Spezial: Endlich in Herzhofen! (Teil 1)
Das nächste Kapitel meiner Story wird in mehreren Teilen erscheinen. Es soll so eine Art "Spezial" darstellen, im Gegensatz zu vorherigen Kapiteln. Viel Spaß beim Lesen! :)
(Maike)
Herzhofen war einfach unglaublich. Dieses Wort beschrieb die Stadt wohl am besten. Ich hatte mich vorerst von Lucia und den anderen getrennt, da diese sich für den Wettbewerb anmelden wollte und ich ja nicht teilnahm. Natürlich wollte ich eine Top-Koordinatorin werden - ich konnte mir ja selbst nicht erklären, warum meine innere Stimme mir von diesem Wettbewerb abriet, aber sie klang überzeugend.
In Gedanken versunken bummelte ich durch die Stadt. Die Häuser waren einfach einzigartig gebaut. Schlichte Farben wie rosa, blass-gelb oder auch braun bildeten meist den Grundton, die Fenster und Türen waren mit makellos-weißen Verzierungen geschmückt und die Straßen und Bürgersteige waren sauber und müllfrei. In regelmäßigen Abständen verschönerten antike (aber schon elektrische) schwarze Straßenlaternen den Weg. Wenn hier die Sonne schien, wirkte diese Stadt perfekt.
Für diese Tageszeit war außerordentlich viel los. Die Geschäfte, an denen ich vorbeikam, platzten geradezu vor Menschen und überall wurden wunderschöne Kostüme ausgestellt. Teilweise waren sie sehr teuer, aber ich fand, dass sie das Geld wert waren. Nach einiger Zeit bekam ich auch das städtische Pokemon-Center zu Gesicht. Schon von weitem konnte ich sehen, dass auch dieses Gebäude sich vor Trainern kaum retten konnte. Hier würden wir also nicht schlafen können. Vermutlich waren sie alle wegen des hiesigen Wettbewerbs gekommen. Es hieß, wenn man hier gewann, schaffte man die anderen Wettbewerbe mit links. Seufzend umging ich das Pokemon-Center und wäre fast mit einer älteren Dame zusammengestoßen.
"Oh, entschuldigung! Ich habe sie gar nicht gesehen!", stammelte ich. Mir passierte aber auch wirklich in jeder Stadt etwas Peinliches!
"Kein Problem. Aber sag mal, junge Dame, solltest du dir nicht ein Kostm für den Wettbewerb holen?"
"Nein, das verstehen Sie falsch! Ich nehme gar nicht am Wettbewerb teil."
"Wusstest du denn nicht, dass nach den Vorführungen ein Ball stattfindet? Ich glaube, dieses Mal ist es sogar ein Maskenball.", erklärte die alte Frau. "Aber wie dem auch sei, einen schönen Tag noch, Kindchen!" Und schon war die Alte um die nächste Ecke gebogen.
"Typisch. Du bist immer noch ein Anfänger, genau wir früher." Diese arrogante Stimme kannte ich doch! Ich schaute hektisch in alle Richtungen, aber außer mir und ein paar normalen Passanten war niemand da. Ich zog eine traurige Miene. Wurde ich denn jetzt völlig verrückt? Ich hätte schwören können...
Nein, beruhigte ich mich, das war nur meine Fantasie. Es gab keinen Grund, sich aufzuregen. Ich atmete tief durch und beschloss, zum Wettbewerbsgebäude zu gehen.
Die Läden, an denen mein Weg vorbeiführte, boten die schönsten Kleider, die ich je gesehen hatte - leider auch mit den höchsten Preisen, die ich je gesehen hatte. Erst würde ich Lucia und den anderen von dem Ball berichten, ehe ich überhaupt nur daran dachte, mir sowas Teures zu leisten.
So viele glückliche, plappernde Menschen eilten durch die Straßen und dann war da noch ich... Plötzlich fand ich mich vor einem großen, fast runden Gebäude wieder. Die Wände waren aus Stein in verschiedenen Braun-Tönen und eine silberne Kuppel stellte das Dach dar. Genau vor dem Eingang standen Ash, Rocko und Lucia.
"Oh, hey Maike! Weißt du waas?" Meine Freundin rannte zu mir und zog mich zu Rocko und Ash. "Nach dem Wettbewerb findet eine große Party statt!"
