Reverie - Buch 1: Der Elf und das Findelkind

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  • Reverie

    Buch 1: Der Elf und das Findelkind



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    Klappentext


    Reverie


    Elfen kennen den Zustand einer Trance, der sogenannten Reverie, in der sie all ihre Erinnerungen immer und immer wieder durchleben. Anstatt zu schlafen, schöpfen sie Ruhe und Erholung aus ihren Erinnerungen.

    Ruvin Maylea, Schulleiter der renommierten Zauberschule Valien, genießt die erholsamen Stunden der Trance und taucht gerne in die schönen Erinnerungen der letzten zweieinhalb Jahrhunderte ein.


    Als ein Angriff auf die Stadt und Valien geschieht, wird Ruvin mit reinem Eisen vergiftet und entführt, als dey Schüler von sich verteidigt. Infolge des Gifts verliert dey einen Großteil derer Kräfte.

    Ein Söldner, ein Tiefling namens Yakov, verhilft Ruvin und einem gefangenen, menschlichen Mädchen zur Flucht. Allmählich verliebt sich dey in ihn und trotz allen Widrigkeiten nehmen sie sich der verwaisten Natasza an.

    Gemeinsam treten sie die langwierige Heimreise an, während sich Ruvins jahrzehntelange Gefährtin mit ihrer eigenen Abenteuertruppe aufmacht, um sich auf die Suche nach denen zu begeben.


    Währenddessen ringt Ruvin mit sich selbst darum zu alten Kräften zu gelangen, doch das Gift weicht nur quälend langsam aus deren Körper und hinterließ unwiderrufliche Schäden. Die Erinnerungen werden zu Ruvins letztem Zufluchtsort, um den Verstand zu bewahren.



    Vorwort, Genres & Themen und Sonstiges


    Genres / Tone: High Fantasy, Adventure (Reise, etwas episodischerer Natur mit überspannender Handlung), Romance (queer & Polyamorie), Steampunk, Szenen in Richtung Dark Fantasy und auch ein wenig Alltagsleben, ruhige Szenen zwischendrinnen


    Themes: Liebe, Familie und "Found Family", Freundschaft und Kameradschaft, Healing / Traumaverarbeitung, Trauer, Verantwortung & Reue, Diskriminierung, Umgang mit Krankheit / Behinderung


    Content Notes: Allgemeine Gewaltdarstellungen in Kämpfen, Beschreibung von Wunden, Tod von Familienmitgliedern, Diskriminierung aufgrund von Ethnie (Fantasyrasse, nicht aufgrund von Hautfarbe oder realer Ethnie), Sklaverei einer Fantasyrasse / Handel mit humanoiden / kulturschaffenden Wesen, im Subtext und Dialog angesprochener (nicht grafisch ausgeschriebener) versuchter, sexueller Übergriff, NICHT ausgeschriebene Sexzenen mit Consent unter Erwachsenen für das BB, an manchen Stellen derbe Sprache und Schimpfworte, Entführung, Vergiftung, Krankheit / Behinderung, PTSD, narzisstisches Elternteil, Alkohol und andere Rauschmittel (bloß moderater Konsum), Jagd auf Tiere / Bestien und Gewalt gegen Tiere / Bestien, Spinnen


    Edit (18.04.2024): Ich hab die Erinnerung an den Übergriff - und den vorangegangenen Dialog - etwas abgemildert, bzw. nun in einen versuchten sexuellen Übergriff. Eine Freundin, und zwei andere Lesende, hatten sich zu unwohl beim Lesen gefühlt.



    Sollte ich etwas hier vergessen haben, füge ich sie vor dem entsprechenden Kapitel ein, aber ich denke uhm... die LIste ist lang genug.



    Für das BB setze ich die Story mit P16 an!


    Es wird in der "Vollversion", und im einiges späteren Verlauf, Sexszenen geben, eine augeschriebene und angedeutete, kürzere Szenen geben, die ich im BB natürlich hinauskürze.

    Schlimmer als im ersten Kapitel, werden die Beschreibungen der Verletzungen, Kämpfe, Kraftausdrücke und Themen etc. nicht unbedingt.


    Die Story ist auch an vielen Stellen semi-episodisch und mehr introspektiv, sowie auf die Reise und Charakterdynamiken ausgelegt.

    Ich habe schon einige der späteren Szenen geschrieben, an den ersten paar Kapiteln und wie ich dahinkomme, sitze ich jedoch noch haha.



    Loria


    Es können sich noch einige Orte oä. ändern, aber im Großen und Ganzen sollte die Welt so stehen. ^^


    Vergrößerbares Vorschaubild:




    Sonstiges


    Ich spiele seit circa drei bis vier Jahren Dungeons and Dragons und habe aufgrund des Spiels Baldur's Gate 3 sehr viel Motivation gewonnen, um selbst eine High Fantasy-Geschichte zu schreiben. Es sei gesagt, ich habe den Avatar, den ich im Spiel aufgebaut habe, Leben eingehaut, aber dies ist keine Fanfiktion zu Baldur's Gate, und spielt nicht in den Forgotten Realms.

    Magie und Klassen beispielsweise orientieren sich am DnD-System, ich werde mich aber nicht auf Zauber, Magie oä. aus diesem beschränken.

    Die Geschichte spielt in einer selbst erdachten Welt, an der ich seit einiger Zeit arbeite. An der Welt arbeite ich regelmäßig und es kommen Details und wichtige, historische Ereignisse und Personen in ihr hinzu.

    Einige der Bestien sind selbst ausgedacht, viele andere aus der Mythologie und einige aus den DnD-Monster Manuals übernommen.


    Was könnt ihr noch erwarten? Ähm ja, da wir im Chatdungeon in einer Frage den Doppler suchen mussten: Wenn ihr jemals eine Story von mir ohne queere Hauptcharaktere lest, dann bin ich durch ein Alien oder ein Changeling ersetzt worden.


    Und irgendwann... ja, irgendwann lass ich mir Artworks zu meinen Hauptcharakteren und ein Cover für Reverie anfertigen, aber Artists wollen ja auch ihren sehr verdiehnten Lohn für ihre Arbeit erhalten, daher: irgendwann. xD


    Meine Kapitel sind zumeist 6-8 k lang und deswegen teile ich sie in zwei bis drei Teilen auf, da ich finde, dass man 2-3 k am Desktop besser am Stück lesen kann, als ein endlos langes Kapitel.



    Inhaltsverzeichnis


    Kapitel 1: Die Hexe und der Elf (Yakov): Teil 1 | Teil 2 | Teil 3

    Kapitel 2: Das verlorene Leben (Ruvin): Teil 1 | Teil 2

  • Vorwort


    Das erste Kapitel wird in drei Teile aufgeteilt, damit es besser lesbar ist. ^^


    Ich wollte nicht, dass mein Protagonist als eine Art Damsel in Distress einfach nur hilflos im Eck gefesselt ist und überhaupt nichts tun kann, aber... dey kann im Moment tatsächlich nicht viel tun und es wurde denen ordentlich zugesetzt, körperlich und psychisch.

    Hab nach einer realistischen Möglichkeit gesucht, wie mein Protagonist dennoch ein wenig aktiver auftreten kann. Zum Einen, weil aktive Protagonisten Spaß machen und es passt ebenfalls sehr zu deren "hands on"- und eher selbstbewussten Persönlichkeit sich nicht einfach so zu ergeben. Mal sehen wie's ankommt. ^^


    Ruvin btw verwendet eigentlich dey als Pronomen (und sie, aber zwei verschiedene Pronomen für einen Charakter zu verwenden, ist etwas zu umständlich und verwirrend in einer Story).

    Das kann Yakov natürlich zu Beginn nicht wissen ohne sich einander vorzustellen, daher bleib ich mal im Großteil des ersten Kapitel bei neutralen Beschreibungen / Umschreibungen wie "der Elf" und "der Gefangene" und darauf bezieht sich dann natürlich rückbezüglich das "er".



    Kapitel 1: Die Hexe und der Elf (Teil 1) (Yakov)



    Der Kopf einer Hexe sollte rollen und sein Schwert würde ihn abschlagen.

    Yakov hatte nie Söldner werden wollen, nie deren schmutzige Arbeit verrichten, und nun, mit sechsundvierzig Jahren, war er auf der Jagd nach einer Hexe. Jedoch hätte er es schlechter als mit diesem Auftrag treffen können. Wenn er später das Blut von seinen Händen gewaschen und ein paar Krüge Bier gezecht hatte, konnte er sich vielleicht sogar ein bisschen heldenhaft fühlen. Erneut ein Dorf von einem Monster befreit, erneut etwas menschliche Dankbarkeit, die nicht bloß in Gold vergütet wurde.

    Vermutlich war die Hexe bloß eine Vettel, die sich als junge Frau mit scharlachrotem Haar tarnte. Diese Biester kannte er bereits. Im Frühling dieses Jahres noch hatte er sich einer Abenteurergruppe angeschlossen, die eine Vettel in den Bergen gejagt hatte, ein scheußliches Monster, das Kinder in ihr Waldhäuschen gelockt hatte.

    Sein neuer Auftraggeber, ein Fürst, war großzügig und er zahlte so gut, dass Yakov sich bloß im Stillen die Frage stellte, weshalb sich ein Adeliger um die Monsterplagen der einfachen Menschen scherte, und weshalb er den Kopf einer Hexe abschlagen sollte, die sich bereits in Gefangenschaft einer anderen Söldnertruppe befand. Angeblich wollte ein anderer Adeliger ihre Macht für sich. Niemand behauptete dies über eine simple Anis-Hexe. Beschrieben jedoch hatte er die Hexe als eine solche. Hier hatte er es mit einer mächtigeren Gestaltwandlerin zu tun, schloss Yakov.

    Die Spielchen der Reichen gingen ihn nichts an, doch der Auftrag stank wie ein fauler Fisch, der zu lange in der Sonne gelegen hatte. Adelige ohne selbstsüchtigen Absichten, heuerten für gewöhnlich keine Tieflinge als Monsterjäger an. Das kannte er bereits, doch für Geld und dem Gefühl von Nutzen zu sein, nahm er auch diese Aufträge an.

    Der erste Schnee war vor wenigen Nächten gefallen. Nach zwei Tagesmärschen von der nächsten Stadt entfernt, drang er in dichtere Bewaldung vor, in der man selbst zu Fuß kaum vorankam. Unter dem ersten Schnee lag noch abgefallenes, bereits halb verfaulendes Laub, das knirschte und unter seinen Schritten nachgab.

    Wohin wollte also der Trupp mit der Hexe, nicht mehr weit entfernt von Prejk und einem Tor zur Unterwelt? Den Auftrag anzunehmen war ein Fehler, musste er sich Schritt für Schritt über den unwegsamen Pfad eingestehen.

    Majestätisch ragte in der Ferne eine Bergkette gen den Himmel, deren Gipfel in ganzjährigem Schnee gehüllt waren. Ein unwirtlicher Pfad erstreckte sich vor ihm. Wo im Frühling Wiesen aufblühten und Bäche entlangrannen, lag vor ihm eine weite Fläche brach. Stolze Tannen und Kiefern drängten sich neben dem Steinpfad dicht an dicht, sodass sich ein Vorankommen mit Pferd in den bewaldeten Gebieten um einiges schwieriger erweisen würde, als auf eigenen, standhaften Beinen zu vertrauen.

