MOSAIK

Wir sammeln alle Infos der Bonusepisode von Pokémon Karmesin und Purpur für euch!

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    [24.08.2011 – M20 – Kleiderfragen]


    Sie saßen beim Frühstück. Heidenstein hatte gefrorene Brötchen aufgebacken, die er mit Magarine und Marmelade, Pakhet dagegen mit Frischkäse aß. Am Ende aß sie ohnehin wenig zum Frühstück – der Kaffee war dagegen wesentlich wichtiger. Eine große Tasse stand vor ihr auf dem Wohnzimmertisch.

    Ein leises Klacken ließ Pakhet aufhören. Es klang, als würden Steine gegen das Küchenfenster geworden werden.

    Die Küche, die eigentlich einmal eine Kaffeeküche gewesen war, ehe Heidenstein diesen Abschnitt des Krankenhauses zu seiner Wohnung umgebaut hatte, lag direkt hinter dem Wohnzimmer und hatte keine Tür, die man hätte schließen können. Da sie im fünften Stock lag, sollte es allerdings auch niemanden geben, der so einfach würde Steine an das Fenster werden können.

    Sie drehte sich um.

    „Was?“, fragte Heidenstein und sah auf.

    Pakhet seufzte, als sie erkannte, was der Auslöser für das seltsame Geräusch war: Eine Dohle klammerte sich an dem sehr schmalen Fenstersims fest zu klopfte mit dem Schnabel dagegen. „Murphy“, sagte sie und ging zum Fenster hinüber, um es zu öffnen.

    Die Dohle flatterte herein und nahm die Gestalt des schwarzhaarigen, hellhäutigen und ausgesprochen nackten Teenagers an.

    „Warum zur Hölle hast du deine Kleidung nicht gebunden?“, fragte Pakhet und sah weg. Der Junge trieb sie damit noch zur Verzweiflung.

    Das Prinzip war eigentlich einfach: Gebundene Kleidung war auf die eigene Aura eingestimmt, weshalb Gestaltwandler sie einfach mit sich verwandeln konnten. Es war eine Methode für jede Art von Gestaltwandler nicht ständig nackt darzustehen. Für alle anderen war es vor allem von Vorteil, um Kleidung mit in andere Ebenen zu nehmen – sei es die Astralebene oder die Anderswelt. Zur Hölle, Murphy hatte Kleidung an sich gebunden, um mit ihr in die Anderswelt zu gehen und jetzt  …

    „Du musst sehen, Pakhet“, erwiderte der Junge, ohne sich darum zu bemühen, seine Blöße zu bedecken. „Ich bin ein sehr modischer junger Mann. Muss es ja auch sein, als Crashs Manager und alles, nicht? Und da kann ich es mir doch nicht erlauben ständig dieselbe Kleidung zu tragen. Und du weißt wie auszehrend dieser Rituale sein können, oder?“ Er seufzte schwer. „Davon abgesehen will ich doch niemanden diese Aussicht vorenthalten.“ Er gestikulierte seinen ganzen Körper entlang.

    „Die siehst aus wie ein magerer Teenager“, erwiderte sie und ging zurück ins Wohnzimmer, um den Rest ihres Brötchens und vor allem den verbleibenden Kaffee zu vernichten.

    „Ein sehr hübscher magerer Teenager“, protestierte Murphy und lehnte von hinten gegen das Sofa.

    Pakhet trank Kaffee und schenkte sich damit erst einmal keine Antwort.

    „Ich kann die Kleidung leihen“, meinte Heidenstein und stand auf.

    „Aber du kleidest dich langweilig“, grummelte Murphy.

    Pakhet fiel auf, dass er nie etwas zu dem Unterschied zwischen dem „alten Heidenstein“ und dem „nicht ganz so alten“ Heidenstein angemerkt hatte. Dabei war der Junge nie um eine blöde Bemerkung verlegen. Hatte er es auch bereits länger gewusst?

    „Ich möchte dennoch keine nackten Teenager in meinem Wohnzimmer haben“, murmelte Heidenstein und ging zu seinem Zimmer, dessen Tür direkt neben dem Sofa war, hinüber. Diese Wohnung war erstaunlich gedrängt.

    „Warum bist du hier?“, fragte Pakhet. „Gibt es etwas neues?“

    „Ja und nein“, meinte Murphy. „Ich fliege gleich los und tausche Positionen mit Siobhan, um das Wasserwerk zu beobachten. Der Geist scheint weit weniger Probleme mit Müdigkeit zu haben.“ Er schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern. Da war allerdings auch ein Ausdruck in seinem Gesicht, der Pakhet neugierig machte.

    Sie hob eine Augenbraue. „Was?“

    „Ach, der Möwengeist ist seltsam.“ Murphy schüttelte den Kopf. „Sehr  … Anschmiegsam, für eine Möwe. Und sie riecht nach Fisch.“

    „Wundert dich das?“

    Er zuckte mit den Schultern. „Zum Teil schon.“

    Heidenstein war aus seinem Zimmer zurück und reichte Murphy das weite T-Shirt, dass er meistens zum Training trug, und eine entsprechende weite Jogginghose.

    Murphy verdrehte die Augen, schlüpfte aber in die Kleidung, die an ihm aussah, als hätte man ihm eine Zeltplane übergezogen. Heidenstein war weder übergewichtig, noch übermäßig muskulös, doch er war groß gewachsen, anders als der Junge in dieser Gestalt. Und Pakhet war sich beinahe dessen sicher, dass er seine Gestalt nicht wechselte, weil er Energie für die Überwachung sich aufsparen wollte.

    Er seufzte melodramatisch. „Da könntest du mal passende Klamotten haben.“

    „Pass auf, Murphy“, meinte Pakhet amüsiert. „Sonst kaufe ich noch Kleidung für dich.“

    Murphy musterte sie, die sie noch immer schwarze Trainingshose und Tanktop trug. „Wäre etwas farblos, aber zumindest  …“ Er hob die Hände, wobei die Ärmel des T-Shirts an seinen Armen schlackerten.

    „Ich sehe schon.“ Pakhet lächelte matt.

    Murphy grinste. „Also, ja, ähm. Siobhan wird nachher wohl vorbei kommen“, meinte er. Er wandte sich schon wieder zum Gehen. Wahrscheinlich war die Kleidung wirklich überflüssig gewesen. Dann aber hielt Murphy inne. „Ach ja, und ich habe mit Smith geredet. Wenn du morgen Zeit hast, werde ich mit dir zu einer Magierin fahren, die Tränke und Artefakte herstellt.“

    „Okay.“ Pakhet musterte ihn. „Wieso du?“

    Murphy wich ihrem Blick aus. „Sagen wir es mal so, ich kenne sie noch.“ Dann erschien wieder sein übliches Grinsen auf seinem Gesicht. Er lief rückwärts in Richtung des offenen Küchenfensters. „Ich muss dann mal, sonst wird mich Siobhan noch zu Tode hacken.“ Damit stolperte er – ziemlich sicher absichtlich – über seine Hosenbeine und nahm noch im Sturz die Gestalt eines Rabens an, der aus dem Fenster flatterte und verschwand.

    „Ich hätte ihm wirklich keine Kleidung raussuchen müssen, hmm?“, meinte Heidenstein und sammelte Hose und Shirt vom Boden auf.

    „Nein“, antwortete Pakhet und seufzte. „Vielleicht sollte ich ihm wirklich etwas kaufen.“

    Heidenstein sah sie mit einem milden Lächeln an. „Um ihn zu nerven?“

    „Um zu verhindern, dass er hier nicht öfter nackt rumspaziert“, meinte sie. „Und ja, vielleicht auch, um ihn etwas zu ärgern.“ Sie seufzte und wandte sich wieder dem Kaffee zu.

    Ihre Nacht war nicht besonders erholsam gewesen. Sie hatte zu viele Alpträume gehabt. Aber zumindest waren ihre Wunden weiter verheilt.


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    [25.08.2011 – SI02 – Beobachtungen]


    Der Morgen verging langsam. Pakhet hasste es, weiterhin im Krankenhaus zu sitzen, nichts zu tun, doch gab es im Moment wenig, was sie tun konnte. Sie musste sich auf die anderen verlassen. Murphy und Siobhan, sowie die seltsame Möwe, um die beiden Orte zu beschatten, auf Smith und Jack, um eventuell weitere Hilfe zu besorgen, auf Alice, um Informationen über den Ring herauszufinden. Sie selbst konnte nicht unauffällig die Orte beschatten. Sie selbst kannte auch kaum jemanden außerhalb der Organisation, den sie um Hilfe bitten konnte. Ebensowenig war es ihr möglich Informationen aus dem Dark Net ziehen.

    Kurzum: Sie fühlte sich nutzlos.

    Sie verbrachte die Zeit damit, vor dem Fernseher zu sitzen und ihrem Handy missmutige Blicke zuzuwerfen, darauf wartend, eine Nachricht von irgendwem zu bekommen. Irgendeine Information, die sie weiter brachte, die es ihr erlaubte, selbst tätig zu werden.

    Doch für über zwei Stunden war ihr Handy still da gelegen.

    Umso mehr zuckte sie zusammen, als es nun dennoch vibrierte. Eine Textnachricht. Von Heidenstein, der sie darüber informierte, dass Siobhan unten im Krankenhaus angekommen war.

    „Komme“, schrieb sie und stand auf.

    Sie war bereits bekleidet, trug auch ihre Prothese, um dem Gefühl der Unvollständigkeit, dass sie ohne verspürte, zu entgehen.

    Sie machte sich auf den Weg in den Keller des Krankenhauses. Wenn sie ehrlich war, war sie froh um die Ablenkung, die ihr dies erlaubte. Verdammt, wie sehr wollte sie etwas tun?

    Siobhan wartete im Besprechungszimmer, wo sie sich auch am Tag zuvor getroffen hatten. Sie saß am Tisch, schaute etwas auf ihrem Handy nach und hatte eine Krankenhaustasse, die dem Geruch nach mit Kaffee gefüllt war, vor sich stehen.

    „Hey“, meinte Pakhet und kam rein.

    Siobhan blickte auf. „Hey.“ Sie lächelte.

    „Hat Murphy dich abgelöst?“

    Die Magierin nickte. „Ja. Ich war allerdings kurz zu Hause, um etwas zu essen.“ Sie sah bei weitem nicht so müde aus, wie Murphy am Vortag. Vielleicht konnte sie besser damit umgehen, so lange wach zu sein. Vielleicht hatte sie auch entsprechende Fähigkeiten. Einige Magier waren fähig, ihre Energiereserven durch Rituale aufzufüllen und damit mehrere Tage am Stück wach zu bleiben, zu arbeiten.

    „Nicht schlimm.“ Pakhet hätte sich auch nicht darüber beschwert, wäre die Antwort nur schriftlich gewesen. „Gibt es irgendwelche Neuigkeiten?“

    „Ja“, antwortete Siobhan. „Ich habe an den Wasserwerken beobachtet, wie insgesamt acht bewaffnete Leute angekommen sind. Ich nehme an, sie waren Söldner. Die Ausrüstung war nicht Straßengangtypisch.“

    Pakhet nickte. Das passte zu dem, was sie von Michael erfahren hatte. „Etwas neues vom Hotel?“ Immerhin konnte es sein, dass Siobhan Informationen von ihrem Schutzgeist oder was auch immer die Möwe war, bekommen hatte.

    „Trixie sagte, dass ein junges Mädchen von jemanden weggebracht worden sei. Sie wusste aber nicht, ob es eins unserer Kinder war“, antwortete Siobhan.

    Verdammt. Wenn sie eins der Kinder verkauft hatten, war die Wahrscheinlichkeit, dieses Kind – oder diesen Jugendlichen, versuchte sie sich zu verbessern – zu retten gering. Es war zu schwer nachzuvollziehen, wohin die Jugendlichen gebracht wurden. Vielleicht in ein Bordell, vielleicht in eine Miene oder auf Felder, vielleicht aber auch ganz woanders hin.

    „Danke“, sagte sie dennoch matt. Sie versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Sie wollte etwas sinnvolles sagen, auch wenn ihr im Moment wenig einfiel. „Was ist mit der Möwe, ich meine, Trixie? Kann sie das Haus länger bewachen? Murphy sagte, sie hat weniger Probleme.“

    Siobhan lächelte ein geheimnistuerisches Lächeln, wie Pakhet es schon zu oft bei Magiern gesehen hatte. „Geister brauchen nicht zwangsläufig Schlaf. Außerdem hat sie einen Schwarm hier in der Stadt. Verbündete, wenn man so will, die für sie übernehmen können.“ Sie zwinkerte. „Mach dir um sie keine Sorgen.“

    Pakhet nickte, seufzte. „Okay.“

    Siobhan musterte sie. Für einen Moment schien es, als wolle sie noch etwas sagen wollen, doch dann setzte sie den Kaffee an, trank. „Wenn du mich entschuldigst. Ich will mich für ein paar Stunden hinlegen.“

    „Sicher“, meinte Pakhet. „Du musst wegen so etwas auch nicht herkommen.“ Wieder konnte sie sich ein Seufzen nicht unterdrücken. „Aber danke für deine Hilfe.“

    „Gerne“, antwortete Siobhan. „Es ist doch immer wieder gut, das richtige zu tun, oder?“ Sie sagte es auf eine Art, die etwas zu suggerieren schien.

    Pakhet verstand nicht, zuckte mit den Schultern. „Ja.“ Sie ließ das Wort vage klingen, sah Siobhan an. „Wirklich. Danke.“

    Siobhan lächelte nur. „Ich sage Bescheid, wenn ich was neues höre.“ Damit leerte sie die Tasse, stellte sie ab und stand auf. „Ansonsten bis morgen.“

    Pakhet nickte. „Bis morgen.“


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    [25.08.2011 – S08 – Kontakte]


    Siobhan war seit zwanzig Minuten gegangen, als Pakhets Handy erneut klingelte. Smith rief an.

    „Ja?“, fragte Pakhet, ohne ein Wort der Begrüßung. So etwas war mit Smith nicht notwendig.

    „Pakhet, ich habe eventuell jemanden, der uns helfen kann“, begann Smith, ebenso grußlos.

    Etwas an seinem Tonfall, ließ sie aufhorchen. Er schien unsicher, ganz so, als wüsste er nicht, wie sie reagieren würde.

    „Ja?“, fragte sie.

    „Ich habe mich mit einigen Organisationen im Bereich des Jugendschutzes in Verbindung gesetzt“, erwiderte Smith. „Um genau zu sein habe ich Jack beauftragt, das für mich zu machen. Er hat einige Kontakte, die in dem Bereich tätig sind, speziell was Menschenhandel mit Kindern und Jugendlichen angeht.“

    Das war alles andere als genau. Smith schien absichtlich vage zu formulieren. Doch Pakhet erinnerte sich sehr wohl noch an die Worte Jacks. Er hatte ihr bei ihrem Treffen gesagt, dass er bei solchen Operationen öfter ausgeholfen hatte. Speziell bei einer Organisation. „Interpol“, sagte sie und schürzte ihre Lippen.

    Smith schwieg. „Ja“, sagte er dann.

    „Du weißt, dass ich mich bei denen nicht sehen lassen kann“, erwiderte Pakhet. „Ich  …„

    „Du wirst relativ sicher nicht von Interpol gesucht, Joanne.“ Smith betonte ihren eigentlichen Namen deutlich, hob ihn hervor. „Du weißt das. Du bist keine Terroristin.“

    „Ich will darauf nicht wetten“, murmelte sie. Sie mochte den Gedanken so gar nicht.

    „Ich gehe dagegen jede Wette ein“, erwiderte Smith. „Auch weil ich habe nachsehen lassen. Das US-Militär sucht dich, sonst niemand. Nicht einmal FBI oder CIA. Um es dir eiskalt zu sagen: Du bist nicht wichtig genug.“

    Sie seufzte. Nicht, dass sie es nicht eigentlich wusste. „Michael wird nicht mögen, dass du mir das so sagst.“ Hatte er ihr doch immer vorgehalten, dass sie nicht fort konnte, solange man nach ihr suchte.

    „Michael wird auch nicht mögen, dass ich dir hierbei helfe. Wenn es mir darum ginge, Gefallen bei Michael zu sammeln, hätte ich deine ganze Aktion an ihn verraten“, erwiderte Smith und sie war sich sicher, dass sein Gesicht nun ein breites Grinsen trug.

    Sie seufzte. „Bist du dir sicher, dass wir der Polizei vertrauen können?“

    „Wir vertrauen der Polizei oft genug, wenn wir uns von ihnen für Beihilfe bezahlen lassen, oder?“

    Das war etwas anderes. Das war lokale Polizei in Südafrika, manchmal auch den Nachbarländern. Polizei, die chronisch unterbezahlt war, oftmals leicht bestechlich und die leider zu oft die Hilfe von Spezialisten brauchte. Doch sie sagte es nicht. „Ja“, seufzte sie.

    „Also. Ich habe mit Jack gesprochen. Jack mit seinen Kontakten. Sie würden sich heute Abend mit dir in Johannisburg treffen.“

    „In Johannisburg?“, fragte sie ungläubig.

    „Ich habe einen Flug arrangiert. Du würdest dich in zwei Stunden mit Jack am Flughafen treffen.“

    „Wie gut, dass du mich vorher darüber informierst.“ Sie konnte den Sarkasmus nicht mehr im Zaum halten, schnaubte leicht. Sie verstand zu gut, dass Smith es bereits so arrangiert hatte, um ihr die Entscheidung abzunehmen. Verdammter Idiot!

