The Reaper's Game

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  • The Reaper's Game



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    ©Boro0707 on Deviantart

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    Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.
    Mahatma Gandhi



    "Von einen Tag auf den andere...

    ... seid ihr einfach tot. Gestorben in viel zu jungen Jahren. Das Leben hat euch verlassen. Und mit dem Leben auch der Grund für eure Existenz. Doch wir machen euch ein Angebot. Kämpft. Kämpft sieben Tage lang, eine Woche nur. Ein Wettlauf mit der Zeit. Der Preis? Euer Leben.

    Ihr könnt wieder leben. Ihr müsst nur gewinnen.

    Wenn ihr es allerdings nicht schafft... Nun, dann seid ihr unser nächstes Festmahl. Doch was habt ihr schon zu verlieren? Ein kleiner Einsatz nur, recht unbedeutend. Gebt uns das, was ihr am liebsten habt. Schon seid ihr im Spiel. Welches Spiel? Unbedeutend, ein Kinderspiel, wirklich. Nur sieben Tage lang kämpfen. Gewinnt das "Reaper's Game" und ihr seid frei."


    [Blockierte Grafik: http://static3.wikia.nocookie.…/images/a/a9/Pin_292c.pngDie Idee & das Vorwort...

    ... stammt, wie einige von euch vielleicht vermuten könnten, aus dem Spiel "The World ends with you"/"Subarashiki Kono Sekai", welches leider nie in deutscher Version bei uns erschienen ist und daher eher weniger Aufmerksamkeit erhalten hat.
    In diesem kleinen Projekt werde ich das System hinter den Spielen, das so genannte "Reaper's Game", aufgreifen. Allerdings handelt es sich um gänzlich andere Charaktere und die Story findet nicht in Shibuya statt, sondern in New York. Das "Reaper's Game" wird während der Geschichte erklärt, daher werde ich nur einige Standartbegriffe im Startpost erklären.
    Innerhalb der Story werden gewisse Änderungen auftreten, welche auch das Spielprinzip der Reaper’s Game etwas ändert.


    Disclaimer: "The World ends with you" wurde entwickelt von Square Enix, dementsprechend liegt das Recht an den Grundprinzipien des Reaper's Game auch bei ihnen. Die Handlung und die Charaktere sind allerdings von mir erfunden. Diese Story darf nicht ohne mein Einverständnis weiter verbreitet werden.

    [Blockierte Grafik: http://s7.directupload.net/images/131225/uzhdsadu.png]Die Warnungen...


    Wie bereits erwähnt sind die Charaktere tot und ich werde wohl auch erklären, wie genau sie gestorben sind. Explizite Beschreibungen wird es nicht geben, aber es wird definitiv zu Kämpfen kommen und diese werden auch nicht unbedingt gut für die Player ausgehen.



    Fantasy I Reallife I Drama


    [Blockierte Grafik: http://static3.wikia.nocookie.…/images/7/7e/Pin_302c.pngDie Grundbegriffe...


    The Reaper's Game- Ein Spiel, mit welchem man sein Leben zurückgewinnen kann. Es hat eine Spieldauer von 7 Tagen. Jeden Tag wird den Playern eine Aufgabe gestellt, die sie innerhalb eines Zeitlimits bestehen müssen. Schaffen sie das nicht, werden sie ausgelöscht.
    Player- Die Spieler des Reaper's Game. Sie sind tot und kämpfen um eine zweite Chance im Leben. Sie sind in Pärchen eingeteilt und können sich nur so gegen ihre Gegner, die Noise, zur Wehr setzen. Lebende können sie nicht sehen und hören, es sei denn, sie befinden sich in einem Shop.
    Noise- Personifizierte, schlechte Gedanken und Emotionen. Sie greifen die Player an und können nur von ihnen ausgelöscht werden. Auf lebende Menschen haben sie nur einen geringen Einfluss.
    Reaper- Die Wächter des Reaper's Game. Sie kontrollieren die Player und stellen eventuell zusätzliche Aufgaben.
    The Underground- Eine Art Paralleluniversum, in dem das Reaper's Game stattfindet. Von dort aus kann man auch die normale Welt sehen, doch Player können sie nicht beeinflussen. Reaper dagegen sind in beiden Universen existent und können beide beeinflussen.



    Es wird sieben Kapitel geben, für jeden Tag eines. Ich werde die Kapitel nicht benennen, um die Spannung beizubehalten. Wenn sie hochgeladen sind, werden die Kapitel hierher verlinkt werden.


    Day 1____ Day 2____ Day 3____ Day 4____ Day 5____ Day 6____ Day 7


    [Blockierte Grafik: http://s7.directupload.net/images/131225/uzhdsadu.png]Die Benachrichtigungen...


    Tyleon
    Dunames

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  • Manchmal möchte man die Zeit zurück drehen, nur um zu sehen, was hätte sein können, wenn man einen anderen Weg gegangen wär.



    Die Welt vibrierte. Leben pulsierte durch den toten Asphalt, ein endloser, taktloser Bass. Sie lag am Boden, Arme und Beine von sich gestreckt. Ihr Körper war reglos und steif, eine kühle Statuette in einem Meer aus Rauschen und Lärm.
    Das Mädchen wagte nicht, sich zu bewegen. Menschen stiegen über sie, einen Schritt vor den anderen. Ihre Füße suchten sich einen Zwischenraum, doch niemand beachtete sie. Niemand blickte auf den Boden, hinunter auf ihre Gestalt, die in den Himmel sah. Ein grauer, wolkenbehangener Himmel, gesäumt von den obersten Stockwerken des Times Squares.


    All ihre Gedanken wurden vom Sturm des Lärms erfasst und davon getrieben. Sie hörte Wortfetzen, doch weigerte sich, ihre Bedeutung zu verstehen. Es war zu laut, zu voll. Zu viele Menschen, zu viele Reize, die verarbeitet werden mussten. Ihr war schwindelig und schlecht, die Luft stach in ihrer Nase, eine Mischung aus Benzin, Parfüm und Dreck. Sie hielt von alleine die Luft an, unwissentlich schloss sie den Mund, presste die blassen Lippen aufeinander, bis ihr Körper nach Atem schrie. Ihre Lungen schmerzten und der Schmerz war es, der sie zurück ins Bewusstsein rief.


    Mit einem Ruck setzte sie sich gerade auf. Ihr Körper zitterte, ihre Sicht war ein blasses Abbild von Farben, verschwommen und abstrakt. Menschen liefen an ihr vorbei, Beine und Füße, doch alles wirkte wie in einem alten Film. Die Bilder waren abgehackt, wie eine Momentaufnahme, eine Foto, das man ihr zeigte und dann gegen das nächste austauschte, so schnell, das sie nie alles betrachten konnte. Es machte sie schwindelig. Die Geräusche waren gedämpft, wie ein fernes Summen von Bienen, doch penetrant und aggressiv, als würde sich alles gegen sie richten.
    Bebend vor Angst und Panik saß sie am Boden, ihr Atem ging schnell und hektisch, der Schmerz pulsierte durch ihre Glieder. Verzweifelt schrie die Stimme in ihrem Kopf, mal vor Furcht, mal drängte sie zur Ruhe, ein kreischendes Kind, das sich nicht entscheiden konnte. Sie zog ihre Beine an, presste die Arme um die Brust, versteckte sich unter einem Vorhang von rotbraunem Haar und bedeckte mit den Händen ihre Ohren, doch das Summen hörte nicht auf. Sie verharrte reglos. Ihre Schreie blieben unerhört, denn nichts drang aus ihrem geöffneten Mund.


    Sie gewöhnte sich an den Lärm, die Luft, das Leben um sie herum. Blieb sitzen und ertrug es schweigend, zu ängstlich um sich zu bewegen.
    Erst als dort ein Geräusch war, ein kleiner Laut, eine Melodie, zu gleichmäßig für diese chaotische Welt, da erwachte sie aus ihrer Trance. Sie hob den Kopf, die Augen auf die Massen gerichtet, doch sah sie die Menge nicht an. Sie konzentrierte sich ganz auf das Lied, das in ihren Ohren klang und den Lärm verdrängte, bis er letztlich ganz verschwunden war. Das Mädchen versuchte den Ursprung der Melodie zu finden. Ihre Finger glitten über ihre Hosentasche, noch bevor sie wirklich wahrnahm, dass sich darin etwas bewegte. Als sie das kalte Objekt herauszog, vibrierte es in ihrer Hand, zitternd hielt sie es sich vor das Gesicht. Es war ein Smartphone, auf schwarzen Rahmen, der das erleuchtete Display umgab, sah sie ein Zeichen, doch sie kannte es nicht, dieses merkwürdige Tribal.
    Das Display leuchtete und blinkte als wolle es nach ihrer Aufmerksamkeit schreien. Erst als sie mit dem Finger darüber strich hörte der Alarm auf. Es dauerte etwas, bis sie es schaffte, die Buchstaben endlich zu entziffern. Jeder von ihnen verschwamm vor ihr, erschien fremd und eigenartig, die Worte waren in ihrem Kopf unvollständig und durcheinander.
    Doch als die Bedeutung der Worte sich langsam klärte, da erwachte sie vollkommen.


    „Willkommen im Reaper’s Game. Du bist Player 01. Deine erste Aufgabe: Finde einen Partner. Dein Zeitlimit beträgt zehn Minuten.“


    Sie dachte, es wäre alles, doch als ihre Augen noch einmal das Display streifte, entdeckte sie die kleinen Buchstaben am unteren Rand des Bildschirms.


    „Das ist dein letzter Versuch, Rebecca.“


    Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals, den sie verzweifelt zu schlucken versuchte. Ihr letzter Versuch? Sie hatte das Gefühl, dass sie wissen musste, was das bedeutet. Aber je mehr sie nachdachte, desto mehr entfernte sie sich von der Wahrheit. Wie ein Ertrinkender, der weiter auf Meer heraus schwamm. Es war verrückt. Wenn Rebecca die Augen schloss, dann sah sie keine Dunkelheit. Bilder tauchten vor ihr auf, viel zu kurz, aber bei jedem stach ihr Herz. Manchmal sah sie Gesichter und musste lächeln. Aber als sie versuchte, sich an diese Gesichter zu erinnern, da sah sie nur ein weißes Bild und schwarze Silhouetten.


    Ihre Finger zuckten, als sie über das Display strichen und die SMS schlossen. Als die Buchstaben verschwanden verkrampfte sich ihr ganzer Körper. Rebecca versucht erst geschockt gegen die Starre anzukämpfen, doch je länger sie es versuchte, desto mehr wurde ihr klar, dass sie es nicht konnte. Es war eine Erkenntnis, ein stummer Befehl in ihrem Kopf, dem sie sich nicht zu widersetzen wagte.
    Plötzlich brannte ihr Handrücken wie Feuer. Die Sehnen traten heraus, schmerzende Steildrähte in ihren Händen, als aus der Haut vier Ziffern hervortraten, eckig und von einem Doppelpunkt in der Mitte getrennt. Sie leuchteten auf wie auf einer digitalen Uhr, Zehn Doppelpunkt Null Null. Rebecca atmete gepresst, denn der Schmerz ließ nur langsam nach. Ein Atemzug. Zwei Atemzüge.
    Die Anzeige blinkte erneut.
    09:59. 09:58. 09:57.
    Es war ein Countdown, ein Limit. Die Zeit, die sie für die Aufgabe hatte. Sie dachte, sie würde in Panik verfallen, zehn Minuten waren keine lange Zeit. Doch sie blieb ruhig. Und das nicht, weil sie es für einen Scherz hielt. Nein, es war kein Scherz. Es wirkte wie einer, doch sie wusste es besser.
    Rebecca stand auf, das Smartphone noch in der Hand. Sie bedachte es für einen Moment, sah, wie das Display erlosch und die graue Oberfläche die Lichter der Kreuzung auffingen.
    Es war kein Scherz. Wenn sie nicht vor Ablauf der Zeit einen Partner finden würde, dann würde sie ausgelöscht werden. Wenn sie überhaupt so lange lebte.
    Das Mädchen wusste nicht, woher diese Erkenntnis kam und sie wusste nicht, warum ihr diese Tatsache keine Angst einflößte. Es verwirrte sie, doch in ihrem Inneren drängt etwas darauf, das Spiel zu spielen. Das Reaper’s Game. Als sie die Worte mit ihren Lippen formte, hatten sie etwas Vertrautes. Und doch schienen sie bedrohlich. Ein Schauer lief über ihren Rücken.
    Wie automatisch griff sie in ihre Jackentasche. Ihre Finger fanden etwas kleines Rundes, kalt und glatt. Als sie es mit ihrer Hand umschloss, holte sie tief Luft. Rebecca hielt ihre Faust vor ihr Gesicht, spürte die Kälte, die von dem kleinen Objekt ausging. Sie zählte bis drei. Zeit, die sie nicht hatte. Aber sie musste sie sich nehmen. Bei drei öffnete sie die Faust.
    In ihr lag ein Pin. Eine kleine, runde Plakette mit einer Stecknadel daran, schwarz bis auf das Tribal in der Mitte. Die weißen Linien kamen ihr bekannt vor. Es waren die gleichen wie auf ihrem Smartphone.
    „Mein Player Pin“, murmelte sie, an niemanden gerichtet. Die Worte schossen ihr den Kopf, als sie das kleine Objekt betrachtete. Es wurde schwerer in ihrer Hand, je länger es dort lag.
    Sie musste gehen. Sie spürte diesen Drang in ihr, der loslaufen wollte, durch die Menschenmengen hindurch, in Richtung Broadway. Sie wusste, dort würde sie fündig werden. Dort würde ihr Partner auf sie warten.
    Woher weißt du das denn?, fragte sie sich. Es ist egal. Es ist nicht wichtig. Die Zeit läuft ab.
    Rebecca legte ihren Pin zurück in ihre Jackentasche und lief los.


    Sie ging aufrecht und mit schnellen, großen Schritten, drängte sich vorbei an Anzugträgern, die in ihre Handys brüllten und Menschen mit großen Einkaufstüten, die unter deren Gewicht schwankten. Niemand beachtete sie, keiner sah sie an, all die Blicke glitten über sie hinweg, als würde sie nicht existieren. Als wäre dort nur Luft.
    Rebecca kümmerte sich nicht darum. Sie eilte weiter, vorbei an der großen Anzeigetafel, die das Wetter für morgen verkündete.
    Beeilung, mahnte sie sich selbst. Beeilung, sonst siehst du die Sonne nicht mehr.
    Sie nahm sich keine Zeit dafür, auf ihre Umgebung zu achten. Alles raste an ihr vorbei, Leuchtreklamen, Anzeigen, Poster. Die hohen Gebäude, die die Straße des Broadway säumten, schossen in die Luft wie gigantische Säulen, bogen sich ihr entgegen, doch es erschien ihr unwichtig.
    Ihre Blicke hafteten auf dem Horizont gleich über der Kuppe des Broadway. Sie sah auf ihren Handrücken, die Ziffern brannten noch immer, doch der Schmerz verebbte langsam.
    07:23.
    Zweiundzwanzig. Einundzwanzig. Zwanzig.
    Weiter. Die Zeit läuft. Je schneller sie dort war, an diesem Geschäft… Sie sah es genau vor sich, ein riesiges Panoramafenster, dekoriert mit großen Geschenkkartons, in denen lauter buntes Konfetti lag. Gigantische Tüten voll mit Süßigkeiten, gestreift, gepunktet, die wildesten Muster, Watte in rosa und blau, ein Wunderland aus Pastell. Dort musste sie hin. Es lag auf der rechten Seite.
    Sie drängte sich durch die Menschenmenge zum Straßenrand. Der Asphalt bebte von den Fahrzeugen, die darauf fuhren und aus deren Auspuffen dunkler, stickiger Rauch quoll, der in den Himmel aufstieg und die Luft seltsam dunstig werden ließ. Ein Taxi rauschte direkt an ihr vorbei, durch eine Pfütze am Straßenrand.
    Rebecca zuckte davor zurück, doch sie war zu langsam. Das Abwasser spritzte in die Höhe.
    Doch es glitt durch sie hindurch.
    Das Mädchen verkrampfte, griff in ihre rotbraunen Haare, aber alles war trocken. Sie hörte einen Schrei hinter sich und fuhr herum. Eine junge Frau, vielleicht Mitte zwanzig, mit einem großen, bräunlich wirkenden Fleck auf dem Rücken hatte die Schultern angezogen und keifte ihren Begleiter an, der mit panischem Gesichtsausdruck zurückwich. Die Frau drehte sich zur Straße um und ging direkt auf Rebecca zu. Sie hätten gegeneinander prallen müssen. Aber auch die Aufgebrachte glitt einfach durch sie hindurch. Sie sah noch, wie das lange, blondgefärbte Haar hinter der jungen Frau her schwang, genau durch ihren Brustkorb. Die spürte nichts davon. Beide spürten nichts davon.
    Ich bin tot.
    Es ergab plötzlich Sinn. Dass keiner sie beachtete, dass diese Leute einfach durch sie hindurch glitten. Es war schon vorher passiert, aber bisher hatte sie dem einfach keine Beachtung geschenkt, denn es gab Wichtigeres zu tun.
    Das gibt es auch jetzt noch, mahnte sie sich. Ich muss zum Süßigkeitenladen.
    Rebecca fühlte sich wie in zwei Teile gespalten. Der eine wollte schreien, sich am Boden zusammenrollen und weinen. Tot? Mit siebzehn schon tot? Ein Geist? Sie wollte beten, dass sie aufwachte.
    Aber der zweite Teil lachte nur. Nicht hämisch, eher… Mitleidig. Das hier war kein Traum. Sie war tot. Und sie war Player 01. Das war es, was gerade zählte. Rebecca durfte es nicht zulassen, dass sie mehr Zeit damit verschwendete, Tatsachen abzustreiten von denen ihr Innerstes doch ganz genau wusste, dass sie wahr waren.
    Meine letzte Chance. Meine allerletzte Chance. Ich muss es einfach schaffen. Dieses Mal werde ich nicht versagen.