    Ohnehin scheuten die meisten Pferde, nein die meisten Tiere, seinesgleichen genauso wie Kinder es taten, als wüsste ein urtümlicher Teil in ihnen, dem man es nicht zu erklären brauchte, dass Hörner, die sich eng um seinen Kopf schlangen, und einen Teufelsschwanz, sowie die tiefrote Haut eine dämonische Blutlinie bedeuteten. Prejk war nicht zu weit entfernt, erklärte er sich selbst und fand weitere Gründe, weshalb er kein Pferd benötigte. Gründe, die nichts mit ihm zu tun hatten.


    Noch bevor die Sonne hinter den Wipfeln versank, fand er den ihm beschriebenen Trupp vor, der bereits ein Nachtlager aufgeschlagen hatte. Immerhin waren sie auf dem Pfad geblieben.

    „Wer's da!?“, schrie ein Mann mit einem Speer bewaffnet entgegen.

    Furchtlos näherte er sich ihnen. „Seid ihr der Trupp, der unter Fürst Lawandow gestellt ist?“ Hoffentlich besserten sie ihn aus, und verrieten ihm von wem sie beauftragt worden waren.

    Gut ein Dutzend Männer hatten ein Lager am Waldesrand aufgeschlagen und bloß drei Pferde befanden sich ein wenig abseits des Feuers. In ihren Fängen befanden sich Gefangene. Eine Tote, war achtlos, wie ihre Reisentaschen und Beutel, abgeworfen.

    Von Beginn an hatte dieser Auftrag nach faulem Fisch gestunken und Yakov war dämlich, nein gierig, genug gewesen ihn für Gold zu halten. Der Fürst zeigte sich so spendabel, dass er für die kommenden Monde keine wandernden Händler vor den zahlreichen Ungeheuern der Wälder und Berge des rauen Nordens beschützen musste. Obwohl diese Aufträge nie gut entlohnt gewesen waren, erst recht für einen Tiefling wie ihn nicht, begrüßte er es jedes Mal, wenn keine schmutzige Arbeit zu verrichten galt.

    „Wir sind unter denjenigen gestellt, der zahlt“, rief eine rauchige Stimme zurück und eine Gruppe Männer prüften den Tiefling vor sich.

    Yakovs Stimme war tief, schon seit seiner Jugend gewesen, und er war groß und breit gebaut. Unter Söldnern, Monsterjägern und auch in Kneipen zollte man einem solchen dämonischen Kerl mit Hörnern Respekt. „Und wer zahlt im Moment?“ Er näherte sich den Männern mit Seitenblick auf das Geschehen. Meistens war es nicht zu schwierig Auskünfte von solch zwielichtigen Kerlen herauszulocken. Diese verbündeten sich wie selbstverständlich mit ihm, als gäbe es unter ihnen und einem Tiefling ein stilles Abkommen darüber, dass sie dieselben Gedanken teilten und dieselben Absichten verfolgten.

    „Ein Auftraggeber, der dich nicht betreffen sollte“, gab der Anführer mit einem schiefen Lächeln zurück. Dieses Gesicht, er kannte es irgendwoher ...

    Wenigstens dieser Teil seines Auftrags entsprach also der Wahrheit; der Trupp war jemand anderem unterstellt. Einem anderen Adeligen?

    Der Kerl war ein schmieriger Typ mit der Ausstrahlung eines Tunichtguts, der in Kneipen falschspielte und sich besoffen Frauen aufdrängte. „'Ne Teufelsbrut, sieht man selten. Was willst‘e?“

    Yakov nahm die Bezeichnung stumm entgegen und hielt die Insignie des Fürsten als Erwiderung hoch. „Ich soll den Trupp begleiten, um die Hexe nach Prejk zu bringen.“ Eine erneute Lüge, die ihm hoffentlich nicht den eigenen Kopf kosten würde, doch der Fisch stank bereits so faul, er konnte ihn nicht mehr ignorieren.

    Seitdem er sich auf den Weg gemacht hatte, um die Hexe zu finden, hatte der Auftrag eine dumpfe Empfindung nach der anderen hinterlassen. Etwas in ihm hatte immer noch gehofft auf eine Gruppe aus Abenteurern und Tagelöhnern zu treffen, wie er sie schon öfter begleitet hatte. Selbsternannte Monsterjäger auf der Suche nach dem nächsten Lohn und nach einer Vettel, die sich in einem Grüppchen zusammenrafften.

    „Dann springt ja wohl für uns mehr heraus, wenn selbst ein Fürst nach ihr sucht. Warum sollten wir den Weg nach Prejk nicht ohne deine Hilfe schaffen?“

    „Weil der Weg mit Monstern gespickt ist deren Spuren ich bereits aufgenommen habe. Ihr wollt nicht in diese hineinlaufen. Zeigt mir die Hexe. Hab diesen Frühling schon eine Anis-Hexe getötet, was ist da eine Hexe, welcher Art auch immer, mehr.“

    „Anis-Hexe? Vettel?“, höhnten die drei Männer der Wache.

    „Was oder wer ist die Hexe?“ Seine Muskeln spannten, und seine Instinkte, die in den sieben letzten Jahren sehr viel feiner geworden waren, warnten ihn.

    „Wird dich überraschen.“

    Sein Blick glitt zu den Gefangenen. Drei gefesselte Menschen, zwei Frauen, ein Mann, niemand von ihnen mit rotem Haar, saßen um ein Kind herum, das sie abzuschirmen versuchten. Sie trugen wärmende Pelzmäntel, doch der Unterton ihrer Haut und ihre Lippen war fahl. Womöglich saßen sie bereits seit Stunden auf dem Waldboden, der die Kälte des kommenden Winters in sich speicherte.

    Zwar hatte er es immer noch mit einigen Dreckskerlen zu tun, aber in den Krieg war er nicht mehr geschickt worden. In den letzten sieben Jahren war sein Schwert einmal für den Krieg gekauft worden und es gab keine Geldnot, die so groß sein konnte seine Seele erneut zu verkaufen. Nicht bei den blutdurchtränkten und mit Leichen gepflasterten Schlachtfeldern, die der Krieg hinterließ, und nicht bei den plündernden und schändenden Monstern, in die er viel zu viele der Soldaten verwandelte. Und keine Geldnot war groß genug, um diese Gefangenen zu ignorieren, seinen Auftrag ohne weitere Fragen zu einem Ende zu bringen.


    Ein wenig abseits saß ein Elf mit bronzefarbener Haut in sich zusammengesackt, dessen Lippen und Äderchen unter seiner dunkleren Haut ebenfalls bläulich unterlaufen. Entkräftet versank er in seinem Mantel und Pelzhaube, deren Stoff klamm und steif vor verkrustetem Dreck und Kälte waren. Aus der Pelzhaube ragten spitze, fein geschwungene Ohren hervor.

    Er war selten einem Elfen begegnet. Die meisten hielten sich abseits aller anderen Rassen und in den Städten blieben sie gerne untereinander, erst recht in der Nähe eines Tieflings. Noch seltener war er einem dunkelhäutigen Elfen begegnet.

    „Wer sind die Gefangenen?“, fragte er in einem beiläufigen Tonfall. Wer in das Territorium eines Wolfes trat, durfte das Raubtier seine Angst nicht riechen lassen.

    Seine Frage sollte vorerst unbeantwortet bleiben.

    Von dem Elfen ging eine Aura aus, die nach ihm rief, als schien die Luft zu vibrieren, als war ein unsichtbares Band entstanden, das ihn zu dem Gefangenen magisch hinzog. Niemand außer ihm schien dies wahrzunehmen.

    Ein Zauber, besserte sich Yakov selbst aus. „Lass dich nicht auf die Fey ein“, hieß es in einer alten Volksweisheit. Eventuell hatte es sogar einen guten Grund, weshalb dieser Elf mit einer sogenannten Hexe zusammen ausgeliefert werden sollte. Er jedoch war die letzte Person, die dieselben Vorbehalte hegen durfte, die man für gewöhnlich gegen jedem anderen, denkenden Wesen entgegenbrachte.

    Wer war es, der ihn hintergehen wollte? Der Fürst, dieser Söldnertrupp oder der Gefangene, der nach ihm rief? Mit einem Seitenblick auf den Anführer, traf es ihn: Er war einer jener Söldner, die auch von Menschenhandel, und dem Handel aller anderen Humanoiden nicht zurückschreckten, solange die Bezahlung stimmte.

    Angespannt näherte sich Yakov ihm. Seine Statur war ein wenig breitschultriger, er war etwas größer als Yakov es von Elfen kannte.

    „Ich hatte eine Frage gestellt. Was ist mit dem Elfen?“, hakte er nach. „Der's es wohl kaum, aber war, ist, der gefährlich?“

    Schallendes Gelächter. „Gefährlich war er noch, als sich noch gewehrt hat, vor einem halben Mond, als Lira und seine Schule angegriffen wurd'n.“

    Scheißkerle. Mit festem Schritt und dem Wissen, wem er zu misstrauen hatte, ging er zu dem Elfen und kniete sich hin.

    Dessen Lider flatterten auf und in dem leuchtend hellen Gold, wie es nur diesen Feywesen innewohnte, sah Yakov Leere, als hätte sich ein Teil seiner Seele bereits vor den Toren Arvandors befunden und wäre erst vor wenigen Tagen in seinen Körper zurückgekehrt.

    Seine Gesichtszüge waren androgyn und wie die eines jeden Elfen wunderschön geschnitten. Wie eines Gemäldes, das zum Leben erwacht war, doch diesem fehlte es an Leben. Seit vielen Tagen, oder noch viel länger, schien er sich daran zu klammern.

    Ein beißender Gestank stieg Yakov entgegen. Selbst auf langen Reisen fanden Elfen noch Wege, um jeden Morgen so auszusehen und zu duften, als wären sie abends bei einem Adeligen zu einem Festmahl geladen. Dieser jedoch stank nach Dreck, saurem Schweiß und Pisse wie es auch ein jeder, menschlicher Gefangener nach einiger Zeit täte.

    Getrocknetes Blut setzte sich in dem drecksstarren Haar des Elfen fest, das einst aus einer alten Wunde an seiner Schläfe, und einer frischeren Platzwunde an seinem Hinterkopf, gelaufen war. Sein nackenlanges Haar war rostbraun, ob vom Blut und Dreck, oder ob dies seine Naturhaarfarbe war, war nicht mehr zu erkennen.

    Etwas Fürsorgliches in Yakov, oder der Zauber, ließ ihn die Hand ausstrecken. In all den Jahren hatte er eine Handvoll simpler Zauber erlernt, so auch schwache Heilzauber, die ihm ein Wundarzt und seine Frau gelehrt hatten, gerade ausreichend genug, um die Wunde am Hinterkopf zu heilen. „Findet ihr nicht, dass ihr die Gefangenen so behandeln solltet, dass sie euch nicht wegsterben?“ Bei seinem Befehlston hielten die Männer inne. Respekt oder Furcht, beides war willkommen.

    „Der stirbt nicht weg. Schon seit einem halben Mond nicht.“

    Eine fremde Macht lenkte seine Hand und Yakov ließ es geschehen. Vermutlich kannte der Gefangene keinen anderen Ausweg, als jemanden für sich gewinnen zu wollen.

    Sobald er die Schläfe des Elfen berührte, erklang eine fremde Stimme in seinem Kopf. Verwundert sah er in die leuchtend goldfarbenen Augen, die an Entschlossenheit gewannen. Tiefling, helft dem Kind und den anderen Menschen – und helft mir!, forderte die Stimme.

    Es war keine Bitte. Nein, sie forderte mit einer solchen Dringlichkeit, dass sich Yakovs Gedanken überschlugen und er bei sich nach etlichen Möglichkeiten suchte, um die Gefangenen zu befreien. Leider wusste er es besser, als es alleine mit einem guten Dutzend Söldnern aufzunehmen.

