Die zentralen Probleme, die die Diskussion entfacht haben und eher an wenigen Stellen deutlich werden, sind die Unklarheit über die Anwendung der Vorschrift und das daraus resultierende Gefühl, eine massive Beschränkung werde aufgrund von wenigen Ausnahmefällen vorgenommen.
Kurz zu einigen Argumenten auf beiden Seiten:
- Das Argument "Das ist logisch" ist ein sehr schwaches Argument (Es ist eigentlich gar keins!), wenn man die genaue Logik nicht nachweisen kann. Thesen sind nicht logisch, sie müssen Prämissen sein, die allgemein anerkannt sind. Über die Prämisse muss Einigkeit herrschen, sie kann selbst nicht Gegenstand einer Diskussion sein. Die Konklusion muss aus mindestens zwei Prämissen erfolgen. Dann ist ein Argument gültig und schlüssig - ergo logisch. Die Prämisse wäre hier: Man darf nicht hunderte User in ihrer Profilgestaltung einschränken, um bei fünf auffälligen Usern Missbrauch entgegenzuwirken. Das ist aber keineswegs zwingend - und tatsächlich betreffen hier zahlreiche Vorschriften nur wenige User, daher sind sie noch nicht überflüssig (Das gilt z.B. für das Cheating, das Beleidigungsverbot und vieles mehr). Das heißt aber nicht, dass die These, dass man User über Maß beschränkt, nicht haltbar und somit in der Diskussion vollkommen nutzlos ist. Diese These ist aber eine Wertungsfrage, die sowohl in die eine als auch andere Richtung beantwortet werden kann. Keine der Seiten hat bessere Argumente. Das liegt einfach daran, dass in dieser Diskussionskultur nicht feststeht, welche Argumente gut sind und welche nicht. (Es liegt auch daran, dass die meisten Argumente hier Thesen sind, also wieder Wertungsfragen.)
- Das Argument, man solle doch das BisaBoard verlassen, können die Regelsetzer, also die Moderation, schon deshalb nicht fruchtbar machen, weil sie selbst daran interessiert sind/ sein sollten, möglichst viele User im Forum aktiv zu halten.
- Das Argument, man solle doch die Regel zunächst abwarten, ist deshalb schwierig, weil die User gern vorher erfahren möchten, wie diese Vorschrift angewandt wird. Das ist auch nachvollziehbar, weil sie ihr Verhalten darauf (nicht) abstimmen möchten. Insofern muss hier klar gemacht werden, wie die Regel anzuwenden ist. Das ist auch den Moderatoren (bzw. dem Team allgemein) scheinbar nicht klar.
Damit wäre die zentrale Baustelle, wie genau die Regel auszulegen ist. Und wenn darüber Unklarheit herrscht, wäre es sinnvoll, die Regel um teleologisch zu begründende Tatbestandsmerkmale zu erweitern, die bisher noch ungeschrieben sind:
- Die Regel soll insbesondere vor der Beeinflussung jüngerer User durch Profile, Signaturen und Avatare schützen, welche stets ohne Gegendarstellung und somit nur für sich stehen. Daher erscheint die Gefahr einer ungewollten Beeinflussung hoch. Dies ist das Hauptziel der Regelung. Insofern ist auch auf diese Ausführungen zu verweisen, die genau auf das Ziel der Regelung gemünzt sind und sie daher teleologisch reduzieren. Man würde den Usern helfen, wenn man dieses Ziel in den Normtext einfließen lässt: "sofern sie geeignet ist, User in eine beliebige politische, religiöse oder weltanschauliche Richtung zu beeinflussen".
- Die Regel soll den Moderatoren als Konkretisierung ihrer Handlung gelten, eine bessere Grundlage schaffen. Damit sollen Diskussionen um die Auslegung einer sehr allgemein gefassten Norm ("sittenwidriger Inhalt") gemindert werden. Es besteht die Befürchtung, dass mit der Ergänzung dieses Satzes erneut Diskussionen aufflammen, wann denn etwas "geeignet" ist. Denn tatsächlich verhilft diese Regelung auch dazu, den Ermessensspielraum der Moderation zu erhöhen. Das ist insofern scheinbar von vielen abgelehnt. Hierbei ist anzuführen: Der verfolgte Zweck kann nur über eine gesonderte Vorschrift erfolgen, die andere Weise funktionierte in der Vergangenheit nicht und führte zu großen Diskussionen über die Auslegung einer Vorschrift. Möchte man die Regel möglichst einzelfallgerecht gestalten - und darauf zielt die Argumentation der Gegenseite ab -, so muss akzeptiert werden, dass Einzelfallgerechtigkeit auch nur bei genauer Berücksichtigung des Einzelfalls stattfinden kann. Normen können aber Einzelfälle nicht berücksichtigen, sie abstrahieren stets (und müssen dies auch, um allgemein gültig zu sein). Die tatsächliche Anwendung auf den Einzelfall kann dann nur durch die Moderation erfolgen.
