Vor einigen Tagen, als ich gerade eigentlich ein paar Episodendaten zu einigen YGO Folgen raussuchte, bin ich über etwas ganz interessantes gestolpert, bezüglich des Pokémon Anime. Etwas, dass ich gar nicht glauben konnte, da es so unüblich und - ja, ich vermisse ein besseres Wort - dumm ist... Deswegen hat es mich nicht losgelassen und ich habe dank Bulbapedia, dem japanischen Media Research Center, TV-Tokyo und den glücklicher Weise noch existierendem Weblog des kürzlich verstorbenen Takeshi Shudo nachgeforscht.
Daher ein kleiner Exkurs über die Geschichte und Produktion des Pokémon Anime.
Wie alle Werbeanime wurde auch Pokémon von der Firma des eigentlichen Produkts, also den Spielen, in Auftrag gegeben. Sprich: Nintendo hielt es für eine gute Idee, Pokémon, da sich die Spiele ohnehin bereits gut verkaufen, ein bisschen gegenwärtiger zu machen und daher als Anime umzusetzen. Genaue Daten habe ich nicht, doch da der Pokémon Anime im April 1997 in Japan anlief, kann man davon ausgehen, dass dies im Sommer 1996 geschah, als sich bereits der Erfolg der Spiele an den Verkaufszahlen ablesen ließ.
Aufgabe an das Studio: Macht einen Interessanten Anime aus den Spielen, mit einem eigenen Hauptcharakter, der für unbestimmte Zeit läuft.
Was man für einen Anime grundsätzlich braucht:
- Eine Grundidee
- Einen Hauptautor
- Jemanden fürs Charakterdesign
- Viele andere Autoren für Episoden
- Animationsteams
- Einen Hauptregisseur, so wie mehrere Hilfsregisseure
- Ein oder mehrere Hilfsstudios für Inbetweenanimation (usw)
- Auf lange Sicht einen Komponisten (OST), Synchronsprecher und Sänger für Openings/Endings
Die Grundidee war bereits gegeben. Ebenso wie die Grundlagen des Charakterdesigns, da die Pokémon selbst, wie auch andere wichtige Charaktere bereits von Ken Sugimori gezeichnet worden waren. Auch Satoshi, der auf der Basis von Rot designt wurde, bekam von ihm sein aussehen. Weitere Charaktere wurden jedoch von Sayuri Ishiishi (die allerdings ab DP von Toshiya Yamada abgelöst wurde) und teilweise ebenfalls von Toshiya Yamada übernommen (der sich bis DP in einzelnen Episoden vorrangig um das "Character of the week"-Design kümmerte).
Animationsteams sind ohnehin in jedem Studio vorhanden, da diese normalerweise festangestellt sind, Hilfsstudios und auch Regie sind schnell ausgehandelt.
Damit kommen wir allerdings zu der Sache, die ich nicht glauben konnte. Pokémon hatte niemanden, der für die Story zuständig war. Zwar kümmerte sich Takeshi Shudo um die anfängliche Konstruktion der Serie (also die logische Grundlage der Pokémon-Anime-Welt, da davon wenig in den Spielen vorgegeben wurde, aber eine Komposition, einen Writer in Chief, gab es nicht (dazu später mehr).
Nun, zumindest gab es Autorenteams und die ersten zwei Folgen wurden von Shudo geschrieben, ehe die nächsten Folgen im Rotationsverfahren von anderen Autoren der Serie verfasst wurden.
Während die Key Animation damals noch bei OLM blieb, waren In-Between und weitere Details ausgelagert.
Wie ein Aprilscherz startete der Anime dann am 1. April 1997 auf TV Tokyo.
Natürlich war der Anime erst einmal nicht darauf ausgelegt, mehr zu umfassen, als die Kantoregion (es sind nur sehr selten Serien auf mehr als eine Staffel ausgelegt), aber da die Quoten erstaunlich gut waren, wurde die Serie auf Wunsch von Nintendo (die letzten Endes der Hauptgeldgeber für die Produktion sind) fortgesetzt.