    Sie lief über die Straße ohne auf die Autos zu achten. Schließlich war sie tot. Dieser Gedanke ließ ihr die Tränen in den Augen stehen während sie weiterlief, aber gleichzeitig war sie seltsam glücklich. Ihr Herz vibrierte und ihr Körper drängte sie dazu noch sehr viel schneller zu laufen. Aber Rebecca wehrte sich. Weil sie nicht glücklich sein wollte, darüber, dass sie tot war. Über so etwas ist man einfach nicht glücklich. Und trotzdem ertappte sie sich dabei, wie ein leichtes Lächeln sich auf ihre Wangen schlich.
    Beinahe wäre sie vorbei gerannt. Sie hatte die Augen geschlossen und ihrem Körper die Führung überlassen, der sie zielsicher durch die Menschenmassen schlängelte. Es war nicht notwendig auszuweichen. Aber gewisse Gewohnheiten legt man wohl auch im Tod nicht ab. Im letzten Moment, bevor er, genauso wie alle anderen Menschen, einfach an ihr vorbeigerauscht wäre, ein undeutlicher Schemen, da erhaschte sie einen kurzen Blick, der unendlich lang wurde.
    Rebeccas graue Augen weiteten sich. Da stand er. Vor dem Schaufenster, die Hände an der Glas gelegt.
    Er war ein kleiner Junge, elf Jahre alt. Kurzes, blondes Haar hing ihm in krausen Locken im Gesicht, das er gegen die kalte Oberfläche drückte, als hoffte er, er könne hineingreifen.
    Rebecca stemmte ihre Füße in den Boden, als ihr Körper danach schrie. Sie blieb inmitten der Menschen stehen, die durch sie hindurch gingen und beobachtete den Jungen in seiner zu großen Sweatjacke, deren Ärmel er notdürftig hochgekrempelt hatte. Er regte sich nicht, hätte eine Statue sein können.
    Rebecca blinzelte und in dem kurzen Moment der Schwärze sah sie, wie er sich zu ihr umdrehte, den Mund verblüfft geöffnet. Doch als ihre Lider wieder aufschlugen, stand er noch immer dort.
    Aus einem Impuls heraus holte sie Luft.
    „Hey!“
    Es geschah nichts. Er stand weiter dort wie versteinert. Die Umgebung war zu laut und unruhig.
    Rebecca ballte die Hände zu Fäusten. Sie ging auf die Glasfront zu, in der Konfetti von einem konstanten Luftstrom durch den kleinen Vorbau gewirbelt wurde. Ihr Herz begann zu hämmern, je näher sie dem Jungen kam desto mehr zitterten ihre Finger. Vorfreude. Sie würde ihn wiedersehen. Er war wieder da. Diesmal würde sie es richtig machen.
    Es waren wirre Gedanken, die sie nicht verstand, also verdrängte sie den Strom.
    Ihre Finger griffen wie automatisch nach seiner Schulter. Zehn Zentimeter noch. Fünf.
    Endlich. Noah.
    Ein Kreischen ließ sie beide zusammenzucken. Noah fuhr herum und prallte gegen Rebecca, doch beide hielten Ausschau nach diesem unmenschlichen Geräusch.
    Doch alles was sie sahen waren Menschen.
    Rebeccas ganzer Körper krampfte sie zusammen. Panik stieg in ihr hoch. Er musste irgendwo hier sein. Das war er immer! Hektisch blickte sie sich um.
    Menschen, Menschen, überall nur Menschen.
    Dann ein Knurren. Ein tiefes, kehliges Knurren. Noah neben ihr zuckte zusammen. Seine Augen weiteten sich. Rebecca folgte seinem Blick. Und dort war er.
    Ein Wolf in dreckigem gelb, der in gekauerter Haltung immer näher kam. Seine Hinterläufe waren normal, muskulös und sehnig, doch dort, wo seine Vorderläufe sein sollten, ragten violette Stränge aus seinem Körper. Tribals, die Ähnlichkeit mit Läufen hatten und in silbern glänzenden Krallen endeten. Er presste sich so dicht wie möglich auf den Asphalt, schlich sich an seine Opfer an, doch sein Schwanz wirbelte durch die Menschen hindurch, eine Rute aus violetten Strängen. Der Wolf glaubte wohl, bisher noch nicht entdeckt worden zu sein. Doch als Rebecca ihm in die schwarzen Perlaugen sah, fletschte er die Zähne, lange, scharfe Dolche die unnatürlich glänzten, als hätte man sie poliert.
    Für einen Moment blieb alles ruhig. Der Lärm war vergessen, die Menge um sie herum verschwand aus ihren Gedanken. Dann brach die Hölle los.
    „Lauf!“, schrie das Mädchen und griff sich Noahs Arm, der zu überrumpelt war. Sein Blick blieb auf dem Wolf haften und er stolperte hinterher, gezogen von Rebecca.
    „Schau nicht hin!“, rief sie. Ihr Herz pochte so laut wie nie zuvor, doch der Schmerz hielt sie nicht auf. Sie schlug Haken, immer mit festem Griff um Noahs Unterarm, der Mühe hatte, mit ihr mitzuhalten. Er keuchte und wimmerte, kam ungeschickt auf und stürzte fast, doch der konstante Zug schleifte ihn vorwärts, bis seine Füße wieder einen ordentlichen Halt fanden stolperte er einfach weiter.
    Rebecca riss und zerrte, das Blut rauschte in ihren Ohren und machte sie fast taub. Aber sie hörte das Knurren des Wolfes laut und deutlich, als liefe er direkt neben ihr her, aber er war noch entfernt. War er doch? Sie liefen so schnell, er musste weit weg sein! Doch sie traute sich nicht, hinzusehen. Wenn sie sich jetzt umdrehen würde, dann wäre es vorbei. Das wusste sie ganz genau.
    Also ließ sie zu, dass ihr Körper für sie übernahm. Einfach weiter laufen, nicht an das denken, was sie erwartete, wenn sie jetzt stolperte. Weiter. Immer weiter!
    Adrenalin pumpte durch ihre Adern, ließ ihr Sichtfeld verschwimmen. Rebeccas Blick haftete auf den Gebäuden. Irgendwo musste sie sich doch verstecken können. Eine Seitenstraße. Als sie die Augen schloss tauchte dieses Bild vor ihr auf. Sie sah Noah neben sich hocken, Schatten fielen auf sein verängstigtes Gesicht. Dort musste sie hin. Die Seitengasse.
    „Nur noch ein wenig weiter!“, stieß Rebecca gepresst aus. Es war nicht mehr weit. Als sie die Hochhäuser sah, die sich in den Himmel bohrten, Säulen aus Beton und Glas, bedeckt mit bunten Reklamen, da erinnerte sie sich. Nicht mehr weit. Zehn Meter noch, neun.
    „Hier!“
    Sie zerrte Noah hinter sich in die Seitengasse, die sich ganz unvermittelt aufgetan hatte. Nur ein schmaler Streifen Asphalt, eingequetscht zwischen zwei Gebäuden, getaucht in tiefsten Schatten. Rebecca steuerte auf einen großen Container zu. Sie drückte den wimmernden Jungen gegen die Wand und sank neben ihn, presste sich gegen den kalten Beton. Noah zitterte, sein Atem ging rasselnd. Zu laut, zu schnell.
    Rebecca schlang ihren Arm um seine Schultern als sie das Kratzen von etwas scharfem auf dem asphaltierten Grund hörte. Ein Heulen, das dem Jungen einen kleinen Schrei entlockte, doch sie erstickte ihn mit ihrer Hand und presste ihm mit der anderen die Ohren zu. Das Mädchen rutschte näher an den Container heran. Das Hecheln klang, als wäre es direkt neben ihr, doch eigentlich war es nur das Echo, das zu ihr geworfen wurde. Eine bösartige Verheißung, eine Drohung, die ihr einen fürchterlichen Schauer durch den Körper streifen ließ.
    Ihr Herz drohte zu explodieren. Es hämmerte in ihrer Brust, doch sie hielt den Atem an, eisern, als wäre sie unter Wasser. Blut rauschte in ihren Ohren, Adrenalin in ihrem Blut. Weiter könnten sie nicht laufen. Wenn der Wolf sie entdeckte, dann waren sie tot.
    Die Ziffern auf ihrer Hand leuchteten bedrohlich.
    00:45.
    Vierundvierzig.
    Ihnen lief die Zeit davon.
    Rebecca stieß in Gedanken wilde Flüche aus. Das Hecheln kam näher. Der Klang von Krallen auf dem harten Untergrund schmerzte in ihren Ohren. Noah zitterte in ihren Armen.
    Vorbei. Alles vorbei.
    Entweder der Wolf erwischte sie oder die Zeit lief ab. Nur noch dreißig Sekunden.
    Zu kurz!, schrie ihr Innerstes. Mach ihn zu deinem Partner!
    Der Schatten der Bestie tanzte auf der Wand. Er reckte die Schnauze in die Höhe und verharrte.
    Er würde sie finden!
    „Noah“, hauchte Rebecca. Ihre krächzende Stimme war nur ein Flüstern, aber die Schattenohren des Wesens bewegten sich. „Willst du mein Partner sein?“
    Er starrte sie nur verständnislos an, die Augen geweitet. Doch als der Wolf zu knurren anfing zuckte er zusammen und presste die Lider aufeinander.
    „Noah!“, sprach das Mädchen jetzt eindringlicher. Sie schüttelte ihn leicht an den Schultern, doch je näher der Schatten kam, desto heftiger bewegte sie ihn. Panik ergriff Besitz von ihren Gedanken.
    Schneller! Schneller!
    „Sag einfach ja!“, flehte sie. „Sonst werden wir beide ausgelöscht!“
    Die Ziffern auf seiner Hand schienen zu pulsieren. Das schwache Leuchten stach in Rebeccas Augen. Zehn. Neun. Acht.
    Der Container explodierte. Müll flog durch die Luft, der Behälter zerbarst, Metall schlug gegen ihre Körper. Das Mädchen schrie und packte Noah am Arm, zog ihn fort von dem Wolf.
    „Sein mein Partner!“, rief sie mit der letzten Kraft, die sie aufbringen konnte.
    „Ja!“, schrie der Junge.
    Ihre Handrücken leuchteten hell auf, blendeten sie für einen Moment. Rebecca hörte das Kreischen des Monsters, aber sie sah nichts. Sie spürte nur den Arm, den sie fest umklammert hielt, und den Schmerz, den das Licht hervorrief. Es brannte in ihren Augen, ließ bunte Sterne vor ihr tanzen, schwarze Punkte, die ihr die Sicht nahmen. Rebecca glaubte, dass sie blind geworden war, denn das Licht schien nicht nachzulassen. Der Schmerz pochte in ihrem ganzen Körper, sie taumelte zurück bis sie an etwas hartes Kaltes stieß. Sie drückte mit ihrem Rücken dagegen, aber es gab nicht nach. Noah zitterte und hielt ihren Arm fest umschlungen.
    Da erlosch das Licht. So schnell wie es gekommen war, verschwand es auch wieder. Zurück blieben nur blaue Schemen, die in der Gasse zu tanzen schienen, gleich neben dem Wolf, der heftig schwankte und nur noch unterdrückte Knurrgeräusche von sich gab.
    Das war die Chance zur Flucht. Rebecca drehte sich um, wollte Noah mit sich ziehen, weg von dem Ungetüm, das sie gejagt hatte… Aber es gab kein ‚weiter‘. Vor ihr erhob sich eine graue, dreckige Wand in den Himmel. Fünf Meter, vielleicht sechs, beschmiert mit Graffiti.
    No Escape stand dort. Es war ein schlechter Witz.
    Der einzige Ausweg lag direkt vor ihnen. Genauso wie der Wolf. Er war benommen, doch Rebecca zweifelte daran, dass sie sich einfach vorbeischleichen könnten. Noah hielt die Augen fest zusammengepresst und drückte das Gesicht in ihre Jacke. Sie konnte ihn nicht an diesem Monster vorbeiziehen. Er hatte zu viel Angst.
    Dann kämpfe!
    Kämpfe? Gegen dieses Wesen? Womit denn? Wie? Rebecca schüttelte den Kopf als wollte sie die kleine Stimme darin zum Schweigen bringen. Doch sie blieb hartnäckig, forderte sie weiter heraus.
    Sei kein Feigling! Beim letzten Mal hast du es doch auch geschafft!
    Bilder raubten ihr die Sicht. Momentaufnahmen, die ihr bekannt vorkamen. Sie sah eine Metallstange in ihrer Hand, spürte die Kälte der Waffe. Hörte ein Krachen, als der Stahl auf der Schädeldecke des Wesens auftraf, merkte das Adrenalin, das in ihren Adern pumpte, die Panik und das schiere Glück, als…
    Die Bilder verschwanden. Die Geräusche verhallten in ihrem Kopf, ein leises Echo.
    Du kannst es.
    Rebeccas Blick fiel auf ein Eisenrohr, keine zwei Meter von ihr entfernt. Es lag am Boden, fahles Licht reflektierte die rostige Oberfläche.
    Tu es.
    Noah wimmerte, als Rebecca ein paar Schritte vorging und sich hinhockte. Mit ihrer freien Hand umfasste sie den Stahl. Die raue Oberfläche fühlte sich merkwürdig in ihrer Hand an, wie Schmiergelpapier. Der Rost färbte ihre Finger dreckig rot.
    „Bleib hier“, wies sie Noah an. Sie schenkte ihm ein kleines Lächeln, doch er krallte sich weiter fest. „Ich bin gleich wieder da. Keine Angst, der Wolf wird dir nichts tun.“ Der kleine Junge schüttelte heftig den Kopf, doch er konnte nicht vermeiden, dass Rebecca sich losriss. Leise wimmernd drückte er sich gegen die Wand und drückte das Gesicht in seine Hände.
    Sie wandte sich dem Wolf zu. Er torkelte immer noch, aber die schwarzen Augen waren fest auf sie gerichtet, als wolle er versuchen, zu erkennen, was passierte. Er hechelte wie ein verletztes Tier.
    Je näher Rebecca ihm kam, desto mehr rauschte das Blut in ihren Ohren. Ihr Herz schlug laut und stark, sie hörte nichts anderes mehr als das Hecheln des Wolfes, das leise Knurren, das sie zurücktreiben wollte. Das Mädchen starrte dem Monster in die Augen, tiefenschwarz, aber das starke Licht hatte ihm einen blauen Schatten auf die Netzhaut gebrannt. Vielleicht war er blind. Seine Ohren zuckten und er hob die Schnauze in die Höhe, überprüfte die Luft.
    Jetzt musste sie zuschlagen. Noch etwas länger und der Wolf hätte sie geortet. Ihre Hände zitterten, doch sie schloss die Finger enger um die rostige Stahlstange.
    Einen Schritt weiter vor. Die dreckig gelben Ohren zuckten. Noch einen. Sie hörte Noah wimmern. Der Wolf wandte den Kopf, Rebecca schlich von der Seite an. Vorsichtig setzte sie ihre Füße auf, ganz langsam, ließ den Blick niemals von ihrem Ziel. Sie würde es tun. Sie würde zuschlagen.
    Ihr Herz machte einen Satz, als der Wolf zuckte. Wie angewurzelt blieb das Mädchen stehen, mitten in der Bewegung. Adrenalin wurde durch ihr Blut gepumpt, kleine Mengen Energie, die ihren Körper zum Beben brachten. Nicht mehr weit. Nur noch ausholen und zuschlagen.
    Wie beim letzten Mal.
    Das Monster rührte sich. Es sah sich um, seine Tatzen trugen das Wesen schleppend vorwärts. Genau auf Rebecca zu. Sie verharrte still, flehte den Himmel, die Hölle, Gott und alles, was ihr heilig war, an, dass er sie nicht gehört hatte. Aber da kam er. Wenn sie jetzt losrannte, wie groß waren ihre Chancen zu entkommen? Nicht groß. Der Platz zwischen Wolf und Wand war viel zu knapp, nicht einmal einen Meter. Er würde zuschnappen, sie einfach gefangen nehmen. Seine Zähne würden sie in der Luft zerreißen.
    Und Noah? Dann wäre er Freiwild. Wenn der Wolf ihn nicht fing, dann die… Reaper.
    Der Wolf begann zu knurren. Hatte er sie gewittert? Ja. Ja, das hatte er. Seine Schnauze war auf sie gerichtet. Vorsichtig wich Rebecca einen Schritt zurück, doch er folgte einfach, schien sie in die Ecke zu drängen. Bis ihre Schultern die Wand berührten.
    Das wars.
    Die letzte Chance. Vorbei. Sie hatte es nicht geschafft. Die erste Aufgabe bestanden, doch danach versagt. An einem kläglichen…
    Noise. Ja, Noise. Der Name kam ihr bekannt vor. Ein schwacher Trost, dass sie sich an den Namen des Wesens erinnerte, das sie in der Luft zerfetzen würde.
    Rebecca spürte den feuchten Atem, die grässliche Wärme in ihrem Gesicht. Fleckige, gelbe Zähne näherten sich ihrer Kehle.


    Ein Klappern ließ die Ohren des Wolfes zusammenzucken. Es kam vom Eingang der Gasse, ein metallisches Klimpern. Aus dem Augenwinkel sah Rebecca, dass Noahs Arm hoch erhoben war. Er presste die Lippen aufeinander, beugte sich herunter zu dem Haufen an Müll, der aus dem Container durch die ganze Gasse verteilt worden war, griff sich eine Büchse und warf sie in hohem Bogen weg. Wieder klapperte es, das Echo trug das metallische Kratzen durch die ganze Gasse.
    Der Wolf wandte sich um, lauschte kurz… Und preschte los. Rebecca presste sich noch für einen Moment gegen die Wand, ihr Körper zitterte vor lauter Anspannung.
    Sie fühlte die Kälte des Rohres in ihrer Hand.
    Jetzt!, schrie die Stimme in ihrem Kopf.
    Sie holte tief Luft. Und dann rannte das Mädchen.