    Smith wartete, dass sie noch etwas sagte, doch als sie schwieg, seufzte er. „Pakhet. Du weißt genau so gut wie ich, dass du Hilfe brauchst. Du brauchst mehr Leute, als wir so stellen können.“

    Pakhet schwieg.

    „Du weißt genau so gut, wie ich, dass wir hier einen chronischen Mangel an Polizisten haben“, fuhr er schließlich fort. „Und Jack hat diese Kontakte, also bin ich der Meinung, dass wir, wenn du es mit der Sache wirklich ernst meinst, diese nutzen sollten.“

    Noch einmal schnaubte sie. Verdammt. Warum musste alles, was er sagte, so viel Sinn machen? „Ich weiß“, murmelte sie leise.

    „Also?“, fragte Smith.

    Sie sah die weiße Krankenhauswand auf der anderen Seite des Zimmers an. Verdammt. „In Ordnung. Ich treffe mich mit Jack. Der internationale Flughafen?“

    „Korrekt.“


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    [25.08.2011 – J03 – Flug]


    Jack wartete auf sie. Wie sie hatte er nur leichtes Gepäck. Sie würden am Folgetag zurückreisen. Ach, verdammt, wahrscheinlich war es ohnehin besser, wenn sie für ein, zwei Tage aus der Stadt verschwand. Es gab nichts, was sie hier tun konnte, und je länger sie hier war, desto wahrscheinlicher war es, dass irgendjemand, den die Leute hinter dem „Casino“, hinter der Organisation, angeheuert hatten, es auf sie anlegte. Also war es nur gut, wenn sie nach Johannisburg flog. Also  … Ach, sie konnte sich nicht selbst überzeugen. Sie hasste die Aussicht mit Interpol zu sprechen noch immer.

    „Hallo, Honigschnute“, meinte Jack grinsend, als sie auf ihn zukam.

    „Nenn' mich noch einmal so und du  …“, begann sie, wurde aber von ihm unterbrochen.

    Er verdrehte die Augen. „Spar's dir“, murmelte er. „Es gibt nichts, mit dem du mir Angst einjagen kannst.“

    „Bist du dir sicher?“ Sie schnaubte.

    „Ziemlich.“ Er musterte sie. „Du bist ein guter Mensch. Du wirst mir nichts tun. Schlimmstenfalls versetzt du mir einen Kinnhaken.“ Er zuckte mit den Schultern, seufzte. „Schmerzen machen mir keine Angst.“ Etwas desillusioniertes lag in seiner Stimme. Nein, etwas anderes. Reue? Sie war sich nicht sicher, schnaubte nur wieder.

    „Ein guter Mensch?“, fragte sie.

    „Du willst diese Kinder retten“, erwiderte er. „Mit denen du nichts zu tun hast. Bist bereit darüber andere Leute aus, wie ich vermute, eigener Tasche zu bezahlen. Ja, wenn du mich fragst, qualifiziert dich das, Zuckerfee.“

    „Geht es noch alberner?“, murmelte sie.

    Er grinste. „Du hast gar keine Ahnung, mein Goldeselchen“, schnurrte er.

    „Idiot.“

    Er lachte. „Ja, das geht auch.“

    Womit hatte sie das nur verdient. „Was willst du damit erreichen?“

    Wieder zuckte er mit den Schultern. „Es macht mir Spaß.“ Er grinste. „Weißt du, die Tatsache, dass du dich so darüber aufgibst, macht es beinahe noch amüsanter.“

    „Oh, pass auf, ein Internettroll“, murmelte sie.

    Er zwinkerte ihr zu.

    Verdammt. Was er konnte, konnte sie auch. „Okay, Hoppelhäschen, was sind das für Leute, mit denen wir uns treffen?“

    Den Spitznamen nahm Jack mit einem Grinsen auf. „Tony Chase, eigentlich Brite“, erwiderte er. „Er hat mehrere Stiche gegen Menschenhandelsorganisationen geleitet. Speziell jene, die Kinder nach Europa verschiffen. Wir haben Glück, dass er aktuell hier ist. Er ist vertrauenswürdig und ein guter Mann.“

    „Wie sieht es mit seinem Wissen über, nun“ – Pakhet räusperte sich – „das Übernatürliche aus?“

    „Er weiß, was es gibt“, erwiderte er. „In diesen Bereichen  …“ Jack verstummte und für einen Moment verblasste sein Grinsen. „Sagen wir es einmal so: So etwas, wie du beschreibst, ist nicht selten.“ Er schüttelte den Kopf. „Nun, Dämonen schon. Aber zumindest werden Tränke verwendet, um Kinder gefügig zu machen. Weniger Nebenwirkungen als Drogen, weißt du? Weniger Schaden an der Ware.“ Seine Stimme wurde bitter.

    Pakhet musterte ihn. Warum interessierte er sich eigentlich so für diese Dinge. Es schien so gar nicht zu dem Rest seiner Persönlichkeit zu passen. Es sei denn, natürlich  … Ein Gedanke kam ihr. Konnte es sein? Es wäre eine Erklärung, doch sie war sich nicht sicher. Sie würde sicherlich nicht danach fragen.

    Sie nickte bloß. „Ich verstehe, denke ich. Ich wollte nur sicher gehen  … Die Polizei  …„

    „Lokal, ja“, erwiderte er. „International  … Zumindest Abteilungsleiter wissen Bescheid. Meistens.“ Jack bemühte sich wieder um sein sorgloses Grinsen. „Es wird nur nicht zu oft darüber gesprochen, wenn es nicht relevant wird. Und wann wird es schon einmal relevant?“

    „So, wie du klingst, bei diesen Operationen öfter“, murmelte Pakhet.

    „Verschiedene Einsatzgebiete“, erwiderte Jack und lächelte. „Wusstest du, dass Interpol eine eigene Abteilung für Sonderfälle der Art hat?“

    Sie sah ihn an. „Ich habe davon gehört.“ Um genau zu sein hatte sie vielleicht fünf oder sechs Mal Missionen erledigt, bei denen sie vermutet hatte, dass der Auftraggeber zu einer internationalen Sicherheit gehörte, während der- oder diejenigen offenbar über Dämonen, Fae und Taschendimensionen bescheid wussten. „Aber sie haben selbst wenig Leute mit Talent.“

    Jack zuckte mit den Schultern. „Vielleicht.“

    Tatsache war, dass ein Großteil der ohnehin schon kleinen, magischen Community vorsichtig war, wenn es darum ging, sich und all das was mit ihnen zu tun hatte, der Allgemeinheit zu offenbaren. Und diejenigen, die – wie sie, Heidenstein und die anderen in der „Firma“ – weniger Probleme damit hatten  … Nun, für sie gab es besser bezahlte Arbeit, als bei der Polizei.

    Es hatte keinen Sinn, über das Thema länger zu philosophieren. Stattdessen sah sie sich um. „Wir sollten einchecken, oder?“ Immerhin hatte sie ihr Ticket bisher nur auf dem Handy.

    „Da hast du vollkommen Recht, Cherie“, meinte Jack, endlich wieder grinsend. „Ich habe damit nur auf dich gewartet.“


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    [25.08.2011 – P01 – Polizeikontakt]


    Zu Pakhets Erleichterung fuhren sie nicht nach Pretoria, wo das eigentliche Südafrika-Hauptquartier von Interpol war, sondern zu einem chinesischen Restaurant in Linden. Es war eindeutig besser, als zur Polizeistation zu fahren. Dennoch war es ihr nicht ganz wohl dabei, so öffentlich zu sein.

    Der Tag war klar, sonnig, etwas kühl, aber noch immer warm genug, als dass Jack ein leichtes, wenngleich langärmliges Hemd ohne Jacke trug. Derweil hätte Pakhet selbst bei Hitze nicht auf ihre Jacke und die Lederweste verzichtet.

    Jack führte sie zu einem Platz hinten im Restaurant. Der Tisch war leer, doch laut Smith würde das Treffen auch erst in zehn Minuten, um sieben stattfinden.

    „Gibt es noch etwas, das du mir über diesen Chase erzählen kannst, Mäuschen?“, fragte Pakhet.

    „Was willst du wissen, Bärchen?“, erwiderte er.

    Würden sie das die ganze Zeit machen? Sie war mit solchen Spitznamen nicht einmal gut. Aber verdammt, sie wollte sich auch nicht weiter von ihm verarschen lassen. „Also, er kommt aus den UK und  …? Was für eine Art Mann ist Chase?“

    „Jemand mit einem übertriebenen Sinn für Gerechtigkeit.“ Jack hob die Hand, um einen der Kellner rüber zu winken und bereits Getränke für sie zu bestellen – ohne Pakhet zu fragen.

    Sie beschloss, es zu ignorieren, auch wenn sie normal kein Bier trank. Schon gar nicht zu chinesischem Essen. „Inwiefern?“

    „Er würde sich auch gegen Vorschriften stellen, um etwas zu tun, dass er als richtig und gerecht erachtet.“ Jack lehnte sich auf dem Stuhl zurück und schenkte ihr wieder seine ungeteilte Aufmerksamkeit. „Du wirst ihn mögen, Bunnybu.“

    Sie verdrehte die Augen. Was auch immer das heißen sollte.

    Sie konnte eine gewisse Nervosität nicht unterdrücken. Egal was Smith sagte, sie misstraute der Polizei, speziell internationaler Polizei. Immerhin war internationale Polizei oftmals auch nicht von Söldnern angetan – sofern sie ihre Dienste nicht gerade dringend benötigten. Ach, es gab so viele Gründe ihnen gegenüber misstrauisch zu sein. Sie trug nicht umsonst eine ihre Baretta in ihrem versteckten Holster.

    „Sieh an“, meinte Jack und stupste sie an.

    Sie hatte sich mit dem Rücken zur Wand gesetzt, hatte eine Übersicht und sah zwei Personen, die in Zivil zu ihnen hinüberkamen.

    Der eine hellhäutig, breit gebaut. Sein Haar rotblond. Er hatte einen kurz gehaltenen Vollbart. Die erste Assoziation, die er bei ihr hervorrief, war ein alter Seemann, nicht ein Polizist.

    Seine Begleitung war weiblich, afrikanisch. Ihre Haut war dunkel, ihr Haar, ähnlich wie das Pakhets kurz gehalten, aber kraus.

    Der Seemann nickte Jack zu. Es war wahrscheinlich Chase. Die Afrikanerin war wohl eine Kollegin. Sie kamen beide zu ihnen hinüber.

    Chase zog einen Stuhl vor, bot ihn seiner Kollegin an, ehe er sich auf den zweiten Stuhl, ihnen gegenüber setzte.

    „Jack“, meinte er mit einem milden Lächeln. „Ich hätte nicht gedacht, dich so schnell wieder zu sehen.“

    Jack hielt sein Bier in der Hand, musterte ihn. „So schnell? Es waren neun Monate, alter Brummbär.“ Also gab er allen Leuten seltsame Spitznamen.

    „Kam mir weit weniger vor.“ Chase zuckte mit den Schultern.

    Jack setzte sein Glas ab, musterte die Kollegin, die Chase mitgebracht hatte. „Das wäre wohl der Moment unsere Begleitungen vorzustellen, nicht wahr?“

    „Wie du meinst. Das hier ist Officer Lesedi Botha, von der lokalen Division für vermisse Kinder und Kindesmissbrauch.“

    Jack schenkte Botha ein gewinnendes Lächeln, das die Frau unsicher erwiderte. Dann wandte er sich Pakhet zu. „Das hier ist Pakhet. Sie ist diejenige, die diesen Ring gefunden und die ganze Operation ins Rollen gebracht hat.“

    „Pakhet, hmm?“ Chase musterte sie aufmerksam. „Das ist kein gewöhnlicher Name, oder?“

    Sie zuckte nur mit den Schultern. Er wusste wahrscheinlich, dass es ein Codename war, aber sie hatte keine Lust mit ihm darüber zu sprechen. Sie begnügte sich damit, ihr Schweigen mit einem Schluck des Biers zu begründen.

    Ein Kellner kam zu ihnen hinüber, fragte, ob sie bestellen wollten. Sie wollten. Gut, da es vielleicht einfacher war über dem Essen zu reden. Es war zumindest einfacher Gründe zu finden, nicht zu antworten.

    „Also, Ms Pakhet“, meinte Chase, „was können Sie mir genau über den Fall erzählen?“

    Sie würden so tun, als sei sie kein Söldner, oder? Zumindest würde sie unter dem Vorsatz weiterspielen. „Wir haben eine Webseite im Dark Web entdeckt, auf der Jugendliche verkauft, teilweise versteigert wurde. Vorrangig für Sexarbeit, allem Anschein nach.“ Sie unterdrückte ein Räuspern, wollte nicht zu nervös wirken. „Wir konnten der Spur eines dorthin gebrachten Mädchens folgen und haben ein Gebäude gefunden, in dessen Keller die“ – sie wollte „Kinder“ sagen – „Jugendlichen gefangen gehalten wurden.“ Wie erklärte sie, was passiert war am besten? „Wir waren nur zu zweit und haben nicht mit magischer Verteidigung gerechnet.“

    „Magisch?“, fragte Chase.

    „Dämonen“, erwiderte Pakhet.

    Bhuta musterte sie. „Was für eine Art Dämonen?“

    Wusste sie mehr? Pakhet holte ihr Handy hervor, suchte die Bilder heraus, die sie abgespeichert hatte. „Ein Schakal und eine große Schlange.“ Sie zeigte die Bilder, ohne ihr Handy aus der Hand zu geben.

    „Und der Beschwörer?“, fragte Bhuta.

    „Ich habe einen Mann gesehen. In einer Taschendimension. Ich kann jedoch nicht sicher sein, ob er der Beschwörer war.“

    Chase runzelte die Stirn. „Das ist ungewöhnlich.“

    „Ja“, erwiderte Pakhet. „Ich weiß.“ Sie blickte ihm direkt in die Augen. Er hatte hellblaue Augen. „Wie dem auch sei.“ Nun trank sie doch einen Schluck, um gegen ein weiteres Räuspern anzukämpfen. „Ich habe das Gebäude beobachten lassen. Man hat die Kinder seither fortgebracht. In ein Hotel.“ Für den Moment verschwieg sie die Wasserwerke, sie schienen so deutlich eine Falle zu sein.

    „Hotel?“ Chase sah Bhuta an.

    „Das ist nicht ungewöhnlich“, meinte die Frau.

    Pakhet nickte. Das wusste sie. Es war eigentlich der übliche MO von Menschenhändlern, Kinder von Hotels aus zu verkaufen. So üblich, dass internationale Kinderschutzorganisationen gezielt dagegen vorgingen und Datenbanken von Hotelzimmern anlegten.

    „Glauben Sie, dass das Hotel auch magisch gesichert wurde?“ Chase sah sie an.

    Pakhet zuckte mit den Schultern. Natürlich wusste sie es nicht. Doch der Kellner, der die ersten Teller mit dem Essen, gewährte ihr Zeit, die Antwort zu verzögern.

    Schließlich seufzte sie. „Ich denke nicht, dass man Dämonen im Hotel positioniert hat, sofern der Hotelbetreiber nicht mit der Organisation zu tun hat, was ich nicht ausschließen kann.“

    Jack stieß sie leicht an, schenkte ihr einen langen Blick. Er hatte deutlich bemerkt, dass sie die Wasserwerke ausgelassen hatte.

    Ach, verdammt. „Man hat fünf oder sechs der Jugendlichen auch in das alte Wasserwerk gebracht.“ Sie beobachtete Chase. „Ich nehme an, dass es eine Falle ist. Man wird den Ort sichern.“

    Chase strich sich über seinen Bart. Seine Stirn war in Falten gelegt, doch dann nahm er die Stäbchen, die neben seinen Teller gelegt worden waren. „Wie haben sie all das herausgefunden?“

    Pakhet tat es ihm gleich. „Gute Spione.“ Sie nahm etwas von dem mageren Hähnchenfleisch, das auf ihren Nudeln lag, auf, führte es zu ihrem Mund.

    „Ah.“ Auch Chase aß.

    Für eine Weile herrschte Schweigen. Sie und Chase aßen, Bhute schien unsicher, was sie sagen sollte, und Jack war offenbar genervt. Er räusperte sich.

    „Weshalb wir hier sind: Wir brauchen Hilfe, um die Jugendlichen daraus zu holen, sie möglichst sicher unterzubringen, sie medizinisch und psychologisch zu versorgen.“

    Chase nickte. „Anders gesagt: Ihr braucht ein Einsatzkommando.“

    Pakhet ließ ihre Stäbchen sinken. „Ich werde mich um das Wasserwerk kümmern. Auch wenn es zuträglich wäre, würden die Behörden sich danach um die Jugendlichen kümmern.“

    „Sie können nicht einfach um Hilfe bitten und dann beschließen, dass Sie sich um einen Teil selbst kümmern“, warf Bhute mit gerunzelter Stirn ein. „Was qualifiziert Sie überhaupt dafür?“

    Jack schenkte ihr wieder ein breites Lächeln. Wenn er es für seine Geheimwaffe hielt, war es in Pakhets Augen nicht sehr erfolgreich. „Glauben Sie mir, Pakhet ist sehr qualifiziert.“ Dabei redete er so, als würde er sie tatsächlich kennen. Dabei hatte er sie nicht einmal kämpfen sehen. Doch im Moment sollte sie sich nicht darüber beschweren. Sie konnte nicht zulassen, dass die Polizei sich an den Wasserwerken einmischte. Das war eine Falle, die wahrscheinlich ihr galt und verdammt noch mal ihre beste Chance, Informationen zu die Leute hinter der Organisation zu erhalten. Davon abgesehen widerstrebte es ihrem Stolz, jemand anderes sich darum kümmern zu lassen.

