Huhu Caroit! ♥
Ich hatte dir gestern ja schon geschrieben, dass ich dir ohnehin schon länger mal wieder einen Kommentar schreiben wollte. Dein neues Update nehme ich deshalb einfach mal zum Anlass, um dir jetzt ein paar Gedanken zu deiner BSC-Abgabe hierzulassen. :3
Selbstverwirklichung
Generell steht in dem Gedicht zunächst der Gesang im Vordergrund, welcher sich aus den Anfangsbuchstaben der einzelnen Verse ergibt und gesondert hervorgehoben wird. Im Kombination mit dem Titel wird Gesang dabei als Selbstverwirklichung verstanden, also als etwas enorm Großes! Das Ich nutzt Gesang offenbar nicht nur, um sich nach außen auszudrücken, sondern auch um sich die eigenen Wünsche und Ziele zu erfüllen. Das Ich kann gewissermaßen nur es selbst sein, wenn es singt oder zumindest singen kann.
Der erste Vers schließt an diese ersten Vorüberlegungen ohne zu zögern mit diversen weiteren großen Worten an. Es geht um Glück, Freude und Liebe, aber eben auch um Leid. Der Einstieg passt damit wunderbar zum Titel und unterstreicht, wie allumfassend der Gesang für die Selbstverwirklichung des Ichs ist. Interessanterweise überwiegen im ersten Vers letztlich aber doch die positiv besetzten Begriffe; klanglich sind dunklere Vokale zudem auf unbetonte Silben verteilt. Zusammen mit der symmetrischen Struktur vermittelt der erste Vers damit insgesamt doch sehr stark den Eindruck, dass Leid zwar dazu gehört, dass Leid mit Gesang aber auch bekämpft und vielleicht sogar überwunden werden kann. Dazu passt dann auch der zweite Vers, der genau diesen einigenden Aspekt des Gesangs anspricht und damit unterstreicht, dass der Gesang für das Ich einen gewissen Halt geben kann. Also vielleicht nicht nur Selbstverwirklichung, sondern auch Selbstabsicherung oder Selbstvergewisserung?
Im dritten Vers kommt ein gänzlich neuer Aspekt hinzu, nämlich der Aspekt der Selbstoffenbarung. Vieles bliebe unerzählt, würde es nicht gesungen werden. Gesang hat für das Ich insofern auch etwas sehr Intimes, da möglicherweise nicht jeder hören darf, was nur gesungen wird. Das mag inhaltlicher Natur sein, indem bestimmte Texte nur an eine bestimmte Person gerichtet sind; das mag aber auch kontextueller Natur sein, indem vielleicht nur in einer vertrauten Gruppe gemeinsam gesungen wird. Mit dem doch bliebe am Ende des Verses hadere ich inhaltlich gerade ein wenig, weil der Vers unbetont endet, während der neue Vers betont anfängt. Damit ist man in einem Lesefluss und will das Ende des dritten Verses automatisch auf den vierten Vers beziehen. Rein logisch scheint mir das aber gar nicht so sehr zu passen, weil der vierte Vers vermutlich auch eher einen weiteren Aspekt des Gesangs darstellen soll und nicht das, was bliebe, wenn viel unerzählt bleibt. So richtig weiß ich deshalb nicht, was ich mit dem doch bliebe überhaupt anfangen soll. ^^'
Die abschließenden beiden Verse stellen schließlich einen Ausruf des Ichs dar, dass es nicht aufhören wird zu singen, da es das Singen eben als Teil seiner Selbst begreift. Das rundet die allgemeine Aussage des Gedichts an sich wunderbar ab. Dennoch hast du in deiner Information zu dem Gedicht nun aber geschrieben, dass sich das Gedicht ein wenig unabgeschlossen anfühlt. Das Gefühl kann ich auf jeden Fall nachvollziehen, allerdings würde ich dazu nicht unbedingt das Reimschema ändern, denn ein Gedicht mit einem Paarreim abzuschließen, ist an sich durchaus erstmal ein probates Mittel und wie gesagt, inhaltlich passt das so ja auch sehr gut. Persönlich würde ich deshalb eher gucken, ob man in den letzten beiden Versen nicht eher etwas am Metrum ändern kann, damit die Verse irgendwie auf auffällige Weise vom Rest abweichen. Man könnte beispielsweise den Auftakt (also die unbetonte Silbe am Anfang) weglassen, um den Lesefluss im Übergang zum fünften Vers zu stören, oder man testet aus, wie die Verse wirken, wenn sie auf eine betonte Silbe enden. Da müsste man sicherlich einfach mal ein bisschen rumprobieren. Oder aber, und das finde ich gerade fast eleganter, man baut einfach eine Leerzeile vor dem Verspaar ein und verwendet dann Interpunktion, die das Gedicht wirklich abschließt. Hier einfach mal ein sehr spontanes Beispiel:
Glück und Freude, Leid und Liebe
Einigt und zusammen hält
Sonst viel unerzählt doch bliebe
Ausdruck meiner inn'ren Welt:
Niemals lasse ich's mir nehmen,
Gar zu groß wär sonst das Sehnen!
Der Doppelpunkt am Ende der ersten Strophe deutet nachdrücklich an, dass nun das Fazit kommt und das Ausrufezeichen stellt gewissermaßen den Schlusspunkt dar. Der große Nachteil wäre bei dieser Version natürlich, dass das Wort Gesang dann unschön getrennt wäre, aber im Sinne wollte ich auch nur kurz aufzeigen, dass man das grundsätzliche Reimschema nicht zwingend ändern muss. ^^'
Insgesamt hat mir dein Gedicht jedenfalls sehr gut gefallen. Das Metrum ist sehr konsequent und gut umgesetzt und die Aussage weiß absolut zu überzeugen. In meiner Bewertung ist das Gedicht damals vor allem wegen Kleinigkeiten durchgerutscht, die auf dem engen Raum dann ein wenig stärker ins Gewicht gefallen sind als bei anderen Abgaben. Das vielleicht kurz noch als Erklärung. Das ändert grundsätzlich aber auch gar nichts daran, dass ich das Gedicht an sich trotzdem wirklich gerne mag! :3
Au revoir! ^-^
(Ja, ich werde dich bis zum nächsten Update jetzt täglich pieksen.)