    Tiefling, setzte der Elf mit Nachdruck an. Wenn Ihr es nicht alleine mit ihnen aufnehmen könnt, dann holt Euch Hilfe. Irgendwie ...

    Die Stimme, die er keinem Geschlecht zuordnen konnte, war kraftlos und schwächelnd, wie Yakov es von einer Person erwartete, die kürzlich noch mit dem Tod gerungen hatte. Doch sie gehörte ebenso einer Person, die es gewohnt war, dass ihren Anweisungen Folge geleistet wurde, gehörte zu jener Schlag von Person, die keine militärischen Befehle zu bellen brauchte, damit man diesen nachkam. Und seht Euch an, wer Eure ‚Hexe‘ ist.

  • Vorwort


    Teil 2 des ersten ersten Kapitels.


    Die Content Notes von oben, vor allem, was der angesprochene Übergriff im Dialog betrifft. Es ist jedoch nichts Grafisches und Konkretes.

    Ich hatte zuerst den Dialog abgeschwächt, aber das ... passt einfach nicht.





    Kapitel 1: Die Hexe und der Elf (Teil 2) (Yakov)



    Noch nie hatte Yakov direkten Gedankenkontakt mit jemanden aufgenommen, wusste nicht wie er einen Gedanken in jemanden einpflanzen sollte, ohne dass seine Antworten in den Köpfen aller widerhallte und man ihm auf die Schliche kam.

    Wisst Ihr nicht, wie Ihr mir antwortet? Sie werden Euch nicht hören. Konzentriert Euch darauf Eure Gedanken an mich zu übertragen. Lasst sie über Eure Finger fließen.

    Er beließ zwei Finger an der Schläfe, der eiskalten Haut des Elfen, und hob mit dem Daumen sein Kinn an, als würde er den Wert einer Ware vor sich abschätzen. Und man glaubte ihm.

    Für den Elfen war es wohl ein Leichtes telepathisch mit jemand anderen zu kommunizieren. Mit gedanklichem Fokus auf dem Gefangenen, bündelte er seine Worte und stellte sich vor sie in einem fremden Kopf einzusetzen. Ich kann es ahnen und ich fürchte, dass ich Recht behalten werde, erwiderte Yakov schlicht und wartete darauf, dass die Männer misstrauisch wurden.

    Als nichts geschah, gewann er an Mut. Wieso könnt Ihr Telepathie anwenden? Wie könnt Ihr den Charme-Zauber wirken? Habt Ihr keine magiehemmenden Runen angelegt bekommen?

    Aus dem Mantel glitten zwei überkreuzt gefesselte Handgelenke, die mit Gravuren überzogen waren. Die Runen waren in den letzten Nächten am Steinboden abgewetzt worden. Nicht zu offensichtlich, um keinen Argwohn zu erregen, doch sie waren an manchen Stellen aufgewetzt, um den Gegenzauber aufzuheben. Eines der Symbole war gezielt abgeschabt worden. Nur jemand, der wusste, was jede der Runen bedeutete, ging so vor.

    Direkte Telepathie erfordert keinen Zauber. Keinen, den man mit Runen einschränken könnte.

    Schlau.

    Aus den hellen Feyaugen sah ihn etwas Listiges an, oder war dies bloß Einbildung?

    „Lass dich nicht auf die Fey ein“, hieß es in einem Auszählreim, den Menschenkinder bei verschiedenen Spielen beschwörerisch sangen, kam es ihm erneut. Noch nie hatte er über diese Kinderei nachgedacht, noch nie mit einem Elfen mehr gewechselt als ein paar oberflächliche Worte, und sie nicht mit ihm, doch plötzlich drangen dessen warnenden Worte in seinen Kopf ein. Wie eine Volksweisheit, die man seinen Kindern von klein auf lehrte.

    Der Gefangene schien seine abschweifenden Gedanken wahrzunehmen und wandte scharf ein. „Eins, sie sind listig und schlau, sie sind bezaubernd. Zwei, sie fangen dich ein. Sie machen dir schöne Augen und dann, drei, bist du“ – und in dem Moment zählt man aus – „… dann bist du tot.“ Ich hab es Kinder spielen gesehen, die ich selbst unterrichte. Über Tieflinge erzählt man sich viel abscheulichere Dinge.

    Deswegen ist es Schwachsinn, beschwichtigte er.

    Ich vertraue Euch, ich lege mein Leben in Eure Hände, und Ihr vertraut mir nicht aufgrund Vorbehalte; einem Kinderspiel?, sprach der Elf die Tatsache aus, die vor ihm lag. Etwas Panisches überschlug sich in dessen Tonlage.

    Weil Ihr meine Hand lenkt. Einen halben Mond lang war er bereits in Gefangenschaft, erinnerte sich Yakov, rügte sich manchmal für all die bösen Absichten, die er einer jeden Person unterstellte, als wären sie alle hinter seinem Kopf her. So wie er hinter den Köpfen der Monster her war, die er jagte. Der Zauber war ein Hilferuf gewesen, jede andere Erklärung wäre absurd, kam es ihm, als er den Elfen betrachtete. Entschuldigt, das war dumm von mir, aber hört auf diesen Zauber auf mich zu wirken, wenn Ihr meine Hilfe wollt.

    Die fremde Macht, die Yakov angezogen und seine Hand gelenkt hatte, löste sich auf.


    Danke. Kanntet Ihr die Tote?

    Yakovs Blick glitt zu der toten Menschenfrau mittleren Alters, der Harfnerin, die ihr Leben in der Wildnis und in Fesseln gelegt, ausgehaucht hatte. Sie würde in ihrem eigenen Blut liegen, bis sich Tiere an ihr sattfraßen oder ihr Körper von den Kräften der Natur zersetzt worden war, ohne je ein anständiges Begräbnis zu erhalten. Niemand hatte den Anstand besessen ihre totenstarren Augen zu schließen, die in den nahenden Sonnenuntergang gerichtet waren, und sie bekäme diesen nie wieder zu Gesicht. Das Symbol der Harfner lag wie wertloser Abfall auf dem steinernen Boden, welcher vom letzten Laub und erstem Schnee bedeckt war, neben ihr, und würde als Einziges daran erinnern, dass hier eine Kämpferin ihr Leben gelassen hatte.

    Ich kannte sie, sie war eine gute Freundin, und sie war eine Hohe Harfnerin.

    Seid Ihr selbst ein Harfner?

    Nein, ich hatte in diesem Sommer drei von ihnen in meinem Haus Unterschlupf gewährt. Masha, die Hohe Harfnerin, miteinbezogen.

    Wundervoll, Harfner. Ein Zusammenschluss, eine semi-geheime Organisation an Personen, die bereits ungerechte Herrschaften unterwandert und gestürzt hatten. Keine Rebellen ohne Namen. Gelehrte, Kleriker, gefeierte Helden. Jeder wusste, dass sie existierten, doch niemand außerhalb eines kleinen Zirkels wusste, wer sich darin verstrickte.

    Jemand, der Kontakte zu Hohen Harfnern hatte, bekleidete eine wichtige Position und besaß offenbar eine gewisse Geisteshaltung, die ihm diese Misere einbrachte.

    Masha, klingt als käme sie ursprünglich ebenfalls aus Tharr.

    Sie kam aus Tharr, erwiderte der Elf resigniert. Sie haben sie erst heute ermordet, als sie versuchte ein Schwert an sich zu bringen. Wenn Ihr einen unbeachteten Moment habt, bitte nehmt ihren Harfner-Orden an Euch. Ich möchte ihm, wenn ich hier lebend entkomme, ein Grab geben, da ich ihren Leichnam nicht begraben kann.

    Natürlich.

    Verdammte Scheiße, eine ermordete Hohe Harfnerin lag hier am Stein und vor ihm saß ein Elf, der sie vor-wem-auch-immer versteckt hatte.


    „Was schaust den so lang an?“, höhnte der Anführer. „Scharf auf den?“

    „Wenn er wieder gewaschen wär‘, schon. Und der’s doch wertvoll.“ Unter den wachsamen Augen des Söldnertrupps, sah er den Gefangenen abschätzig an. „Kriegt man viel ’für?“

    „War dort wohl ein hohes Tier. Hat ‘ne Zauberschule geleitet. Hättest mitansehen müssen, wie der um das Leben seiner Schüler gekämpft hat. Wie er um eins seiner Bälger regelrecht gebettelt hat.“

    Erneut spiegelte Yakov seine selbstgefällige Mimik, während der Gefangene unter seinen Fingern vor Zorn und den in sich hochkriechenden Erinnerungen bebte. Bilder krochen in Yakov hoch, nur für wenige Momente, doch diese genügten um ihm eine Vorstellung von dem Leid, das der Schulleiter durchlebt hatte, zu verschaffen.

    Die Körper von zwei Kindern, einer Elfe und einem Gnom, schlaff und leblos lagen sie in ihren Blutlachen. Die kleine Elfe war längst nach Arvandor heimgekehrt, doch das Gnomkind rang noch mit dem Tod. Mit wild umherirrenden, aufgerissenen Augen und aufgeschlitzter Kehle gurgelte es hilfesuchend „Direktor“, ehe es sein Leben aushauchte. Aus fremden Augen sah Yakov wie er sich zu dem Kind kniete, es sanft auf seinen Schoß bettete, fühlte die Eiseshand des Todes und ein tiefes, absackendes Gefühl in der Brust. Wie ein Mantra murmelte der Schulleiter einen Heilzauber, während er die Wange des Kindes streichelte. Dieser kam wenige Augenblicke zu spät und wollte nicht tun wie ihm geheißen, gleich wie oft er ihn wiederholte. Als die Erkenntnis in dem Direktor hochstieg und wusste dass seine Kräfte an der feindlichen Armee aufgebracht worden waren, bettelte er darum die Schule zu verschonen.

    Seht Euch meine Erinnerungen nicht an. Beschämt wandte der Elf den Blick ab.

    Tut mir leid, diese Erinnerungen kamen in mir hoch, aber ich sehe nichts, weshalb Ihr Euch schämen müsstet.

    „Hat beim Überfall auf die Stadt noch gekämpft, als wär’s einer der mächtigsten Zauberwirker, die uns‘re Zeit gesehen hätt‘“, fuhr der Söldner fort. „und is‘ dann unter mir gelegen, wie jedes Weib, das ich mir aufgreifen könnt‘.“

    Bei den neun Höllen verfluchte Dreckskerle. Die Vorstellung dessen, was dem Elfen widerfahren war, verdichtete sich, und er bereute jede anstößige Anspielung, die er seinerseits machte. Vor seinem inneren Auge sah er sich, wie er sein Schwert zog und einem von ihnen den Kopf abschlug.

    Ihr zieht noch nicht Euer Schwert. Unter dem Befehl war beinahe zu überhören, dass seine Stimme brach. Ihr besitzt mehr Verstand, als etwas so Dummes und Überstürztes zu tun. Und macht so viele widerlichen Bemerkungen wie es nötig ist, um glaubwürdig zu bleiben. Ich konnte ihn vor einigen Nächten mit dem Zauber abwehren. Er prahlt bloß.

    Ob der Elf log, um sich etwas Würde zu bewahren, konnte er nicht ausmachen, doch es klang wahr. Yakovs Finger spannten sich, als er sich eines Besseren besann, als er die perfekte Gelegenheit fand, um nachts wieder an die Seite des Elfen zu kommen. Er grinste niederträchtig. „Dann werd ich heute Nacht auchmal dürfen?“

    Der Söldner winkte gleichgültig ab. „Gebrauchtes Gut, das schon müffelt. Aber in den neun Höllen stinkt's wohl nach faulen Eiern, also bist du's gewöhnt.“

    „Durchaus, nach Schwefel und Tod.“

    Vor die Füße will ich ihm kotzen.