    Wenn diese Leute glaubten, sie könnten sie in so einem Hinterhalt hinrichten, würden sie schon sehen, was sie davon hatten.

    „Sind dort auch Kinder?“, fragte Chase.

    „Von allem, was wir wissen, ja“, erwiderte Pakhet. „Fünf oder Sechs. Meine Spione konnten es nicht genau sagen.“ Sie sah erst ihm, dann Bhute fest in die Augen. „Aber meine Leute und ich können uns darum kümmern. Wir brauchen vor allem Hilfe für das Hotel und für die Unterbringung der Jugendlichen.“

    „Ich gehöre übrigens zu ihren Leuten“, erklärte Jack mit einem weiten Grinsen. „Also kein Grund zur Sorge.“ Glaubte er wirklich, dass diese Worte beruhigend wirkten?

    Chase seufzte, legte seine Stäbchen ab und ließ sich in seinem Stuhl zurücksinken. Er verschränkte die Arme und dachte offenbar nach.

    „John“, meinte Bhute leise, aber nicht leise genug, als dass sie es nicht hörten. „Wir können nicht einfach einige“ – sie sah zu Pakhet und Jack – „Söldner mit einer solchen Operation  …“ Wahrscheinlich hatte sie tatsächlich so etwas wie Autorität über ihn. Immerhin unterstand Interpol, solange sie in Südafrika agierten, den örtlichen staatlichen Sicherheitskräften.

    „Wir beauftragen des Öfteren Söldner mit solchen Operationen.“ Er seufzte. „Ich denke wir können darüber reden.“ Er hob selbst sein Glas um zu trinken. „Können Sie uns weitere Bilder, Beweise über die Situation besorgen?“

    Pakhet nickte. „Ja. Fraglos.“

    „Dann werden wir sehen, was sich machen lässt.“

    „Wie schnell?“, fragte Pakhet.

    „Zwei Tage. Vielleicht drei.“ Er räusperte sich und sah sie an, sagte aber nichts mehr.

  • Das Prinzip war eigentlich einfach: Gebundene Kleidung war auf die eigene Aura eingestimmt, weshalb Gestaltwandler sie einfach mit sich verwandeln konnten. Es war eine Methode für jede Art von Gestaltwandler nicht ständig nackt darzustehen. Für alle anderen war es vor allem von Vorteil, um Kleidung mit in andere Ebenen zu nehmen –

    Das ist natürlich ein interessantes und oft gefragtes Thema. Kleidung beim verwandeln und mögliche Erklärungen wie mans machen könnte.

    Wundert mich nicht, dass du dich dran gesetzt hast, um das zu lösen.

    „Vielleicht sollte ich ihm wirklich etwas kaufen.

    Das klingt nach Forshadowing für nen richtig sweeten Moment.

    Kann mir vorstellen dass das Murphy viel bedeuten würde.

    Miene

    Ehervunwahrscheinlich bei einem Mädchen.

    „Es ist doch immer wieder gut, das richtige zu tun, oder?“ Sie sagte es auf eine Art, die etwas zu suggerieren schien

    Möglicherweise traut sie Pakhet nicht?

    Oder sie kommentiert wie persönlich Pakhet die Sache nimmt.

    Oder sie denkt daran, dass Dinge nicht immer so laufen wie man es sich wünscht?

    Sie konnte nicht zulassen, dass die Polizei sich an den Wasserwerken einmischte

    Ein Alleingang? Hm, sie wünschte sich mehrmals Hilfe, demnach würde ich sie nicht als lone Wulf type betrachten.

    Allerdings ist es auch gefährlich, von daher sieht sie es wohl als ihre Verantwortung.

    „Hotel?“ Chase sah Bhuta an.

    „Das ist nicht ungewöhnlich“, meinte die Frau.

    Pakhet nickte. Das wusste sie. Es war eigentlich der übliche MO von Menschenhändlern, Kinder von Hotels aus zu verkaufen. So üblich, dass internationale Kinderschutzorganisationen gezielt dagegen vorgingen und Datenbanken von Hotelzimmern anlegten

    Hab ich überlesen wer die Frau ist, oder könnte es sein, dass sie die wahre Interpolagentin?

  • Okay, Pakhet bekommt nun also offizielle Unterstützung - ich frage mich, ob das wohl etwas sein könnte, mit dem Michael nicht gerechnet hat? Immerhin könnte ich mir vorstellen, dass er nicht unbedingt offizielle Behörden in seiner Nähe haben will und es auch in Bezug auf seine Kontrolle über Pakhet nicht in seinem Sinne ist, wenn sie zu viel mit denen zu tun hat.

    Während noch nciht allzu viel in Sachen Action passiert, wird aber wieder viel mit den Charakteren gemacht. Die Szene mit Murphy ist dahingehend mal wieder bezeichnend, weil - na ja, Klamotten für das Kind kaufen? Das sagt schon wieder Einiges über das Verhältnis zwischen Pakhet und Murphy aus und es geht da wieder ein bisschen in Richtung, dass Pakhet so etwas wie eine Mutterrolle für ihn einnimmt. Das ist einfach so ein netter Charaktermoment.

    Ansonsten eben wieder Siobhan und Jack - bei beiden wird einmal mehr gezeigt, dass es ihnen eigentlich nicht ums Geld zu gehen scheint. Siobhan betont gegenüber Pakhet ja recht deutlich, dass es halt einfach das Richtige ist, was sie tun, und stellt dabei wieder so eine "provozierende" (also, nicht im schlechten Sinne gemeint jetzt) Frage, ob sich das eben nicht gut anfühlt. Es wirkt fast ein bisschen, als wolle sie Pakhet helfen zu realisieren, dass sie in ihrem Leben auch wirklich Gutes tun kann? Irgendwie ... Es wirkt fast so ein bisschen wie therapeutisches Vorgehen. Wird Siobhan Pakhets Therapeutin? Jedenfalls finde ich das interessant.

    Dann ist da Jack - wieder wird angedeutet, dass er eben eigene Gründe hat. Bin da gerade nicht ganz sicher, worauf Pakhet in Gedanken hinauswill: Dass er selbst mal ein Opfer eines Menschenhandelrings war? Dass er vielleicht ein solches Opfer kannte? Wären halt Dinge, weshalb er sich für so etwas interessieren könnte ... Es gäbe auch die Option, dass er selbst mal zu so einem Ring gehörte. Das ist halt so etwas, was sich ggf. als Möglichkeit anbietet, weil in einem Kapitel mal gesagt wird, dass er so etwas wie Reue zeugt. Aber das kann auch etwas anderes heißen (wenn er etwa jemanden an so einen Ring verloren hat, kann er es auch bereuen, die Person nicht geschützt zu haben oder so) und tbh will ich ihn mir nicht als Menschenhändler vorstellen, weil ich ihn abgesehen von der leichten Machoart mag, hust. Zugleich ist das mit der Reue aber auch etwas, was spezifisch aufkommt, wenn er sagt, dass er keine Angst vor Schmerzen hat. Wobei es hier ja so ist, dass er auch diesen Schnaps wegstecken konnte. Kann er Schmerzen extrem gut aushalten, weil er in der Vergangenheit viele hatte (was vielleicht eher bedeuten würde, dass er ein Opfer war) oder ist er aus irgendeinem Grund einfach schmerzunempfindlich? Bei Letzterem ließe sich auch überlegen, ob da Magie für verantwortlich ist und ob das vielleicht mit seiner "Reue" zusammenhängt (hat er irgendwas dafür geopfert, was er später bereut?).

    Ähm, ja. Ich weiß nicht. Aber bin echt gespannt darauf, was genau am Ende die jeweiligen Beweggründe sind.

  • Das ist natürlich ein interessantes und oft gefragtes Thema. Kleidung beim verwandeln und mögliche Erklärungen wie mans machen könnte.

    Wundert mich nicht, dass du dich dran gesetzt hast, um das zu lösen.

    Ja, darüber habe ich mir viel zu viele Gedanken gemacht. ^^" Aber irgendwie muss es ja erklärt werden.


    Möglicherweise traut sie Pakhet nicht?

    Also die offizielle Erklärung ist, so à la Word of God, dass sie merkt, dass sich Pakhet in ihrer Sache noch immer nicht zu 100% sicher ist und sie da ein wenig nachhilft.


    Ein Alleingang? Hm, sie wünschte sich mehrmals Hilfe, demnach würde ich sie nicht als lone Wulf type betrachten.

    Pakhet rechnet damit, dass am Wasserwerk Geister sein werden (im Hotel eher nicht) und sie vertraut nicht darauf, dass die Polizei mit Geistern klarkommt.


    Hab ich überlesen wer die Frau ist, oder könnte es sein, dass sie die wahre Interpolagentin?

    Sie ist die Kollegin von Chase. Die sind beide Polizist*innen von Interpol.


    Okay, Pakhet bekommt nun also offizielle Unterstützung - ich frage mich, ob das wohl etwas sein könnte, mit dem Michael nicht gerechnet hat? Immerhin könnte ich mir vorstellen, dass er nicht unbedingt offizielle Behörden in seiner Nähe haben will und es auch in Bezug auf seine Kontrolle über Pakhet nicht in seinem Sinne ist, wenn sie zu viel mit denen zu tun hat.

    Damit hat Michael wirklich nicht gerechnet, weil er davon ausgeht, dass sie den Behörden misstraut. Immerhin hat er ihr die ganze Zeit eingebläut, dass sie international gesucht wird.


    Es wirkt fast ein bisschen, als wolle sie Pakhet helfen zu realisieren, dass sie in ihrem Leben auch wirklich Gutes tun kann? Irgendwie ... Es wirkt fast so ein bisschen wie therapeutisches Vorgehen. Wird Siobhan Pakhets Therapeutin? Jedenfalls finde ich das interessant.

    Siehe oben. Sie versucht sie so ein wenig weiter in die richtige Richtung zu nudgen.


    Dann ist da Jack - wieder wird angedeutet, dass er eben eigene Gründe hat. Bin da gerade nicht ganz sicher, worauf Pakhet in Gedanken hinauswill: Dass er selbst mal ein Opfer eines Menschenhandelrings war? Dass er vielleicht ein solches Opfer kannte?

    Ja, da bist du schon auf der richtigen Spur ;)

  • So, es geht weiter. Dieses Mal mit sehr viel Murphy. Ich habe übrigens diese unglaublich schöne Illustration zu Murphy. Hab ich die schon einmal gezeigt?



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    [26.08.2011 – M21 – Anti-dämonisch]


    Es war gegen Mittag des folgenden Tages, dass Pakhet und Jack wieder in Kapstadt ankamen. Mit den Flügen hatte es keine Probleme gegeben – es war der zwölf- bis vierzehnstündigen Fahrt zu bevorzugen.

    Womit sie nicht gerechnet hatte, war der Gestalt, die am Flughafen auf sie wartete.

    „Hey, Pakhet!“ Murphy winkte, als sie durch das Gate kam. Er grinste, wirkte allerdings wieder müde.

    „Hey, Kid.“ Sie hielt inne, ging dann zu ihm hinüber.

    Jack folgte ihr.

    „Ich nehme an, dass ist dieser Jack?“ Murphy musterte den jungen Mann, der nicht viel größer war als er.

    „Und wer magst du sein?“ Jack hob eine Augenbraue.

    „Murphy.“ Er streckte ihm mit einem Grinsen die Hand entgegen. Beinahe rechnete Pakhet mit einem Streich, doch das war wahrscheinlich auch für Murphy zu kindisch. „Ich bin hier um unsere Lady abzuholen.“

    „Kid“, brummte Pakhet.

    „Was?“

    „Lady, hmm?“, meinte Jack. Sein Blick schien amüsiert. „Nun, ich werde den jungen Herrn sicher nicht aufhalten.“

    „Wieso habe ich mir das nur gedacht.“ Pakhet schüttelte den Kopf. „Worum geht es denn?“

    „Ich habe jemanden, der uns vielleicht mit“ – er senkte die Stimme zu einem Flüstern – „anti-dämonischen Sachen versorgen kann.“ Er grinste. „Und ich wollte mit dir hinfahren.“

    Pakhet nickte. Zugegebenermaßen hätte sie sich gerne hingelegt. Sie hatte in der vergangenen Nacht kaum geschlafen, hatte sie doch kein Schlafmittel mit ins Hotel gekommen. Sie hatte bei dem etwas überhasteten Aufbruch nicht dran gedacht, nein, hatte sich eingeredet, dass sie es nicht zwangsweise brauchte. Aber das war so nicht wahr gewesen. Sie hatte es gebraucht – hätte. Ohne waren die Gedanken zu schmerzlich gewesen. Sie musste verrückt sien, dass sie diese Sache durchzog. Verdammt, wieso tat sie es überhaupt? Es würde nichts ändern. Es konnte nichts ändern. Sie konnte nichts ändern.

    „Okay“, sagte sie.

    Murphy grinste. „Dann komm.“

    „Wie bist du überhaupt hergekommen?“ Immerhin stand ihr Wagen auf dem Parkplatz des Flughafens.

    „Motorrad“, grinste Murphy.

    Sie verdrehte die Augen. „Bist du überhaupt alt genug zum Fahren?“

    „Bitte. Du weißt doch, ich bin so alt, wie ich sein möchte.“ Er zwinkerte.

    „Reizende Persönlichkeit“, kommentierte Jack.

    Murphy grinste. „Ich weiß.“ Damit griff er nach Pakhets Arm. „Komm.“

    Sie verdrehte die Augen, wandte sich Jack zu. „Wenn du etwas von Chase hörst  …„

    Er unterbrach sie: „Dann melde ich mich. Keine Sorge, Mon Amore.“

    Ein weiteres Augenverdrehen, dann ging sie mit Murphy, der sie nach einigen Schritten ansah.

    „Mon Amore?“

    „Wunder dich nicht“, meinte sie. „Jack nennt einen, wie er will.“

    „Und du hast ihn noch nicht erschossen?“ Murphy bemühte sich, ernsthaft überrascht auszusehen.

    Sie verdrehte die Augen. „Ja. Meine Neigung zur sinnloser Gewalt ist allgemeinhin bekannt.“

    „Na, wenn man deinem Straßenruf vertraut, dann schon.“ Murphy marschierte aus dem Eingang des Flughafens heraus und entlockte ihr nur ein Seufzen.

    „Also. Woher bekommen wir jetzt 'anti-dämonische Sachen'?“

    Er drehte sich zu ihr herum. „Von einer Schamanin, natürlich.“

    Natürlich. Wieso hatte sie das Gefühl, dass die Antwort doch nicht so simpel war?


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    [26.08.2011 – M22 – Gänsemutter]


    Auf beiden Seiten der R302 breiteten sich Felder auf. Es war wie beinahe überall in Südafrika, sobald man aus den urbanen Gebieten heraus war: Man fand entweder Wildnis oder Felder.

    Zumindest war hier die Straße befestigt und man musste sich wenig Sorgen um kreuzende Elefanten machen.

    Sie waren beide auf Motorrädern unterwegs – weil Murphy es für eine gute Idee gehalten hatte. Sie hatte ihn ein paar Mal mit dem Motorrad zur Arbeit kommen sehen, bevor er sich entschlossen hatte, ständig in ihrer Nähe abzuhängen. War das wirklich erst drei Wochen her? Es kam ihr vor wie eine halbe Ewigkeit. Man konnte sich schnell an die Gesellschaft anderer Leute gewöhnen.

    Sie fuhren in Richtung Malmesbury. Murphy hatte ihr gesagt, dass die Schamanin, die er „Mother Goose“, „Mutter Gans“, genannt hatte in der Nähe des Paardenbergs eine kleine Farm hatte.

    Sie vertraute ihm. Was blieb ihr auch übrig?

    Nach einigen Kilometern und sicher einer Stunde Fahrt, bog Murphy auf eine schmalere Seitenstraße nach Rechts, Richtung Osten ab. Sie folgte ihm, noch immer angespannt ob des Motorrads. Sie war so ein perfektes Opfer für einen Scharfschützen. Wurde sie paranoid?

    Doch Pakhet wusste eins: Wenn sie die Sache durchzog und sie bei dem Versuch nicht starb, würden die Köpfe hinter der Organisation es persönlich nehmen. Das Kopfgeld würde sich erhöhen, nicht weniger werden.

    In der Ferne konnte sie ein Farmhaus erkennen. Es erweckte den Eindruck, als hätte es sich aus einem Westernfilm hierher verirrt. Es war größtenteils aus Holz gebaut, ganz im Stil der amerikanischen Farmhäuser des mittleren Westens. Es gab auch zwei Scheunen: Eine große, die offenbar genug Platz für einige Tiere bot, eine kleinere, die wahrscheinlich eher als Schuppen oder Lagergebäude diente. Das Haupthaus war länglich, hatte auf der gesamten Länge eine Veranda. Die Front war angemalt – Regenbogenfarbend. Nun, nicht ganz. Doch waren Abschnitte in hellem Rosa, andere in Blau, wieder andere in Grün, Gelb oder Weiß gemalt. Auch die Farbdichte war unterschiedlich und Pakhet ahnte bereits bei der Fahrt zu dem Gebäude, woran es lag: Sie konnte mehrere Kinder auf dem Innenhof spielen sehen.

    Hatte diese Mutter Gans einfach so viele Kinder?

    Als sie näher kam, schien es ihr unwahrscheinlich. Sie konnte acht Kinder ausmachen, allesamt im Alter zwischen sechs und sechzehn Jahren, wie sie schätzte. Fünf von ihnen waren schwarz, zwei dagegen eher blass, während das letzte Kind einen braunen Hautton hatte, den Pakhet nicht sicher zuordnen konnte.

