Du
glaubst, Pummeluffs Gesang ist entspannend?
Du glaubst, er beschert dir
ruhige Nächte..?
Nach dieser Geschichte wirst du anders denken..sei
gewarnt..lausche dem Wiegenlied nie zu lange!
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Alles fing damit an, dass ich eines Abends Lust bekam, meine blattgrüne
Edition wieder zu spielen. Bisher hing ich seit fast einem halben Jahr
an Weiss 2, doch diese machte mir einfach nicht soviel Freude wie die
älteren Editionen. Nach einigem Suchen fand ich meine Blattgrün in einer
Tasche, zusammen mit dem alten Pokedex. Ich konnte mich nicht erinnern,
die Dinge dort untergebracht zu haben, aber das war nicht weiter
bedenklich- mein Erinnerungsvermögen war sowieso nicht das Beste.
Da
ich am liebsten im Dunkeln spielte, machte ich das Licht aus, kuschelte
mich aufs Sofa und startete den DS. Ich konnte es kaum erwarten, mein
altes Team wiederzusehen. Die Startmelodie ließ mich stutzen. Sie hörte
sich irgendwie viel zu hoch an. Doch ich schob diesen Gedanken von mir.
Wahrscheinlich hatte ich sie nur nicht mehr richtig im Kopf! Ich klickte
auf meinen Spielstand und fand mich in Lavandia wieder. Ich konnte mich
nicht erinnern, hier aufgehört zu haben. Aber auch das tat ich mit
meinem schlechten Gedächtnis ab. Schließlich rief ich mein Pokemonteam
auf. Mein Glutexo stand an erster Stelle, dicht gefolgt von Tauboga und
meinem kleinen Pummeluff, das erst auf Level zehn war.
So weit, so
gut. Ich betrat den Pokemonturm, welcher mich schon in Gelb immer sehr
angezogen hatte und verfolgte die feste Absicht, mir ein Nebulak zu
fangen. Meinen Rivalen hatte ich schon besiegt, also musste ich mir
deshalb keine Sorgen mehr machen.
Die ersten Stockwerke waren ganz
normal, nichts Auffälliges. Abgesehen vom Ton, der sich ab und zu
verzerrte. Aber da ich das Spiel schon seit einiger Zeit hatte, dachte
ich, das wären einfach Zeichen von Altersschwäche.
Nach einiger Zeit
gelangte ich in den obersten Stock und hier ging der Spuk dann los. Als
ein Alpollo auftauchte, war plötzlich mein Pummeluff an erster Stelle
und wurde somit in den Kampf geschickt. Verdutzt starrte ich den DS an,
beließ es aber dabei. Sicher nur ein Spielfehler. Ich wählte das Feld
‘Pokemon’ aus, doch statt dem Aufploppen des Pokemonteams tauchte dieser
Text auf: “Auswahl nicht möglich.”
Das war schon irritierend genug.
Ich hätte auf mein mulmiges Bauchgefühl hören sollen, doch meine
Neugier war natürlich wieder größer. Also ließ ich das Pummeluff im
Kampf und wählte die Attacke Gesang aus. Statt der eigentlich erwarteten
Melodie erklang ein fürchterlicher Ton, als würde jemand mit einem
rostigen Nagel über eine Tafel kratzen und das in einer Tonhöhe, die mir
Kopfschmerzen bereiteten. Schnell schob ich den Tonregler nach links,
doch der Ton ging weiter. Mein unwohles Gefühl wich einem Anflug von
Angst. Mein Verstand sagte mir, dass das alles gar nicht sein konnte.
Und doch sahen meine Augen es. Ich klappte den DS zu und warf ihn zum
anderen Ende der Couch, warf ein Kissen drüber und starrte den kleinen
Hügel wie gebannt an, bis der Ton schließlich erlosch. Einige Sekunden
lang blieb ich reglos sitzen, ehe ich laut loslachte, um meine Angst zu
überdecken, die so lächerlich war! Immerhin war es nur ein Spiel! Genau
mit diesem Gedanken holte ich den DS wieder zu mir und klappte ihn
wieder auf. Doch der angezeigte Bildschirm ließ mir das Blut in den
Adern gefrieren. Er war komplett schwarz geworden, bis auf zwei Dinge:
Das Pummeluff war das eine, doch nun sah es anders aus. Seine rosa
Färbung war weiss geworden und statt der niedlichen blauen Augen waren
da jetzt zwei schwarze Augen mit leuchtend roter Iris. Ich musste
schlucken, fokussierte den zweiten Fleck. Auch das Alpollo war weiss
geworden, es war offenbar besiegt, verschwand aber nicht sondern blieb
dort liegen. Die Textbox ploppte erneut auf: “Alpollo wurde getötet.”
