegend, wenn sie daran dachte, wie Jace vor ein paar Minuten ausgesehen hatte: Tiefe, dunkle Ringe unter den Augen, in ihnen war kein Glanz mehr vorhanden gewesen. Seine Haare waren strähnig, fielen ihm matt ins Gesicht. Seine Lippen waren aufgebissen und spröde gewesen, und seine Klamotten waren von vielen Grasflecken gesäumt gewesen.
    Chloé ging ein paar Schritte zur Tür, und sie war sich sicher, dass der anschmiegsame Stoff nur einen kleinen Teil ihrer Oberschenkel streifte. Kurz lief sie rot an, dann trat sie, mit Lucia an ihrer Seite durch die Tür. Und es kam ihr vor, als würden sich alle Blicke auf sie richten.


    Dank der Hilfe von Shnebedeck und Kindwurm, war Jace mit dem Spülen schneller fertig als Gary. Ohne ein Wort zu verlieren, ging er an Gary vorbei und wagte einen Blick durch die Tür. Es saßen schon einige Menschen an den Tischen und fünf Mädchen in sehr kurzen schwarz-weißen Kleidern, die einen tiefen Einblick gewährleisteten, huschten zwischen den Tischen hin und her, unter ihnen waren auch Lucia und Chloé.
    Jace biss sich auf die Lippe. Zorn wallte erneut in ihm auf. Dieser miese Perversling von Barmann, dachte der Züchter.
    Als jemand plötzlich schrie, zuckte Jace zusammen. Ein markerschütternder Schrei. Jace drehte sich um und sah, wie sich jemand ein Geschirtuch an die Hand drückte. Ein roter Fleck breitete sich darauf aus. Jemand brüllte ein paar Befehle und der verletzte Koch eilte durch eine andere Tür hinaus. Jemand richtete sich an Jace: "Hey Aushilfe! Ich hoffe, du kannst kochen!" Jace nickte nur und nahm ohne zu zögern den Platz des verschwundenen Kochs ein. Nach ein paar kurzen Anweisungen, begann Jace einfach nach Gefühl zu kochen.
    Als er einen Teller hinaus reichen wollte, schockierte ihn der ihm botende Anblick und der Teller zerbrach mit einem lauten Klirren am Boden.


    Einen Fuß vor den anderen, ermahnte sich Chloé still. Ihre Füße in den Pumps begannen schon zu schmerzen, doch sie wollte sich nichts anmerken lassen und biss sich auf die Zunge. Sie balancierte gerade ein Tablett auf der einen Hand, mit der anderen versuchte sie mühsam das Gleichgewicht zu halten, ohne dabei wie ein geschädigtes Pantimimi zu wirken. Auf dem Tablett rutschten unruhig zwei Teller mit Brötchen und zwei Gläser mit Kaffee hin und her. Chloés Blick war stur geradeaus auf den Tisch gerichtet, zu dem die Bestellung geliefert werden musste. Aus dem Augenwinkel konnte das Mädchen erkennen, wie Lucia leichtfüßig über den Boden schritt, beinahe wie eine leichte Elfe, fast als würde sie nicht einmal den Boden berühren. Wieso konnte sich Chloé nicht ein kleines Stück von ihrer Eleganz abschneiden? Verdrossen kaute sie an ihrer Wange herum, bis sie an dem Tisch mit zwei relativ jungen Männern angekommen war. Sofort beschlich sie ein unheimliches Gefühl.
    "Ihre Bestellung," säuselte Chloé mit möglichst ruhiger Stimme, stellte zuerst die Teller und dann die Becher mit Kaffee ab. Am liebsten hätte sie sich selbst ein paar Bissen und Schlücke gegönnt, denn ihr Magen war noch immer leer. Sie zitterte, als sie den Kaffe abstellte, sodass ein paar Tropfen auf den Tisch tropften. Sofort lief Chloé rot an, senkte beschämt den Kopf und nuschelte ein "Entschuldigung". Aus einer Seitentasche zog sie ein Tuch, mit dem sie paar Tropfen Kaffee wegwischen wollte. Doch dazu kam sie gar nicht.
    "Na, na. Das sind teure Tropfen von meinem Kaffee, wie hast du vor, das wieder wett zu machen?" Chloé blickte auf und sah das lüsternde Grinsen des mittelgroßen Mannes. Sein Blick traf nicht den von Chloé, er ruhte woanders. Chloé beschlich Panik. Ihr Herz raste vor Anspannung, und sie bemühte sich, ruhig zu bleiben. "Entschuldigung, Sir. Ich kann ihnen einen neuen Kaffee bringen." Doch schon ihr Gefühl verriet ihr, dass das wahrscheinlich nicht reichen würde. Sie hätte am liebsten geschrien. "Nein, nein, schon gut." Der Mann umfasste erst ihr Handgelenk, sodass sie gar nicht im Stande war, den Kaffee weg zu putzen. Er hielt sie so fest, dass sie sich gezwungenermaßen an Matze erinnerte. Ein Kloß sammelte sich in ihrem Hals, und sie war nicht mehr im Stande, zu sprechen. Der Mann grinste weiter so fies. Hilf mir, bat Chloé, wen auch immer. Hilf mir doch! Tränen sammelten sich in ihren Augen, und dann berührte der Mann ihre in Stoff gehüllte Taille.