    Der Wolf war noch zu beschäftigt mit dem Klappern der Büchsen. Noah warf sie in unregelmäßigen Abständen, immer an eine andere Stelle, zu der der Wolf hechtete. Doch alles was er fand war Leere. Frustriert heulte er auf und merkte gar nicht, wie Rebecca näher kam. Sie wich den Müllhaufen aus, näherte sich von der Seite.
    Ihre Arme hoben das Stahlrohr in die Höhe, bereit dazu ihm den Schädel zu zertrümmern.
    Die gelblichen Ohren zuckten noch einmal. Der Wolf fuhr herum, doch es war zu spät.
    Rebecca schrie all ihre Angst heraus und schlug zu. Die Luft zischte um das Rohr, begleitet von ihrem fast unmenschlichen Kreischen.
    Als der Stahl den Kopf des Wesens traf, hörte sie ein Knirschen. Sie schlug noch einmal zu. Der Wolf heulte auf vor Schmerzen. Noch einmal. Er sank zusammen, schwarze Flüssigkeit rann aus einer großen Wunde, färbte das dreckige Fell in die Farbe von glänzendem Öl. Noch einmal. Das Heulen verklang zu einem fernen Jaulen. Das Geräusch von Stahl, der auf Knochen einschlug, klang in Rebeccas Kopf nach. Ein merkwürdiges Knacken und Krachen.
    Noch einmal! Noch einmal!
    Noch einmal!


    Der Wolf lag längst bewegungslos am Boden, der Kopf der Bestie mit unzähligen Dellen versehen. Pechschwarzes, dickflüssiges Blut sickerte auf die Straße, hinein in Pfützen, die sich sofort dunkel verfärbten.
    Rebecca stand über dem Wesen. Sie atmete heftig, ihr ganzer Körper bebte und zitterte vor Adrenalin und Panik. Es war vorbei. Vorbei. Vorbei!
    Ein abgehacktes Lachen entwich dem Mädchen. Sie ließ das Stahlrohr fallen, das klappernd auf dem Asphalt aufschlug, und wischte sich durch das Gesicht. Der Geruch von bitterem Rost stieg ihr in die Nase, aber das war ihr egal. Sie sank ungeschickt zu Boden, schniefend und bebend.
    Vor ihren Augen zerfloss der Rest des Biestes in schwarze Tribalmuster. Sie glitten durch die Luft wie in einem Cartoon, ein kleiner Tanz im falschen Takt, hoch hinauf in den Himmel, wo die grauen Wolken sie verschluckten.
    Alles was zurück blieb war eine Pfütze aus schmierigem, glänzenden Öl, das langsam versickerte. Sie wusste nicht, wie. Der Asphalt hätte das schwarze Blut zurückhalten müssen, doch es verschwand. Direkt vor ihren Augen löste sich die Flüssigkeit auf.
    Rebecca starrte auf die Stelle, wo nur noch eine kleine Pfütze von der Existenz des Wesens zeugte. Der Rest war einfach verschwunden. Wäre das schwarze Blut auf ihrer Hose nicht, hätte sie beinahe glauben wollen, dass das alles niemals passiert war.
    Noah fiel neben ihr auf die Knie. Seine Augen waren rot und geschwollen, wässrig vor Tränen, die er sich aus dem Gesicht wischte. Er schaute Rebecca für eine Weile mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Angst an.
    Das Mädchen breitet die Arme aus. Noah stürzte sich in die Umarmung.
    Er hustete und bebte, presste sich gegen sie. Rebecca strich ihm vorsichtig über die blonden, unordentlichen Locken.
    „Ist okay“, murmelte sie, doch das Zittern in ihrer Stimme war deutlich hörbar. „Er ist weg.“
    Sie spürte, dass er nickte, und zog ihn noch enger an sich. Es tat weh, ihn zu verängstigt zu sehen. Aber er war am Leben. Das war alles, was zählte.


    Das Zittern verschwand langsam aus beiden Körpern. Gemurmel drang von der Straße zu ihnen.
    „Wir müssen weiter, Noah“, hauchte Rebecca ihm ins Ohr. Er nickte langsam und löste sich von ihr. Sein blasses Gesicht war immer noch etwas gerötet und sein Atem ging stoßweise. Aber er stand auf.
    Das Mädchen tat es ihm gleich. Sie lächelte ihm zu und hielt dem kleinen Jungen die Hand hin. Als er sie ergriff traten die beiden aus der Gasse heraus.


    „Du warst sehr tapfer.“
    Noah wandte den Blick von ihr ab. Sie liefen nebeneinander durch die Straßen von New York, zurück zum Times Square. Rebecca ließ sich einfach treiben. Ihr Körper gab die Richtung vor und bisher hatte er immer recht gehabt. Es war ein merkwürdiges Gefühl, die Kontrolle abzugeben, aber auch ihr Kopf sagte, dass es richtig so sei.
    Diese kleine Stimme in ihrem Kopf… Woher wusste sie, was zu tun war? Warum sprach sie immer vom „letzten Mal“? Tausend Fragen schwirrten durch den Teil von ihr, der die Antworten nicht kannte. Doch die Stimme blieb stumm. Diesmal antwortete sie nicht. Diesmal gab es keine Bilder, die ihr die Antwort zeigten. Nur die Sicht auf die Menschen blieb ihr, die Menschen, die noch lebten.
    Sie war tot. Gestorben mit siebzehn Jahren. Bei einem Autounfall.
    Ja, sie erinnerte sich daran.


    Rebecca war gerade auf dem Weg zur Schule gewesen. Sie nahm den Bus am frühen Morgen. Wie immer war das Mädchen alleine. Sie erinnerte sich daran, dass sie die gleiche Kleidung getragen hatte wie auch jetzt.
    Es war alles ganz normal gewesen. Normal, so wie ihr ganzes Leben. Niemals war etwas Spannendes passiert.
    Sie hatte ein durchschnittliches Leben gelebt. Ein durchschnittliches Mädchen, niemals aufgefallen, niemals besonders. Sie hatte für die Zukunft gelebt. Doch keine Zukunft mit großen Träumen, nein. Aufs College wäre sie gegangen. Dann ein Bürojob. Heiraten, ein Kind bekommen, vielleicht zwei. Arbeiten, Geld verdienen, Kinder versorgen.
    Ein durchschnittliches Leben. Ein glückliches Leben. Der American Dream war sowieso Geschichte.
    Doch dieser Tag hatte es versaut. Vielleicht war der Busfahrer schuld gewesen, vielleicht der Van. Rebecca erinnerte sich noch daran, dass es einen frontalen Crash gegeben hatte. Sie erinnerte sich an die Wucht des Aufpralls, wie sie durch das Fenster geschleudert wurde. Glas zerschnitt ihre Haut, Stahl bohrte sich in ihre Schulter. Sie spürte den Schmerz nicht.
    Doch der Boden war es, der ihren Tod bedeutete. Als sie aufkam brach ihr der Asphalt das Genick.
    Es waren nur noch wenige Sekunden, die sie gelebt hatte. Das Knirschen in ihrem Nacken, die Taubheit ihres Körpers.
    Helles Licht, das sie umschloss. Schreie und Rufe, Krachen von Glas und Metall.
    Dann Stille und Dunkelheit.
    Der Gedanke daran rief einen Kloß in ihrem Hals hervor. Ihr wurde schlecht.
    Wie ihre Leiche wohl aussah?
    Wie ging es ihren Eltern? Ihrem Bruder? Trauerten sie? Ja, sicherlich. Sicherlich trauerten sie. Während sie in New York herumirrte, als Player in diesem kranken Spiel-
    „Wo gehen wir hin?“
    Es waren die ersten Worte von Noah, die sie hörte, und trotzdem war seine Stimme ihr vertraut. Rebecca blieb stehen und schaute verwirrt auf ihn herunter. Seine Augen weiteten sich etwas und er brach den Blickkontakt schnell ab.
    „Zum Times Square“, antwortete sie mit seltsam kratziger Stimme. Sie hörte noch immer die Schreie und ihr eigenes, gepresstes Atmen. Heftig schüttelte das Mädchen ihren Kopf. Dafür war jetzt keine Zeit. Dafür war niemals Zeit. Sie hatte eine Aufgabe zu erledigen. Und sie würde es schaffen.


    Zum Times Square waren es nur ein paar Minuten, aber Rebecca kam es so vor, als würden sie sich keinen Zentimeter fortbewegen. Sie kämpften sich durch die Menschenmenge, manchmal glitten die Leute komplett durch sie hindurch, manchmal waren es nur ihre Arme oder die Einkaufstaschen. Sie spürten es nicht, aber das Mädchen zuckte jedes Mal unwillkürlich zusammen, wenn sie es bemerkte. Noah drängte sich enger an sie, seine Nervosität schien langsam zu verschwinden. Er schaute sich zwar noch etwas angespannt um, aber das Zittern war aus seinem Körper verschwunden. Rebeccas Arm wurde langsam taub, aber es störte sie nicht. Die Wärme, die von Noah ausging, griff etwas auf sie über. Ein schönes Gefühl nach so viel Kälte.


    Als der Broadway endlich in den Times Square überging, blieb sie stehen. Ihr Körper hielt von ganz alleine an, als hätte jemand einen Hebel umgelegt. Sie schaute sich um, doch konnte das Mädchen nichts erkennen. Mit einem kurzen Blick auf ihr Handy stellte sie fest, dass es keinen neuen Auftrag gab. Auch ihre Handrücken waren leer. Aber diese kleine Stimme in ihrem Kopf riet ihr, zu warten.
    Sie sind gleich da, sprach sie. Such dir eine Waffe.
    Rebecca verkrampfte sich. Eine Waffe? Schon wieder Noise? Sie holte tief Luft, hielt den Atem an bis ihre Brust schmerzte.
    Ja, Noise. Aber sie sind auch da.
    Sie schüttelte den Kopf um den Gedanken zu vertreiben. Nein, nicht schon wieder! Sie wollte nicht mehr! Sie wollte dieses blöde Spiel einfach irgendwie überstehen! Noch mehr Noise würde sie unmöglich-
    „Becca?“
    Das Mädchen zuckte zusammen. Noah zog an ihrem Arm und schaute ihr ängstlich ins Gesicht.
    Sie hatte ihm nie ihren Namen gesagt. Offenbar wurde ihm das gerade auch klar. Er runzelte die Stirn und blinzelte.
    „Woher weißt du, wie ich heiße?“, fragte sie verwirrt. Aber nicht nur das. Becca hatten sie nur ihre Eltern genannt. Er konnte unmöglich wissen…
    „Ich weiß es nicht“, murmelte Noah und schüttelte langsam den Kopf. Sie blickten einander in die Augen, ein wortloser Austausch von Gedanken. Sie kannten sich. Nicht aus ihrem Leben, nicht aus der Zeit vor ihrem Tod, das wussten sie beide. Aber etwas sagte ihnen beiden, dass sie sich schon einmal begegnet waren.
    Beim letzten Mal war er auch schon dein Partner, schlich sich durch ihren Kopf.Er war immer dein Partner. Und sie waren immer deine Freunde. Also greif dir eine Waffe und hilf ihnen!
    Ihr Körper bewegte sich schon wieder von alleine, denn ihr Widerstand war längst gebrochen. Freunde.
    Ihre Freunde.
    Ein Schrei ließ sie zusammenzucken. Rebecca sah auf, schaute durch die Menge. Die Menschen gingen vollkommen unbekümmert weiter. Sie hatten den Schrei nicht gehört. Aber er war da gewesen. Und das bedeutete…
    Sie sah gerade noch so, wie ein schwarzes Auto durch die Luft segelte, ein paar Meter über dem Boden. Menschen schauten auf. Die Ersten bekamen Panik. Rufe und Schreie schallten durch die Luft, alarmierten die anderen, die auf dem Times Square standen. Leute glitten durch die und Noah hindurch, die Gesicht verzogen vor lauter Angst verzogen. Sie hörte einen Knall, dann spritzte Wasser meterhoch in die Luft.
    Rebecca lief genau darauf zu. Sie kannte dieses Szenario. Sie wusste, was sie erwartete. Bilder schossen durch ihren Kopf aber sie schüttelte sie ab. Dafür war jetzt keine Zeit!
    Noah verlor den Halt an ihrem Arm, griff aber nach ihrer Hand und hielt sie eisern fest. Die Massen strömten ihnen entgegen, noch ein Knall, dann eine Krachen, sie liefen weiter, tiefer in das Krisengebiet.
    Bis Rebecca das Ungeheuer sah.
    Ein Bär mit grauem Fell, er stand auf gewaltigen Pranken, die besetzt waren mit scharfen, glänzenden Krallen. Seine schwarzen Augen glänzten vor lauter Blutgier. Und seine Arme… Genau wie die Vorderläufe des Wolfes waren es Stränge aus Tribals, die scheinbar keine Verbindung miteinander hatten. Aber sie bewegten sich wie ein und dasselbe Glied. Die orangenen Krallen an ihren Enden rissen gerade das Dach eines Autos auf. Sie verhedderten sich in dem Metall, laut knurrend warf der Grizzly es einfach durch die Luft, als wäre es ein kleines Spielzeugauto. Er hob den Kopf und riss das Maul auf, lange, scharfe Zähne spiegelten das Licht der Leuchtreklamen. Sein Brüllen ging ihr durch Mark und Bein.
    Sie hörte einen Schrei, als der Bär einen Stand mit Zeitungen mit seinen Tribalpranken aus dem Weg schleuderte. Papiere und Zeitschriften flogen durch die Luft. Rebecca versuchte, diejenigen auszumachen, die sie suchte, aber die Zeitungen nahmen ihr die Sicht. Noah zog an ihrem Arm und wollte sie davon abhalten, näher heranzugehen. Aber sie hörte eine Stimme, die ihr bekannt vorkam. Und sie wusste, dass sie helfen musste! Sonst würden-
    Durch eine kleine Lücke konnte sie sie sehen.
    Das Mädchen kauerte hinter einer demolierten Mülltonne, presste ihren Körper zusammen. Sie blickte sich hektisch nach links und rechts um, als würde sie etwas suchen. Ihre weißblonden Haare mit den schwarzen Strähnen flogen wie wild durch die Luft und in ihren leuchtend blauen Augen glänzte pure Panik.
    Avary!
    Rebecca wollte sie rufen, doch etwas hielt sie zurück. Wenn sie jetzt den Grizzly ablenken würde, dann hätte das Mädchen Chancen, lebendig davon zu kommen. Aber etwas sagte ihr, dass das nicht funktionieren würde. Sie musste einen anderen Weg finden!
    Hilf ihr!, brüllte die Stimme in ihrem Kopf.Sie braucht deine Hilfe!
    Rebecca zerrte Noah weiter. Hinter einem Auto drückte sie ihn auf den Boden.
    „Bleib hier!“, wies sie den Jungen an. Noah wollte protestieren, aber Rebecca schüttelte den Kopf. Sie lächelte noch einmal.
    Dann lief sie los.


    Rebecca hastete von Deckung zu Deckung. Sie hielt den Noise im Auge, der brüllend durch die Gegend schwankte und wahllos Gegenstände durch die Luft warf. Er war so rasend, dass er blind für seine Umgebung war. Alles, was den Grizzly interessierte, war die blanke Zerstörung.
    Als das Mädchen hinter dem umgeworfenen Zeitungsstand in die Hocke ging, konnte sie Avary sehen. Sie kauerte noch immer an der gleichen Stelle. Angst zeichnete sich in ihren Augen ab und noch immer durchforstete sie die Umgebung. Irgendwann trafen sich ihre Blicke.
    Avarys Augen weiteten sich, als Rebecca ihr mit ein paar Gesten sagte, sie solle zu ihr herüber kommen. Wild schüttelte das andere Mädchen den Kopf. Sie deutete auf den Grizzly, der gerade eine Mülltonne auseinander nahm.
    Er wird bald bei ihr sein!, rief die Stimme in ihrem Kopf.
    Ihr blieb nichts anderes übrig. Sie würde Avary holen müssen.
    Rebecca schluckte die Angst herunter. Dieser Noise war nicht so intelligent wir der Wolf. Sie würde es schaffen.
    Aber erst brauchte sie eine Waffe.
    Ihre rotbraunen Haare fielen ihr vor das Gesicht, als sie sich vorbeugte und mit bloßen Händen durch den Schutt wühlte.
    Irgendetwas musste sie doch finden können! Und wenn es nur ein Holzbalken war oder eine…
    Rebecca lächelte schwach, als sich ihre Hand um die ideale Waffe schlossen.
    Sie zog das Stahlrohr hervor, es war etwas dicker und weniger rostig.
    Für diesen Noise würde es reichen müssen. Bisher hatten Metallstangen ihr gute Dienste erwiesen.


    Rebecca lief geduckt von einer Deckung zur nächsten. Sie beobachtete den Grizzly und wartete darauf, dass er abgelenkt war. Sobald er sich umdrehte oder eine Mülltonne zerlegte, huschte sie weiter, immer näher zu Avary.
    Es waren nur noch zehn Meter, zwei Berge aus Schutt, die sie hinter sich bringen musste…
    Da hörte sie einen Schrei.
    Rebecca zuckte zusammen. Sie streckte den Kopf hinter der Deckung hervor und schaute sich um. Es dauerte eine Weile bis sie den Ursprung ausmachte.
    Und da stand er. Ein junger Mann mit dichtem, schwarzem Haar. Er hielt die Hände vor den Mund und rief dem Noise irgendetwas zu, bis dieser sich umdrehte und langsam auf ihn zu stampfte. Mit einem Brüllen hob er die Pranke, doch der Junge war schneller. Er sprang zur Seite und rief noch einmal.
    Er lockte den Noise von Avary weg.
    Das darf er nicht!
    Nein, das durfte er nicht! Ohne es zu merken kam er der Wand immer näher. Wenn er weiter zurücktrat würde er keinen Fluchtweg mehr haben. Aber sein Blick war ganz fest auf das Mädchen gerichtet, das langsam davon krabbelte, während er den Bären ablenkte.
    Es waren nur noch wenige Meter!
    Rebeccas Ohren rauschten. Sie versuchte panisch einen Ausweg zu finden, irgendwie musste sie ihm doch klarmachen, dass er fliehen musste!
    So wenig es ihr auch gefiel… Es gab nur eine Möglichkeit.


