Da mein Text aber doch grad vom FF-Komitee im Finale generell sehr tief gewertet wurde, würde ich mich aber auf etwas Rückmeldung von euch freuen, weil ich denke, dass er in diversen Merkmalen unterlegt haben muss und ich durch euer Bereichswissen einiges lernen kann.
Huhu Vix!
Ich hatte dir persönlich ja schon mitgeteilt, dass ich dir gerne noch ein Feedback zu deiner Abgabe schreiben wollte. Leider ist es jetzt doch etwas später geworden, als ich es geplant hatte. Ich hoffe, das ist jetzt trotzdem noch in Ordnung. ^-^
Alles, was zählt
Einsteigen möchte ich zunächst mit den Punkten, die ich beim Lesen positiv wahrgenommen habe: Inhaltlich gefällt mir die Einfachheit der dargestellten Szene sehr gut, da sie stark aus dem Alltag gegriffen und damit angenehm nahbar wirkt. Mit dem gestressten Ich kann ich zu jeder Zeit mitfühlen, die Flucht in ein Hobby wirkt schlüssig begründet und auch der negative Einfluss der Online-Kommentare auf das Denken des Ichs ist absolut nachvollziehbar. Die Message, dass es keiner Rechtfertigung bedarf, um sich einem Moment der Entspannung zu widmen, kommt klar zu Geltung und überzeugt auch in ihrer Aussage.
Sprachlich mag ich vor allem die Formulierung "getrübt von Gedanken, an die ich während keiner Minute des Schaffungsprozesses zu denken vermochte", weil sie einerseits einem angenehmen Rhythmus folgt und andererseits auch wunderbar aufzeigt, wie sich das Ich in genau diesem Moment fühlt, ohne dass es zu explizit benannt wird (Nur eine kleine stilistische Anmerkung an dieser Stelle: Eventuell hätte man noch darüber nachdenken können statt "während keiner Minute" lieber "in keinem Moment" zu schreiben. Während bezieht sich auf klar festgelegte Zeitspannen und auch Minute ist etwas Konkretes, das man klar messen kann. Mit der vorgeschlagenen Alternative würde die Betrachtung dagegen etwas offener bleiben und der Fokus würde stärker auf das Punktuelle gerichtet werden in dem Sinne, dass man tatsächlich jede Millisekunde im Schaffungsprozess hätte herausgreifen können und das Ich hätte zu keinem Zeitpunkt die entsprechenden Gedanken gehabt. Das aber wirklich nur als Vorschlag, der Satz gefällt mir wie gesagt auch in der aktuellen Version sehr gut.)
Dass der Blick direkt im Anschluss an diesen inhaltlich ja doch sehr negativ geprägten Satz schließlich wieder in eine positive Richtung gelenkt wird, lässt mich abschließend mit einem angenehmen Gefühl der Entschleunigung zurück, was ich sehr gelungen finde.
Was dafür gesorgt hat, dass ich den Text bei meinen Punkten in der unteren Hälfte einsortiert habe, ist die Tatsache, dass einige Sätze auf mich zu kompliziert formuliert wirkten, sodass ich sie mehrfach lesen musste, um ihren Inhalt vollständig verstehen zu können. Ich greife einfach mal zwei Beispiele heraus, um aufzuzeigen, was ich meine:
Leider ist es schlichtweg zu wohltuend, der Fingerakrobatik gepaart mit der Häkelnadel nicht zu scheuen.
Bei diesem Satz ist die zentrale Konstruktion "es ist wohltuend, etwas nicht zu scheuen" für mich bereits eher ungewöhnlich und ich würde sie intuitiv einem eher gehobenen Stil zuordnen. Dass sie durch den unterstrichenen Einschub relativ weit auseinandergezogen wird, sorgt zusätzlich dafür, dass ich beim ersten Lesen etwas länger gebraucht habe, um ihre Bedeutung zu entschlüsseln. Schließlich steht relativ zum Ende des Satz noch ein nicht. Tendenziell würde ich immer eher versuchen, zu spät im Satz keine Verneinung mehr einzubauen, weil es beim Lesen unglaublich schwer ist, alles was man zuvor schon gelesen hat, dann noch einmal ins Gegenteil umzudenken. In der Regel ist es so, dass man beim Lesen einer späten Verneinung eher wieder an den Satzanfang zurückspringt und dann alles nochmal mit der neuen Information lesen muss. Das stört den Lesefluss, sodass man sich etwas weniger auf den Inhalt konzentrieren kann. Hier kommt erschwerend sogar noch hinzu, dass der Satz gleich zu Beginn mit einem leider eingeleitet wird, was für sich zwar keine Verneinung ist, aber von der Bedeutung auf etwas Negatives hindeutet, womit ich beim Lesen von nicht dann auch noch überlegen musste, ob eine doppelte Verneinung vorliegt.
Insgesamt ist das alles etwas viel, weshalb ich überlegen würde, den Satz irgendwie aufzuteilen. Eventuell könnte man vorab bereits die Fingerakrobatik einführen, um dann keinen längeren Einschub mehr zu haben. Damit würde auch das Verneinung nicht mehr so spät erfolgen, die man aber auch durch andere Verben umgehen könnte. Das Leider könnte man vielleicht auch durch ein alternatives Bild aufzeigen, etwa durch ein Seufzen. Also etwa: Wieder verfalle ich der Fingerakrobatik. Ich seufze. Es ist schlicht zu wohltuend, sich der Häkelnadel hinzugeben / der Häkelnadel nicht zu widerstehen.
Mäusen entbehren wir, so ist das ein Streitthema in unserem Haushalt, doch bei den Nagern wollen wir verbleiben und wählen schließlich einen braunen Hasen.
Bei diesem Satz habe ich inhaltlich ein wenig das Problem, dass der hervorgehobene Einschub für mich nicht zur restlichen Aussage des Satzes zu passen scheint. Wenn sich bereits zu Beginn gemeinsam entschieden wird, keine Maus umzusetzen, dann ist das doch auch gar kein Streitthema? Vor allem das einleitende so lässt es für mich aber so wirken, also wäre das Streitthema eine Folge des Entbehrens.
Insgesamt stand für mich beim Bewerten auch ein wenig die Frage im Raum, wie der überwiegend doch sehr gehobene Stil zum inhaltlichen Moment der innigen Freude passt. Speziell dann, wenn sich das Ich doch eigentlich von Erwartungen und Konventionen frei machen möchte. Beim Schreiben des Feedbacks kam mir jetzt noch der Gedanke, dass das Ich vielleicht eigentlich nicht die Zeit hat, um besonders ausschweifende Sätze zu schreiben, dass es sich diese aber dennoch nimmt, einfach weil es Spaß daran hat.
Das abschließende PS hatte ich ansonsten auch so interpretiert, dass es sich auf die Fragen auf Social Media beziehen würde; also dass offen bleiben sollte, ob es entweder ein "Ja, ich habe Zeit" oder ein "Ja, ich müsste lernen" ist.
Ich möchte außerdem abschließend noch festhalten, dass mir dein Text trotzdem gut gefallen hatte. Die Bewertung beim BSC ist immer enorm schwer und am Ende sind es dann meistens vor allem Kleinigkeiten, die da entscheiden können. Ich hoffe jedenfalls, dass du etwas mit dem Feedback anfangen kannst und wünsche dir noch einen schönen Abend. ^-^