- Sicherlich besteht die Befürchtung, dass zahlreiche Diskussionen aufflammen, ab wann denn etwas "geeignet" ist. Damit wäre der zweite Zweck der Regelung, Diskussionen zu mindern, verfehlt. Dem kann man dadurch entgegenwirken, dass man transparent Kriterien entwickelt, ab wann eine Regelung geeignet ist, andere User dahingehend zu beeinflussen. Dann kann die Moderation nämlich bei der Begründung auf diese Kriterien verweisen und auch der betroffene User kann sich die Kriterien zu eigen machen. Gleichwohl können auch bei gemeinsamen Kriterien unterschiedliche Ergebnisse resultieren, dann muss jedoch eingesehen werden, dass beide Ansichten vertretbar sind - die Moderation sich aber zwangsläufig für eine entschieden hat, die dann gilt. Das ist die andere Seite der Medaille Einzelfallgerechtigkeit. Die Kriterien könnten beispielsweise sein: (1) Assoziation mit Politik, Religion oder Weltanschauung; (2) Vorverhalten des Users (Inwiefern ist er bekannt, mit solchen Profilen/ Avataren/ Signaturen provozieren zu wollen?); (3) Aktualität um gesellschaftliche Konflikte (Inwiefern ist gerade diese politische Richtung/ diese Religion/ diese Weltanschauung Gegenstand oder Beteiligter in aktuellen Diskussionen? Je aktueller, desto größer erscheint die Gefahr einer Beeinflussung.) und sicherlich noch weitere, die es zu finden gilt.
Kurz um sollte die Regelung um eine "Ausweichklausel" ergänzt werden, deren Anwendung im Einzelfall durch Kriterien konkretisiert werden, die auch von Userseite (hier) entwickelt werden können. Gleichzeitig muss sich dann die Userschaft damit abfinden, dass auf Grundlage der Regelung mal sanktioniert wird, mal nicht - je nachdem, wie die Norm am konkreten Fall ausgelegt wird. Die User müssen sich also dessen bewusst sein, dass sie sich vielleicht mal ungerecht behandelt fühlen, das ist notwendiges Resultat der Einzelfallgerechtigkeit. Sie können dagegen mit guten Argumenten unter Berücksichtigung der Kriterien vorgehen, gleichzeitig liegt es aber an der Moderation, eine Argumentation aufzuführen, die nicht vollkommen unsachlich und somit haltlos ist. Gelingt dies, so kann die Moderation ihre Anwendung der Norm ausreichend begründen und ihr ist dann Folge zu leisten.
Letztendlich geht es darum, ob man lieber eine einschränkende Formulierung der Norm mit höherem, aber durch Kriterien begrenzten Ermessensspielraum der Moderation möchte, oder eine nicht einschränkende, sondern extensive Formulierung, die bei konsequenter Anwendung für hohe Gleichheit, aber wenig Einzelfallgerechtigkeit sorgt.
Da wähle ich doch lieber Variante 1 in der Hoffnung, dass der betroffene User mit Argumenten überzeugen kann, warum seine Gestaltung des Profils/ des Avatars/ der Signatur nicht unter die Regelung fällt. Hier wäre es dann übrigens sehr hilfreich, wenn die Moderation vor der Entscheidung auf den User zugeht und um eine Stellungnahme bittet - denn wir wissen: Bei der Rücknahme von Entscheidungen ist die Moderation eher träge. Somit wird die Argumentation des Users häufig nur bei anderen (vergleichbaren) Fällen verwendet. Es wäre also noch ein weiterer Schritt in Richtung Einzelfallgerechtigkeit, dass der User vor der Sanktion sich dazu äußern darf. (Auch hiervon kann abgewichen werden, nämlich dann, wenn nicht damit zu rechnen ist, dass eine Argumentation auf Grundlage erarbeiteter Kriterien zu anderen Ergebnissen führen kann. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn alle Kriterien und zumindest die meisten davon eindeutig für eine Anwendung der Norm sprechen. Auch dann, wenn die Dringlichkeit eine sofortige Maßnahme legitimiert, auch wenn dann bereits häufig Fall 1 eintreten wird.)