    Rebecca sprang auf und lief auf den Bären zu. Sie umklammerte das Rohr mit ihren Fingern und holte aus, sobald sie in Reichweite war.
    Doch dieses Mal geschah nichts. Sie hatte es hier nicht mit einem Wolf zu tun, dem sie den Schädel einschlagen konnte. Diese Erkenntnis kam zu spät. Mit einem wütenden Brüllen wandte sich der Bär um. Seine kleinen, schwarzen Augen musterten sie und als er das Maul öffnete, tropfte schwarzer Speichel auf sie herunter. Rebecca wich langsam zurück, Schritt für Schritt. Als sie drei Meter Distanz zwischen sich gebracht hatte, begann auch der Bär sich wieder zu bewegen. Er streckte die Pranke nach ihr aus, die Tribals glitten durch die Luft.
    „Barrett!“, schrie Rebecca so laut sie konnte. „Lauf!“
    Ohne darauf zu warten, was der Junge machte, drehte sie sich um und rannte. Sie ließ das Rohr fallen und schlug Haken zwischen den Schutthaufen, die der Bär hinterlassen hatte. Seine massige Gestalt erzeugte bei jedem Schritt ein Beben, sie spürte das Brüllen im ganzen Körper, es klang belustigt, als ob der Noise Spaß daran hätte, sein neues Opfer zu jagen.
    Heftig atmend versuchte sie, mehr Distanz zwischen ihnen zu schaffen. Aber ihr Körper protestierte. Ihr tat alles weh, ihre Beine wurden lahm. Sie war schon viel zu viel gelaufen! Sie konnte einfach nicht mehr.
    Ein Stich in ihrer Magengegend raubte ihr den Atem. Sie verlor das Gleichgewicht, kam mit dem Fuß falsch auf.
    Als ihr Kopf gegen den Asphalt schlug pochte Schmerz durch ihren Körper. Ihre Hände waren aufgekratzt und brannten, als hätte man sie mit Säure eingerieben. Ihre Sicht verschwamm zu undeutlichen Schemen, schwarze Schatten tanzten an den Rändern. Sie spürte etwas Warmes auf ihrer Stirn, es tropfte langsam die Wange herunter. Als sie sich mit dem Handrücken über das Gesicht wischte, war er rot gefärbt.
    Sie blutete.
    Der metallene Geschmack in ihrem Mund, die Schmerzen in ihren Händen, Knien, Kopf und Fuß trieben sie an den Rand des Bewusstseins. Sie atmete hektisch, viel zu schnell. Der Bär schien es zu merken. Er öffnete das Maul und brüllte.
    Das Geräusch ließ ihr übel werden. Sie spürte, wie etwas ihren Hals hochkroch, aber sie schluckte es herunter. Dafür war jetzt keine Zeit!
    Sie musste aufstehen!
    Rebecca versuchte verzweifelt wieder auf die Beine zu kommen, aber egal was sie tat, sie schaffte es nicht. Ihr ganzer Körper verkrampfte vor Schmerz, sie zitterte und ihr war schwindelig. Das Mädchen biss die Zähne zusammen.
    Mit einem schmerzerfüllten Schrei verlagerte sie das Gewicht auf ein Knie. Der Schmerz raubte ihr den Atem, aber sie hielt durch. Sie durfte nicht aufgeben! Mühsam stellte sie einen Fuß auf den Boden und belastete ihn, dann den anderen. Die Welt drehte sich vor ihren Augen. Sie ging einen Schritt. Dann noch einen.
    Weiße Lichtblitze tauchten vor ihren Augen auf. Die Sicht wurde schwarz, sie hörte nichts mehr, nur ein dumpfes Pfeifen. Das Beben der Schritte kam immer näher. Dunkle Flecken tanzten in der Gasse.


    Sie sah nur noch einzelne Bilder.
    Der Bär, wie er über ihr beugte, die Zähne fletschte, die orangenen Krallen nach ihr ausstreckte.
    Noch einmal der Noise, doch diesmal drehte er sich um. Sie sah, wie etwas nach ihm geworfen wurde. Steine, groß und klein. Er wandte sich von ihr ab, trottete davon.
    Schon wieder der Bär, diesmal zusammengekrümmt. Barrett stand vor ihm, schwer atmend. Aus dem Fell des Wesens ragte eine lange Stange, die am Rücken wieder heraustrat. Öliges Blut haftete an dem spitzen Ende. Es tropfte herunter.


    „Becca!“
    Noah hockte über ihr. Das Mädchen starrte in den Himmel, die grauen Wolken zogen weiter. Der kleine Junge hatte Tränen in den Augen und rüttelte an ihrer Schulter. Er wurde weggezogen.
    „Hör auf“, hörte Rebecca jemanden sagen. Zwei weitere Gesichter tauchten über ihr auf. Avary und Barrett knieten neben ihr. Sie sahen Rebecca an, doch sie konnte ihre Gesichter nicht genau erkennen.
    „Ist er.. weg?“
    Ihre Stimme klang fürchterlich fremd. Sie hörte sich an, als würde ein anderer sprechen.
    Barrett nickte. Er öffnete den Mund um etwas zu sagen, aber alles was sie noch hörte war ein schrilles Rauschen. Sie blinzelte verzweifelt, als das Licht immer heller wurde.
    „Becca?“ Es war ein weit entfernter Ruf. Wie eine blasse Erinnerung. „Becca!“
    Dann wurde alles schwarz.

  • Da habe ich mich grade Fragile Dreams gearbeitet, schaue mal auf deinem Profil vorbei & entdecke dass da ja noch eine andere Fanfiction darauf wartet gelesen zu werden. In den letzten Stunden durfte ich ja schon Fan deines Schreibstils werden, deswegen wollte ich mir den Text auch unbedingt noch vorm Schlafen reinzwängen. Zu aller erst spricht mich die Handlung sehr stark an, ich habe The World ends with you leider nie gespielt, aber zumindest mal von gehört. Dementsprechend sind mir die Aspekte des Reaper's Game gänzlich unbekannt was natürlich für eine gewisse Spannung sorgt.
    Im ersten Teil, bzw. dem ersten Tag wurde jetzt ja Rebecca dem Leser vorgestellt, wenn man das so sagen kann. Meine persönliche Vermutung liegt ja da, dass die Player beim Reaper's Game mehrere Leben zur Verfügung haben & sie ihr vorrausgegangenes Leben beim Kampf gegen den Bären verloren hat. Diese Erfahrung, die Stimme in ihrem Kopf, versucht natürlich ihr Unterbewusstsein irgendwie zu steuern um ein erneutes Scheitern zu verhindern.
    Gespannt bin ich auf Noah, ob er als kleiner Junge in Kämpfen gegen Noise und allgemein bei den Aufgaben nicht eher eine Last als eine Hilfe sein wird. Auch wie er gestorben ist würde ich gerne erfahren & vielleicht kriegt man ja auch noch mit wie man Rebecca & er im vorherigen Versuch zusammengefunden haben.
    Besonders gefallen hat mir der Kampf gegen den Bären, der Wolf war zwar auch nett, doch diese "mit-dem-Rücken-zur-Wand"-Situation die Rebecca ja in beiden Kämpfen hatte gefiel mir beim Bären einfach besser. Mag an der Wortwahl liegen oder einfach nur daran dass einer wilder Bär irgendwie bedrohlicher und tötlicher wirkt als ein erblindeter Wolf der dich nur wittern kann, aber die Beschreibung des Momentes hatte was.
    Mit Avary & Barrett hat man dann ja zwei weitere Charaktere vorgeworfen gekriegt, die zwar beide etwas kurz kamen aber ich finde es wurde schon irgendwie deutlich dass dieses Kämpfer & Angsthase-Verhältnis ähnlich wie bei Rebecca & Noah auch auf Berrett & Avary zutrifft. Zumindest wirkte es so durch die Darstellung des Mädchens & Barrett, der immerhin derjenige der es geschafft hat den Bären zu töten.
    Zum Startpost bin ich nicht der Mensch der da viel zu sagen kann, außer dass er mit der Farbwahl natürlich sehr zur düsteren Atmosphäre der Handlung passt & auch darstellungstechnisch nichts zu wünschen übrig lässt, zumindest für einen Laien für mich, da brauch ich keinem Profi Tipps zu geben.
    Wo ich dann grade die düstere Atmosphäre erwähnte, das erdrückende kam in den ersten Zeilen, bzw. im ersten Abschnitt, bis Rebecca dann die SMS erhält, sehr gut zum Ausdruck. Du hast das drauf den Leser wirklich mit Emotionen zu füttern, aber das wird nichts neues für dich sein, man kann sich sehr gut die Umgebung vorstellen, alles wirkt irgendwie noch so viel trister, grauer und unfreundlicher durch diese düstere Wolke der Bedrückung die über Rebecca schwebte wo sie da so am Boden lag. Sie lag doch am Boden? Ich bin jetzt zu faul nochmal nachzulesen. :D
    Viel mehr fällt mir jetzt auch nicht ein, ich freue mich natürlich über eine Benachrichtigung per GB wenn der Text zum zweiten Tag online kommt.
    Was die Korrektur angeht gabs nur Flüchtigkeitsfehler & einmal eine Wortwiederholung die vermutlich auch nur aus Flüchtigkeit heraus entstand, um ehrlich zu sein finde ich die jetzt aber grade nicht wieder im Text & Word streichts auch nicht an, von daher mache ich das vielleicht noch wenn ich wacher bin.
    Nicht die Benachrichtigung vergessen, dankeschön. :)
    Tyleon

  • Hey Dandelion. (:
    Da dein Titel mir sofort ins Auge gestochen ist und ich von deinem Topic im Einzelwerk-Bereich, eine kleine Kostprobe deines angenehmen Schreibstils hatte, dachte ich mir bei deiner neuen FF (rechtzeitig) einzusteigen. Außerdem sagt mir die Thematik selber zu. Zwar habe ich das Spiel nie gespielt (mir lediglich einige Let's Plays dazu angeschaut), aber dennoch habe ich mich letzten Sommer intensiv damit befasst, besonders da in Kingdom Hearts Dream Drop Distance, dieses Spiel auch dort aufgegriffen worden ist und mein Interesse geweckt hat.


    Startpost
    Der Startpost an sich beinhaltet jede nötige Information, auch selber hast du das Spiel auf dem diese Fanfiction basiert, erwähnt und die einzelnen Begriffe, die für den Leser relevant sein könnten, aufgelistet und kurz erläutert. Ebenso fand ich das du hierbei durch deine dunkle und düstere Gestaltung, sehr diese Stimmung von diesem Tod bzw. diesem Spiel allgemein, sehr gut zur Geltung gebracht hast. Es hat – wie erwähnt – etwas düsteres an sich, wiederum das Bild hebt sich von all diesem ab und hat etwas leicht hoffnungsvolles an sich, wie der Sonnenaufgang nach einer langen Dunkelheit.


    Day 1
    Zu Beginn beschriebst du ausführlich und detailreich die Empfindungen des Mädchens, sowohl ihrer, als auch ihr äußerliches Erscheinen und selbst wenn man das Spiel nicht gespielt hat – oder überhaupt von jenem gehört hat – kann man sich, finde ich, gut in diese Lage hineinversetzten. Auch eben das du somit einen kleinen Einstieg in diese Thematik gewährleistest, finde ich gut, man kann sich zunächst gut in dieser Geschichte „orientieren“. Auffällig ist ebenfalls, dass Rebecca diese Spiel anscheinend kennt – oder zumindest aufgrund dessen, dass sie ihre „Mitspieler“ identifizieren kann, in irgend einer Weise damit eine Erfahrung gemacht hat. Was aber auch nicht zuletzt an dem liegt, dass sie vieles richtig interpretiert, ebenfalls diese Noise auch als Feinde wahrnimmt (wobei sie dies auch wahrscheinlich getan hätte, auch wenn sie nicht konkret sagen könnte, um welche „Spezies“ es sich handelt). Ich selber hätte eher damit gerechnet, dass sie sich an alles gewöhnen muss und dieses ihr näher erläuterst werden müsste, damit sie sich zunächst in dieser „Welt“ zurecht findet. Das sie bereits darüber Kenntnisse besitzt, fand ich anfangs etwas schleierhaft, baut aber auch viel Spannung mit ein, da hier einiges noch unklar ist und der Leser sich selbst Fragen stellt, die zum weiterlesen animieren. Auch hätte ich mehr damit gerechnet, dass ihr Partner sie findet, stattdessen aber greift sie die Initiative und findet die anderen, welche sie auch beim Namen nennen kann. Hier bereits ging mir das Geschehen etwas zu schnell, wiederum ist es aber positiv, dass es auf der anderen Seite, das Eigentliche nicht auf sich warten lässt, wobei ich eher nur eine „Kampfszene“, begrüßt hätte, was aber nicht heißen soll, dass dem Ganzen abgeneigt bin. Manchmal fand ich aber, dass einiges weniger für das erste Kapitel (oder den ersten Tag), vielleicht besser wäre, da es dann doch letztendlich einen teilweise überrumpelt hat, zudem die Charaktere gegen Ende mir etwas in das Geschehen zu knapp intrigiert wurden, weswegen sie auch etwas unscheinbar zuletzt wirkten. Zumindest war es aber nur mein Eindruck. Ebenfalls den Tod von Rebecca bereits anzugeben hat mich auch überrascht, eher hätte ich gedacht, dass dieser vielleicht nach und nach erwähnt wird, wie bei einem Puzzle, und jedes Teil sich nach und nach fügt. Aber besonders das hebt diese Distanz zwischen dem Spiel und deiner Geschichte, wobei ersteres ja die Basis deiner ist, aber deutlich wird, dass du deine eigenen Ideen mit einbeziehst, was ich sehr gut finde. Du gibst diesem Ganzen deine eigene persönliche Note.
    Was mir aber selber etwas gefehlt hat, waren die Personen an sich, durch die Handlung bzw. das Geschehen, kamen deren Persönlichkeit wenig zum Vorschein, was aber nicht unbedingt ins Gewicht fällt, da es „nur“ der Anfang ist und zum anderen Teil, du vielleicht in den nächsten Kapitel dich näher mit diesen befasst. Dennoch aber fand ich es Schade, von Rebecca selbst und die Verbindung zu den anderen (speziell zu Noah, da dieser am meisten Beachtung bekommen hat), wenig mit bekommen zu haben, hauptsächlich nur dass sie sich scheinbar für nichts außergewöhnliches hält und ihr Leben, sehr leicht zu vorhersehen wäre.
    Vom Schreibstil her fand ich es sehr ausgewogen, da du dich nicht nur gänzlich dem Geschehen gewidmet hast, sondern ebenfalls auch von den Einflüssen der Umwelt berichtet hast, was im allgemeinen dem Leser dein Geschriebenes näher bringt.


    Fehler
    - Aber als sie versuchte, sich an diese Gesichter zu erinnern, da sah sie nur ein weißes Bild und schwarze Silhouetten.
    - Rebeccas grauen Augen weiteten sich.
    - Rebecca ballte sdie Hände zu Fäusten.
    - Ihr Körper gab die Richtung vor und sie bisher hatte er immer recht gehabt.
    - Panik zeichnete sich in ihren Augen ab und noch immer durchforstete sie die Umgebung. Irgendwann trafen sich ihre Blicke.
    Ihre weißblonden Haare mit den schwarzen Strähnen flogen wie wild durch die Luft und in ihren leuchtend blauen Augen glänzte pure Panik [...] <~ Hier ist mir eine Wiederholung deinerseits aufgefallen, wo eventuell ein Synonym besser geeignet wäre.
    - Noah hockte über ihr. Das Mädchen starrte in den Himmel, die grauen Wolken zogen weiter. Der kleine Junge hatte Tränen in den Augen und rüttelte an ihrer Schulter.
    „Hör auf“, hörte Rebecca jemanden sagen. Zwei weitere Gesichter tauchten über ihr auf. Avary und Barrett hockten neben ihr. <~Ebenfalls auch hier


    Bevor ich es vergesse; ich hätte gerne eine Benachrichtigung bei neuen Kapiteln und hoffe das dich mein Kommentar ein bisschen gefreut hat. (:
    Dunames



  • Karten sind des Teufels ABC.



    Ihr Körper bäumte sich auf.
    Sie schnellte hoch, abrupt und mechanisch, als wäre sie eine Marionette, an deren Fäden jemand zog. Ferner Schmerz verklang in ihren Adern, eine blasse Erinnerung der Qualen. Ihre Finger zitterten, ihre Zähne schlugen aufeinander, das Herz krampfte sich zusammen.
    Sie kannte diesen Ort.


    Rebecca saß in einem roten Samtsessel, in dem sie beinahe versank. Feine Stickereien zeichneten sich glänzend auf dem Stoff ab, die hölzernen Rahmen fühlten sich kühl und glatt an. Das Mädchen erreichte kaum den Boden mit ihren Füßen, der in schwarzem Marmor unter ihr glänzte. Vor dem Sessel stand ein filigraner Glastisch, gehalten nur durch zwei verschnörkelte Holzstützen. In zwei Kelchen glitzerte dunkelroter Wein, in einer silbern glänzenden Schale lagen fein gestapelte Karten.
    Spielkarten, die oberste das Herz Ass.
    Weil ihr Herz der Grund für dieses Spiel war, hatte er gesagt. Eine kleine Erinnerung, ein Geschenk für sie. Eine Retourkutsche, eine versteckte Beleidigung. Sie war nicht dumm und das wusste er.
    Unwillkürlich rutschte sie auf dem Sessel nach vorne. Rebecca wollte nur weg hier. Ihr Herz zog sich zusammen, denn sie wusste, dass sie besser nicht bleiben sollte. Aber wohin sollte sie schon gehen? Sie wusste ja nicht einmal genau, wo hier war. Ihr Schädel pochte, doch die Stimme in ihrem Kopf blieb ruhig. Sie sah keine Bilder, keine Erinnerungen. Das brauchte sie auch nicht. Der Raum hatte von sich aus eine schrecklich angespannte Atmosphäre. Er war endlos hoch, die Decke, getragen von weißen Marmorsäulen, verschwand in schwarzem Schatten. Bis auf den Sessel und dem Glastisch war er leer.