    Ist mir tatsächlich einmal gelungen. Nachdem sie mich vergiftet haben.

    Meinen Respekt.


    Kurze Stille, in der er sich sammelte. Mich hier alleine durchzukämpfen wäre Selbstmord und ich möchte nicht Euer Mitleid, ich möchte Eure Unterstützung. Die fremde Stimme in seinem Kopf klang verhaltener. Sie haben mich mit Eisen vergiftet. Meine magischen Kräfte sind geschwunden und werden in nächster Zeit nicht so zurückkehren wie ich sie gewohnt bin.

    Welche Art von Zauberwirker seid Ihr? Ein Zauberer?

    Ein Druide, vorrangig.

    Ihr könnt Euch nicht verwandeln?

    Momentan? Ich bezweifle es. Und mich in einen Vogel verwandeln und wegfliegen? Jetzt, wo sie das Kind und weitere Gefangene haben und sie im Stich lassen? Ich wüsste nicht wo die nächste Siedlung liegt, damit ich um Hilfe bitten könnte. Ich war… nun abermals fünf Tage kaum in Trance. Mein Orientierungssinn ist dahin. Es tut mir leid, dass ich momentan nicht mehr zutun kann.

    Jemand, der ihm eine realistische Einschätzung gab, war in einer Notlage wertvoller und kannte sich selbst um einiges besser, als jemand, der den Helden zu spielen versuchte.

    Ich werde über die Flucht nachdenken. Wie heißt Ihr?

    Ruvin. Das werde ich ebenfalls.

    Erneut drohten Erinnerungen in ihm aufzuflammen, die nicht die seinen waren und er hatte kein Recht darauf sie ungebeten anzusehen, so ließ er los.

    Die Abwesenheit der fremden Stimme hinterließ eine seltsame Leere in ihm. Sein einziger Verbündeter in diesem Lager war aus seinen Gedanken verschwunden.

    In einer beiläufigen Bewegung steckte Yakov dem Gefangenen einen Wärmestein, den er selbst nur in Ausnahmefällen benötigte, und traf auf dankbare Augen.

    „Unverantwortlich wertvolle Ware beinahe erfrieren zu lassen. Soll euch jemand eine Leiche abnehmen?“, zürnte Yakov. Seinen Zorn wollte er auf eine Weise loswerden.

    „Wir hab’n dir gesagt, der erfriert nicht. Ein Mantel reicht.“


    Yakov stellte sich mit verschränkten Armen dar, sah zu den drei Menschen hinüber, die ihn derart bestürzt anstarrten, als hätten sie nie in ihrem Leben einen Tiefling erblickt – vermutlich hatten sie das tatsächlich noch nie –, als wäre zu allem Überdruss ein Teufel in das Gefangenenlager gekommen, um sich ihre Seelen zu nehmen. Für gewöhnlich leuchteten nur die Augen eines Raubtieres in der Nacht orangegelb auf, so drängten sie das Mädchen weiter hinter sich. Dies war die einzige Form des Widerstands, der ihnen geblieben war.

    „Nicht so beliebt, wie mir scheint“, spottete einer der Männer.

    Yakovs verstorbene Frau hatte einmal daheim angekommen die Konturen seines Gesichtes nachgezeichnet und war über seinen kurz geschorenen Bart gefahren, nachdem er auf offener Straße als Monster bezeichnet worden war. „Ich sehe kein Monster, sondern meinen schönen Mann“, hatte Tanya gesagt und es so gemeint.

    „Unwichtig. Zeigt mir eure Hexe, die wir dem Fürsten auszuliefern haben. Ich muss wissen womit ich es zu tun habe, wenn ich uns durch die Wälder führen muss.“

    „Wirst genauso schauen wie wir.“ Es wurde gelacht, als wäre ein guter Witz erzählt worden.

    Und nun verstand Yakov endgültig weshalb die Menschen das Kind zu verbergen versuchten. Die böse Vorahnung hatte sich bestätigt. Nichts bereitete Yakov auf den dumpfen Druck in seinem Magen vor, der ihn den gesamten Abend und die Nacht über begleitete.


    Grob stieß der Mistkerl eine der Frauen zur Seite und gab die Sicht auf das Kind frei.

    Die Hexe mit dem scharlachroten Haar war ein Mädchen, nicht älter als elf oder zwölf Jahre, das wimmernd in der Ecke saß, dessen Stricke von magiehemmenden Gravuren übersät waren.

  • Vorwort


    Teil 3 (und der letzte Teil) des ersten ersten Kapitels.


    Ich freue mich immer über (freundliche) Rückmeldungen, eure Gedanken zum bisherigen Geschehen, den Charakteren, der Welt, Stil, was auch immer durch den Kopf schießt.




    Kapitel 1: Die Hexe und der Elf (Teil 3)



    Derart viele magiehemmende Runen? Fürchteten sie dieses Mädchen so sehr? Yakov betrachtete die Kleine vor sich, nichts weiter als ein verstörtes Kind, welches mit Kräften geboren wurde oder durch Umstände zu diesen gekommen war, nicht mehr, nicht weniger. Mit Sicherheit kein Monster. Eine Vettel hätte dem gesamten Söldnertrupp bei ihrer Gefangennahme zugesetzt, und ein mächtigerer Gestaltwandler hätte ihnen erst recht den Garaus gemacht.

    „Dein nervtötendes Maul sollst du halten!“, herrschte einer der Männer sie an und der Trupp lachte, hätte dies nicht getan, wenn das Mädchen ihre Magie, welcher Art auch immer, wirken könnte. Doch das Wimmern stoppte nicht, sodass der Kerl sie an den leuchtend roten Haaren packte und ihr tief in die Augen stierte. „Stille.“

    Dann kehrte Ruhe ein und sie nickte verstehend, presste die Lider zusammen und wandte sich vor dem mit Alkohol getränktem Atem ab. Sie weigerte sich aufzusehen.

    Hass. Dieser Hass, der in Yakov aufstieg, stieg ihm zu Kopf, und er brachte einen Gedanken, einen eventuell viel zu gefährlichen Gedanken, mit sich, den er später mit Ruvin teilen wollte.

    „Eine sehr junge Hexe. Wir bringen beide nach Prejk?“

    „Joa, der Elf hat auch‘n Käufer in Prejk. An dem ist eine Drow interessiert, hat noch Privates mit dem zu klären. Die is‘ auch irgend so ein hohes Tier, eine Generalin oder anderes dieser Art.“

    Eine Frage jedoch setzte sich in seinem Hinterkopf fest. Was hatte der Direktor einer Zauberschule mit einer hochrangiger Drow in Prejk zu schaffen? Allmählich fügte sich eine eigene Version der Geschichte in Yakovs Gedanken zusammen, bei der Ruvin versucht hatte die Harfner vor der Drow zu beschützen. Eine sehr einfach gehaltene Geschichte, die vermutlich nicht die gesamte Wahrheit abbildete. Verflucht, er wüsste es gerne, wenn er sich mit einer Generalin der Drow verscherzte.


    Zwei der Männer entledigten sich, bevor noch die Nacht hereinbrach, Mashas Leiche im Wald, um die Raubtiere vom Lager fernzuhalten. Einer bückte sich, um das Emblem der Harfner ebenfalls an sich zu nehmen.

    Wankend kam Ruvin auf die Beine, öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch entschied sich eines Besseren.

    „Hast du was zu sagen?“

    Ruvin schwieg.

    „Braves Elfchen. Für die Nacht“, lobte er und warf dem Elfen einen Pelz und Trockenfleisch zu. Schließlich ließ der Söldner das Hafner-Emblem vor dessen Füße fallen, als dieser unnatürlich langen Blickkontakt hielt, ihn nahezu in den hellen Feyaugen ertrinken ließ. „Dann behalt den Scheiß eben.“

    Idiot. Yakov verbot sich Ruvin alles an dem Kopf zu werfen, das ihm einfiel. Wie leichtsinnig konnte ein angeblich mächtiger Zauberwirker sein vor den Augen aller jemanden mit einem Zauber zu betören. Einen halben Mond lang war Ruvin bereits in Gefangenschaft, rief sich Yakov dann erneut ins Gedächtnis, und wollte bloß den Orden einer Freundin an sich nehmen, um ihr ein symbolisches Grab zu geben. Was richtete das an dem Geist und der Seele eines Gefangenen an?

    „Warte“, wandte ein anderer argwöhnisch ein und der Elf zuckte zusammen, als er endlich die Tragweite seiner Tat verstand. „Schau dir seine Runen an.“

    Derjenige, der den Orden fallen ließ, riss Ruvin an den Fesseln an sich heran und betrachtete die Gravuren. „Liegt im Feenblut. Drehst dich um, betrügen sie dich. Ich sollt‘ dir auch’n Pelz und das Fleisch wieder wegnehmen, aber du bist ja leider zu teuer, um dich verrecken zu lassen. Wasser kriegst'e heute keins. Friss Schnee.“ Dann entledigte er sich mit einem weiten Wurf dem Emblem, ehe er ein Messer an sich nahm. „Mal sehen, ob du Runen von deiner Haut abwetzen kannst.“

    Yakov entschied sich die Szene vor seinen Augen zu ertragen. Wer einen Gefangenen verteidigte, machte sich verdächtig.

    Mit Schrecken sah das rothaarige Mädchen den Elfen an, und zum ersten Mal hörte er Ruvins angeschlagene Stimme außerhalb seines Kopfes. „Schau weg, Kleines“, wies dieser das Mädchen sanft an und die Erwachsenen drehten es vom Geschehen weg.

    Dann hielt er die gekreuzten Arme hin, gab eine freie Stelle an dessen Unterarmen frei. Trotzig spannten sich dessen Kiefer an, er verbot sich jedes Zucken und schluckte jeden Laut herab, als das Messer in seine Haut schnitt. Einmal, zweimal, dreimal, bis alle beschädigten Runen ersetzt worden waren.

    „Setz dich. Du Miststück wirst unseren Männern nie wieder einen Charme-Zauber auflegen.“

    Schwach sank Ruvin in die Knie, als der Schmerz einzusetzen begann, nahm Pelz und Fleisch an sich und sah zu den gefangenen Menschen hinüber, die ebenfalls für die Nacht mit dem Nötigsten versorgt wurden. Dem Mädchen kamen erneut die Tränen, als es sah wie der Elf in sich zusammensackte, doch dieser legte sich einen Finger auf die Lippen, deutete ihr an sich zu benehmen und schickte sie mit einem Fingerzeig in ihr provisorisch aufbereitetes Bettlager. Sie tat wie geheißen und traf auf ein dankbares Lächeln.


    Einer der Söldner hielt Yakov eine Flasche entgegen, auf der die Insignien einer hiesigen Handelsgesellschaft eingestanzt waren, die er bereits durch die Wälder von Tharr begleitete hatte. „Gönn‘s dir.“

    „Was ist mit den drei anderen Menschen? Aus’m Dorf der Hexe?“

    „Sind zwei Schönheiten bei, und manchmal kriegt man auch Interessenten für junge Männer. Hab’n auch ‘nen Karren voller wertvoller Pelze gefunden. War’n Dorf an Pelzhändler.“

    Vielleicht konnten die Erwachsenen mit handlichen Waffen, mit Dolchen, Kurzschwertern und insbesondere mit Bögen, umgehen. Ja womöglich beherrschten sie sogar simple Zauber. Er kannte solche Dörfer. Wenn die Männer mit einer Handelskarawane ausritten, um die Pelze sicher an die Käufer zu bringen, und bloß wenige von ihnen zurückblieben, verrichteten die Frauen in der Zwischenzeit all die anfallende Arbeit, inklusive der Jagd auf die Tiere, um für den Nachschub an begehrten Pelzen zu sorgen. Unter ihnen befand sich ein junger Mann, hatte kaum sechzehn oder siebzehn Winter gesehen.