    Zwei von ihnen, zwei Mädchen, fütterten gerade einen kleinen Schwarm fetter Hühner und sahen misstrauisch zu ihnen, als sie auf den Hof fuhren.

    Okay. Was auch immer. War das hier ein Waisenhaus?

    „Murphy?“, fragte sie, als sie von ihrem Motorrad abstieg.

    Er setzte seinen Helm ab, sah sich um. Er grinste, doch im Moment wirkte sein Grinsen eindeutig falsch. „Ja?“

    „Du musst irgendetwas bei der Geschichte über Mutter Gans vergessen haben“, meinte Pakhet leise.

    „Habe ich?“, fragte er. Er sah sich um.

    Ein älterer dunkler Junge, der gegen die Scheune lehnte, sah zu ihnen. „Wer seid ihr?“ Er sprach Afrikaans, was sie nicht überraschte.

    Murphy sah zu ihm, seufzte leise, hob dann die Hand. „Hey, Thato.“

    Die Stirn des Jungen, den Pakhet auf vierzehn oder fünfzehn schätzte, legte sich in Falten.

    Ein Mädchen von vielleicht zwölf Jahren, eins der beiden hellhäutigen Kinder, sah zu ihnen hinüber. „Bist du das, Murphy?“

    Murphy grinste. „Genau der.“

    „Was machst du hier, Rabenjunge?“, fragte Thato. Er ging zu ihnen hinüber. „Und wie siehst du überhaupt aus?“

    Murphy zuckte mit den Schultern. „Ich hatte bei Mhambi angerufen“, sagte er. „Ich bin mit ihr verabredet.“

    Thato musterte ihn. Dann wanderte sein Blick zu Pakhet. „Und wer ist sie?“

    „Eine Freundin“, erwiderte Murphy.

    Thatos Blick wanderte ihren Körper hinab und wieder hinauf. „Was ist mit Ihrem Arm passiert?“

    Woher wusste er das? Sie trug den mit Silikon und Kunsthaut überdeckten Arm, der für die meisten Menschen auf den ersten Blick wie ein normaler Arm aussah. Vor allem, da sie noch immer eine langärmlige Bluse trug, so dass nur die Hand zu sehen war. Es ging ihn nichts an, doch sie wollte nicht feindselig wirken. „Ein Unfall.“

    Thato musterte sie.

    „Warum kommst du jetzt?“, fragte das Mädchen. „Wo bist du eigentlich gewesen?“

    „Ich arbeite jetzt“, erwiderte Murphy. Er wirkte verlegen, sah immer wieder unsicher zu Pakhet.

    Langsam verstand sie. Murphy hatte hier gelebt. Jedenfalls für eine Weile. Ganz offenbar schien diese „Mutter Gans“ oder Mhambi, wie Murphy sie gerade genannt hatte, eine Art Waisenhaus zu betreiben. Danach sah dieser Ort zumindest aus. Seltsam, kam es ihr in den Sinn, sie war sich dessen sicher gewesen, dass Murphy ein Straßenkind war. Seine Art, seine Vorsicht, sprach nicht dafür, dass er an einem Ort mit zumindest einer grundlegenden Sicherheit aufgewachsen war. Konnte sie danach fragen? Wahrscheinlich ging es sie nichts an.

    „Du solltest öfter vorbei kommen“, beschwerte sich das Mädchen weiter. „Und wer ist sie überhaupt?“

    „Eine Freundin“, wiederholte Murphy.

    „Das hast du vorhin schon gesagt. Aber wer ist sie?“

    „Mein Name ist Pakhet.“ Sie sah zu dem Kind. „Und ich bin hier, um Mutter Gans um Hilfe zu beten.“

    „Was willst du von Mhambi?“, fragte das Mädchen.

    Murphy sah die Kleine an. „Das sagte sie doch schon: Hilfe. Kannst du mich zu Mhambi bringen?“

    Das Mädchen verdrehte die Augen. „Okay“, seufzte sie. Sie streckte fordernd ihre Hand aus, bis Murphy sie griff und sich von ihr zum Haus hinüberzerren ließ.

    Vorsichtig trat Pakhet auf die Veranda des Hauses. Ein Kribbeln sagte ihr, das Magie in der Luft lag. Es musste viel Magie sein, denn normalerweise war sie selbst nicht besonders magiefühlig. Dennoch: Sie hatte das Gefühl durch einen dünnen Schleier zu treten, durch eine Schutzschicht. Ein Schild, der das Haus schützte? Wovor?

    Das Mädchen schob die Tür, die offenbar nur angelehnt war, auf. Die Tür knarzte, quietschte, fiel aber nicht aus den Angeln.

    Das Haus roch ungewöhnlich. Pakhet konnte nicht genau sagen wonach. Es roch nach Kräutern, nach Holz, nach Essen, aber auch irgendwie alt. Manche Häuser hatten diesen Geruch, der sich nicht anders beschreiben ließ. Alt.

    Das Mädchen führte sie in einen Flur mit verputzten Wänden und dann nach links durch eine Tür.

    Das Zimmer, in dem sie nun standen, war komplett verputzt, der Boden eindeutig mit Lehm und Stein befestigt. Es wirkte, als wäre es in den letzten hundert Jahren nicht renoviert worden.

    Es war eine Küche, doch das Waschbecken, an dem eine ältere Frau zusammen mit einem vielleicht vierzehnjährigen Afrikanischen Mädchen stand, hatte noch eine kleine Pumpe daneben.

    Auch gab es im Raum keine elektrische Lampe und der Ofen hatte eine Feuerstelle – wahrscheinlich war deswegen der Boden hier aus Stein.

    „Mhambi“, sagte das Mädchen, das sie geführt hatte.

    Die ältere Frau, deren krauses, schwarzes Haar einige graue Strähnen hatte, drehte sich zu ihr herum. Ihre Gesichtszüge waren afrikanisch, doch ihre Haut dafür recht hell und – wie oftmals bei älteren Leuten – mit dunklen Flecken übersät. Vor allem jedoch fielen ihre Augen auf, deren Iris beinahe gänzlich schwarz zu sein schien.

    „Was ist, Pati?“ Die Frau sah sie an, ehe ihr Blick zu Pakhet und Murphy wanderte. Sie schien zu verstanden. „Murphy.“ Sie trocknete sich die Hände an der Schürze ab, die sie trug. „Trägst du schon wieder diese Gestalt?“

    Murphy zuckte mit den Schultern. „Und?“

    Die Frau seufzte und schüttelte den Kopf. „Ich verstehe dich nicht, Junge.“ Dann wandte sie sich an Pakhet. „Sie sind die Frau, von der er gesprochen hat? Pakhet?“

    Sie nickte. „Ja.“ Was ging überhaupt vor sich? Sie wusste so wenig über den Jungen.

    Mhambi, Mutter Gans, seufzte. „Pati, Sindisa, geht raus. Ich will mich mit den beiden unterhalten.“

    „Aber ich will da bleiben“, meinte das Mädchen, dass noch immer Murphys Hand hielt. „Ich habe Murphy seit  … Seit  …“ Sie überlegte. „Seit Monaten nicht mehr gesehen.“

    Die alte Frau schüttelte mit den Kopf. „Bitte ihn nachher, zum Abendessen zu bleiben. Ich möchte jetzt mit den beiden alleine sprechen.“

    „Aber“, setzte das Mädchen sofort an, erntete dafür jedoch einen strengen Blick.

    „Pati.“

    Das Mädchen seufzte schwer und nicht ohne dabei störrisch zu wirken. „Schon gut.“ Sie stampfte mit dem Fuß auf und wandte sich ab. Dann sah sie sich aber noch einmal zu Murphy um. „Bleibst du heute Abend?“

    Murphy sah unsicher zu Pakhet. „Ich weiß nicht. Ich  … Wir haben aktuell viel zu tun.“

    „Du magst uns nicht mehr“, seufzte Pati.

    Murphy wirkte verlegen. „Du weißt, dass das nicht stimmt. Ich werde euch garantiert wieder besuchen, wenn ich etwas mehr Zeit habe.“

    „Ja ja  …“ Das Mädchen schlurfte zusammen mit der anderen, die Murphy nur einen kurzen Blick zuwarf, heraus und schlug die Tür mit zu viel Gewalt zu.

    „Setzt euch.“ Mhambi zeigte auf den langen Tisch, der genug Platz für fünfzehn, vielleicht zwanzig Leute zu bieten schien und beinahe die ganze Küche ausfüllte.

    Unsicher kam Pakhet der Aufforderung nach. Sie war mit der Situation überfordert und verfluchte Murphy dafür, sie nicht vorgewarnt zu haben. Wer war diese Frau? Sie wusste zu wenig. Wie sollte sie mit ihr umgehen?

    Mhambi setzte sich ihnen gegenüber und musterte sie. „Was führt Sie hierher?“

    Pakhet sah zu Murphy, der seinerseits ihrem Blick auswich. Großartig. „Hat Murphy es Ihnen nicht erzählt?“

    „Er hat mir einiges erzählt, aber ich möchte es von Ihnen selbst hören.“ Die alte Frau sah sie mit durchdringendem, starren Blick an. Blinzelte sie nie?

    Wie oft würde sie die Geschichte noch erzählen, ehe die Sache vorbei war? Sie entschied sich für eine Kurzfassung. „Ich habe von einer Organisation erfahren, die Kinder entführt und verkauft. Sie töten einige, füttern mit ihnen offenbar Dämonen, die diese Kinder wiederum bewachen. Einige dieser Dämonen sind sehr stark gewesen, zu stark für mich. Ich brauche etwas, um sie in die Astralebene oder gar die Anderswelt zurückzuschicken.“ Die meisten Dämonen entstammten der Anderwelt und brauchten einige Zeit, um von dort in die physische Ebene zurückzukehren.

    „Wieso brauchen Sie das?“, fragte Mhambi, als wäre es nicht klar.

    „Ich will die Kinder befreien.“

    „Und warum?“ Noch immer war der Blick der alten Frau – wie alt war sie überhaupt? – ungebrochen.

    „Weil es das richtige ist zu tun.“ Wozu fragte die Alte überhaupt?

    Für eine Weile schwieg Mhambi, während Murphy auf dem Stuhl neben Pakhet unsicher hin und her rückte. Sie hätte ihm gerne einen wütenden Blick zugeworfen, beherrschte sich aber. Sie wollte dem Blick der Alten nicht nachgeben.

    Schließlich zeigte sich so etwas wie ein Grinsen auf dem Gesicht der Frau. Ein Grinsen, das zeigte, das einer ihrer Front und der danebenliegende Eckzahn mit Gold überzogen waren. „Sehen Sie sich als Heldin, Pakhet?“

    Nur mit Mühe verkniff Pakhet sich ein Schnauben. „Nein.“

    „Als was dann?“

    Langsam wurde ihr das ganze zu dumm. Die alte Frau war ihr unheimlich. „Als jemand, der nicht völlig gewissenlos ist.“

    Die Frau ließ ein kurzes Lachen hören. „Ich gebe Ihnen einen Rat: Lassen Sie sich nicht in eine Rolle zwingen, die sie nicht wollen.“

    „Keine Sorge“, zischte Pakhet, sich dessen bewusst, dass ihre Wut zu deutlich klang. Sie hasste dieses pseudo-mystische Getue.

    „Es gibt Mächte, deren Einwirkungen nicht immer für Sterbliche zu sehen sind“, fuhr die Frau fort.

    „Aha.“ Sie starrte die Frau an, bis Murphy schließlich die Stimme erhob.

    „Mhambi, bitte!“

    Die Frau seufzte und sah ihn an. „Was hast du vom Schwarzen erfahren?“

    „Nichts“, erwiderte Murphy defensiv. Er sah zu Boden. „Okay. Viel. Aber ich weiß nicht, wovon du redest.“ Sie seufzte. „Mhambi, bitte. Wir brauchen deine Hilfe. Du weißt, wie man Dämonen vertreibt.“

    Mutter Gans musterte ihn für eine Weile, dann seufzte sie wieder. „Ja, das weiß ich wohl.“ Auf einmal wurde ihre Stimme geschäftsmäßig. Sie stand auf, klopfte sich die Schürze ab. „Ich kann Ihnen einen Trank anbieten, Pakhet. Vielleicht auch zwei Tränke. Einen, um Dämonen zu schwächen, eine andere, um sie ihrer physischen Gestalt zu rauben und sie in die magische Welt zurückzuschicken.“

    „Wie viel?“, fragte Pakhet.

    „Tausend für beides zusammen“, erwiderte die alte Dame. „Für beides und die Warnung.“ Ihr Blick schien für einen Moment eine Stelle oberhalb von Pakhets Schulter zu fokussieren. „Ich würde mich an ihrer Stelle in Acht nehmen, Pakhet. Oder Sie werden in Sachen hineingezogen, mit denen Sie sehr wahrscheinlich nichts zu tun haben wollen.“

    Pakhet fragte nicht. So wie die alte Frau sich ausdrückte, würde sie sicherlich keine klare Antwort bekommen.


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    [26.08.2011 – M23 – Bruder]


    Vier Stunden später verließen sie die kleinere der beiden Scheunen, die das magische Refugium der Schamanin beinhaltete. Es hatte darin gestunken, nach verbrannten Kräutern, Weihrauch und alten Lehm. Pakhet hatte sich beherrschen müssen, nicht zu würgen. Dabei war sie nicht empfindlich, was diese Dinge anging.

    Bei sich trug sie zwei Dinge: Ein kleines Fläschchen, das einmal Schnaps beinhaltet hatte, nun aber eine durchsichtige, goldliche Flüssigkeit umfasste. Außerdem ein Lederbeutel, in dem die Schamanin eine Mischung aus Sand und der Asche verbrannter Kräuter abgefüllt hatte. Die Flüssigkeit sollte die Dämonen schwächen, der Staub sie in die Anderswelt zurückschicken. Sie fühlte sich wie der Hauptcharakter in irgendeinem Computerspiel, der gerade Verzauberungen für seine Waffen besorgt hatte. Und für fünfzehn Gold gab es noch ein Schadensupgrade für ihre Hauptwaffe, eh?

    Sie konnte nur darauf hoffen, dass es funktionierte.

    Das braunhaarige Mädchen kam zu ihnen hinüber gelaufen. „Murphy!“ Sie umarmte seine Hüfte. „Bleib doch noch etwas!“

    „Es tut mir leid, Pati“, meinte er sanft. „Ich kann nicht bleiben.“

    „Aber warum denn nicht?“, jammerte sie. „Nur ein bisschen.“

    „Weil ich etwas wichtiges tun muss“, erwiderte Murphy. „Ich arbeite jetzt. Ich muss zu meinem Chef zurück.“ Wahrscheinlich meinte er Crash. „Außerdem sind wir gerade mitten in einer Mission einige Mädchen wie dich vor sehr bösen Leuten zu retten.“

    „Dann nimm mich mit!“ Das Mädchen sah ihn mit großen Augen an.

    Er seufzte. „Das geht nicht.“

    „Aber  …“

    „Lass ihn, Pati“, meinte eine tiefe Jungenstimme, die zu einem älteren Jugendlichen zu gehören schien. Er war mindestens sechszehn und sehr kräftig gebaut. „Er ist gegangen und er wird nicht mehr zurückkehren. Außerdem dient er Schwarzfeder, oder, Rabenjunge?“

    Murphy sah sich zu ihm um. „Fasi  …“ Er schien sprachlos, etwas, das in sich für Murphy bemerkenswert war.

    Der ältere Jugendliche kam hinüber und griff Pati bei der Schulter. „Komm.“

    „Fasi“, begann Murphy noch einmal, „du weißt, dass ich dankbar für alles bin, aber ich  …“

    „Ich weiß schon“, murmelte der ältere Jugendliche, jedoch mit bitterer Stimme. „Ich hoffe, dass es dir jetzt besser geht.“ Er sah zu Pakhet. „Und dass du eine Zukunft hast.“

    „Red nicht immer so düster“, beschwerte sich Pati und sah ihn an.

    Murphy seufzte. „Es tut mir leid.“ Er leckte sich unsicher mit der Zungenspitze über die Unterlippe. „Ich verspreche euch: Wenn ich die nächsten zwei Wochen überlebe, komme ich einmal wieder vorbei.“

    Fasi nickte nur und zog Pati mit sich in Richtung des Hauses.

    „Ich warte auf dich, Murphy“, rief Pati noch zu ihm.

    „Ich komme ganz bestimmt“, erwiderte der Junge, ehe er noch einmal seufzte und dann zu seinem Motorrad ging.

    Pakhet beschleunigte ihre Schritte, um ihn nicht zu verlieren. „Kid?“, fragte sie vorsichtig. Sie hatte den Eindruck vieles nicht zu verstehen, auch wenn sie sich einiges zusammenreimen konnte.

    Er sah sie mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen an, als er seinen Helm aufnahm.

    „Möchtest du darüber reden?“, fragte sie vorsichtig.

    Murphy seufzte. „Nein“, erwiderte er und setzte sich den Helm auf, ehe er seine Jacke schloss und sich wortlos auf das Motorrad schwang.

    Sie hätte ihn aufhalten können, doch sie tat es nicht. Es ging sie nichts an, oder?


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    [27.08.2011 – C06 – Verpflichtungen]


    Eine weitere Nacht. Wieder fand Pakhet nur dank einer ungesunden Dosis Schlafmittel Ruhe. Sie wusste, dass es so nicht weitergehen konnte. Sie wusste, dass es sich auf Dauer rechen würde. Sie würde abhängig werden, wenn nicht schlimmeres. Doch was sollte sie machen: Sie wollte ausgeruht sein, wenn der Tag kam und sie hoffentlich die Operation durchziehen konnte. Bis dahin brauchte sie einen klaren Verstand, Aufmerksamkeit, um nicht aus versehen in einen Hinterhalt zu laufen.