  • Hass, Wut und Eifersucht übermannten Jace. Sein ganzer Körper war angespannt und kribbelte. Seine Hände waren zu Fäusten geballt, seine Fingernägel bohrten sich in seine Handflächen. Er presste seine Kiefer aufeinander. Sein Atem ging schwer. Sein erhöhter Herzschlag dröhnte in seinen Ohren. Was fällt diesem Bastard ein Chloé zu begrapschen, dachte Jace. Etwas zog an seinem Bein. Als der Züchter hinunter sah, funkelten ihn die Augen von Shnebedeck spitzbübisch an. Ein Lächeln schlich sich auf Jace' Gesicht.
    "Eissplitter," hauchte Jace.
    Das Baumpokemon quietschte und schleuderte einen Schneeball davon, der, mit hoher Geschwindigkeit, direkt auf den pervers grinsenden Mann zuflog.
    Die Attacke traf den Grabscher mitten ins Gesicht. Die Wucht von dem Eis riss den Typen vom Stuhl. Dies erzeugte solch einen Geräuschpegel, dass alle Gespräche der übrigen Gäste unterbrochen wurden und sich alle Blicke auf das Geschehnis richteten. Doch das kümmerte Jace nicht.
    Nach diesem Krach herrschte absolute Stille im ganzen Gasthof, nur Jace' hasserfüllte, wütende Schritte hallten von den Wänden wider.
    Sein Blick war starr auf den Tisch, an dem Chloé wie angewurzelt stand, gerichtet. Er ignorierte die gaffenden Besucher, ignorierte sogar Chloés Blick. Die Wut verschleierte seinen Verstand.
    Als Jace vor dem am Boden liegenden Typen stand, der sich benommen den Schnee aus dem Gesicht wischte, packte er dessen Kragen und hiefte ihn in die Luft.
    "Was fällt dir ein, mein Mädchen zu begrapschen?!" fauchte Jace.