    „Willkommen zurück bei den Halblebendigen.“
    Rebecca zuckte zusammen, doch sie wagte nicht, sich weiter zu bewegen. Ihr Blick blieb auf dem Stapel Spielkarten haften, die Augen geweitet. Sie verkrallte ihre Finger in den hölzernen Lehnen.
    „Wirklich Rebecca, diesmal war es ziemlich knapp.“
    Sie sah, wie ein Schatten über sie fiel, und spürte, wie sich jemand über eine Lehne zu ihr herunterbeugte. Er legte einen Arm auf das Holz, mit dem anderen griff er eine Strähne ihres Haares. Spielerisch wickelte er sie um seinen Finger.
    „Ich kann nicht immer für dich da sein, um dich wieder zusammenzuflicken.“ Sein Atem streifte ihre Wange. Rebecca lief ein kalter Schauer über den Rücken.
    Er war ihr so nah. Sie konnte aus dem Augenwinkel die scharfen Augen eines Raubtieres sehen. Er musterte sie mit einem Blick, in dem eine merkwürdige Mischung aus Freude, Wohlwollen und perfidem Spaß lag.
    „Erinnerst du dich noch an mich?“
    Seine Finger umfassten ihr Kinn sanft, doch bestimmt, und drehten das Gesicht zu seinem um. Er hatte hohe Wangenknochen, kantige Züge, die viel zu dünn waren. Seine Wangen wirkten eingefallen und gräulich. Wie ein Toter.
    Ja, als wäre er tot. Weil er nicht lebendig war.


    Rebecca schluckte ihre Angst herunter. Ihre Lippen bebten, als sie sie öffnete.
    „Nathaniel“, flüsterte sie.
    Der junge Mann lächelte zufrieden.
    „Wie schön, dass ich dir in Erinnerung geblieben bin. Es wäre auch zu schade, wo wir all diese schönen Momente miteinander geteilt haben.“
    Rebecca wollte wiedersprechen. Keiner dieser Momente war schön gewesen, das spürte sie ganz genau. Aber aus ihrem Mund kam kein Laut hervor. Sie hatte zu viel Angst. Viel zu viel Angst vor diesem blassen Teufel.
    Seine langen, knochigen Finger strichen über ihre Wange. Dort, wo er sie berührte, brannte ihre Haut vor Kälte, als wäre sein Körper aus Eis. Eine kalte, lächelnde Skulptur. Ein gefallener Engel.
    „Nun sag doch etwas!“, stieß er mit gespielter Ungeduld aus. Er verzog kurz den Mund, schürzte die Lippen, ehe er wieder grinste. Er wusste, dass seine Nähe ihr Angst machte. Nathaniel sah das Zittern, spürte es, wann immer er sie streifte, scheinbar zufällig. Er liebte es, sie nervös zu machen, hatte die vollkommene Kontrolle. Das war schließlich auch seine Aufgabe. Ein wunderschöner Zeitvertreib. Der Einzige, der ihm noch geblieben war.
    Rebecca machte keine Anstalten, sich weiter zu bewegen. Sie presste die Lippen aufeinander, bis sie ganz weiß waren, und ballte ihre Hände zu Fäusten. Ihr ganzer Körper war bis zum Zerreißpunkt angespannt und schrie laut nach Flucht, aber es gab keinen Ausweg. Nathaniel würde sie fangen, bevor sie auch nur gezuckt hätte.
    „So schüchtern heute?“ Er setzte sich auf die Armlehne, das rechte lag auf dem Holz, mit dem linken hielt er das Gleichgewicht. Er legte den Arm über den Sesselrücken und spielte mit dem anderen an ihren rostbraunen Strähnen. Sie sprangen in ihre Form zurück, wenn er sie losließ, wie eine kleine Feder. Aber so machte es keinen Spaß. Sie wehrte sich nicht einmal mehr.
    „Weißt du, beim ersten Mal warst du viel rebellischer.“
    Seine Worte hingen in der Luft. Sie prallten von den hohen Wänden ab und erschufen ein verzerrtes Echo. Es klang wie eine Drohung in ihren Ohren. Unterhalte mich, oder ich überlege es mir anders.
    Auf seine Lippen stahl sich ein breites, zahnloses Lächeln, das seine Augen zu scharfen Schlitzen verengte. Sie wusste nicht, ob er erraten hatte, was sie dachte, oder ob er es in ihren Augen gelesen hatte. Doch sie wusste, dass er ihre Gedanken kannte.
    „Wo ist denn dein Kampfgeist hin?“, säuselte er in ihr Ohr. „Weißt du nicht mehr?“
    Er beugte sich vor und strich mit seinem Finger über die schmalen Lippen.
    Ich lasse nicht zu, dass meine Freunde sterben, während ich wieder leben darf! Das geht nicht! Ich kann sie nicht im Stich lassen!“, stieß er aus, ein spöttisches Grinsen auf den Lippen und einen provozierenden Blick aufgesetzt. „Das hast du gesagt, Rebecca. Und ich muss zugeben, dass es mich beeindruckt hat. Sonst sind die Player immer ganz froh, wenn sie endlich wieder lebendig werden dürfen. Und du hast dein neues Leben einfach so weggeschmissen, um deinen Freunden eine weitere Chance zu geben. Und dann noch einmal. Und noch einmal. Und noch einmal…“
    Der Reaper fuhr sich mit den Fingern durch die weißblonden, strähnigen Haare.
    „Sag mir… Ist es, weil du gutherzig bist… oder einfach nur dumm?“
    Er lachte, als sie den Kopf hob und ihm mit angespanntem Gesichtsausdruck ansah. Ihre Unterlippe bebte. Nathaniel genoss es, sie so zu sehen. Zerbrechlich, wie eine Porzellanpuppe, so unscheinbar und schwach. Ein kleines Mädchen in einem zu großen Körper. Sie war nie erwachsen geworden.
    „Warum lässt du es zu, wenn es so dumm ist?“
    Nathaniel verstummte. Er beobachtete Rebecca für einen kurzen Augenblick, durchbohrte sie mit seinen Blicken, sah, wie sie ihre Muskeln anspannte und trotzdem das Kinn in die Höhe reckte, seinen Blick erwiderte und tief durchatmete. So zerbrechlich, so unscheinbar und schwach. Wusste sie es etwa nicht? Wusste sie nicht, wie leicht er sie auslöschen konnte? Doch, sie wusste es. Sie war nicht dumm. Das Mädchen war sich der Gefahr bewusst und trotzdem schaffte sie es, den Kopf zu erheben und sich ihm zu stellen. Ihm, dem Conductor. Ihm, der sie alle ausradieren könnte. Ihm, der die Noise auf sie hetzen könnte, sehr viel schlimmere Noise als sie bisher gesehen hatte.
    Ihm, Nathaniel, widersetzte sie sich.
    Er lächelte. Genau deswegen hatte er ihrer Bitte zugestimmt. Weil sie anders war als die anderen Menschen, weil sie so töricht war, ihren Preis gegen das Leben der anderen zu tauschen. Erst hatte Rebecca vorgeschlagen, sich auslöschen zu lassen, wenn die anderen fünf dafür leben dürften. Nathaniel hatte abgelehnt. Wie langweilig es wäre, wo blieb denn der Spaß? Nein, sie sollte kämpfen. Sie sollte kämpfen und versagen, jedes Mal aufs Neue, bis ihr Wille gebrochen ist. Ein Versuch, vielleicht auch zwei, dann würde sie schon aufgeben. Aber nein. Rebecca gab nicht auf.
    „Das hier ist deine siebte Woche als Playerin, nicht wahr?“ Er fragte sie nicht direkt, denn sie konnte es nicht wissen. Sie wusste fast nichts mehr. Ihre Erinnerungen an die Spiele zuvor hatte er ihr genommen. Nur das Unterbewusstsein, das jeden Tag gespeichert hatte, war vorhanden. Deswegen sah sie diese Bilder. Deswegen trug ihr Körper sie zu den richtigen Orten. Deswegen sprach eine Stimme mit ihr.
    „Sieben Wochen. In der ersten haben die anderen dich gerettet. Du musstest mit ansehen, wie sie alle nach und nach ausgelöscht wurden. Und als du gewonnen hattest, hast du mich angefleht, dein Leben zu nehmen.“ Nathaniel sah zur Decke herauf. Schatten tänzelten an ihr. Die Noise wurden unruhig. „Ich habe zugestimmt, weil du den festen Glauben hattest, sie alle retten zu können. Du hast gedacht, du würdest es schaffen. Du hast es nie geschafft. Sechs ganze Wochen lang hast du es immer wieder versucht. Und immer hast du versagt.“
    Er legte seine Hand auf ihren Kopf und strich darüber. „Spieler sind letztlich immer Verlierer. Sieh es ein, Rebecca. Gib auf.“
    Sie schüttelte den Kopf. Erst langsam, dann energisch. Sie hatte nicht sechs Wochen gekämpft, um jetzt aufzugeben! Sie würde niemals aufgeben!
    Nathaniel verzog ärgerlich das Gesicht. Dummes Kind! Sah sie denn nicht, dass es keine Möglichkeit gab, sie alle zu retten? Irgendjemand musste sterben. Das war der Lauf der Dinge. Im Reaper’s Game galt das Prinzip des Stärksten.
    Survival of the fittest. Es konnten nicht alle die Stärksten sein.
    „Willst du wieder mit ansehen müssen, wie ein Noise Avary durchbohrt? Wie Noah ausgelöscht wird, weil du ihn nicht beschützen konntest? Wie die Zwillinge verschwinden, weil sie die Mission nicht schaffen? Wie Barrett stirbt, weil der dich schützt?“ Er zog die Hand von ihrem Kopf und stand auf. Die Finger in den Hosentaschen schlenderte er zum Glastisch. Er strich über die oberste Spielkarte und streckte sie ihr entgegen.
    „Mitgefühl ist eine Schwäche, Rebecca. Hör auf, dir etwas vorzumachen. Es wird langsam langweilig.“
    „Ist es deswegen meine letzte Chance?“ Ihre Stimme hörte sich etwas erstickt an, aber sie war fest, ebenso wie ihr Blick. Nathaniel verengte die Augen. „Weil es langweilig wird? Für dich ist das alles nur ein Spiel.“
    „Natürlich ist es nur ein Spiel!“, stieß er aus. Er wollte lachen. Er hätte lachen müssen. Aber er konnte nicht. Ihr Blick ließ es nicht zu.
    Seine Finger zuckten. „Es war von Anfang an ein Spiel. Ein Spiel mit einer schönen Siegprämie, um die sich jeder Spieler reißt! Das Reaper’s Game ist ein Zeitvertreib für uns, nicht mehr. Uns kümmert es nicht, wer letztlich gewinnt. Namque solebatis, meas esse aliquid putare nugas!“
    Sein Lachen schallte unendlich oft wieder zurück, eine Dauerschleife, verzerrt und schrill, bis sie irgendwann doch verging. Stille kehrte ein, einen Moment nur, ein Blickkontakt, ein Starren, zwei simple Gedanken, die ausgetauscht wurden.
    „Denn ihr glaubtet ja, dass meine Spielereien irgendetwas wert seien“, übersetzte Rebecca tonlos. Sie strich sich mit den Fingerkuppen über die Stirn und schloss die Augen. „Das hast du auch beim ersten Mal schon gesagt.“
    „Du erinnerst dich?“
    „Ja, ich erinnere mich an alle Gespräche, die wir hatten. Sie sind einfach wieder da“, antwortete sie. „Aber alles andere…“
    Nathaniel fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Er wippte auf seinen Fußballen und starrte die Karte in seiner Hand an. „Scheint so, als ob meine Maßnahmen langsam nachlassen. Das macht nichts, es ist ohnehin die letzte Runde.“
    „Meine letzte Chance“, murmelte das Mädchen. Als sie aufsah, hielt der Conductor des Spieles ihr einen gläsernen Kelch entgegen. In ihm schwappte der rote Wein.
    „Ganz genau. Das hier wird vielleicht das letzte Mal sein, dass wir uns sehen. Wenn du verletzt wirst oder stirbst, werde ich dir nicht wieder helfen.“ Nathaniel ließ seine Worte in der Luft hängen. Noch eine Drohung. Doch versteckt in ihr war auch eine Bitte. Eine Bitte die sie zum Zittern brachte.
    Lass es nicht so weit kommen.


    „Stoß mit mir an. Du hast mich gut unterhalten, eine Schande, dass du zu stur bist, um deine Niederlage einzugestehen.“
    Rebecca umgriff das kühle Glas. Sie stand auf, mit wackeligen Beinen, die sich anfühlten, als hätte sie sie tagelang nicht benutzt. Sie waren taub und prickelten unangenehm. Aber sie weigerte sich, auch nur den Hauch einer Schwäche einzugestehen. Sie würde stark sein müssen, bis zum Ende. Und dieses Ende würde nicht bitter sein.
    „Ich werde nicht verlieren“, stieß Rebecca aus, als sie kaum einen Meter von Nathaniel entfernt stand, der in seiner rechten Hand, die besetzt war mit dicken Ringen, den Glaskelch hielt. Er musterte sie mit Argwohn und Resignation. Menschen. Dumme Geschöpfe. Dieses hier ganz besonders.
    „Auf das Reaper’s Game“, sprach er, die Lippen zu einem schmalen Lächeln verzogen.
    „Auf das Leben“, erwiderte Rebecca eindringlich.
    Die Gläser klirrten, als sie aufeinander trafen. Das Mädchen hob den Kelch an ihre Lippen, bitterer Wein füllte ihren Mund. Sie verzog das Gesicht und schluckte.
    Es würde kein bitteres Ende geben.


    Als sie die Augen öffnete, stach helles Sonnenlicht darin. Für einen Moment wurde ihr schwindelig, sie schwankte vor und zurück, bunte, grelle Farben tanzten in der Umgebung einen hektischen, unordentlichen Tanz, der sie verwirrte. Rebecca blinzelte heftig und verlagerte ihr Gewicht, bis der Schwindel endlich vorüber war und ihre Sicht sich wieder aufklärte.
    Sie war wieder auf dem Times Square. Eine große Uhr in der Ferne zeigte an, dass es halb zwei war. Alle Wolken vom Vortag hatten sich aufgelöst, azurblauer Himmel, durchschnitten von glitzernden Glasfassaden der Hochhäuser, strahlte auf sie herunter. Sie spürte, wie die Sonne ihre Haut etwas wärmte.
    Es war ein schöner Tag, doch genauso überfüllt wie zuvor. Menschen eilten aneinander vorbei und Stimmengewirr erfüllte ihre Ohren, der Geruch von Abgasen brannte in ihrer Nase. Aber es war okay. Sie war wieder im Underground. Und sie hatte den ersten Tag überlebt. Nur noch sechs weitere Tage.
    Jemand griff nach ihrer Hand. Auch ohne hinzusehen wusste sie, dass es Noah war. Er presste sich an ihren Körper, versteckte das Gesicht in ihrer Jacke. Er zitterte und bebte.
    Rebecca beugte sich herunter zu ihm, ging vor ihm in die Hocke. Menschen strömten an ihnen vorbei und durch sie hindurch, aber es war unwichtig. In diesem Moment, in dem die beiden sich in die Augen sahen, war der Lärm nur noch ein leises Murmeln und die Enge wurde zu einem weiten Raum nur für sie.
    „Ich bringe uns hier heraus, Noah“, raunte Rebecca dem Kleinen zu, der mit verquollenen Augen und zitternden Lippen vor ihr stand.
    „Ich dachte, du wärst tot!“, presste er hervor, ehe er wieder zu Schluchzen begann. „Du hast auf dem Boden gelegen und dich nicht mehr bewegt und dann… Dann ist alles schwarz geworden!“
    „Die Reaper haben den Tag beendet“, erklärte das Mädchen. Noah sah sie verständnislos und verwirrt an, aber sie schüttelte nur den Kopf und nahm ihn in eine enge Umarmung. „Ich erkläre es später. Jetzt müssen wir erst einmal die anderen finden.“
    „Das Mädchen und der Junge von vorhin?“
    Eigentlich war es gestern gewesen, doch für ihn und auch für sie fühlte es sich so an, als wäre es gerade eben erst passiert. Für sie stoppte die Zeit, wenn die Reaper sich dazu entschlossen.
    „Genau“, murmelte Rebecca. Sie griff seine Hände und umschloss sie fest mit ihren, ehe sie sich wieder aufrichtete. „Sie müssen irgendwo hier in der Nähe sein, wenn wir uns beeilen-“
    „Braucht ihr nicht.“
    Rebecca fuhr herum. Instinktiv spannte sie alle Muskeln an, um im Notfall weglaufen zu können, doch als sie erkannte, wer vor ihr stand, da atmete sie erleichtert aus.
    Sie standen nebeneinander, Avary und Barrett, sahen sie mit kaum verhohlenem Misstrauen an. Noah versteckte sich hinter Rebecca, doch sie war einfach nur froh, die beiden zu sehen. Sie wollte nach ihren Händen greifen, ihnen sagen, wie erleichtert sie war.
    „Woher kennst du unsere Namen?“
    Es brachte sie aus dem Konzept, obwohl sie diesen Tonfall von Barrett kannte.
    Er ist immer zuerst misstrauisch gewesen. Jedes Mal aufs Neue. Und trotzdem war sie sprachlos, genau wie sonst auch immer. Wie sollte sie es ihnen erklären?
    „Warum könnt ihr uns sehen, alle anderen aber nicht?“, fuhr er fort.
    „Und was war das für ein Ding?“, mischte sich auch Avary ein. Sie starrte Rebecca ins Gesicht, und obwohl sie noch so trotzig schauen wollte, die Angst in ihren Augen war viel zu deutlich.
    Noah sah zu ihr herauf.
    „Ich…“, begann das Mädchen, brach letztlich aber doch mit einem Seufzen ab. „Es ist kompliziert.“
    „Wir haben Zeit“, entgegnete Barrett.
    „Leider nicht.“
    Rebecca griff in ihre Jackentasche. Ihre Finger umfassten das Smartphone, das kühl in ihrer Hand lag. Es sie es hervorholte, fiel ihr Player-Pin zu Boden. Klackernd sprang er über den Asphalt und rollte geradewegs davon. Er kam nicht weit, denn Barrett hob ihn auf.
    Der Schwarzhaarige betrachtete ihn lange, die Stirn gerunzelt. Auch Avary beugte sich vor um ihn anzuschauen. Wie automatisch schob sie ihre Hand in die Hosentasche, als sie sie hervorzog, hielt sie den Inhalt neben Barretts Hand.
    „Es ist genau der gleiche“, murmelte sie leise.
    Barrett ging nicht darauf ein. Er streckte Rebecca den Pin entgegen und sah sie auffordernd an.
    „Was ist das?“, zischte er. Er versuchte, seine Anspannung zu verstecken, aber es gelang ihm nicht. Ständig huschten seine Augen hin und her, als erwartete er, jede Sekunde angegriffen zu werden.
    „Ich werde es euch alles erklären“, versicherte Rebecca und nahm ihren Pin wieder an sich, mit einer schnellen Bewegung, auf die Barrett nicht vorbereitet war. Als sie ihn in der Hand hielt, schloss Rebecca die Finger so stark darum, dass die Kanten sich in ihre Haut schnitten. „Aber nicht hier und nicht jetzt. Erst müssen wir die anderen finden.“
    „Die Anderen? Andere was?“, fragte Avary und Hysterie schlich sich in ihre Stimme. „Was ist hier überhaupt los?“
    „Lasst uns bitte weiter gehen, ich verspreche-“, begann Rebecca eindringlich, aber die Jüngere unterbrach sie schnell.
    „Vergiss es! Ich bin doch nicht verrückt, einfach so jemandem zu folgen, den ich nicht kenne!“, schrie sie. Die Menschenmenge um sie herum floss weiter, wie ein zäher Strom Schlamm. Keiner nahm Notiz von ihnen. Nicht von Barrett, der die Arme vor der Brust hielt, nicht von Noah, der sich an Rebecca klammerte, nicht von Avary, die sich heftig atmend umsah, hektisch hin und hersah. Sie waren unsichtbar, kein Teil mehr dieser Welt.