"Ja, das hab ich auch schon gehört...", murmelte ich und setzte ein künstliches Lächeln auf.
"Na, dann lass uns keine Zeit verlieren! Wir müssen schnell ein geeignetes Outfit für dich finden - und für mich auch! Und ich brauche noch Wettbewerbsklamotten und die Aufführung ist schon übermorgen!", bestimmte Lucia. "Bis später, Jungs! Ihr sucht euch gefälligst auch ein gutes Kostüm, ich will mich nicht mit euch blamieren!" Schon hatte sie mich wieder gepackt und schleifte mich Richtung Läden. Normalerweise konnte mich ja auch fast nichts vom Shoppen abhalten, aber war sie nicht ein wenig unhöflich zu den beiden? Immerhin waren sie unsere Freunde und wir hatten sie einfach da stehen lassen.
"Ähm, Lucia...", begann ich, doch gegen ihre Einkaufslaune hatte ich keine Chance.
"Sieh mal, sieht das nicht wunderschön aus?"
"Ich dachte, du wolltest an einem Wettbewerb teilnehmen und nicht heiraten?", frotzelte ich. Das Kleid, das Lucia meinte, war ein weißes Brautkleid mit langer Schleppe.
"Oh... Das hat noch Zeit!" Jetzt musste ich wirklich lachen. Irgendwie schaffte es die 14jährige immer, mich aufzuheitern, ob gewollt oder nicht. Besser gelaunt folgte ich ihr durch die nächsten Läden. Für die Aufführung fand sich schnell ein passendes Outfit, für den Ball eher weniger.
"Lucia, es ist nur noch 1 Laden übrig. Was machen wir, wenn wir dort auch nichts finden?"
"Nix da! Wir suchen so lange, bis wir für uns beide was Schönes gefunden haben!", protestierte Lucia. Eigentlich hatte ich schon längst die Lust verloren, aber die Blauhaarige musste morgen ja trainieren und es war ja auch nur noch 1 Laden. Also willigte ich ein und wir steuerten auf das letzte Geschäft von Herzhofen zu, in dem meine Freundin noch nicht die Verkäufer wegen der angeblich so geringen Auswahl beschimpft hatte.
Erstaunenswert war jedoch die Tatsache, dass ich, als ich den Laden betrat, mein absolutes Traumkleid fand. Ich schob mich an Lucia vorbei, um es näher zu begutachten. Das Kleid war erdbeer-rot, trägerlos und hatte einen leichten Reifrock mit eingenäht, der es hab der Hüfte etwas weiter machte. Um den Schulterbereich zog sich ein ebenfalls angenähtes Tuch in einem tief dunklen schwarz. Dazu konnte man eine rote, mit Federn verzierte Augenmaske kaufen, so eine, wie sie auch früher bei Maskenbällen üblich war. Rote Ballerina's mit leichtem Absatz rundeten das Ganze ab.
Mit leuchtenden Augen betrachtete ich das Kostüm eine ganze Weile, bis Lucia mich wieder aufweckte. In der Hand hielt sie eine weitere Tüte. Sie hatte sich also ein Kleid gekauft, während ich hier geträumt hatte. Aber ich würde es ja beim und nach dem Wettbewerb sehen, deshalb war ich ihr nicht böse.
"Na los, probiere es an! Du begaffst das Teil schon seit wir hier sind. Es würde dir bestimmt stehen!", drängte sie mich.
"Ich weiß nicht..." Letzten Endes nahm ich es aber doch mit in die Kabine und ich traute meinen Augen kaum, als ich mich in dem Kleid sah.
"Komm raus! Ich will es auch sehen!"
"Du hast mir deines auch nicht gezeigt, also wirst du auch bis zum Ball warten!"
"Das ist nicht fair!"
"Doch, ist es!", hielt ich dagegen.
"Ja, ich weiß...", gab meine Freundin schlussendlich zu und wir mussten beide kichern. Ich zog mich wieder um und bezahlte das Kleid samt Schuhen und Maske (es war ein ziemlich teurer Spaß). Anschließend verließen Lucia und ich das Geschäft wieder.
Die Nachmittagssonne legte sich bereits über Herzhofen, man konnte förmlich spüren, wie die Sonnenstrahlen an Intensität verloren. Wir schlenderten noch eine Weile durch die Stadt, bis wir Ash und Rocko über den Weg liefen. Sie hatten je 1 Tüte in der Hand.