    "Dein Mädchen?" Der mittelgroße Mann wischte sich mit seinem Ärmel den verbliebenen Schnee aus dem Gesicht. Aufgrund der Eissplitter war seine Lippe aufgesprungen und Blut drang aus ihr hervor. Chloés Magen drehte sich, und das war nur ein Grund.
    Jace machte nicht den Anschein, den Mann loszulassen, und Chloé begann sich zu fragen, wie der siebzehnjährige Jace den geschätzt dreizigjährigen, stämmigen Mann hochheben konnte. Musste wohl am Adrenalin liegen. Alles begann sich vor Chloé Augen zu drehen. Dem Mann jedoch schien das alles egal zu sein. Plötzlich ergriff er den Arm von Jace und drückte seine Faust zusammen. Die Knöchel von dem Mann traten weiß hervor und Jace' Arm begann zu zittern. Seine Kiefer spannten sich an und jegliche Farbe wich aus seinem Gesicht. Dann erklang ein Knacken. Chloé entfuhr ein ungewollter Schrei und der Mann ließ von Jace ab. Dieser taumelte nach hinten und rieb sich den Unterarm, er hatte inzwischen den Mann losgelassen. Der Arm nicht gebrochen, doch Schmerzen hatte Jace alle Mal. Seine Zähnen waren zusammengebissen. Tränen sammelten sich in Chloés Augen und liefen ihre Wange hinab. Sie stoppten auf ihren Lippen und Chloé vernahm den salzigen Geschmack. Durch den entstandenen Tränenschleier hindurch erkannte sie, wie sich der Mann aufrichtete und einige Schritte auf Jace zuging. Die aufsteigende Panik versucht zu unterdrücken, hielt sich Chloé die Hand vor den Mund. Alles in ihr wurde taub und sie war kaum mehr in der Lage, sich zu bewegen. Das Blut rauschte in ihren Ohren, doch sie konnte dennoch vernehmen, was die beiden sagten.
    "Dein Mädchen, also?" Der Mann klang zunehmend angespannter. Er baute sich bedrohlich vor Jace auf, der ihm gegenüber viel zu klein und schwach aussah. Angst fraß sich in Chloés Herz und schnürte ihre Kehle zu, sodass sie keine Luft mehr bekam. Doch Jace schien ganz gefasst. Hasserfüllt blinzelte er den Mann an.
    "Was geht's dich an!" Jace schien noch immer von Schmerzen geplagt, sein Gesicht war so blass, dass die dunklen Augenringe unheimlich hervorstachen. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt und Chloé war sich sicher, dass er sie auch einsetzen würde.
    Der Mann lachte bedrohlich. "Vieles, schließlich bin ich hier Gast und hab ein Recht auf - "
    "Ein Recht auf was? Angestellte zu begrapschen?" Jace war außer sich. Chloés Puls raste.
    Der Barkeeper kam hinzu, schrie irgendwas, forderte Jace auf sich auf der Stelle zu entschuldigen. Doch niemanden kümmerte das.
    "Es ist ein freies Land," brachte der Mann heraus und sein Blick richtete sich wieder auf Chloé. Diese erstarrte. Er ging ein paar Schritte auf sie zu und streckte schon die Hand nach ihr aus, doch Jace' Stimme erklang hinter ihm. "Lass sie endlich in Ruhe du Dreckskerl!"
    Benannter wandte sich langsam um und sah Jace mit unglaublichem Hass in den Augen an.
    "Du musst ganz schön was für sie empfinden, wenn sie dir so wichtig ist." Stille. Selbst Chloés Herzschlag setzte aus. Jace blickte sie an. Ab da kehrte die Farbe zurück in sein Gesicht, die Smaragde in seinen Augen schmolzen und wurden zärtlich, und sein Mundwinkel zuckte. Die Andeutung eines Lächelns? Chloés Herz begann nun, schneller zu schlagen und in ihren Ohren zu dröhnen. Und zu allem Überfluss lief sie auch noch rot an. Und dann ertönte Jace' Stimme noch einmal, kraftvoller als zuvor:
    "Lass uns das in einem Kampf klären, du Dreckssack!"