    Am nächsten Morgen wurde sie vom Klingeln ihres Handys geweckt.

    Wieder schlief sie in Heidensteins Gästezimmer. Verschlafen tastete sie nach dem Handy auf dem Nachtschrank. Nahm es, sah auf den Bildschirm. Es war bereits drei nach acht.

    Auf dem Bildschirm wurde Crashs Name angezeigt.

    „Hey.“ Sie unterdrückte ein Gähnen.

    „Hey“, brummte Crash. „Habe ich dich geweckt.“

    „Ja.“ Es hatte keinen Sinn zu lügen. Wozu auch. „Was gibt's.“

    „Wollte fragen, ob du weißt, was mit dem Jungen los ist.“

    Pakhet ließ sich auf das Kissen zurückfallen, schaltete ihr Handy auf Lautsprecher und legte es auf ihren Bauch, um sich mit ihrer Hand die Augen zu reiben. Es war noch dunkel in dem kleinen Zimmer, dass neben Nachttisch, Bett und Kleiderschrank kaum freien Platz hatte. Sie gähnte.

    Ihre Erinnerungen wanderten zum Vortag und ihrem Treffen mit Mutter Gans. Der Junge war danach direkt fortgefahren, zu Crash, wie sie angenommen hatte. Er hatte nicht sprechen wollen. „Wieso?“

    „Ist gestern Abend betrunken heim gekommen“, brummte Crash. „War nicht bei meinem Training. War seltsam drauf.“

    Auch Pakhet brummte, jedoch keine konkreten Worte. „Wir haben gestern Leute besucht, die er wohl von vorher kannte. Ich glaube, das hat ihn stärker getroffen, als er es zugeben würde.“

    Crash grummelte irgendetwas, schien schwer zu seufzen. „Verstehe“, meinte er schließlich.

    „Sieh's ihm nach, ja.“ Pakhet sah zur Decke. Es kam genug Licht durch die Ritze unter der Tür, als dass sie zumindest die Umrisse der Möbel und die Deckenplatten ausmachen konnte. „Er hilft mir gerade sehr.“

    „Ich weiß.“ Crash machte einen unzufriedenen Laut. „Wenn du meine Hilfe brauchen kannst  …“ Er ließ ein entschlossenes Schnaufen hören. „Sag Bescheid, ja?“

    Pakhet überlegte für einen Moment. Sie war sich nicht sicher, inwiefern er sich im Moment erlauben konnte, sie zu verletzen. „Wir werden wahrscheinlich in den nächsten zwei oder drei Tagen zusammen mit der Polizei agieren.“

    „Okay.“ Crash machte eine Pause. „Übermorgen habe ich ein Trainingsspiel.“

    „Hast du nicht generell Training?“, fragte sie vorsichtig.

    „Einmal kann ich fehlen. Nur bei dem Spiel  …“ Crash klang darüber nicht besonders glücklich. War seine neue Karriere ihm jetzt schon langweilig?

    „Ich sage dir auf jeden Fall Bescheid“, versprach sie.

    „Gut.“

    „Sei nachgiebig mit Murphy, ja?“

    Ein Brummen. „Ich versuch's.“ Ein Seufzen. „Sorry, für's wecken.“

    „Schon gut.“ Noch einmal gähnte sie. „Ich rieche Kaffee. Ich denke, der gute Doc ist schon wach.“


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    [27.08.2011 – D33 – Planungen]


    Es war kurz nach sieben, als Pakhet ins Wohnzimmer zurückkam. Die Tüte mit dem Essen stand auf dem Tisch. Sie hatten schon wieder bestellt. Wie bereits an den anderen Tagen der vergangenen Woche.

    „Was ist?“, fragte Heidenstein, der auf dem Sofa saß und nicht ganz frische Pizza aus deinem Karton aß.

    „Das war Bhuta“, antwortete Pakhet. „Die Polizistin aus Joburg.“

    „Oh.“ Heidenstein drehte sich gänzlich zu ihr um und sah sie fragend an. „Und?“

    „Sie wollen die Operation übermorgen früh starten. Zwischen neun und elf. Sie wollen sich noch nicht auf die Zeit festlegen.“

    Heidenstein nickte. Für einen Moment schwieg er, wandte sich wieder seiner Pizza zu, wohl, um seinem Mund etwas zu tun zu geben.

    Pakhet seufzte, setzte sich neben ihn. Sie hatte Hähnchenspieße beim Lieferanten bestellt, die letzten Endes viel zu fettig gewesen waren. Auch sie war sich nicht sicher, was sie sagen sollte.

    Eine Minute verging. Vielleicht zwei.

    Schließlich holte Heidenstein tief Luft. „Also werden wir  … Was? Wir werden hingehen und uns um das Wasserwerk kümmern?“

    Pakhet nickte. „Das war der Plan. Ich habe es so mit Chase und Bhuta abgesprochen.“ Auch wenn sie nicht sicher war, ob man sich an diese Absprache halten würde. Immerhin war ihr klar, dass es der Polizei noch immer nicht gefiel, auf ihre Worte zu vertrauen. Sie hatte ihnen über Jack einige der Bilder zukommen lassen. Auch Bilder, die Murphy und Siobhan an den Locations gemacht hatten. An Hotel und Wasserwerk. Man sah nicht viel, doch es war wohl besser als gänzlich blind zu sein.

    „Wer kommt alles mit?“, fragte Heidenstein.

    Pakhet zuckte mit den Schultern. „Ich nehme an du. Murphy. Siobhan. Jack.“ Kurzum: Sie waren zu fünf. Zu sechst, wenn sie den Möwengeist mitzählten, der Siobhan wahrscheinlich begleitete. „Crash sagte er hat übermorgen ein Spiel.“ Sie schürzte die Lippen, hob ihr Glas, um etwas Wasser zu trinken. „Mir wäre es ehrlich gesagt auch lieber er kommt nicht. Er  …„

    Heidenstein nickte. „Ich verstehe schon.“ Er lächelte sie mild an.

    Pakhet schloss die Augen. Lehnte sich zurück, das Wasserglas noch immer in der Hand. Noch zwei Tage, dann war alles vorbei. Vorerst. Denn ihr war klar, dass das nicht alles war.

    „Hat Alice neue Informationen?“, fragte Heidenstein.

    Pakhet schüttelte den Kopf. „Nicht dass ich wüsste. Ich werde sie nachher anrufen.“ Irgendwie bereitete sie sich innerlich darauf vor, dass das dem Mädchen gar nicht gefallen würde. Sie schien Dinge gerne komplett auf ihre Art zu machen. Doch im Moment brauchten sie die Information. Sie brauchten jedes bisschen Information.

    „Kopf hoch“, meinte Heidenstein. „Zumindest wissen wir jetzt, dass die Polizei was macht.“

    Sie nickte. Gänzlich erleichtert war sie darüber dennoch nicht.

    Offenbar schien ihm ein ähnlicher Gedanke zu kommen. „Was ist der Grund, warum du sie erst nicht kontaktieren wolltest?“

    Pakhet antwortete nicht. Sie zuckte mit den Schultern, trank einen Schluck. „Misstrauen.“ Mehr wollte sie dazu nicht sagen. Sie würde ihm sicher nicht von ihrer Vergangenheit bei der Army erzählen. Sie vertraute ihm, aber das  … Es war ein anderes Leben gewesen. Ein Leben, dass mit ihrem Leben als Pakhet hier in Kapstadt wenig zu tun hatte.

  • „Ja. Meine Neigung zur sinnloser Gewalt ist allgemeinhin bekannt

    In dem Fall wärs ja nicht Sinnlos, was?

    Über die Urgency des Sinns lässt sich streiten.

    Seltsam, kam es ihr in den Sinn, sie war sich dessen sicher gewesen, dass Murphy ein Straßenkind war. Seine Art, seine Vorsicht, sprach nicht dafür, dass er an einem Ort mit zumindest einer grundlegenden Sicherheit aufgewachsen war. Konnte sie danach fragen? Wahrscheinlich ging es sie nichts

    Scheint weggelaufen zu sein, so wie das klingt. Hatte wohl schon ein bewegtes Leben.

    Verzauberungen für seine Waffen besorgt hatte. Und für fünfzehn Gold gab es noch ein Schadensupgrade für ihre Hauptwaffe, eh?

    Nur wenn du die Upgradematerialien mitbringst. 10 Erdkristalle, 3 Rath Flügelkrallen und einen Rathalos Ruby.

    „Wir haben gestern Leute besucht, die er wohl von vorher kannte. Ich glaube, das hat ihn stärker getroffen, als er es zugeben würde

    Ja, ja, die Zeit bleibt nicht stehen.

    Einmal kann ich fehlen. Nur bei dem Spiel  …

    Er gibt mir solche "Cop, zwei Wochen vor der Pensionierung" Vibes.

    Mir wäre es ehrlich gesagt auch lieber er kommt nicht. Er  …

    Sie hat die Selben Vibes.

  • Ich habe übrigens diese unglaublich schöne Illustration zu Murphy. Hab ich die schon einmal gezeigt?

    Nicht dass ich mich erinnern würde. Sieht aber wirklich hünsch aus.


    Es scheint dann langsam wirklich auf den Einsatz zuzugehen - es liegt anscheinend ja nur noch ein Tag dazwischen. Ich hätte an der Stelle wahrscheinlich ziemliches Lampenfieber, wobei Pakhet ja leider schon von etwas anderem belastet wird - die Erinnerungen, der Schlafmangel ... Die Auswirkungen ihrer Traumata machen sich da immer noch bemerkbar und Schlafmittel ist in der Tat auf Dauer keine Lösung. Ich glaube, nachdem alles vorbei ist, wird sie sich wirklich einmal eine Pause und sich vielleicht auch mit all dem auseinandersetzen müssen. Hoffe nur, dass sie und die anderen das Ganze einigermaßen überstehen (warum zweifle ich aber nur daran?).

    Ich war eigentlich schon ein wenig gespannt, wie Murphy und Jack miteinander interagieren würden, weil sie die Gemeinsamkeit haben, Pakhet ein wenig auf die Nerven zu gehen. Jetzt haben sie ja nicht viel miteinander geredet, aber sie scheinen voerst gut mit dem jeweils anderen auszukommen.

    Ansonsten - wir erfahren also ein bisschen mehr über Murphys Vergangenheit. Ich bin jetzt nur nicht ganz sicher über die Reihenfolge der Ereignisse. Ist er dort zunächst aufgewachsen und dann abgehauen und ein bisschen in Kriminelles etc. verwickelt worden, oder war es zeitlich umgekehrt? Oder war es so, dass er erst in einem schlechten Umfeld aufgewachsen ist, dann in das Waisenhaus kam und dann eben doch wieder gegangen ist? Dabei wird ja auch ein Schwarzer bzw. Schwarzfeder erwähnt - ist das irgendwie ein Gegenspieler von Mutter Gans oder zumindest jemand, mit dem die da im Waisenhaus nicht unbedingt so wohlgesonenn sind, so wie Fasis Reaktion zeigt (ich meine, Gänse werden immer mit Weiß assoziiert, auch wenn sie es längst nicht immer sind, da wäre das irgendwie so ein klassischer Gegensatz)? Und Murphy selbst ist ja ein "Rabenjunge". Wirkt so ein bisschen, als stünde er da zwischen unterschiedlichen magischen Gemeinschaften. Und ich könnte es mir bei Murphy halt grundsätzlich auch vorstellen, wenn er ein anscheinend sicheres Zuhause verlässt, um vielleicht bei jemand anderem Magie zu lernen, mit der vielleicht - ka, mehr Spaß haben kann oder so? Bzw. würde ich halt nicht unbedingt damit rechnen, dass das Leben auf einer Farm wirklich etwas für ihn ist (also, nichts gegen das Farmleben natürlich, aber er passt da eben vielleicht auf Dauer nicht rein). Fasi scheint jedenfalls sehr von Murphys Weggang verletzt worden zu sein, habe ich den Eindruck.

    Mhambi ist wieder so ein mysteriöser Charakter und auch sie fragt Pakhet wieder, warum sie das tun will. Mittlerweile scheint Pakhet wirklich jeder Person erzählen zu müssen, dass sie es tun will, weil es halt das Richtige ist, hust. Aber hey, vielleicht kriegt sie so wirklich einen Schubs in die richtige Richtung - und letzten Endes ist es ja auch so, dass die Frau ihr den Ratschlag gibt, sich nicht Rollen drängen zu lassen, die sie nicht will. Außerdem gibt sie Pakhet diese Warnung, dass sie vielleicht noch in Dinge reingezogen wird, mit denen sie nichts zu tun haben will (ist das nicht eigentlich schon irgendwie passiert?), was wohl auf das hindeutet, was noch alles kommen wird. Dass sie dann einen Punkt über Pakhets Schulter fixiert, hat mich irgendwie an dieses eine Mädchen in Lavandia erinnert, das einem sagt, dass man eine weiße Hand auf der Schulter liegen habe. Ich frage mich, ob die Frau da irgendwie noch etwas gesehen hat (oder jemanden) oder ob das jetzt nur ein Starren ins Leere war. Nun ja. (Irgendwie verstehe ich Pakhets Abneigung gegen kryptische Ausdrucksweisen, zumindest manchmal ist das doch sehr frustrierend.)

    Letzte Sache noch - Crash ist anscheinend unzufrieden? Vielleicht ist diese Karriere doch nicht das, was er will? Zu langweilig? Will er doch wieder kämpfen? Bzw. vielleicht auch für etwas "Gutes" kämpfen anstatt diese Sportkarriere? Ich weiß nicht, was da genau die Ursache seines Unmuts ist, aber wenn ich noch einmal so zurückdenke an das Kapitel, wo er diese Karriere gestartet hat - also, er war jetzt nicht "Hey, super, finde ich toll", sondern hat eher gezögert, oder? Also vielleicht war das generell nicht unbedingt das, was er wollte, hm.

    Ähm ja. Ansonsten bin ich mal gespannt, ob es jetzt direkt zur Mission springt oder der Tag vorher noch geschildert wird.

  • In dem Fall wärs ja nicht Sinnlos, was?

    Über die Urgency des Sinns lässt sich streiten.

    Nun, darüber lässt sich wirklich streiten.


    Er gibt mir solche "Cop, zwei Wochen vor der Pensionierung" Vibes.

    Ach bitte, wenn schon "sein letzter Einsatz, dann geht er endlich in Pension". Wenn schon, dann richtig.


    Es scheint dann langsam wirklich auf den Einsatz zuzugehen - es liegt anscheinend ja nur noch ein Tag dazwischen. Ich hätte an der Stelle wahrscheinlich ziemliches Lampenfieber, wobei Pakhet ja leider schon von etwas anderem belastet wird - die Erinnerungen, der Schlafmangel ... Die Auswirkungen ihrer Traumata machen sich da immer noch bemerkbar und Schlafmittel ist in der Tat auf Dauer keine Lösung. Ich glaube, nachdem alles vorbei ist, wird sie sich wirklich einmal eine Pause und sich vielleicht auch mit all dem auseinandersetzen müssen.

    Du bist da ein wenig zu optimistisch dahingehend, wie schnell Pakhet dazu kommt, ihre Traumata aufzuarbeiten. Denn dafür müsste sie einmal aktiv mit diesen Traumata umgehen und das ... Nun ja, das braucht noch ein wenig.


    Ich war eigentlich schon ein wenig gespannt, wie Murphy und Jack miteinander interagieren würden, weil sie die Gemeinsamkeit haben, Pakhet ein wenig auf die Nerven zu gehen. Jetzt haben sie ja nicht viel miteinander geredet, aber sie scheinen voerst gut mit dem jeweils anderen auszukommen.

    Das ist so ein wenig das Problem mit dem Aufbau der Geschichte. Weil alles aus Pakhets Sicht passiert, sehen wir allgemein nicht, was die anderen so miteinander machen, wenn sie nicht dabei ist. Doc und Murphy hatten bspw. auch ein paar Interaktionen mehr, aber von denen bekommt sie halt nichts mit. Genau so später die Freundschaft zwischen Siobhan und Jack. Die freunden sich relativ dicke an, aber weil Pakhet bei den Treffen der beiden nicht dabei ist, sehen wir das als Leser*innen natürlich nicht.


    Ansonsten - wir erfahren also ein bisschen mehr über Murphys Vergangenheit. Ich bin jetzt nur nicht ganz sicher über die Reihenfolge der Ereignisse. Ist er dort zunächst aufgewachsen und dann abgehauen und ein bisschen in Kriminelles etc. verwickelt worden, oder war es zeitlich umgekehrt?

    Auch damit ist es leider ein wenig hin, bis das genauer erklärt wird. Soweit weiß Alice es, Crash wird es erfahren, aber die Beziehung zwischen Joanne und Murphy ist halt auch ... kompliziert.


    Und Murphy selbst ist ja ein "Rabenjunge". Wirkt so ein bisschen, als stünde er da zwischen unterschiedlichen magischen Gemeinschaften.

    Ja, Murphys Hintergrund hat erstaunlich viel mit der späteren Entwicklung der Geschichte zu tun. Denn mit dem, worum es in Teil 4 geht, hat er bereits einige Erfahrungen gesammelt.