Fassungslos starrte ich den Bildschirm an. Getötet? Dieses Wort
existierte doch gar nicht in den Pokemon Spielen! Außerdem hatte
Pummeluff doch nur Gesang eingesetzt? Das ergab alles keinen Sinn, ganz
abgesehen davon, dass mich allmählich wirklich Angst packte. Das
Pummeluff verschwand im dunklen Hintergrund, einen Moment lang
leuchteten die roten Ringe seiner Augen bedrohlich auf. Danach wurde der
Bildschirm für ein paar Sekunden schwarz.
Obwohl ich Angst hatte,
konnte ich nicht abschalten. Wie hypnotisiert starrte ich auf den DS,
was würde wohl als nächstes passieren? Längst hatte ich gemerkt, dass es
hier alles andere als mit rechten Dingen ablief. Doch war ich so
fasziniert von allerhand unheimlichem Zeugs, dass ich hier nicht anders
konnte als weiterzumachen.
Als der Bildschirm wieder heller wurde,
stand mein Spielcharakter vor dem Turm Lavandias. Etwas war anders: Der
violette Farbton war verschwunden, stattdessen lag ein roter
Farbschleier über der Stadt. Es fröstelte mich, unwillkürlich musste ich
an Blut denken. Ich steuerte meine Figur durch die Stadt und betrat das
Haus des Namensbewerters. Der Anblick hier ließ meinen Atem stocken.
Die Wände waren rot beschmiert, in der Mitte des Raumes lag der
Namensbewerter, ebenso weiss wie Alpollo vorhin im Turm. Ich bekam
wieder Angst und glaubte, Schritte zu hören. Hastig schaltete ich das
Licht an und sah mich um, den DS immer noch in der Hand. Diesen ließ ich
in der nächsten Sekunde fast fallen, als ein schriller Ton aus ihm
entwich. Mein Herzschlag setzte aus und mein Blick huschte wieder auf
den Bildschirm. Ich hatte den leblosen Körper angesprochen.
Der Ton- den ich nun als Schrei erkannte- verstummte und die Textbox klappte ein weiteres Mal auf: “Stoppt das Wiegenlied!”
Irritiert drückte ich den B-Knopf und blieb erstmal stehen. Welches
Wiegenlied? Es war doch gar kein Ton zu hören. Mein Blick wanderte zur
Uhr, es war weit nach Mitternacht. Langsam sollte ich schlafen gehen.
Ich speicherte mein Spiel und machte den DS aus. Morgen würde sicher
alles wieder normal sein!
Es dauerte nicht lange, bis ich
eingeschlafen war. Aber schlief ich wirklich? Ich fand mich in einem
Waldstück wieder. Nach kurzem Umsehen erkannte ich den Vertania Wald.
Okay, ich musste träumen. Wie sonst sollte ich hierher kommen?
Ich
wagte mich ein paar Schritte nach vorne, da sprang mir ein Mauzi in den
Weg. Ich wich einen Schritt zurück, es sah so aus, wie die Pokemon im
Spiel- weiss und mit leeren Augen.
Unwillkürlich griff ich an meinen
Gürtel, an dem sich wie von Zauberhand ein Pokeball befand. Ich hatte
die ungute Vorahnung, dass mein Pummeluff mein Begleiter war. Mauzi
sprang in meine Richtung und nur im letzten Augenblick konnte ich
ausweichen.
“Du bist dran!”, rief ich und warf den Pokeball. Wie
ich mir schon gedacht hatte, erschien mein mittlerweile einfach nur noch
gruseliges Pummeluff. Sofort wurde mir kalt und ich wich noch einen
Schritt zurück. Bevor ich dem Pummeluff irgendetwas sagen konnte, wandte
es seine leeren, doch bedrohlich roten Augen mir zu und kam im
Gleichschritt mit dem Mauzi näher. Abwechselnd blickte ich die Beiden
an. Das Gesicht des Katzenpokemons verzog sich zu einer verrückt
grinsenden Grimasse, Pummeluff fing sein Wiegenlied wieder an. Im
Gegensatz zu vorhin im Spiel verstand ich allerdings den Text.
“Die, sleep forever,
die, go away
die, stay lonely
Go to sleep, close your eyes
You can’t wake up next morning
Forever is our revenge
Forever is your sleep
Forever is your death”
Pummeluff wiederholte dieses Lied immer und immer wieder. Schmerz
brannte in meinen Eingeweiden. Ich schrie. Und schrie. Doch niemand
hörte mich. Ich verlor das Bewusstsein...
“Wie sieht es aus,
Doktor?”, fragte meine Mutter einen weißgekleideten Mann, der von seinem
Klemmbrett aufblickte, einen kurzen Blick auf mich warf und dann den
Kopf schüttelte.
“Ich fürchte, sie muss noch viel länger hier
bleiben. Sie wacht Nachts immer noch schreiend und mit neuen
Verletzungen auf”, gab der Arzt bedauernd zurück. Die Tür schloss sich.
Zurück blieb eine Person, die nicht mehr wusste, wer sie war. Gefangen,
in einer Welt in der sie nicht sein wollte.