    Eisig wehte der Wind durch Jace' Haare. Sein Körper war immer noch angespannt. Sein Handgelenk pulsierte. Die Wut und der Hass brodelten in ihm. Der Züchter fokussierte sein Gegenüber.
    Ein hässliches Grinsen entblöste gelbe Zähne. Der mittelgroße Mann stand entspannt da. Eine Hand hatte er in der Hosentasche vergraben, die andere fuhr durch seine fettigen Haare. Die dunkelblonden Strähen fielen ihm ins Gesicht.
    Die Luft knisterte beinahe vor Spannung. Die Kontrahenden standen sich still gegenüber.
    Ein Lichtblitz. Ein Name. Ein Brüllen. Vor dem Grapscher ragte ein gigantisches braun grünes Pokémon empor. Es besaß einen langen Hals und seine Flügel waren aus Blättern geformt.
    "Los, Tropius macht das kleine Balg fertig!" rief der Grapscher.
    Jace hatte schon einen Ball in der Hand, doch sein neuer braun weißer Begleiter sprang vor und stieß einen Kampfschrei aus. "OK Shnebedeck, ich vertrau auf dich!" sagte Jace.
    Die zwei Pflanzen-Pokémon standen sich gegenüber und knurrten sich an.
    Sie begannen langsam umeinander rum zu laufen, wie zwei Wölfe belauerten sie sich.
    "Tropius, Luftschnitt!" das Flug-Pokemon stellte sich auf die Hinterbeine und begann schnell mit den Flügeln zu schlagen.
    "Eissplitter!" Bevor das Tropius die Attacke vollständig ausführen konnte, traf ein Schneeball sein Gesicht. Ein Schrei. Ein stumpfer Schlag. Eine Staubwolke und Stille.
    Der Typ knurrte und zischte einige Befehle zu seinem Pokemon. Doch dieses blieb auf dem Rücken lieg.
    Ein spizbübisches Lächeln schlich sich auf Jace´ Gesicht. "Du hast eine ziemlich große Fresse, für so einen mickrigen Trainer."
    Jace erhielt nur ein erneutes Knurren als Antwort. Der Typ drehte sich um und ging davon.
    Der Züchter begann zu lachen. Doch ein hoher Schrei ließ ihn zusammen zucken.


    Chloé beobachtete angespannt den Kampf. Wenn man es überhaupt so nennen konnte. So schnell wie Jace diesen widerlichen Typen fertig gemacht hatte. Ihr Mundwinkel zuckte und sie konnte nicht anders, als sich ein breites Grinsen abzugewinnen. Die ganze Zeit hatte sie kaum geatmet. Dem Mädchen war schwindelig geworden, seit dem Moment, wo Jace sie so lange, so intensiv angesehen hatte. Schon alleine wenn sie wieder an die unendlichen grünen Augen des Jungen dachte, blieb ihr die Luft weg und Chloé musste befürchten, dass ihr der Boden unter den Füßen weggleiten würde. Was war denn bloß los mit ihr?
    "Aaaaaah!" Der aus dem nichts kommende Schrei riss Chloé so abrupt aus ihren Gedanken, dass sie beinahe wirklich nach hinten gekippt wäre. Doch sie konnte sich gerade noch halten, schnappte schnell nach Luft, und der erfrischende Sauerstoff kühlte ihr aufgewühltes Gemüt. Erst jetzt spürte Chloé, wie sich kleine Schweißperlen auf ihrer Stirn gebildet hatten. Schnell wischte sie sie mit ihrem Handrücken ab, als sie sich wieder ins Gedächtnis rief, dass da vorhin jemand geschrien hatte. Im Moment war sie wohl wirklich zu nichts zu gebrauchen. Resigniert seufzte Chloé still in sich hinein und sah sich dann um, sodass ihre Haare ihre Wangen kitzelten. Zuerst sah sie Jace, der sich ebenfalls, sichtlich verwirrt, umsah, um dem Grund nach dem Schrei nachzugehen. Das Shnebedeck zu seinen Füßen sah sich wohl auch um, zumindest deutete Chloé so seine unruhigen Bewegungen. Jace stand alleine da, es gab kein Anzeichen dafür dass vor ein Paar Minuten noch ein weiterer Mann dort gewesen war. Nur Chloés Erinnerung zeugte davon, und da sie wieder kurz vor einem Schüttelfrost war, beschloss sie, nicht weiter daran zu denken (was ihr jedoch nicht vollständig gelingen konnte, da sie immer noch in diesem obszönen Maid-Kostüm steckte und die Besucher des Gasthofes hinter den Scheiben, die sie voneinander trennten, gafften als wäre ein Gengar erschienen. Außer der Besitzer, Steve, natürlich. Der schaute, als hätte ein Gengar seinen Gasthof verwüstet. Vollständig. Bis auf den letzten Stuhl.). Nervös kaute Chloé auf ihrer Unterlippe herum, weil sich Schuldbewusstsein in ihr breit machte. Was, wenn sie jetzt das Zimmer verlieren würden? Apropos, wo waren eigentlich Lucia und Gary? Doch hatte keine weitere Gelegenheit, weiter über Lucia, Gary oder Steve nachzudenken. Denn der schon beinahe vergessene Schrei wiederholte sich, und sowohl Chloé als auch Jace zuckten sichtlich zusammen. Dann sah Chloé aus dem Augenwinkel etwas auf sie zurennen. Direkt auf Jace zu. Und dann erklang Lachen.