    Außerdem gibt sie Pakhet diese Warnung, dass sie vielleicht noch in Dinge reingezogen wird, mit denen sie nichts zu tun haben will (ist das nicht eigentlich schon irgendwie passiert?), was wohl auf das hindeutet, was noch alles kommen wird. Dass sie dann einen Punkt über Pakhets Schulter fixiert, hat mich irgendwie an dieses eine Mädchen in Lavandia erinnert, das einem sagt, dass man eine weiße Hand auf der Schulter liegen habe. Ich frage mich, ob die Frau da irgendwie noch etwas gesehen hat (oder jemanden) oder ob das jetzt nur ein Starren ins Leere war. Nun ja.

    Ja, das ist das große Foreshadowing. xD Darüber darfst du dir gerne noch ein wenig Gedanken machen

  • Dann geht es einmal weiter mit dem Finale für diesen Abschnitt. :D


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    [29.08.2011 – D34 – Anspannung]


    Der nächste Tag verging ohne wirkliche Vorfälle. Pakhet bekam noch etwas Information von Alice, jedoch nichts, was sie nicht schon wussten. Alice hatte – laut eigener, frustrierter Aussage – noch keine Informationen über die eigentlichen Betreiber der Domain gefunden. Wenig überraschend. Natürlich würden sie ihre Identität verschleiern. Sonst hätte es die Behörden weit leichter, die Betreiber und Besucher solcher Webseiten und andere illegaler Betriebe des Darknets ausfindig zu machen.

    Allerdings hatte sie Informationen über die Webseite gefunden, über die wahrscheinlich die Söldner angeheuert worden waren, wie auch ein Kopfgeld auf Pakhet selbst. Neuntausend. Dafür würden die meisten Leute, die diese Webseite fanden, es wohl kaum riskieren.

    Und so kam der Morgen selbst.

    Pakhet war um sechs Uhr wach. Sie machte sich einen Kaffee, verzichtete jedoch vorerst auf ein festes Frühstück. Sie hatte keinen Appetit. Egal wie viel Kampferfahrung sie hatte, sie war sich nicht sicher, was sie erwarten sollte. Sie machte sich Sorgen um die anderen, vor allem um Murphy und Heidenstein. Auch wusste sie nicht, was an den Wasserwerken auf sie wartete. Verdammt, von allem was sie wusste, konnte man dort eine Falle für sie gestellt haben. Ach, natürlich hatte man eine Falle gestellt. Die Frage war nur, inwieweit diese Falle aus Menschen mit Waffen bestand, und inwieweit aus Dämonen und anderen Horrorn aus der Anderswelt.

    Sie musste abwarten, doch sie hasste diesen Gedanken.

    Sie machte sich daran, ihre Waffen vorzubereiten. Die alte Schamanin hatte gesagt, dass sie die geisterschwächende Flüssigkeit in bester Videospielmanier auf ihre Waffen, beziehungsweise ihre Munition reiben konnte. Nein, es war nicht das erste Mal, dass Pakhet so etwas verwendete, doch kam es ihr immer wieder als seltsam vor. Sie hatte nie Videospiele oder diese Tabletop-Rollenspiele gespielt, doch sie hatte in ihrer Jugend genug von Robert mitbekommen, der immer ein bekennender Nerd gewesen war.

    Sie hatte sich in Heidensteins Arbeitsraum gesetzt, bemüht ihn zuvor in der Wohnung nicht zu wecken, war jedoch nicht überrascht, als er schließlich die Tür hinter ihr öffnete.

    „Hey.“ Sie drehte sich nicht um, erkannte ihn an seinem Schritt. Vielleicht sollte ihr das Sorgen machen.

    „Hey.“ Er kam zu ihr hinüber. „Normal bist du doch kein Frühaufsteher.“

    Sie war damit beschäftigt, vorbereitete Kugeln in ihr Magazin zu stecken. Antwortete nicht.

    „Ist das der Trank?“, fragte Heidenstein, während er einen Teller mit zwei beschmierten Vollkornbroten neben sie auf die Werkbank stellte.

    „Ja.“ Sie sah ihn an. „Ist das mein Frühstück?“

    „Ich habe mir gedacht, du hast wahrscheinlich noch nicht gegessen“, erwiderte er.

    Sie zuckte mit den Schultern. Noch immer hatte sie keinen Appetit, doch wusste sie, dass sie zumindest etwas essen sollte. „Danke.“

    Er lächelte sie an und etwas lag in seinem Blick, das dafür sorgte, dass sich ihr Magen zusammenzog.

    „Bist du nicht nervös?“, fragte sie.

    Er seufzte, ließ sich neben ihr auf den zweiten Hocker nieder. „Natürlich bin ich das. Aber gleichzeitig bin ich auch froh  … Nachher wird alles vorbei sein.“ Er schürzte die Lippen. „Ich mache mir nur Sorgen um dich.“

    „Um mich?“ Sie hob eine Augenbraue. Es gab aktuell viele andere Leute, um die man sich eher Sorgen machen konnte.

    „Ja. Dass du zu viel riskierst.“

    Sie wandte den Blick ab, wandte sich dem beschmierten Brot zu und biss hinein.

    „Versteh mich nicht falsch, Pakhet“, meinte er nach einigen Sekunden des Schweigens. „Ich finde es gut, dass du das tust. Ich finde, es sollte mehr Leute geben, die nicht einfach wegschauen, aber ich mache mir Sorgen. Vor allem, das gebe ich zu. Es wundert mich noch immer.“

    Sie kaute, schluckte, trank einen Schluck Kaffee. „Was?“

    „Dass du  … Ich meine, dass du diese ganze Aktion angefangen hast. Ich  … Warum?“

    Sie zuckte mit den Schultern. Im Moment trug sie die synthetisch verkleidete Prothese, würde, sobald sie losfuhren, jedoch auf die andere wechseln. „Weil ich nicht zusehen kann, wie so etwas Kindern angetan wird.“

    Heidenstein schwieg, schürzte die Lippen wieder. „Aber das kann nicht das erste Mal gewesen sein, oder?“

    Sie wich seinem Blick aus, seufzte noch einmal. „Doc.“ Sie holte tief Luft. „Ich hatte eine Abmachung mit Michael. Ich werde nicht in Sachen reingezogen, die Kinder oder Jugendliche beinhalten. Ich habe  … Wenn es Kinder waren, habe ich nie wegsehen können.“

    „Aber wieso  …?“, begann Heidenstein. Sie war sich nicht ganz sicher, was er fragen wollte: Wieso arbeitete sie in diesem Job? Wieso hatte sie diese Regel vereinbart? Wieso hatte sie nun einen solchen Job angenommen?

    Sie beschloss die letzte Frage zu beantworten, unterbrach Heidenstein. „Weil Michael ein Exempel statuieren wollte. Ihm gefällt nicht, was ich in letzter Zeit gemacht habe. Mit dir. Mit Murphy. Ich werde ihm zu sozial. Und deswegen hat er mir einen Job gewesen, bei dem er sicher war, dass ich gegen seine Regeln handeln würde. Oder eher  … Er hat meine Loyalität geprüft.“ Sie schüttelte den Kopf.

    „Wie lange kennst du Michael schon?“, fragte Heidenstein vorsichtig.

    Sie seufzte, sah ihn noch immer nicht an. „Zu lange.“ Damit schob sie ihm das kleine Fläschchen zu. „Vielleicht solltest du auch Vorbereitungen treffen.“ Sie wollte nicht länger darüber reden.


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    [29.08.2011 – J04 – Wasserwerk]


    Jack wartete in einem Café im Schatten des Tafelbergs auf sie. Es war halb neun und noch früh.

    Er wirkte normal, entspannt, wie jemand der ganz hierhin gehörte, was man von Pakhet, die eine Lederjacke trug, um die metallene Prothese zu verbergen und ihr ein wenig Schutz zu gewähren nicht behaupten konnte.

    „Entspann dich, Schönheit“, meinte Jack halblaut, da er die Anspannung in ihrem Blick zu merken schien.

    Er trug eine Sonnenbrille, nahm diese jedoch ab und gestikulierte auffordernd in Richtung des Tisches, an dem er saß.

    Das Café war acht Blöcke von dem alten Wasserwerk, das ein Überbleibsel von einer Reihe Wasseranlagen war, die unter dem Tafelberg gebaut worden waren. Von allem was sie wussten, konnten die Jugendlichen auch in den alten Tunneln sein, auch wenn Pakhet es nicht glaubte: Die Tunnel wären ideal, um sich zurückzuziehen, aber gleichzeitig auch Fallen. Außerdem war das Wasserwerk selbst besser für Fallen geeignet.

    Es sei denn natürlich, man lockte sie in eine Falle um einen alten Tunnel über ihr kollabieren zu lassen.

    Sie setzte sich stumm. „Was ist mit Chase?“

    „Sind bereits da, weisen aktuell ihr Team ein.“

    „Irgendwelche Einwände?“, fragte Pakhet leise.

    „Nein. Ich habe sie überzeugt.“ Er grinste. „Alles bestens, Püppchen.“ Er warf Heidenstein einen kurzen Blick zu, zwinkerte ihm zu.

    Pakhet lehnte sich zurück, atmete durch. Sie würden warten, bis das Team der Polizei in Position war. So konnten sie Verstärkung zwischen den Orten umgehen. Wobei sie nicht ausschließen konnten, dass es weitere im Hinterhalt liegende Handlanger gab.

    Sie bemerkte Heidensteins Blick. Er hatte die Augenbrauen zusammengeschoben.

    „Wie gehen wir vor?“, fragte Jack.

    Pakhet sah sich um. Das Café war größtenteils leer, doch sie fühlte sich nicht wohl hier darüber zu sprechen. „Später.“ Sie wartete nur darauf, dass die anderen – namentlich Siobhan und Murphy, hier auftauchten. Dann würden sie sich in Position begeben.

    Zugegebenermaßen gefiel ihr die Vorstellung nicht, hier in der Gegend einen Kampf anzufangen. Auch mit Rückhalt der Polizei war es ihr zu zentral. Sie bemühte sich Feuerkämpfe und speziell Kämpfe, die Magie beinhalten würden, fernab von besseren Gegenden zu führen. Speziell hier, wo sie wahrscheinlich im Turf von mindestens drei verschiedenen privaten Sicherheitsfirmen agieren würden.

    Würde man einer Schießerei im Wasserwerk Beachtung schenken? Sie war sich nicht sicher.

    Mit dem Klingeln der drüberhängenden Glocke wurde die Tür des Cafés geöffnet. Murphy kam herein. Er trug eine Motorradjacke und hatte die Hände in den Taschen vergraben. Irgendwie wusste Pakhet, dass es Murphy war, auch wenn er heute die Gestalt eines kräftig wirkenden, jungen schwarzen Mannes Anfang zwanzig trug.

    Er setzte sich zu ihnen: Zog einen Stuhl vor und ließ sich einfach darauf fallen.

    „Hey, Kid“, meinte Pakhet.

    Jack hob eine Augenbraue. „Ist das der Knirps vom Flughafen, Sugar Cubes?“

    Murphy warf ihm einen wütenden Blick zu. „Ich bin kein Knirps.“ Dann schaute er zu Pakhet. „Und warum darf er dir alberne Spitznamen geben?“

    „Es ist nicht die Rede von 'dürfen', Kid“, erwiderte sie. „Viel eher ist es so, dass ich bisher keinen verlässlichen Weg gefunden habe, ihn davon abzuhalten.“

    Wieder zeigte sich ein Grinsen auf Jacks Lippen.

    „Fehlt noch Siobhan“, murmelte Heidenstein. Er sah sich um und winkte die Kellnerin, eine junge Frau in einer klassischen Kellneruniform zu sich herüber. „Vier Kaffee.“

    „Diese Siobhan.“ Jack schlug einen Plauderton an, als würde er über eine Serie oder einen Film reden. „Sie hat eine Begabung, wenn ich das richtig verstanden habe?“

    „Ja. Sie hat auch eine sehr besondere Begleitung“, erwiderte Pakhet.

    Murphy hustete. „Mit Federn.“

    Jack nickte. „Ich verstehe. Als sind wie fünf Leute und ein Vogel.“

    Auch Pakhet nickte nur. Sie wollte hier wirklich nicht über ihren Plan sprechen. „Und wir müssen davon ausgehen, dass man von unserem Besuch weiß.“

    Jack schüttelte den Kopf und ließ ein Seufzen hören. „Und warum noch einmal, wolltest du keine Unterstützung von Chase und seinen Leuten, Mon Amie?“

    „Weil man dort auf mich wartet.“ Sie sah ihn düster an. „Und soweit ich weiß, haben wir hier ohnehin einen chronischen Mangel an Staatsdienern, oder?“

    Jack seufzte noch einmal. „Langsam frage ich mich, ob mir das Date wirklich so viel wert ist.“ Er zwinkerte. „Aber ein Deal ist ein Deal.“ Damit blickte er zu Heidenstein, grinste, und winkte die Kellnerin mit dem Kaffee, die gerade den Raum betrat, zu sich hinüber.

    Auch Pakhet sah zu Heidenstein, dessen Stirn noch immer gerunzelt war. Während Jack kurze Worte mit der Kellnerin wechselte, wanderte Heidensteins Blick zu Pakhet. Seine Miene war fragend, als er in Jacks Richtung nickte.

    Pakhet zuckte nur mit den Schultern und deutete ein Seufzen an. Was sollte sie auch gegen Jacks aufdringliches Verhalten tun? Sie brauchte seine Hilfe.


    _______________________________

    [29.08.2011 – X14 – Angriff]


    Es war kurz nach zehn, als sie das Okay von Bhuta bekamen. Der Einsatz am Hotel hatte begonnen, also würden auch sie sich auf den Weg machen.

    Trixie, die Möwe, hatte bereits die Lage ausgekundschaftet. Auch wenn Pakhet nicht sicher war, inwieweit sie sich auf die Möwe verlassen konnten, so war sie dankbar für die Informationen.

    Sie parkten den Transporter vier Blöcke vom Wasserwerk entfernt, stiegen aus.

    Pakhet und Heidenstein aktivierten die Armreife. Zwar war davon auszugehen, dass ihre Gegner damit rechneten, etwaig vorgesorgt hatten, doch es würde ihnen dennoch einen Vorteil geben.

    Sie hatten allesamt Walkie-Talkies, auch wenn Pakhet ihres bereits auf lautlos gestellt hatte. Es würde dennoch leicht vibrieren – etwas, das moderne Walkie-Talkies, die mittlerweile klein genug waren, um in eine geschlossene Faust zu passen – konnten. Sie konnte nicht riskieren, dass jemand eine Nachricht hörte, während sie sich anschlich.

    „Wir gehen vor“, sagte sie und sah zu Murphy, Jack und Siobhan, die allesamt nickten. Trixie, die eine mentale Verbindung mit Siobhan teilte, saß auf einer Straßenlaterne direkt vor dem verlassenen Gelände der Wasserwerke, um Ausschau zu halten.

    Pakhet lief los, wohl wissend, dass Heidenstein an ihrer Seite war, während Siobhan hinter ihnen ebenfalls die Gestalt einer Möwe annahm. Anders als Murphy hatte sie ihre Kleidung gebunden, so dass diese einfach verschwand. Magie war seltsam, also machte es auch keinen Sinn darüber nachzudenken.

    Pakhet hastete die Straße entlang, bemüht sich im Schatten der Gebäude zu halten. Der Vorteil der zentralen Lage, war die Höhe der Gebäude. Sie boten mehr Schatten, mehr tote Winkel um sich zu verstecken. Gleichzeitig war die Gegend jedoch übersichtlicher, als die Flats. Es war schwerer, einfach zu verschwinden.

    Das Walkie-Talkie vibrierte.

    Pakhet griff danach – es hing an ihrem Kragen – und betätigte den Knopf. „Ja?“

    „Zwei Wachen direkt auf den Häusern vor dem Gelände“, kam die doppelt verzerrte Stimme Siobhans durch das Gerät.

    „Welche Gebäude?“

    „Bläuliches Haus, helles Dach“, erwiderte Siobhan. „Das zweite normales Haus. Rote Ziegel.“

    „Danke.“

    Die Gegend war besser, wenngleich nicht ganz so gut, wie im Norden des Tafelbergs. Was sie umgab, waren relativ eng gestellte Mittelklassehäuser. Suburbia. Alle mit Garten, viele mit Pool. Nachteilig für einen Hinterhalt, stellte Pakhet fest. Immerhin achteten Leute hier eher darauf, wenn jemand auf einem Dach saß – davon abgesehen, dass es hier beinahe durchgängig nur Giebeldächer gab.

    „Pakhet?“ Heidensteins Stimme.

    „Ich kümmer mich drum“, erwiderte sie.

    Es lag nicht am Zweifel an seinen Fähigkeiten, nicht einmal daran, dass sie ihn nicht gefährden wollte. Vorrangig ging es ihr darum, dass sie problemlos auf die oftmals nur ein oder zwei Etagen hohen Häuser hinauf kam. Er nicht.

    Sie machte die Häuser am Ende der Straße aus und blickte sich um. Wenn sie ihre Energie konzentrierte sollte sie es hier schaffen von Haus zu Haus zu springen. Gut.

    Also nahm sie Anlauf, sprang auf das erste Haus zu ihrer Rechten.

    Auch ihre Angreifer schienen einen Zauber zu nutzen, um sich zumindest vor menschlichen Augen zu verbergen. Selbst als sie auf Höhe der Dächer war, konnte sie den ersten Umriss vier Häuser entfernt nur erahnen.

    Sie hielt sich auf der anderen Seite der Giebel. Sofern es keinen von Siobhan und Trixie ungesehenen Angreifer gab, sollte sie so den meisten Blicken entgehen. Sie hatte Glück: Offenbar wäre die Gestalt des Scharfschützen – es musste ein Scharfschütze sein – vor dem klaren Himmel aufgefallen. Deswegen war er tiefer auf das Dach gegangen, um im Schatten sich vor Blicken zu schützen. Und dabei auf der Seite der Straße geblieben.