Leider verließ Shudo das Team als Konstruktör bereits nach Folge 156 und zog sich soweit zurück, dass er danach bis einschließlich Folge 244 noch einzelne Folgen schrieb (gesamt jedoch nur 19 Folgen und die "OVA" Mewto kehr zurück). Der Grund dafür ist mir nicht bekannt und auch seine Äußerungen im Weblog sind mehr als Schwammig. Persönlich vermute ich, dass es etwas mit den während der Johtostaffeln sinkenden Quoten zu tun hatte und damit, dass das Studio und vor allem auch Nintendo Druck machte, etwas zu ändern.
Laut Shudo musste damals eine Entscheidung getroffen werden. Durch die weiter guten Verkaufszahlen der Spiele konnte sich Nintendo eine neue Staffel erlauben, zumal die Quoten noch nicht komplett im Keller waren. Die Entscheidung hieß: Wer muss gehen? Team Rocket oder Kasumi. Und da Team Rocket laut Umfragen in Japan beliebter war, als Kasumi, war es das Mädchen, dass die Gruppe verlassen musste.
Also lief Pokémon AG am selben Tag an, an dem auch die neuen Spiele in Japan erschienen.
Vorerst einmal mit gutem Erfolg, der sich sogar für die ersten eineinhalb Staffeln relativ gut hielt.
Jedoch war die Serie erneut ohne Series Composition oder Writer in Chief, was beim Publikum auf dauer für ein sehr unregelmäßiges Schauverhalten sorgte. Sprich: Wichtige Episoden wie Arenakämpfe, so wie Specials, hatten gute Quoten, die Folgen dazwischen eher nicht. Der Anime sank in den Top 100 Serien in Japan relativ weit runter und erneut wuchs der Druck, dass etwas geändert werden müsse, denn selbst das bei uns so genannte "Battle Frontier" erzielte zwar gute DVD Verkäufe, aber weniger gute Quoten bei der TV Ausstrahlung.
Zwar waren die Quoten nie "grottig" (das waren sie in Japan nie) und der Anime schrieb dauerhaft schwarze Zahlen, jedoch war es bei weitem nicht das, was OLM und Nintendo sich vorgestellt hatten.
Letzten Endes brachte Nintendo die vierte Generation raus und brauchte daher also erneut eine neue Serie.
Und OLM traf endlich die Entscheidung, jemanden für die Series Composition einzusetzen. Atsuhiro Tomioka, der bereits bei einigen großen Projekten wie Hikari no Go, Trinity Blood und Prince of Tennis migearbeitet hatte und bereits von Staffel 1 an mit dem Pokémon Projekt vertraut war, kümmerte sich um die Zusammenstellung der Serie, die Charakterhintergründe und den Ablauf des Projekts für die Autoren.
Während DP schlechter anlief als AG, da die Quoten schon nach etwa 10 Folgen wieder sanken, schaffte es die Serie ab Staffel 2 (Staffel 11 gesamt) nahezu dauerhaft den den wöchentlichen TV Charts in Japan zu sein (und hat nebenbei mit den Filmen immer mal wieder neue Rekorde im japanischen Kino aufgestellt - sie haben sogar Ghibli geschlagen).
Daher blieb Tomioka auch nach dem Ende von DP und übernahm dieselbe Aufgabe bei BW.