    Lucia schluckte. Angespannt hatte sie ihre Aufmerksamkeit auf die Szenerie zwischen Chloé, Jace und diesem Typen gerichtet...diesem abartigen, niederträchtigen Typen, der ihre beste Freundin begrapscht hatte! Tränen traten in ihre blauen Auge, und Lucia musste sich auf die Zunge beißen, um nicht loszuheulen. Wieso hatte sie Chloé nicht retten, nicht vertreidigen können? Ihr Plinfa hätte es dem Typen schon gezeigt!
    Doch es musste Jace sein. Der Klein-Chloé natürlich sofort beschützen musste. Es war keinesfalls so, dass Lucia Chloé nicht mehr mochte - sie liebte sie, das tat sie wirklich, eben auf diese abgedroschene Weise, wie beste Freundinnen einander eben liebten - aber es war nunmal nicht zu übersehen, wie sehr Chloé für Jace schwärmte. Und Lucia konnte nicht verbergen, das auch sie diese Gefühle teilte. Jace hatte einfach etwas, das niemand sonst hatte. Niemand, den Lucia zuvor kennengelernt hatte. Was genau konnte sie jedoch auch nicht sagen, es war vielleicht einfach seine Ausstrahlung, sein Charakter. Lucias Gedanken schweiften kurz ab, und sie begann zu lächeln.
    Sie stand an einem kleinen Fenster des Gasthofes, an dem sich mittlerweile fast der halbe Gasthof angesiedelt hatte. Manche waren an ihren Plätzen sitzen geblieben, taten so, als hätten sie von der ganzen Aktion nichts mitbekommen, doch Lucia konnte die neugierigen Blicke in ihrem Rücken ganz deutlich spüren. Steve, der den Ausraster augenscheinlich nur knapp verdauen konnte und sich auf die geschlossene Faust biss, während Jace gegen diesen ekligen Typen kämpfte, hatte sich direkt neben Lucia ans Fenster gesellt und nuschelte Sätze in seine Faust, die Lucia nicht verstehen konnte. Leicht beunruhigt sah sie sich nach Gary um, den sie schon seit einer kleinen Weile nicht mehr gesehen hatte. Da fiel ihr wieder das angespannte Verhältnis zwischen Jace und Gary ein. Hatten sie sich gestritten? Und wenn ja, worüber? Lucia kaute auf ihrer Lippe herum, die schon anfing nach Blut zu schmecken, als sie einen warmen Windhauch neben sich verspürte. Sie wandte den Blick vom Fensterbrett ab, das sie kurze Zeit mit seinem origenell verzierten Holzornament abgelenkt hatte, und schaute direkt in die braunen Augen von Gary. Doch was sie darin sah, ließ Lucia innerlich erstarren. Mal davon abgesehen, dass sein Kiefer angepannt war und das Glas in seinen Händen, was er offenbar zu säubern versuchte, unter seiner intensiven Berührung beinahe zersprang, war in seinen Augen fast ausschließlich Kälte und Hass zu sehen. Vielleicht noch eine kleine, minimale Gefühlsregung die Lucia als Sorge um Chloé identifizierte. Viel mehr war da aber nicht. Lucia konnte sich diese Abneigung, wogegen auch immer, nicht erklären, es musste wohl wirklich etwas mit Jace zutun haben. Steif schrubbte er an dem Glas herum, und man konnte ihm direkt ansehen, dass er es am liebsten hätte zerspringen lassen. Ohne ein Wort zu sagen blickte Lucia wieder zum Fenster hinaus, und dort sah sie als erstes, wie der Mann verschwunden war und Jace und Chloé wieder alleine auf dem kleinen Platz standen. Erleichterung durchflutete sie und ein ungewolltes Lachen entfuhr der Blauhaarigen, doch sie wurde sofort wieder ernst, als sich Gary zu Wort meldete, mit einer Stimme, die an Monotonie kaum übertroffen werden konnte. "Jetzt hat der Kleine ja wieder alles gegeben und die Chloé mal wieder gerettet und ist wieder der Held." Er verstärkte sichtbar den Druck auf das Glas, von dem Lucia schon dachte, es knacken zu hören. Gary schluckte schwer und sprach weiter. "Wieso ist immer er da? Er ist nicht so stark, wie er tut. Jeder hätte sie von dem Dreckssack retten können aber nein, er musste wieder -"
    "Jetzt hör doch auf!", entfuhr es Lucia lauter als beabsichtigt. Sie musterte Gary wütend, der vor Schreck wohl fast das Glas fallen gelassen hatte. Er blickte hinunter zu Lucia, die gut einen Kopf kleiner war als der Junge, und er schien so verwundert und erschreckt, dass endlich wieder Emotionen in ihm lebendig wurden. Doch Lucia ließ sich nicht beirren. "Sei doch einfach froh dass dieser Kerl weg und Chloé in Sicherheit ist. Ist doch völlig egal, wer das tat - hauptsache alles ist wieder gut." Sie sah dem Trainer tief in die Augen, verlor sich fast in deren Bräune, was gar nicht ihre Absicht gewesen war. Er sah sie zärtlich an - jedenfalls zärtlich im Vergleich zu der Kälte von vorhin. Kurz schien sie da etwas zu sehen, etwas eigenartiges, von dem Lucia nichts ahnte. Doch dann sahen beide gleichzeitig weg und Gary schwieg. Betreten putzte er weiter das Glas, das natürlich keinen einzigen Fleck mehr aufwies. Dann schossen seine Augenbrauen in die Höhe, und Lucia schaute wieder zum Fenster hinaus. Dort war eine weitere Person hinzugekommen. Lucia kramte in ihrem Gedächtnis. Und tatsächlich wusste sie so ziemlich, wer da neben Jace auf dem Boden kniete.