    Sie verharrten schweigend. Stille umgab sie wie ein Vakuum, ein Nichts inmitten von Fülle und Lärm.
    Erst als eine junge Frau durch Rebecca hindurchging, ohne auf den geringsten Wiederstand zu treffen, stolperte Avary zurück. Das Mädchen hob den Arm, deutete auf Mädchen, das kurz die Augen schloss und ihre Arme um den Körper schlang.
    „Was bist du?!“, schrie sie sie an. Rebecca rührte sich nicht. Sie sah Avary tief in die Augen. Es blieb ihr nichts anderes übrig. Es würde sie schockieren, aber…
    „Ich bin tot. Genauso wie ihr auch.“
    Der Lärm brach wieder über sie herein. Das Kreischen von Bremsen, die Stimmen von Menschen, Klappern und Scheppern von Metall, Rauschen und Quietschen. Eine vollkommene Reizüberflutung.
    Sie standen in Mitten des sich bewegenden Meeres, umringt vom Puls des Lebens, der in Wellen auf die überschwappt. Vier Tote, ein blasses Abbild des Lebens, eine Projektion des Underground.
    Avary brach zusammen.
    Ihre Knie gaben einfach nach. Sie fiel zu Boden, wie ein Kartenhaus, umgeblasen von einem Windhauch. Mit ihren Armen umschlang sie sich selbst, presste ihren Körper zusammen wie eine kleine Kugel, als könnte sie das beschützen. Sie presste das Gesicht gegen die Knie und blieb reglos am Boden liegen.
    Barrett stand neben ihr, den Mund leicht geöffnet. Er starrte Rebecca an. Als sie den fassungslosen Ausdruck in seinen Augen nicht mehr ertragen konnte, wandte sie sich ab. Mit Noah, der noch immer an ihrem Arm hing, ging sie herüber zu Avary und beugte sich zu ihr herunter. Als Rebecca ihre Hand auf die Schulter der Blonden legte, zuckte das Mädchen zurück und starrte sie mit aufgerissenen Augen an. Tränen schimmerten darin.
    „Es ist okay“, sprach Rebecca sie an. „Wenn wir gewinnen, dann werden wir wieder leben.“
    „Wie meinst du das?“ Barrett hatte sich aus seiner Schockstarre gelöst. Auch er hockte sich neben sie. „Was meinst du mit gewinnen?“
    Rebecca öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch ihr blieb die Luft weg, als sie die Uhrzeit sah, die auf der großer Reklametafel über ihr stand.
    Wir sind schon viel zu spät!, rief die Stimme in ihrem Inneren. Wir müssen weiter! Die Zwillinge warten schon.
    Die Zwillinge. Nathaniel hatte sie erwähnt. Rebecca versuchte krampfhaft, ihrem Gedächtnis ein Bild zu entlocken, aber alles was sie sah war Schwärze, als sie die Augen schloss. Sie versuchte es einmal, zweimal, aber es funktionierte nicht. Sie konnte es nicht steuern. Aber es hatte ihr bisher immer noch rechtzeitig geholfen, sie würde darauf vertrauen müssen, dass es das auch jetzt machen würde.
    „Später, bitte!“, stieß Rebecca mit einem halben Flehen aus. „Ihr müsst mir vertrauen. Wir haben alle das gleiche Ziel, also müssen wir zusammenarbeiten. Und ohne die anderen geht es nicht.“


    Er sah sie an, als wäre sie verrückt geworden. Barrett sträubte sich dagegen, diesen Wahnsinn zu glauben. Er, tot? Niemals. Wie denn? Wann?
    Warum?
    Er war doch gerade einmal 20. 20 junge Jahre alt. Viel zu jung zum Sterben. Eigentlich zumindest.
    Das Leben kann man nicht vorhersehen.
    Gerade eben noch hatte er im Van gesessen. Hatte gelacht mit seinen Kollegen, ein paar Fotos für Avary geschossen. Für ihre Website, damit die Fans wussten, was vor sich geht. Sie hatte in die Handykamera gelächelt und nach jedem Klick wurde ihr Abbild direkt ins Netz gestellt.
    Wenige Minuten, bevor die Haut feuerrot wurde. Bevor Flammen ihre Haare verzehrten wie eine Bestie, gefräßig, niemals satt. Bevor ihr Lächeln zu einer grausigen Grimasse wurde, verzerrt vor Schmerzen, Angst und Schock.
    Überall Rauch und Qualm, stechende Flammen und tiefes Schwarz. Hitze, die seinen Körper verbrannte, die die Haut in schwarzes Pergament verwandelte. Wellen aus purem, reinen Schmerz, der niemals verebben wollte.
    Er hatte es für einen Traum gehalten. Aber der Unfall war real gewesen.
    Er und sie. Beide waren sie umgekommen. In den Flammen qualvoll verbrannt und am Rauch erstickt, der ihre Lungen gefüllt hatte wie Wasser.


    Barrett ballte die Hände zu Fäusten. Er hatte sich etwas vorgemacht. Natürlich waren die Schmerzen real gewesen. Er erinnerte sich daran, an die schwindende Sicht, an die Qual, bis man ihm endlich erlaubt hatte, das Bewusstsein zu verlieren. Und trotzdem hatte er sich eingeredet, dass es nur ein Traum gewesen war, als er auf dem Times Square aufgewacht war. Neben ihm hatte Avary auf dem Boden gelegen, die Augen geschlossen, die Arme fest um den Körper gewickelt. Es hatte lange gedauert, bis sie endlich aufgewacht war.
    Dann kam diese SMS. Sie wussten nicht, was passierte. Keiner von ihnen hatte eine Idee, was der Countdown auf ihrem Handrücken zu bedeuten hatte. Im allerletzten Moment war es Avary gewesen, die ihm sagte, dass sie einen Pakt schließen mussten. Partner werden, hatte sie gesagt. Das Leben des anderen beschützen und zusammenbleiben. Sie hatte so entschlossen ausgesehen. Und etwas hatte ihm gesagt, dass es richtig so war. Und es war richtig gewesen.
    Dann war die Hölle ausgebrochen. Dieses Wesen war aufgetaucht und hatte sie angegriffen. Er hatte gemerkt, dass der Bär sie sehen konnte, obwohl es niemand anderes tat. Deformiert, eine Karikatur, und doch gefährlich, wie ihm das Auto bewies, das nur knapp neben ihnen auf dem Boden aufschlug.
    Wäre dieses Mädchen nicht gekommen… Er wäre direkt in sein Verderben hineingerannt. Barrett verdankte ihr sein Leben.
    Wenn man seinen aktuellen Zustand überhaupt als Leben bezeichnen konnte.


    Er legte seine Hand auf Avarys Schulter. Sie drehte ihren Kopf zu ihm um, starrte ihm in die Augen, ihre eigenen schimmerten matt, als wäre sie unendlich müde und erschöpft. Es war zu viel für sie.
    „Sie hat uns geholfen“, sagte er. „Im Moment ist sie die Einzige, die weiß, was hier vor sich geht.“
    Das Mädchen schüttelte den Kopf. Ihre blonden Strähnen flogen durch die Luft, er langsam, dann hektisch.
    „Nein!“, stieß Avary aus. Sie ignorierte Rebecca, die nervös auf die Anzeige starrte. Die Zeit verging. Viel zu schnell für ihren Geschmack.
    „Avary“, raunte Barrett ihr zu.
    „Nein, nein, nein!“
    Er packte sie an den Schultern, rüttelte sie durch, bis ihre ersticken Rufe verhallten. Frustriert und schon beinahe hysterisch schrie er sie an: „Wir werden ihr folgen!“
    „Nein!“
    „Ob du es willst oder nicht!“
    „Nein…“
    Ihre Stimme war nicht einmal mehr ein Flehen. Ein bloßes Flüstern, viel zu leise um gehört zu werden. Zu kraftlos. Zu schwach.
    Rebecca umschloss ihre Hände mit ihren. Als Avary aufsah, da blickte sie in Rebeccas Augen. Sie sprachen nicht. Kein Wort verließ ihre Lippen.
    Barrett war aufgesprungen. Er lief auf und ab, immer zwei Schritte in die eine Richtung und dann in die andere, rastlos, hektisch, voller Energie. Und voller Verzweiflung.
    Avary musste sich zusammenreißen. Sie durfte jetzt nicht schwach werden. Noch schwächer als sie ohnehin schon war. Wenn sie wieder auf diese Wesen treffen würden und Avary so in Hysterie verfiel wie jetzt auch…
    Es wäre ihr Todesurteil. Ihr beider Todesurteil.
    Er wusste, dass sie jetzt verbunden waren. Seit dem Moment, in dem Avary ihn zu ihrem Partner gemacht hatte, waren ihre Leben… Wenn sie starb, dann…


    „Wir schaffen das.“
    Barrett fuhr herum. Das Mädchen hockte vor Avary, drückte den zitternden Körper in ihre Umarmung. Sie wog hin und her, ein seltsamer Takt.
    Er wusste nicht warum Avary es zuließ. Sie hasste Fremde. Sie konnte ihnen nicht vertrauen. Niemals hätte sie zulassen, dass jemand wie dieses Mädchen sie anfassen durfte.
    Warum dann also jetzt? Warum ließ sie sich von ihr beruhigen, akzeptierte es? Er verstand die Welt nicht mehr. Das Gerede von Toten und Monstern und Spielen…
    Es verwirrte ihn. Es ließ seine Gedanken Amok laufen. Wörter und Bilder schossen durch seinen Kopf, knallten auf sein Bewusstsein ein wie ein Aufprall auf kaltem Wasser. Rauschen und Quietschen, Schreie und Schmerzen.
    Und inmitten davon ihre Stimme.
    Die Stimme dieses Mädchens. Leise und eindringlich. Ihr Gesicht, ganz nah vor seinem. Ihre Hände, wie sie sein Gesicht umschlossen. Rebecca. Rebecca, die ihn beruhigte, mit einem leichten Lächeln.
    „Wir schaffen das, Barrett.“


    „Wir schaffen das.“
    Barrett riss die Augen auf. Für einen Moment nur schmerzten seine Augen und er schwankte. Als seine Sicht wieder klar wurde, verschwand das Bild, verschwand die Berührung, die Wärme, die er gespürt hatte, verschwand das Echo ihrer Stimme.
    Rebecca stützte Avary, die sich mühevoll hochkämpfte. An ihrer Seite stand Noah, unschlüssig, was er tun konnte, vergrub er sein Gesicht in die Jacke des Mädchens.
    Alle standen sie bei ihr. Vertrauten ihr. Obwohl sie sich doch erst gestern getroffen hatten.
    Oder etwa nicht? Was waren das für Bilder, Satzfetzen und Geräusche, die in seinem Kopf nachklangen wie ferne Echos? Es mussten Erinnerungen sein. Nur… Erinnerungen von wann? Sie kannten sich doch nicht!
    Und trotzdem flüsterte Rebeccas Stimme in seinem Kopf:
    „Wir werden gewinnen. Das verspreche ich.“



    Rebecca hielt Avary und Noah bei der Hand, als sie den Times Square verließen und in eine Seitengasse einbogen. Barrett lief ihnen hinterher. Sein Blick fiel auf die Menschen, die in seine Richtung sahen. Bei jedem hoffte er, dass man ihn sah. Doch die Augen der anderen glitten jedes Mal über alle vier hinweg. Als wären sie Luft.
    Er hatte es akzeptiert. Irgendwann hatte er verstanden, dass es keinen Sinn hatte, sein Schicksal noch weiter anzuzweifeln. Sie waren tot. Gestorben bei einem Autounfall. Ein schrecklich alltäglicher Tod. Jeder hätte sterben können.
    Aber nicht jedem war die Chance gegeben, wieder zu den Lebenden zurückzukehren. Wenn sie dieses Spiel gewannen, dann könnten sie zurück. Das hatte er zumindest aus dem geschlossen, was Rebecca gesagt hatte.


    Rebecca, die vorne heran lief. Die sie alle zu einem Ort führte, den sie nicht kannten, fast wie automatisch, als wäre sie dort schon dutzende Male gewesen.
    Er fragte nicht, woher sie die Richtung kannte. Er wagte es nicht, sie überhaupt anzusprechen. Das Mädchen lief immer schneller, einen hektischen Blick auf die Fassaden der Gebäude gerichtet. Sie zog Avary und Noah hinter sich her, der Kleine musste schon fast laufen, um mithalten zu können.
    Die Anderen.
    Er wusste noch immer nicht, wer die anderen waren. Nur blieb ihm nichts anderes übrig, als weiterzulaufen, immer hinter ihr her, hinter einem Mädchen her, dem er eigentlich nicht vertrauen durfte. Alles in ihm hätte schreien sollen, sich einfach umzudrehen, sich Avary zu greifen und zu verschwinden, jemand anderen zu finden, der sie sehen konnte. Jemand, der ihnen eine richtige Erklärung geben konnte. Es war doch eigentlich purer Unfug, ihr blind zu folgen.
    Und trotzdem tat er es.
    Weil er keine Wahl hatte?
    Vielleicht. Vielleicht, weil er nicht glaubte, dass es außer ihr jemanden gab, der sie sehen konnte.


    Aber eigentlich war es nicht einmal das, was ihn davon abhielt, einfach zu gehen. Es waren die Bilder, die Stimmen. Das Gefühl, dass er sie längst kannte. Der Blick, den sie ihm zugeworfen hatte, als Barrett sie angesprochen hat. Die Freude, die Erleichterung… So sah man niemanden an, den man erst kürzlich getroffen hat.
    Er hatte keine Zweifel. Sie kannten sich schon länger. Und in dieser Zeit, die ihm die Bilder zeigten, da… Da hatten sie einander vertraut. Viel mehr als das. Er hatte sein Leben für sie gegeben. So, wie sie beinahe ihres für seins gegeben hatte, als das Ungetüm sie angegriffen hatte.


    Als Rebecca anhielt, standen sie vor einem Café. Eine Glasfront ließ einen Blick ins Innere zu, wo runde Tische verteilt im Raum standen. Weit hinten machte er einen Tresen aus, eine Auslage voll mit buntem Gebäck.
    „Sie sind noch da“, stieß Rebecca atemlos aus. Barretts Kopf fuhr zu ihr herum. Sie stieß die Türe auf und ließ ihre drei Begleiter einfach stehen.


    Avary schlang ihre Arme um ihren Körper und biss nervös auf ihrer Unterlippe herum. Noah drückte sich gegen die Mauer, den Blick auf den Boden gerichtet. Sie machten beide keine Anstalten, ebenfalls hineinzugehen.
    „Kommt schon.“
    Barrett legte seine Hand auf die Schulter des Mädchens, mit der anderen drückte er Noah sanft weiter. Er stieß die Tür auf und ging hinein.
    Er lenkte die beiden vor sich in den hinteren Teil des Ladens, wo er Rebecca hatte verschwinden sehen. Unwirsch drängelte er sich vorbei an Tischen und Stühlen, plaudernden Menschen, die an Tassen nippten, bis er schließlich auch den Tresen passierte.
    „Entschuldigung?“
    Es war nur ein Geräusch, das er ausblendete. Barrett bemerkte nicht eher, dass man ihn ansprach, bis sich die Frau direkt vor ihn positionierte. Und ihn ansah. Direkt in seine Augen blickte.
    Sie sah ihn.
    „Wir haben gerade leider keinen Tisch mehr frei!“, stieß sie gekünstelt freundlich aus. Ihr argwöhnischer Blick auf Avary und Noah, die sich eng an Barrett drückten, entging ihm nicht.
    Er suchte nach einer Antwort, aber selbst wenn er sie gefunden hätte… Er war zu verwirrt, dass man ihn sah. Die ganze Zeit über war er doch unsichtbar gewesen. Die ganze Zeit über waren Blicke nur durch sie hindurch geglitten! Wie konnte diese Frau-
    „Das ist schon in Ordnung.“
    Hinter der Frau tauchte ein Junge auf.
    Ein kantiges, schmales Gesicht, dünne Lippen, die zu einem spöttischen Lächeln verzogen waren, unordentliches, orangenes Haar.
    Barrett kannte ihn. Er wusste nicht woher, aber er kannte ihn. Nicht aus seiner Zeit als Lebender.
    Er war wie Rebecca.
    „Sie gehören zu uns“, sagte er.
    „Oh“, stieß die Bedienung aus, als sie ihren Blick zwischen Barrett und dem Jungen hin und her wandern ließ. Trotzdem machte sie erst dann Platz, als sich der Rothaarige räusperte.