Letzten Endes finde ich es persönlich sehr interessant, dass sich trotz langer Laufzeit verhältnismäßig sehr wenig im Hauptteam der Serie geändert hat. Der größte Teamwechsel fand offenbar zu DP hin statt, da sich hier auch bei Design und Regie einiges tat. Trotzdem schreiben noch mehr als genug Leute die Episoden und sitzen in der Animation, die dies bereits während der Indigo Liga taten. Das schaffen tatsächlich nicht viele Serien. Wobei es auch nur wenige Serien mit voller Folgenlänge schaffen, so viele Episoden zusammen zu bekommen (die meisten, mit ähnlich viel oder mehr Episoden, haben eine Episodenlänge von 3 bis 10 Minuten) und dabei immer noch pasable Quoten zu haben. Und immerhin, seit DP hat sich Pokémon in den Japanischen Anime Top 10 wieder festgesaugt und ist mittlerweile sogar wieder unter den Top 30 Anime bei einem Publikum 19 aufwärts.
Jedenfalls eine sehr stabile Serie für über 600 Episoden, das muss man ihnen lassen.
Zumal noch einmal gesagt werden muss, dass es in Japan jeder einzelne Kinofilm von Pokémon in die Top 10 des japanischen Box Office geschafft hat. Ein nicht unerheblicher Teil hat sogar zumindest für eine Woche Platz 1 halten können :)
Nun noch zuletzt zu der Frage, warum es mich genau verwundert hat, dass es keine Series Composition bis DP gab.
Letzten Endes ist das zwar nicht selten der Fall bei Serien, die dazu gedacht sind in jeder Folge erneut abgeschlossen zu sein, jedoch ist es nun einmal so, dass Pokémon zumindest einen groben Verlauf hat. Sprich wir haben den Ausgangspunkt A und den Endpunkt B, wie kommen wir da hin.
Ohne Compisition gibt es niemanden der die Ideen der einzelnen Autoren ordnet. Es wird ein grobes Schema vorgegeben und danach schreibt man einfach mal los. Zwar wird es Regie und Produzent geben, die sachen "Ne, das geht mal gar nicht", aber im allgemeinen versucht einfach jeder seine Idee irgendwie reinzubringen, was letzten Endes schnell im totalen Chaos endet.
Das es dieses Chaos bei Pokémon für lange Zeit gab war klar (wobei ich sagen muss, dass sich AG zumindest bei Battle Frontier gut geschlagen hat ohne "Führung"), weniger klar war jedoch die Tatsache, dass es so einfach hätte vermieden werden können, indem man einem Autor mehr zahlt.
Letzten Endes ist die Position nämlich nicht unangesehen und gerade, wenn man bei einer berühmten Serie Hauptautor war, schreibt man es sich gerne auf seine HP. Davon hat TOEI zum Beispiel schon immer gelebt und teilweise auch geworben. "Der tolle Typ, der die Serie XY geschrieben hat, schreibt jetzt auch unseren Werbeanime (natürlich sagen sie es nicht so) XX! Müsst ihr euch anschauen, wenn ihr seine Stories mögt!"
Daher hat es mich persönlich sehr gewundert, dass OLM ausgerechnet für eine nicht schlecht finanzierte Serie niemanden eingesetzt hat. Gut, als das Pokémon Projekt startete, war die Firma noch furchtbar jung, aber erstaunlich ist es trotzdem.
Nun, das jetzt mal an meinen 2ct zum Thema des unnützen Pokémon Hintergrundwissens.
Sollte sich tatsächlich noch jemand dafür interessieren, wer da so beteiligt war, so empfehle ich Bulbapedia gleich doppelt. Zum einen mit seiner Gesamtauflistung des wichtigsten Staffs, zum anderen mit den Aufführungen des Staffs nach Episoden.
Und damit der Thread noch ein Diskussionsthema hat:
Lässt sich bei euch feststellen, dass ihr einen Autor besonders bevorzugt bei den Folgen? (Sprich: Sind eure Lieblingsfolgen öfter vom selben Autor?)
Wie hättet ihr es gefunden, hätten die damals zu AG hin Team Rocket statt Kasumi rausgeworfen?
Was meint ihr, hätte man damals ansonsten noch ändern können? (Und bitte komm mir keiner mit: "Die Serie ganz absetzen")
Findet ihr, dass bei uns das Anime-Staff zu wenig Anerkennung bekommt?