  • Tatsächlich, ich melde mich mal wieder ^_^
    [tabmenu][tab=~][tab=~²]
    Er hat es gasaaaagt ♥♥♥ :D
    Ich find das voll süß, dass Jace Chloé als 'sein' Mädchen bezeichnet. Aber Lucia tut mir dabei iwie total leid.
    Ich hab so die Befürchtung, dass das auch noch heftigen Zoff geben wird. :D
    Aber jetzt bin ich echt mal neugierig, wer da so schreiebnd aufgetaucht ist. Kann sein, dass ich mal wieder iwas vergessen habe,
    aber ich bin echt neugierig.
    Wobei ich auch neugierig bin, ob jetzt was zwischen Luci und Gary passiert. Oder vllt. auch noch später.
    Und ich rede wiedser ohne Ende Schwachsin.


    An Kritik fällt mir jetzt nichts ein.
    Ich hab 2-3 Rechtschreibfehler gefunden,´aber angesichts der Uhrzeit ist das cht nix schlimmes.
    Und man weiß ja, was gemeint ist.
    Bloß hätte ich vielleicht die Klammer mitten im Text weggelassen.
    Ich weiß ja nicht, wie es anderen dabei geht, aber ich mah sowas nicht sonderlich.


    Was ich dafür aber noch loben könnte wäre folgegndes:
    Ich hab mich gleich nach den ersten paar sätzen, auch ohne nachlesen, wieder super in die Geschichte zurückgefunden.
    Ist ja manchmal schwierig, wenn immer ein gewisser Abstand zwischen den Kapiteln liegt und man außerdem zu viel auf einmal angefangen hat.
    Aber, um mal davon weg zu kommen, was ich so mache:


    außerdenm habt ihr das mit Chloé toll beschrieben. Also, wo dann Jace sich mit dem Typen angelegt hat, danach, als der Schrei kam, etc. muss ich ja hoffentlic nicht explitzit alles aufzählen.
    Da ich um die Zeit auch keine Lust habe, noch gewaltige Romane von Kommentaren zu verfassen,
    recht mir das dann erst mal. Ich hoffe, ihr schreibt schnell weiter, ich will echt wissen, wer da jetzt gekommen ist.[/tabmenu]


    Glg
    Nachtara Nachtara