    „Und die Kleine soll tatsächlich eine Hexe sein? Welcher Art?“ Er zwang den vierten Schluck seine Kehle herunter, stellte zwischendurch die Flasche ab, mit einem lockeren Griff auf dem Flaschenhals. Auf keinen Fall durfte er sich heute Nacht betrinken.

    „Manche können nicht jung genug sein, um einen Vertrag mit dem Bösen einzugehen.“

    „Ihr meint, sie hat einen Hexenmeister-Vertrag geschlossen?“

    „Deiner Familie ist das doch geläufig? Verträge mit Dämonen, oder sie gleich zu vögeln.“ Das gesamte Lager lachte und Yakov musste miteinsteigen, ehe seine Gedanken zu dem Kind zurückkehrten.

    Da stand doch mehr dahinter. Welches Kind ging einen solchen aus freien Stücken ein? Es sei denn, jemand hatte sie zu diesem gezwungen. Überlegend betrachtete er das Mädchen. Ihr rotes Haar stand wirr vom Kopf ab, doch sie war gut genährt, sodass sich allmählich ein Bild der Geschehnisse für ihn abzeichnete.

    „Und ihr habt ihr Dorf geplündert?“

    „Das war bereits geplündert, die hier kamen aus ihren Verstecken. Sah aus, als hätte jemand 'nen Drachen drauf loslassen, aber anscheinend hat die Kleine das angestellt. Wir hab'n ihren Aufenthaltsort erst ausfindig machen können, als die Hexe ihre Magie eingesetzt hat.“

    „Hätt‘ ich mir gern angesehen“, gab Yakov mit einem bösartig kehligen Klang in der Stimme zurück. Die Aussage jedoch entsprach der Wahrheit. Er wollte sich ansehen was dort vorgefallen war.

    Der Söldner neben ihm klatschte ihm auf die Schulter. „Natürlich würd‘ eine Teufelsbrut so denken.“

    Bei sich schwor er Tanya und ihrem Gott Ilmater, dass er nichts von alledem so gemeint hatte. Tanyas Geist würde davon wissen, dass den Lippen ihres Mannes all diese abscheulichen Worte entkamen, selbst wenn sie nicht mehr unter Lebenden weilte.


    „Ich halte die erste Wache“, sagte Yakov schließlich.

    „Und du bestimmst drüber? Wusste nicht, dass du zu unserem Anführer erklärt wurdest?“

    Man wollte ihm widersprechen, doch selbst solche Mistkerle widersprachen nicht gerne dem Teufelsgesicht eines hünenhaften Kerls, von dem man niedergestarrt wurde, bis man sich ihm beugte. „Ich glaube eure Scherze über mich, sind euch zu Kopf gestiegen.“

    Tatsächlich löste sich die Runde um das Feuer bald auf. Unter seinem wachsamen Auge machten die Männer einen Bogen um die Frauen, die Kleine und Ruvin.

    Als sich vollkommene Dunkelheit über die Welt legte, und bloß noch der Schein des Feuers einen Kegel um das Innere des Nachtlagers bildete, wurde Yakov mit jeder Stunde seiner Wache bewusster in welches Vorhaben er sie alle ritt. Seine eigene Welt wurde dunkelgrau, kannten kein Schwarz, segnete ihn mit der Fähigkeit nachts alles in Grautönen wahrzunehmen. Ein ewig abgedunkeltes Dämmerlicht.



    Der Trupp schlief tatsächlich, und selbst wenn er es nicht tat, würde man ihn nicht davon abhalten sich dem Elfen zu seinem eigenen Vergnügen zu nähern, sodass Yakov an diesen heranrückte, als er erneut aus der Trance schreckte und sich in den Pelz krallte.

    Zuerst drückte er nur dessen Hände, wollte einem Fremden nicht ungefragt ins Gesicht fassen. Sie waren wärmer als noch zuvor. Mit aufgerissenen Augen starrte Ruvin ihn an, bis er das Gesicht vor sich wiedererkannte und einwilligend nickte, ehe er den gedanklichen Kontakt wieder herstellte.

    Yakov lag es auf der Zunge nach der Drow zu fragen, doch als er in die dunkel unterlaufenen Augen blickte, entschied er sich dagegen. Vorerst. Wenn sie hier lebend entkamen, würden sie darüber sprechen.

    Ich tu Euch nichts, ich schirme nur die Sicht ab, beschwor er, legte einen Umhang um sie beide und lehnte Ruvin gegen einen Stamm. Der warme Bariton in seiner Stimme klang beruhigend, hatte Tanya öfters gesagt, und so merkte er, wie Ruvin ein wenig zur Ruhe kam.

    Das war vorhin sehr dumm von mir.

    Ja, was habt Ihr Euch gedacht? Ich kann die Wunde nicht heilen, das wäre zu auffällig. Aber schmerzt es noch? Ich hätte Arlan- und Palmath-Extrakte bei mir.

    Oh, macht eine Druidenausbildung bei mir, sobald wir hier entkommen. In einer anderen Lage hätte Ruvin wohl gescherzt, in dieser behielt der Gefangene eine starre Miene bei. Aber nein, das ist schon in Ordnung. Danke.

    Man lernt alles Mögliche, wenn man Händler begleitet, Monster jagt, und sein Schwert für ... andere Aufträge kaufen lässt.
    Das glaub ich. Ich…
    Ruvin lachte freudlos auf. war so lange nicht mehr in voller Trance, ich weiß nicht was mich überkommen hat. Ich hab‘ mich hinreißen lassen. Macht mir keine Vorwürfe.

    Schlafmangel – wie auch immer dies bei einem Elfen heißen mochte – machte Personen irrational. Das hatte Yakov bereits erlebt, als er Händler eskortierte. Ihr müsst für morgen schlafen, in Trance gehen, wie Ihr immer das nennt.

    Das werde ich, ich muss Euch von Nutzen sein, und Ihr riskiert alles, und ich habe noch nicht nach Eurem Namen gefragt.

    Yakov. Wie soll ich Euch eigentlich nennen, ansprechen? Seid Ihr … Wie fragte man danach? Ein Mann?

    Nein. Dey ist mir am liebsten.

    Verstanden.

    Nach einer kurzen Pause, fuhr Ruvin fort. Danke, Yakov. In diesen Feyaugen lag nichts Listiges. Sie waren erfüllt von Erschöpfung und Angst – und der Wille dies ebenso zu überstehen wie alles andere zuvor. Da wir uns morgen vielleicht in die erste Ebene der Höllen reiten werden, möchte ich, dass wir die Höflichkeiten bleiben lassen. Du bist mein Verbündeter.

    Das können wir gerne. Yakov hatte selbst in Abenteuergruppen, mit denen er zwei, drei Monde gereist war, kaum jemand gekannt, der ihm ein Du angeboten hätte.


    Ich kenn‘ die Aufenthaltsorte einiger Bestien in dieser Gegend. Ich führe morgen die Truppe hin und Ihr … du wirst im schlimmsten Fall mit einem Eulenbär verhandeln müssen. Schaffst du das?

    Ich glaube es ist ein halbes Jahrhundert her, dass ich mit einem geredet habe, so von Angesicht zu Angesicht. Meistens sind sie nicht die besten Verhandlungspartner, erwiderte dey. Kennst du noch andere Bestien, die hier leben?

    In der Nähe des Bergfußes soll ein Greif leben. Riesenspinnen verschiedener Art, ich wüsste in etwa wo diese zu finden wären, aber das ist wohl kau…

    Sehr viel besser, entschied Ruvin ein wenig zu spontan. Zu dieser Jahreszeit werden sie sich bloß öfters in Höhlen aufhalten und wir müssen die Truppe von ihrem Weg abbringen.

    Ah, Riesenspinnen sind sehr viel besser. Selbstredend. Erklär es mir, forderte Yakov. Ich wüsste gerne, in welches Desaster ich mich hineinreite.

    Mit Säugetieren, Vögeln, manchen Reptilien, kann ich zu verhandeln versuchen. Es ist sehr viel schwieriger ihnen meinen Willen aufzuzwingen, wenn sie nicht mit sich verhandeln lassen sollten. Tieren, die jedoch einen sehr geringen Intellekt besitzen, kann ich meinen Willen aufzwingen. Ruvin verhedderte sich in deren Erklärungen. Dey versuchte zu gestikulieren, bis dey die Realität der Fesseln traf. Erst recht in meinem Zustand. Ich werde versuchen, welche der Bestien wir auch immer finden und du dich entscheidest, es gegen den Trupp aufzuhetzen. Auf dem einen Weg oder den anderen.

    Yakov ließ sich die Worte in Ruhe durch den Kopf gehen. Du bist der Druide, du wirst wissen, was du tust. Aber dir ist bewusst, dass es dabei sterben könnte?

    Denkst du, ich stelle das Leben eines beliebigen Tieres über unser aller?, fragte dey ungläubig. Ich bin ein Druide, kein weltfremder Idiot. Ich bin hier seit einem halben Mond gefangen.


    Und sie haben heute erst Masha ermordet. Sie erhielten von einem Raben-Botschafter die Nachricht, dass sie sich der Hohen Harfnerin entledigen konnten, dass sie bloß sterben musste, nicht ausgeliefert. Masha hat versucht sich zu wehren, und wenn ich ehrlich bin, ich dachte, dasselbe Schicksal würde mich heute treffen.

    Erneut Erinnerungen; die Harfnerin, die ihren letzten Atemzug aushauchte, am Steinboden liegend, mit einem sauberen Schnitt durch ihre Kehle, aus dem Blut quoll. Ihr Kopf war zur Seite geneigt, sie suchte Ruvin und dey beugte sich über sie, streichelte so lange ihr drecksstarres, einst aschblondes, Haar, bis das Leben aus ihren Augen wich. Es geschah innerhalb der nächsten Augenblicke. Dann wurde Yakov aus der Erinnerung geworfen.

    Hilflos lag seine Hand an deren Schläfe. Was sagte man in solchen Momenten, was tat man dann? Seit sieben Jahren, seit dem Tod seiner Frau, hatte er mit niemanden mehr ein tiefergehendes Gespräch geführt und irgendwann, während dieser Zeit, hatte er verlernt, wie man einer anderen Person Trost spendete. Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll, gestand er schließlich ein.

    Der ständige Argwohn ließ ihn für einen Moment darüber nachdenken, ob Ruvin absichtlich diese Erinnerung in ihm eingepflanzt hatte, da Yakov der letzter Ausweg des Elfen und der menschlichen Gefangenen war. Selbst wenn dem so sein sollte, wollte er sich und sein Schwert von jemanden benutzen lassen, von jemanden, der bloß sein eigenes Leben und jenes vier anderer Personen retten wollte. Jemand, der verzweifelt genug war, einen ihm vollkommen fremden Tiefling seinen Verbündeten zu nennen. Diese Gedanken schirmte er bestmöglich vor denen ab.

    Ruvins Unterlippe erzitterte. Ich kann morgen nicht gegen es kämpfen, wenn es soweit kommen sollte. Ich könnte es, wenn man mir meine Magie nicht gestohlen hätte.

    Das verlange ich nicht und darauf könnte ich ebenfalls verzichten. Ruh dich heute Nacht so viel aus, wie es dir möglich ist.

