Einer der bekanntesten Kritikpunkten beim Mapping ist seit je her der Wunsch nach Natürlichkeit. Das heißt grundsätzlich also, dass Bäume nicht übereinander stehen dürfen, dass ein Wald nun einmal nicht ordentlich ist, sondern zufällig angeordnet. Und schlussendlich ist es natürlich auch das Vermeiden von Linien oder zu vielen Wiederholungen gleicher Tiles im Allgemeinen, um eine Map möglichst realitätsnah gestalten zu können. Diese Regel an sich gilt als Axiom des Mappings und eigentlich als die so ziemlich erste Information, die man als engagierter Neuling lernt. Eigentlich verständlich, oder?
Linearität
Und grundsätzlich ergibt das ja auch Sinn, Kanten sind in der Natur nicht vorgesehen, erschaffen durch den Mensch, der Objekte auf andere stellen will, der lieber in einem viereckig errichteten Haus leben will als in einer unförmigen Kugel, denn schließlich ist das ja Kultur und nicht Natur. Selbst wenn man noch so sehr versucht, Ecken und wirkliche Kanten zu erkennen, findet man sie immer noch nicht, denn auch Bäume sind nicht kerzengerade. Als Faustregel ist das Vermeiden von Linearität also sinnvoll, aber man darf sich nicht einschüchtern lassen.
Wieso nicht?
Beim Mappen von Pokémon-Maps bis Generation 5 befinden wir uns in einer Welt, die in einer diagonal verlaufenden Vogelperspektive besichtigt werden kann, man sieht also nichts in seiner kompletten Größe und eher von oben als frontal. Details sind immer schön und gut, aber man darf nicht vergessen, dass Halbinseln, geografische Zungen und ähnliche Gebilde eben doch relativ linear verlaufen. Oder richtig abgerundet. Und so viele Halbinseln und Konsorten gibt es gar nicht, die bieten schon einige der extravagantesten Formen, die die Erde zu bieten hat. Doch extravagante Inseln, Halbinseln und Seezungen sind ja absolut einwandfrei, natürlich können sie entstanden sein.
Doch meist wird der Punkt der Linearität genannt, wenn es darum geht, dass Berge zu häufig zu geradlinig gestaltet werden, weil das ja ziemlich langweilig sei. Aber dann gibt es häufig arg gelobte Werke, die eben genau gegenteilig aufgebaut sind, natürlich sind diese trotzdem nicht.
Nun gibt es also drei Beispiele, von denen zwei nicht realistisch sind, aber eins von beiden wird gerne gelobt:
Beispiel 1: Linear
Wir sehen hier also ein extrem lineares Gebilde und das ist etwas, was viele Anfänger machen, es ist nicht realistisch, denn Kanten sind in der Natur so häufig zu finden wie neongrüne Lampen: Es kommt faktisch nicht vor, weil es keine stabile Form ist, anders als beispielsweise eine Kugel. Im Laufe der Zeit hätte sich diese Form also abgenutzt und wäre zu etwas geworden, was bestehen kann bei jedem Wind und Wetter.
Beispiel 2: Übermäßig „natürlich“
Wow, wie cool! Keinerlei Linearität, eine ausgefallene Form und dann wahrscheinlich auch noch mit total vielen verschiedenen Steinen belegt, damit es auch ja realistisch aussieht.
Aber falsch! Linearität vermeiden heißt eben nicht, dass solche Formen entstehen und doch sieht man sie sehr häufig. Bei der natürlichen Entstehung von Bergen schieben sich zwei oder mehr tektonische Platten gegeneinander und drücken so Massen an Gestein in die Höhe. So ist es also, dass ein Berg sich nach außen hin immer verjüngt und eher weniger Ausbuchtungen hat, die können eigentlich kaum entstehen. Natürlich gibt es auch fast kreisrunde Berge, aber auch für die trifft die Regel zu. Ein Beispiel wäre der Mount Everest, der drei Bergzungen hat und eine sogar nur wegen eines anderen Berges, der sich direkt in der Nähe aufgetan hat.
Vulkane bieten wohl die meisten Formunterschiede auf, weil diese vor allem durch austretender Lava wachsen und neue Formen erhalten. Sollten aber normale Berge gemacht werden, ist Beispiel 2 fast so falsch wie Beispiel 1.
Beispiel 3: Realistischere Natürlichkeit
Auch nicht das perfekte Beispiel, aber wohl ein ziemlich guter Punkt, um meinen Ansatz aufzuzeigen, steht Beispiel 3 dafür, dass es kaum nennenswerte extravagante Formen gibt, die künstlich entstanden sein müssen. Es gibt nicht endlos viele Zungen, sondern wenige.
Was will ich also mit den Beispielen erreichen?
Nun, die Frage dieses Themas ist ganz einfach: Wie wichtig ist Natürlichkeit und ist Linearität gleichzusetzen mit unnatürlicher Gestaltung, aber ein Sammelsurium an verschiedensten Formen deswegen natürlich? Inwiefern stimmt der Ansatz, dass besonders viele verschiedene Übergänge und Kanten natürlicher wirken?
Das Setzen von Bäumen
Dicht an dicht und möglichst zufällig gesetzte Bäume bilden den perfekten Wald. Dabei bestenfalls noch zwei verschiedene Grüntöne bei Bäumen haben und verschiedene Arten, damit es natürlich wirkt. Aber auch hier wird aus der Faustregel schnell ein Irrtum, denn ist es nicht so, dass Bäume Licht brauchen, um zu wachsen? Kann ein Wald mit neun Bäumen auf einer Fläche von sechs mal sechs Tiles wirklich realistisch und natürlich wirken?
Wirken vielleicht, aber natürlich ist es deswegen nicht. Bäume wachsen nicht, wenn sie kein Licht bekommen und so viele Bäume wie möglich auf einmal wachsen zu lassen ist auch kein Umstand, der in der Natur existiert. Bäume wachsen gar verschieden schnell, selbst wenn sie im gleichen Jahr gekeimt sind. Ist der Grundsatz, dass viele, möglichst dicht gesetzte Bäume gut aussehen? Ich meine nicht Bäume, die rein logisch aufeinander stehen würden, wenn man sieht, wie dicht sie gesetzt sind. Dass das ein häufiger Anfängerfehler ist, ist ja klar. Aber wie seht ihr das denn mit Bäumen? Sind sie dicht gesetzt wirklich natürlich? Sind verschiedene Grüntöne für die gleiche Baumart wirklich sinnvoll?
Also, was ist eure Meinung? Ist Linearität zu vermeiden immer ein unumstößlicher Grundsatz der Natürlichkeit? Ab wann ist ein Gebilde linear?