"Wie es aussieht, wart ihr auch erfolgreich!", begrüßte uns Ash. Scheinbar konnten auch Jungs mal richtig shoppen, wenn sie es nur wollten. Leider hatten wir trotzdem noch ein Problem, das es zu lösen galt.
"Habt ihr euch eigentlich schon darüber Gedanken gemacht, wo wir heute Nacht schlafen sollen? Das Pokemon-Center ist komplett überfüllt und die Hotels hier sind mit Sicherheit zu teuer für uns.", unterbrach ich die gute Laune. Ich behielt Recht. Keiner meiner 3 Freunde hatte das berücksichtigt. Ratlos blickten sie sich gegenseitig an.
"Nun, wir könnten uns irgendwo in der Stadt niederlassen..."
"Spinnst du, Rocko?", fuhr Lucia ihn an. "Hier können uns alle Leute sehen! Weißt du, was die dann denken? Sie denken, ich sei zu arm, um eine richtige Unterkunft zu bezahlen!"
"Aber - ", begann Ash, doch meine Freundin würgte auch ihn ab.
"Warum campieren wir nicht außerhalb der Stadt? Da stand doch schon ein Zelt, den, der da wohnt, würden wir bestimmt nicht stören!"
"Laut dem Reiseführer soll es hier eine Kirche, oder viel mehr eine Kathedrale geben. Warum fragen wir dort nicht nach?", schlug Rocko vor.
"Ja, das ist eine super Idee! Los doch! Na kommt schon, bewegt euch!" Lucia schob uns in Richtung einer ziemlich hohen Baute. Ob es die Kathedrale war, wusste ich nicht, aber es sah selbst aus der Distanz sehr imposant aus.
Als wir dann vor dem Gebäude standen (meine Freundin hatte uns ja mehr oder weniger freiwillig hierher gebracht) wirkte es noch sehr viel größer. Es überragte meiner Meinung nach sogar die Wettbewerbshalle. Über der Tür waren ein Kreuz und jeweils rechts und links ein Pokemon eingemeißelt. Eines davon war Dialga.
"Hallo, meine Lieben. Kann ich euch helfen?" Ein freundlich aussehender Mann in schwarzer Robe war aus der Kathedrale gekommen.
"Guten Tag, ich bin Ash und das sind meine Freunde Maike, Lucia und Rocko.", stellte Ash uns vor. "Wir suchen eine Bleibe für die Zeit bis zum Wettbewerb und wir dachten..."
"Wir dachten, dass wir vielleicht hier übernachten können.", beendte Lucia seinen Satz.
"Natürlich könnt ihr hier schlafen. Es findet sowieso kein Gottesdienst statt, da freue ich mich immer über Besuch. Kommt nur herein!"
Die Kathedrale war von innen noch viel gewaltiger als von außen. Hier drin standen Holzbänke ordentlich in mehreren Reihen hintereinander zum Altar ganz vorne ausgerichtet. An der linken Wand stand eine alte Orgel, bestimmt 5mal so hoch wie ich, wenn nicht mehr. Überall im Raum waren weiße Kerzen zu sehen und wenn man die Decke betrachtete, schien man in eine endlose Welt der Malereien gezogen zu werden. Bunte Fenster, wie sie in jeder Kirche zu finden waren, tönten das hereinfallende Licht in schimmernden Farben. "Ich habe auch einige Kissen und Decken, macht es euch nur bequem!", sagte der Pastor gut gelaunt, verschwand in einem kleinen Nebenraum und kam mit den versprochenden Sachen zurück.
Wir bauten rasch unsere Schlafplätze auf, bevor der nette Mann sich mit einer Schüssel Frucht - und Beerensalat für jeden zu uns setzte. Unsere Pokemon hatten wir aus ihren Bällen gelassen, damit sie in Ruhe Rocko's Spezialfutter genießen konnten.
Ash betrachtete enttäuscht seinen Salat. Ja, er war immer noch ein Vielfraß, am liebsten schaufelte er Fast-Food in sich hinein. Manchmal fragte ich mich ob... Nein, Ash vielleicht, aber er nicht. Das war einfach nie seine Art gewesen. Schmunzelnd aß ich meinen Salat. Lucia brach irgendwann das Schweigen.
"Also, wir dürfen hier übernachten und Sie versorgen uns mit Essen - aber wer genau sind Sie überhaupt?"