    Der Junge führte Barrett in einen kleinen, abgeschiedenen Raum des Cafés. Es stand nur ein einziger Tisch darin, direkt vor einer Glasfassade, die einen kleinen Garten hinter dem Gebäude zeigte.
    Sechs Stühle standen um den Tisch herum.
    Als hätte man sie erwartet.
    „Tut mir Leid, wir wurden aufgehalten“, stieß der Junge aus, als er in den Raum hineintrat.
    Barretts erster Blick fiel auf Rebecca, die lächelnd am Tisch saß und eine Tasse in ihren Händen hielt. Sechs davon standen auf dem Tisch.
    Sein zweiter Blick galt dem Jungen, der neben ihr saß. Ein schmales, kantiges Gesicht. Dünne Lippen, zu einem Lächeln verzogen, und orangene Haare. Ein exaktes Ebenbild des Jungen, der sie zum Raum geführt hatte.
    Waren das die Anderen, von denen Rebecca gesprochen hatte?
    Noah löste sich von seiner Seite zu ging sofort zu seiner Partnerin herüber. Er setzte sich auf den Stuhl neben ihr und presste sein Gesicht gegen ihren Arm. Avary folgte ihm nach kurzem Zögern, und auch der Zwilling, der sie geführt hatte, saß längst neben seiner Kopie.
    Nur Barrett stand unsicher in der Tür.
    „Setz dich doch bitte“, sprach ihn der Zwilling an, der bereits neben Rebecca gesessen hatte.
    „Im Stehen beredet es sich nicht gut“, fügte der andere hinzu.
    Barrett bewegte sich nicht. Erst, als Rebecca ihm zunickte, setzte er sich in Bewegung.


    „Woher wusstet ihr, dass wir kommen?“
    Es war Rebecca, die die Stille brach. Für eine Weile hatten sie alle nur stumm am Tisch gesessen und auf ihre Tassen gestarrt.
    „Woher wusstest du, wohin du die anderen führen musstest?“, entgegnete einer der Zwillinge.
    „Wir hatten wohl einfach die gleiche Idee“, setzte der Andere an.
    „Oder ist es etwa doch kein Zufall?“, fragte der Erste, bevor seine Kopie sagte:
    „Das würden wir gerne von dir wissen.“
    „Ihr erinnert euch auch, oder?“
    Es war eine simple Frage, die Rebecca stellte. Aber für Barrett war es eine Antwort.
    Die Bilder, die er sah.
    Es waren tatsächlich Erinnerungen. All das, was in seinem Kopf erschien, nur für einen kurzen Augenblick, und dann verschwunden war… All das war real gewesen.
    „Ja“, antwortete einer. „Wir erinnern uns an Vieles, Rebecca.“
    „Zumindest wissen wir, dass wir um unser Leben kämpfen.“, antwortete der andere.
    „Und das schon zum siebten Mal.“
    Rebecca verzog das Gesicht.
    „Das ist mein Fehler“, murmelte sie. Das Mädchen starrte auf den Tisch und schwieg, bearbeitete ihre Finger. Als sie den Kopf hoch, sah sie Barrett an, ein Blick nur, aber er wurde unendlich lang. So viel lag in ihn, so viel, dass er nicht alles erfassen konnte. Schuld, Trauer, Angst, Freude, Entschlossenheit…
    „Erzähl es lieber von Anfang an“, riet einer der Zwillinge ihr. „Ich fürchte, Noah, Avary und Barrett kommen nicht ganz mit.“


    Es war ein merkwürdiges Gefühl, von Sachen zu hören, an die man sich eigentlich erinnern müsste. Die Situationen, die sie beschrieb… Er konnte sich nicht daran erinnern, sie erlebt zu haben. Manchmal fragte er sich, wie er das alles hatte vergessen können. Ob sie ihn anlog und das hier alles nur ein Albtraum war…
    Es war weder Albtraum noch Lüge. So hirnrissig das alles auch klang… Er wusste, dass sie die Wahrheit sagte. Barrett zweifelte keine Sekunde daran, dass es wirklich so passiert war. Weil diese Stimmen in seinem Kopf Rebeccas Erzählungen zustimmten.
    Als sie endete, schluckte Barrett den Kloß, der sich in seinem Hals gebildet hatte, mit der Tasse Kaffee herunter. Sie verfielen für einen Moment in Schweigen.
    „Du willst also sagen, dass wir jetzt schon zum siebten Mal an diesem Spiel teilnehmen“, fasste er zusammen. „Weil du, als du das erste Spiel gewonnen hast, deinen Gewinn gegen eine weitere Chance für uns eingelöst hast.“
    Rebecca nickte kurz und knapp. Sie wirkte erschöpft, aber glücklich.
    „Das Reaper‘s Game ist eigentlich nur für eine Woche ausgelegt. Aber irgendwie habe ich es geschafft, den Leiter des Spieles, Nathaniel, davon zu überzeugen, mir noch eine Chance zu geben.“
    „Um uns zu retten“, ergänzte ein Zwilling, den Blick starr auf den Tisch gerichtet.
    „Warum?“
    Barrett wusste selbst nicht genau, warum er fragte. Er sollte froh sein. Er war auch froh. Sein Leben für diese anderen Fünf aufzugeben… Er wusste nicht, ob er dazu fähig wäre. Er konnte es nicht sagen. Nicht zu diesem Zeitpunkt.
    „Ich weiß es selbst nicht genau“, gab Rebecca zu. „Es wäre unfair gewesen. Ohne euch…“
    Sie verfiel in Schweigen, als ihre Stimme brach. Barrett wollte zu ihr herüber gehen, einfach ihre Hand nehmen.
    Es war ein merkwürdiger Impuls. Einer, der aus dem Nichts kam und dann in seinem Kopf darauf pochte, erfüllt zu werden. Er wollte für sie da sein, ihr sagen, dass sie es dieses Mal schaffen würden. So, wie sie es ihm auch einmal gesagt hatte.
    Barrett kämpfte dagegen an. Er kannte sie nicht richtig. Es waren nur ein paar Erinnerungen an sie, die noch da waren. Für ihn, so, wie er jetzt war, war sie eine Fremde. Er würde sie erst wieder neu kennen lernen müssen. Auch, wenn sein Unterbewusstsein ihm deutlich machte, dass sie einmal viel mehr als bloß Fremde gewesen waren.
    „So oder so“, meldete sich einer der Zwillinge wieder zu Wort. „Das hier ist jetzt unsere letzte Chance.“
    „Wir dürfen uns keine Fehler mehr erlauben“, ergänzte der andere.
    „Das stimmt.“ Rebecca legte ihren Arm um Noah, der die ganze Zeit über stumm zugehört hatte. „Ich weiß, dass ich es die letzten Male nicht geschafft habe, aber dieses Mal wird es funktionieren.“
    „Dieses Mal wird Nathaniel sein kleines Spiel nicht gewinnen“, murmelte Barrett.
    „Dafür müssen wir aber alle zusammen bleiben.“ Rebecca sah jedem in der Runde einmal in die Augen. „Ich weiß nicht, was er alles für uns bereit hält, aber…“
    „Mach dir darum mal keine Gedanken.“ Barrett konnte es nicht ganz fassen, aber einer der Zwillinge begann tatsächlich zu grinsen. Sein Pendant neben ihm verzog die Lippen auf genau die gleiche Art und Weise. „Ich glaube, wir sind alle nicht ganz scharf darauf, noch einmal ausgelöscht zu werden.“
    Sie verfielen für einen Moment in Schweigen. Es war eine angespannte, ätzende Stille, die danach verlangte, dass man sie auflöste. Aber für eine Weile traute sich keiner von ihnen, etwas zu sagen. Bis Barrett sich am Riemen riss.
    „Nur, damit wir schon planen können…“, begann er und räusperte sich. „Wann müssen wir mit einem nächsten Angriff rechnen?“
    Rebecca starrte ihn für einen Moment an. Es brachte ihn kurz aus dem Konzept, bis er begriff, dass sie nachdachte.
    „Heute nicht mehr. Aber Morgen… Wir werden eine Aufgabe erhalten und dann… Er wird Noise auf uns Hetzen. Noise, oder Reaper, die uns aufhalten, bis unsere Zeit abläuft. Wenn der Countdown endet, dann werden wir alle ausgelöscht. Wenn die Noise kommen, dann…“Sie sprach es nicht aus, aber es war auch nicht nötig. Die Zwillinge warfen sich einen Blick zu.
    „Beim ersten Mal ist Logan gestorben“, sprach der, der sie in den Raum geführt hatte.
    „Und wenn das passiert“, fuhr Logan fort. „Dann wird Matt ausgelöscht.“
    „Es wird nicht passieren“, erwiderte Rebecca energisch. „Wir haben es schon drei Mal geschafft, diesen Moment zu überwinden. Das schaffen wir auch dieses Mal.“
    Matt grinste breit. „Mach dir darum mal keine Sorgen. Noch einmal werde ich nicht zulassen, dass Logan etwas passiert.“
    Sein Bruder senkte den Blick auf den Tisch, aber Barrett sah, dass er leicht lächelte. Ob er sich daran erinnerte, wie er das erste Mal ausgelöscht worden war?
    Wie fühlte es sich wohl an? Ausgelöscht zu werden? Ein zweites Mal zu sterben? Spürt man es überhaupt? Hatte Rebecca Schmerzen gehabt, als sie gestürzt war, während sie vor dem Bären weglief. Sicherlich. Sie hatte überall geblutet. Es musste weh getan haben…
    Zum ersten Mal war er froh, dass er sich nicht daran erinnern konnte, wie er ausgelöscht wurde. Bei lebendigem Leibe zu verbrennen war schon eine Erfahrung gewesen, auf die er lieber verzichtet hätte, aber von einem Wesen wie diesem Bären zerquetscht zu werden…


    Etwas vibrierte in seiner Tasche. Alle schreckten aus ihren Gedanken auf, ihre Hände griffen in Hosen- und Jackentaschen.
    Barrett umschloss das Smartphone mit seinen Fingern und zog es schnell heraus. Das Display leuchtete und ein kleines, blinkendes Symbol in der oberen Leiste zeigte eine neue Nachricht an.
    „Das ist dann wohl unser Auftrag“, murmelte Logan.
    „Nein“, antwortete Rebecca, ihre Augen fest auf das Handy gerichtet. Sie hatte die Nachricht scheinbar längst geöffnet. Und ihre versteinerte Miene zeigte Barrett, dass ihr der Inhalt nicht gefiel.
    Barrett holte tief Luft und schloss die Augen für einen Moment, als seine Finger wie von automatisch das Icon berührte.
    Als er sie wieder öffnete, stachen ihm die schwarzen Letter in den Augen.


    Ich heiße euch willkommen in Woche sieben unseres kleinen Spiels. Denkt daran, dass es die letzte Chance ist, euch ein neues Leben zu verdienen. Glaubt aber nicht, dass ich es euch einfach machen werde. Ich hasse es nämlich, zu verlieren. Strengt euch also besser an.


    Denn der Gewinner erhält alles und der Verlierer nichts.



    [tabmenu]
    [tab='Endlich...']
    ... geht es weiter. Gott, ich habe tatsächlich ganze drei Monate gebraucht, um mal ein neues Kapitel zu schreiben x___x Es tut mir wirklich Leid, ich weiß selbst nicht genau, warum ausgerechnet jetzt so viel in der Schule zu tun ist. Da ich damit aber bald durch bin, werde ich demnächst sicherlich mehr Zeit haben und die Kapitel kommen hoffentlich auch etwas schneller. Bis dahin wünsche ich euch schon einmal viel Spaß mit dem neuen Kapitel.
    [tab=Rekommentare]
    [subtab=Tyleon]
    Ja, diesmal kann ich dir tatsächlich auch mal nen Gb Eintrag schreiben, um dir bescheid zu sagen, dass ein neues Kapitel da ist. :D Ich picke mir jetzt nur ein paar Sachen raus, zu denen ich meinen Senf geben möchte.


    Zitat

    Zu aller erst spricht mich die Handlung sehr stark an, ich habe The World ends with you leider nie gespielt, aber zumindest mal von gehört. Dementsprechend sind mir die Aspekte des Reaper's Game gänzlich unbekannt was natürlich für eine gewisse Spannung sorgt.

    Es ist echt schade, dass Twewy so wenig Aufmerksamkeit bekommen hat, weil es ein unglaublich interessantes und spannendes Spiel ist, das sowohl von der Steuerung als auch von der Story her echt außergewöhnlich ist. Wenn du also mal die Chance hast, daran zu kommen, empfehle ich dir das Spiel wärmstens.


    Zitat

    Meine persönliche Vermutung liegt ja da, dass die Player beim Reaper's Game mehrere Leben zur Verfügung haben & sie ihr vorrausgegangenes Leben beim Kampf gegen den Bären verloren hat. Diese Erfahrung, die Stimme in ihrem Kopf, versucht natürlich ihr Unterbewusstsein irgendwie zu steuern um ein erneutes Scheitern zu verhindern.

    Fast richtig. :) Im neuen Kapitel wird das Ganze ja aufgeklärt. Im normalen Reaper's Game hat der Player aber nur ein Leben. Im Spiel selbst gibt es auch mehrere Wochen, das ist aber eigentlich auch die Ausnahme und nicht die Regel. :)


    Zitat

    Gespannt bin ich auf Noah, ob er als kleiner Junge in Kämpfen gegen Noise und allgemein bei den Aufgaben nicht eher eine Last als eine Hilfe sein wird. Auch wie er gestorben ist würde ich gerne erfahren & vielleicht kriegt man ja auch noch mit wie man Rebecca & er im vorherigen Versuch zusammengefunden haben.

    Ich denke, dass ich bei jedem Kapitel den Fokus auf einen anderen Charakter legen werde. Barrett war in diesem dran, es folgen also noch Noah, Avary und Logan+ Matt, die ich eventuell zusammenlegen werde. Dann bleiben immer noch zwei Kapitel, um übrig gebliebenes zu besprechen. Ich werde mir Mühe geben, alles mit hineinzunehmen, allerdings weiß ich nicht, ob ich das schaffe, weil ich bestimmtes nicht so wichtig finde. Mir geht es in erster Linie darum, die zwischenmenschlichen Beziehungen Schritt für Schritt aufzuzeigen, jedes Kapitel immer noch ein bisschen etwas mehr.


    Zitat

    Mit Avary & Barrett hat man dann ja zwei weitere Charaktere vorgeworfen gekriegt, die zwar beide etwas kurz kamen...

    Das kommt alles noch, keine Sorge. Logan und Matt kamen in diesem Kapitel auch ziemlich kurz, aber auch die beiden werden noch behandelt werden. :)


    Zitat

    Was die Korrektur angeht gabs nur Flüchtigkeitsfehler & einmal eine Wortwiederholung die vermutlich auch nur aus Flüchtigkeit heraus entstand, um ehrlich zu sein finde ich die jetzt aber grade nicht wieder im Text & Word streichts auch nicht an, von daher mache ich das vielleicht noch wenn ich wacher bin.

    Das ist auch immer mein Problem, weil Word gerne mal Worte korrigiert, ohne dass ich es möchte, und mir die Fehler dementsprechend auch nicht mehr anstreicht. Daher kommen auch die Flüchtigkeitsfehler. :)


    Danke für deinen Kommentar, ich werde dich auf jeden Fall auf die Benachrichtigungsliste setzen. :) Viel Spaß beim Lesen, beziehungsweise, wenn du das hier liest, hast du das Kapitel eventuell schon durch. :D
    Dandelion~
    [subtab=Dunames]
    Ich möchte mich gleich zu Beginn schon einmal für deinen lieben Kommentar bedanken, ich habe mich sehr darüber gefreut, von dir Lesen zu dürfen und hoffe, dass du auch in Zukunft Spaß an der FF hast. :) Ich picke mir auch bei dir ein paar Sachen heraus, die ich noch kommentieren möchte.


    Zitat

    Zwar habe ich das Spiel nie gespielt (mir lediglich einige Let's Plays dazu angeschaut), aber dennoch habe ich mich letzten Sommer intensiv damit befasst, besonders da in Kingdom Hearts Dream Drop Distance, dieses Spiel auch dort aufgegriffen worden ist und mein Interesse geweckt hat.

    So in etwa lief das bei mir auch. Ich habe gehört, dass die Charas in KH 3D vorkommen und hatte auch schon vorher von Twewy gehört, auch schon einmal in ein Let's Play hineingeschaut, nur hat mich die Story dann so fasziniert, dass ich es selber spielen wollte. Es war nicht ganz einfach, das Spiel zu bekommen, aber es hat sich gelohnt. :) (Neku und Joshua sind einfach Zucker <3)


    Zitat

    Ich selber hätte eher damit gerechnet, dass sie sich an alles gewöhnen muss und dieses ihr näher erläuterst werden müsste, damit sie sich zunächst in dieser „Welt“ zurecht findet. Das sie bereits darüber Kenntnisse besitzt, fand ich anfangs etwas schleierhaft, baut aber auch viel Spannung mit ein, da hier einiges noch unklar ist und der Leser sich selbst Fragen stellt, die zum weiterlesen animieren.

    Ich denke, das hat sich mit diesem Kapitel alles aufgeklärt. :)


    Zitat

    Hier bereits ging mir das Geschehen etwas zu schnell, wiederum ist es aber positiv, dass es auf der anderen Seite, das Eigentliche nicht auf sich warten lässt, wobei ich eher nur eine „Kampfszene“, begrüßt hätte, was aber nicht heißen soll, dass dem Ganzen abgeneigt bin. Manchmal fand ich aber, dass einiges weniger für das erste Kapitel (oder den ersten Tag), vielleicht besser wäre, da es dann doch letztendlich einen teilweise überrumpelt hat, zudem die Charaktere gegen Ende mir etwas in das Geschehen zu knapp intrigiert wurden, weswegen sie auch etwas unscheinbar zuletzt wirkten.


    Das Reaper's Game ist hektisch, das muss man einfach sehen. Zum einen bedroht der Countdown das Leben, zum anderen die Noise. Es gibt keine Zeit zum Ausruhen, und genau das sollte mit diesem Kapitel auch klar werden. In anderen FFs habe ich Zeit, alles genau zu beschreiben, aber ein Tag im Reaper's Game ist ja auch kein ganzer Tag, nur ein paar Minuten, wenn es hoch kommt, zwei Stunden. Es bleibt kaum Zeit, es ist gefährlich, ein Spiel auf Leben und Tod eben. Und dass die Charaktere so unvermittelt aus dem Moment gerissen werden, ist auch beabsichtigt. Wir aber auch in diesem Kapitel aufgefasst. :)


    Zitat

    Was mir aber selber etwas gefehlt hat, waren die Personen an sich, durch die Handlung bzw. das Geschehen, kamen deren Persönlichkeit wenig zum Vorschein, was aber nicht unbedingt ins Gewicht fällt, da es „nur“ der Anfang ist und zum anderen Teil, du vielleicht in den nächsten Kapitel dich näher mit diesen befasst.