    Sie stellte sicher, dass sie niemand von der Straße aus beobachtete, dann sprang sie zum nächsten Dach. Dann weiter. Mit dem dritten Sprung erreichte sie das richtige Dach.

    Auch wenn sie sich bemühte ruhig zu bleiben, klackten die Ziegel, als sie landeten. Der Schütze horchte auf. Sein Umriss bewegte sich.

    Mit einem Blick auf die Straße, die für den Moment leer war, lief sie auf die verschwommene Gestalt zu, einen der losen Betäubungsdarts in der Hand. Sie schaffte es den Mann zu greifen zu bekommen, drückte den Dart in seine Brust und nahm in dann in den Schwitzkasten, hielt ihn fest.

    Er rang mit ihr, versuchte sich, samt ihr, vom Dach zu werfen, doch dann, nach zwanzig oder dreißig Sekunden verlor er langsam die Kontrolle. Seine Bewegungen wurden unkoordinierter. Pakhet ließ sich vorsichtig mit ihm zusammen auf das Dach zurücksinken. Zum Glück war die Steigung nicht zu extrem.

    Er wurde nicht sichtbar, was hieß, dass der Zauber von jemand anderen aufrecht erhalten wurde. Einem Dämon?

    Vielleicht.

    Sie legte ihn vorsichtig ab, so dass er mit den Füßen in Richtung des Dachrandes zeigte. So würde er nicht runterrollen. Es war nicht ihr Problem, wenn jemand sich über ihn wunderte, sobald er sichtbar wurde.

    Sie sprang runter, als das scharfe Geräusch eines gedämpften Schusses erklang.

    Eine Sache, die Filme ständig falsch machten: Selbst mit einem Schalldämpfer klang der Schuss einer normalen Pistole laut, vor allem in der Stille des vormittaglichen Suburbias. Noch lauter klang allerdings das zerspringende Fenster, dass die Kugel offenbar getroffen hatte.

    Das musste der andere Scharfschütze sein. Entweder hatte er sie gesehen oder war vom Dämon vorgewarnt worden. Pakhet war nicht sicher.

    Sie sprintete zur Straße, versuchte den Angreifer zu erspähen, als ein dunkler Schatten über sie hinweg sauste. Im Nächsten Moment landete eine Dohle auf dem Dach und das Donnern eines elektrischen Schlags erklang. Eine Frauenstimme schrie auf und dann verriet ein dumpfer Aufprall, dass die Angreiferin im Gebüsch vor dem Gebäude gelandet war.

    Die Dohle segelte hinab und sah in die Richtung, in der sie offenbar Pakhet und Heidenstein vermutete, verbeugte sich, wie ein Schausteller im Theater nach einem komplizierten Kunststück.

    „Welcher Teil von 'Wir gehen vor' ist so schwer zu verstehen?“, fragte Pakhet leise.

    „Gern geschehen, Pakhet“, erwiderte der Rabe krächzend. Er legte den Kopf schief.

    „Komm“, meinte Heidenstein neben ihr.

    „Ich halte die Stellung.“ Der Rabe flatterte aufs nächste Dach.

    Vorsichtig nickte Pakhet. Sie spürte Heidensteins Hand, die nach ihrem rechten Arm tastete und ihn griff, wohl, um sie in der Nähe zu wissen. „Okay“, flüsterte sie. Es hatte keinen Sinn zu diskutieren.

    Sie wandte sich zum Gehen, spürte, wie Heidenstein dasselbe tat. Wieso begleitete der Idiot sie eigentlich? Warum ließ sie Idiot das eigentlich zu?

    Sie konnte den Zaun, der das recht weitläufige Gelände des Wasserwerks umgab, sehen. Er war nicht wirklich hoch und dankbarerweise befestigt, so dass auch Heidenstein hinüberkommen sollte, ohne zu viel Aufmerksamkeit auf sie zu ziehen.

    Laut der Satellitenbilder, die sie gesehen hatte, war das Wasserwerk von knapp zweihundert Metern freier Fläche umgeben, die ihres Wissens vorrangig dienten, um Grundwasserverunreinigungen zu verhindern. Das Wasserwerk war nie wirklich in Betrieb genommen worden. Es war ein städtisches Projekt gewesen, soweit Pakhet wusste, doch dann hatte einer der anliegenden Winzereien, von denen es am Tafelberg mehrere gab, die Rechte für den Grundwasserzugang gekauft. Jedenfalls war das, was sie hatte herausfinden können.

    Vielleicht war hinter den Kulissen noch anderes abgelaufen.

    Ein letztes Mal schaute sie sich um. Hier schien sonst niemand zu sein. Kein weiterer Hinterhalt.

    Wie viele Leute waren wohl da? Sie schätzte etwas zwischen acht und fünfzehn Angreifern. Vielleicht zwanzig.


    _______________________________

    [29.08.2011 – X15 – Kollaps]


    „Schaffst du den Zaun?“, fragte sie Heidenstein.

    Ein kurzes Zögern. Dann: „Ja.“

    „Okay.“ Sie hätte nur genickt, erinnerte sich jedoch rechtzeitig daran, dass auch er sie nicht sah.

    Sie nahm Anlauf, sprang über den knapp zwei Meter hohen Zaun hinweg, ehe sie sich auf der anderen Seite umsah.

    Die Sonne stand aktuell im Südosten, hinter ihnen, ermöglichte einen guten Blick auf das Gelände.

    Knapp fünfzig Meter zu Pakhets Rechten, führte eine Straße auf das Gelände, die durch ein weißes, hohes Tor versperrt war. Die Farbe des Tors war an einigen Stellen abgeblättert, hatte Rost erlaubt das darunter liegende Metall zu zerfressen.

    Sie selbst standen auf einem Feld trocknen Grases. An einigen Stellen lugten Rohre von vielleicht dreißig Zentimeter Durchmesser aus dem Boden. Wahrscheinlich dazu gedacht, Wasser in darunter liegenden Tanks zu überprüfen. Nicht dass es sie im Moment interessierte. Von allem, was sie wusste, waren die Kinder entweder in der großen Halle von knapp achtzig Metern Länge, die sich vor ihnen ausbreitete, oder in einem der Gänge, die sich in den Berg vor ihnen fraßen.

    Die Halle war mit weißen Platten vertäfelt, die das Licht der Vormittagssonne blenden reflektierten.

    Pakhet blinzelte.

    Verdammt. Das war ein Nachteil für sie. Wenn jemand sie aus der Richtung angriff  …

    Ein Aufprall hinter ihr verriet ihr, dass Heidenstein den Zaun ebenfalls überwunden hatte. Dem Klang nach war er auf den Beinen gelandet – nicht, dass sie etwas anderes erwartet hatte.

    „Merkst du es auch?“, fragte er leise.

    „Was?“ Das war wohl Antwort genug.

    „Magische Überwachung“, erwiderte er.

    Großartig. Nicht, dass sie damit nicht gerechnet hatte.

    Gerne hätte sie ihre Augen mit dem Arm vor der Sonnenreflektion geschützt, doch ihr durchsichtiger Arm bot keinerlei Schatten. Der Nachteil daran unsichtbar zu sein. Sie konnte froh sein, dass ihre Augenlider zumindest ihre Netzhaut schützten. Doch jedes Mal, wenn sie sie schloss, konnte sie Platten noch immer wie ein Negativ sehen.

    Das Krächzen einer Möwe erklang. Trixie. Es klang aufgeregt.

    Pakhets Instinkte erwachten zum Leben. Sie sah nicht, was auf sie zukam, schaffte es aber dennoch irgendwie zur Seite zur Springen, als eine Flammenfontaine dort das Gras versengte, wo sie eben noch gestanden hatte.

    „Heidenstein!“, rief sie aus.

    „Alles okay!“ Seine Stimme klang atemlos.

    Trixie segelte auf das Wesen, dass wie ein Schimmer heißer Luft vor ihnen schwebte. Es war sicher zwei Meter groß und wie sie halb durchsichtig. Ein Elementar. Flammenelementar, wenn sie nicht irrte. Das würde zumindest den Flammenangriff erklären.

    Das Wesen schien sie bestätigen zu wollen: Eine Flammensäule bildete sich in dem Körper des heißen Gases, erfüllte ihn und brach dann hervor, gerichtet in ihre Richtung.

    Großartig.

    Elementare waren keine Dämonen, keine Wesen aus Fae. Pakhet zweifelte, dass die Dinge, die Mutter Gans ihr gegeben hatte, dagegen halfen. Wesen dieser Welt, zu denen auch Elementare gehörten, folgten meist anderen Regeln als die Wesen der Anderswelt. Leider war nur auch ihre Pistole gegen einen Elementar wirkungslos.

    Sie wich aus, rannte. Sie konnte versuchen, das Gebäude zu erreichen. Doch was, wenn der Elementar ihr folgte?

    Gab es darin Wasser?

    Gab es hier irgendwo einen Wasserschlauch?

    Doch Wasser half wenig gegen Gasbrände. Was sie brauchten wäre Eis und eher einen Eiszauber. Nur war sie keine Magierin.

    Dankbarerweise war der Elementar für den Moment auf sie fixiert, folgte ihr und ignorierte Heidenstein. Gut. Oder auch nicht. Heidenstein war Magier. Selbst wenn seine Stärke im Heilen lag, konnte er wahrscheinlich mehr gegen den Elementar tun, als sie.

    Das Krächzen einer Möwe erklang. Nicht Trixie. Siobhan.

    Ein Zischen, dann ein Donnern. Sie schickte einen Blitz auf den Elementar hinab.

    Blaues Licht erstrahlte hinter Pakhet, ließ für einen Moment sogar das Licht der Sonne blass wirken.

    Ein Hitzeschwall fegte über sie hinweg. Ihre Haut schmerzte, selbst wenn es keine ernsthafte Verbrennung war.

    Intuitiv rannte Pakhet weiter, erlaubte es sich erst, als sie das Gebäude erreicht hatte, sich umzusehen.

    Drei Vögel kreisten um den nun bläulich lodernden Elementar herum. Siobhan, Trixie und Murphy. Die Krähe war es, die jetzt kleinere Spannungsbögen zu dem Geist hinüberzucken ließ, während die Vögel ihn immer weiter nach oben lockten.

    Hoffentlich hatten sie einen Plan. Hoffentlich hielten etwaige Menschen, die das Phänomen sahen, es für einen Kugelblitz.

    Der Boden schwelte und dampfte noch immer dort, wo das Feuer des Geistes gebrannt hatte.

    Eine Gestalt sprang über den Zaun, eine Waffe in der Hand. Automatisch zog auch Pakhet ihre Waffe, ehe sie Jack erkannte.

    „Cherie?“, rief er auf halben Weg zum Gebäude.

    Natürlich. Sie rannte in seine Richtung. „Nicht so laut, du Idiot.“

    „Ich dachte schon, das Ungeheuer hätte dich erwischt“, erwiderte er.

    „Kein Grund, deinen Posten zu verlassen“, zischte sie. Was sie zu einem anderen Punkt brachte: „Heidenstein?“ Wahrscheinlich war alles in Ordnung. Der Hitzeschwall würde ihn kaum direkt getötet haben und wenn er verletzt war, würde er schreien. Verbrennungen schmerzten furchtbar.

    „Hier.“

    Vielleicht war ihre Unsichtbarkeit mehr Nachteil als Vorteil.

    Ach, verdammt. Sie brauchten auf Dauer eine Möglichkeit, um zu wissen, wo der jeweils andere war. Aber was sollten sie für den Moment machen?

    „Wo gehen wir rein?“, fragte Jack.

    Sollte sie ihn wegschicken? Ach, wo er hier war, konnte er auch mit ihnen kommen. Selbst wenn es am Ende darauf hinaus lief, dass er Feuer auf sich ziehen würde, sichtbar wie er war.

    „Wie gehen wir rein?“, fragte Heidenstein.

    Gute Frage. Die Haupttür war fraglos gesichert. Dann wiederum: Vielleicht rechnete man eher damit, dass sie durch einen der Nebeneingänge kam.

    Verdammt, das Gebäude war riesig. Wie sollten sie darin die Jugendlichen finden?

    Sie konnte gesamt die Haupttür und drei Notausgänge sehen. Also, wo lang?

    Ein Bauchgefühl empfahl ihr den mittleren Notausgang. Sie hasste es, auf ihr Bauchgefühl zu vertrauen. Meistens führte es sie in die Irre. Im Moment jedoch, war es genau so gut, wie die Alternativen.

    „Mittlere Tür.“ Sie blickte zu dem Elementar hinauf und den zuckenden Blitzen. Sie musste darauf vertrauen, dass Siobhan und die Möwe wussten, was sie taten.

    Schnellen Schrittes lief sie zur Tür, versuchte sie zu öffnen. Natürlich war sie verschlossen.

    „Wenn Sie mir die Ehre erweisen würden“, flötete Jack und trat vor. Er fischte etwas aus seiner Tasche. Nicht etwa ein Dietrichset, sondern eine Faust voll schwarzer Masse. Sprengstoff. Natürlich. „Bitte zur Seite treten.“ Jack grinste ins Nichts.

    Sie taten ihm den gefallen. Fünf Meter von der Tür entfernt, pressten sie sich gegen die Wand, ehe Jack den Zünder betätigte.

    Damit machten sie den letzten darauf aufmerksam, dass sie hier waren, doch es war egal. Sie wussten es wahrscheinlich bereits.

    Die Tür sprang auf, von der eigenen Vibration aufgeschleudert.

    „Bitte sehr, die edle Dame“, meinte Jack und wartete neben der Tür, um sie vorgehen zu lassen. Ja ja, ganz der Gentleman. Die Frau schön vorgehen lassen, damit man auf sie schoss.

    Unwillkürlich tastete sie nach Heidensteins Arm, um sicher zu gehen, dass er bei ihr war.

    Sie waren in einem engen, dunklen Betongang. Unverziert. Vielleicht war er nur Notausgang gewesen, vielleicht hatte man das Gebäude nie soweit ausgebaut.

    Pakhet hielt inne, lauschte, suchte mit den Augen die Wände des Gangs auf, um etwaige Gefahren rechtzeitig zu sehen.

    Soweit sah sie nichts.

    Also schlich sie vorsichtig voran.

    Der Geruch von abgestandenen Wasser und schimmeligen Wänden lag in der Luft. Das einzige, was fehlte, was das Geräusch von in der Ferne tropfendem Wasser, dann wäre die Gruselatmosphäre perfekt gewesen.

    „Licht?“, fragte Jack.

    Gerne hätte sie abgelehnt, zog es doch mehr Aufmerksamkeit auf sie, aber ohne würden sie etwaige Fallen nicht sehen. „Okay.“

    Eine Taschenlampe ging an, strahlte in den Flur vor ihnen, malte bleiche, sehr bleiche Schatten von ihr und Heidenstein auf den Boden.

    Schritt für Schritt arbeiteten sie sich voran. Irgendetwas musste geschehen. Jemand musste auf sie lauern. Jeden Moment würde ein Dämon auftauchen und sie angreifen.

    Doch nichts geschah.

    Sie folgten dem vielleicht zehn Meter langen Gang bis zum Ende, wo eine rostige Metalltür zu einem Treppenhaus führte.

    Keine Falle. Die Tür quietschte jedoch, als Pakhet sie öffnete. Egal. Sie sah sich um.

    Die Treppe führte zwei Etagen nach oben, eine nach unten.

    „Wo lang?“, fragte Heidenstein.

    Warum musste sie eigentlich alle Entscheidungen treffen? „Hoch“, antwortete sie nach kurzem Überlegen. Sie konnte genauso gut ihrem Gefühl folgen und ihr Gefühl sagte ihr, dass es keine gute Idee war, nach unten zu gehen.

    Dann wiederum  … Sie hielt inne. War es nicht genau dasselbe Gefühl gewesen, dass sie zuvor aufgehalten hatte? Am „Casino“? Dort hatte sie an der Tür inne gehalten, wollte nicht hindurchgehen. Der Tür zur Taschendimension.

    Sie überlegte. Schloss die Augen. Ja, es war eindeutig dasselbe Gefühl.

    Verdammt.

    Sie sollte sich von ihnen trennen. Wenn da unten eine Taschendimension war, wenn da unten der Schamane auf sie wartete  … Wenn sie die Situation richtig einschätzte, würde sie mit ihm auch die magische Verteidigung ausschalten.

    „Was ist?“, fragte Heidenstein. Offenbar hatte er ihr Zögern gemerkt.

    „Geht ihr nach oben vor.“ Sie sprach leise, aber mit fester Stimme. Fakt war, dass sie von ihnen die besten Voraussetzungen hatte, es mit dem Magier aufzunehmen. „Schaut, ob ihr jemanden findet.“

    „Was ist los?“ Heidensteins Stimme klang hart, besorgt.

    Sie holte tief Luft. „Ich glaube, der Magier ist im Keller.“ Oder was auch immer unter ihnen lag. „Wenn es nur einer ist, kann ich mit ihm die magische Verteidigung ausschalten.“

    „Dann sollten wir mitkommen“, erwiderte Heidenstein.