    Mein zweiter Versuch, erwiderte dey bitter. Aber ist dir eigentlich derselbe Gedanke gekommen? Wenn die Frauen und der Bursche aus einem Dorf von Pelzhändlern stammen, können sie jagen. Wenigstens eine von ihnen. Sie können auf Tiere schießen. Die Frage ist, sind sie bereit auf Menschen zu schießen?

    Ja, derselbe Gedanke ist mir vorhin gekommen. Respekt schwoll in ihm an. Nicht bloß vor alledem, was Ruvin überstanden hatte oder der Respekt davor, wie sehr sich dey für deren Schüler aufgeopfert hatte. Nein, diese Art zu denken. Wie ein Verbündeter im Kampf, bevor dieser noch begonnen hatte.

    Erzähl mir, wie sie die Hexe gefangen genommen haben.

    Das habe ich nicht gesehen, erwiderte Ruvin. Sie kamen mit der Kleinen und den drei anderen zurück, aber ich wüsste gerne was dort vorgefallen ist.

    Für eine Weile saßen sie schweigend beieinander.


    Ich möchte, dass du dir in meiner Trance meine Erinnerungen ansiehst. Du musst sehen, was in Lira geschehen ist. Du hast das Recht zu erfahren, wo du dich hineingeritten hast. Jedoch … ich werde dir nicht die Drow zeigen.

    Das Recht habe ich wohl, gestand er denen schließlich ein. Ich werde den Kontakt abbrechen, wenn … zu private und intime Erinnerungen durchsickern. Sobald wir uns in Sicherheit befinden, möchte ich allerdings wissen, wer diese Drow ist.

    Danke, du bist eine gute Person.

    Diese Worte sanken bloß langsam in ihm ein und umfingen ihn wie eine Umarmung, die er seit langem nicht mehr gespürt und Worte, die er seit langem nicht gehört hatte, bis er sich darauf besann, dass Ruvin keine vollständige Antwort gab. Ich möchte später erfahren, wer diese Drow ist. Hast du die Harfner vor ihr versteckt?

    Das … ist etwas verworrener. Und du wirst es erfahren, erwiderte dey verhalten und zwang sich den Augenkontakt so lange zu halten, wie bloß eine Person es tat, die sich nicht die Blöße geben wollte betreten wegzusehen. Menschen, Zwerge, Gnome, der andere Tiefling von letztens, und wohl auch Elfen; sie alle logen und verschwiegen die vollständige Wahrheit, alle auf eine ähnliche Weise. Nicht nur die Fey waren listig. Jeder war es, auch er.

    Gut. Versuch erstmal angenehme Erinnerungen aufzurufen, du brauchst sie. Du hast die ganze Nacht Zeit. Unter einem Pack an Wölfen kann und werde ich nicht schlafen. Während Yakov den Umhang um sie beide hielt, und die Hand an Ruvins linker Kopfseite ruhte, um darauf zu warten, dass deren Erinnerungen zu ihm durchsickerten, atmete er die kalte Luft ein, die sich augenblicklich in seinen Lungen erwärmte. Das wird ein absolutes Desaster.

    Ich weiß, und ich vertraue darauf, dass wir es überleben. Es bleibt mir keine andere Wahl als darauf zu vertrauen.

    Die Antwort ließ auf sich warten, wurde erst sorgfältig abgewogen. Als Druide und Zauberwirker war Ruvin wohl kompetent, selbst wenn dey an Macht eingebüßt hatte. Der Schmerz des Direktors, der um seine Schüler trauerte und des Freundes, der eine Kameradin zur Ruhe betten wollten, war grundehrlich gewesen, dessen war sich Yakov sicher. Die Antwort des Gefangenen, der ihm vorenthielt, weshalb er an eine Generalin der Drow, von allen nur erdenklichen Geschöpfen, ausgeliefert werden sollte, war es jedoch nicht.

    Ich möchte dir morgen auch vertrauen können.

  • Vorwort


    So, endlich geht es weiter. Hab in der Zwischenzeit viel Worldbuilding betrieben, die Schule zumindest im Grundriss angelegt und Stuff. :D

    Hab einige Kapitel der Mitte geschrieben und das Dritte ist auch beinahe fertig.


    Freue mich über Rückmeldungen zu... was euch auch immer während des Lesens durch den Kopf ging.

    Bin immer neugierig wie Welt, Charaktere und co. wirken. ^^




    CONTENT NOTE!

    Sexueller Übergriff (nicht grafisch ausgeschrieben und ich hab für das BB noch Sätze entfernt)



    Edit (18.04.2024): Ich hab die Erinnerung an den Übergriff - und den vorangegangenen Dialog - etwas abgemildert, bzw. nun in einen versuchten sexuellen Übergriff. Eine Freundin, und zwei andere Lesende, hatten sich zu unwohl beim Lesen gefühlt.




    Kapitel 2: Das verlorene Leben (Teil 1) (Ruvin)



    Ruvin war es, als wäre dey aus einem Stupor erwacht, der einen halben Mond lang angedauert hatte. Zum ersten Mal kamen klare Gedanken zurück; ein Ziel, ein Verbündeter, der Ruvin und den menschlichen Gefangenen tatsächlich zur Flucht verhelfen konnte. Das Mädchen hatte bestimmt unvorstellbares Leid durchlebt und nun war dey für dieses Kind verantwortlich, sowie dey für jedes andere Kind in deren Obhut verantwortlich gewesen war.
    Hoffentlich würden die anderen Gefangenen bei dem Fluchtversuch erkennen, dass der Tiefling keine Gefahr für sie darstellte. Die stechend gelben Augen auf der schwarzen Sklera, in denen ein Licht wie eine Flamme in der Dunkelheit flackerte, die rote Haut, die Teufelshörner, der Teufelsschwanz: wer noch nie, oder selten, einen Tiefling oder Fey’ri, gesehen hatte, war zumeist zu Tode erschrocken. Anscheinend wusste Yakov diese Furcht auszunutzen, sowie er seine Stimme und Körpersprache gezielt einsetzte, und die Söldner niedergestarrt hatte. Gut so.
    Dey sah vor sich eine Möglichkeit zu fliehen, keinen Teufel, und dey sah einen guten Kerl, dem es so einfach hätte sein können die Not der Gefangenen zu ignorieren. Ich hoffe auch, dass du mir morgen vertrauen können wirst. Und du wirst entsprechend entlohnt werden, sobald ich weiß wie viel von meiner Schule, und meinem Leben, übrig ist. Dey konnte die Vorwürfe nicht von der Hand weisen. Dey nutzte ihn aus, von Beginn an bereits, obwohl dey deren eigenem Sohn und deren Zauberschülern beigebracht hatte wie wichtig Integrität sei. Im Alltag und speziell im Umgang mit Magie. Entsprechend dem, was mir möglich sein wird dir zu geben.
    Yakov wog das Angebot für einen Moment ab. Ich helfe dir und den Menschen nicht, um bezahlt zu werden, aber ich werd‘ eine Bezahlung bestimmt nicht ausschlagen. Das besprechen wir alles ein andern Mal.


    Deren Arme durchzog ein plötzlicher, stechender Schmerz, der seit etlichen Nächten wiederkehrte und dey jedes Mal mit einem Taubheitsgefühl in den Händen und Unterarmen zurückließ. Ruvin hätte nicht angenommen, dass reines Eisen, das deren Kehle hinuntergezwungen worden war, keine Nervenschäden hinterlassen würde, aber es insgeheim und naiverweise doch gehofft.

    Wenn dey an sich hinabblickte, so hatte man denen zwar alle wertvollen Schmuckstücke geraubt, doch die drei magische Bänder um deren Handgelenk leuchteten auf und begleiteten dey überallhin, sowie sie es immer taten. Sie waren während des Rituals des Lebensbundes geschlossen worden und bloß für das eigene Auge sichtbar. Es war Schmuck, den niemand stehlen konnte. Das spärlich erhellte Licht strahlte so beruhigend in der Nacht und gab denen das Wissen, dass deren Sohn, deren Gefährtin und Vater wohlauf waren. Vater lebte ohnehin in seinem Heimatland, Ailevyn war wieder auf Reisen und Lynndel war rechtzeitig geflohen. Seine menschliche Frau hoffentlich mit ihm. Das war Trost genug.


    Jede Nacht, zwang sich dey in die Trance hinüberzugleiten. Wenigstens für eine Stunde, oder zwei. Dey hatte mitangesehen was mit Elfen geschah, die mehrere Nächte hintereinander nicht in ihre Reverie abgleiten konnten, selbst wenn sie schliefen, wie die Menschen es taten. Sie verloren sich selbst. An jedem Morgen hatte sich dey dann ins Gedächtnis gerufen, wer dey war und klammerte sich verzweifelt an dieses Wissen, obwohl es in der Trance so erschien, als würde dey das Leben eines anderen von außen verfolgen.

    Im ersten Zehntag, oder ein wenig länger, war Ruvins Verstand von dem Eisen vernebelt gewesen und alle Eindrücke waren zu einer einzigen Wolke aus verschwommenen Bildern, gedämpften Worten, und Berührungen, die sich nicht real angefühlt hatten, verschmolzen. Das Gift hätte beinahe deren Seele und Körper auseinandergerissen, und etwas noch viel Unverzeihlicheres getan: Es hätte dey beinahe aus dem Gewebe der Magie und dem Zyklus der Wiedergeburt gerissen; somit beinahe deren Seele auseinandergerissen.


    Vielleicht hatte dey auch darauf gehofft, dass das Gift und das Fieber Wahnbilder hervorgerufen hätten, dass dey nicht in den ersten Tagen in Gefangenschaft diese Dreckshände überall an deren Körper gespürt hätte. Doch die widerlichen Worte, die der Söldner Yakov gegenüber ausgesprochen hatte, waren klar und deutlich gewesen. Ruvin wusste bloß, dass dey die Rune des Gegenzaubers schon seit langem abgewetzt und den Hauptmann mit einem Charme-Zauber belegt hatte. Der Zauber war das letzte Mittel zum Selbstschutz, das diesen Mann jede Nacht davon abgehalten hatte sich an denen zu vergehen. Seine widerlichen Hände waren auf denen gewesen, dann konnte dey ihn von sich abwenden.

    Noch nie war Ruvin in den zweieinhalb Jahrhunderten zuvor die Macht über deren eigenen Körper, in mehr als nur einer Weise, geraubt worden. Es war ein zerreißendes Gefühl. Beinahe so zerreißend, wie es das Gift selbst es war, und doch… nichts war schlimmer als einem Elfen seine Magie stehlen zu wollen, einen so integralen Teil seiner Seele.

    All die Tage zuvor hatte dey nicht die Kraft besessen, um den aufkochenden Zorn zuzulassen, und nun traf all der Zorn: diese menschlichen Monster würden büßen.