    Hier wieder: Der erste Tag ist hektisch. Rebecca weiß selbst nicht genau, was los ist, wird aber angetrieben, weiter zu machen, weil ihr Innerstes ganz genau weiß, dass sie sich beeilen muss, oder Barrett und Avary werden sterben. Daher gibt es für sie auch nicht großartig Zeit, sich Gedanken zu machen über sich selbst oder Noah. Es wird in den nächsten Kapitel aber auf jeden Fall noch einen Fokus auf die anderen Charaktere geben, jedes Kapitel wählt einen anderen Charakter, aus dessen Sicht geschrieben wird, so wie in diesem Barrett der Main-Chara ist.
    Jetzt, da sie aber weiß, was los ist, wird auch der Tag etwas ruhiger werden und es bleibt mehr Zeit für Gefühle, Gedanken und Charakter an sich.


    Die Fehler habe ich, so weit es mir möglich war, behoben, auch wenn ich bei der ersten Wortwiederholung nicht den zweiten Part gefunden habe, da weiß ich nicht so genau, wo die Wortwiederholung zu finden ist. ^^ Der Rest ist jetzt aber behoben. Danke für die Mühe!


    Dandelion~
    [/tabmenu]

  • Huhu Caith o/


    Schande über mich, ich wollte hier schon viel früher anfangen, zu lesen und kommentieren, aber irgendwie ist das untergegangen, doch als ich da so mit einer plötzlichen Mangelerscheinung an Fragile Dreams rumsaß, dachte ich mir, wenn ich schon aufs nächste Kapitel warten muss, kann ich genau so gut deine anderen FFs stalken anschauen, und The Reaper's Game bot sich da weil nur zwei Kapitel bis jetzt und so an. Und was soll ich sagen... Noch eine FF, bei der ich die neuen Kapitel ungeduldig herbeisehne. Was machst du bloß mit mir? ;A;


    Das Spiel kenne ich übrigens nur vom Namen her (hab jetzt aber ziemlich Lust, es mal auszuprobieren, haha), also verzeih' mir irgendwelche Fails meinerseits. ^^"


    Aber alles der Reihe nach. Sehr schöne Gestaltung, passend düster und yay Hintergründe, im Startpost ist alles drin blablabla, schätze, das weißt du selbst, und ich mag die Kugeldinger, schätze mal, die sollen die Tribals darstellen?


    Dass ich deinen Schreibstil liebe, solltest du mittlerweile wissen, auch in TRG, das vom Stil her wenig mit FD zu tun hat. Was mich ein wenig gestört hat, war die Tatsache, dass es jetzt in Kapitel 2 so viele Perspektivenwechsel innerhalb eines Absatzes gab. Hat mich vor allem als Rebecca mit Nathaniel sprach doch ein wenig aus der Bahn geworfen, als es urplötzlich von Nathaniels Gefühlswelt zu Beccas wechselte. Ansonsten habe ich eigentlich nichts zu meckern, die Actionszenen fand ich sehr cool, mein persönlicher Favorit ist bis jetzt aber die angesprochene Szene zwischen Nathaniel und Becca, da kam die Atmosphäre schön rüber und ich mag so wahnsinnige Charaktere wie Nathaniel sowieso sehr gern, hehe.


    A propos Atmosphäre (ich hätte auch a propos Charaktere sagen können, aber das hätte man erwartet und das wäre langweilig)... Ich mag diese düstere Atmosphäre total gern, auch wenn sie völlig anders als die von FD ist - ich fühl mich furchtbar, weil ich TRG immer nur mit FD vergleiche, argh -, die Gestaltung trägt nur dazu bei. Ich hatte wirklich dieses Grau-in-Grau-Gefühl, was jetzt total negativ klingt, aber positiv gemeint ist, alles ist so unglaublich knapp und könnte vorbei sein, wenn man nur eine Sekunde zu spät ist, die Spannung ist eigentlich auch in den etwas ruhigeren Momenten konstant hoch gehalten, alles andere wäre in einem Spiel ums eigene Leben ja auch Themenverfehlung (warum muss ich grad an The Hunger Games denken?), und alles ist so schön verworren (noch), hach ja, sowas mag ich.


    A propos verworren, mein Leseeindruck in einfachen Ausdrücken dargestellt dargestellt sähe in etwa so aus:
    Huh? Ah. Hä? Woher... Oh. Ooooooh. Waaah! Puh. Was zum... Nein! ;A; / ende von kapitel 1 / Warte was jetzt? Okay, das ist cool. Ach sooo! Jetzt versteh ich. ... Glaub ich. Wie zur Hölle heißen die Zwillinge? Okay. Uh! D=
    Falls das deine Absicht gewesen war, Glückwunsch, und falls nicht, lass dir zumindest gesagt sein, dass ich mich trotzdem bestens unterhalten gefühlt hab. =D Das Ganze in schön auszudrücken wäre doch langweilig und so ist es viel aussagekräftiger, pff. Wozu nicht zuletzt die Charaktere beitragen.


    A propos Charaktere (jetzt aber)! Ich mag sie alle bis jetzt, aber ich mach mal eine Rangliste.
    1. Super, kann ich mich gleich nicht entscheiden... Entweder Barrett, Becca oder Nathaniel. Ersteren MAG ich einfach, meine Ahnung wieso, Becca ist genau richtig geschrieben meiner Meinung nach, sie ist mitfühlend, kämpft auch für ihre Freunde / Verbündete, und das alles in einem gesunden Maße, dass es noch realistisch wirkt. Und Nathaniel hat halt den wahnsinnige-gruselige-offenbar-sadastische-nicht-menschliche-Antagonisten-Bonus, auch wenn mich meine Vernunft anschreit, dass er eigentlich ganz unten stehen sollte, ich bereue nichts!
    2. Die Zwillinge. Okay, Matt und Logan, aber ihre Namen kamen so spät, dass ich mich an den Term gewöhnt habe. ._. Irgendwie erinnern sie mich an Fred und George, liegt wohl an der Haarfarbe und naja, der Tatsache, dass sie Zwillinge sind. Viel hat man ja noch nicht gesehen von ihnen, aber sie sind mir schon sympathisch.
    3. Avary und Noah. Die beiden haben irgendwie noch keinen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Hoffe, sie bekommen noch mehr Fokus.


    Hab in Kapitel 2 genau 3 Minifehler gefunden, Kapitel 1 hat ja Dunames schon übernommen. ~


    Zitat

    In zwei Kelchen glitzerte dunkelroter Wein, in einer silbern glänzenden Schale lagen fein gestapelte Karten.
    Spielkarten, die oberste das Herz Ass.


    Müsste Herzass oder Herz-Ass heißen.


    Zitat

    Er wusste nicht warum Avary es zuließ.


    Komma fehlt.


    Zitat

    Wenn die Noise kommen, dann…“Sie sprach es nicht aus, aber es war auch nicht nötig.


    Minitippfehler, hier fehlt ein Leerzeichen.


    So, dass war's auch schon wieder von mir. Ich hab so langsam das Gefühl, dass ich nicht in der Lage bin, wirklich hilfreiche Kommentare zu verfassen. Tut mir leid, sollte ich dich nerven. ;A; Benachrichtigungsliste (GB) wär schon schön... *blick zur kettensäge schweifen lässt*


    [denk dir hier eine poetische ausleitung]

  • So, dann habe ich mich auch mal wieder durchgearbeitet, schön das es weiter ging :)
    Das Kapitel war ja mal sehr sehr aufschlussreich, zumindest für mich, also ich hatte ja schon diese grobe Vermutung & so, aber jetzt weiß ich ja Bescheid. Wie versprochen hat man jetzt auch einiges mehr über die anderen Charaktere, beziehungsweise diesmal nur Berrett & Avary, aber Eines nach dem Anderen.
    An sich hat mir alles wieder sehr gut gefallen, es waren zwischendurch wieder so kleine Ticks von Word drinn, aber häufig kam das auch nicht vor, passt alles. :D
    Uuuund, ich muss aufhören Musik beim Kommentar schreiben zu hören, irgendwie fang ich zwischendurch an die Lyrics zwischen die Wörter zu mischen. Okay, Konzentrationsphase - mir gefiel die Szene mit Nathaniel gut, sie war nicht perfekt, ich hätte mir zumindest auch noch gewünscht zu wissen was er eigentlich an hat ( Ich hoffe jetzt einfach mal dass ich das nicht einfach überlesen habe, wenn doch dann schau mal bitte dezent drüber weg óLò ), ansonsten war ja wieder vieles an Beschreibungen drinn. Konnte man sich - bis auf die Klamotten blöderweise :D - alles sehr gut vorstellen, dass das wichtig ist sich alles vorstellen zu können ohne sich selber was dazuzudenken & du das gut draufhast brauch ich dir jetzt aber nicht zu erzählen. Desweiteren wurde ja dieses Kapitel eher Aufklärung betrieben, weniger Action drinn, fand ich jetzt aber auch nicht so sehr schlimm, habe es nur etwas vermisst weil mir die Kämpfe sehr gut gefallen haben. Aber naja, es kann ja nicht immer alles in einem Kapitel drinn sein, irgendwo müssen auch Abstriche gemacht werden. Es kann ja jetzt erstmal so richtig losgehen, die Truppe scheint so zusammen, spannend wird jetzt wirklich ob sie es schaffen die kompletten verbliebenen 6 Tage zu überleben & wenn ja - wie. Spannung ist also aufjedenfall drinn, Cliffhangermäßig baut das Ende des Kapitels jetzt natürlich darauf auf dass man sich fragen darf was auf sie zukommt, die Nachricht war ja eine eindeutige Drohung.
    Ich hätte jetzt fast die Zitate übersehen die ich hier die ganze Zeit vor mir herschiebe, das sind nur noch ein paar Sachen die ich anzumerken habe, ansonsten bin ich nämlich so weit fertig. Konstruktiv ist zwar was anderes, aber ich muss ja zumindest mal erzählen wies mir gefallen hat.


    Namque solebatis, meas esse aliquid putare nugas!“

    Musste dann erstmal schlucken, selten dass mir beim Lesen nen Schauer über den Rücken läuft. Aber nicht weil ich auch nur ein einziges Wort, außer vielleicht esse verstanden hätte sondern nur weil mich das so unfassbar brutal in die schlimmen Jahre meiner Lateinzeit erinnert hat. :D


    Rebecca stützte Avary, die sich mühevoll hochkämpfte. An ihrer Seite stand Noah, unschlüssig, was er tun konnte, vergrub er sein Gesicht in die Jacke des Mädchens.
    Alle standen sie bei ihr. Vertrauten ihr. Obwohl sie sich doch erst gestern getroffen hatten.
    Oder etwa nicht? Was waren das für Bilder, Satzfetzen und Geräusche, die in seinem Kopf nachklangen wie ferne Echos? Es mussten Erinnerungen sein. Nur… Erinnerungen von wann? Sie kannten sich doch nicht!
    Und trotzdem flüsterte Rebeccas Stimme in seinem Kopf:
    „Wir werden gewinnen. Das verspreche ich.“

    Da fand ich das irgendwie sehr schwer durchzublicken. Also es gibt ja verschiedene Möglichkeiten - Die Beschreibung ist A) in Rebeccas Kopf, was dann aber nen Logikfehler in deiner Handlung sein würde wozu ich beim nächsten Zitat komme. Oder die Beschreibung ist B) in Avarys Kopf, was du dann irgendwie vielleicht deutlicher machen solltest & dazu noch passt irgendwas nicht wenn Rebeccas Stimme in seinem Kopf ist.
    Möglichkeit C) das mit dem seinem Kopf ist richtig so, es sind also Berretts Gedanken (ich vergess jetzt schon wieder wie der Name geschrieben wird, vergib mir ._.) dann passt aber der ganze Rest nicht.


    „Das Reaper‘s Game ist eigentlich nur für eine Woche ausgelegt. Aber irgendwie habe ich es geschafft, den Leiter des Spieles, Nathaniel, davon zu überzeugen, mir noch eine Chance zu geben.“

    Rückgreifend also auf die Möglichkeit A), es sind (was für mich irgendwie dann noch am logischsten wäre, die anderen beiden Möglichkeiten waren jetzt eher weil ich nicht ganz glauben kann dass bei deiner Story hier so nen Fehler drinn steckt) Rebeccas Gedanken. Wenn sie aber in dieser Beschreibung nicht weiß woher diese Erinnerungen kommen & so, warum kann sie dann allen so breit erzählen was passiert ist? Weil irgendwie wirkt es im vorherigen Zitat auf mich so als könnte sie sich dann doch wieder nicht an die erneute Begegnung mit Nathaniel erinnern, also eine von beiden Stellen müsstest du da irgendwie ausbessern.
    Mehr gibts aber nicht zu Nörgeln, schönes Kapitel, lasse dir Zeit mit dem Nächsten, Schule geht vor. Wo ich jetzt schon davon spreche, viel Erfolg ! 8)

  • Hey Dandelion. (:
    Vielen Dank für deine Benachrichtigung, ging schneller als ich es erwartet hätte, aber umso größer war die Freude meinerseits, dass es nun ein neuen Kapitel gibt.


    Day 2
    Was besonders mir diesmal aufgefallen ist, dass du auch mehr auf die Charaktere an sich eingegangen bist, als beim letzten Mal, wobei du selbst erwähntest, diese Hast das Spiel noch mehr unterstreicht. Besonders diesmal Baretts bzw. auch Avarys Geschichte im Vordergrund stand, aber vor allem der erstere, welcher später im Geschehen deutlich präsenter auftrat. Du hast diesen Charakter sehr nachvollziehbar in meinen Augen erscheinen lassen, denn er war selber misstrauisch, warum man gerade Rebecca vertrauen sollte, er jedoch ein Gefühl in dieser Richtung hatte, mit ihr dieses Spiel bereits mehrmals erlebt zu haben. Aber vor allem das du diesem Charakter gute Gedankengänge gegeben hast, wie dass er Fragen aufwirft und selbst hierbei mitdenkt, dass man mit ihm auch in gewisser Weise mitfühlen konnte. Das einzige was ich allerdings vom Vorfeld aus beantwortet hätte ist, das Avary Rebeccas Umarmung gewähren ließ, da diese wirklich am Ende war und kaum einen klaren Gedanken fassen konnte, so auch nicht wirklich die Kraft aufbringen konnte, sich zu wehren bzw. die Nachricht ihres Todes, sie sehr schockiert hat und dies erst mal verarbeiten musste. Du hast allerdings generell hier mehreres wirklich gut kombiniert, wie eben den Hintergrund zu dieser Geschichte bzw. wie es dazu kommen konnte, dass Rebecca mehrmalige Chancen erhalten hat. Gerade dieses Konzept von diesem Spiel lässt mich stark an die „Hunger Games“ erinnern, ähnlich auch dieser starke Wille bei der Protagonistin, wie der von Katniss, dass sie selber nicht die anderen aufgeben möchte, jedoch es selbstverständlich hier Unterschiede gibt, allerdings eine gewisse Ähnlichkeit beinhaltet. Interessant ist aber auch hier, dass Nathaniel - einer der Reaper -, ihr Vorhaben gewähren ließ und dieser immer wieder Möglichkeiten anbietet, alle retten zu können. Es wirkte teilweise etwas heuchlerisch, dass er dies lediglich nur tut um seinen Spaß zu haben, ich selber denke aber, dass er ihr auf seine Art und Weise irgendwie helfen möchte, von sich aus. Jedoch kann ich mir diesbezüglich auch irren, aber ich muss gestehen, dass etwas in mir sagt, dass ihm etwas an dem Mädchen liegt und von dem starken Willen das diesen Menschen prägt, fasziniert ist. Allerdings hat auch jede Großzügigkeit auch ihr Ende, sowie auch seine und nun befinden sich alle sechs Player in ihrer letzten Woche wieder – ihre letzte Chance. Was mir aber dennoch noch aufgefallen ist, da Nathaniel diesen aufs neue eine Woche mehr Zeit gegeben hat, ihnen aber die Erinnerungen an die letzten weggenommen hat, es sich hier auch etwas schwieriger gestalten wird, aus ihren bisherigen Fehlern zu lernen. Dennoch immer wieder Fetzen von diesem in jedem aufflammen, was besonders bei Barett und Rebecca deutlich zum Ausdruck kommt, so dass diese auch mehr oder weniger eine Ahnung haben, was sie nun tun sollen.
    Die letzte Szene allerdings hätte man meiner Meinung können. Gerade ab diesem Moment, wo die Zwillinge ihren Auftritt hatten, hätte man es auch mit diesem beenden können, da es dann doch etwas zu eingequetscht erschien. Aber ich denke du wolltest es mit dieser SMS beenden um so einige Fragen aufzuwerfen, allerdings dies die Zwillinge um so einiges kleiner in dem Ganzen erschienen sind, auch wenn man dennoch, einiges von diesen mitbekommen hat, so war es nur ein kleiner Teil, im Vergleich zu dem fülligen Inhalt.


    Fehler/Anmerkungen
    Auffällig war vor allem, dass du gerne mal zu Wiederholungen neigst bzw. ab und zu von diesem, Stilmittel auch in deinen Sätzen gerne mal Gebrauch machst, um so auch einige Äußerungen hervorzuheben, was auch meistens du auch gut zum Ausdruck bringt und ich selber, gerne mich mal derer bediene. Allerdings hört es sich manchmal etwas eher ungünstig an, jedoch habe ich nur einen wirklichen Satz gefunden, bei dem man es ändern könnte, wollte dich nur darauf aufmerksam machen.


    - Es Als sie es hervorholte, fiel ihr Player-Pin zu Boden.
    - Die Menschenmenge um sie herum floss weiter, wie ein zäher Strom Schlamm. Keiner nahm Notiz von ihnen. Nicht von Barrett, der die Arme vor der Brust hielt, nicht von Noah, der sich an Rebecca klammerte, nicht von Avary, die sich heftig atmend umsah, hektisch hin und hersah. <~Wiederholung
    - Das Mädchen hob den Arm, deutete auf das Mädchen, das kurz die Augen schloss und ihre Arme um den Körper schlang.


    Dunames