    „Nein.“ Sie sah ihn an, sich dessen bewusst, dass es keinen Sinn hatte. Ach, verdammt. Sie drehte den Armreif, deaktivierte den Zauber damit, wohl wissend, dass es schwerer sein würde, ihn ein zweites Mal zu aktivieren, weil Magie seltsam war und keinen Sinn ergab. „Wenn ich wieder verletzt werde, dann bist du möglichst weit weg, um am Ende noch in der Lage zu sein, mich rauszuholen.“

    Auch er wurde sichtbar. Der Ausdruck auf seinem Gesicht sagte deutlich, dass es ihm gar nicht gefiel. „Das hat alles keinen Sinn, wenn du schon lange ausgeblutet bist, wenn ich zurückkomme.“

    „Doc“, sagte sie, „bitte.“

    „Du weißt genau so gut wie ich, dass es dumm ist, sich aufzuteilen.“

    Das stimmte nicht zwangsläufig. Aufteilen war eine valide Taktik, speziell wenn man das Gebiet auskundschaftete. Das einzige, was dumm war, war, alleine zu gehen.

    „Um etwas anzumerken“, mischte Jack sich ein, „es ist mindestens genau so dumm, hier herumzustehen und zu diskutieren.“

    „Eben“, sagte sie. Sie wandte sich zum Gehen, sah noch einmal zu Heidenstein. „Bitte.“ Damit ging sie die Treppe hinab, wartete auf dem ersten Absatz und atmete erleichtert auf, als sie keine ihr folgenden Schritte hörte.

    Gut.

    Ja, wahrscheinlich hatte er Recht: Es war verdammt dumm von ihr, das hier allein machen zu wollen. Wahrscheinlich war es ihre eigene Dummheit, die sie innerhalb der nächsten zehn Minuten auch umbringen würde.

    Sie lief schnellen Schrittes den zweiten Absatz hinab und fand sich vor einer Tür. Ein Schild war einmal an der Tür gehangen, lag jetzt jedoch von Rost überzogen auf dem Boden.

    Seltsam, kam es ihr in den Sinn. So lange war das Werk auch nicht verlassen. Der Rost war ungewöhnlich. Vielleicht gab es hier natürliche Magie, die den Verfall voran trieb?

    Es war egal.

    In der Rechten hielt Pakhet ihre Pistole mit den hoffentlich verzauberten Kugeln. Sie streckte die linke Hand aus. Ihr ganzer Körper rebellierte. Ihr Instinkt schrie, sie solle von der Tür weggehen. Egal.

    Sie legte die Hand auf die Türklinke, presste sie hinab. Die Türklinke war schwergängig, wehrte sich förmlich dagegen herunter gedrückt zu werden. Doch am Ende gab sie nach.

    Pakhet öffnete die Tür und sprang gleichzeitig zur Seite.

    Eine weise Entscheidung denn nur den Bruchteil einer Sekunde, nachdem die Tür gänzlich geöffnet war, schoss der dunkle Schlangenkopf daraus hervor.

    Pakhet schoss. Ein Mal. Zwei Mal. Drei Mal. Vier Mal.

    Der erste Schuss traf die Schlange in den Nacken, der zweite in den Rücken, beim dritten schaffte es Pakhet, nachzuregulieren und traf die Schlange knapp unterhalb der Schädelplatte, beim vierten genau in den Kopf.

    Sie sprang vor, zog mit der Prothesenhand etwas ungeschickt ihr Messer und stach damit der momentan gelähmten Schlange zwischen die glühenden Augen, ließ das Messer stecken.

    Dann holte sie den Beutel mit dem Puder hervor. Was sollte sie eigentlich damit machen? Wahrscheinlich hätte sie fragen sollen, aver in der gedrückten Stille in Mhambis Scheune hatte sie daran nicht gedacht. Also tat sie, was ihr am sinnvollsten erschien und streute etwas über den Kopf der Schlange.

    Es funktionierte: Wie glühendes Metall fraß sich das Puder in die Haut der Schlange, bis ihr Körper zu glühen begann und nach und nach zu Asche zerfiel.

    Pakhet hatte jedoch keine Zeit, ihre Arbeit zu bewundern, da sich im nächsten Moment ein Schakal über ihr materialisierte. Von ihm hatte sie jedoch weit weniger Respekt, als vor der Schlange.

    In der linken noch immer den Beutel, hob sie mit der Rechten die Pistole und schoss. Ein Mal, zwei Mal, drei Mal. Sie erwischte den überdimensionierten Schakal in der Luft. Zwei Schüsse trafen seine Brust, der dritte seinen Schädel.

    Wie schon der Schakal im Kasino zerfiel auch dieser zitternd.

    Pakhet wandte sich ab, lief durch die offene Tür und fand sich im nächsten Moment wieder in jenem runden Zimmer, dessen Boden mit menschlichen Überresten bedeckt war. Der Körper der Schlange war verschwunden, dafür jedoch kniete wieder der abgemagerte Mann in der Mitte. Bewegte er sich je von hier fort? Oder bewegte er einfach die Taschendimension um sich herum mit seiner bloßen Willenskraft?

    Zwei Sekunden lang zögerte Pakhet. Sie hatte noch drei Schuss im Magazin. Sollte sie es austauschen, bevor das nächste Monster sie angriff? Dann wiederum, wenn sie den Mann einfach erschoss  … Sie musste hoffen, dass die Taschendimension nicht automatisch in sich zusammenfiel!

    Sie machte einen Schritt nach vorne. Sie hasste es auf Leute zu schießen, die sich nicht wehrten. Wusste er überhaupt, dass sie da war? Es kam ihr feige vor. Nein! Natürlich wusste er, dass sie da war. Er hatte die Dämonen kontrolliert, dessen war sie sich beinahe sicher!

    Noch ein Schritt, dann schoss sie. Doch ihr Schuss traf nicht.

    Ein Wesen materialisierte sich vor dem Mann. Ein Wesen, das weder Schlange, noch Schakal war.

    Es war ein großgewachsener Katzenkörper, der sich vor Pakhet zeigte. Größer, als sogar Löwe oder Tiger. Das Fell war braun, doch das erschreckende war der Kopf. Es war der Kopf eines Menschen. Eine Sphinx.

    Das war ein ägyptisches Wesen, das sogar Pakhet erkannte.

    Der menschliche Kopf war weiblich, jedoch glatzköpfig, das Gesicht eingefallen, aber nicht alt. Es war von Wut verzerrt und wie beide Schlange und Schakal glühten die Augen. „Shem“, zischte sie.

    Pakhet zielte auf den Kopf der Sphinx, als ein Knallen sie zusammenzucken ließ.

    Die Tür war hinter ihr zugeschlagen. Etwas sagte sie, dass sie hier nur herauskam, wenn sie den Magier tötete.

    Sie feuerte ihre letzten zwei Schuss in Richtung des Magiers, doch die Sphinx stellte sich ihr in den Weg, fing die Kugeln ab, schrie zischten auf, wandte sich dann mit einem äußerst katzenhaften Fauchen Pakhet zu.

    Erneut sprach sie, dieses Mal jedoch gebrochenes und schwer verständliches Englisch. „Verschwinde von hier, Mensch.“

    Oh, wie Klischee. Einen Menschen als „Mensch“ anzusprechen. Pakhet verzog das Gesicht zu einem herablassenden Lächeln. „Ihr habt gerade die Tür hinter mir zugeschlagen.“

    Wieder fauchte die Sphinx und sprang auf sie zu. Sie streckte die Klauen vor sich aus, wie es auch eine Wildkatze tun würde.

    Beinahe wurde Pakhet getroffen. Der glitschige, unebene Boden machte es ihr schwer, sich zu bewegen. Verdammt, sie wollte nicht auf dem Boden landen, sie wollte ihn möglichst nicht beachten.

    Sie griff nach dem Magazin an ihrem Gürtel, ließ ihr altes Magazin einfach zu Boden fallen, als die Sphinx erneut angriff.

    Mit so wenig Bewegung wie möglich, trat Pakhet zur Seite, rechnete dabei jedoch nicht mit der Schnelligkeit des Katzenwesens, das zu ihr herumfuhr und nach ihr kratzte.

    Doch sie hatte Glück. Die das Leder ihrer Jacke schützte sie vor den Klauen.

    Sie steckte das Magazin in ihre Waffe, feuerte zwei Kugeln ab, denen die Sphinx mit einem Sprung nach hinten auswich.

    Verdammt, wenn Pakhet es doch nur schaffen würde, den Magier auszuschalten. Es wäre so viel einfacher, als sich mit diesem Ungeheuer zu bekämpfen. Konnte sie die Sphinx hereinlegen? Immerhin hieß es, dass die Katzenwesen intelligent waren.

    Was wäre, wenn sie  …

    Sie wechselte den Beutel in ihre rechte Hand, die Pistole in die Linke, wich einem weiteren Angriff aus, indem sie sich duckte. Sie war nun hinter dem Mann in der Mitte des Raumes, vielleicht  …

    Sie bemerkte, wie die Luft aus ihren Lungen wich. Es wurde schwer zu atmen.

    Nicht schon wieder! Ihr war klar, dass es derselbe Zauber war, der sie auch das letzte Mal der Schlange ausgeliefert hatte. Ihre Muskeln sträubten sich gegen sie, wollten keine weitere Bewegung vollführen. Nutzlos baumte das Säckchen an ihrer rechten Hand.

    Ein Grinsen breitete sich auf dem Gesicht der Sphinx aus. Ihre Lippen spalteten sich ungewöhnlich weit. Dann öffnete sich ihr Mund. Ihr Unterkiefer klappte unmenschlich weit nach unten und zeigte zwei Reihen unmenschlich spitzer Zähne. Mit glühenden Augen und triumphierenden Jaulen sprang die Katze auf Pakhet zu.

    Der Magier hatte nicht gelernt. Er hatte vielleicht nicht verstanden, was das letzte Mal geschehen war.

    Ihre Prothese bewegte sich, hob sich. Der metallene Finger hob sich über den Abzug und feuerte. Ein Mal, zwei Mal  … Gesamt fünf Mal drückte sie ab, traf mit zwei Schuss die Sphinx in den Kopf, mit dem dritten in die Brust. Die Energie der Schüsse reichte, um die Sphinx zurückzuwerfen, auf den blutigen Boden fallen zu lassen.

    Noch immer konnte Pakhet ihren Körper nicht bewegen. Es fiel ihr schwer zu atmen, doch ihre Prothese bewegte sich.

    Sie musste nicht genau schießen, musste den Magier nur tödlich verletzten. Und so feuerte sie die letzten drei Kugeln ab. Eine verfehlte, doch die anderen beiden bohrten sich zwischen seine Schultern.

    Ein Zittern lief durch seinen Körper, dann entwich Atem seiner Kehle. Langsam, fast wie in Zeitlupe kippte sein Körper zur Seite und blieb auf dem Boden liegen.

    Ihre Lähmung verschwand zusammen mit der Sphinx, die zu goldenem Staub zerfiel.

    Ein Beben erschütterte den Raum. Also hatte er die Taschendimension erschaffen. Jetzt konnte sie nur noch hoffen, dass die Tür sich öffnen ließ.

    Pakhet lief, rannte auf die Tür zu. Wie auch beim letzten Mal schien der Weg unnatürlich lang, schien sich zu verzerren. Egal. Sie würde sie erreichen. Jeden Moment.

    Weiter bebte der Boden, als sich Pakhets Hand auf die Türklinke legte.

    „Dened!“, rief eine Stimme hinter ihr.

    „Was?“ Unwillkürlich fuhr Pakhet herum.

    Der Raum schien zu zerbrechen. Wie Scherben verschwanden die Wände in einem dunklen Nebel. Doch da, am anderen Ende des Raumes oder viel eher da, wo das Ende des Raums gewesen war, stand eine dunkelhäutige Frau, die abgesehen von einem reinen, weißen Lendenschurz nackt war. Nun, Frau. War es eine Frau? Denn während ein Frauenkopf den Hals der Sphinx geziert hatte, so saß der Kopf einer Löwin auf dem Kopf dieser Frau, die einen Bogen spannte.

    Pakhet sah keinen Pfeil, sah jedoch die Sehne schnellen und dann …

  • Eine Sache, die Filme ständig falsch machten: Selbst mit einem Schalldämpfer klang der Schuss einer normalen Pistole laut, vor allem in der Stille des vormittaglichen Suburbias

    Oh ja, davon habe ich auch schon gehört.

    Selbst mit, hört man das anscheinend noch von Weitem.

    Ich Frage mich ob das Niesen in "Tod im Pfarrhaus akurat ist, hm?

    Ein kurzes Zögern. Dann: „Ja.“

    „Okay.“ Sie hätte nur genickt, erinnerte sich jedoch rechtzeitig daran, dass auch er sie nicht sah

    Nette Detailfreudigkeit.


    Unwillkürlich tastete sie nach Heidensteins Arm, um sicher zu gehen, dass er bei ihr war

    So viel Vertrauen steckt sie in him.

    aver

    b

    rauenkopf den Hals der Sphinx geziert hatte, so saß der Kopf einer Löwin auf dem Kopf dieser Frau, die einen Bogen spannte

    Sachmet? Möglicherweise nur eine mutierte Kultistin.


    Hauptziel ist selbstverständlich die Kuds zu retten. Nur frage ich mich wie sie sich das vorgestellt hat. Idt schon ein Wunder, dass der Feind sein "Wahrenhaus" nicht zeitweise verlegt hat. Secrurity wurde erhöht, aber die Fallen scheinen nicht all zu neu zu sein.

    Die Polizei in ihrer Gruppe kann immer ein paar Verhaftungen machen, nr wie will sie bis zu 20 Leute ausschalten, besonders wenn sie aufs Töten verzichten will (so gut es geht)? Andernfalls machen nämlich die Überlebenden einfach am selben Ort weiter.

    Well, ist nicht so als fehle es ihr an Selfeawareness.

    Sie weiß schon dass sie Tropfen aus einem Schiffsleck schöpft.

  • Hi.


    Okay, es geht also endlich los und dummerweise weiß ich nicht, ob ich so viel schreiben kann, weil es sehr viel Action ist. Diese wiederum finde ich aber ziemlich gut geschrieben, denn es bleibt durchgehend spannen und zugleich übersichtlich (was mich bei dir aber eigentlich auch nicht wundert). Was hier eben auch wieder rüberkommt, ist Pakhets schnelle Denkweise in solchen Kampfsituationen; außerdem mag ich diesen kleinen Moment, in dem Murphy die Scharfschützin ausschaltet, obwohl er eigentlich erst einmal zurückbleiben sollte.

    Jedenfalls - es ging ja eigentlich recht gut voran. Die Leute auf den Dächern wurden ausgeschaltet, am Elementar sind sie zumindest vorbeigekommen (auch wenn abzuwarten ist, wie der Kampf mit ihm ausgegangen ist) und dann hat Pakhet es eigentlich sogar alleine geschafft, Magier und Dämonen auszuschalten. Wobei damit der Widerstand insgesamt eher magisch war - vielleicht sind aber in den Anlagen selbst irgendwo noch Menschen, um die die anderen sich kümmern müssen. Aber der Schamane wiederum wäre ja jetzt erst einmal ausgeschaltet - allerdings kam danach diese seltsame Frau. Sunaki hat ja schon einen Namen genannt und das scheint eine grundsätzlich plausible Möglichkeit zu sein - meinen Recherchen zufolge gab/gibt es aber auch andere ägyptische Göttinnen mit Löwenkopf (die anscheinend deswegen auch relativ leicht verwechselt werdnen können), also würde ich mich da vorsichtshalber nicht festlegen, auch wenn es vielleicht richtig ist. Aber wenn es eben eine Göttin wäre, die da jetzt auftaucht, wäre Pakhet natürlich in einigen Schwierigkeiten, hust. Dann wäre dieser Schamane vielleicht gar nicht der eigentliche Endgegner.

    Was dann vielleicht mit Blick auf die freundliche Aufforderung

    Ja, das ist das große Foreshadowing. xD Darüber darfst du dir gerne noch ein wenig Gedanken machen

    auch der größere Plot sein könnte - also, dass halt irgendwie etwas mit Göttern ist. Könnte ein Konflikt zwischen denen sein oder der Versuch, wieder Gläubige/Stärke (bzw. beides, das hängt doch auch zusammen, oder?) zu gewinnen o.Ä. Ich weiß nicht genau, aber wenn ich mich nicht irre, heißt ein Abschnitt doch "Götter", oder nicht? Dahingehend könnte man auch vermuten, dass da schon irgendjemand aus so einer höheren Sphäre Pakhet im Auge hat, wenn ich jetzt so daran zurückdenke, dass Mhambi ja etwas gesehen zu haben scheint - okay, hier denke ich vielleicht auch an die Kurzgeschichte, die du ja schon in Pieces hochgeladen hattest und wo Pakhet bzw. Joanne einen gewissen Schutzgott hat, pfeif. (Aber weiß nicht, ob der da jetzt schon beobachtet.)

    Ähm, ja. Jedenfalls ist der Cliffhanger im letzten Kapitel auch total gemein, aber die Situation dürfte sich für Pakhet vermutlich dann doch rapide verschlechtert haben - ich meine, die Taschendimension bricht zusammen und offenbar wurde etwas auf sie abgefeuert. Muss ich diesen Abbruch im Satz so werten, dass sie dadurch ausgeknockt wurde? Dann wäre sie jetzt eine potenzielle Gefangene von entweder Menschenhändlern oder eben vielleicht sogar einer Göttin. So oder so müsste ich dann aber wohl (mal wieder) Angst um sie haben. Ich meine - natürlich sind da noch die anderen, aber einerseits könnten die beschäftigt sein und zweitens war Pakhet ja in einer nun zusammenbrechenden Taschendimension und auch wenn ich nicht genau weiß, was exakt das in der Konsequenz bedeutet, so wäre es grundsätzlich eine Möglichkeit, dass Pakhet damit eben nicht mehr in "unserer" Welt ist. Aber ja, ich weiß nicht. Cliffhanger halt, argh.


    Insofern hoffe ich, dass du uns nicht zu lange hängen lässt.