    Du bebst. Die Flamme auf der dunklen Sklera flimmerte unstet.
    Ruvin schirmte die Erinnerungen sorgfältig vor dem Fremden ab, doch das Zittern, das durch deren Körper ging, war ihm nicht entgangen. Ein dumpfer Druck, ein Krampf als säße ein Geschwür in deren Körper, setzte sich wieder in deren Unterleib fest, sobald deren Erinnerungen klarer wurden.
    Was auch immer du von mir versteckst, zeig mir eine schöne Erinnerung, forderte Yakov auf und dey nickte. Und ich bleibe wach. Niemand wird dich oder die anderen Gefangenen anrühren.
    Das konnte er nicht versprechen, doch es war freundlich von ihm, dass er so tat, als könnte er es und Ruvin anlog - und endlich saß denen nicht mehr die Kälte in den Knochen. Asmodeus-Tieflinge strahlten diese Hitze ab, ohne sich oder andere zu verbrennen. Diese Hitze und der Wärmestein waren sehr willkommen. Unter großer Mühe glitt dey in Trance ab und ein erstes Bild zeichnete sich vor deren inneren Auge ab. Ein Bild von zu Hause, deren Schule, geliebte Gesichter, Bilder, Klänge und Düfte. Orte, die dey nie mehr verlassen wollte.
    Am Rande der Erinnerungen und deren Geiste, spürte Ruvin die Anwesenheit des Besuchs. Yakov hielt sich rücksichtsvoll im Hintergrund, jederzeit bereit zu gehen, falls zu persönliche Bilder vor deren inneren Auge aufflammen sollten.
    Mit seiner Anwesenheit konnte sich dey endlich in deren nächtliche Reverie fallen lassen. Das erste Mal seit einem halben Mond war dey sicher, ohne einem menschlichen Raubtier im Rücken, das dey anfallen könnte.


    „Morgen.“
    Trancetrunken löste sich Ruvin aus deren Reverie und neigte den Kopf zur Seite, benötigte einen Moment, um sich in der Wirklichkeit einzufinden. Dey hob die Hand und drehte sie in einer Geste, die eine Lichtkugel in deren Handfläche formte. „Morgen.“
    Masha stand an der Türschwelle und ahmte die Geste nach. „Manche eurer Bräuche sind so wunderbar, und man lernt kaum etwas über sie, bis man zusammen mit einem Elfen lebt. Gibt es eine Bedeutung dahinter?“ Die Hohe Harfnerin und ihre Frau kamen in Nachtkleidern aus einem der Wohnräume

    Dey ließ die Lichtkugel auf deren Handfläche verblassen. „Symbolisch gesehen die auf- und untergehende Sonne und der Mond. Praktisch gesehen, erkennst du Personen anhand verschiedener Lichtsignale bereits aus größerer Entfernung und weißt, wie sie dir gesonnen sind, oder kannst ihre Clan-Zugehörigkeit erkennen.“
    „Das ist interessant. Weißt du, ich hatte mich in dieser Hinsicht sehr gefreut mit dir zusammenzuwohnen. Wenn da nicht die äußeren Umstände wären. Ich … bediene mich?“ Auf deren einladende Handgeste hin, trat Masha in die Speisekammer. „Ich koche für euch mit, meine Lieben? Was wollt ihr?“
    „Gerne, wonach auch immer dir ist.“

    Ruvin hatte zusammen mit deren eigenen Gefährtin erst kürzlich zu einem Gästezimmer für Menschen umgestaltet hatte, ehe Ailevyn zu einer erneuten Reise aufgebrochen war. Mit einem Doppelbett, in dem man nicht aufrecht saß, sondern sich niederlegen konnte. Der Dritte der Harfner, Garresh, schlief im Obergeschoss auf einer Fensterbank, wieder in den Tag hinein. Er behauptete, sie sei groß genug um einem Zwergen wie ihm als Bett zu dienen, und denen sollte es recht sein, wenn ein Gast keine hohen Ansprüche stellte.


    Ailevyn hatte einige Male die Sorge geäußert, dass es sich rächen könnte, Harfner aufzunehmen und eben deshalb war dey froh, dass sie momentan nicht daheim war. Sollte sich Ruvins Fehler rächen, würde deren Gefährtin nicht zu Hause sein, um die Leidtragende zu sein. Nicht von Ruvins Fehlern und nicht von den Fehlern des Stadtrates, der nicht bereit war das Kriegsbeil zu begraben, erst recht nicht mit den Drow.

    Dem Frieden wurde seit langem ein Messer an die Kehle gehalten, da machte es keinen großen Unterschied mehr, ob dey befreundete Harfner bei sich aufnahm, denn als Leiter einer der vier größeren Schulen in und um Lira, war man jemand, dem man zumindest ab und an Gehör schenkte. Gegenwärtig gehörten die Harfner anscheinend zu den wenigen Personen, die ein Interesse an einer Lösung des Konflikts hatten. Masha war einst als Heldin ausgezeichnet worden und man hatte sie so lange angehört, bis sie unbequem geworden war. Sie ließ es nur wenige wissen, dass sie eine Harfnerin war und ihr Emblem unter der Kleidung trug. Stolz und dennoch verborgen.


    „Wieder spät bis in die Nacht hinein gelesen und heute erst nachmittags Unterricht?“ Agatha schob das Nachtkästchen von sich, auf dem ein gebundenes Buch mit ledernen Einband lag, und setzte sich zu denen auf die gepolsterte Fensterbank, auf der Ruvin für gewöhnlich in die Reverie ging. Öfters alleine, manchmal eng umschlungenen mit deren Gefährtin, sobald sie für einige Zehntage oder Monde daheimblieb. Hin und wieder mit einem kleinen Abenteuer oder einer kurzen Liebelei, die dey mit nach Hause nahm.
    „Ja, mein Unterricht für heute beginnt zu Mittag und ich bin erst wieder die nächsten beiden Zehntage eingeteilt die Schüler im Internat zu betreuen. Und sieh, meine Schüler haben ein großes Interesse an Elixieren. Deswegen hab ich meine eigenen Mitschriften von damals herausgesucht.“ Dey reichte ihr das Buch, das sie an sich nahm und durchblätterte. „Diese Rezepte hab ich zu großen Teilen selbst zusammengetragen, als ich bei meinen beiden Erzdruiden in Ausbildung war. Das Buch hab ich gestern wieder gefunden.“
    „Mein Elfisch ist ein wenig eingerostet, zumindest das geschriebene Wort. Ich hatte das elfische Schriftbild eleganter in Erinnerung.“ Agatha schlug eine Seite auf und deutete mit einem Grinsen auf die unebene und krakelige Schrift.
    „Andere elfischen Schriften stammen ja glücklicherweise nicht aus meiner Feder. Ich übersetze es in den letzten Tagen in die Allgemeinsprache, und eventuell noch andere. Die Schüler verstehen meine eigenen, alten Mitschriften besser als gehobene Fachsprache. Speziell jene, die noch nicht so versiert in meinem Unterricht sind.“
    „Das könnten sie nur, wenn sie erstmal deine Schrift lesen können.“
    „Deshalb schreibe ich sie nochmals ab. Ich bin kein Jugendlicher mehr, der seine Mitschriften hinschmiert.“ Dey stieg in das Lachen ein und zeigte auf drei der Zeichen. „Hier hab ich geraten, was ich damals aufzeichnen wollte. Meisterin Vasna hat mich immer gescholten.“
    „Meisterin Vasna ist der Loxodon, der nun Naturkunde unterrichtet?“
    „Ja, sie wollte den Zirkel an jemand Jüngeren abtreten, aber sie kann nicht damit leben nicht zu unterrichten. Viele der Schüler haben noch nie einen Loxodon gesehen, die kennen noch nicht einmal Elefanten. Erst recht eine intelligente, sprechende Spezies. Lina ist ein Menschenkind, zwölf Jahre alt, und irgendwann konnte sie nicht mehr halten, und hat gefragt ‚was ist das in Eurem Gesicht?‘ ‚Mein Kind, das ist eine Nase, für gewöhnlich atmet man damit.‘“
    Die beiden Menschenfrauen lachten mit und begrüßten im Vorbeigehen Garresh, der aus dem Obergeschoss herabkam, sich zu ihnen gesellte und die letzten Gesprächsfetzen aufnahm. „Als hättest du das nie gefragt.“
    „Tatsächlich nicht, ich bin in meiner Heimatstadt mit Loxodons aufgewachsen. In Horia lebt der größte Stamm von ihnen.“

  • Vorwort


    Schreibbuddies und jemand in einem Fantasyforum hat mich dazu animiert das Flashback auszubauen und länger zu schreiben und im nächsten Teil auch ein wenig von deren Unterricht zu zeigen.

    Ich wollte zuvor schon mein Flashback verlängern und dachte, es würde zu lang werden. Aber ich möchte sehr gerne Ruvins Alltagsleben ein wenig mehr etablieren und dey vorstellen. :D


    Das Ende hab ich ein wenig abgeändert und "Direktor, die Schule wird angegriffen" findet in einer etwas späteren Szene statt.




    Kapitel 2: Das verlorene Leben (Teil 2) (Ruvin)



    Ruvin konnte spüren, wie Yakovs Neugierde Überhand gewann, und solange er das Umfeld im Auge behielt, erlaubte es dey, dass er etwas in den Vordergrund trat und sich in deren Haus umsah. Es gab einen wundervollen Ausblick auf die naheliegende Gebirgskette. Deren Haus lag eingebettet in das Gebirge. Auf dem Ritt auf einem der Greife - oder wenn man sich selbst in einen verwandelte - erreichte man in einer menschlichen Stunde Valien und in einem halben Tagesflug die Hauptstadt. Hier hatte Ruvin mit deren Gefährten bereits gelebt, als dey über Jahrzehnte hinweg ein Lehrender in Valien gewesen war. Für Medizin, Elixiere, Heil- und Naturkunde. Seitdem dey nach dem Tod deren Vorgängers zum Schulleiter gewählt worden war, war kein Jahrzehnt vergangen.

    Yakov trat auf das Rundfenster vor der Fensterbank zu und berührte das dunkle Hartholz, fuhr über die feine Täfelung, die sich wie ein feines Geäst über den Rahmen zogen. Das Fenster nahm beinahe die gesamte Front des Raumes ein und ließ helles Tageslicht durch den inneren Ring in den Raum einfallen. Der äußere Ring war in mehrere, runde Fenster unterteilt, deren buntes Glas von Gravuren übersehen war. Jede erzählte eine kleine Geschichte aus Ruvins Leben.

    „Berühr eines der Bilder“, sagte dey und er kam deren Aufforderung nach. Er legte eine Hand auf jenes Bild, das Ruvin mit einem Neugeborenen auf dem Arm darstellte. Neben denen stand ein menschlicher Mann Ende seiner Vierziger, Beginn seiner Fünfziger, der seine Arme um sie beide schlang. Die Personen lösten sich aus dem bunten Fensterglas und wogen sich in dem einfallenden Licht, spielten eine kleine Szene von damals nach. Der Mann kommentierte mit einer neckischen Bemerkung die spitzen Ohren seines Sohnes, sie waren kleiner und unauffälliger als die eines Elfen, küsste dey und drückte seinen Gefährten und das gemeinsame Kind an seine Brust. Dey legte deren Stirn an seine und ein warmes Lächeln erreichte deren Lippen.

    „Was für ein schöner Zauber. Ich bin es gewöhnt, dass Magie zum Überleben genutzt wird. Oder du schadest jemanden mit Magie, oder heilst jemanden, dem geschadet wurde. Nicht als Selbstzweck.“ Yakov wandte sich an denen. „Dein Mann und dein Sohn? Wie alt ist er nun?“

    „Ja, er ist über drei Jahrzehnte alt und lebt mit seiner menschlichen Frau zusammen. Er führt eine kleine Schmiede wie sein Vater. Sein Vater ist allerdings schon verstorben.“ Während die Szene der Reverie stillstand, strich dey über die Wange des Zaubers, die eine Silhouette deren Sohnes erschuf, dann über jene seines Vaters. Wenn sich Ruvin den bewegten Bildern gegenübersah, konnte dey beinahe wieder das Gewicht des Säuglings in deren Armen und Kellans Umarmung fühlen. Kellan war so unheimlich stolz auf seinen Sohn und seinen Gefährten, auf seine kleine Familie, gewesen. „Das Bild habe ich aus meiner Erinnerung mit einem Zauber auf das Fenster gelegt. Das war wenige Tage nach Lynndels Geburt.“

    Allmählich löste sich der Nebel in deren Kopf auf und dey fand sich wieder in der Wirklichkeit ein. Das war deren Leben, und dey fühlte sich nicht länger so, als würde dey jemand anderen beobachten, sowie man ein Theaterstück von außen betrachtete. Es war ein wundervolles Leben gewesen und Ruvin wollte es zurückgewinnen.

    Dey glaubte einen Anflug von Schmerz in Yakovs Augen zu sehen, wollte jedoch nicht nachfragen. „Verstehe“, sagte er bloß und wandte sich ab.


    Yakov näherte sich den Topfpflanzen in den Ecken des Wohnraumes und neben der Schlafstätte an der Fensterbank, die es dem Druiden erlaubten in deren eigenen Heim von Natur umgeben zu sein, ohne auf Komfort zu verzichten. Einige Pflanzen hatte dey mit einem Zauber belegt, sodass sie weniger Pflege bedarfen. Dichte Weinranken im immerwährenden Grün bewuchsen die Rückwand und den Plafond des Wohnraumes, und erzeugten das malerische Bild eines wilden Gartens.

    Bei einem Regal auf dem sich Bücher und Schriftrollen stapelten, darunter einige Schriften, die von einem festen Ledereinband zusammengehalten wurden, blieb der Besuch stehen. Er nahm das Buch an, das ihm angeboten wurde, und blätterte durch das ihm fremde Schriftbild, das ineinander verschlungene Schriftzeichen darstellte, die von dem oberen Rand des Papiers hinabwuchsen. Andere Rassen beschrieben die Schrift als Wurzeln, selbst andere Elfen, die mit der Schrift nicht vertraut waren. „Elfisch? Ich dachte, es sieht anders aus.“

    „Elfische Schrift aus meiner Heimat. Wir schreiben von oben nach unten.“ Er folgte Ruvins Fingerzeig. „Das ist ein Verzeichnis der Namen aller Schüler Valiens, die die Schule besuchen, seitdem ich Direktor geworden war. Die alten Verzeichnisse habe ich bereits archiviert.“ Dey blätterte für ihn mehrere Male um, und die Seiten wollten nie enden. Auf ein sanftes Tippen hin sprach das Buch die Namen aus und projizierte das Portrait eines jugendlichen Menschenmädchens über den Seiten. „Ich konnte Monia beim Angriff auf Valien retten. Acht andere Schüler, die ich verloren habe jedoch...“

    Als die Worte ausgesprochen waren, wusste Ruvin, weshalb dey die Szene aus deren eigenen Erinnerungen nicht fortlaufen lassen wollte. Dey hatte Yakov jedoch versprochen, dass er die gesamte Wahrheit erfahren würde, genauso wie sich dey selbst zwingen würde ihm von der Drow zu erzählen, sobald sie geflohen waren. Vorausgesetzt, die Flucht gelang. Wenn Ruvin bei der Flucht starb, wurde deren Seele zwar wiedergeboren werden, doch all deren Erinnerungen wären ausgelöscht. Wer wusste, ob sich deren neuen Reinkarnation nicht dafür schämen würde, dass dey acht Schüler sterben hatte lassen. Dey war noch nichtmal selbst alt genug, um die Erinnerungen an deren früheren Leben zu empfangen.

    „Ich bin kein Kämpfer, ich lehre seit vielen Jahrzehnten“, begann Ruvin sich zu erklären. „Halte mich nicht für eingebildet, doch ich setze große Stücke in mein Können und in meine Magie. Und nichts auf dieser Welt ist wundervoller, als Kinder zu begeistern, wenn sie ihre ersten Zauber sprechen und selbst über das Gewebe der Magie und dessen Wunder staunen können, und wenn sie dieses tiefliegende Interesse für die Welt entwickeln, in die sie hineingeboren wurden. Früher, vor mehr als einem Jahrhundert, hab ich in meiner Jugend einige kleine Abenteuer erlebt und etwas von der Welt gesehen, aber... ich bin kein Kämpfer, mir fehlt die Übung, gemessen an meinem Alter. Doch wir, meine Lehrenden und ich, haben die Schule mit unserem Leben verteidigt.“

    Deren Besuch sah von dem Zauber auf. „Ich brauch keine Rechtfertigung.“

    Ruvin wusste erst keine Antwort, nahm sich einen Moment um seine Worte zu reflektieren und entgegnete schließlich. „Ich rechtfertige mich vor mir selbst.“


    Yakov besaß den Anstand denen nicht in deren privates Bad und Umkleide zu folgen, als sich dey wusch, deren Haar pflegte – sich mit allen Sinnen daran erinnerte, wie wundervoll ein solches Bad war –, und in eine smaragdgrüne, für die kühlere Jahreszeit gefütterte, Robe wechselte, die aus den edlen Stoffen Horias gewoben und reich bestickt war. Dey zog den Kajalstrich neu, trug Parfum aus Sandelholz auf und legte deren Schmuck an. Jedes Schmuckstück war ein Geschenk von verstorbenen Gefährten, von deren gegenwärtigen Gefährtin, von deren Sohn, deren Vater und Freunden.
    Ein jedes von ihnen war mit Schutzzaubern versehen und die Armschienen ließen sich zu Schilden entfalten. Vater hatte sie denen bei seinem letzten Besuch geschenkt.

    Als dey in den Wohnraum zurücktrat, traf Ruvin der verwunderter Blick des Besuchers. Yakov betrachtete den edlen Stoff, die edelsteinbesetzten und goldenen Ringe an deren Händen, Ohrringe und die Armschienen, und das nackenlange Haar in der Farbe von Kupfer, nicht von Blut und Dreck verklebt, einen Teil davon zu einem Haarknoten gebunden. Der Duft von Seife und einem Parfum mit einer warmen, holzigen Note hing um Ruvin. Der Anblick des gepflegten Schulleiters im Vergleich zu dem ungewaschenen Gefangenen auf dem Steinboden, war ein Unterschied wie zwischen den Reichen an der Oberwelt und der Unterwelt.

    Es war ein Unterschied, an den Ruvin nicht in deren Reverie erinnert werden wollte. „Ich möchte noch meine Trance genießen. Erinnere mich nicht daran, dass ich nun so armselig aussehe“, schalt dey ihn. Das war Yakov gegenüber ungerecht, gestand sich dey sogleich ein und wusste nicht was über denen gekommen war. Der Angriff auf die Schule, die Gefangenschaft, das Gift, der versuchte Übergriff, hatte dey ... verändert. „Entschuldigung, ich sollte mich nicht an dir auslassen.“

    „Ich kann nichts für deine Lage. Behalt dir aber diese Energie morgen bei.“

    „Natürlich kannst du das nicht und das werde ich, glaub mir.“

    „Das hoffe ich. Genieß noch deine Trance. Und ich hab das Umfeld im Blick.“

    Dey glaubte ihm, dass er dies hatte. „Danke.“



    Die Szene der Reverie lief weiter und Ruvin wusste, weshalb dey ausgerechnet diesen Tag gewählt hatte. Es war der Tag, an dem die Stadt und Valien angegriffen worden war. Deren Herzschlag beschleunigte sich. Nein, dey wollte die Szene nicht zu dem Angriff wechseln. Nur für den einen Moment noch wollte dey das alltägliche, lockere Gespräch mit deren Freunden und die Sicherheit deren Heims genießen. Den Duft von gedünstetem Gemüse und Gewürzen, der sich in deren Wohnräumen ausbreitete, als Masha entschied eine warme Mahlzeit für ihre Freunde und ihre Frau zu kochen.

    „Erzähl mir beim Essen mehr über deine Elixiere.“ Agatha hatte kaum etwas mit Magie zu schaffen, erst recht nicht mit Elixieren, und dennoch hatte das Buch ihre Neugierde geweckt. Entweder das, oder sie war höflich genug nachzufragen.

    Sie lehnte sich an die Wand an und begann zu lesen. Diese war mit einem dick geknüpften Teppich ausgekleidet. „Langsam verstehe ich, was ihr daran bequem findet.“

    Masha stellte vielfältige Speisen, Fladenbrote, Hummus, verschiedenes Gemüse, auf dem niedrigen Esstisch auf und füllte eine Suppe in die Senke. Sie nahm sich eines der Kissen vom Stapel und setzte sich. „Ruvin, ich hab mich ein wenig von dem Ingwer aus deinem Garten bedient.“

    „Immer gerne. Ich mach euch gerne Ingwertee.“ Deren Gäste waren in den ersten Tagen skeptisch gewesen, dann neugierig und schließlich begeistert.

    In deren Kammer und Garten fand sich so viel, das sie bloß von den exotischen Marktständen, die Ware aus dem Süden brachten, kannten. Die Wege der Karawanen waren lang, sie waren mehrere Monde unterwegs, und nie vor den Angriffen von Monster und Banditen gefeit. Deshalb waren die Produkte auf dem Markt dementsprechend kostspielig, und dey baute gerne in deren eigenem Garten all das an, das dey aus der Kindheit und Jugend vermisste.

    Und dann waren da noch die Pflanzen mit berauschender Wirkung, die man eventuell nicht jedem beliebigen Gast zeigte, doch Ruvin hatte gestern, ehe sich dey wieder an die Arbeit gemacht hatte, mit Garresh einen angenehmen Abend im Garten verbracht. Über die Götter und die Welten geredet, während sie Silbergras rauchten. „Der Druide meines Vertrauens baut ausgezeichnetes Silbergras an. Das hätte mir klar sein müssen.“

    „Hm, und ich kann dir auch erklären wie die Substanz in deinem Körper ...“

    Der Zwerg lachte. „Das muss nicht sein, mein Guter.“


    Eben hatte dey noch die Greife in deren Gehege gefüttert, den Ingwertee für deren Gäste zubereitet, das frische Fladenbrotes und Hummus gegessen, da wurde denen bewusst, dass die Sonne einen höheren Stand erreicht hatte und sich dey zum Unterricht beeilen musste.

    Ruvin sah sich selbst zu, wie dey noch kurz an der Tür stehenblieb, mit deren Freunden über etwas witzelte und sie verabschiedete. Dann verließ dey deren, um sich auf dem Weg zu deren Unterricht zu machen. Dieser Augenblick war das letzte Mal gewesen, dass dey Masha, ihre Frau und deren gemeinsamen Zwergenfreund lachen hatte sehen. Wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte sich selbst zu warnen und die Vergangenheit zu ändern, hätte dey sie genutzt. Das konnte kein denen bekannter, oder unbekannter, Zauber bewerkstelligen.

  • Post über diverse Änderungen:


    Wie in den oberen Post, und in die Content Notes des Startposts, hineineditiert, hab ich's in einen versuchten Übergriff geändert, weil... well. Eine Freundin und zwei andere Lesende haben sich auch unwohl damit gefühlt, und so funktioniert der Inhalt und das Thema rund um verlorene Kontrolle über das eigene Leben und den eigenen Körper immer noch (vor allem aufgrund des Gifts).

    Möchte nun weder Lesende vergraulen, noch sie sich unwohl fühlen lassen, oder unwohler als es für die Handlung notwendig ist(wenn man versteht, was ich meine...?)


    Morgen oder übermorgen kommt dann mal der letzten Teil des Kapitels... muss leider an meinem alten Laptop schreiben, weil mein Neuer eingeschickt wurde. Die zweite Grafikkarte ist durchgebrannt, RIP.

    Naja, auf diesem ist das Schreiben etwas unbequemer, aber es funktioniert... okayish. Ich hab hier nur LibreOffice. :pinch: