Drachenreiter-Erzählungen – Geschichten aus den Dämonenkriegen

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  • Drachenreiter-Erzählungen

    – Geschichten aus den Dämonenkriegen –


    Klappentext

    Weyrherrin Sorka erzählt von einer Zufallsbegegnung mit Folgen, Fischermeister Erragon schildert Ereignisse aus seinen großen Seereisen. Des weiteren erleben wir Kindans Werdegang zum Drachenreiter, Nerilkas Flug durch Zeit und Raum und weitere Geschichten aus der Zeit der Dämonenkriege.


    Vorbemerkung

    Herzlich willkommen bei den Drachenreiter-Erzählungen. Diese spielen in einer Welt, die an die Vergangenheit aus der Welt des Drachenreiter-RPGs angelehnt ist, welches ich zusammen mit @Nessi erstellt habe. Selbstverständlich werde ich bei den Erzählungen aber nicht davon ausgehen, dass der Leser die RPG-Beschreibung gelesen hat oder in dem RPG mitspielt.

    __Ein paar Informationen sind für das Verständnis der Geschichten aber vielleicht doch sinnvoll zu wissen:

    __Die Drachenreiter-Erzählungen spielen in einer Welt, in der es neben normalen Menschen auch Drachen, Dämonen und normale Tiere gibt. Dabei sind die Drachen bei fast allen Erzählungen deutlich kleiner als in dem RPG: Wenn sie auf allen vier Pfoten stehen, haben nichtmetallische Drachen eine mit Pferden vergleichbare Schulterhöhe, die Schulter von den selteneren Drachen mit einer metallischen Hautfarbe sind vielleicht zehn bis zwanzig Zentimeter höher. Von der Nasenspitze bis zum Schwanzende gemessen sind die Drachen deutlich länger als Pferde, was aber vor Allem daran liegt, dass sie über einen etwas längeren Hals und einen deutlich längeren Schwanz verfügen - der Schwanz eines Drachen kann sogar so lang werden, wie Körper, Hals und Kopf zusammen.

    __Pferde werden in den Drachenreiter-Erzählungen übrigens als Renner bezeichnet, was aber eigentlich eher daran liegt, dass diese in dieser Welt vor Allem als Reittiere genutzt werden.

    __Ein paar weitere Rassen werden im Verlauf der Geschichten noch hinzu kommen, aber auf die brauche ich an dieser Stelle nicht einzugehen, weil ich sie an der passenden Stelle in einer Erzählung einführen werde.

    __Nicht im Zusammenhang mit den Tieren, aber für das Verständnis der Erzählungen vielleicht dennoch wichtig ist der Beruf des Harfners. Wie in der Beschreibung des RPGs erläutert kann man sich diese als Musiker vorstellen, die in der Gesellschaft des Drachenlandes den Kindern auch das Lesen, Schreiben und Rechnen beibringen und mithilfe ihrer Lieder die Erinnerung an wichtige Ereignisse aus der Vergangenheit wach halten.


    Für Leser, die auch an dem RPG interessiert sind, sollte ich nicht verschweigen, dass es zwischen den Erzählungen und der Welt des RPGs durchaus zu Unterschieden kommen kann. Zum Teil werden diese einfach daran liegen, dass die Erzählungen in einer Zeit spielen, die von der Handlung des RPGs aus gesehen schon weit in der Vergangenheit liegt und dass entsprechend einige Details seitdem in Vergessenheit geraten sind. Aber es wird auch Dinge geben, die sich in späteren Erzählungen ändern, so dass es nur am Anfang so aussieht als ob hier ein Unterschied zwischen den beiden Welten vorläge. Im Moment habe ich vor, am Ende keine echten Unterschiede zwischen den Welten stehen zu lassen, aber ich kann jetzt noch nicht sagen, wie gut mir das gelingen wird, und falls ich zwischendurch bemerken sollte, dass bestimmte Sachen im Kontext der Erzählungen anders sinnvoller sind, könnte es auch dazu kommen, dass ich manche Unterschiede am Ende doch nicht auflöse.


    Copyright

    Die Welt, in der das RPG und die Erzählungen spielen, haben @Nessi und ich uns gemeinsam ausgedacht. Bei der zur Zeit des RPGs lebenden menschlichen Gesellschaft haben wir uns an der Gesellschaft aus den von Anne McCaffrey geschriebenen Büchern über die Drachenreiter von Pern orientiert, dabei aber auch einige Dinge abgeändert, und weil die in den Pern-Büchern beschriebene Geschichte über die Besiedlung des Planeten nicht für das RPG passt, haben wir uns für dessen Vergangenheit - und damit auch für die Drachenreiter-Erzählungen - eine eigene Geschichte ausgedacht.

    __Vielleicht sollte ich erwähnen, dass wir uns bei der Welt des RPGs die meisten Ortsnamen nicht selbst ausgedacht haben, sondern diese einfach aus den Pern-Büchern übernommen, teilweise ins Deutsche übersetzt oder etwas abgeändert und schließlich auf einer für das RPG neu erstellten Landkarte komplett neu angeordnet haben. Auch für die Namen der im RPG vorkommenden Nicht-Spieler-Charaktere werden wir Namen aus dem Pern-Universum nehmen, und für die in den Erzählungen auftretenden Personen werde ich dies ebenso machen. Für die Namen der Orte auf dem Dämonenkontinent werde ich in den Erzählungen, die zum Teil dort spielen, Ortsnamen aus den von Christopher Paolini geschriebenen Eragon-Büchern übernehmen.


    Inhaltsverzeichnis

    1. Vorwort
    2. Eine Zufallsbegegnung mit Folgen – Teil 1Teil 2
    3. Drachenreiter – Teil 1Teil 2Teil 3Teil 4Teil 5Teil 6
  • Vorwort


    Nachdem der zweite Dämonenkrieg nun schon ein gutes Jahrzehnt vorbei ist und es für viele Bewohner des Drachenlandes so aussieht, als ob es in absehbarer Zeit nicht wieder zu einem erneuten Krieg kommen wird, möchte ich einmal die Gelegenheit ergreifen und ein paar Zeitzeugenberichte aus den Dämonenkriegen zu einem zusammenhängenden Buch zusammenfügen.

    __Mir ist durchaus bewusst, dass nur wenige Leute tatsächlich die Gelegenheit haben werden, dieses Buch zu lesen, und tatsächlich ist es auch die Aufgabe der Harfner, mithilfe der entsprechenden Lieder und Balladen die Erinnerung an die Vergangenheit wach zu halten, aber wie ich bei den Recherchen zu diesem Buch mit Bedauern feststellen musste, gibt es Details, die in den Liedern nicht erwähnt werden. Es ist durchaus schade, wenn dass dazu führt, dass zum Beispiel die Drachenreiterin Renna in Vergessenheit gerät, nur weil die Ballade von der ersten Drachenprägung nur von Sean und Sorka erzählt. Selbst in Ruatha - dessen Name sich von ihrem Drachen ableitet und bei dessen Wandlung von einer Siedlung zum Fürstentum Renna und ihr Ehemann eine wesentliche Rolle gespielt haben, ist sie heutzutage so gut wie unbekannt.

    __Um zumindest ein paar solcher Details vor dem Vergessen zu bewahren, waren meine Helfer und ich in den letzten Jahren auf der Suche nach Zeitzeugenberichten, die sich mit wichtigen Ereignissen aus den beiden Dämonenkriegen beschäftigen. Bei jedem der Berichte werden wir noch ein paar Informationen voran stellen, damit der Leser die ausgewählte Erzählung zeitlich richtig einordnen und anhand des vorliegenden Buches die Geschichte der beiden Dämonenkriege nachvollziehen kann.


    Für ein besseres Verständnis der älteren Erzählungen möchten wir einmal daran erinnern, dass es im ersten Dämonenkrieg die Magier und die Vampire noch nicht gab. Beide Rassen wurden erst im Laufe der Zeit von den Dämonen erschaffen. Und auch die Where und die Feuerechsen gab es noch nicht - aber deren Erschaffung ist noch nicht so lange her, dass wir heutige Leser daran erinnern müssten. Für Leser, die das Buch aber vielleicht erst in ein oder zweihundert Jahren in die Hand nehmen und sich nicht an den Ursprung dieser beiden mit den Drachen verwandten Rassen erinnern, sollten wir schließlich noch erwähnen, dass die Drachen bei den meisten Geschichten in diesem Buch deutlich kleiner waren als sie es heute sind. Tatsächlich waren sie nur unwesentlich größer als die heutigen Where, und wenn mich die Drachenreiter richtig informiert haben, hatten die Urdrachen wohl auch ein besseres Gedächtnis als ihre heutigen, großen Artgenossen. Ein paar andere Unterschiede in den physischen und magischen Fähigkeiten der Drachen gibt es wohl auch, aber in diesem Punkt brauchen wir an dieser Stelle denke ich nicht zu weit in die Details zu gehen.


    Ich hoffe, dass ich mit dem Zusammenstellen des vorliegenden Buches einen kleinen Teil zur Bewahrung der Erinnerung an einige Details aus der Entwicklungsgeschichte der Drachenreiter beitragen kann.

    Meisterharfner Zist

    im Jahr 721 nach der ersten Drachenprägung

  • Wir beginnen die Reihe der Geschichten mit einem Bericht, in dem die achtzig Jahre alte Weyrleiterin Sorka von einem Ereignis aus ihrer Vergangenheit berichtet. Bei den erzählten Ereignissen war sie gerade einmal siebzehn Jahre alt.

    __Der Vollständigkeit halber sollten wir erwähnen, dass der erste Dämonenkrieg schon rund zweihundert Jahre vorher begonnen hatte. Tatsächlich hatten die Menschen und die Dämonen schon immer auf unserem Kontinent und die Dämonen ursprünglich auf dem Dämonenkontinent gelebt. Etwa zweihundert Jahre vor den hier geschilderten Ereignissen waren die Dämonen dann plötzlich mit mehreren Kriegsschiffen in unserem Drachenland aufgetaucht und hatten begonnen, gegen uns Menschen Krieg zu führen.

    __Es ist nur eine Vermutung, aber es könnte durchaus sein, dass die Dämonen nicht von selbst auf die Idee gekommen sind, nach anderen Kontinenten zu suchen. Jedenfalls hatten die Menschen schon dreihundert Jahre vor dem Beginn des Dämonenkriegs begonnen, die Weltmeere zu erkunden, und einige dieser Expeditionen hatten durchaus auch das Ziel gehabt, auf möglichen fremden Kontinenten neue Kolonien zu gründen. Aber der Kontakt zu diesen Entdeckern ging verloren, und über das Schicksal der potentiellen Siedler ist uns nicht das geringste bekannt. Es wäre durchaus möglich, dass eines - oder vielleicht auch mehrere - der verloren gegangenen Schiffe den Dämonenkontinent erreicht und so die Dämonen auf die Existenz der Menschen aufmerksam gemacht hat.

    __Auf jeden Fall waren die Menschen zweihundert Jahre vor der ersten Drachenprägung nicht auf einen Krieg gegen eine ihnen damals vollkommen unbekannte Rasse vorbereitet, und so gelang es den Dämonen, große Teile des Drachenlandes einzunehmen. Aber dann griffen die wild in den Bergketten lebenden Drachen in den Konflikt ein und vertrieben die Dämonen aus ihren bevorzugten Jagdgebieten. Als unsere Vorfahren dies bemerkten, begannen sie, in die Nähe der Drachennester umzuziehen - denn die Drachen waren durchaus schon soweit an die Menschen gewöhnt, dass sie unsere Vorfahren nicht als Feinde ansahen und uns in ihren Jagdgebieten wohnen ließen.

    __Einige Menschen wählten übrigens auch den Beruf des Soldaten und bekämpften die Dämonen auch außerhalb der von den Drachen beschützten Gebiete, aber die Soldaten konnten selbstverständlich nicht überall gleichzeitig sein, und so mussten viele Siedler sich eben halt auf den Schutz durch die Drachen verlassen - genau wie Sorkas Eltern und die restlichen Bewohner der Siedlung, in der Sorka aufgewachsen ist.


    Eine Zufallsbegegnung mit Folgen

    – Teil 1 –


    Der Tag, an dem Sean und ich uns zum ersten Mal trafen, war ein sonniger Frühlingstag mit milden Temperaturen. Also eigentlich ein sehr gutes Reisewetter, und tatsächlich war ich zusammen mit meinen Eltern, meinem kleinen Bruder und gut zwei Dutzend weiteren Kameraden unterwegs, um eine neue Heimat zu finden. Unsere alte Siedlung war einige Tage zuvor von Dämonen angegriffen und vernichtet worden. Vielleicht sollte ich euch an dieser Stelle daran erinnern, dass es damals noch keine Drachenreiter gab, und dass die wild lebenden Drachen die Umgebung zwar vor den Dämonen verteidigen, aber andererseits auch nicht daran denken, ein besonderes Augenmerk auf die Siedlungen der Menschen zu legen oder gar reisende Menschen zu begleiten. Deshalb rechneten die Menschen damals auch immer mit der Möglichkeit, dass ihr sie beschützender Drache sterben oder seine bevorzugten Jagdgebiete in eine andere Richtung verlagern könnte, und so war es damals keine Besonderheit, wenn die Bewohner einer Siedlung auf Wanderschaft gingen, um sich einen von den Drachen besser geschützten Ort zu suchen.

    __Dieses Mal hatte es jedenfalls uns erwischt. Nachdem die Dämonen bei dem Überfall alle Hütten unserer Siedlung zerstört und viele unserer Mitbewohner getötet hatten, mussten wir einsehen, dass unser Drache uns wohl nicht weiter beschützen würde, und so war uns klar, dass wir hier nicht bleiben konnten. Wir beschlossen, immer an der Bergkette entlang in die Richtung zu wandern, in der wir letzten Endes nach Süden kommen würden. Schon einige Jahre zuvor hatten wir nämlich gehört, dass die Bewohner einer anderen Siedlung ein ganzes Stück weiter südlich eine Festung errichtet und zum Schutz vor den Dämonen mit doppelten Festungsmauern versehen hatten und dass diese inzwischen schon hundert Jahre lang hielten. Natürlich war es uns eigentlich egal, ob wir bis zu dieser Burg Fort reisen oder irgendwo einen von Drachen beschützten Ort finden würden, an dem wir eine neue Siedlung gründen würden. Aber im Süden wussten wir, dass wir spätestens in ein paar Wochen einen sicheren Ort erreichen würden, und in die entgegengesetzte Richtung waren wir uns nicht so sicher.

    __Wir waren schon einige Tage lang unterwegs, als uns gegen Mittag ein bronzener Drache auffiel, der von einem der Berge vor uns auf das links neben der Bergkette vorhandene Flachland flog und dort mit seinem Feuer eine größere Gruppe von Kreaturen angriff. Obwohl wir zu weit weg waren um Einzelheiten zu erkennen war uns klar, dass hier ein Drache gegen Dämonen kämpfte. Als dem bronzenen Drachen wenig später ein goldener Artgenosse folgte, war uns klar, dass wir hier einen gut beschützten Ort gefunden hatten. Um ganz sicher zu sein, dass wir auch wirklich an der richtigen Stelle waren, würden wir zwar eigentlich noch bis zu dem Berg laufen müssen, von dem der bronzene Drache gekommen war, aber weil wir nicht von einzelnen Dämonen überrascht werden wollten, die dem Angriff von den Drachen entkommen waren, beschlossen wir, erst einmal etwas auf den rechts neben uns stehenden Berg hinauf zu klettern und dort eine Stelle zu suchen, die sich gut gegen die Dämonen verteidigen ließ. Tatsächlich fanden wir auf einem Drittel der Höhe des Berges eine Höhle, in der wir uns verstecken und ein paar Stunden lang abwarten konnten. Aber irgendwann am Nachmittag würden wir unsere Reise fortsetzen, um bis zu dem Berg zu laufen, von dem der bronzene Drache gekommen war und dort nach einer Höhle zu suchen, in der wir die ersten Wochen leben konnten - eben halt so lange, bis wir wieder einige Hütten errichtet hatten, in denen es sich angenehmer als in einer Höhle leben lässt. Wie gesagt, es war ein sonniger Frühlingstag mit milden Temperaturen, also eigentlich ein ideales Reisewetter.


    Was wir von unserem Standpunkt aus nicht sehen konnten, war, dass sich an der uns abgewandten Seite des Berges nicht nur eine passende Höhle, sondern einige hundert Meter weiter bereits eine kleine Siedlung und auf halber Höhe des Berges eine kleine Aussichtsstation befanden. Von der Aussichtsstation hatte ein Junge des Dorfes am Morgen die Dämonen entdeckt und war dann in das Dorf hinab gestiegen, um seine Kameraden vor dem bevorstehenden Angriff zu warnen. Weil man von der Aussichtsstation aus weit auf die Ebene hinaus gucken kann und die Dämonen sich nicht sehr zielstrebig auf die Siedlung zu bewegten, hatten die Siedler anschließend noch ein paar Stunden Zeit gehabt, um sich für die Verteidigung ihrer Siedlung zu bewaffnen und in aller Ruhe mögliche Pläne zur Verteidigung ihres Dorfes zu besprechen. Wie schon oft konnten sie aufatmen, als die beiden Drachen los flogen, um ihr Revier zu verteidigen. Natürlich konnte es immer vorkommen, dass einzelne Dämonen den Drachen auswichen und dann doch das Dorf angriffen, aber gegen einzelne Dämonen kann man sich leichter verteidigen als gegen eine größere Gruppe von denen.

    __Dieses Mal dachten die Dämonen aber wohl nicht daran, den Drachen auszuweichen. Statt dessen schienen sie beschlossen zu haben, gegen die Drachen zu kämpfen, um sie vernichten oder zumindest aus der Gegend vertreiben und dann wohl später ungehindert die Siedlung angreifen zu können. Jedenfalls tauchte kein Dämon bei der Siedlung auf, und auch wir Reisenden wurden dieses Mal nicht von den Dämonen belästigt. Etwa eine halbe Stunde, nachdem die beiden Drachen die Dämonen angegriffen hatten, flog der bronzene Drache wieder zurück auf seinen Berg, aber der goldene Drache blieb auf dem Flachland. Aus der Entfernung betrachtet sah es so aus, als ob er sich einfach so hingelegt hatte und eingeschlafen war.

    __Meine Eltern schlugen vor, noch ein, zwei Stunden abzuwarten und darauf zu achten, ob es irgendwelche Anzeichen gab, dass Dämonen überlebt hatten, aber mir kam es merkwürdig vor, dass ein Drache mitten auf einem Schlachtfeld einschlafen sollte. Während ich mir deswegen so meine Gedanken machte, beobachtete ich aufmerksam die Gegend rund um das Schlachtfeld, aber von unserem Berg aus war nicht ein einziges Indiz für die Anwesenheit eines verbliebenen Dämons zu sehen. Irgendwann - es mochte vielleicht eine Dreiviertelstunde, nachdem der bronzene Drache davon geflogen war, sein - wurden meine Befürchtungen, was den goldenen Drachen anging zu viel, und ich bat meine Gefährten, auf mich zu warten und lief dann los, um mir den goldenen Drachen aus der Nähe anzusehen.

    __Natürlich hatten auch die Bewohner der Siedlung den bronzenen Drachen davon fliegen sehen, und der Junge fand es ebenfalls merkwürdig, dass der goldene Drache auf dem Schlachtfeld blieb. Also war er erst einmal zur Aussichtsstation geklettert, und als er von dort nichts genaueres erkennen konnte, hatte er sich ebenfalls auf den Weg gemacht, um sich den Drachen einmal aus der Nähe anzusehen.

    __Um es kurz zu sagen: Wir erreichten den Drachen fast gleichzeitig, aber aus unterschiedlichen Richtungen, so dass wir einander nicht gleich bemerkten. Statt dessen, begannen wir, uns die Verletzungen des Drachen anzusehen. Ja, die Dämonen hatten den Drachen angegriffen, und es war ihnen gelungen, seinen Flügeln einen empfindlichen Schaden zuzufügen. Ich konnte von meiner Seite aus den linken Flügel des Drachen sehen, und dieser sah gar nicht gut aus. Anscheinend war der Flügel in eine Art Feuer geraten. Die komplette Haut war angesengt, und obwohl ich mich damals noch nicht mit der Anatomie von Drachen auskannte, hatte ich keinen Zweifel daran, dass der Drache mit diesem Flügel nicht so schnell wieder fliegen würde.

    __Bevor ich mir allerdings lange Gedanken darüber machen konnte, ob und wie man diese Verbrennungen behandeln konnte, hörte ich von der rechten Seite des Drachen die Stimme eines jungen Mannes: „Das sieht ja gar nicht gut aus“, murmelte er.

    __„Ist da jemand?“, fragte ich daraufhin.

    __„Ja, ich.“

    __„Wer ist ‚ich‘?“, erkundigte ich mich und begann, um den Drachen herum zu laufen.

    __„Na, ich eben. Sean.“

    __„Aha. Und was machst du hier?“

    __„Das könnte ich genauso gut dich fragen.“

    __„Ich habe von weiter weg gesehen, wie der Drache hier gegen ein paar Dämonen gekämpft hat und dann liegen geblieben ist. Seinen bronzenen Kameraden habe ich weg fliegen sehen, aber den hier nicht“, erklärte ich. Inzwischen war ich auch weit genug um den Drachen herum gelaufen, um den Jungen betrachten zu können. Er mochte wohl ungefähr so alt sein wie ich, hatte rotblonde Haare und trug stark verschlissene Kleidung. Bis auf das Geschlecht hätte diese Beschreibung übrigens genauso gut auch mich beschreiben können.

    __„Nun ich denke, der wird wohl nirgendwo mehr hin fliegen“, meinte der Junge und deutete auf den rechten Flügel des Drachen. „So wie ich das sehe, müssen ihn wohl mehrere Tierdämonen mit scharfen Klauen angegriffen haben, und es würde mich wundern, wenn bei diesen Schnittwunden nicht irgendwelche wichtigen Muskeln oder so etwas durchtrennt wurden. Aber ich bin kein Heiler und kenne mich mit so etwas nicht aus.“

    __„Mein Vater ist ein Heiler, und ich habe ihm schon oft bei der Behandlung von kleineren Verletzungen geholfen“, berichtete ich. „Aber mit der Anatomie von Drachen kenne ich mich nicht aus.“

    __Wir schwiegen einander eine Zeit lang an, aber dann ergriff Sean wieder das Wort: „Meinst du, wir sollten die Verletzungen behandeln?“, fragte er.

    __„Vielleicht. Aber wenn wir ihn hier lassen, wird das nicht viel bringen. Die Gefahr, dass ein Dämon vorbei kommt und den Drachen tötet, ist einfach viel zu groß.“

    __„Ich kenne eine Höhle, in der wir ihn unterbringen könnten.“

    __„Ach so? Und kennst du vielleicht auch eine Höhle, in der meine Kameraden und ich wohnen können? Wir sind so um die dreißig Leute, und unsere Siedlung wurde vor ein paar Tagen von Dämonen zerstört.“

    __„Ich kenne etwas besseres als eine Höhle. Natürlich müssen wir zuerst meinen Vater fragen, aber ich bin mir sicher, dass ihr bei uns in unserer Siedlung wohnen könnt. Für den Anfang wäre das vielleicht etwas beengt, aber in einer überfüllten Hütte lebt es sich doch immer noch besser als in einer Höhle?“

    __Nach einem kurzem weiteren Gespräch einigten wir uns darauf, dass ich meine Kameraden her holen und Sean inzwischen zu seiner Siedlung gehen und seinen Vater fragen sollte, ob er uns in die Siedlung führen durfte. Tatsächlich kam Sean dann aber zusammen mit seinem Vater und einigen anderen Leuten aus dem Dorf zurück zum Drachen, und nachdem ich meine Gefährten her gebracht hatte unterhielten sich mein Vater und Seans Vater mit einander. Wie sich dabei heraus stellte gab es in der Siedlung derzeit keinen Heiler, auch sonst sprach eigentlich nichts wirklich gegen eine Zusammenführung der beiden Gesellschaften. Unsere Väter entschieden also, dass wir mit in der Siedlung einziehen konnten, aber bevor wir das in die Tat umsetzten, behandelten mein Vater und ich noch die Wunden des Drachen, und gemeinsam mit allen anderen anwesenden Erwachsenen schafften wir den Patienten dann noch in die von Sean vorgeschlagene Höhle.


    Am Abend veranstalteten wir zusammen mit allen alten und neuen Bewohnern der Siedlung ein Fest, um einander noch etwas besser kennen zu lernen und zu besprechen, wie wir den Platz in den vorhandenen Hütten gerecht auf alle Bewohner der Siedlung aufteilen konnten. Wie ich dabei erfuhr, war auch Sean kein Einzelkind. Er hatte eine kleine Schwester, Renna, die damals gerade zwölf Jahre alt geworden und damit noch ein Jahr jünger war als mein Bruder Ryan. Der Vater von Sean und Renna hieß Natalon und war nicht nur ein sehr geschickter Zimmermann, sondern er besaß aus seiner Jugend ein gewisses Maß an Erfahrungen in der Verteidigung der Siedlung gegen die Dämonen - und deshalb hatten die Bewohner der Siedlung ihn genauso zu ihrem Anführer erwählt, wie die Bewohner meines alten Dorfes meinen Vater. Nach einigem hin- und her überlegen beschlossen die Anführer der beiden bisherigen Dorfgemeinschaften, dass meine Familie mit in die Hütte von Seans Familie einziehen sollte. Meine Eltern bekamen dabei von den vier Schlafzimmern das sonst nur als Gästezimmer verwendete vierte Zimmer, während Ryan mit in das Zimmer von Sean und ich in das Zimmer von Renna einziehen sollten. Auch für die anderen neuen Bewohner der Siedung wurde auf ähnliche Weise Platz geschafft.

    __Nachdem die Zuteilung der Wohnungen erledigt war, begann mein Vater von unserer Reise zu berichten. „Nachdem wir kurz vor dem Ozean das Ende der Bergkette erreicht hatten, gingen wir um den letzten Berg herum und begannen, auf der südlichen Seite der Bergkette entlang wieder zurück nach Westen zu reisen“, erwähnte er dabei.

    __„Einen Moment bitte“, unterbrach Natalon die Erzählung. „Ihr habt auf der nördlichen Seite der Bergkette gewohnt und seid trotzdem in die östliche Richtung gestartet? Und das obwohl ihr – wie ich einmal annehme – genau wusstet, dass ihr dann zwei Mal an denselben Bergen vorbei kommt - also dann eine ganze Strecke lang sicher sein könnt, dass da keine Drachen wohnen, weil ihr sonst auf der nördlichen Seite geblieben wärt? Wäre es da nicht besser gewesen, gleich nach Westen zu reisen und dann beim Hochlandgebirge nach Norden abzubiegen?“

    __„Ja, das war uns durchaus bewusst. Aber wir hatten vor einiger Zeit einen Bericht über die Burg Fort gehört, die mit doppelten Festungsmauern auch dann einen Schutz vor den Dämonen bietet, wenn gerade kein Drache in der Nähe ist.“

    __„Doppelte Festungsmauern? Wozu soll das gut sein?“

    __„Nun ja, soweit wir gehört haben, sind die äußeren Mauern aus Stein, da kommt man also nicht so leicht durch. Und die Gesteinsdämonen, für die eine Steinmauer kein Hindernis ist, würden dann an der inneren Festungsmauer gestoppt, denn die ist aus Holz, und da kommt ein Gesteinsdämon nicht durch.“

    __„Ah, das macht tatsächlich Sinn. Und weil ihr davon gehört habt, habt ihr einen Umweg gemacht? Wo liegt eigentlich die erwähnte Burg?“

    __„Soweit wir wissen südlich von hier. Und die Sicherheit, auf jeden Fall einen sicheren Ort zu finden, war uns den Umweg an der südlichen Seite unserer Bergkette entlang wert.“

    __„Ja, das kann ich verstehen.“ Seans Vater schwieg einen Moment und fuhr dann fort: „Erzähl weiter, was habt ihr auf der südlichen Seite der Bergkette so alles erlebt?“

    __Tatsächlich gab es nun nicht mehr viel zu berichten. Seans Siedlung befand sich auf der südlichen Seite unserer Bergkette, aber etwas weiter westlich als unsere ursprüngliche Siedlung. Und tatsächlich kam mein Vater auch ziemlich schnell dazu zu schildern, wie wir zuerst den bronzenen und dann auch den goldenen Drachen bemerkt hatten.

    __Nach dieser Schilderung der Reise wurde es langsam Zeit für Ryan und Renna, um ins Bett zu kommen, und weil Sean und ich mit den beiden jeweils ein Zimmer teilten, schickten unsere Eltern uns ebenfalls ins Bett. Wir waren zwar schon fast volljährig, aber genau deshalb war wohl stillschweigend vereinbart worden, dass wir auf unsere jüngeren Zimmergenossen aufpassen sollten.


    Am nächsten Morgen bat mein Vater mich, gleich als erstes nach dem Frühstück zu dem Drachen zu gehen und die Verbände zu wechseln. „Dass wir ihn behandelt haben, war ja schließlich deine Idee, also kannst du auch seine weitere Behandlung übernehmen“, fügte er noch hinzu. „Und wenn du damit fertig bist, kannst du zusammen mit Sean zur Aussichtsstation klettern. Natalon hat recht, wenn er verlangt, dass diese rund um die Uhr besetzt ist, und meiner Meinung nach kann es auch nicht schaden, wenn man dort ein bisschen Gesellschaft hat - und im Fall der Fälle kann einer von euch beiden ins Dorf runter laufen und der andere weiter dort oben die Gegend beobachten.“

    __Gegen dieses Argument fiel mir auf die Schnelle kein Einwand ein - auch wenn ich gerne auf einen Aufenthalt auf der Aussichtsstation verzichtet hätte. Aber dann kam auch Sean in die Wohnküche. Offensichtlich hatte er meinen Vater gehört, denn er fragte gleich als erstes: „Kann ich nicht auch mit zum Drachen kommen?“

    __„Nein, das ist zu gefährlich“, widersprach mein Vater. „Falls der Drache nicht bei Laune ist und euch beide angreift ...“

    __„... dann würde er mich auch dann angreifen, wenn ich alleine bin“, unterbrach ich ihn. „Du hast selbst oft genug gesagt, dass es bei Tieren oft hilfreich ist, wenn man als Heiler einen Helfer dabei hat, und was das angeht, ist ein Drache doch wohl auch nicht anders als ein sehr großes Tier?“

    __„Und was ist, wenn er euch beide angreift und ihr dann nicht mehr klettern könnt?“

    __„Wir müssen die Höhle nicht unbedingt gleichzeitig betreten“, wandte ich ein. „Sean kann draußen warten bis wir wissen, ob der Drache mich in seine Nähe lässt und mir dann folgen.“

    __„Ich denke, damit hat sie recht“, stimmte Seans Mutter mir zu, und damit war es dann auch entschieden. Sean und ich holten nach dem Frühstück reichlich Tücher, aus denen wir einen neuen Verband für die Wunden des Drachens herstellen konnten und gingen dann ohne zu Zögern zur Höhle.

    __Als wir uns der Höhle näherten, konnten wir auf einmal deutlich hören, wie der Drache darin anfing, bedrohlich zu knurren, und weil der Einwand meines Vaters noch zu frisch war, brachten wir die Tücher wieder zurück in unsere Hütte, um dann anschließend zur Aussichtsstation zu klettern. Oben angekommen warfen wir als erstes einen Blick auf die Umgebung - und Sean erklärte mir, worauf ich achten sollte, um potentielle Dämonen möglichst früh zu entdecken. Anschließend unterhielten wir uns noch eine Weile, und schließlich begannen wir eine Art Spiel, um unsere Aufmerksamkeit zu testen: Einer von uns beiden suchte sich irgend etwas in der Umgebung aus und gab nur grobe Hinweise während der andere raten musste, um was es dabei ging. Nachdem das Rätsel gelöst war, war der andere mit Raten dran.


    Kurz vor dem Mittagessen kamen Ryan und Renna auf die Aussichtsstation geklettert. Während mein Bruder offensichtlich ganz gespannt auf die Aussicht war, die er hier oben haben würde, hatte Renna schlechte Laune. „Wieso muss ich eigentlich immer über Mittag hier oben bleiben?“, fragte sie.

    __„Nicht immer“, wandte Sean ein. „Dieses Mal ist es das erst das erste Mal, und letzte Woche musstest du doch gar nicht hier herauf?“

    __„Aber hier oben ist es laaaangweilig. Und was ordentliches zu Essen bekomme ich hier auch nicht.“

    __„Immerhin hast du ab heute Gesellschaft“, versuchte ich sie zu beruhigen. „Und damit kann die Zeit damit sehr schnell vergehen.“

    __„Auf die Gesellschaft von dem da“, sie deutete auf Ryan, „kann ich gerne verzichten. Der ist doof.“

    __„Wieso denn das? Ich dachte, du wolltest schon immer einen Freund haben?“, fragte Sean.

    __„Aber nicht so einen! Der hat vorhin im Unterricht damit geprahlt, welche Lieder er schon kennt. Aber als wir dann gemeinsam gesungen haben, hat er nicht einen einzigen Ton getroffen.“

    __„Was kann ich dafür, wenn der Harfner sich erkundigt, welche Lieder ich schon kenne?“, widersprach Ryan. Darauf, dass er bei den Melodien nur deshalb unsicher war, weil wir in unserer alten Siedlung keinen Harfner gehabt und die meisten Lieder daher entweder von einer alten, vollkommen unmusikalischen Oma oder von reisenden Harfnern, gelernt hatten, die zufällig durch unsere Gegend gekommen und dann für ein oder zwei Tage in unserer Siedlung geblieben waren, ging er allerdings nicht ein.

    __Sean und ich ließen unsere Geschwister in der Aussichtsstation, kletterten wieder hinunter ins Dorf und gingen zur Hütte unserer Familien. Als wir dort ankamen, unterhielten sich unsere Eltern gerade mit dem Harfner.

    __„Gut, dass ihr jetzt schon kommt“, wandte sich Natalon an uns als er uns bemerkte. „Harfner Jofri hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass wir euch beide eigentlich schon längst in irgend einem Beruf hätten ausbilden sollen.“

    __„Ja, ich weiß, in einer großen Siedlung ist so etwas wohl üblich“, antwortete ich darauf. „Aber ich musste in den letzten Jahren doch fast überall mit anpacken, weil einfach immer zu wenig Leute da waren. Natürlich weiß ich nicht, ob es bei dir anders war?“, wandte ich mich an Sean.

    __„Nein, hier war es genauso“, antwortete er.

    __„Ja, in einer kleinen Siedlung stimmt das wohl“, mischte Jofri sich ein. „Aber gestern hat unsere Siedlung deutlichen Zuwachs bekommen, und damit können wir anfangen, auch an solche Dinge zu denken.“

    __„Ich dachte, dass zuerst die fehlenden Hütten für Sorkas Kameraden gebaut werden müssen?“, wandte Sean ein. „Genau deshalb habt ihr mich doch heute und in den nächsten Tagen häufiger für die Aussichtsstation eingeplant.“

    __„In ein ein, zwei Monaten werden wir mit den Bauarbeiten fertig sein, und dann haben wir Zeit für eure Ausbildung“, meinte Natalon.

    __„Was?! Monate?“, bemerkte Sean mit einem erstaunten Gesichtsausdruck. „Sonst brauchst du längst nicht so lange für ein paar kleine Hütten.“

    __„Wir haben gestern Abend beschlossen, die Hütten erst zu bauen, wenn wir mit den Festungsmauern fertig sind“, ging mein Vater auf diese Bemerkung ein. „Aber da wart ihr beide wohl schon im Bett.“

    __„Festungsmauern? Meinst du genau solche wie die bei der Burg Fort?“, erkundigte ich mich.

    __„Ja, wenn wir einen Bergbaumeister finden, der uns die dafür benötigten Steine liefert - und idealerweise auch einen Maurer, der weiß, worauf man bei dem Bau einer Steinmauer achten muss.“

    __Bevor wir weiter reden konnten, mischte sich meine Mutter in das Gespräch ein: „Das Essen ist übrigens schon längst fertig und wird kalt, wenn ihr lange weiter redet.“

    __„Ja, dann muss ich mich verabschieden“, meinte Jofri. „Meine Frau wartet auch mit dem Essen auf mich.“ Anschließend wandte er sich noch einmal an Sean und mich: „Also, ihr beide habt noch etwas Zeit, um euch zu überlegen, was ihr in Zukunft beruflich machen wollt. Aber denkt darüber nach.“ Danach verließ er die Hütte, und wir setzten uns für das Mittagessen an den Esstisch.

    __Als wir mit der Mahlzeit schon fast fertig waren, fragte Sean auf einmal: „Was essen eigentlich Drachen?“

    __„Keine Ahnung“, meinte ich. Und soweit ich es in den Gesichtern unserer Eltern ablesen konnte, schienen die sich bei den Ernährungsgewohnheiten von Drachen auch nicht auszukennen. Um die peinliche Gesprächspause zu beenden fügte ich nach kurzem Zögern noch hinzu: „Meinst du, wir müssen unseren Patienten füttern?“

    __„Wenn der sich nicht frei bewegen kann, müssen wir wohl davon ausgehen“, meinte mein Vater.

    __„Ich kann euch ein paar Brote und etwas Gemüse mitgeben“, meinte Seans Mutter daraufhin. „Ihr geht doch jetzt wieder zu ihm in die Höhle?“

    __„Ja, wenn er uns rein lässt“, antwortete ich.

    __Nach dem Mittagessen gingen Sean und ich also wieder zur Drachenhöhle. Als wir dort ankamen, schlief der Drache gerade, und das nutzten wir aus, um die Höhle zu betreten und die Verbände zu erneuern - was wie ich dabei mit Entsetzen feststellen musste auch dringend nötig war. Kurz nachdem wir mit den Verbänden an dem zweiten Flügel begonnen hatten, bemerkten wir auf einmal, wie der Drache aufwachte. Er sah uns einige Zeit mit rot leuchtenden Facettenaugen an, und Sean begann, auf ihn mit einem beruhigenden Tonfall einzureden und ihm zu erklären, dass wir dabei waren, uns um seine verletzten Flügel zu kümmern. Irgendwie schien unser Patient das verstanden zu haben, jedenfalls wechselten seine Augen den Farbton, und während er uns mit seinen nun grünen Augen beobachtete, konnten wir das Wechseln der Verbände ungehindert fortsetzen. Bevor wir die Höhle wieder verließen, breiteten wir noch das Brot und das Gemüse in seiner Nähe aus und baten ihn, davon zu nehmen, wenn er Hunger hatte.

    __Nachdem wir den Nachmittag wieder auf der Aussichtsstation verbracht hatten, gingen wir nach dem Abendessen noch einmal zu dem Drachen. Dieses Mal war er wach, als wir bei der Höhle ankamen, aber wir konnten diese trotzdem ungehindert betreten. Erneut wechselten wir die Verbände. Das Brot und das Gemüse hatte er überhaupt nicht angerührt, so dass wir davon ausgingen, dass das wohl die falsche Art von Nahrung für einen Drachen ist - und dementsprechend nahmen wir die Lebensmittel auch wieder mit.


    Weil ich am nächsten Morgen eine gute halbe Stunde früher als gewöhnlich aufwachte, entschied ich mich spontan, an dem Tag einmal noch vor dem Frühstück bei dem Drachen vorbeizusehen, und irgendwie musste Sean wohl auch schon wach gewesen sein und mich gehört haben, jedenfalls kam er als ich gerade zur Haustür heraus gehen wollte aus seinem Zimmer. Wir gingen dann gemeinsam zur Höhle, und auch dieses Mal erlaubte der goldene Drache uns, die Höhle zu betreten. Ich sah mir dann auch gleich die Verbände an und entschied, dass wir die bei der Gelegenheit noch einmal erneuern sollten. Als wir damit fertig waren und gerade die Höhle verließen, kam uns Renna entgegen.

    __„Also, da seid ihr also!“, meinte sie. „Als ihr beim Aufstehen nicht auf euren Zimmern wart, hat sich Mama Sorgen gemacht und Ryan uns mich los geschickt, um euch zu suchen.“

    __„Es tut mir Leid“, antwortete ich. „Wir waren schon vor der Zeit zum Aufstehen wach und haben dann erst einmal nach dem Drachen gesehen.“ Kurz entschlossen wandte ich mich an Sean: „Vielleicht hätten wir in der Wohnküche einen Hinweis hinterlassen sollen.“

    __„Hmm, irgendwie hast du recht damit“, stimmte er zu, wandte sich aber dann an seine kleine Schwester: „Aber irgendwie ist uns die Idee erst jetzt gekommen.“

    __Anschließend gingen wir gemeinsam zu unserer Hütte zurück, und unterwegs tauchte auch Ryan auf und fragte: „Wart ihr wirklich beim Drachen?“

    __„Ja, waren wir“, antwortete ich.

    __„Na siehst du?“, wandte sich Ryan wieder an Renna. „Das hat mein Vater doch gleich gesagt!“

    __Tatsächlich konnten wir anschließend noch in Ruhe frühstücken, bevor unsere Eltern Sean und mich wieder auf die Aussichtsstation schickten.

    __Auch an den nächsten Tagen waren Sean und ich vormittags und nachmittags auf der Aussichtsstation, während wir morgens, mittags und abends zur Höhle gingen, um die Verbände des Drachen zu wechseln. Am fünften Tag knurrte der Drache uns morgens erneut an, so dass wir an dem Tag die Höhle erst mittags betraten, aber sonst ließ er uns ungehindert seine Höhle betreten. Weil wir noch nicht heraus gefunden hatten, wovon sich Drachen ernährten, nahmen wir mittags unterschiedliche Lebensmittel mit, aber die waren abends immer noch genau so in der Höhle, wie wir sie zurück gelassen hatten, so dass wir sie dann auch wieder mit nahmen.

    __Auch bei Renna und Ryan verliefen die Tage planmäßig ab: Vormittags bekamen sie Unterricht vom Harfner, mittags schickte dieser sie dann zur Aussichtsstation, um für die Zeit, in der Sean und ich beim Mittagessen waren und uns um die Verbände des Drachen kümmerten, die Beobachtung der Umgebung zu übernehmen. Soweit ich es bei den kurzen Zeiten, die wir alle vier zusammen waren, beurteilen konnte, schienen die beiden Kinder nach einigen Tagen besser miteinander auszukommen als dies am ersten Tag gewesen war.

    __Nachdem sich diese Routine schon eine gute Woche wiederholt hatte und wir abends wieder einmal die eigentlich für den Drachen bestimmte Nahrung mitbrachten, platzte meiner Mutter aber dann der Kragen. „Sorgt ihr eigentlich bewusst irgendwie dafür, dass der Drache nichts davon anrührt?“, fragte sie mich. „Der muss was essen, sonst verhungert er doch.“

    __Bevor ich darauf antworten konnte, mischte Renna sich jedoch ein: „Kann es nicht sein, dass der nichts davon anrührt, weil der bronzene Drache ihn schon mit seiner Nahrung versorgt?“

    __„Jetzt mach mal halblang“, widersprach Sean. „Wir hätten den bronzenen Drachen doch gesehen, wenn er regelmäßig zu der Höhle und wieder weg geflogen wäre.“

    __„Also ich habe tatsächlich zwei mal gesehen, dass er morgens kurz nach unserem Frühstück aus der Höhle kam, ein paar Meter in die Luft stieg und dann einfach so verschwand - ganz so, als ob er sich in Luft aufgelöst hätte. Das erste Mal war ich mir unsicher, ob ich mich nicht vielleicht getäuscht hatte, aber vorgestern habe ich das erneut beobachtet.“

    __„Wann war denn das erste Mal?“, fragte Sean.

    __„Genau am Tag, nachdem Ryan, Sorka und ihre Kameraden bei uns eingezogen sind.“

    __„Dann war also bei den Malen, wo wir morgens angeknurrt wurden, der bronzene Drache zu Besuch in der Höhle?“, fragte ich. „Hast du zufällig auch beobachtet, wann er dort angekommen ist und ob er Nahrung für seinen Artgenossen mitgebracht hat?“

    __„Nein, leider nicht.“

    In den folgenden Tagen blieb die Routine ganz so wie wir sie schon gewohnt waren - nur mit dem Unterschied, dass wir mittags nun keine Nahrung mehr mitnahmen. Ein paar Tage, nach dem Gespräch mit meiner Mutter und Renna schien wieder der bronzene Drache zu Besuch in der Höhle zu sein, jedenfalls wurden wir von einem der beiden Drachen angeknurrt. Dieses Mal versteckten wir uns aber in der Nähe und konnten tatsächlich beobachten, wie der bronzene Drache aus der Höhle kam, ein paar Meter in die Höhe stieg und dann plötzlich nicht mehr da war. Als wir dann sofort zur Höhle gingen, konnten wir diese ungehindert betreten und die Verbände wechseln.

  • Eine Zufallsbegegnung mit Folgen

    – Teil 2 –


    Eine gute Woche, nachdem Sean und ich den bronzenen Drachen gesehen hatten, bemerkte Sean am Nachmittag eine Gruppe von Wanderern, die sich unserer Siedlung näherten. „Ich glaube, die wollen zu unserem Dorf“, meinte er.

    __„Sollen wir runter gehen und unsere Väter darüber informieren?“, fragte ich.

    __„Als ich noch alleine hier oben war, habe ich das nicht gemacht. Die Wanderer sind ja keine Gefahr für uns.“

    __„Aber jetzt sind wir hier zu zweit, und ich könnte mir vorstellen, dass zumindest mein Vater informiert werden will.“

    __„Meiner wohl auch, wenn wir dabei die Aussichtsstation nicht unbesetzt lassen. Willst du runter gehen oder soll ich?“

    __„Du hast sie entdeckt, also kannst du auch die Meldung übernehmen“, entschied ich.

    __Sean ging also hinunter zur Siedlung und kam etwa eine Viertelstunde später wieder zurück. „Unsere Väter waren gerade irgendwo unterwegs - vielleicht, um Holz für die Festungsmauer zu organisieren. Also habe ich Jofri informiert, und der hat sich dafür bedankt und gemeint, dass wir richtig entschieden haben. Er will unsere Väter informieren, sobald sie wieder in der Nähe sind.“


    Tatsächlich kamen die Wanderer kurz vor dem Abendessen in die Siedlung, und nachdem Sean und ich uns um die Verbände des Drachen gekümmert hatten, versammelten wir uns mit den Bewohnern der Siedlung, um zu hören, was die Fremden so alles zu berichten hatten.

    __Tatsächlich war einer der Wanderer ein Steinmetz mit dem Namen Dalor. „Toldur und ich sind seit ein paar Jahren auf der Wanderschaft und bieten überall dort, wo wir vorbei kommen unsere Dienste an“, erzählte er. „Toldur hat das Handwerk des Bergbaus gelernt, und die anderen beiden sind Söldner und beschützen uns unterwegs, wenn wir von Dämonen angegriffen werden. Natürlich habe ich mir in der Zeit auch ein paar Fähigkeiten im Bergbau abgeguckt und Toldur kann mir auch bei dem Bearbeiten der Steine helfen.“

    __„Hier wäre auf jeden Fall Arbeit für euch“, merkte Jofri daraufhin an. „Unsere beiden Anführer haben entschieden, sich an der Burg Fort ein Beispiel zu nehmen und unsere Siedlung mit Festungsmauern zu schützen.“

    __„War diese Entscheidung auch gut überlegt?“, wandte Kaylek, einer der beiden Söldner, ein. „Seit die Burg Fort Festungsmauern hat, konzentrieren sich die Dämonen mit ihren größten Angriffen auf eben diese Burg. Anscheinend haben sie sich wohl überlegt, dass es da wegen der Mauern etwas besonderes zu holen geben muss. Und wenn ihr Mauern baut, könnte das gleiche auch euch passieren.“

    __„Dann halten Sie die Mauern also für sinnlos?“, fragte mein Vater nach.

    __„Nein, ganz und gar nicht. Aber ihr solltet mit dem Bau nur nicht anfangen, bevor ihr euch sicher seid, dass ihr auch stärkere Angriffe durch die Dämonen überstehen könnt.“

    __„Wobei die Mauern doch eigentlich helfen sollen.“

    __„Nur, wenn die nicht von Drachen aufgefressen werden. Ihr habt doch Drachen in der Gegend?“

    __„Nur, wenn - was?!“, erkundigte sich Natalon.

    __„Wenn die Mauern nicht von den Drachen aufgefressen werden“, wiederholte Dalor Kayleks Aussage. „Vor ein paar Tagen gab es einen sehr großen Angriff auf die Burg Fort, und natürlich haben sich auf der Seite der Menschen auch zwei Drachen an dem Kampf beteiligt. Und nachdem sich der Kampf etwas länger hin gezogen hat, hat erst der eine und etwas später der andere Drache seine Angriffe unterbrochen, ist zur Steinmauer geflogen und hat einen Teil davon gefressen. Anschließend haben die Drachen den Kampf fortgesetzt, und es ist den Bewohnern der Burg auch gelungen, die Däonen zu vertreiben, aber damit, dass die Mauern von den Drachen kaputt gemacht werden, hat wohl niemand gerechnet.“

    __„Dann ernähren sich die Drachen also von Gestein?!“, bemerkte meine Mutter. „Dann verwundert es mich nicht, wenn der goldene Drache nichts von unserer Nahrung annehmen wollte.“

    __„Also, irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass Drachen sich von Gestein ernähren“, widersprach mein Vater. „Das kann doch gar nicht funktionieren, wenn die ganz normale Lebewesen aus Fleisch und Blut sind.“

    __„Was weiß ich“, meinte Dalor. „Vielleicht sind sie gar nicht aus Fleisch und Blut, oder sie verwenden für die Verdauung irgend eine Art von Magie. Aber spielt es eine Rolle, was die essen?“

    __„Nein, vermutlich nicht“, meinte mein Vater. „Aber die sind ganz sicher aus Fleisch und Blut - und können auch verletzt und von Heilern behandelt werden – wenn sie jene in ihre Nähe lassen. Erst vor zweieinhalb Wochen habe ich schließlich einen goldenen Drachen behandelt, dessen Flügel im Kampf gegen die Dämonen verletzt wurden.“

    __„So etwas hört man nicht oft“, meinte Kaylek.

    __„Soweit ich weiß, bin ich der erste, der von sich behaupten kann, einen Drachen behandelt zu haben - na ja, abgesehen von meiner Tochter, die mir dabei geholfen und die weite Pflege übernommen hat. Ach ja, wir vermuten, dass ein bronzener Drache dem goldenen alle paar Tage etwas zu Essen bringt. Also um auf die Frage von vorhin zu antworten: Ja, wir haben hier Drachen, aber nur einer davon ist derzeit in der Lage, uns bei einem Angriff durch die Dämonen zu unterstützen.“

    __„Das klingt auf jeden Fall interessant“, meinte der zweite Söldner. „Wenn ihr nichts dagegen habt, würde ich gerne hier bleiben, um die Siedlung im Kampf zu unterstützen.“

    __„Du nimmst mir das Wort aus dem Mund, Tarri“, bemerkte Kaylek.

    __„Ein paar Söldner können wir auf jeden Fall gebrauchen. Und falls wir den Plan mit den Mauern fortsetzen, könnten wir auch einen Bergbaumeister und einen Steinmetz gebrauchen. Wenn die Festungsmauern fertig sind, kann es nicht schaden, stabilere Häuser zu bauen als die Hütten hier, und wenn die steinerne Mauer kaputt geht, wollen wir sie sicher auch reparieren können.“

    __„Also ich hätte nichts dagegen, endlich mal wieder sesshaft zu werden“, meinte Toldur daraufhin.

    __„Abgemacht. Wir übernehmen erst einmal den Bau der Mauer und bleiben dann hier“, stimmte auch Dalor zu.

    __„Wenn Kaylek und ich hier die einzigen Söldner wären, sollte ich mich aber vielleicht noch nicht sofort hier niederlassen“, wandte Tarri dann aber doch noch ein. „Zwei Söldner sind zu wenig, um die Festung zu beschützen. Aber ich bin mir sicher, dass ich ein paar Kameraden auftreiben kann bis ihr mit dem Bau der Mauern fertig seid.“

    __Dieser Vorschlag fand allgemein Zustimmung, und so besprachen wir als nächstes, wo die drei neuen Bewohner wohnen konnten. Am nächsten Tag machten sich Toldur und Dalor gleich daran, für die Festungsmauer Steine aus den Felsen zu schlagen. Tarri setzte seine Reise fort und Natalon und seine Helfer unterbrachen die Arbeit an der hölzernen Mauer, um nun doch erst einmal eine große Hütte zu bauen, die als Kaserne für die noch zu erwartenden Söldner dienen konnte.

    __Tatsächlich erfuhren Sean und ich am nächsten Tag beim Mittagessen, dass sich von nun an auch für uns die tägliche Routine ändern sollte. Kaylek weigerte sich nämlich, als Soldat - wie er es nannte - niedere Arbeiten zu übernehmen und bei dem Bau der Festungsmauern mit anzupacken. Weil mein Vater und Natalon den Plan für die Mauern schon fertig hatten und er nichts daran auszusetzen hatte, übernahm er also täglich eine Schicht bei der Aussichtsplattform, so dass Sean und ich nun am Nachmittag Zeit hatten, um andere Aufgaben zu übernehmen.

    __„Können wir nicht bereits mit unserer Ausbildung anfangen?“, schlug Sean vor als mein Vater uns beim Mittagessen von diesen Änderungen informierte.

    __„Wir brauchen immer noch alle verfügbaren Kräfte für den Bau der Festungsmauern“, wandte Natalon ein, fügte dann aber noch hinzu: „Was willst du denn eigentlich werden?“

    __„Wie du weißt, habe ich mich immer schon gerne um unsere Kühe und Schafe gekümmert, und es macht mir irgendwie auch Spaß bei der Behandlung des Drachen zu helfen. Daher habe ich mir überlegt, dass ich vielleicht ein Tierpfleger werden oder versuchen könnte, bessere Nutztiere zu züchten?“

    __„Das klingt auf jeden Fall interessant“, meinte mein Vater. „Also ich habe nichts dagegen, wenn du dich von nun an regelmäßig nachmittags um die Tiere kümmerst. Dadurch müssten wir dann auch keine Erwachsenen mehr dafür einplanen.“

    __„Eine richtige Ausbildung ist das aber noch nicht“, wandte Natalon ein. „Dafür müssten wir jemanden suchen, der so etwas beruflich macht oder dich für eine Lehre fortschicken. Aber ich denke, das können wir auch noch besprechen, wenn wir die Festungsmauern und die neuen Wohnungen fertig haben.“ Anschließend wandte er sich an mich: „Und was willst du machen, Sorka?“

    __„Nun, ich habe mir überlegt, dass ich vielleicht genau wie mein Vater ein Heiler werden könnte“, antwortete ich. „Ein paar Handgriffe dafür kenne ich ja schon.“

    __„Ich übernehme gerne deine Ausbildung“, antwortete mein Vater. Anschließend wandte er sich an Natalon: „Ich denke, es ist in Ordnung, wenn ich mir dafür an drei Nachmittagen in der Woche von der Arbeit an der Mauer frei nehme? Im Gegenzug kann sie auch jetzt schon die Behandlung von kleineren Verletzungen übernehmen, so dass ich nicht mehr wegen jeder Kleinigkeit zurück zur Siedlung muss.“

    __„Natürlich, kein Problem“, antwortete Seans Vater.

    __Tatsächlich setzte mein Vater diese Idee auch gleich in die Tat um, indem er gleich am selben Tag schon mit meiner Ausbildung anfing. Am nächsten Tag blieb ich am Nachmittag einfach in unserer Hütte, und weil auch Ryan und Renna nachmittags in der Wohnküche waren und ihre Hausaufgaben machten und miteinander spielten, konnte ich sehen, dass die beiden inzwischen sehr gut mit einander auskamen. Kurz vor dem Abendessen wandte sich Renna aber auf einmal an mich. „Können wir nicht auch irgendwann mit in die Höhle zum Drachen kommen?“, fragte sie.

    __„Soweit ich es gehört habe, scheint er nur Sean und mich zu dulden und alle anderen Personen anzuknurren, wenn sie sich der Höhle nähern“, wandte ich ein.

    __„Ryan und ich sind schon mehrmals in der Nähe der Höhle gewesen ohne dass er geknurrt hat“, meinte sie. „Ryan war einfach zu neugierig, was ihr da morgens und abends in der Höhle macht, also sind wir euch gefolgt. Aber dann hat er sich doch nicht getraut, euch bei dem Drachen zu stören.“

    __„Wir wechseln eigentlich nur drei mal täglich die Verbände - also morgens, abends und mittags - während ihr auf der Aussichtsstation seid.“ Nach kurzem Überlegen fügte ich noch hinzu: „Vielleicht meint der Drache, dass ihr keine Gefahr für ihn seid, weil er euch für Kinder hält. Aber ich würde euch dennoch nicht mitnehmen. Mit Drachen sollte man immer vorsichtig sein.“

    __„Schade“, meinte Renna daraufhin.


    Am nächsten Tag setzte mein Vater am Nachmittag meine Ausbildung fort, und am darauffolgenden Morgen wachte ich wieder einmal früher als gewöhnlich auf. Spontan entschloss ich mich, erst einmal einen kleinen Morgenspaziergang zu machen, aber dann kam auch Sean nach draußen. „Wollen wir wieder einmal die Verbände vor dem Frühstück wechseln?“, fragte er. „Ryan war schon wach und kann den anderen mitteilen wo wir sind“, fügte er noch hinzu.

    __„Gerne“, antwortete ich, und so sagten wir nur einmal schnell meinem Bruder Bescheid und gingen dann zu der Höhle.

    __Wie erwartet ließ uns der goldene Drache ohne Probleme eintreten, und um möglichst schnell fertig zu werden machten wir uns auch gleich an die Arbeit. Kurz bevor wir mit der Behandlung des ersten Flügels fertig waren, hörten wir aber auf einmal vor der Höhle ein Geräusch - ganz so, als würde irgend ein großes Tier oder so zuerst einmal etwas stärker auftreten und sich anschließend humpelnd der Höhle nähern. „Was ist das?“, fragte ich leise Sean.

    __„Vielleicht der bronzene Drache?“, schlug ich vor.

    __„Heißt das, wir müssen jetzt die Höhle verlassen?“

    __„Ich wüsste nicht wie, ohne dem Bronzenen zu nahe zu kommen. Der Goldene ist ja inzwischen an uns gewöhnt.“

    __Während die Geräusche näher kamen, schaute der goldene Drache erwartungsvoll zum Eingang der Höhle, und schon nach wenigen Augenblicken konnten wir tatsächlich den Kopf des bronzenen Drachen in der Höhle auftauchen sehen. Als er uns bemerkte, begann er, uns mit seinen rot leuchtenden Facettenaugen zu fixieren und dazu zu knurren.

    __Bevor wir jedoch irgend etwas deswegen unternehmen konnten, streckte der goldene Drache seinen Kopf in die Richtung des Bronzenen, und letzterer änderte daraufhin seine Augenfarbe und hörte schon kurz darauf auf zu knurren. Statt dessen betrat er die Höhle - und nun konnten wir auch erkennen, warum er humpelte: Er lief auf nur drei Pfoten, weil er mit der vierten - oder genauer gesagt, mit einer der beiden Vorderpfoten - ein anscheinend frisch getötetes Schaf festhielt. Dieses Beutetier legte er vor den goldenen Drachen, und dieser begann auch gleich, seine Mahlzeit zu verspeisen.

    __Der bronzene Drache blieb noch eine Weile in der Höhle. Nach einiger Zeit fragte Sean: „Meinst du, wir sollten mit dem Wechsel der Verbände weiter machen?“

    __„Ja, wenn wir vorsichtig sind und darauf achten, ob der Bronzene etwas dagegen hat“, schlug ich vor. Also gingen wir wieder an die Arbeit - und wie wir dabei bemerkten, schien keiner der beiden Drachen etwas gegen unsere Aktionen einzuwenden zu haben. Irgendwie kam es mir zwar merkwürdig vor, dass der zweite Drache uns erst anknurrte, aber uns dann fröhlich an den Flügeln seines Artgenossen herum hantieren ließ, aber damals wusste ich auch noch nicht, dass sich Drachen untereinander per Telepathie unterhalten können.

    __Nachdem wir mit der Behandlung der Verletzungen fertig waren, ließen wir die beiden Drachen in der Höhle zurück und gingen wieder zurück zu unserer Hütte, um dort ein spätes Frühstück zu essen. Natürlich berichteten wir unseren Eltern davon, dass der bronzene Drache tatsächlich Nahrung bringt und das Drachen Fleisch essen.

    __Die nächsten Tage sahen für mich also so aus, dass ich mich morgens, mittags und abends zusammen mit Sean um die Behandlung des goldenen Drachen kümmerte, vormittags mit ihm zusammen auf der Aussichtsstation war und dreimal in der Woche nachmittags von meinem Vater in der Kunst eines Heilers unterrichtet wurde. An den übrigen Nachmittagen half ich manchmal Sean bei den Tieren, während ich an anderen Tagen in unserer Hütte blieb und einfach auf potentielle Patienten wartete und dabei zusah, wie Renna und Ryan ihre Hausaufgaben machten oder miteinander spielten. Anders als sonst wurden Sean und ich nun übrigens nicht mehr von dem bronzenen Drachen angeknurrt, so dass wir unseren Patienten nun behandeln konnten wann immer wir wollten.


    Ein paar Tage, nachdem wir zum ersten Mal gesehen hatten, dass der bronzene Drache seinem goldenen Artgenossen tatsächlich Futter brachte, kam Kaylek schon am frühen Nachmittag von der Aussichtsstation herunter und unterbrach meinen Vater und mich bei meiner Ausbildung. „Ich habe da irgend etwas gesehen, was ich nicht so recht einordnen kann“, meldete er, fügte dann aber noch hinzu: „Da sind irgendwelche Bewegungen im Wald.“

    __„Kann es sein, dass das Dämonen sind?“, fragte ich.

    __„Wenn das welche sind, dann sind die noch zu weit weg um für uns gefährlich zu werden“, widersprach Kaylek.

    __„Vielleicht sind die weit weg, vielleicht kommen die aber auch näher. Auf jeden Fall sollten wir das im Auge behalten“, entschied mein Vater. „Sorka, wir brechen deine Ausbildung für heute ab. Du gehst sofort zusammen mit Kaylek auf die Aussichtsstation, und ich werde Ryan bitten, Sean zu suchen und ihn auch dorthin zu schicken. Ich denke, der kann am besten beurteilen, was da los ist.“

    __Ich kletterte also zusammen mit Kaylek auf die Aussichtsstation und konnte von dort aus klar erkennen, was der Söldner gemeint hatte. „Wenn ich mich richtig erinnere, ist das einer der Dinge, von denen Sean mir gesagt hat, worauf ich achten soll“, antwortete ich, nachdem ich das einige Zeit beobachtet hatte.

    __„Natürlich ist es das“, bestätigte Sean, der in diesem Moment auch gerade die Station betrat. „Ich war gerade zufällig in der Nähe der Siedlung, so dass Ryan mich gleich gefunden hat, und diese Bewegung habe ich auch eben auf dem Weg hierhin bemerkt“, fügte er als Erklärung noch hinzu. Anschließend wandte er sich an den Söldner: „Was machen Sie noch hier? Ich bin mir sicher, dass das Dämonen sind, und für den Fall, dass die sich nähern, sollten Sie die Siedlung auf die Verteidigung vorbereiten.“

    __„Aber wir wissen doch gar nicht, ob die wirklich hier hin unterwegs sind.“

    __„Wo sollten die wohl sonst hin wollen? Und außerdem ist es doch besser, bei einem Fehlalarm zu vorsichtig zu sein als im Ernstfall überrascht zu werden? Sorka und ich übernehmen jetzt das Beobachten von hier.“

    __Kaylek blieb also gar nichts anderes übrig als wieder nach unten zum Dorf zu klettern und dort die Vorbereitungen für die Verteidigung zu treffen. Wie ich später erfuhr, musste er sich Seans Argumente übrigens noch einmal von einem der beiden Anführer anhören - also entweder von meinem Vater oder von Natalon, den mein Vater nach der ersten Meldung bereits auf Verdacht hin informiert hatte.

    __Die Bewegungen im Wald waren tatsächlich von Dämonen verursacht worden, und diese näherten sich auch wirklich unserer Siedlung. Kaylek und diejenigen von den Bewohnern der Siedlung, die sich in den letzten Jahren den Umgang mit Pfeil und Bogen angeeignet hatten, machten sich bereit, auf jeden Dämon zu schießen, der dem Dorf zu nahe kam. Aber kurz bevor die Feinde nahe genug dafür waren, kam der bronzene Drache angeflogen und begann, die Dämonen mit seinem Feuer anzugreifen. Irgendwann wurde sein Feuer jedoch schwächer, und er unterbrach seine Angriffe. Statt weiter zu kämpfen, flog er zu einem der beiden Steinhaufen, die Toldur und seine Helfer für den Bau der Mauer zurecht gelegt hatten und begann, Steine zu fressen. Nachdem er damit fertig war, flog er wieder auf die Dämonen zu - die die Pause ausgenutzt hatten, um sich weiter dem Dorf zu nähern und nun von Kaylek und seinen Helfern mit Pfeil und Bogen auf Abstand gehalten wurden - und griff sie erneut mit frischem Feuer an.

    __Tatsächlich gelang es dem bronzenen Drachen und den unter Kayleks Befehl handelnden Anwohnern, die Dämonen wieder zu vertreiben, und so kehrte der Alltag wieder ein. Aber als Dalor sah, dass der Drache von einem der beiden Steinhaufen gefressen hatte, sagte er: „Die Drachen scheinen also tatsächlich in bestimmten Situationen Steine zu fressen.“

    __„Wen dem so ist, dann müssen wir immer damit rechnen, dass die Steinmauern von Drachen gefressen werden“, merkte Natalon an.

    __„Nur, wenn es den Drachen egal ist, welche Sorte von Steinen sie fressen“, widersprach Toldur. „Wir waren uns noch nicht so ganz sicher, welche Art von Gestein wir verwenden sollen. Also haben wir erst einmal zwei Steinsorten abgebaut um später entscheiden zu können. Die Steine hier“, er deutete auf den größeren Steinhaufen, „können wir recht nahe bei der Siedung abbauen, aber soweit ich es gehört habe, sollen Dämonen wohl Gebiete meiden, in denen nicht nur Drachen leben, sondern deren Gestein überwiegend aus jener Sorte besteht“, er deutete auf den Steinhaufen, von dem der Drache gefressen hatte. „Die Steinmauern der Burg Fort bestehen übrigens aus einer Mischung beider Steinsorten“, fügte er noch hinzu.

    __„Wenn das so ist, sollten wir unsere Festungsmauer aus der ersten Steinsorte bauen“, entschied mein Vater. „Dann müssen wir die Steine nicht nur nicht so weit schleppen, sondern verringern gleichzeitig das Risiko, dass die Mauer von den Drachen gefressen wird.“

    __„Aber wie wir gesehen haben, kann es nicht schaden, zusätzlich einen Steinhaufen von der anderen Sorte zu haben - damit die Drachen bei Bedarf davon fressen und nicht von unserer Mauer“, schlug Toldur vor.


    Rund zweieinhalb Wochen später - also auf den Tag genau sechs Wochen, nachdem wir den goldenen Drachen in seine Höhle gebracht hatten - half ich Sean am Nachmittag mit den Tieren, und zufälligerweise waren wir gerade in der Nähe der Drachenhöhle als wir auf einmal hörten, wie der Drache auf einmal anfing zu brummen.

    __„Was ist da denn auf einmal los?“, fragte Sean.

    __„Keine Ahnung“, antwortete ich.

    __Bevor wir uns weiter unterhalten konnten, sahen wir, wie der bronzene Drache auftauchte und direkt in die Höhle hinein flog. Aber der goldene Drache setzte sein Brummen davon unbeeindruckt fort.

    __„Sollen wir mal nachsehen, was da passiert sein kann?“, schlug ich nach einer Weile vor. „Irgend etwas muss da los sein, sonst würde der doch nicht die ganze Zeit so brummen“, fügte ich hinzu - wobei ich mir überhaupt nicht sicher war, ob Drachen nicht gelegentlich doch ohne irgend einen Grund anfingen zu brummen.

    __„Ja, ich denke, das sollten wir machen. Die Kühe kommen auch eine Weile ohne uns aus.“

    __Also verließen wir die Wiese und gingen vorsichtig zur Höhle. Bevor wir eintraten, versuchten wir einmal, einen vorsichtigen Blick hinein zu werfen, aber irgendwie schien es so, als ob keiner der beiden Drachen auf uns achtete. Also traten wir in die Höhle, und nachdem unsere Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnten wir erkennen, dass der goldene Drache dabei war, Eier zu legen. Zwei weiße Eier mit bunten Punkten auf der Schale und einem Durchmesser von etwa einem Fuß lagen schon auf dem sandigen Boden der Höhle, und gerade war der goldene Drache dabei, ein goldenes Ei zu legen, welches etwas größer zu sein schien als die beiden gepunkteten.

    __„Kann es sein, dass unser Patient weiblich ist?“, fragte ich. Tatsächlich hatte ich mir bisher noch keine Gedanken darüber gemacht, welches Geschlecht der Drache hatte - oder ob Drachen überhaupt unterschiedliche Geschlechter haben.

    __„Sieht irgendwie so aus“, antwortete Sean. „Aber vielleicht sollten wir sie weiter Eier legen lassen. Es sieht nämlich nicht wirklich so aus, als ob wir hier viel helfen könnten.“

    __„Ich glaube, du hast Recht. Und was das Wechseln der Verbände angeht, sollten wir denke ich auch abwarten, bis das Eierlegen durch ist.“

    __Also verließen wir die Höhle, und als wir abends zur Siedlung zurück kehrten berichteten wir meinem Vater und den anderen Mitgliedern unserer beiden Familien, das wir heraus gefunden hatten, dass der goldene Drache weiblich war und dass er gerade dabei war Eier zu legen.

    __Natürlich wollten nicht nur mein Vater, sondern auch Ryan, Renna, Nataon und meine Mutter sich die Eier einmal aus der Nähe ansehen, aber als wir nach dem Abendessen alle gemeinsam zur Höhle gingen, fing der bronzene Drache an zu knurren, so dass wir unverrichteter Dinge wieder zurückkehren mussten. Immerhin hatte ich bemerkt, dass der goldene Drache immer noch brummte, also war er wohl immer noch nicht mit dem Eierlegen fertig.

    __Als der Drache am Morgen des folgenden Tages zwar immer noch brumte, aber gerade keine Eier zu legen schien, entschied ich, dass wir nun doch einmal die Verbände erneuern müssen. Inzwischen waren der Heilungsprozess zwar schon gut voran gekommen, aber dennoch war ich der Meinung, dass wir die Verletzungen nicht tagelang vernachlässigen konnten. Wir baten den goldenen Drachen also für den Fall, dass es etwas ungemütlich würde, um Entschuldigung und wechselten den Verband bei dem Flügel mit den Schnittwunden. Bei dem anderen Flügel nahen wir die Verbände nun ganz ab - Brandwunden sehen zwar nicht gut aus, aber irgendwann brauchen sie auch mal frische Luft, um weiter auszuheilen.

    __Als wir mittags wieder zur Höhle gingen, war unser Patient wieder dabe, Eier zu legen, aber dafür konnten wir am Abend und am nachfolgenden Tag morgens wieder den Verband an dem Flügel mit den Schnittwunden wechseln - auch wenn der Drache immer noch brummte. Gegen Mittag war er wieder mit Eierlegen beschäftigt, aber am Abend hatte er aufgehört zu brummen, weil er anscheinend fertig geworden war mit dem Eierlegen. Trotz einiger Pausen hatte er in etwas mehr als achtundvierzig Stunden ganze 39 Eier gelegt, darunter ein goldenes.

    __Natürlich berichteten wir beim Abendessen davon, dass der Drache mit dem Eierlegen fertig war, und dass es ganze 39 Eier geworden waren.

    __„39 Eier? Habt ihr irgend eine Ahnung, wie oft Drachen Eier legen, wenn die gleich 39 Eier auf einmal legen?“, fragte meine Mutter. „Nicht, dass wir am Ende noch eine Überbevölkerung von Drachen haben.“

    __„Es ist ja noch nicht gesagt, dass aus jedem Ei auch wirklich ein Drache schlüpft, und wie hoch die Kindersterblichkeit bei den Drachen ist, wissen wir auch nicht“, widersprach mein Vater.

    __„Außerdem hätte ich durchaus nichts dagegen, wenn wir hier ein paar mehr Drachen hätten, die die Dämonen zuverlässig von den Bergen fern halten“, fügte Natalon hinzu.

    __Als sich die Nachricht von den Dracheneiern in der Siedlung herum sprach, entschieden sich wohl immer wieder einzelne Leute, einen Blick auf die Eier zu werfen. Aber die meisten kehrten unverrichteter Dinge um, als sie merkten, dass der goldene Drache sie von der Höhle aus anknurrte - und das war auch die bessere Entscheidung, denn der goldene Drache zögerte durchaus nicht, fremde Personen mit seinen Klauen anzugreifen, wenn sie sich trotz seiner Drohung weiter näherten. In den folgenden Tagen mussten mein Vater und ich also regelmäßig Verletzungen von Kameraden behandeln, die zu weit gegangen und vom Drachen angegriffen worden waren.

    __Sean und mich ließen sowohl der goldene als auch der bronzene Drache weiterhin in die Höhle kommen, aber an uns waren die beiden ja schon gewöhnt, und sie wussten wohl auch, dass wir ihnen nichts antun würden. Ob Ryan und Renna auch zur Höhle gingen und ob sie diese vielleicht sogar betreten konnten, weiß ich nicht. Ich würde es den beiden durchaus zutrauen, aber sie haben nichts davon erzählt, und auf jeden Fall mussten mein Vater und ich keinen der beiden behandeln.


    Drei Wochen nachdem der Drache seine Eier gelegt hatte, entdeckte ich am späten Vormittag von der Aussichtsstation aus eine Reisegruppe, die zum Teil aus Reitern und zum Teil aus Wanderern bestand. Tatsächlich war es schon so spät, dass Sean und ich nicht sofort für eine Meldung ins Dorf liefen sondern noch die paar Minuten abwarteten bis wir von Renna und Ryan abgelöst wurden.

    __Wie sich am Nachmittag heraus stellte, bestand die Reisegruppe aus zwei Dutzend Söldnern, die von Tarri angeführt wurden und von denen die Hälfte mit Rennern unterwegs waren. Nachdem Kaylek sie begrüßt und sich anschließend mit Natalon und meinem Vater besprochen hatte, sagte er: „Ich denke, dass wir Söldner von nun an die Wachen auf der Aussichtsstation übernehmen. Aber es wäre gut, wenn ihr beide“, er deutete auf Sean und mich, „in den nächsten Tagen noch mit rauf kommt und uns beibringt, worauf wir achten müssen, um mögliche Dämonen früh zu erkennen.“ Mit einem Blick auf die neuen Söldner fügte er hinzu: „Die Bewohner der Siedlung haben recht, wenn sie der Meinung sind, dass es besser ist, wenn wir uns einmal zu oft aufgrund eines Fehlalarms kampfbereit machen als wenn wir im Ernstfall von den Dämonen überrascht werden.“

    __„Und wenn ihr nichts dagegen habt, würde ich mich gerne um eure Renner kümmern“, mischte sich Sean ein. „Ich will sowieso Tierpfleger werden, also fällt das in meinen Aufgabenbereich.“

    __„Was das angeht, werde ich dich unterstützen“, merkte einer der berittenen Söldner an. „Ich habe früher einmal als Tierpfleger gearbeitet, bevor unsere Siedlung von Dämonen angegriffen und vernichtet wurde - weswegen ich dann auch den Beruf gewechselt habe.“

    __„Wäre es möglich, dass Sie Seans Ausbildung übernehmen?“, fragte Natalon. „Wir haben hier bisher keinen ausgebildeten Tierpfleger, und müssten sonst einen solchen suchen oder den Jungen für die Ausbildung fort schicken.“

    __„Klar, das mache ich gerne.“

    __Anders als Kaylek waren die meisten Söldner durchaus bereit, bei der Errichtung der Festungsmauern mitzuhelfen, und weil die Söldner stillschweigend Kaylek als Kommandanten akzeptierten, wurde die Siedlung fortan gemeinschaftlich von Natalon, Kaylek und meinem Vater geleitet.


    Etwa eine Woche später - oder ziemlich genau einen Monat, nachdem der goldene Drache mit dem Eierlegen fertig geworden war - waren Sean und ich nach dem Frühstück gerade in der Drachenhöhle, um noch einmal nach den Verbänden zu sehen.

    __„Ich denke, die Schnittwunden sind jetzt auch gut genug verheilt, dass wir die Verbände weg lassen können sagte ich, nachdem wir den alten Verband abgenommen und ich mir den Flügel angesehen hatte.“

    __Wie als eine Antwort darauf fing der goldene Drache auf einmal an zu brummen.

    __„Will der schon wieder Eier legen?“, fragte Sean daraufhin.

    __„Kann ich mir nicht vorstellen“, meinte ich. „Was meinst du, sollen wir noch etwas hier bleiben und abwarten?“

    __„Auf jeden Fall. Der Söldner, der meine Ausbildung übernommen hat würde mich ausschimpfen, wenn ich ihm nicht erzählen kann, was das jetzige Brummen zu bedeuten hat.“

    __„Ich glaube, mein Vater würde auch gerne wissen, was hier passiert“, merkte ich an. Also blieben wir noch. Um den Drachen aber nicht zu stören, gingen wir etwas von ihm weg und stellten uns dann so an eine der Höhlenwände, dass wir die ganze Höhle im Blick hatten.

    __Nach kurzer Zeit kam dann auch der bronzene Drache in die Höhle gehumpelt. Wie gewohnt hatte er in einer seiner Vorderpfoten ein Beutetier - dieses Mal hatte er sich für eine Kuh entschieden. Nachdem er diese vor die Pfoten des goldenen gelegt hatte, begann dieser allerdings nicht, das Beutetier wie gewohnt zu fressen, sondern er benutzte seine Klauen, um es in kleine Stücke zu reißen, die er dann zwischen die Eier warf.

    __Der bronzene Drache war inzwischen wieder aus der Höhle verschwunden, kehrte aber wenig später mit einem zweiten Beutetier wieder und begann dann ebenfalls, dieses in kleinere Stücke zu reißen, die er dann auch zwischen die Dracheneier warf.

    __„Was soll das werden?“, fragte Sean, als er dieses seltsame Verhalten der beiden Drachen sah. „Sind die beiden verrückt geworden?“

    __Aber mir war in diesem Moment etwas anderes aufgefallen. „Sieh doch mal. Die Eier bewegen sich“, erzählte ich ihm daraufhin.

    __Und tatsächlich hatten ein paar von den Eiern angefangen zu wackeln. Es dauerte nicht lange, bis auch die anderen Eier damit anfingen, und kurze Zeit später konnten wir bei den ersten Eiern auch schon Risse sehen.

    __Bevor wir die Eier allerdings weiter beobachten konnten, fing der goldene Drache auf einmal an, bedrohlich zu knurren, wobei er mit seinen Augen den Eingang der Höhle fixierte.

    __Dieses Mal schien es so, als ob der bronzene Drache seinem Artgenossen irgendwie wortlos etwas mitteilte, woraufhin der goldene Drache mit dem Knurren aufhörte, und nur wenig später konnten wir sehen, dass Renna die Höhle betrat. Als sie Sean und mich bemerkte, kam sie direkt auf uns zu. „Habt ihr die Zeit aus den Augen verloren oder wieso braucht ihr so lange?“, fragte sie uns. „Sonst habt ihr doch nicht so lange gebraucht, um den Drachen zu behandeln. Unsere Väter machen sich schon Sorgen.“

    __„Na dann kannst du zurück gehen und berichten, dass die Jungdrachen gerade dabei sind zu schlüpfen“, schlug Sean vor.

    __„Und das beste verpassen? Nie im Leben!“, antwortete Renna.

    __Während wir so abgelenkt gewesen waren, hatten sich noch auf weiteren Eiern Risse gebildet, und bei einem Ei sah es nun irgendwie so aus, als ob dieses jeden Moment in zwei Teile zerfallen könne. Tatsächlich dauerte es auch nicht lange, bis daraus tatsächlich ein kleines, blaues Drachenbaby kletterte, welches - nachdem es sich ausgestreckt hatte - von der Nasenspitze bis zum Schwanzende vielleicht einen Meter lang sein mochte. Während es sich mit rot leuchtenden Facettenaugen sofort einem der Fleischstückchen zuwandte und dieses ganz gierig verschlang, kletterten schon weitere Drachenbabys aus ihren Eiern. Die meisten davon waren in verschiedenen nichtmetallischen Farben, aber ich konnte darunter auch ein oder zwei bronzene sehen.

    __„Nein, sind die niedlich“, meinte Renna und steckte ihre Hand aus, um eines der Drachenbabys zu streicheln. Allerdings dachte dieses gar nicht daran, sich von ihr berühren zu lassen und stieß sie unsanft zurück.

    __„Wie man merkt, sind selbst die kleinen Drachenbabys nichts anderes als wilde Tiere“, bemerkte Sean.

    __Aber dann sahen wir, wie direkt vor uns ein kleines, rotes Drachenbaby aus seinem Ei schlüpfte. Statt wie die anderen gleich ein Fleischstück vom Fußboden zu nehmen, lief es geradewegs auf Renna zu.

    __„Pass auf, Renna“, rief ich.

    __Aber sie hatte schon ein Fleischstückchen vom Boden aufgehoben und hielt es dem Drachen hin. „Ruath heißt du also? Das ist ein schöner Name“, sagte sie dabei zu dem kleinen Wesen.

    __Während ich mir noch Gedanken darüber machte, was das bedeuten mochte, kam ein frisch geschlüpftes bronzenes Drachenbaby direkt auf Sean zu. Als er es bemerkte, streichelte er es und hob dann ebenfalls ein Stück Fleisch vom Boden auf, um den kleinen Drachen zu füttern. „Der hier heißt Carenath“, meinte er dabei zu mir.

    __„Was ist nur in euch gefahren?“, fragte ich.

    __Aber es war weder Sean noch Renna, sondern eine eindeutig weibliche Stimme, die mir antwortete. „Ich habe Hunger“, konnte ich sie direkt in meinem Kopf hören - ganz so, also ob irgend jemand statt laut zu reden seine Stimme per Telepathie übertragen hätte. Als ich mich umsah, konnte ich sehen, dass ein goldenes Drachenbaby direkt auf mich zu kam und mich mit seinen blau leuchtenden Facettenaugen ansah. Weil ich irgendwie Mitleid mit dem kleinen Drachenmädchen hatte, hob ich auch ein Stück Fleisch vom Fußboden auf und begann, Faranth zu füttern. Irgendwie war ich mir sicher, dass sie so hieß, auch wenn mir das niemand zuvor verraten hatte. Aber das Gefühl, meine Gedanken mit einem kleinen Drachen teilen zu können, war das beste, was ich bis dahin erlebt hatte.

  • Nachdem Renna, Sean und Sorka von drei gerade geschlüpften Drachen ausgewählt wurden, ging das Leben in der Siedlung erst einmal ganz normal weiter - nur mit dem Unterschied, dass die drei Drachenpartner - Drachenreiter konnte man sie ja noch nicht nennen, weil es diese Bezeichnung damals noch nicht gab - sich von nun an um die Pflege ihrer Drachen kümmern mussten, wobei die erwachsenen Drachen ihnen anfangs noch dabei halfen. Allerdings entfremdeten sich Ruath, Carenath und Faranth durch die Beziehung zu ihren menschlichen Partnern deutlich schneller von den großen Drachen, so dass diese sich vor Allem um die anderen Drachenkinder kümmerten. Glücklicherweise lernten Renna, Sean und Sorka schnell, welche Art von Pflege ihre Drachen brauchten. Weil sie sich aber nur um ihre drei Drachen kümmerten, mussten sie leider mit ansehen, wie aufgrund der hohen Kindersterblichkeit bei wild lebenden Drachen nur ein einziger der ursprünglich sechsunddreißig jungen Drachen ohne menschlichen Partner das Erwachsenenalter erreichte.

    __Aber auch außerhalb der Drachenhöhle ging das Leben weiter. Ryan begann irgendwann, Sean und den Tierpfleger-Söldner bei der Arbeit mit den Tieren zu unterstützen, die Festungsmauern wurden fertig gestellt und gemeinsam fingen Zimmermeister Natalon und Steinmetz Dalor an, angemessenere Gebäude für das Leben innerhalb der Festung zu errichten.

    __Natürlich verbreitete sich das Wissen, dass in der Siedlung drei Leute lebten, denen es gelungen war, Drachen auf sich zu prägen, auch im ganzen Land, und weil viele Leute sich in der Nähe von Drachennestern sicher fühlten, kamen von nun an regelmäßig Leute an, deren alte Heimat von den Dämonen zerstört worden war und die sich in der von Ruath, Carenath und Faranth beschützten Festung niederlassen wollten. Einer von ihnen war Kindan, der Protagonist von unserer zweiten Erzählung.


    Vielleicht sollten wir erwähnen, dass wir die zweite und die danach folgende dritte Erzählung bei der selben Quelle gefunden haben wie den Urtext für „Eine Zufallsbegegnung mit Folgen“. In diesen beiden Fällen haben allerdings nicht die Hauptpersonen selbst die Erzählung aufgeschrieben, sondern der ein halbes Jahrhundert nach den Ereignissen frisch an den Weyr entsandte Harfner hat sich mit Kindan, Cisca und anderen in den Erzählungen auftretenden Personen unterhalten und anschließend die beiden Texte aufgeschrieben. Wir gehen davon aus, dass er seine Gesprächspartner aber auch im Entstehungsprozess immer wieder befragt hat um sicher zu sein, dass sich letzten Endes keine Fehler einschleichen.


    Drachenreiter

    – Teil 1 –


    Auf seiner letzten Etappe auf dem Weg zur Drachenfestung bemerkte Kindan ein Spektakel, welches bis dahin tatsächlich nur wenige Menschen gesehen hatten:

    __In einiger Entfernung schienen einige Drachen Fangen zu spielen. Voran flog ein überaus deutlich golden glänzender Drache und stieg höher und höher. Dicht hinter ihm folgte ein bronzener Drache, dessen Glanz im Vergleich zu dem goldenen regelrecht stumpf wirkte. Einen Moment später tauchten wie aus dem Nichts weitere bronzene Drachen auf, die ebenfalls die Verfolgung aufnahmen. Einmal sah es so aus, als ob einer der Verfolger erfolgreich wäre, aber der goldene Drache griff ihn mit seinen Klauen an, so dass der bronzene Drache die Verfolgung abbrechen musste. Dafür gelang es aber wenig später einem anderen bronzenen Drachen, den goldenen zu erwischen und ihn mit seinen vier Pfoten und den Flügeln zu umklammern. Weil nun auch der goldene Drache anfing, sich an den bronzenen zu klammern und keiner mehr darauf achtete, das gold-bronzene Paar in der Luft zu halten, stürzten sie gemeinsam wie ein gold-bronzener Ball in die Tiefe. Erst kurz, bevor sie auf dem Boden aufschlagen würden, trennten sie sich und flogen anschließend in unterschiedliche Richtungen davon.

    __Nachdem der sechzehn Jahre alte Junge kurz stehen geblieben war, um sich dieses Spektakel anzusehen, machte er sich nun wieder auf den Weg. Ungefähr eine halbe Stunde später kam er an einer Höhle vorbei, vor der vier junge Personen und einige Soldaten standen.

    __„Guten Tag“, begrüßte Kindan sie. „Könnt ihr mir sagen, wie weit es noch bis zur Drachenfestung ist?“

    __„Falls du die namenlose Festung meinst, in der unter anderem drei Personen leben, denen es gelungen ist, einen Drachen auf sich zu prägen, dann bist du schon fast am Ziel“, antwortete einer der Söldner. „Allerdings würde ich gerne wissen, was du dort willst.“

    __„Ich würde mich gerne den dort lebenden Menschen anschließen. Aber ich denke, dass sollte ich wohl eher mit den Verantwortlichen vor Ort besprechen?“

    __„Du redest gerade mit einem der drei Anführer der Festung“, mischte sich einer der vier jungen Leute ein. Es war ein Junge in Kindans Alter, der dem jungen Reisenden gleich auf den ersten Blick sympathisch zu sein schien. Die anderen drei waren ein etwa genauso altes Mädchen, eine junge Frau und ein junger Mann.

    __„Wenn das so ist“, antwortete Kindan, „dann sollte ich mich vielleicht erst einmal vorstellen. Mein Name ist Kindan, und ich bin schon seit meiner frühen Kindheit auf Wanderschaft - seit die Dämonen mein Heimatdorf überfallen und vernichtet haben, um genau zu sein. Die meiste Zeit war ich zusammen mit meinem Vater unterwegs, aber der hat vor ein paar Wochen eine Frau kennen gelernt und sich in sie verliebt. Weil ich die aber überhaupt nicht ausstehen kann, habe ich den Weg alleine fortgesetzt. Und weil ich irgendwann von der ‚Drachenfestung‘ gehört hatte, habe ich mir gedacht, dass das vielleicht ein guter Ort ist, um sesshaft zu werden.“

    __„Das klingt zwar alles schön und nett, aber wir wissen leider nicht, ob das auch der Wahrheit entspricht“, antwortete der Söldner. „In der letzten Zeit sind hier so einige Leute angekommen, die der Meinung sind, dass hier der sicherste Ort der Welt sein soll. Ich möchte nicht wissen, wie viele Betrüger wir so in unsere Festung aufgenommen haben.“

    __„Jetzt mach aber mal halblang, Kaylek“, mischte sich der junge Mann in das Gespräch ein. „Carenath hat mir gerade mitgeteilt, dass er sich sicher ist, dass wir ihm vertrauen können.“ Anschließend wandte er sich Kindan zu: „Ach übrigens, mein Name ist Sean, das hier“, er deutete auf die junge Frau, „ist Sorka, und die beiden Leute in deinem Alter sind Renna und Ryan.“

    __„Carenath? Ist das einer der drei Drachen?“

    __„Ja, wer soll das denn sonst sein?“

    __„Dann bist du also einer von den drei Leuten, denen es gelungen ist, einen Drachen auf sich zu prägen? Entschuldige bitte, aber ich hatte mir die drei eigentlich viel älter vorgestellt. Vielleicht so alt wie mein Vater oder so.“ Er zögerte kurz, fuhr dann aber doch noch fort: „Wie alt sind eigentlich die anderen beiden Drachenpartner?“

    __„Also, ich bin inzwischen zwanzig Jahre alt“, antwortete Sorka, „und Renna wird bald fünfzehn.“

    __„Dann rede ich also gerade mit allen drei Drachenpartnern?! Erstaunlich, dass ihr einfach so vor einer Höhle herum steht.“

    __„Wo sollen wir denn sonst herum stehen, wenn nicht vor der Drachenhöhle?“

    __„Drachenhöhle? Also leben eure Drachen hier drin? Dann sollte ich vielleicht tatsächlich sehen, dass ich weiter komme. Nicht, dass ich eure Drachen störe.“

    __„Nein, normalerweise leben sie da nicht drin“, antwortete Renna. „Aber Faranth hat uns vorhin mitgeteilt, dass sie demnächst Eier legen wird, und weil wir nicht wissen, wann es soweit sein wird, überlegen wir bereits jetzt, wie wir die Höhle vorbereiten können. Ach ja, die Höhle nennen wir eigentlich nur deshalb Drachenhöhle, weil die Mutter unserer Drachen rund zwei Monate lang darin gewohnt hat und unsere Drachen auch dort zur Welt gekommen sind.“ Anschließend wandte sie sich an Kaylek: „Kannst du den Jungen mit zur Festung nehmen und unseren Vätern vorstellen?“

    __„Klar mach ich“, antwortete der Söldner und führte den Jungen danach in die Festung. Innerhalb der sehr großzügig von den Festungsmauern eingeschlossenen Siedlungsfläche, konnte Kindan an einer Stelle ein paar große, wohlhabend aussehende Steinhäuser, aber in einer anderen Richtung auch eine Reihe kleinerer Holzhütten sehen. „Die Holzhütten sind unsere ursprüngliche Siedlung”, erklärte Kaylek, „und weil wir bei den Steinhäusern nicht nur auf Nützlichkeit, sondern vor Allem auch auf auf Komfort achten, nehmen wir uns bei dem Neubau der Gebäude die Zeit, die man eben dafür braucht. Natalon und Wenser wohnen in einer der alten Holzhütten und sind anscheinend ganz zufrieden darin.“

    __Die beiden gingen also weiter zu den Holzhütten. Unterwegs fragte Kindan: „Kann es sein, dass die Steinhäuser nicht nur komfortabel sind, sondern irgendwie auch reichlich repräsentativ aussehen?“

    __„Ja, und zwar mit Absicht. Zimmermeister Natalon und Steinmetz Dalor haben das bewusst so angelegt, weil wir in unserer Festung die weltweit ersten Drachenpartner haben und es deshalb unter Umständen durchaus dazu kommen könnte, dass wir in absehbarer Zeit eine dementsprechende Stellung in der Gesellschaft des Drachenlandes erreichen können. Und dann wären einfache Steinhäuser unangemessen.“

    __Inzwischen waren sie in der alten Siedlung angekommen. Kaylek blieb vor einer Hütte stehen und klopfte an die Eingangstür. Schon nach kurzer Zeit öffnete eine Frau die Tür. „Ich habe hier einen weiteren Jungen, der in unserer Siedlung sesshaft werden will“, erklärte der Söldner ihr.

    __„Kommt doch rein“, meinte die Frau daraufhin. „Wenser ist gerade noch bei mit Patienten beschäftigt, und meinen Mann werde ich gleich holen.“

    __Nachdem Kaylek und Kindan die Wohnung betreten und sich in der Wohnküche an den Tisch gesetzt hatten, machte sich die Frau auch gleich auf den Weg.

    __Einige Zeit später waren Wenser und Natalon bereit für ein Gespräch, und Kindan stellte sich dann noch einmal vor. Wie er dabei erfuhr, war Wenser ein Heiler und Natalon ein Zimmermann, und sie waren wohl früher jeweils Anführer ihrer eigenen Siedlungen gewesen bis die Dämonen eine davon vernichtet und die beiden Gemeinschaften sich zu einer größeren zusammen geschlossen hatten. Kaylek war wohl etwas später zusammen mit weiteren Söldnern hinzu gekommen, und Wenser und Natalon hatten ihn gleich mit in die Gemeinschaft der Anführer aufgenommen.

    __Recht schnell stand für den Heiler, den Zimmermann und den Söldner fest, dass der Junge gut in die Siedlung passen würde, aber dann diskutierten sie noch eine Weile, wo sie ihn am sinnvollsten unterbringen konnten. Schließlich gingen sie gemeinsam zu Harfner Jofri und fragten ihn, ob er ihn mit in seiner Wohnung leben lassen würde, und der war nach kurzem Zögern einverstanden.


    Ein paar Tage später hatten Zimmermeister Natalon und Steinmetz Dalor gemeinsam mit ihren Helfern einen weiteren Gebäudeteil der repräsentativ angelegten Steinhäuser fertiggestellt. Zufälligerweise enthielt dieser neue Gebäudeteil nicht nur eine neue Wohnung für den Harfner, sondern auch eine große Versammlungshalle, und zur Einweihung ließen die drei Anführer der Festung am Abend in dieser Versammlungshalle ein Fest veranstalten.

    __Weil dieses mit einem Festessen beginnen sollte, hatte Wenser in der Halle mehrere parallele Reihen von Tischen, aber an einer der Stirnenden dieser Reihen einen weiteren langen Tisch quer zu den anderen aufstellen lassen. Als sie die Halle betreten hatten, führte Jofri Kindan genau zu diesem Tisch, deutete auf einen Platz am Ende davon und bat ihn, sich zu setzen.

    __„Ist das wirklich OK, wenn ich mich hier hin setze?“, fragte der Junge aber einmal nach. „Immerhin habe ich irgendwie das Gefühl, dass dieser Tisch eher für besondere Personen gedacht ist, also für die Anführer der Festung, die Drachenpartner, dich als Harfner oder so. Ich bin hingegen nur ein ganz normaler Junge und habe bis jetzt noch nicht einmal eine richtige Aufgabe. Da sollte ich doch vielleicht lieber an einem von jenen Tichen sitzen?“ Er deutete auf die parallel stehenden Tische, an denen sie gerade vorbei gegangen waren.

    __„Nein, das ist so schon in Ordnung“, antwortete Jofri. „Dieser Tisch ist für Kaylek, Natalon mit seiner Familie, Wenser mit seiner Familie und mich und meinem Mitbewohner gedacht. Wenn du nachzählst, kannst du auch sehen, dass hier für elf Personen gedeckt ist. Natalon und Wenser haben wie du weißt jeweils zwei Kinder.“

    __„Bis jetzt habe ich noch nicht wirklich mitbekommen, wer zu wessen Familie gehört, aber wenn ich mich richtig erinnere, hat Renna im Beisein von den anderen Drachenpartnern ‚unsere Väter‘ gesagt, als sie Natalon und Wenser meinte.“

    __„Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Renna und Sean sind die Kinder von Natalon und Sorka und Ryan die von Wenser.“

    __„Ach, so ist das.“

    __Mit der Zeit kamen immer mehr Anwohner in die Versammlungshalle und die Plätze an den Tischen füllten sich. Tatsächlich nahm Wenser direkt neben Jofri Platz. Als er auf der anderen Seite des Harfners Kindan bemerkte, fragte er: „Hast du eigentlich schon einen Berufswunsch, Kindan? Oder vielleicht irgendwann schon mal eine Lehre in die eine oder andere Richtung angefangen?“

    __„Nein, bevor ich hier bei der Drachenfestung“, aber dann unterbrach er sich. „Äh Entschuldigung. Ich weiß doch, dass ihr den Begriff nicht verwendet. Also bevor ich bei unserer Festung hier angekommen bin, war ich einfach nur ständig unterwegs, da gab es keine Zeit für eine Ausbildung. Und für den Berufswunsch muss ich erst einmal gründlich überlegen. Ich muss mich doch nicht sofort entscheiden?“

    __„Nein, ganz und gar nicht. Mir war nur aufgefallen, dass du in den letzten Tagen bei ganz unterschiedlichen Arbeiten ausgeholfen hast. So als ob du noch auf der Suche nach der richtigen Arbeit für dich wärst.“

    __„Nun ja, ich habe eigentlich immer dort ausgeholfen, wo viel zu tun war. Ich will ja keinem die Arbeit weg nehmen, der besser ist als ich, und weil ich als ungelernter Arbeiter hier angekommen bin, ist ja wohl in alle Richtungen immer jemand besser als ich.“

    __„Aber das ist kein Grund, dass du für immer ein ungelernter Arbeiter bleibst“, mischte Jofri sich ein. „Unsere Gemeinschaft ist groß genug, damit nicht jeder überall mit anpacken muss. Wir können es uns also problemlos leisten, unseren jungen Leuten eine angemessene Lehre zukommen zu lassen.“

    __„Gut, ich denke darüber nach“, verkündete Kindan.

    __Anschließend unterbrachen sie ihr Gespräch, weil Natalon aufgestanden war und sich demonstrativ räusperte. Natürlich dauerte es einige Momente, bis das alle Leute in der Halle bemerkt hatten, aber dann wurde es auch wirklich still. Natalon gab zunächst einmal den Köchen ein Zeichen, und während die anfingen, das Essen aufzutischen, begann er eine kurze Rede:

    __„Liebe Mitbewohner, ich freue mich, heute unsere neue Versammlungshalle einzuweihen. Natürlich möchte ich euch nicht vom Essen abhalten, aber ich habe dennoch ein paar Dinge anzukündigen. Heute werden wir nach dem Essen noch eine Weile hier in der Halle bleiben, um gemeinsam Lieder zu singen, der Musik unseres Harfners zuzuhören und uns miteinander zu unterhalten. Wer will, kann im hinteren Teil der Halle auch zu Jofris Musik tanzen.

    __Ansonsten möchte ich erwähnen, dass die Versammlungshalle ab morgen eigentlich immer geöffnet sein wird und dass die Köche zu den üblichen Zeiten Mahlzeiten zubereiten werden für alle, die keine Lust haben, um sich selbst etwas zu kochen. Natürlich wird das normalerweise kein solches Festessen sein wie heute. Und wenn ihr in eurer Freizeit einfach nur etwas Gesellschaft haben wollt, könnt ihr selbstverständlich auch hier her kommen.“ Er wandte sich kurz an Kaylek. „Habe ich noch irgend etwas vergessen?“

    __Der Söldner schüttelte einfach nur den Kopf.

    __Natalon wandte sich wieder an die immer noch aufmerksamen Zuhörer an den Tischen: „Also gut, dann wünsche ich euch einen guten Appetit und nachher noch viel Spaß bei unserer Unterhaltung.“

    __Als sich das Fest deutlich später am Abend dem Ende zuneigte und die ersten Leute anfingen, die Versammlungshalle zu verlassen, sprach der Harfner den neben ihm sitzenden Kindan an: „Kann es sein, dass dir das Singen Spaß macht? Du hast den ganzen Abend über immer kräftig mit gesungen. Und bei den Melodien scheinst du auch sicher zu sein.“

    __„Ja, Singen macht mir tatsächlich Spaß. Leider hatte ich bisher nur sehr unregelmäßig Gelegenheit dazu, aber ich habe eigentlich immer versucht, mir die Lieder und Balladen möglichst genau einzuprägen, um sie bei Bedarf auch dann singen zu können, wenn gerade kein Harfner in der Nähe ist.“

    __„Könntest du dir vorstellen, das einmal beruflich zu machen?“

    __„Du meinst das Singen? Kann man davon leben?“

    __„Nicht vom Singen alleine. Zu den Aufgaben eines Harfners zählen - wie du sicher weißt - auch das musizieren mit Instrumenten und einige Dinge, die eher weniger mit Musik zu tun haben.“

    __„Wie zum Beispiel, die kleinen Kinder zu beschäftigen und ihnen das Lesen und Schreiben und das Rechnen beizubringen?“

    __„Nicht nur das Lesen und Schreiben und das Rechnen, sondern zum Beispiel auch das Wissen um unsere Geschichte - was wir aber ganz nebenbei bei dem gemeinsamen Singen von Liedern und Balladen erledigen, die von historischen Begebenheiten erzählen.“ Jofri schwieg einen Moment und fügte dann hinzu: „Also wenn du Lust hast, kann ich dir den Umgang mit ein paar einfachen Musikinstrumenten zeigen. Ich könnte sowieso jemanden gebrauchen, der mich bei den gesellschaftlichen Abenden begleitet.“

    __„Also eine Ausbildung zum Harfner? Daran hatte ich ehrlich gesagt noch überhaupt nicht gedacht.“ Der Junge schwieg einen Moment, fügte dann aber noch hinzu: „Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass mir das durchaus gefallen könnte.“

    __Damit war es beschlossene Sache. Jofri begann gleich am nächsten Tag, seinem neuen Lehrling den Umgang mit einer Flöte und einer kleinen Trommel zu zeigen, aber als Teil der Ausbildung ließ er Kindan auch regelmäßig singen und gab ihm Tipps, wie er seine Gesangsstimme perfektionieren konnte.


    Abgesehen von der Ausbildung zu einem Harfner, begann Kindan, sich in der Siedlungsgemeinschaft nach Jungen und Mädchen in seinem Alter umzusehen, die er vielleicht als Freunde gewinnen konnte. Das erwies sich jedoch als schwierig, weil die meisten von ihnen ständig in irgendwelchen Freundesgruppen unterwegs waren und ihm klar zu verstehen gaben, dass er sich bitte woanders hinwenden solle. Wenn er an den Abenden in der Versammlungshalle zusammen mit Jofri Musik machte, schienen sie ihn zwar zu akzeptieren, aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass ihm das nicht wirklich dabei helfen würde, neue Freunde zu finden.

    __Die einzigen Leute in seinem Alter, die ihn zu mögen schienen und anscheinend nichts dagegen hatten, wenn er sich ihnen annäherte, waren die drei Drachenpartner und Ryan, den man sehr oft in der Gesellschaft des einen oder anderen Drachenpartners antreffen konnte. Aber speziell ihnen gegenüber empfand der angehende Harfner es als unangemessen, zu viel ihrer kostbaren Zeit zu beanspruchen, denn immerhin mussten sie sich ja um ihre Drachen kümmern, und als Kinder der Anführer konnte er sich auch vorstellen, dass sie eine gesellschaftliche Stellung wahren mussten.

    __So verstrich die Zeit, und auch wenn in den nächsten Wochen mehrmals Dämonen in der Nähe der Siedlung auftauchten, bekam Kindan davon nur am Rande etwas mit. Er hielt sich nur selten außerhalb der Festungsmauern auf, und gegen die Dämonen rückten eigentlich immer die Soldaten zusammen mit den drei Drachen aus, wobei sich gelegentlich auch noch der ein andere wild lebende Drache einmischte. Weil die Soldaten aufgrund des Beobachtungspostens auf der Aussichtsstation die Dämonen eigentlich immer recht früh entdeckten und entsprechend Zeit hatten, um sich auf den Kampf vorzubereiten, konnten sie die Feinde regelmäßig vor oder schlimmstenfalls direkt bei den Festungsmauern stoppen.

    __Irgendwann wurden für diejenigen, die darauf achteten, Anzeichen dafür erkennbar, dass Faranth tatsächlich schwanger war und demnächst Eier legen würde: Während Ruath und Carenath sich regelmäßig an den Kämpfen gegen die in der Umgebung der Festung auftauchenden Dämonen beteiligten, begann Faranth, zunächst einmal nur halbherzig, aber später gar nicht mehr mit zu kämpfen. Etwas weniger offensichtlich war die Wahl der Tage für die Mahlzeiten: Ruath und Carenath blieben dabei, etwa einmal pro Woche auf die Jagd zu gehen. Faranth machte dies etwa alle fünf bis sechs Tage. Und wenn man den Körperbau der drei Drachen miteinander verglich, konnte man zwei Monate nach dem Paarungsflug auch sehen, dass der Bauch des goldenen Drachens dicker wurde. Im darauffolgenden Monat begann die Drachendame, die Zeiträume zwischen ihren Mahlzeiten noch weiter zu verkürzen.

    __Fast genau drei Monate nach dem Paarungsflug war Kindan zufälligerweise zusammen mit den Drachenpartnern unterwegs als Sorka auf einmal sagte: „Anscheinend ist es bald soweit. Faranth hat mir gerade mitgeteilt, dass sie es kaum noch schafft, von dem Erdboden abzuheben und dass sie deshalb jetzt zur Drachenhöhle laufen und dort darauf warten wird, dass die Eier bereit sind, gelegt zu werden.“

    __„Weiß der bronzene Drache eigentlich darüber Bescheid?“, fragte Sean. „Immerhin müsste er doch vorbei kommen, um sie zu füttern.“

    __„Du vergisst, dass unsere Drachen sich durch die Prägung auf uns von ihren Artgenossen entfremdet haben“, wandte Sorka ein. „Ich gehe davon aus, dass er nicht kommen wird, und auch sie scheint auch ohne seine Hilfe vollkommen zufrieden zu sein. Sie meint, dass sie sich in den letzten Wochen ein Fettpolster angefressen hat und nun eine Diät machen wird.“

    __„Wie lange wird sie die Diät durchziehen müssen?“, erkundigte sich Kindan. „Immerhin nehme ich an, dass die Eier in ihre Bauch weiter wachsen, und wenn sie monatelang hungern muss, kann ich mir nicht vorstellen, dass das gut geht.“

    __„Nein, monatelang wird das nicht dauern. Höchstens sechs Wochen. So lange hat ihre Mutter in der Höhle gelegen, aber die hatten wir dahin gebracht, weil sie beim Kampf gegen die Dämonen verletzt worden war. Wann sie sich normalerweise eine Höhle gesucht hätte, wissen wir leider nicht.“

    __Mit dieser Aussage im Hinterkopf ging der angehende Harfner später zurück zur Festung. Tatsächlich hatte Jofri ihm geraten, sich irgendein Thema für ein erstes selbst komponiertes Lied zu suchen, und irgendwie schien die Entwicklung vom Paarungsflug bis zum Schlüpfen der Drachenbabys eine gute Idee dafür zu sein. Natürlich würde es noch dauern bis er so ein Lied vervollständigen konnte, aber zumindest mit den ersten Versen konnte er ja schon einmal anfangen.


    Tatsächlich tauchte der bronzene Drache nicht in der Nähe der Drachenhöhle auf, und Faranth hatte wohl vor der Diät genug gefressen, um die Zeit bis zum Eierlegen gut überstehen zu können. Als die Wochen vergingen, wurden die Menschen in der Festung nervöser, weil sie jeden Tag damit rechneten, dass der goldene Drache mit dem Eierlegen anfangen könnte, aber die drei Drachen selbst blieben erstaunlich ruhig. Als Faranth schon ganze fünf Wochen in der Drachenhöhle lag, waren Kindan und Ryan gerade in der Versammlungshalle beim Mittagessen, als der angehende Harfner irgendein Brummen vernahm. „Was ist das für ein Brummen?“, fragte er.

    __Ryan schien zunächst einmal aufmerksam zuzuhören, und dann meinte er: „Ich glaube, dass sind die Drachen. Es geht also los.“

    __„Was geht los?“

    __„Na, das Eierlegen! Die Eltern von unseren Drachen haben auch so gebrummt, als ihre Mutter die Eier gelegt hat.“

    __Irgendwie schienen einige Leute dieses kurze Gespräch mitbekommen zu haben, denn auf einmal standen gleich mehrere Leute auf den benachbarten Plätzen auf, einige von ihnen hatten ihr Essen noch nicht einmal ganz aufgegessen. Anscheinend wollten sie zur Drachenhöhle laufen und Faranth beim Eierlegen zusehen.

    __Kindan war allerdings nicht der Meinung, dass das eine gute Idee war. „Halt!“, rief er deshalb, und als er sah, dass die Leute stehen geblieben waren und sich nach ihm umsahen, stand er seinerseits auf und wandte sich an alle Leute, die gerade in der Versammlungshalle versammelt waren: „Ich glaube, es macht wenig Sinn, wenn ihr jetzt überstürzt zur Drachenhöhle rennt. Vielleicht sollten wir Faranth lieber in Ruhe ihre Eier legen lassen. Sorka und die anderen Drachenpartner werden uns mit Sicherheit auf dem Laufenden halten, und wenn ihr die Eier sehen wollt, wäre es sicher gut, wenn ihr vorher die drei Drachen um ihr Einverständnis bittet. Immerhin sind es Dracheneier, und da haben Menschen sich nicht einzumischen.“ Anschließend setzte er sich wieder. „Ich hoffe, das war in deinem Sinne so“, sagte er leise zu Ryan.

    __„Aber klar doch. Wahrscheinlich hätten Ruath und Carenath sich ihnen schon auf dem Weg zur Drachenhöhle entgegen gestellt um sie abzuweisen, aber so ist es natürlich besser.“

    __Währenddessen hatten sich die meisten Leute nach Kindans Ermahnung tatsächlich wieder hin gesetzt, um das überhastet unterbrochene Mittagessen doch noch aufzuessen.

    __In den nächsten Stunden gingen einzelne Leute zur Drachenhöhle, um zu sehen, ob die Drachen sie einen Blick auf die Eier werfen lassen würden, aber Faranth akzeptierte tatsächlich nur die drei Drachenpartner und Ryan in ihrer Nähe, und als Ruth und Carenath merkten, wie stringent die goldene Drachendame in diesem Punkte war, fingen sie auch an, die Leute genauso rigoros abzuweisen. Nachdem sich dieses Verhalten herum gesprochen hatte, hielten sich die Bewohner der Festung fern von der Drachenhöhle.

    __Ein paar Tage später waren Jofri und Kindan gerade in ihrer Wohnung beim Frühstück, als jemand an der Tür klopfte, und als der Junge nachsehen ging, stand Sorka vor der Tür.

    __„Ryan hat mir erzählt, wie du vor ein paar Tagen - als Faranth gerade mit dem Eierlegen angefangen hat - die Leute zur Vernunft gebracht hast. Dafür wollte ich mich bedanken.“

    __„Ja, das war eine sehr gute Entscheidung von dir, Kindan“, pflichtete auch der Harfner dem bei. „Ist Faranth endlich fertig mit dem Eierlegen? Wenn ich mich nicht täusche, brummen die Drachen nicht mehr, aber es kann auch sein, dass wir die von hier aus nur nicht hören können.“

    __„Nein, du hast schon recht, Jofri. Faranth hat vor fünf Minuten das letzte Ei gelegt und ist dann los geflogen, um sich nach der langen Diät mal wieder ein ordentliches Frühstück zu besorgen.“

    __„Heißt das, dass sie für das Eierlegen mehrere Tage gebraucht hat?“, fragte Kindan nach.

    __„Ja. Das scheint bei den Drachen so üblich zu sein“, meinte Sean. „Zumindest hat nicht nur Faranth das so gemacht, sondern vor ihr auch schon ihre Mutter. Aber beide Drachen haben in der Zeit auch mal Pausen gemacht - zum Beispiel, um zu schlafen.“

    __„Das ist ja interessant. Und wie viele Eier sind es jetzt geworden?“

    __„Achtundzwanzig. Also deutlich weniger als bei ihrer Mutter. Möchtest du sie sehen?“

    __„Ich dachte, die Drachen lassen nur euch beide sowie Renna und Ryan in die Nähe der Eier?“, fragte Jofri.

    __„Sean und ich haben irgendwie das Gefühl, dass die Drachen bei Kindan eine Ausnahme machen würden. Keine Ahnung warum, aber irgendwie scheinen sie ihn zu mögen.“

    __„Ich würde die Eier tatsächlich gerne einmal sehen“, meinte Kindan. „Aber nur, wenn keiner der Drachen sich dadurch belästigt fühlt.“

    __Also ging er nach dem Frühstück zusammen mit Sean und Sorka zur Drachenhöhle. Faranth war noch nicht zurück, und die beiden anderen Drachen fühlten sich durch den Harfnerlehrling nicht belästigt, so dass Kindan die Höhle betreten und sich die Eier einmal ansehen konnte. Tatsächlich lagen in der nur schwach beleuchteten Höhle achtundzwanzig weiße, mit unterschiedlichen bunten Punktemustern versehene Eier herum.

    __„Die sind groß“, meinte Kindan. „Zuindest wenn man sie mit normalen Hühnereiern vergleicht.“

    __„Drachen sind ja auch ein kleines bisschen größer als Hühner“, bemerkte Sorka daraufhin. „Wenn du willst und dabei vorsichtig bist, kannst du sie auch gerne einmal berühren. Jedenfalls hat Faranth mir das beim Eierlegen bereits erlaubt, und ich kann mir nicht vorstellen, dass es einen Unterschied macht, wer sie berührt.“

    __Kindan ging zum am nächsten liegenden Ei und strich behutsam über dessen Oberfläche. Tatsächlich fühlte sich diese eher wie ein bereits gepelltes, fest gekochtes Hühnerei als wie die Schale eines Eis an. „Sind die nicht erstaunlich weich?“, fragte er.

    __„Ja, das ist uns auch schon aufgefallen“, meinte Sean. „Die Eier aus denen unsere Drachen geschlüpft sind, hatten eine deutlich härtere Schale. Aber wir haben damals die Eierschalen erst berührt, nachdem die Drachenbabys geschlüpft waren. Vielleicht werden die Eier mit der Zeit noch härter?“

    __Auf diese Frage hatte keiner der Anwesenden eine Antwort, und so kehrte Kindan wieder zurück zur Festung.


    Gut eine Woche später war Kindan erneut bei den Drachenpartnern als ihm auf einmal etwas auffiel: „Kann es sein, dass Ruath deutlich mehr glänzt als sonst?“, fragte er.

    __„Ja, tatsächlich“, meinte Ryan. „Mir war irgendwie, als ob da etwas anders wäre, aber jetzt, wo du es sagst, weiß ich auch, was sich geändert hat.“

    __„Vielleicht ist das ein Zeichen dafür, dass die Drachen erwachsen werden?“, überlegte Sorka. „Faranth hat vor ihrem Paarungsflug auch stärker geglänzt als normal.“

    __„Aber Carenath hat nicht geglänzt und sich trotzdem an Paarungsflug beteiligt.“

    __„Wenn ich mich richtig erinnere, hat nur Faranth so stark geglänzt“, meinte Kindan. „Ich habe den Paarungsflug zufälligerweise auf dem Weg zu unserer Festung beobachtet”, fügte er als Erklärung hinzu, “nur wusste ich da noch nicht, was dieses Verhalten der Drachen zu bedeuten hat.“ Er schwieg einen Moment und fügte dann hinzu: „Könnte es sein, dass Ruath demnächst auch zu einem Paarungsflug los fliegt? Sie ist doch weiblich, oder?“

    __„Ja, natürlich ist Ruath weiblich“, antwortete Renna leicht irritiert über die Notwendigkeit der Frage.

    __„Wenn sie auch noch Eier legt, haben wir in unserer Drachenhöhle dann überhaupt genug Platz?“, fragte Ryan.

    __„Bis sie soweit ist, um ihre Eier zu legen, sind die Drachen von Faranths Gelege schon längst geschlüpft. Vielleicht sind die neuen Drachen dann noch nicht ausgewachsen, aber wir haben trotzdem genug Zeit, um für sie eine neue Wohnung zu suchen und die Drachenhöhle anschließend für Ruath vorzubereiten“, meinte Sorka.

    __Damit war das Gespräch erst einmal beendet. Ruath flog tatsächlich zwei Tage später zu einem Paarungsflug los. Dieses Mal flog Carenath ihr nicht hinterher, und die Drachen, die wie aus dem Nichts auftauchten um ihr zu folgen, waren überwiegend nichtmetallische Drachen in den unterschiedlichsten Farben. Am Ende war es ein grüner Drache, der sie fangen konnte und mit ihr in die Tiefe stürzte. Genau wie bei Faranths Paarungsflug trennte sich dieser kurz bevor sie auf dem Erdboden aufschlugen von ihr, und während er davon flog, kam Ruath auf geradem Wege zurück zu Renna.

    __Anders als bei Faranth hatten durchaus einige Leute aus der Festung Ruaths Paarungsflug beobachtet, so dass dieser in den nächsten Tagen im der Versammlungshalle ein sehr beliebtes Gesprächsthema bildete. Die Leute fingen sogar bereits an, Wetten darauf abzuschließen, wie viele Eier Ruath am Ende legen würde.

  • Drachenreiter

    – Teil 2 –


    Zwei Wochen später begannen die Drachenpartner zusammen mit den Anführern der Festung und dem Harfner, Vorbereitungen für den Tag zu treffen, an dem die Drachenbabys aus ihren Eiern schlüpfen würden. Auf Bitten von Sean und Sorka waren auch Ryan und Kindan zu der Besprechung eingeladen - Ryan, weil er trotz fehlendem Drachen von praktisch allen Bewohnern der Festung mit zu den Drachenpartnern gezählt wurde, und Kindan, weil er einerseits mit den Drachenpartnern befreundet und andererseits als Harfnerlehrling auch schon langsam dabei war, sich in ein ehrenvolles Amt hinein zu arbeiten.

    __„Wir haben mit unseren Drachen besprochen, dass wir auf jeden Fall genügend Leute in die Drachenhöhle lassen wollen, um jedem Drachenbaby die Möglichkeit zu geben, sich einen passenden Partner auszusuchen“, brachte Sorka gleich als erstes eine der wichtigsten Fragen zur Sprache.

    __„Heißt das, dass ihr im Vorfeld achtundzwanzig Leute aussucht, die die Chance auf einen Drachen bekommen?“, fragte Jofri nach.

    __„Faranth meint zwar, dass sie einigermaßen erkennen kann, wer überhaupt als Drachenpartner in Frage kommen könnte, aber sie ist sich gleichzeitig absolut sicher, dass sie garantiert nicht vorhersagen kann, wer tatsächlich erfolgreich sein wird. Und ich denke, dass das bei Carenath und Ruath genauso aussieht?“ Sie sah einmal kurz zu Sean und Renna, die beide zustimmend nickten.

    __„Also sollten wir - falls der Platz dafür ausreicht - mehr als achtundzwanzig Kandidaten in die Höhle lassen, damit die Drachenbabys auf jeden Fall genügend Auswahl haben?“, schlug Kindan vor.

    __„Das klingt nach einem Plan“, meinte Natalon. „Wie viele Kandidaten passen dort rein ohne dass es zu eng wird?“

    __„Wenn wir es geordnet angehen lassen, können wir sicher so an die vierzig Kandidaten rein lassen“, meinte Sorka. „Als unsere Drachen geschlüpft sind, hatten wir so an die vierzig Eier, dazu waren noch zwei ausgewachsene Drachen und Renna, Sean und ich dort drin, und ich würde durchaus sagen, dass da noch reichlich Platz vorhanden war. Dieses Mal haben wir nur achtundzwanzig Eier, und wenn Carenath und Ruath vor der Höhle warten, brauchen wir auch nur einen Drachen einzuplanen.“ Nach kurzem Zögern fügte sie noch hinzu: „Auf jeden Fall ist so viel Platz da, dass wir alle mit in die Höhle gehen und uns ansehen können, wer von den Drachenbabys ausgewählt wird. So können wir den Kandidaten bei möglichen Problemen auch schneller helfen.“

    __„Das klingt gut“, meinte Jofri. „Seit ihr damals eure Beziehungen zu euren Drachen eingegangen seid, hatte ich mich regelmäßig gefragt, ob ich so bei einer Drachenprägung vielleicht auch einmal dabei sein kann. Aber nur als Beobachter, einen eigenen Drachen brauche ich nicht.“

    __„Wenn ich mich richtig erinnere, habt ihr damals erzählt, dass die Drachenbabys direkt nach dem Schlüpfen Fleisch gefressen haben?“, mischte sich Wenser in das Gespräch ein. „Müssen wir dafür auch noch etwas Platz einplanen?“

    __„Also bei dem letzten Mal hat der bronzene Drache zwei Beutetiere gejagt und diese zusammen mit der Mutter unserer Drachen in kleine Stücke gerissen und die dann zwischen die Eier verteilt.“

    __„Also haben die Drachenbabys das Fleisch vom Boden aufgehoben? Das klingt mir nicht sehr hygienisch.“

    __„Wenn alle Drachenbabys einen menschlichen Partner bekommen, können wir das Fleisch auf vorher in entsprechende Schalen packen, aus denen die angehenden Drachenpartner das Feisch nehmen, um ihre Drachenbabys zu füttern“, meinte Sean. „Ich frage mich nur, ob unsere Drachen in der Lage sind, das Fleisch beim Zerstückeln der Beutetiere dort hinein zu legen.“

    __„Müssen es denn unbedingt die Drachen zerteilen?“, fragte Kaylek. „Ich kann mir gut vorstellen, dass das auch unsere Köche übernehmen können.“

    __„Womit wir bei der nächsten Frage wären: Wer besorgt eigentlich das Fleisch für die Jungdrachen?“, meinte Ryan. „Müssen unsere drei großen Drachen in Zukunft regelmäßig für die Jungdrachen auf die Jagd gehen oder bekommen wir das Fleisch von woanders her?“

    __„Das wären zwei große Beutetiere pro Mahlzeit bei vierzig Drachenbabys, also entsprechend weniger bei nur achtundzwanzig? Und das einmal pro Woche?“

    __„Nein, am Anfang fressen die Drachenbabys mehrmals am Tag. Mit der Zeit werden die Abstände zwischen den Mahlzeiten größer, aber die jungen Drachen fangen dann auch an, mehr pro Mahlzeit zu essen. Keine Ahnung, wie viel ein noch nicht ausgewachsener Jungdrache pro Woche braucht, unsere drei Drachen fressen inzwischen ein oder zwei Beutetiere pro Woche, aber sie sind auch schon seit zwei Jahren ausgewachsen.“

    __„Das ist eine Menge Fleisch“, meinte Kaylek. „Und wenn das alles von unseren drei großen Drachen - oder wenn Ruath demnächst ausfällt, nur noch von Carenath und Faranth - besorgt werden muss, welche Drachen kümmern sich dann um den Schutz unserer Festung?“

    __„Ich kann einmal unsere Köche und die Jäger fragen, wie viel die besorgen können“, schlug Wenser vor. „Wenn die Drachen uns Menschen hier beschützen, können wir doch vielleicht auch unseren Teil dazu beitragen, um die Drachen zu unterstützen.“

    __Das klang nach einem Plan, und nachdem die Anwesenden noch einige weitere Details besprochen hatten, beendeten sie die Besprechung.


    Später am Tag verkündeten Sean und Sorka beim Abendessen, dass die Drachenbabys in etwa zwei Wochen schlüpfen würden, und sie baten bei dieser Gelegenheit darum, dass jeder, der als Kandidat für einen Drachenpartner dabei teilnehmen wolle, in den nächsten Tagen zur Drachenhöhle kommen und von den Drachen beurteilen lassen solle, ob er als Kandidat geeignet war. Aus den geeigneten Kandidaten würden sie zusammen mit Ryan, Renna und den Anführern der Festung diejenigen auswählen, die dann am großen Tag dabei sein würden.

    __Wie erwartet war der Andrang von Personen, die sich als Kandidat anbieten wollten, sehr groß. Anders als viele Leute es allerdings erhofft hatten, ließen die Drachenpartner die potentiellen Kandidaten aber nicht in die Höhle eintreten, sondern sie hatten ihre Drachen gebeten, es sich vor der Höhle gemütlich zu machen und dort die Anwärter zu beurteilen. Tatsächlich lehnten die drei Drachen die meisten Personen einstimmig ab, aber es dauerte trotzdem nicht lange, bis die Drachenpartner genügend geeignete Kandidaten auf ihrer Liste stehen hatten.

    Anderthalb Wochen später trafen sich die neun Organisatoren der Drachenprägung erneut, um aus den immerhin rund hundert geeigneten Kandidaten diejenigen auszuwählen, die tatsächlich antreten durften. Natalon, Wenser und Kaylek achteten dabei vor Allem darauf, dass durch die mögliche Wahl der Drachen keine problematischen Lücken bei den bisherigen Beschäftigungsfeldern der Kandidaten entstehen konnten, Sean und Sorka war es wichtig, dass die Kandidaten nicht zu alt und nicht zu jung waren, und Jofri empfand es als sinnvoll, Kandidaten mit einem möglichst breitgefächerten Spektrum an unterschiedlichen Charaktereigenschaften aufzustellen - in der Hoffnung, dass dann für jeden Babydrachen zumindest ein halbwegs passender Kandidat vertreten wäre. Natürlich war es nicht leicht, diese unterschiedlichen Meinungen gleichermaßen zu berücksichtigen, aber am Ende hatten sie sich auf eine Liste von Kandidaten geeinigt.

    __Einen Tag vor dem erwarteten Termin für das Schlüpfen der Drachenbabys trafen sich Sean, Sorka und Kindan nach dem Frühstück in der Versammlungshalle mit den ausgewählten Kandidaten, um ihnen wichtige Informationen zum Ablauf an die Hand zu geben. Im Wesentlichen erzählte Sorka auf diesem Treffen, wie ihre eigene Drachenprägung vor drei Jahren abgelaufen war, und Kindan ging darauf ein, welche Maßnahmen die Organisatoren für die anstehende Drachenprägung beschlossen hatten.

    __Zum Schluss hätte eigentlich Sean die Anwesenden fragen sollen, ob sie noch fragen hätten. Statt dessen sagte er aber: „Anscheinend haben wir uns mit dem Termin für das Schlüpfen der Drachenbabys um einen Tag verrechnet. Carenath hat mir gerade mitgeteilt, dass es wohl in ein paar Stunden soweit sein muss.“

    __„Du hast recht. Faranth hat mir gerade das gleiche erzählt“, meinte Sorka, bevor sie sich an den angehenden Harfner wandte: „Kannst du kurz zur Küche gehen und dort Bescheid sagen und anschließend Jofri und die Anführer informieren?“

    __„Klar, mache ich“, antwortete Kindan und verließ die Versammlungshalle. Als er gerade bei der Küche ankam, sah er, dass Renna diese gerade verließ.

    __„Ruath hat mir mitgeteilt, dass die Drachenbaby wohl schon heute schlüpfen“, sagte sie.

    __„Dann hast du in der Küche schon Bescheid gesagt?“, fragte Kindan. „Sean und Sorka haben mich eben auf der Besprechung mit den Kandidaten darüber unterrichtet.“

    __„Ja, die Küche weiß Bescheid. Und Ryan, Wensor und mein Vater auch. Ich gehe davon aus, dass Ryan inzwischen auch schon Kaylek informiert hat.“

    __„Gut, dann muss ich wohl nur noch Jofri informieren“, meinte Kindan und machte sich anschließend direkt auf den Weg zu ihrer gemeinsamen Wohnung.


    Zwei Stunden später waren Jofri und Kindan gerade dabei, ein paar zwischen zehn und vierzehn Jahre alte Kinder im Lesen zu unterrichten als der Harfnerlehrling auf einmal bemerkte, dass die drei Drachen anfingen zu brummen. „Ich glaube, die Drachenbabys werden gleich schlüpfen“, sagte er daraufhin.

    __„Ist in Ordnung“, entschied Jofri. „Wir werden den Unterricht für heute hier beenden. Geh du schon einmal voraus zur Drachenhöhle, ich kümmere mich noch darum, dass die Kinder eine andere Aufsicht haben und komme dann nach.“

    __Also ging Kindan schon einmal ohne den Harfner los zur Drachenhöhle. Unterwegs bemerkte er, dass auch viele Kandidaten bereits unterwegs waren. Als er bei der Höhle ankam, sah er, dass Ruath und Carenath wie besprochen vor der Höhle saßen und darauf achteten, dass nur diejenigen eintraten, die tatsächlich eingeladen waren. Als Kindan die Höhle betrat, wurde er bereits von Sean und Sorka begrüßt. „Renna, Ryan und unsere Eltern kommen, sobald sie können“, berichtete Sorka.

    __„Und Jofri hat mich auch schon voraus geschickt und kommt dann nach. Was ist mit Kaylek?“

    __„Ich bin hier“, meinte der Hauptmann der Soldaten, der in diesem Moment die Höhle betrat. „Sind schon alle Kandidaten da?“

    __„Noch nicht alle, aber genügend, um den Drachen ausreichend Auswahl zu geben“, meinte Sean. „Und wie ihr seht, haben die Köche auch schon die Schalen mit dem Fleisch vorbei gebracht.“

    __Tatsächlich waren an mehreren Stellen der Höhle Tische verteilt, auf denen jeweils mehrere Schalen mit etwa faustgroßen Fleischstücken standen. Und als der Harfnerlehrling sich weiter umsah, bemerkte er, dass die meisten Eier bereits angefangen hatten, sich zu bewegen, und die ersten davon schienen auch schon Risse zu bekommen.

    __„Ich glaube, es geht los“, sagte Kaylek, der offensichtlich das gleiche bemerkt hatte.

    __Tatsächlich dauerte es gar nicht lange bis sich die Risse in den Eiern ausweiteten und schließlich das erste Drachenbaby aus dem Ei geschlüpft kam. Im ersten Moment war sich Kindan unsicher, wie er dieses kleine Wesen einsortieren sollte. „Ich dachte, die metallischen Drachen wären alle entweder golden oder bronzefarben?“, fragte er in die Runde. Dieses Drachenbaby hatte allerdings derart eindeutig eine kupferfarbene Haut, dass man gar nicht auf die Idee kommen konnte, ihn als golden oder bronzefarben zu bezeichnen.

    __Tatsächlich schien das gerade geschlüpfte Drachenbaby im ersten Moment unsicher zu sein, wo es hin laufen sollte. Aber als es Kindans Stimme hörte, drehte es sich in dessen Richtung und kam direkt auf ihn zu.

    __„Wo willst du denn hin?“, fragte der Junge den Drachen. „Da drüben sind die Kandidaten für dich, ich bin nur ein Beobachter.“ Dabei deutete er auf die Kandidaten, die einige Meter weiter standen und offensichtlich unsicher waren, wie sie reagieren sollten.

    __Aber das Drachenbaby dachte gar nicht daran, die Richtung zu ändern. Es ging noch ein paar Schritte weiter und stupste den Jungen dann mit seiner Nasenspitze an.

    __„Nun nimm schon etwas Fleisch und fang an, den Kleinen zu füttern“, meinte Kaylek. „Du siehst doch, dass er sich für dich entschieden hat.“

    __Aber Kindan hatte auch schon ohne diese Aufforderung gemerkt, wie ihm jemand per Telepathie eine Mischung von Zuneigung und Hungergefühlen spüren ließ - allerdings auf eine Art und Weise, dass er sich sicher war, nicht selber derjenige zu sein, der diese Gefühle verspürte. „Bist du das?“, fragte er den kleinen Drachen, während er sich von einem in der Nähe stehenden Tisch eine Schüssel nahm und den kleinen, kupfernen Drachen zu füttern begann. „Wie heißt du eigentlich?“, fügte er nach kurzem Zögern noch hinzu.

    __Du brauchst gar nicht laut zu reden. Ich verstehe auch deine Gedanken, antwortete sein Gesprächspartner per Telepathie. Ich heiße Lurenth und ja, ich bin der Drache, den du gerade fütterst.

    __„Und?“, fragte Sorka nach einer Weile. „Hat er gesagt, wie er heißt?“

    __„Ja, er heißt Lurenth.“

    __Wenige Sekunden später betraten Renna und Ryan zusammen mit Natalon die Drachenhöhle. „Wenser hat noch einen Patienten, aber er kommt, sobald er kann“, bemerkte letzterer. „Haben wir schon viel verpasst?“

    __„Nein, nur dass die ersten Drachen aus ihren Eiern geschlüpft sind und es auch schon ein paar Prägungen gegeben hat“, antwortete Sorka.

    __Als Kindan sich umsah, bemerkte er tatsächlich, dass inzwischen schon weitere Drachenbabys geschlüpft waren und die Kandidaten nun nicht mehr so unsicher herum standen. Zwei oder drei von ihnen fütterten gerade ihre Drachen, und die anderen versuchten, die gerade geschlüpften Wesen auf die eine oder andere Art auf sich aufmerksam zu machen.

    __„Welcher war eigentlich der erste Drache?“, erkundigte sich Renna.

    __„Das war Lurenth“, antwortete Sean seiner Schwester ohne anzudeuten, welches der geschlüpften Drachenbabys gemeint war. „Und der ist weder bronzefarben noch nichtmetallisch, also müssen wir unsere kleine Wette wohl als unentschieden werten.“

    __„Wie, ihr habt gewettet, welche Farbe mein Drache haben wird?“, mischte Kindan sich ein.

    __„Nein, nur welche Farbe der erste Drache hat, der aus den Eiern schlüpft“, meinte Renna. „Sean war sich sicher, dass das ein bronzener Drache ist, und Ryan, Sorka und ich haben auf unterschiedliche nichtmetallische Farbtöne getippt.“

    __„Also Lurenth ist eindeutig kupferfarben, und damit doch wohl ein metallischer Drache?“

    __„Auf jeden Fall ist er das“, meinte Sorka. „Und was mich angeht, ist er eindeutig männlich, also zähle ich ihn mit zu den bronzenen Drachen.“

    __Bevor irgend jemand darauf antworten konnte, betrat Jofri die Drachenhöhle. „Habe ich etwas verpasst?“, fragte er.

    __„Nicht viel. Nur dass schon einige Drachenbabys geschlüpft sind und sich ihre Partner ausgesucht haben“, antwortete Natalon in einem ironischen Tonfall.

    __Aber Kindan konnte sich an dieser Stelle nicht zurück halten. „Entschuldige bitte, aber ich denke, dass ich meine Lehre als Harfner wohl abbrechen muss“, sagte er zu seinem Lehrmeister.

    __„Wieso denn das auf einmal?“

    __„Nun ja, ich könnte mir vorstellen, dass er einfach zu viel Zeit braucht, um sich um Lurenth zu kümmern“, antwortete Ryan daraufhin.

    __Tatsächlich dauerte es nun auch nicht mehr lange, bis auch die restlichen Drachenbabys aus ihren Eiern geschlüpft waren und sich ihre Partner ausgesucht hatten. Der Plan, allen jungen Drachen menschliche Partner an die Hand zu geben indem man dafür sorgt, dass sich mehr Kandidaten als Eier in der Höhle befanden, war also tatsächlich aufgegangen.


    Nachdem die gerade geschlüpften Babydrachen nach ihrer ersten Mahlzeit eingeschlafen waren, verließen die alten und neuen Drachenpartner die Drachenhöhle um in der Versammlungshalle eine weitere Besprechung abzuhalten. Ryan, Zimmermann Natalon und Harfner Jofri begleiteten sie, und Kaylek kehrte mit den übrig gebliebenen Kandidaten auch zur Festung zurück, allerdings ohne sich in die Besprechung einzumischen.

    __„Wir haben also nun die erste große Drachenprägung hinter uns gebracht“, begann Sean die Besprechung. „Nachdem sich bisher nur einzelne Drachen menschliche Partner ausgesucht haben, haben wir dieses Mal alle Drachenbabys auf menschliche Partner geprägt. Ich finde, das ist ein gutes Zeichen.“

    __„Du redest so, als ob es bisher schon mehrmals vorgekommen ist, dass einzelne Babydrachen sich menschliche Partner ausgesucht haben“, fragte ein Drachenpartner, der erst vor gut einer Woche in der Festung angekommen war und sich gleich als erstes den großen Drachen vorgestellt hatte, um sich testen zu lassen. „Soll das heißen, dass wir hier also doch nicht in der einzigen Drachenfestung leben?“

    __„Nun, das ist hier eigentlich nicht unser Gesprächsthema“, antwortete Natalon daraufhin, „aber wenn du es genau wissen willst, ist unsere Festung hier immer noch so ziemlich einzigartig. Meines Wissens nach gibt es bisher nur zwei Festungen mit doppelten Festungsmauern, und die Burg Fort ist zwar deutlich älter, aber dort haben sie meines Wissens nach keine Drachenpartner, sondern nur wild lebende Drachen.“

    __Sorka bedankte sich für diesen Einwurf und fügte dann noch hinzu: „Tatsächlich waren Sean, Renna und ich zusammen mit unseren Drachen in den letzten zwei Jahren durchaus auch mal unterwegs, um wild lebende Drachen zu überreden, ein paar Menschen bei dem Schlüpfen ihres Nachwuchses in die Nähe der Eier zu lassen, und ein paar Leute haben es wohl auch geschafft, einen Drachen auf sich zu prägen. Aber die haben in einfachen Dörfern gewohnt, so dass dort ständig die Gefahr durch Dämonen besteht, und außerdem ist es dort eigentlich immer deutlich weiter von der Siedlung zu dem Nistplatz der Drachen. Entsprechend schlecht ist dann auch die Pflege der jungen Drachen durch ihre Partner ausgefallen, und weil sich wild lebende erwachsene Drachen in so einem Fall bevorzugt um ihre Kinder ohne menschliche Partner kümmern, hatten die auf die Menschen geprägten Drachen dort noch schlechtere Überlebenschancen als normale wild geborene Drachen - und deren Überlebenschancen sind schon nicht gerade gut.“ Sie wandte sich kurz an Sean und Renna: „Wisst ihr von irgend einem Fall, wo der Drache seine Kindheit überlebt hat?“

    __Sowohl Sean als auch Renna schüttelten den Kopf.

    __„Macht es dann überhaupt Sinn, Drachen auf sich zu prägen, wenn die dann sowieso nicht überleben?“, fragte ein Mädchen, welches erst nicht mitbekommen hatte, dass die Drachenbabys schlüpften, dann im letzten Moment doch noch zur Drachenhöhle gerannt war und tatsächlich das zuletzt geschlüpfte Drachenbaby auf sich geprägt hatte.

    __„Bei uns ist die Drachenhöhle doch gleich vor den Toren unserer Festung“, antwortete Ryan daraufhin, „und Sean, Sorka und Renna haben bereits Erfahrungen in der Pflege ihrer Drachen. Wir wollen euch in dieser Besprechung das Wissen an die Hand geben, was ihr braucht, um eure Drachen richtig zu pflegen. Unser Ziel ist es, dass wirklich alle eure Drachen auch groß und stark werden. Außerdem sollten wir bereits anfangen, für die nächste Drachenprägung zu planen.“

    __„Die nächste Drachenprägung?“, fragte irgend einer der Anwesenden. „Ruath hatte doch erst vor ein paar Wochen ihren Paarungsflug. Was wollen wir da jetzt schon planen?“

    __„Wenn es genauso läuft wie bei Faranth wird sie aber bereits in zwei Monaten zu schwer sein, um fliegen zu können“, wandte Renna ein. „Und dann müsste sie sich eigentlich in die Drachenhöhle begeben, in der sie dann bleibt, bis sie ihre Eier gelegt hat. Also müssen entweder eure Drachen in spätestens zwei Monaten da raus, oder wir brauchen für Ruath einen anderen Nistplatz.“

    __Das leuchtete allen Anwesenden ein, und eine Weile schwiegen sie einander an. Schließlich ergriff aber dann Natalon das Wort: „Ich vermute mal, dass ihr sowieso früher oder später die Höhle verlassen müsst, weil eure Drachen zu groß werden und dort nicht mehr alle rein passen. Zwei Monate sollten eigentlich ausreichen, um hier innerhalb der Festung ein paar Hütten zu bauen, in denen eure Drachen wohnen können. Vorausgesetzt natürlich, dass die mit einfachen Holzhütten zufrieden sind. Steinhäuser würden wohl länger dauern.“

    __„Also Carenath hätte nichts gegen eine Holzhütte einzuwenden“, sagte Sean nach wenigen Momenten. „Also denke ich, dass das auch für den Nachwuchs in Ordnung ist.“

    __Nachdem diese Frage also geklärt war, gingen Sean und Sorka darauf ein, welche Erfahrungen sie bei der Pflege ihrer Drachen gemacht hatten. „Ich denke, es ist am wichtigsten, dass ihr einfach für eure Drachen da seid“, meinte Sean dabei. „Füttert sie, wenn sie Hunger haben und verwendet Öl, um es in die Haut der kleinen Wesen einzumassieren, wenn diese zu jucken anfängt.“

    __„Woher sollen wir das Fleisch und das Öl nehmen?“, erkundigte sich einer der neuen Drachenpartner.

    __„Unsere Jäger werden entsprechend Fleisch für euch besorgen“, berichtete Natalon daraufhin. „Die Köche haben allerdings keine Zeit, um das regelmäßig für euch zu zerteilen. Aber sie werden euch zeigen, wie ihr das selbst erledigen könnt. Und das Öl bekommt ihr von Wenser.“

    __„Vielleicht wäre es sogar sinnvoll, wenn ihr eure Drachen gleich von Anfang an mit dem Öl behandelt, damit deren Haut gar nicht erst zu jucken anfängt“, schlug Sorka vor.

    __„Müssen wir die Drachen eigentlich auch waschen?“, fragte Kindan an dieser Stelle. „Und wenn ja, wie oft?“

    __„Also die Mutter unserer Drachen hat ihre Jungen nie mit zum Waschen genommen, und wir haben das eigentlich auch nicht gemacht“, meinte Renna daraufhin. „Aber wenn du willst, kannst du Lurenth ja fragen, ob er gewaschen werden will.“ Nach kurzem Zögern fügte sie noch hinzu: „Vielleicht würde es ihm sogar spaß machen. Wasserscheu sind zumindest Ruath, Faranth und Carenath überhaupt nicht.“

    __Damit war eigentlich das wichtigste besprochen, und weil es bereits Zeit für das Mittagessen war, beendeten die Drachenpartner ihre Besprechung und gaben die Versammlungshalle wieder für die normale Benutzung frei.


    In der nächsten Zeit kümmerte sich Kindan fast nur um seinen Drachen - oder half den anderen Drachenpartnern beim Zerlegen der Beutetiere. Tatsächlich hatte er in seiner Zeit der Wanderschaft das ein oder andere Mal beim Zerteilen von geschlachteten Tieren mitgeholfen, und dieses Wissen konnte er nun weiter geben. Lurenth machte in dieser Zeit nichts anderes als essen, schlafen und sich darüber zu beschweren, dass er Hunger hatte, wenn Kindan ihn nach dem Aufwachen nicht sofort wieder fütterte, sondern ihn erst einmal wusch und dann das Öl einmassierte. Aber diese Aktionen mussten vor dem Füttern gemacht werden, weil der Drache nach dem Essen sofort wieder einschlief. Die Zeit, in der Lurenth schief, reichte wiederum gerade einmal aus, dass Kindan die nächsten Fleischstückchen zurecht schneiden, selber etwas essen und gelegentlich auch selbst schlafen konnte.

    __Tatsächlich bemerkten seine Kameraden schon bald, dass die Haut des kupfernen Drachen ihren Glanz im Wesentlichen behielt, während die Haut der anderen bronzenen Drachen mit der Zeit durch das einmassierte Öl und durch anderen Schmutz an Glanz verlor. Weil eigentlich alle Anwesenden den Glanz des kupfernen Drachen schön fanden, gingen die meisten anderen Drachenpartner im Laufe von einigen Wochen auch dazu über, ihre Drachen zumindest einmal am Tag zu waschen.

    __Ungefähr eine Woche nach der Drachenprägung tauchten zum ersten Mal wieder Dämonen in der Gegend auf, und Kaylek forderte die Drachenpartner auf, sofort zur Drachenhöhle zu gehen und dort zu bleiben bis die Gefahr durch die Dämonen vorüber war. „Meine Kollegen in der Aussichtsstation haben die Dämonenen wie üblich schon früh entdeckt“, begründete er diese Maßnahme, „aber es kann durchaus sein, dass ihr während des Kampfes nicht von der Festung zur Drachenhöhle gehen könnt. Also solltet ihr lieber jetzt schon hin gehen.“

    __Diese Vorsichtsmaßnahme mussten sie später noch an zwei weiteren Tagen wiederholen, bis die Jungdrachen vier Wochen nach dem Schlüpfen groß genug waren, um kleinere Beutetiere am Stück zu verspeisen, und für den Fall von größeren Beutetieren mussten die Fleischstücke nun auch nicht mehr ganz so klein wie am Anfang sein.

    __Das führte dazu, dass die menschlichen Partner der Jungdrachen bereits etwas Zeit zur Verfügung hatten, in der sie sich nicht um ihre Drachen kümmern mussten. Allerdings waren diese Pausen zu unregelmäßig als dass es sich für die Partner der großen Drachen oder für die Anführer der Festung gelohnt hätte, den noch unerfahrenen Drachenpartnern in dieser Zeit weitere benötigte Fähigkeiten zu vermitteln. Statt dessen konnten Kindan und seine Kameraden die Zeit verwenden, um sich miteinander anzufreunden, gemeinsamen Interessen nachzugehen - zumindest solange diese jederzeit für die Pflege der Drachen unterbrochen werden konnten - oder einfach nur zu faulenzen. Kindan verwendete diese Zeit zum Teil für die Pflege von alten und neuen Freundschaften und zum anderen Teil für sein Interesse an der Musik - wobei er schnell merkte, dass einige seiner Kameraden ebenfalls gerne sangen, so dass er beides sogar mit einander kombinieren konnte. in den folgenden zwei Wochen mussten sie dreimal jeweils für eine längere Zeit zur Drachenhöhle gehen weil die Söldner in der Aussichtsstation wieder einmal Anzeichen von Dämonen bemerkt hatten, und dort vertrieben sie sich nun die Zeit, indem sie sich nicht nur um ihre Drachen kümmerten, sondern zwischendurch auch ausgiebig miteinander sangen.

  • Drachenreiter

    – Teil 3 –


    Sechs Wochen nach der Drachenprägung wurde Natalon schließlich mit dem Bau der für die Drachen gedachten Hütten fertig. Tatsächlich bestanden diese zum großen Teil aus mehreren nebeneinander liegenden Zwei-Zimmer-Wohnungen, von denen das von der Eingangstür aus gesehen erste Zimmer für jeweils einen Drachen und das zweite Zimmer für den jeweiligen Drachenpartner gedacht war. Eine der Hütten hatte allerdings einen anderen Grundriss. In deren Mitte befand sich ein etwas größerer Raum, den Natalon mit Tischen und Stühlen ausgestattet hatte. Dieser Raum war deutlich kleiner als die Versammlungshalle in den Steinhäusern, aber dennoch ausreichend groß, dass sich die derzeit in der Festung lebenden Drachenpartner dort zu gemeinsamen Besprechungen versammeln konnten. Links und rechts dieses Besprechungsraumes befanden sich einmal zwei und einmal drei Drachenwohnungen, und tatsächlich zogen Sorka, Sean und Renna mit ihren Drachen in die drei nebeneinander liegenden Wohnungen dieser Hütte ein.

    __Kindan bekam die direkt auf der anderen Seite neben dem Besprechungsraum gelegene Wohnung, und in die fünfte Wohnung der Hütte zog genau jenes Mädchen ein, welches zu dem Schlüpfen der Drachenbabys fast schon zu spät gekommen war, aber dann doch den letzten Drachen auf sich geprägt hatte. Tatsächlich hatte der Junge sie bisher nur flüchtig kennen gelernt, aber im Zuge des Umzugs verwickelten sie sich mit einander in ein Gespräch und lernten einander so schon etwas besser kennen.

    __Das Mädchen hieß Lorana und war gerade einmal einen Monat jünger als ihr neuer Nachbar. Eigentlich kam sie von der Burg Fort, aber ihre Eltern hatten sie für ein paar Jahre zu der Drachenfestung geschickt, weil sie der Meinung waren, dass ihre Tochter vielleicht durch das Leben in einer anderen Festung wertvolle Erfahrungen fürs Leben sammeln konnte. Ihr Drache war ein männlicher, nichtmetallisch blauer Drache und hieß Arith.

    __Für den Nachmittag an dem Tag des Umzugs hatten Sorka, Sean und die Anführer der Festung eine Besprechung angesetzt, und so begannen die Drachenpartner, sich zwei Stunden nach ihrem Umzug in die neuen Wohnungen in den mit Tischen und Stühlen versehenen Raum neben Kindans neuer Wohnung zu begeben.

    __„Wie ihr bereits gesehen habt, haben wir nicht nur für eure Drachen, sondern auch für euch neue Wohnungen gebaut“, begann Natalon die Besprechung nachdem alle alten und neuen Drachenpartner, aber auch die drei Anführer und Ryan und Jofri an den Tischen Platz genommen hatten. „Ihr wohnt also ab sofort direkt im Zimmer neben euren Drachen, und entsprechend werden sich auch die Wege verkürzen, die ihr zur Pflege derselben zurück legen müsst. Dadurch werdet ihr ab morgen deutlich mehr Zeit für andere Dinge als die Pflege eurer Drachen zur Verfügung haben als bis heute Morgen, und in ein, zwei Wochen wird noch einmal etwas mehr Zeit frei werden, weil eure Drachen bis dahin lernen sollten, die Beutetiere selbst in entsprechend große Stücke zu zerreißen. Wir - dass heißt, die Reiter der drei großen Drachen und die Anführer der Festung - haben gemeinsam entschieden, dass wir diese nun zur Verfügung stehende Zeit nutzen, um euch Wissen und Fähigkeiten beizubringen, die ihr in eurer Karriere als Drachenpartner wahrscheinlich benötigen werdet.“

    __Auf ein Zeichen von ihm ergriff Wenser das Wort: „Für den Anfang wird Ryan euch den korrekten Umgang mit Tieren beibringen. Das klingt zwar im ersten Moment vielleicht so, als ob das für Drachenpartner nicht so wichtig ist, aber wir sind der Meinung, dass ihr aufgrund der Tatsache, dass viele Tiere instinktiv Angst vor Drachen verspüren, durchaus wissen solltet, wie diese normalerweise reagieren, denn nur so könnt ihr später mäßigend auf eure Drachen einwirken, so dass die Drachen fremde Tiere nicht ganz so stark belasten. Ein Teil dieses Trainings wird von der korrekten Behandlung von Verletzungen bei den Tieren handeln. Diesen Teil werden Ryan und ich gemeinsam übernehmen.“

    __„Wenn Sie von Verletzungen bei Tieren reden“, unterbrach ihn einer der unerfahrenen Drachenpartner, „wie sieht es bei Verletzungen bei Menschen aus? Werden Sie uns darüber auch etwas erzählen?“

    __„Das kann ich gerne machen, wenn ihr wollt. Aber euch sollte klar sein, dass ich euch nicht alle Fähigkeiten eines Heilers beibringen kann. Das würde einfach viel zu lange dauern. Aber so etwas wie ein Lehrgang, was ihr machen könnt, wenn ihr bei einem Verletzten für die erste behelfsmäßige Hilfe sorgen müsst, können wir auf jeden Fall mit in unser Programm aufnehmen.“

    __„Also so eine Art Erste-Hilfe-Kurs?“, meinte Ryan. „Klingt irgendwie gut. Den Begriff sollten wir uns merken.“ Anschließend wandte er sich erneut an die versammelten Drachenpartner: „Damit ihr nicht sämtliche freie Zeit für das Lernen opfern müsst, werden wir den Unterricht jeweils spätestens zur üblichen Abendessenszeit beenden. Den Abend habt ihr also zur freien Verfügung - zumindest sofern ihr euch da nicht um eure Drachen kümmern müsst.“ Er schwieg kurz und fragte dann: „Gibt es Fragen?“

    __„Ja“, meinte Lorana. „Welche Themen werden nach dem Umgang mit den Tieren dran kommen?“

    __„Was das angeht“, antwortete Kaylek, „haben wir uns noch nicht festgelegt. Natürlich werden wir euch irgendwann in den Gebrauch von Waffen einweisen müssen - denn die werdet ihr sicher gebrauchen können, wenn eure Drachen uns bei dem Kampf gegen die Dämonen unterstützen. Und sobald eure Drachen groß genug sind, wäre auch ein Kampftraining für sie angebracht - aber bis dahin dauert es noch. Ansonsten kann es vielleicht nicht schaden, wenn wir eure Kenntnisse über die Geographie des Drachenlandes etwas auffrischen und so weiter. Ich bin mir aber sicher, dass wir uns rechtzeitig auf das nächste Thema festlegen werden.“

    __„Was das Auffrischen der Kenntnisse über die Geografie des Drachenlandes angeht“, ergriff Kindan das Wort, „so wäre ich durchaus bereit, mich an den Abenden ab und zu mit allen zu treffen, die gerade Lust dazu haben und mit ihnen zusammen die üblichen Lieder und Balladen zu singen, die von den unterschiedlichen Gegenden des Drachenlandes oder so handeln. Zur Abwechslung könnten wir natürlich auch welche über Drachen oder Dämonen mit einstreuen oder versuchen, unsere eigenen Erlebnisse für die Nachwelt in Liedern festzuhalten.“

    __„Das ist eine sehr gute Idee“, stimmte Jofri dem zu. „Wenn ihr wollt, könnte ich ab und zu bei euch vorbei schauen - zumindest an den Abenden, an denen ich nicht in der Versammlungshalle für die Unterhaltung sorgen muss.“


    In den folgenden Wochen waren Kindan und seine Kameraden also mit dem Erlernen des Wissens über den richtige Umgang von Tieren und die Behandlung ihrer Verletzungen beschäftigt. An den Abenden traf sich der Harfner-Drachenpartner oft mit anderen Drachenpartnern, um mit ihnen gemeinsam zu singen, und irgendwie entwickelten sich diese Abende zu einem ungezwungenen Beisammensein, bei dem zwar viel gesungen wurde, die Teilnehmer sich aber auch mit einander unterhielten, Gesellschaftsspiele spielten oder anderen Interessen nachgingen. Auf diese Weise empfand eigentlich niemand diese Abende als Unterricht, aber durch das Singen der Lieder wurde das darin vorkommende Wissen dennoch vermittelt, wiederholt und teilweise auch dadurch vertieft, dass die Drachenreiter anfingen, sich über den Inhalt der Lieder zu unterhalten und sich weitergehende Gedanken zu machen.

    __Nachdem der Lehrgang im Umgang mit den Tieren und der Behandlung ihrer Verletzungen vorbei war, bot Wenser den interessierten Drachenpartnern wie versprochen einen Lehrgang über sinnvolle Erste-Hilfe-Maßnahmen bei verletzten Menschen an, und danach übernahm Kaylek die Ausbildung, um ihnen den Umgang mit Pfeil und Bogen beizubringen. „Wenn ihr euch genauso an dem Kampf gegen die Dämonen beteiligt wie Sean, Sorka und Renna, werdet ihr meistens innerhalb der Festungsmauern bleiben und die Dämonen bestenfalls von der äußeren Festungsmauer aus angreifen, während eure Drachen sie mit ihren Klauen, ihren Zähnen und ihrem Schwanz bekämpfen“, erklärte er seine Entscheidung. „Manchmal fallen die Dämonen zwar allein schon deshalb in Ohnmacht, dass einer unserer Drachen auftaucht, aber das passiert nur selten und zu unregelmäßig, als dass wir uns darauf verlassen könnten. Aber die Kampftechniken der Drachen sind heute nicht unser Thema.“ Er schwieg einen Moment und fuhr dann fort: „Weil ein Ziel mit Pfeil und Bogen leichter zu treffen ist als mit einer Schleuder ...“

    __Aber an dieser Stelle wurde er unterbrochen. „Greifen die Drachen die Dämonen nicht mit Feuer an?“, erkundigte sich Lorana.

    __„Ja, wild lebende Drachen machen das“, antwortete Kaylek. „Und es wäre auch deutlich effektiver als die Dämonen mit den Klauen und den Zähnen anzugreifen. Aber leider haben sich Ruath, Carenath und Faranth beim Heranwachsen von ihren Eltern entfremdet, und deshalb hatten unsere drei großen Drachen keine Gelegenheit, um zu erfahren, mit welchem Trick die wild lebenden Drachen Feuer speien können.“

    __„Vielleicht sollten wir einmal Jofri fragen, ob ihm da zufällig etwas einfällt“, mischte sich Kindan an dieser Stelle ein. „Es gibt ja viele Lieder, auch solche, in denen erzählt wird, wie sich wilde Drachen an dem Kampf gegen die Dämonen beteiligen.“

    __„Wenn er Lieder kennen würde, die uns sagen können, wie Drachen Feuer speien können, hätte er uns mit Sicherheit schon längst darüber berichtet“, widersprach Kaylek. „Immerhin beteiligen sich unsere großen Drachen nicht erst seit gestern beim Kampf gegen die Dämonen, und Jofri weiß, dass unsere Drachen kein Feuer speien können.“

    __„Nun, ich meinte ja auch nicht unbedingt Lieder, die direkt erzählen, wie Drachen ihr Feuer erzeugen können. Aber vielleicht hat ja irgendwann mal jemand beobachtet, wie Drachen vor dem Feuer speien irgend etwas bestimmtes gemacht haben und dann darüber ein Lied geschrieben. Der Komponist muss ja vielleicht nicht auf die Idee gekommen sein, dass da ein Zusammenhang besteht.“

    __„Also so etwas wie zum Beispiel die Beobachtung, dass die wild lebenden Drachen vor oder während des Kampfes gegen die Dämonen angefangen haben, die steinerne Festungsmauer der Burg Fort zu fressen?“, erkundigte sich Lorana.

    __„Was das angeht, brauchst du dir keine Sorgen zu machen“, wiegelte der Söldner ab. „Bevor wir angefangen haben, unsere Mauer zu bauen, hatten wir zwei Steinhaufen mit unterschiedlichen Steinsorten, und die wild lebenden Drachen haben nur von einem der beiden gefressen. Unsere Steinmauer haben wir dann aus der anderen Sorte von Steinen gebaut. Und unsere drei großen Drachen fressen soweit ich weiß gar keine Steine.“

    __Damit war die Frage, wie Drachen wohl Feuer speien konnten, erst einmal beiseite geschoben, und die versammelten Drachenpartner fingen an, den Umgang mit Pfeil und Bogen zu erlernen.


    Als Kindan nach dem Training zusammen mit Lorana für das Abendessen die Versammlungshalle betrat, sah er Renna alleine an einem der Tische sitzen, und er entschied sich spontan, seine Kameradin genau dort hin zu führen. Als er bei dem Tisch angekommen war, fragte er: „Sind diese Plätze noch frei?“ Dabei deutete er auf zwei der unbenutzten Stühle.

    __„Aber sicher doch. Setzt euch“, antwortete Renna. „Wie läuft euer Training?“

    __„Ganz gut, soweit. Wir haben heute begonnen, den Umgang mit Pfeil und Bogen zu erlernen.“

    __„Ja, damit hat Kaylek auch bei uns das Training begonnen.“

    __„Ich weiß nicht, ob du heute schon mit ihm gesprochen hast und falls ja, ob er davon berichtet hat“, kam Kindan nun zur Sache, „aber er hat am Anfang angedeutet, dass Rath, Carenath und Faranth kein Feuer speien können.“

    __„Nein, ich habe heute nicht mit ihm gesprochen. Wieso sollte er mir auch davon erzählen?“

    __„Weil wir kurz etwas vom Thema abgekommen sind“, antwortete Lorana. „Kindan hat vorgeschlagen, den Harfner nach Liedern zu fragen, in denen Feuer speiende Drachen vorkommen und in denen vielleicht sogar erwähnt wird, was die davor gemacht haben.“

    __„Jofri kennt unser Problem, und wenn es in den Liedern eine Antwort geben würde, hätte er sie mit Sicherheit schon gefunden.“

    __„Ja, das hat Kaylek auch gesagt“, bestätigte Kindan. „Aber in diesem Zusammenhang ist Lorana etwas eingefallen, worüber wahrscheinlich noch keine Lieder existieren. Die Drachen bei der Burg Fort haben angefangen, die Stadtmauern zu fressen.“

    __„Ja, davon haben wir gehört. Aber was hat das mit dem Feuerspeien zu - Oh, ich sehe“, meinte Renna. „Ihr meint, dass die Drachen eine bestimmte Sorte Stein fressen müssen, um damit Feuer zu erzeugen?“

    __„Wir könnten das zumindest einmal ausprobieren“, meinte Kindan. „Aber vielleicht nur, wenn Sorka, Sean und du das noch nicht gemacht habt.“

    __„Ehrlich gesagt, sind wir bis jetzt noch gar nicht auf die Idee dazu gekommen.“ Die Partnerin des schwangeren Drachen schwieg einen Moment, fügte dann aber noch hinzu: „Ich denke, es ist am besten, wenn ich Sean und Sorka bitte, das für euch auszuprobieren. Eure Drachen sind noch zu jung dafür - als Ruath so alt war wie die beiden jetzt, haben ihre wild lebenden Geschwister auch noch in der Drachenhöhle gelebt. Der einzige überlebende wild lebende Bruder unserer Drachen hat die erst verlassen, als er schon fast ausgewachsen war, und bis dahin hat er garantiert keine Steine gefressen. Und Ruath möchte ich das Experiment im Moment auch nicht antun. Sie ist ja zur Zeit in der Drachenhöhle und wartet darauf, dass sie ihre Eier legen kann.“

    __„Ach wirklich?“, meinte Lorana. „Davon hatte ich ja gar nichts mit bekommen.“

    __„Natürlich nicht“, bemerkte Kindan. „Wir waren die letzten Wochen fast immer nur mit der Pflege unserer Drachen und dem Training beschäftigt. Und an den Abenden haben wir es uns bei den Liederabenden gemütlich gemacht und gar nicht danach gefragt, ob Ruath schon so weit ist. Aber ehrlich gesagt hätte es mich von der Zeit her gewundert, wenn sie noch nicht in der Höhle gewesen wäre.“

    __Kurz darauf kamen Ryan und wenig später auch Sean und Sorka in die Versammlungshalle und setzten sich mit an den Tisch. Renna, Kindan und Lorana berichteten, was sie eben gerade besprochen hatten und die Partner von Faranth und Carenath ließen ihre Drachen per Telepathie an dem Gespräch teilnehmen. Allerdings wurde den versammelten Drachenpartnern und ihren Drachen schnell klar, dass sie das Experiment nur dann umsetzen konnten, wenn sie das passende Gestein dafür auftreiben konnten.

    __„Aber ihr könnt das trotzdem uns überlassen“, meinte Sean. „Wir werden Dalor fragen, ob davon noch was übrig ist, und wenn nicht, weiß Toldur mit Sicherheit, wo wir solche Steine her bekommen können.“ Dalor war Steinmetz und Toldur hatte sich auf Bergbau spezialisiert, und gemeinsam hatten sie vor drei Jahren den Bau der steinernen Festungsmauern geleitet.

    __Tatsächlich war von dem ursprünglichen Steinhaufen sogar noch ein Rest vorhanden, von dem sich die wild lebenden Drachen seit dem Bau der Festungsmauern nicht mehr bedient hatten - denn Natalon und Dalor hatten den Verlauf der Mauern so großzügig angelegt, dass sie den Steinhaufen mit umschlossen, und die wild lebenden Drachen hatten sich dann wohl doch nicht in die Festung hinein gewagt. Von den Experimenten, die Carenath und Lorana mit den Steinen anstellten, bekamen Kindan und Lorana kaum etwas mit, weil sie mit ihren eigenen Aufgaben zu sehr beschäftigt waren. Ein paar Tage nach ihrem Gespräch beim Abendessen, kamen Sean und Sorka jedenfalls zu einem der Liederabende.

    __„Euer Gedanke war goldrichtig“, sagte Sorka voller Stolz zu Lorana und Kindan nachdem sie die bereits versammelten Drachenpartner begrüßt hatte. „Unsere Drachen haben es wirklich geschafft, nach dem Verzehr der Feuersteine Feuer zu spucken, und seit gestern experimentieren wir, wie viele Steine wir unseren Drachen dafür geben müssen.“

    __Und Sean fügte hinzu: „In den nächsten Tagen müssen wir erst einmal herausfinden, wie präzise unsere Drachen mit ihrem Feuer umgehen können, und dann sollten wir irgendwann auch anfangen, das Feuer auch im Training mit den Söldnern einzusetzen. Es macht ja keinen Sinn, wenn Carenath und Faranth im Ernstfall mit dem Feuer aus Versehen die Söldner treffen.“

    __„Auf jeden Fall hat Toldur uns versprochen, demnächst wieder Feuersteine abzubauen und so dafür zu sorgen, dass wir immer genügend Material für das Drachenfeuer haben“, ergänzte Sorka.

    __Natürlich ging die Ausbildung der Drachenpartner auch nach diesen Erkenntnissen ganz normal weiter. Kaylek kümmerte sich zwar nicht immer selbst darum, das Training im Umgang mit Pfeil und Bogen zu beaufsichtigen, aber wenn er sich gerade um andere Aufgaben kümmern musste, wählte er in der Regel einen anderen Soldaten aus, der sich um die Ausbildung kümmerte. Nur dann, wenn die Soldaten wegen Dämonen ausrücken mussten, mussten Kindan und seine Kameraden ohne eine Aufsicht klar kommen.


    Eine Woche später kam Kaylek in Begleitung eines der Jäger zu dem Training. Als sich ein großer Teil der Drachenpartner versammelt hatte, ergriff der Söldner das Wort: „Ich denke, dass ihr - trotz der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Zeit, weil ihr euch ja auch um eure Drachen kümmern müsst - inzwischen schon gut mit Pfeil und Bogen umgehen könnt. Als nächstes werden wir versuchen, ob ihr auch bewegliche Ziele treffen könnt. Aber gleichzeitig werden wir auch schon dazu übergehen, euch in den Gebrauch der nächsten Waffe einzuweisen. Normalerweise würde ich einem Söldner, der gut mit Pfeil und Bogen umgehen kann, als nächstes für den Nahkampf den Umgang mit de Schwert zeigen, aber das entsprechende Level im Umgang mit Pfeil und Bogen habt ihr noch nicht erreicht. Außerdem benötigt das Training mit dem Schwert viel Zeit, die ihr derzeit nicht zur Verfügung habt. Also werdet ihr den Umgang mit eurer zweiten Waffe von den Jägern erlernen.“

    __„Wir Jäger verwenden neben Pfeil und Bogen auch die Schleuder und die Bola“, ergriff der Jäger daraufhin das Wort. „Von diesen ist die Bola für einen Kampf ungeeignet, weil ihr sie nach jedem Wurf wieder einsammeln müsst. Aber die Schleuder wäre eine gute Ergänzung für euer Training. Wie ihr sicher mitbekommen habt, ist ein Bogen sperrig, und ihr müsst vorsichtig damit umgehen, damit der nicht kaputt geht.“

    __„Ja, Kaylek hat uns darauf hin gewiesen, dass wir extreme Temperaturschwankungen bei dem Bogen vermeiden sollen, weil der empfindlich darauf reagiert“, merkte Lorana an.

    __„Genau so ist es“, erklärte der Jäger. Eine Schleuder ist viel einfacher aufgebaut und deutlich unempfindlicher, weshalb sie für Reisen vielleicht etwas besser geeignet ist als Pfeil und Bogen. Aber man braucht Platz um die Schleuder benutzen zu können, und man muss auch damit umgehen können, denn sonst fliegt das Geschoss in eine ungewollte Richtung. Daher werde ich immer nur eine Handvoll von euch gleichzeitig trainieren, die anderen können in der Zeit weiter den Umgang mit Pfeil und Bogen trainieren.“

    __„Ich denke, es macht am meisten Sinn, wenn du heute mit denjenigen beginnst, die beim Umgang mit dem Bogen am sichersten sind“, wandte sich Kaylek nun an den Jäger und nannte fünf Drachenpartner, die er für geeignet hielt. Kindan war erstaunt, als er hörte, dass sowohl Lorana als auch er selbst zu diesen fünf Personen gehörten, die nach Kayleks Aussage sicher genug mit Pfeil und Bogen umgehen konnten, um gleich als erstes den Umgang mit der Schleuder zu erlernen.

    __Der Jäger war mit dieser Zuteilung einverstanden und führte seine Schüler als erstes etwas von den anderen Drachenpartnern fort. Schließlich blieb er stehen und gab dann jedem Drachenpartner eine Schleuder und einige Steine, die vom Durchmesser etwa der Dicke eines Daumens entsprachen.

    __„Ist das hier wirklich der geeignete Ort zum trainieren?“, fragte Kindan. „Von hier aus könnten fehlgeleitete Geschosse doch so ziemlich jeden unserer Kameraden treffen.“

    __„Wenn wir heute die Langschleuder einsetzen würden, hättest du vielleicht recht damit“, merkte der Jäger an, „aber ich habe euch Kurzschleudern gegeben, mit denen normalerweise auch Anfänger gut zurecht kommen.“ Anschließend ging er direkt zum Unterricht über: „Wie ihr sehen könnt, ist eine Schleuder nichts anderes als ein kurzer Lederriemen mit jeweils einer Schnur an den beiden Enden. Tatsächlich gibt es zwei verschiedene Arten von Schleudern: Die einen haben vergleichsweise lange Schnüre und die anderen vergleichsweise kurze. Die Langschleuder - das ist die mit den langen Schnüren - hat eine höhere Reichweite als die Kurzschleuder, ist aber auch etwas komplizierter einzusetzen und erfordert deutlich mehr Training, um damit umgehen zu können. Ich denke, ich sollte euch das jetzt erst einmal demonstrieren. Zuerst die Kurzschleuder.“ Der Jäger nahm einen Stein, legte ihn in den Lederriemen einer Kurzschleuder, ergriff dann mit einer Hand die beiden Enden der Schnüre und schwang den Arm, um dem Stein in der Schleuder ordentlich Schwung zu geben, und ließ dann im passenden Moment eine der beiden Schnüre los - woraufhin der Stein in einem hohen Bogen davon flog. „Ihr könnt euch die Kurzschleuder als eine Verlängerung eures Arms vorstellen, ihr macht also stark vereinfacht gesagt nichts anderes, als einen Stein zu werfen. Bei der Langschleuder ist das im Prinzip das gleiche, nur dass die Schnüre hier so lang sind, dass sich der Stein mit einer einfachen Armbewegung nicht wirklich wegschleudern lässt. Ihr müsst da also zuerst dafür sorgen, dass die Schnüre stramm sind.“ Er legte einen anderen Stein in den Lederriemen einer Langschleuder, ließ den Stein dann einmal kreisen und ging dann direkt zu der auch schon bei der Kurzschleuder verwendeten Schleuderbewegung über. „Bevor wir aber eine Schleuder einsetzen, möchte ich erst einmal sehen, wie ihr einen Stein werft.“

    __Kindan, Lorana und die anderen drei Schüler warfen jeweils einen Stein vom Jäger angedeutete Richtung.

    __„In Ordnung. Kindan, du kannst ruhig stärker ausholen. Wenn du versuchst, einen Stein so zu schleudern, wie du den eben aus der Hand heraus geworfen hast, wird das nichts. Du hingegen“ - er sich an einen anderen Drachenpartner - „hast beim Werfen in eine eher ungünstige Richtung ausgeholt. Versuche, weniger zur Seite als mehr senkrecht auszuholen. Auf die Weise ist es leichter die Richtung, in der der Stein fliegt, zu kontrollieren.“

    __Der Jäger ließ die fünf Drachenreiter ihre Wurfversuche noch ein paar Mal wiederholen, bevor er ihnen zeigte, wie sie die Kurzschleuder anfassen sollten und sie dann zu den ersten Schleuderversuchen aufforderte. Tatsächlich ging das Schleudern mit diesen Vorübungen bereits erstaunlich gut - wenn man einmal von der fehlenden Treffsicherheit absah.

    __An den nächsten Tagen wählte Kaylek für den Jäger andere Personen aus, so dass Kindans Gruppe erst sechs Tage später wieder mit dem Training im Umgang mit der Schleuder an der Reihe war.


    Ein paar Tage später setzte Sorka für die Partner der jüngeren Drachen statt dem normalen Training eine Besprechung an. Tatsächlich waren die jungen Drachen inzwischen schon ordentlich gewachsen, und in den letzten Tagen waren sie dazu über gegangen, nur noch morgens und abends jeweils eine verglichen mit den Portionen zuvor nun schon entsprechend größere Mahlzeit zu fressen.

    __„Guten Morgen“, begrüßte Sorka die versammelten Drachenpartner, nachdem alle im Besprechungsraum eingetroffen waren. „Ich habe die Besprechung heute angesetzt, um mit euch zu besprechen, welches Training eure Drachen demnächst bekommen werden.“

    __„Sind die denn schon so weit?“, fragte eine der Drachenpartnerinnen, mit der Kindan bisher nicht viel zu tun gehabt hatte. „Ich dachte, die Drachen machen nichts anderes als zu fressen und zu schlafen.“

    __„Also ich habe durchaus den Eindruck, als ob Lurenth nicht mehr so viel schläft“, widersprach Kindan. „In den letzten Tagen hat er sich zumindest manchmal per Telepathie gemeldet - nicht nur, wenn er Hunger hatte, sondern manchmal auch einfach nur, weil er sich mit mir unterhalten oder irgend etwas kommentieren wollte. Gestern hat er zum Beispiel versucht, mich zu trösten, nachdem er mitbekommen hat, dass ich bewegliche Ziele mit Pfeil und Bogen noch nicht wirklich zuverlässig treffe.“

    __„Ach, und wie hat er das mitbekommen?“, fragte das Mädchen ganz so, als ob sie am Wahrheitsgehalt von Kindans Aussage zweifelte.

    __„Ich gehe davon aus, dass er meine Gedanken mitbekommen hat.“

    __„Ich denke, dass Lurenth auf jeden Fall schon bald für sein eigenes Training bereit ist“, mischte sich Sean in das Gespräch ein. „Wir haben bei Carenath, Faranth und Ruath nämlich die Beobachtung gemacht, dass es von dem Zeitpunkt, an dem sie nicht mehr nur essen und schlafen, nicht mehr lange dauert, bis ihre Flügel kräftig genug sind, um den Drachen zu tragen.“

    __„Heißt dass, dass unsere Drachen bald ihre Nahrung selbst jagen und wir sie dann nicht mehr füttern müssen?“, fragte Lorana.

    __„Nein, bis dahin dauert es dann doch noch. Erst einmal müssen die Drachen fliegen lernen, und in den ersten Wochen solltet ihr sie dabei beobachten, um ihnen helfen zu können, wenn sie doch einmal abstürzen sollten. Und dann müssen sie noch lernen, wie sie ihre Beutetiere finden und erledigen können. Euer Training mit den Waffen könnt ihr in der Zeit gerne etwas abkürzen - oder vielleicht auch entsprechend etwas später hin gehen, wenn ihr das Flugtraining gleich als erstes machen wollt.“

    __„Den richtigen Zeitpunkt für das Fliegen lernen möchten wir euren Drachen aber nicht vorschreiben“, fügte Sorka noch hinzu. „Wann wir damit anfangen können, ist von der Entwicklung eurer Drachen abhängig. Ich würde vorschlagen, ihr fragt die einfach, und wenn sie Lust haben, können wir es einmal ausprobieren.“

    __Ich habe schon darauf gewartet, dass es endlich damit los geht, meldete sich Lurenth per Telepathie.

    __Aber bevor Kindan das an die erfahreneren Drachenpartner weitergeben konnte, ergriff Lorana das Wort. „Arith meint, dass er gerne damit anfangen will“, meinte sie, fügte dann aber nach kurzem Zögern noch hinzu: „Entschuldigung, falls das jetzt etwas zu schnell ging, aber genau wie bei Kindan und Lurenth scheint sie in den letzten Tagen manchmal meine Gedanken mitzubekommen.“

    __„Aber das macht doch nichts“, meinte Sorka. „Also ist Arith der erste Drache für das Flugtraining.“

    __„Lurenth meint, dass er auch teilnehmen möchte“, fügte Kindan hinzu.

    __„Gut, dann fangen wir mit den beiden an. Falls sich sonst keine Drachen von sich aus gemeldet haben, könnt ihr sie in den nächsten Tagen beobachten und wenn ihr merkt, dass sie nicht mehr nur essen und schlafen fragen, ob sie sich für den Flugunterricht bereit fühlen.“

    __„Wenn ihr beiden dann eure Drachen holt, können wir eigentlich gleich mit dem Unterricht anfangen“, sagte Sean. „Und die anderen können wie gewohnt zum Training mit Pfeil und Bogen oder mit der Schleuder gehen.“

    __Nachdem Kindan und Lorana ihre Drachen aus ihren Wohnungen geholt hatten, sahen sich die erfahreneren Drachenpartner direkt vor der Hütte als erstes deren Flügel an. „Die sehen auf jeden Fall schon kräftig genug aus“, meinte Sean und trat dann einen Schritt zurück. „Als erstes solltet ihr eure Drachen bitten, ein paar Mal kräftig mit den Flügeln zu schlagen, um zu sehen, ob sie so schon vom Boden abheben können.“

    __„Aber achtet darauf, dass sie nicht zu hoch fliegen. Sagt ihnen, einfach, dass sie einen kurzen Moment in der Luft schweben und dann wieder aufsetzen sollen.“

    __Wie erwartet schafften es beide Drachen, diese Aufgabe zu bewältigen.

    __„Sehr gut“, meinte Sean. „Wenn ihr wollt könnt ihr das noch ein paar Mal wiederholen, aber nicht zu oft. Wir wollen eure Drachen nicht zu sehr überanstrengen. Statt dessen solltet ihr die Übung in den nächsten Tagen täglich wiederholen, und in einer Woche oder so werden wir anfangen, eure Drachen etwas höher steigen zu lassen und irgendwann dann auch die Flugzeit zu steigern. Aber das sagen wir euch dann noch.“

    __„Und wenn ihr hier fertig seid, könnt ihr zu Kaylek zum Training mit den Waffen gehen“, fügte Sorka noch hinzu.

    __In den folgenden Monaten ließen die beiden Drachenpartner also gleich nach dem Frühstück ihre Drachen ein paar Mal schweben und dann wieder aufsetzen. Mit der Zeit begannen auch die anderen Kameraden nach und nach mit dem Flugtraining.

  • Drachenreiter

    – Teil 4 –


    Einen halben Monat später waren Lurenth, Arith, Lorana und Kindan gerade beim Flugtraining, und Sean sah ihnen dabei zu um zu beurteilen, ob die beiden Drachen wieder einmal ein kleines Stück höher fliegen durften, als Renna auf einmal ganz aufgeregt angerannt kam. „Ruath hat endlich angefangen, ihre Eier zu legen!“, verkündete sie.

    __„Glückwunsch!“, meinte Sean. „Kannst du schon sagen, wie viele das werden?“

    __„Nein, dafür ist es noch zu früh. Sie hat doch gerade erst angefangen. Ich habe allerdings den Eindruck, als ob sie sich pro Ei mehr Zeit lässt als Faranth bei ihren Eiern. Keine Ahnung, ob das etwas bedeutet.“

    __„Stimmt das auch wirklich mit dem Eierlegen?“, mischte sich Lorana nun in das Gespräch ein. „Ich höre zumindest nicht, dass unsere Drachen brummen würden. Und Carenath und Ruath haben doch gebrummt als Faranth ihre Eier gelegt hat?“

    __„Also, Carenath brummt auch nicht“, meinte Sean. „Aber wenn Renna sagt, dass Ruath mit dem Eierlegen angefangen hat, dann glaube ich ihr auch. Mit so etwas macht sie keine Scherze.“

    __„Kann es sein, dass unsere Drachen einfach nur nicht mit bekommen haben, dass Ruath mit dem Eierlegen angefangen hat“, mutmaßte Kindan.

    __Natürlich habe ich das mitbekommen, meldete sich nun Lurenth per Telepathie.

    __Kindan sah seinen Drachen verwundert an. Und warum brummst du dann nicht?, fragte er in seinen Gedanken.

    __Wieso sollte ich das tun, wenn irgend ein nichtmetallischer Drache Eier legt? So etwas kommt doch häufiger mal vor.

    __„Also Lurenth hat durchaus mitbekommen, dass Ruath angefangen hat, die Eier zu legen“, fasste der Drachenpartner für die anderen das Gespräch zusammen, „aber er meint, dass er trotzdem nicht brummen muss, weil so etwas wohl häufiger mal vorkommt.“

    __„Und warum hat Carenath dann ...?“, begann Lorana zu fragen, brach dann aber ab, und ihre Augen verloren kurz die Fokussierung. Nach kurzem Schweigen fügte sie aber dann hinzu: „Ach so, ich verstehe. Er hat damals gebrummt, weil die Eier von goldenen Drachen etwas besonderes sind.“

    __„Ja, Carenath meint, dass die Kinder von nichtmetallischen Drachen wohl sowieso nicht überleben, so dass er die auch genauso gut ignorieren kann. Aber ich denke, dass unsere Drachenbabys sehr gute Überlebenschancen haben, schließlich haben die ja menschliche Partner, die sich um sie kümmern.“

    __Nachdem das geklärt war, verabschiedete sich Sean mit der Begründung, dass er sich die Eier ansehen wolle. „Ihr könnt eure Drachen morgen gerne noch einen Meter höher fliegen lassen“, fügte er aber dann noch hinzu.

    __Kindan und Lorana brachten ihre Drachen wieder in die Wohnungen und gingen anschließend zum Jäger, bei dem sie an diesem Tag wieder einmal den Umgang mit der Schleuder trainierten.

    __Nachdem Ruath ein paar Tage später mit dem Eierlegen fertig geworden war, waren viele Bewohner der Festung enttäuscht. Nur elf Eier hatte der rote Drache gelegt, und die waren zudem kleiner als die, die Faranth vor drei Monaten gelegt hatte. Immerhin begann Natalon sogleich damit, neben den Hütten der Drachenpartner zwei weitere Hütten mit zusammen elf weiteren Wohnungen zu bauen, damit die neuen Drachenpartner nach der Drachenprägung gleich in ihre neuen Wohnungen einziehen konnten.


    Gut zwei Wochen später wandte sich Kaylek beim Training am späten Nachmittag an Lorana und Kindan. „Ihr beide könnt für heute Schluss machen“, sagte er. „Sean würde gerne mit euch eine Sache besprechen.“

    __„Kann er das nicht irgendwann beim Abendessen machen?“, fragte Lorana.

    __„Nein, wenn ihr mitmachen wollt, wird das eine etwas größere Angelegenheit, und ihr könnt dafür auch gerne bei unserem Training etwas kürzer treten. Ihr seid beim Umgang mit Pfeil und Bogen sowieso weiter als eure Kameraden, und wie ich höre, soll das bei der Schleuder wohl auch der Fall sein.“

    __„Na, wenn Sean auf uns wartet, wollen wir ihn nicht zu lange warten lassen“, meinte Kindan. „Ist er in seiner Wohnung oder wo finden wir ihn?“

    __„Ich gehe davon aus, dass er im Besprechungsraum auf euch wartet.“

    __Tatsächlich fanden die beiden jungen Drachenpartner ihn im Besprechungsraum ihrer Drachenwohnungshütte, aber Sean war nicht allein dort. Außer ihm hatten sich auch Sorka, Renna, Ryan, Natalon, Wenser und Jofri in dem Besprechungsraum versammelt.

    __„Guten Tag“, begrüßte Kindan sie, als er und seine Wohnungsnachbarin eintraten.

    __„Da seid ihr ja“, meinte Wenser. „Ich nehme an, dass Kaylek nicht kommt?“

    __„Er hat nur uns hier hin geschickt, und ich hatte irgendwie den Eindruck, als ob er das Training der anderen ganz normal fortsetzen wollte“, antwortete Lorana.

    __„Dann ist er also doch bei seiner Meinung geblieben“, meinte Jofri. „Schade. Es hätte Sinn gemacht, wenn er dabei gewesen wäre, aber wir kommen wohl auch ohne ihn aus.“ Anschließend wandte er sich an die beiden Partner der jüngeren Drachen: „Wir sind im Moment bei den Vorbereitungen für die nächste Drachenprägung, und in dem Zusammenhang wollen wir auch besprechen, welche Ausbildung die neuen Drachenpartner bekommen werden.“

    __„Und was hat das mit uns zu tun?“, fragte Lorana.

    __„Wir sind der Meinung, dass wir in unserem Komitee Vertreter aller Drachengenerationen haben wollen“, erklärte Sorka. „Ihr beide scheint - was eure Ausbildung und die Entwicklung eurer Drachen angeht - den anderen voraus zu sein, also wollten wir euch als erstes fragen, ob ihr Lust habt, bei der Sache mit zu machen.

    __„Und wenn ich das mal so anmerken darf“, fügte Jofri hinzu, „hat Kindan mit dem Organisieren der gemeinsamen Liederabende sowieso schon einen Teil der Organisation für eure eigene Ausbildung übernommen. Zumindest brauchen wir für euch keine Lehrstunden mehr für die Dinge, die ihr aus den Liedern lernen könnt. Also zum Beispiel für die unterschiedlichen Gegenden des Drachenlandes und für die Eigenschaften der Drachen, die man ohne einen engen Kontakt zu denen beobachten kann.“

    __„Würden wir dann immer nur mit im Komitee sitzen oder zum Beispiel auch eine aktive Rolle bei der Ausbildung der nächsten Drachenreiter übernehmen?“, erkundigte sich Kindan.

    __„Ganz wie ihr wollt“, meinte Natalon.

    __Tatsächlich entschieden sich Lorana und Kindan für eine Teilnahme am Komitee, und in den folgenden zwei Wochen beteiligten sie sich auch regelmäßig an den gelegentlich angesetzten Besprechungen. Dabei bekamen sie allerdings auch mit, dass Renna ihren Drachen regelmäßig dazu überreden musste, in die Drachenhöhle zu gehen und dort auf die Eier aufzupassen.

    __„Was ist denn los mit Ruath?“, erkundigte sich Kindan, als er das zum wiederholten Male beobachtete.

    __„Keine Ahnung“, antwortete Renna. „Sie hat einfach mehr Interesse daran, mit Faranth und Carenath zusammen zu trainieren und das Feuerspeien zu erlernen als an ihrem Nachwuchs.“

    __„Aber Drachenmütter kümmern sich doch sonst immer um ihre Kinder?“, fragte Kindan.

    __„Ja, zumindest hat Faranth das gemacht, und die Mutter von unseren großen Drachen auch. Vielleicht haben wir einfach nur einen unglücklichen Zeitpunkt erwischt, um mit dem Training mit den Feuersteinen anzufangen.“

    __„Nein“, widersprach Sean. „Soweit Carenath das mitbekommen hat, scheinen weibliche, nichtmetallische Drachen sich generell wenig um ihre Kinder zu kümmern. Und das führt dann fast zwangsläufig dazu, dass nur die Kinder von goldenen Drachen überleben.“

    __„Bekommen wir dann überhaupt mit, wenn die Drachenbabys schlüpfen?“, erkundigte sich Kindan. „Zumindest beim Eierlegen haben unsere Drachen ja nicht gebrummt.“

    __„Das ist ein guter Einwand“, meinte Sorka. Ihre Augen verloren kurz die Fokussierung - ganz so, wie Kindan es in der letzten Zeit häufiger bei Drachenpartnern beobachtet hatte, die sich gerade mit ihren Drachen unterhielten -, und dann fügte sie noch hinzu: „Also Faranth sagt mir auf jeden Fall Bescheid, wenn es los geht.“


    Ein paar Tage später war es schließlich soweit. Genau einen Monat, nachdem Ruath mit dem Eierlegen fertig geworden war, hörte Kindan auf einmal am späten Vormittag während des Trainings mit der Schleuder, wie die Drachen anfingen zu brummen.

    __Offensichtlich hatten seine Trainingspartner das auch vernommen, denn einer von ihren fragte: „Kann es sein, dass die Drachenbabys dabei sind zu schlüpfen?“

    __„Ja, davon gehe ich aus“, stimmte Kindan dem zu.

    __Du kannst sicher sein. Die Drachenbabys werden jeden Moment anfangen zu schlüpfen, bestätigte Lurenth.

    __Aber bevor er davon etwas erzählen konnte, ergriff Lorana das Wort: „Also, Kindan und ich werden jetzt zur Drachenhöhle laufen.“

    __„Nur ihr beide?“, fragte der Drachenpartner, der das Gespräch begonnen hatte.

    __„Nur Kindan und Lorana sind als Vertreter für eure Generation von Drachenpartnern zur Drachenprägung eingeladen“, meinte der Jäger und wandte sich dann an seine anderen drei Schüler: „Euch drei möchte ich bitten, mit dem Training weiter zu machen. In der Drachenhöhle könnt ihr sowieso nicht zusehen, und heute Nachmittag werden wir wohl das Training ausfallen lassen, um die neuen Drachenprägungen zu feiern.“

    __Als Kindan und Lorana bei der Drachenhöhle ankamen, waren Renna, Jofri und die meisten für diese Drachenprägung ausgewählten Kandidaten bereits vor Ort.

    __„Ihr kommt gerade rechtzeitig“, meinte Renna. „Die ersten zwei Eier haben wohl gerade eben angefangen, sich zu bewegen.“

    __Als Kindan genauer hin sah, bemerkte er, dass wieder jemand Tische mit Futterschalen in der Drachenhöhle verteilt hatte, aber anders als beim letzten Mal standen die Zuschauer etwas weiter von den Eiern entfernt als die eigentlichen Kandidaten. Während er einen ersten Blick auf die Eier warf, fingen auch einige weitere Eier an, sich zu bewegen.

    __Bevor er die Eier aber viel weiter betrachten konnte, kamen Sorka, Sean, Natalon und Wenser in die Höhle. „Bitte entschuldigt unsere Verspätung“, meinte Sean. „Haben wir viel verpasst?“

    __„Nein, die Eier haben gerade angefangen, sich zu bewegen“, antwortete Lorana ohne ihren Blick von den Eiern abzuwenden.

    __Gleich im Anschluss daran hörte Kindan, wie einer der Kandidaten rief: „Seht doch, da sind Risse auf dem Ei!“

    __Kindan war zwar zu weit weg um die Risse zu sehen, aber weil er dieses Mal wirklich nur ein Zuschauer war, störte ihn das auch nicht, und einige Augenblicke später fiel das Ei, auf das Junge gezeigt hatte, auch schon auseinander und ein kleines blaues, leicht verwundbar wirkendes Drachenbaby fiel heraus. Es sah sich erst einmal um, entdeckte den Jungen, versuchte, ein paar Schritte in dessen Richtung zu gehen und stolperte über seine eigenen Beine.

    __Der Junge machte einen Schritt auf den kleinen Drachen zu und half ihm wieder auf. Anschließend streckte er seinen Arm aus, um von einem in der Nähe stehenden Tisch eine Futterschale zu nehmen und das kleine Wesen zu füttern.

    __Inzwischen waren auch noch ein paar andere Drachenbabys geschlüpft. Kindan hatte irgendwie das Gefühl, als ob mit denen etwas nicht stimmte, aber er konnte irgendwie nicht festmachen, woran es lag.

    __Aber dann ergriff Lorana das Wort. So leise, dass nur die in ihrer unmittelbaren Umgebung stehenden Personen das mitbekamen, fragte sie: „Täusche ich mich oder sind die Drachenbabys kleiner als unsere es waren.“

    __„Ich glaube du täuschst dich“, meinte Jofri. „Eure Drachenbabys waren nach dem Schlüpfen auch sehr klein.“

    __„Nein, die sind tatsächlich kleiner“, widersprach Renna. „Aber das wundert mich nicht, schließlich waren die Eier ja auch nicht so groß wie die von Faranth gelegten.“

    __„Irgendwie wirken die kleinen Drachen auf mich etwas ...“, begann Wenser, zögerte dann aber, bevor er noch hinzu fügte: „... unfertig?“

    __„Ja, sie wirken weniger robust und leichter verwundbar als unsere Drachen es nach dem Schlüpfen waren“, bestätigte Kindan.

    __Nachdem zehn Drachenbabys geschlüpft waren, warteten die Mitglieder des Organisationskomitees, die neuen Drachenpartner und die enttäuscht wirkenden übrig gebliebenen Kandidaten darauf, dass das letzte Drachenbaby aus seinem Ei schlüpfen würde. Aber das Ei bewegte sich noch nicht einmal.

    __„Kann es sein, dass der letzte Drache etwas Geburtshilfe braucht“, fragte Wenser nach einer Weile.

    __„Keine Ahnung“, antwortete Sean. „Ich erlebe auch zum ersten Mal, dass ein Ei beim Schlüpfen von Drachenbabys so leblos da liegt.“

    __Aber dann ging eine der übrig gebliebenen Kandidatinnen zu dem Ei und klopfte an dessen Schale. Als dieses immer noch nicht rührte, schlug sie etwas heftiger dagegen, und dadurch bildeten sich nun Risse in der Eierschale. Das Mädchen begann nun, die Schale nach und nach zu entfernen, und schon nach kurzer Zeit hielt sie ein im Vergleich zu den anderen Drachenbabys noch unfertiger wirkendes Etwas in ihren Händen. Als sie dem kleinen Wesen etwas Fleisch hin hielt, begann es dieses aber ohne Probleme zu fressen, und schon bald darauf begann es zu schlafen.

    __„Damit ist die Drachenprägung wohl beendet“, meinte Sean. „Wir werden jetzt alle neuen Drachenpartner zu ihren neuen Wohnungen bringen. Ihr sollt nämlich genau wie die Partner der älteren Drachen zusammen mit euren Drachen leben. Die übrig gebliebenen Kandidaten können auch gerne zur Festung zurück kehren“

    __„Bitte denkt daran, dass wir heute Nachmittag unsere neuen Drachenpartner feiern werden“, verkündete Natalon, bevor er sich gemeinsam mit den neuen Drachenpartnern und den übrig gebliebenen Kandidaten auf den Weg machte.


    __Nachdem Wenser die Drachenbabys aufgrund der Tatsache, dass diese wenig robust und leicht verletzlich wirkten, einmal untersucht hatte, teilte er den anderen Komiteemitgliedern mit, dass er am liebsten sofort eine Besprechung mit ihnen und den neuen Drachenpartnern ansetzen würde.

    __„Kann das nicht bis heute Abend warten?“, fragte Natalon. „In ein paar Minuten wird das Mittagessen serviert, und wir hatten auch sowieso geplant, die neuen Drachenpartner nach dem Abendessen die Besonderheiten ihres neuen Lebens zu erklären.“

    __„Ich würde es gerne sofort durchziehen“, wandte der Heiler ein. „Die Drachenbabys brauchen eine Menge Pflege, und ich fürchte, dass die neuen Drachenreiter sich dessen noch nicht bewusst sind und es im Laufe des Nachmittags zu Problemen kommen könnte, wenn wir sie nicht rechtzeitig auf ihr neues Leben vorbereiten.“

    __„Also gut, dann machen wir die Besprechung jetzt und verschieben das Fest“, entschied Sean. „Kannst du das beim Mittagessen entsprechend bekannt geben, Jofri?“

    __„Ja, mache ich“, bestätigte der Harfner. „Wenn ich unterwegs oder in der Versammlungshalle einen der neuen Drachenpartner sehe, schicke ich denjenigen zu euch in den Besprechungsraum.“

    __Tatsächlich waren alle neuen Drachenpartner noch in ihren Wohnungen, und als sie von der kurzfristig angesetzten Besprechung erfuhren, kamen sie ohne eine Frage in den Besprechungsraum.

    __Als alle versammelt waren, wandte sich Wenser an die neuen Drachenpartner: „Ich habe nun alle eure Drachen untersucht, und auch wenn Drachen für mich eine Tierart sind, mit der ich mich nur sehr wenig auskenne, halte ich die Situation, in der sich eure kleinen Partner befinden, für ernst. Ernst, aber nicht lebensbedrohlich. Ich denke, wir können eure kleinen Partner groß ziehen, wenn ihr euch gewissenhaft um ihre Pflege kümmert und sie nicht einen einzigen Augenblick vernachlässigt.“

    __„Ja, das ist mir schon klar“, mischte sich das Mädchen ein, welches den elften Drachen aus dem Ei geholt hatte. „Aber wie genau müssen wir uns um unsere Drachen kümmern?“

    __„Das wichtigste ist schon erreicht, wenn ihr sie regelmäßig füttert und Öl in ihre Haut einmassiert“, antwortete Sorka. Anschließend wandte sie sich an ihren Vater: „Meinst du, die Drachenbabys vertragen es, gewaschen zu werden?“

    __„Wasser kann ihnen nicht schaden, aber mit dem Waschsand wäre ich im ersten Monat vorsichtig. Lasst den also lieber erst einmal weg.“

    __„Also gut, dann könnt ihr eure Drachenbabys einmal täglich vor der Öl-Massur mit klarem Wasser waschen.“

    __„Ich habe für jeden von euch bereits eine kleine Flasche mit Öl vorbereitet“, fügte Wenser anschließend hinzu. „Wenn die leer ist, könnt ihr bei mir neues Öl bekommen.“

    __„Müssen wir beim Füttern irgend etwas beachten?“, fragte einer der neuen Drachenpartner.

    __„Wir haben vorhin in der Drachenhöhle gesehen, dass die bereits mit kleinen Fleischstückchen zurecht kommen“, antwortete der Heiler. „In der nächsten Zeit müsst ihr auf jeden Fall darauf achten, das die Fleischstückchen nicht zu groß sind. Mit der Zeit könnt ihr sie zwar größer werden lassen, aber für den Anfang solltet ihr besonders vorsichtig sein, weil sich die Drachenbabys sonst vielleicht daran ersticken könnten.“

    __„Wir sollen darauf achten? Machen das nicht die Köche für uns?“

    __„Für heute machen die das, ja“, antwortete Kindan. „Aber auf längere Sicht haben die keine Zeit dafür. Ich werde euch morgen Vormittag zeigen, wie ihr die Fleischstückchen direkt aus den von den Jägern gelieferten Beutetieren heraus schneiden könnt, und danach seid ihr selbst dafür verantwortlich.“

    __Bevor irgend jemand darauf antworten konnte, betrat Jofri den Besprechungsraum. Ihm folgten ein paar Köche, die auf Tabletts einige vorbereitete Speisen trugen.

    __„Ich habe die Köche gebeten, uns für die Besprechung das Mittagessen hier hin zu bringen“, erklärte der Harfner. „Also als so eine Art Arbeitsessen so zu sagen.“

    __„Das war gut gedacht“, meinte Wenser. „Aber ich denke, wir sind mit den wichtigsten Themen schon fertig. Oder wollen wir gleich mit den Themen weiter machen, die wir eigentlich für heute Abend eingeplant hatten?“, fragte er die anderen Komiteemitglieder.

    __„Von mir aus gerne“, antwortete Lorana. „Aber vielleicht sollten wir zunächst einmal die Köche aufdecken lassen und dann auch anfangen zu essen, damit es wieder etwas ruhiger hier drin ist.“ Anschließend wandte sie sich an die neuen Drachenpartner: „Wenn ihr bis hier hin Fragen habt, fragt ruhig. Wir sind hier, um eure Fragen zu beantworten.“

    __Tatsächlich stellten die Angesprochenen nur wenige Fragen, die die Komiteemitglieder schnell beantworten konnten. Die Köche deckten das Essen auf, und nachdem sich alle Teilnehmer der Besprechung schon kräftig von den Speisen bedient hatten, ergriff Sean erneut das Wort: „Also, wir haben euch eben erklärt, wie ihr eure Drachen pflegen müsst. Eure Drachen werden in der ersten Zeit nichts anderes machen als zu essen und zu schlafen, aber das ist ganz normal, weil sie ja erst einmal kräftig wachsen müssen. Ihr habt gegenüber uns immerhin den Vorteil, dass ihr von Anfang an nur kurze Wege zu euren Drachen habt und nicht erst zur Drachenhöhle laufen müsst. Eigentlich waren wir uns nicht sicher, ob wir euch deshalb gleich vom ersten Tag an Wissen und Fähigkeiten beibringen sollten, die ihr in eurer Karriere als Drachenpartner wahrscheinlich benötigen werdet, oder ob eure Drachen dafür doch zu viel Zeit benötigen, so dass wir damit besser einen Monat oder so warten sollen. Aber so wie eure Drachen aussehen, werden wir auf jeden Fall damit warten. Trotzdem wollen wir euch einen kurzen Überblick verschaffen, was euch in den nächsten Monaten so alles erwartet.“

    __Anschließed gingen Sean und Sorka, aber zum Teil auch Ryan, Wenser und Kaylek darauf ein, wie die Ausbildung der Drachenreiter in den kommenden Monaten wahrscheinlich ablaufen würde. Für Kindan und Lorana waren diese Informationen wenig überraschend, da die beiden in den letzten Monaten genau das beschriebene Training durchlaufen hatten, und darauf, was nach dem aktuellen Trainingsstand der beiden an die Reihe kam, ging keiner der Anwesenden ein.


    Zwei Stunden später versammelten sich viele Bewohner der Festung in der Versammlungshalle, um etwas verspätet mit dem Fest zu beginnen. Die meisten neuen Drachenpartner schauten allerdings nur ab und zu kurz vorbei, aber nachdem Wenser am Anfang des Festes die Situation für die Außenstehenden kurz erläutert hatte, machte ihnen das keiner zum Vorwurf. Irgendwann trug Jofri im Laufe des Festes Kindans Lied über die Entwicklung vom Paarungsflug über die Drachenprägung bis zu den wichtigsten Aufgaben eines Drachenpartners in den ersten Wochen nach der Geburt des Drachen vor, welches der ehemalige Harfnerlehrling im Laufe der letzten Tage vollendet hatte, und dieses Lied kam bei den Anwesenden so gut an, dass sie im restlichen Verlauf des Festes mehrmals verlangten, dass der Harfner das Lied noch einmal singen sollte.

    __Tatsächlich feierten die Bewohner der Festung bis in den späten Abend hinein, aber fast alle Drachenpartner kehrten - unabhängig davon, bei welcher Prägung ihre Drachen geschlüpft waren - bereits zu einer nicht zu späten Uhrzeit zu ihrer jeweiligen Wohnung zurück, um sich noch kurz um ihren jeweiligen Drachen zu kümmern und danach ins Bett zu gehen.

  • Drachenreiter

    – Teil 5 –


    Nach der Drachenprägung ging die Ausbildung für Kindan und seine Kameraden wie gewohnt weiter - nur mit dem Unterschied, dass Kindan und Lorana nun zu den Vertrauenspersonen gehörten, die die neuen Drachenpartner bei Fragen und Problemen ansprechen konnten. An manchen Tagen kamen sie deshalb auch etwas später zum Training, und manchmal beendeten sie dieses schon etwas früher, um einige Angelegenheiten mit Sorka, Sean und Renna zu besprechen.

    __Ein paar Wochen nach der Drachenprägung waren Lurenth und Arith mit ihrem Flugtraining dann auch endlich so weit, dass die beiden Drachenpartner von Sean und Sorka die Erlaubnis bekamen, ihre Drachen auch unbeaufsichtigt fliegen zu lassen.

    __„Ich denke, der nächste Schritt wird sein, dass unsere Drachen den beiden zeigen, wie und wo sie auf die Jagd gehen können, und dann können sie sich selbst ihre Nahrung beschaffen“, fügte Sean hinzu. „Wenn es gut läuft, können sie dieses Wissen im Laufe der nächsten Wochen auch an ihre Geschwister weitergeben.” Nach kurzem Zögern fügte er dann aber noch hinzu: „Bis wir anfangen, den beiden das Feuerspucken beizubringen oder sie mit in das Kampftraining einbeziehen, würde ich aber trotzdem gerne abwarten, bis die beiden mindestens ein ganzes Jahr alt sind.“

    __Tatsächlich meldete sich Lurenth zwei Tage später per Telepathie. Ich habe mein erstes Beutetier erledigt, erzählte er seinem Partner. Und auch Arith gelang ein paar Stunden später der erste Erfolg bei ihrer Jagd.

    __Natürlich bekamen Kindans Kameraden mit, dass er und seine Wohnungsnachbarin ihre Drachen nun nicht mehr füttern mussten, und sie begannen, die beiden zu fragen, wann ihre eigenen Drachen auch so weit sein würden.

    __„Dass müssen Sean und Sorka entscheiden“, antwortete Kindan auf solche Fragen. „Sobald ihr die Erlaubnis habt, eure Drachen ohne Aufsicht fliegen zu lassen, kann Lurenth oder Arith ihnen zeigen, wo und wie sie auf die Jagd gehen können.“

    __Tatsächlich kam für alle Geschwister der beiden Drachen diese Erlaubnis irgendwann innerhalb der nächsten zwei Monate.

    __Aber auch das Training der Drachenpartner machte Fortschritte. Nachdem Kaylek bei Kindan, Lorana und ein paar weiteren Drachenpartnern davon überzeugt war, dass sie gut genug mit Pfeil und Bogen umgehen konnten, erlaubte er ihnen, bei Angriffen von Dämonen auf die Festungsmauern zu steigen und die Dämonen von dort aus anzugreifen.


    Die jüngsten Drachen kamen unterdessen mit ihrer Entwicklung so gut voran, dass Wenser vier Wochen nach der Drachenprägung eine Besprechung des Organisationskomitees einberief.

    __„Ich denke, dass die Jungdrachen jetzt die schwerste Zeit überstanden haben“, verkündete er, nachdem sich alle drei Anführer, die fünf Vertreter der Drachenpartner sowie Harfner Jofri und Ryan im Besprechungsraum versammelt hatten. „Wir können also mit ihrem Training anfangen.“

    __„Sehr gut“, sagte Kaylek. „Ich nehme an, dass Ryan und du euch wie besprochen um den ersten Teil kümmert und ich dann zu gegebener Zeit übernehme?“

    __„Ja, so ist der Plan“, antwortete Wenser. „Wie kommen deine jetzigen Schüler voran? Ich denke, es könnte schwierig werden, gleichzeitig zwei Gruppen zu übernehmen.“

    __„Das ist kein Problem. Kindan und seine Kameraden sind bald so weit, dass wir mit dem Schwertkampf anfangen können, und ab da hatte ich sowieso geplant, die Ausbildung an einige meiner Untergebenen abzugeben, die mehr Erfahrung als Schwertkampf-Lehrer haben.“

    __Mit dieser Entscheidung waren alle Anwesenden einverstanden.

    __Tatsächlich erlaubte der Söldner ein paar Tage später auch den restlichen Schülern, bei möglichen Angriffen durch die Dämonen auf die steinerne Festungsmauer zu klettern und die Feinde von dort aus anzugreifen, und ein paar Tage, bevor Ryan und Wenser ihr Programm bei den neuen Drachenpartnern durch hatten, übergab er das Training von Kindans Generation von Drachenpartnern für das Erlernen des Schwertkampfes an zwei seiner Untergebenen, und diese begannen den Unterricht nicht mit echten Schwertern, sondern mit stumpfen Holzschwertern.


    Ein paar Tage nach Kindans erstem Schwertkampftraining konnten die Bewohner der Festung beobachten, wie Faranth zu ihrem zweiten Paarungsflug los flog. Erneut flogen sowohl Carenath als auch einige wild lebende Drachen hinter ihr her. Die jüngeren bronzenen Drachen waren wohl noch nicht bereit, sich daran zu beteiligen. Warum soll ich da mitfliegen, wenn sowieso einer der ausgewachsenen Drachen den Flug für sich entscheiden kann, antwortete Lurenth auf Kindans Frage, ob er nicht mitfliegen wolle. Tatsächlich war es wie beim ersten Mal ein wild lebender Drache, der die goldene Drachendame für sich gewinnen konnte.

    __Genau wie beim ersten Mal fingen die Bewohner der Festung an, Wetten darauf abzuschließen, wie viele Eier der goldene Drache wohl dieses Mal legen würde. Einige waren sich darüber hinaus auch sicher, dass dieses Mal ein goldenes Ei darunter sein musste. Aber im Laufe der nächsten zwei Monate zeigte sich, dass Faranth bei ihrem üblichen Jagdverhalten von einer Jagd pro Woche blieb und dass ihr Bauch auch gar nicht dicker wurde. Als sie sich dreieinhalb Monate nach dem Paarungsflug immer noch wie gewohnt an dem Kampftraining und an den Kämpfen gegen die Dämonen beteiligte, fingen die Drachenpartner an zu spekulieren, was die Ursache für diese ausgebliebene Schwangerschaft sein könnte. Erst als Sorka ihren Drachen direkt danach fragte, bekam sie eine Antwort: „Faranth glaubt, dass das ständige Fressen von Feuersteinen irgendetwas mit ihr gemacht hat“, erklärte sie.

    __„Ja, auch Carenath meint, sie sei unfruchtbar geworden“, fügte Sean hinzu. „Aber er hat jetzt irgend etwas bewirkt, so dass sie demnächst wieder Eier legen kann - vorausgesetzt, dass sie keine Feuersteine mehr schluckt.“

    __„Wie, er hat irgend etwas bewirkt?!“, erkundigte sich Wenser.

    __„Er kann es selbst auch nicht erklären. Aber es ist nicht das erste Mal, dass einer unserer Drachen irgend etwas bewirkt, was er sich nicht erklären kann. Das ist zum Beispiel der Grund für die Tatsache, dass selten, aber doch ab und zu die Dämonen einfach so ohnmächtig werden.“

    __„Aber die Drachen können überhaupt nicht vorhersagen, ob sie etwas bewirken können oder nicht“, ergänzte Sorka. „Manchmal klappen ihre Aktionen einfach, aber meistens klappt es halt nicht.“

    __„Und was ist mit Ruath?“, fragte Natalon. „Kann sie jetzt auch keine Eier mehr legen? Sie hat ja auch Feuersteine verwendet.“

    __„Tja, wir müssen erst einmal davon ausgehen, dass sie das nicht mehr kann“, antwortete Renna. „Aber letzten Endes müssen wir wohl bis zu ihrem nächsten Paarungsflug abwarten. Und so, wie unsere jüngsten Drachen direkt nach dem Schlüpfen aussahen, bin ich mir nicht sicher, ob es nicht vielleicht auch besser ist, wenn nur die goldenen Drachen Eier legen.“

    __„Na, warten wir erst einmal ab, wie die jungen Drachen sich entwickeln“, schlug Wenser vor.


    Tatsächlich schien es die nächste Zeit so, als ob sich Ruaths Kinder ganz normal entwickeln würden. Aber als sie das Alter erreichten, in dem Lurenth und seine Geschwister mit dem Flugtraining begonnen hatten, wurde schnell klar, dass die jüngeren Drachen zwar geistig fit waren und sich auch problemlos mit ihren Partnern per Telepathie unterhalten konnten, dass aber gleichzeitig ihre körperliche Entwicklung noch nicht soweit war. Kein einziger der elf jungen Drachen hatte zu dieser Zeit schon genügend Kraft in den Flügeln, um vom Boden abzuheben. Erst mit zwei Monaten Verspätung konnten sie ihr Flugtraining beginnen, und dieses lief langsamer als Lurenth und seine Geschwister voran gekommen waren.

    __Nachdem Ruath wie erwartet nach einem Paarungsflug keine Eier gelegt hatte, brach Faranth eines Tages zu ihrem dritten Paarungsflug auf. Tatsächlich hatte Sorka ihr keine Feuersteine mehr zu Fressen gegeben, und sie hatte sich beim Kampf gegen die Dämonen wieder auf ihre Klauen, ihre Zähne und ihren Schwanz verlassen. Am Abend desselben Tages baten Sean, Sorka und Wenser die Partner von Lurenth und seinen Geschwistern zu einer Besprechung in den Besprechungsraum zu kommen.

    __„Eure Drachen sind zwar noch keine zwölf Monate alt“, verkündete Sean, als sich alle versammelt hatten, „aber wir haben ihr Wachstum beobachtet, und in den letzten zwei Monaten sind sie - wenn überhaupt - nur noch sehr wenig gewachsen. Und angesichts der Tatsache, dass viele Siedlungen im Drachenland nur über einen unzuverlässigen Schutz durch wild lebende Drachen verfügen, haben wir beschlossen, eure Ausbildung etwas zu beschleunigen und euch in ein paar Monaten in andere Gegenden zu schicken, um dort den Menschen zu helfen, vielleicht den einen oder anderen wild lebenden goldenen Drachen zu überreden, seinem Nachwuchs die Möglichkeit zur Wahl von menschlichen Partnern zu geben und diese dann bei der Aufzucht ihrer Drachen zu unterstützen.“ Er schwieg einen Moment und fügte dann hinzu: „Oder um es noch einmal kurz und klar zu sagen: Ab morgen werden wir anfangen, euren Drachen die Verwendung der Feuersteine beizubringen.“

    __„Wie sieht es mit den weiblichen Drachen aus?“, unterbrach ihn eine der Drachenpartnerinnen mit einem weiblichen Drachen. „Wollt ihr denen auch Feuersteine zu Fressen geben und damit dafür sorgen, dass die unfruchtbar werden?“

    __„Den Partnern von weiblichen Drachen möchten wir es frei stellen, ob sie ihren Drachen das Feuer spucken beibringen wollen. Aber ihr solltet bedenken, dass ein weiblicher Drache vor dem Eierlegen für ein paar Monate beim Kampf gegen die Dämonen ausfällt, und außerdem sind Ruaths Kinder wie wir beobachten konnten, direkt nach ihrer Geburt deutlich empfindlicher gewesen und in ihrer körperlichen Entwicklung deutlich verzögert.“

    __„Ich gehe sogar davon aus, dass sie nie die Kraft und Ausdauer von euren Drachen erreichen werden“, fügte Wenser noch hinzu.

    __„Damit ihr nicht gleich ungeschützt seid, wenn einer der Drachen ausfällt“, furh Sorka schließlich fort, „haben wir beschlossen, euch nicht alleine los zu schicken, sondern immer in Gruppen von mindestens zwei Drachenpartnern. Wer mit wem zusammen eine Gruppe bildet, könnt ihr euch selbst aussuchen. Und wenn ihr Vorschläge habt, in welche Gegenden des Drachenlandes ihr reisen wollt, werden wir die selbstverständlich auch gerne berücksichtigen.“

    __Damit war die Besprechung fürs Erste im Wesentlichen beendet.

    __Am nächsten Tag versammelten sich die Drachenpartner und ihre Drachen außerhalb der Festungsmauern. Wie sich dabei heraus stellte, hatten sich tatsächlich alle Drachenpartner dazu durchgerungen, ihren Drachen den Gebrauch mit den Feuersteinen beizubringen, und als Sean, Sorka und Renna bei den Drachenpartnern mit weiblichen Drachen nachfragten, antworteten alle, dass sie diese Entscheidung zusammen mit ihren Drachen getroffen hatten.

    __„Also gut“, sagte Sean daraufhin. „Wir haben hier einen großen Haufen mit Feuersteinen. Greift zu und gebt euren Drachen davon zu fressen. Wie viel ihr ihnen geben müsst, können wir euch leider nicht sagen, das scheint von Drache zu Drache unterschiedlich zu sein. Also müsst ihr das selbst ausprobieren.“

    __Bevor Kindan und seine Kameraden allerdings tatsächlich zugreifen konnten, mischte sich Sorka ein. „Meinst du nicht, dass wir den Drachen als erstes beibringen sollten, die Steine richtig zu zerkleinern? Immerhin bringt es nichts, die Steine im Ganzen herunter zu schlucken, und Steine bringen nun einmal auch ein gewisses Verletzungsrisiko für die Zunge und andere Teile des Drachenmundes.“

    __„Ich denke, du hast recht“, meinte Renna. „Aber wenn wir die Drachen in drei Gruppen einteilen und jeder von uns sich nacheinander um die Drachen jeweils einer Gruppe kümmert, sollte das nicht zu lange dauern. Diejenigen, die noch nicht an der Reihe sind, können gerne bei den vor ihnen dran kommenden Drachen derselben Gruppe zusehen.“

    __„Einverstanden“, meinte Sean, und so bildeten die Drachenpartner zwei Gruppen von jeweils neun und eine Gruppe von zehn Drachen. Kindan und Lorana waren in der größeren Gruppe, um die sich Renna kümmern wollte.

    __„Bevor wir anfangen“, begann Renna die Drachenpartner ihrer Gruppe aufzuklären, „solltet ihr euch daran erinnern, dass unsere Drachen - wenn Wenser recht hat - zwei Mägen haben. Den einen verwenden sie, um normale Nahrung zu verdauen, und der andere dient als Stauraum für die für das Feuer gefressenen und passend zerkleinerten Feuersteine. Wenn eure Drachen die Steine fressen, sollten sie sich auf ihren zweiten Magen konzentrieren. Aber bevor ihr anfangt, möchte ich euch und euren Drachen einmal zeigen, wie das ablaufen soll.”

    __Renna drehte sich einmal um, und tatsächlich kam schon nach wenigen Augenblicken Ruath angeflogen. Die Drachenpartnerin gab ihr einige Feuersteine zu fressen, auf denen der rote Drache eine Zeitlang herum kaute, bevor er das zerkleinerte Gestein herunter schluckte. Anschließend rülpste Ruath, und dabei kam eine kleine Stichflamme aus ihrem Mund.“

    __Nach dieser Demonstration wandte Renna sich wieder an die Drachenpartner ihrer Gruppe: „Ich habe Ruath gebeten, euren Drachen zu erklären, wie sie sich auf den zweiten Magen konzentrieren können. Aber um sicher zu sein, lasst ihr eure Drachen das jetzt gleich einmal ohne Feuersteine ausprobieren und euch mitteilen, ob sie dazu in der Lage sind.“

    __Hast du gehört, was sie von dir will?, fragte Kindan in seinen Gedanken seinen Drachen.

    __Ja. Ich denke, ich weiß was sie meint, aber sicher bin ich mir nicht.

    __Du kannst es ja noch ein bisschen weiter probieren bis wir an der Reihe sind.

    __„Und? Was sagen eure Drachen?“, fragte Renna, als sich eine Weile keiner zu Wort meldete.

    __„Arith ist sich sicher, dass er das hin bekommt“, antwortete Lorana.

    __„Lurenth meint, dass er das wohl auch schafft, ist sich aber nicht ganz sicher.“

    __Die anderen Mitglieder der Gruppe antworteten größtenteils, dass ihre Drachen unsicher wären, was Renna und Ruath mit dem ‚zweiten Magen‘ sagen wollten.

    __„Also gut, dann ist Arith als erstes dran und danach Lurenth. Und vielleicht hilft es ja, wenn sie nach dem Experiment versuchen, ihre Erfahrungen an die anderen Drachen weiter zu geben.“

    __Lorana griff also zu den Feuersteinen und gab ihrem Drachen davon zu fressen. Als dieser zubiss, konnte man deutlich lauter als bei Ruath das Knirschen des zwischen den Zählen zermahlten Gesteins hören.

    __„Sind diese Geräusche richtig so?“, fragte einer der Kameraden.

    __„Für den Anfang ja“, antwortete Renna. „Immerhin sind das ja Steine. Aber mit etwas Erfahrung kriegen die Drachen das auch leiser hin.“

    __Arith schluckte die zerkleinerten Steine herunter - und sonst passierte nichts.

    __„Kannst du den Drachen rülpsen lassen?“, fragte Renna Ariths Partnerin. „Wenn das noch nicht funktioniert, dann nimm einfach noch einen großen Stein dazu.“

    __Tatsächlich musste Lorana ihrem Drachen noch zwei weitere Steine geben, bevor dieser mit einem Rülpsen ein kleines, mickriges Flämmchen erzeugen konnte.

    __„Sehr gut. Das reicht für jetzt erst einmal“, meinte die erfahrenere Drachenpartnerin. „Damit sind jetzt Kindan und Lurenth an der Reihe.“

    __Kindan gab nun also auch seinem Drachen ein paar Feuersteine, aber nachdem beim ersten Versuch, ein Flämmchen zu erzeugen noch nichts passierte, brachte bei Lurenth schon ein einziger weiterer Stein den erhofften Erfolg, und anschließend waren der Reihe nach die anderen Drachen dran.

    __Als schließlich alle Drachen ihr erstes kleines Flämmchen erzeugt hatten, wandte sich Renna wieder an alle zehn Drachenpartner ihrer Gruppe. „Nachdem alle eure Drachen ihre erste kleine Flamme erzeugt haben, kommen wir zum nächsten Schritt. Eure Drachen können die Überreste der Steine nämlich nicht verdauen. Weil die aber nicht tagelang in ihrem zweiten Magen bleiben können, müssen sie die Reste anders los werden, und dafür müssen sie lernen, die Reste wieder hochzuwürgen. Im Ernstfall würden sie das selbstverständlich erst nach dem Kampf gegen die Dämonen machen, aber als Sorka, Sean und ich in eurer Situation waren, hat Wenser uns empfohlen, unsere Drachen das bei der nächstmöglichen Gelegenheit machen zu lassen, und diesen Rat möchte ich für den Anfang eigentlich an euch weiter geben.“ Sie zögerte kurz und wandte sich dann an ihren Drachen: „Kannst du das auch einmal vorführen, Ruath?“

    __Tatsächlich würgte der weibliche, rote Drache nun die nach einem verbrannten Etwas stinkenden Überreste wieder hoch und spuckte sie wieder aus. Tatsächlich sahen diese eher nach einer Mischung aus Erde und kleinen, schwarzen Steinchen als nach den Überresten der ursprünglichen Feuersteine aus.

    __„Wie ihr merkt, stinken die Überreste, weshalb wir uns dieser normalerweise etwas weiter von unserer Festung entfernt entledigen und dann vergraben, aber für den Anfang können wir das auch hier machen. Also, bittet nun bitte eure Drachen, sich der Überreste zu entledigen.“

    __Dieses Mal war es Lurenth, der diese Aufgabe als erstes bewältigt hatte, aber die anderen Drachen brauchten auch nicht wesentlich länger dafür. Nachdem sie gemeinsam die stinkenden Überreste vergraben hatten, beendete Renna für den Vormittag das Training, wobei sie aber noch hinzu fügte: „Wir werden uns heute Nachmittag noch einmal treffen, und auch die nächsten Tage werden wir uns so lange zwei Mal am Tag versammeln bis eure Drachen eine ausdauernde Flamme erzeugen können.“

  • Hallo Feuerdrache,


    da die Informationen im Startpost interessant klangen, dachte ich mir einmal reinzulesen und zu schauen, wo die Drachenreiter-Erzählungen hingehen. Ich muss allerdings auch sagen, dass ich nach den bisherigen Kapiteln nicht ganz das bekam, was ich erwartet hatte. Das ist einerseits gut und andererseits besteht hier auch der Wunsch nach mehr. Aber alles der Reihe nach.


    Womit du überraschst, ist die sehr detailreiche und aufwändig erzählte Aufzucht der Drachen, was ich in der Form noch nicht gelesen habe. Es ist beinahe so umfangreich, dass die Geschichte gut und gerne nur darauf ausgelegt sein könnte und die Dämonenkriege dabei nur eine Randerscheinung sind. Ganz so, als wäre das hier mehr ein Fachbuch zur Drachenaufzucht und welche Umstände dabei auftreten können. Durch den deutlich anderen Fokus als andere Fantasy-Geschichten dieser Art ist es dir jedenfalls gelungen, in mir Faszination auszuüben und das ist für den Anfang sehr positiv. Womit ich allerdings meine Probleme habe, sind die Charaktere selbst. Du versuchst zwar, ihnen teilweise etwas Leben einzuhauchen, aber mir fällt es unter den mittlerweile doch schon vielen Namen schwer, mir zu merken, wer nochmal was gemacht hat, weil nur die wenigsten hervorstechen. Hier ist also noch Luft nach oben vorhanden.

    Mir hat übrigens der bisher letzte Kapitelpart gefallen. Dort wird nicht nur eine nachvollziehbare Art erklärt, wie Drachen Feuer spucken können, sondern auch die Jungdrachen selbst werden wegen des Trainings etwas mehr in den Vordergrund gerückt. Besonders bei Fantasy-Kreaturen wird sowas gern vernachlässigt und daher begrüße ich es, dass du dich damit auseinandersetzt.


    In diesem Sinn: Wir lesen uns!

  • Bevor ich in dem nächsten Beitrag den abschließenden Teil der zweiten Erzählung veröffentliche, möchte ich noch einmal kurz auf deinen Kommentar eingehen.


    Womit du überraschst, ist die sehr detailreiche und aufwändig erzählte Aufzucht der Drachen, was ich in der Form noch nicht gelesen habe. Es ist beinahe so umfangreich, dass die Geschichte gut und gerne nur darauf ausgelegt sein könnte und die Dämonenkriege dabei nur eine Randerscheinung sind. Ganz so, als wäre das hier mehr ein Fachbuch zur Drachenaufzucht und welche Umstände dabei auftreten können.

    Die ausführliche Beschreibung der Aufzucht der Drachen ist tatsächlich ein zentraler Bestandteil der zweiten Erzählung. Ich hatte diese hauptsächlich deshalb hier aufgenommen, um zu zeigen, wie die Aufzucht der Drachen zu einer Zeit ablief, als man noch keine Erfahrungen darüber hatte. Ab der dritten Erzählung - die ich im Moment zwar in meinen Gedanken geplant habe, bei der ich aber bis jetzt noch nicht dazu gekommen bin, die auszuformulieren - werden wieder andere Aspekte im Vordergrund stehen.


    Womit ich allerdings meine Probleme habe, sind die Charaktere selbst. Du versuchst zwar, ihnen teilweise etwas Leben einzuhauchen, aber mir fällt es unter den mittlerweile doch schon vielen Namen schwer, mir zu merken, wer nochmal was gemacht hat, weil nur die wenigsten hervorstechen. Hier ist also noch Luft nach oben vorhanden.

    Ich denke, da sprichst du etwas an, was mir durchaus auch selbst schon bewusst ist. Mir fällt es schwer, Gefühle und Charaktereigenschaften in Worte zu fassen, und ich denke, das hat irgendwie dazu geführt, dass ich bei den Erzählungen mit der Handlung etwas schneller voran gehe als andere Autoren das vielleicht machen würden. Natürlich soll das nicht dazu führen, dass die Charaktere alle zu wenig hervorstechen. Ich werde mir für die nächsten Erzählungen mal Gedanken machen, wie ich das zumindest bei den wichtigsten Charakteren der jeweiligen Erzählung besser umsetzen kann.


    Mir hat übrigens der bisher letzte Kapitelpart gefallen. Dort wird nicht nur eine nachvollziehbare Art erklärt, wie Drachen Feuer spucken können, sondern auch die Jungdrachen selbst werden wegen des Trainings etwas mehr in den Vordergrund gerückt. Besonders bei Fantasy-Kreaturen wird sowas gern vernachlässigt und daher begrüße ich es, dass du dich damit auseinandersetzt.

    Tatsächlich hatte ich die Art, wie die Drachen Feuer speien können, aus den Pern-Büchern übernommen, aber dort gibt es - bei den Büchern, die ich aus der Reihe bisher gelesen habe - keine Geschichte, in der die Aufzucht der Drachen so kompakt beschrieben wird, wie ich das in der zweiten Erzählung gemacht habe. Aber es freut mich, wenn es dir gefällt, wenn ich versuche, die Drachen als eigenständige Persönlichkeiten auch mit in die Geschichte einzubeziehen.

  • Drachenreiter

    – Teil 6 –


    In den folgenden Monaten hatten die trainierenden Drachen genügend Zeit, um sowohl das Feuerspeien als auch für den Fall, dass auf die Schnelle gerade keine Feuersteine griffbereit waren, den Kampf mit Klauen, Zähnen und Schwanz von Grund auf zu erlernen. Auch ihre Drachenpartner trainierten weiter, um ihre Fähigkeiten beim Kampf mit Pfeil und Bogen, Schleuder oder Schwert zu perfektionieren.

    __Natürlich beteiligten sich Kindan und seine Kameraden immer noch von der Steinmauer aus an den Kämpfen gegen die Dämonen, aber spätestens als ihre Drachen das Feuer gut genug beherrschten, um praktische Erfahrungen im Kampf gegen die Dämonen zu sammeln, konnte die versammelte Drachenarmee es sich leisten, die Dämonen schon in einer Entfernung von der Festung anzugreifen, für die ein Mensch zu Fuß mehrere Stunden gebraucht hätte, und das führte dazu, dass plötzlich gar keine Dämonen mehr in der Nähe der Siedlung auftauchten

    __Einige Wochen später rief Kaylek alle voll ausgebildeten Drachenpartner kurz nach dem Mittagessen in den Besprechungsraum.

    __„Mir ist zu Ohren gekommen, dass einige von euch sich darüber beklagen, dass sie die Fähigkeiten im Umgang mit den Waffen ganz umsonst gelernt haben“, begann er die Besprechung. „Natürlich ist es gut, wenn wir hier genügend Drachen haben, um unsere Umgebung wirkungsvoll zu beschützen. Aber ich denke, den Schutz für unsere Felder können wir auch mit weniger Drachen sicherstellen, und andere Gegenden des Drachenlandes würden von eurer Hilfe sicher mehr profitieren als wir.“

    __„Ja, das hatten wir ja schon bei Faranths letztem Paarungsflug besprochen“, fiel ihm Lorana ins Wort. „Worauf willst du hinaus?“

    __„Ich denke, es ist langsam an der Zeit, dass wir diesen Plan in die Tat umsetzen. Ich denke, Faranth, Carenath, Ruath, und Ruaths Nachwuchs sollten ausreichen, um unsere Festung zu beschützen, eure Generation von Drachen könnten wir also auf die Reise schicken.“

    __„Müssen wir jetzt sofort los?“, fragte einer der Drachenpartner.

    __„Nein. Faranth wird wohl so in etwa drei Wochen ihre Eier legen, und einen Monat später werden die neuen Drachen schlüpfen. Ich denke, dass wir wie bei den letzten Malen an dem Tag ein Fest feiern werden und möchte euch dieses auch nicht vorenthalten. Also würde ich sagen, dass ihr euch am Tag nach der nächsten Drachenprägung auf den Weg macht.“

    __„Zufällig würden so auch unsere Wohnungen für die nächste Generation von Drachenpartnern frei“, stellte Kindan fest.

    __„Ja, daran hatte Natalon auch schon gedacht als Wenser, er und ich besprochen haben, ob wir euch diesen Zeitpunkt vorschlagen wollen.“ Er schwieg einen Moment, aber dann fuhr er fort: „Ich denke, dass wir jeweils zwei, drei oder vier Drachenpartner gemeinsam an einen Ort schicken werden. Habt ihr eigentlich schon Wünsche, in welchen Gegenden des Drachenlandes ihr gegen die Dämonen kämpfen wollt?“

    __„Ja“, meldete sich Lorana sofort. „Ich würde gerne in meine Heimatfestung Fort zurück kehren. Die haben dort bisher ja nur wild lebende Drachen.“

    __„Das ist eine sehr gute Idee von dir“, meinte Sorka daraufhin. „Weist du auch schon, wen du dorthin mitnehmen willst?“

    __„Also, wenn ich es mir aussuchen darf, hätte ich gerne Kindan und Lurenth als Begleitung. Wir kommen eigentlich sehr gut mit einander zurecht. Weil die Burg bereits über Festungsmauern und wild lebende Drachen verfügt, sollten denke ich zwei Drachenpartner reichen?“

    __„Ja, das denke ich auch“, meinte Sean. „Und, Kindan? Hättest du Lust sie zu begleiten?“

    __„Durchaus. In den Wochen, in denen ich mich gerade von meinem Vater getrennt hatte und alleine unterwegs war, hatte ich mir die Burg Fort immer als ein mögliches Ziel meiner Reise vorgestellt. Aber dass ich jetzt auf diese Weise tatsächlich dort ankommen werde, hätte ich natürlich nie zu träumen gewagt.“

    __„Gut, dann ist es entschieden“, meinte Kaylek. „Ihr beide geht zur Burg Fort. Gibt es weitere Wünsche?“

    __Bevor sich irgend einer der Anwesenden melden konnte, betraten Jofri und ein Mann den Besprechungsraum, den Kindan in der Festung noch nie gesehen hatte. Aber Lorana schien ihn zu kennen. „Der kommt aus der Burg Fort“, flüsterte sie dem Jungen zu.

    __„Bitte entschuldigt meine Unterbrechung“, meinte der Harfner, „aber der Herr hier ist soeben hier in der Stadt angekommen, und er meint, dass er dringend unsere Hilfe braucht.“

    __„Worum geht es denn?“, fragte Kaylek.

    __„Ihr müsst die wild lebenden Drachen davon überzeugen, wieder in die Nähe der Burg Fort zurück zu kehren. Aus irgend einem Grund haben die nämlich ihre Reviere verlagert und beschützen uns dort nicht mehr.“

    __„Burg Fort?“, fragte Kaylek. „Aber die Menschen dort sind doch immer sehr gut mit den Drachen ausgekommen?“

    __„In letzter Zeit leider nicht mehr. Zuerst haben die seit ein paar Jahren regelmäßig unsere Steinmauer zerstört, und jetzt sind sie ganz weg geblieben.“ Nach kurzem Zögern fügte er noch hinzu: „Leider kann ich euch nicht sagen, wie sich die Lage in den letzten Tagen weiter entwickelt hat. Ich war nämlich ganze drei Wochen unterwegs, weil ich mich immer wieder verstecken musste. Ihr wisst schon, wegen Dämonen und so.“

    __„Ich denke, das werden wir uns wohl aus der Nähe ansehen müssen“, mischte sich Kindan in das Gespräch ein. „Spricht etwas dagegen, dass wir uns mit Arith und Lurenth sofort auf den Weg machen?“

    __Während Kaylek Lorana ansah, fragte der junge Drachenpartner seinen Drachen: Hast du mitbekommen, worum es geht? Und bist du bereit?

    __Ja, hab ich und bin ich, antwortete Lurenth.

    __Auch das Mädchen schien kurz mit ihrem Drachen gesprochen zu haben. „Arith und ich sind bereit“, verkündete sie.

    __„Gut“, entschied Kaylek. „Ihr könnt euch sofort auf den Weg machen. Nehmt nur das Nötigste mit. Wenn ihr dort nach dem Rechten gesehen habt, könnt ihr entweder für die Zeit bis zur Drachenprägung zurück kommen, oder eure Sachen abholen lassen.“


    Die beiden verließen also den Besprechungsraum und holten die Drachen und - für den Fall, dass sie in Kämpfe verwickelt wurden - auch ihre Waffen aus den Wohnungen.

    __„Ich gehe davon aus, dass du den Weg kennst?“, fragte Kindan anschließend.

    __„Ich denke, wie gehen einfach in Richtung Süden. Das müsste so ungefähr hinkommen.“

    __„Wäre es nicht sinnvoller, der Bergkette zu folgen, also wenn ich das richtig im Kopf habe, erst einmal nach Westen? So sollten wir auf der Reise über den größtmöglichen Schutz durch die wild lebenden Drachen verfügen.“

    __„Wild lebende Drachen?! Wir sind Drachenpartner, Kindan. Arith und Lurenth können uns beschützen. Außerdem ist der Weg an der Bergkette entlang drei mal so lang. Also denke ich, dass wir den direkten Weg nehmen sollten.“

    __Traust du dir zu, uns auf freiem Feld vor Dämonen zu beschützen?, fragte Kindan überhaupt nicht überzeugt seinen Drachen.

    __Wenn es sein muss, ja. Aber es wäre ungefährlicher und schneller, wenn wir fliegen würden.

    __„‚Fliegen‘? Was meinst du damit?“, fragte Kindan.

    __„Hast du gerade mich gemeint?“, erkundigte sich das Mädchen.

    __„Nein, Lurenth. Hab nur nicht daran gedacht, dass er meine Gedanken versteht.“

    __Wenn du auf meinen Rücken steigst, kann ich dich mitnehmen, erklärte der Drache. Vorausgesetzt natürlich, jemand zeigt mir den Weg.

    __„Also Lurenth meint, dass ich auf seinen Rücken steigen soll und er mich dann durch die Luft mitnimmt.“

    __„Keine schlechte Idee.“ Loranas Augen verloren kurz die Fokussierung, und dann fügte sie noch hinzu: „Und Arith lässt mich auch auf ihm reiten. Also, machen wir uns dann auf den Weg?“

    __Tatsächlich verließen in diesem Moment Jofri und der Gesandte von der Burg Fort den Besprechungsraum. Als sie sahen, dass die beiden jungen Leute auf die Drachen stiegen und davon flogen, bemerkte Letzterer: „Ich habe gar nicht gewusst, dass ihr hier in dieser Festung sogar auf euren Drachen reitet.“

    __„Das sehe ich auch gerade zum ersten Mal“, gestand der Harfner.


    Auf dem Rücken eines Drachen zu fliegen war im ersten Moment ungewohnt, aber nachdem Kindan sich an die Flughöhe gewöhnt hatte, genoss er sowohl den Wind, der ihm um die Ohren pustete als auch die Aussicht, die er von Lurenths Rücken aus hatte. Tatsächlich war Kindan erstaunt, dass er den ganzen Flug über rechts in einiger Entfernung die Bergkette sehen konnte, die von ihrer Festung aus zunächst einmal nach Westen verlief, dann aber in einiger Entfernung von ihnen hinter einem weit ausgebreiteten Wald einen Bogen nach Süden und weiter nach Südosten machte und sich ihnen dann wieder näherte. Ziemlich genau vor ihnen schienen die Berge allerdings vollkommen abrupt ins Flachland überzugehen. Ein Fußgänger, der an der Bergkette entlang gewandert wäre, hätte ohne Unterbrechungen durch die Dämonen sicher auch noch rund zwei Wochen für den Weg gebraucht, und für den direkten Weg über die Ebene hätte man wohl auch mit mehreren Tagen rechnen müssen.

    __Aber die beiden Drachen flogen deutlich schneller als ein Mensch laufen konnte - vielleicht sogar schneller als ein Renner rannte. Tatsächlich waren sie erst am frühen Nachmittag los geflogen, und trotzdem stand die Sonne noch eine Handbreit über dem Horizont, als sie bei den näher kommenden Bergen vor ihnen bereits Details ausmachen konnten.

    __„Es sieht so aus, als ob wir gleich da sind“, rief Lorana von ihrem Drachen herüber. „Das Gebirge ändert vor uns die Richtung und geht dann nach Südwesten weiter, und die Burg Fort befindet sich nicht weit hinter dem Richtungswechsel.“

    __„Sag mal, sind das da Dämonen auf der Ebene neben den Bergen?“, fragte Kindan. Tatsächlich waren sie noch etwas weit zu weg um Details zu erkennen und der Schatten der Berge erschwerte zudem noch die Sicht, aber er hatte irgendwie das Gefühl, als ob sich da auf der Ebene irgend etwas bewegte.

    __„Arith meint, dass du wahrscheinlich recht hast. Sollen wir landen und irgendwo Feuersteine suchen?“

    __„Wir können uns auch erst einmal nähern und uns die Sache aus der Luft ansehen. Vielleicht haben die ja in der Burg Feuersteine für uns, und zur Not können unsere Drachen auch mit ihren Klauen und ihren Zähnen kämpfen.“

    __„Aber dann würde ich vorher lieber absteigen“, rief Lorana herüber.

    __Besteht die Festungsmauer der Burg nicht aus Feuersteinen?, erkundigte sich Lurenth.

    __Kindan musste lachen als er das hörte. „Selbst wenn, solltest du davon lieber nichts fressen. Die Steinmauer dient zum Schutz der Burg, und den möchte ich in der Anwesenheit lebender Dämonen lieber nicht zerstören.“

    __Na, wenn du meinst, meldete sich der Drache. Aber dann müssen wir uns die Feuersteine wohl doch woanders besorgen, oder du und Lorana müsst absteigen, damit Arith und ich mit Klauen und Zähnen kämpfen können.


    Nicht einmal eine halbe Stunde später waren die beiden Drachen schon so nahe an die Dämonen heran geflogen, dass sie diese problemlos hätten angreifen können.

    __Wenn ich es richtig sehe, sind die Berge hier in der Gegend nicht unbedingt zum Landen geeignet, meinte Lurenth. Entweder sind die möglichen Landeplätze so hoch, dass Lorana und du nichts erkennen könnt, oder sie sind von unten zu leicht zu erreichen und bieten keinen Schutz für euch.

    __„Kannst du mich zur Burg bringen?“, schlug Kindan vor.

    __Ja, ich denke, das müsste gehen. Aber dann bemerken die Dämonen auf jeden Fall, dass wir da sind.

    __In diesem Moment fielen die Dämonen in der Nähe völlig überraschend in Ohnmacht.

    __„Was war das?“, fragte Kindan nicht nur seinen Drachen, sondern auch die andere Drachenreiterin. “Sind die so überrascht darüber, dass doch noch zwei Drachen angeflogen kommen?“

    __„Nein, aber Arith hat irgendetwas bewirkt, um die unschädlich zu machen“, rief Lorana zurück. „Ich denke, wir fliegen erst einmal zur Burg und besprechen dann mit den Söldnern dort, wie wir die Dämonen endgültig erledigen.“

    __Offensichtlich hatten die Söldner aber schon selbst bemerkt, dass die Dämonen gerade nicht in der Lage waren zu kämpfen. Sie öffneten die Tore in der Festungsmauer und strömten mit gezogenen Schwertern aus, anscheinend um aus der glücklichen Wendung einen Sieg heraus zu holen.

    __„Kannst du in der Nähe der Söldner landen, damit ich dort absteigen und mit ihnen reden kann?“, fragte Kindan.

    __Aber sicher doch.

    __Lurenth und Arith landeten in einigen Metern Entfernung von den Söldnern, und noch während die beiden Drachenreiter abstiegen, begannen die beiden Drachen die für sie erreichbaren bewusstlosen Dämonen mit ihren Zähnen und Klauen zu erledigen.

    __Kindan zog sein Schwert, und während er sich damit auch um einige Däonen kümmerte, begann er ein Gespräch mit den Söldnern. „Uns ist zu Ohren gekommen, dass ihr hier ein paar zuverlässige Drachen gebrauchen könnt“, sagte er.

    __„Nur, wenn sie unsere Festungsmauern in Ruhe lassen“, meinte einer der Söldner. „Aber wäre es nicht effektiver, wenn eure Drachen die Dämonen mit ihrem Feuer bekämpfen?“

    __„Das würden sie sicher gerne machen, aber leider haben sie gerade keines parat. Und bevor wir lange nach Feuersteinen suchen ist es denke ich sinnvoller, möglichst viele von den Dämonen gleich so zu erledigen.

    __Der Söldner hörte für einen Moment auf, sich um die Dämonen zu kümmern. „Feuersteine? Was soll das sein?“

    __„Das ist eine bestimmte Sorte Gestein“, antwortete Lorana. „Die Drachen fressen dieses und erzeugen aus irgendwelchen Bestandteilen davon ihr Feuer. Wenn ich mich richtig erinnere, bestand die steinerne Festungsmauer der Burg vor einigen Jahren aus Feuersteinen. Ob das aber immer noch so ist, weiß ich nicht. Mein Vater hat mich vor ein paar Jahren zur Drachenfestung geschickt, und meine Rückreise hat sich verzögert, weil ich Partner eines Drachens geworden bin.“

    __„Also meines Wissens nach wurde die Mauer in den letzten Jahren mehrfach repariert, weil die Drachen ständig begonnen haben, die aufzufressen. Erst als wir auf Befehl von Fürst Mendin angefangen haben, alle Drachen mit Pfeil und Bogen anzugreifen, die der Mauer zu nahe kamen, haben die zuerst seltener die Mauer angegriffen und sind dann irgendwann von hier verschwunden.“

    __Nun mischte sich auch noch ein zweiter Söldner ein: „Eigentlich müsstet ihr bei der Drachenfestung doch das gleiche Problem haben?“, fragte er. Aber dann wandte er sich auch gleich sofort an den ersten: „Verzeiht mir, Kommandant, dass ich mich eingemischt habe.“

    __„Nein, schon gut, es ist ja nicht unwichtig, ob die dort ihre Drachen im Griff haben“, meinte der Kommandant zu seinem Untergebenen und wandte sich dann wieder an die beiden Drachenreiter: „Ihr habt die Frage gehört. Oder sind wir falsch informiert, und es gibt in der Drachenfestung doch keine steinerne Festungsmauer?“

    __„Doch, die gibt es“, antwortete Kindan. „Aber die besteht nicht aus Feuersteinen, sondern aus einer anderen Gesteinssorte, an der die Drachen kein Interesse haben. Und nach dem, was ihr da erzählt habt, weiß ich denke ich auch, wieso die wild lebenden Drachen euch verlassen haben. Sie waren einfach unzufrieden damit, dass ihr ihnen die am einfachsten erreichbare Quelle für die Feuersteine vorenthaltet. Aber vielleicht sollten wir das nachher direkt mit Fürst Mendin besprechen.“

    __„Ich kann euch nachher zu ihm bringen“, meinte der Kommandant. „Aber vielleicht wäre es besser, wenn ihr euren Drachen zu Verstehen gebt, dass die sich erst einmal nicht noch weiter der Burg nähern sollen, denn sonst werden meine Kameraden sie wahrscheinlich von der Festungsmauer aus angreifen.“


    Ein paar Stunden später saßen die beiden Drachenpartner und der Kommandant in einem kleinen Besprechungsraum in der Burg und unterhielten sich mit Fürst Mendin. Außer ihnen waren noch der Meisterharfner und ein paar andere Berater des Fürsten im Raum und folgten dem Gespräch.

    __„Vielen Dank, dass ihr uns geholfen habt, die Dämonen heute zu besiegen“, sagte der Fürst. nachdem der Kommandant ihm erklärt hatte, wer die beiden Fremden waren und dass die unverhofft eingetretene Wendung bei dem Kampf gegen die Dämonen im Wesentlichen auf die beiden und ihre Drachen zurückzuführen war. „Vielleicht kommt meine Frage jetzt etwas überraschend, aber würdet ihr euch zutrauen, die wild lebenden Drachen wieder hier in unserer Gegend anzusiedeln und sie dazu zu bringen, die Burg zu beschützen? Ich habe vor drei Wochen einen Boten mit der Bitte zu eurer Drachenfestung losgeschickt, aber wenn ihr jetzt schon hier seid, müssen sich eure Wege wohl überschnitten haben.“

    __„Also, was das angeht“, antwortete Lorana, „hatten wir eigentlich geplant, uns erst in ein paar Monaten auf den Weg zu machen, aber nachdem der Bote in der Festung angekommen ist, sind wir zwei sofort aufgebrochen. Und was das Wiederansiedeln der wild lebenden Drachen angeht, denke ich nicht, dass wir bei so etwas Erfolg haben werden. So wie ich die Situation einschätze, haben die sich wohl eine Gegend gesucht, wo sie nicht ständig mit Pfeilen beschossen werden.“

    __„Wenn das so ist“, meinte der Fürst, „müssen wir die Burg wohl aufgeben. Die Dämonen sind in den letzten Wochen von Tag zu Tag mehr geworden, und ohne Drachen ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie beide Festungsmauern überwinden und uns hier vernichten.“

    __„Verzeiht mir, aber wer sagt denn eigentlich, dass wir euch gar keinen Schutz durch Drachen anbieten können?“, mischte sich Kindan in das Gespräch ein.

    __„Lorana hat doch gerade eben gesagt, ...“, begann der Fürst, aber dann zögerte er.

    __„Sie hat gesagt, dass wir euch wohl nicht helfen können, wild lebende Drachen hier anzusiedeln. Aber wir können euch die Hilfe von unseren eigenen Drachen anbieten. Das einzige, was wir dafür brauchen, ist eine Wohnung für Lurenth, Arith, Lorana und mich, Verpflegung für uns beide - die Drachen jagen sich ihre Beute selbst - und ausreichend Feuersteine, damit unsere Drachen Feuer speien können. Ach ja, und vielleicht auch Nachbarn, die damit klar kommen, dass in ihrer Nähe zwei Drachen leben, denn das hat bei Besuchern in unserer Festung immer mal wieder zu kleineren Problemen geführt.“

    __„Also die Verpflegung sollte kein Problem sein“, meinte der Fürst. „Bei der Wohnung kommt es darauf an, wie groß die sein muss, und bei den Feuersteinen habe ich keine Ahnung, wie leicht man an solche heran kommen kann.“

    __„Feuersteine ist genau die Gesteinssorte, aus der unsere Steinmauer besteht“, erklärte der Kommandant. „Für die erste Zeit könnten wir die eigentlich für mögliche Reparaturen der Festungsmauer gedachten Steine verwenden, und langfristig könnten wir überlegen, ob wir die Mauer nicht durch eine aus einer anderen Gesteinssorte austauschen können. Dadurch werden Feuersteine frei, und wenn wir damit fertig sind, ist die Mauer auch keine Mahlzeit für wild lebende Drachen mehr.“

    __„Ja, das klingt nach einem Plan.“ Er wandte sich wieder an die beiden Drachenpartner: „Wie groß muss die Wohnung für euch und eure Drachen sein?“

    __„Was das angeht, sind wir nicht wählerisch“, meinte Kindan. „Der Raum für einen Drachen muss natürlich groß genug sein, dass er sich darin umdrehen und sich auch zum Schlafen hinlegen kann. Und für jeden von uns reicht ein einfach eingerichtetes Zimmer mit einem Bett, einem Tisch und einer Kommode oder so. Aber auf jeden Fall sollte die Eingangstür zur Wohnung groß genug sein, dass der Drache da durch passt.“

    __„Ich denke, damit fallen die meisten Wohnungen hier schon einmal weg“, meldete sich der Harfner zu Wort. „Wohnungen mit großen Türen gibt es hier nämlich nur sehr wenige, und die sind dann meistens so groß, dass es sich um ganze Häuser handelt, wo der Drache dann oftmals von der Eingangshalle nicht weiter kommt.“

    __„Ja, das stimmt allerdings“, meinte der Fürst nachdenklich. „Wir könnten vielleicht irgend eine Wohnung umbauen, und in der Zwischenzeit könnt ihr die Drachen im Stall bei den Rennern unserer Söldner unterbringen - vorausgesetzt, natürlich, dass die Drachen sich daran nicht stören?“

    __„Verzeiht mir, aber das ist keine gute Idee“, meinte Lorana. „Selbst wenn Arith und Lurenth damit einverstanden wären, würden wir so die Renner verschrecken. Die haben nämlich in der Regel eine natürliche Angst vor Drachen.“

    __„Bei so etwas würde ich ganz entschieden mein Veto einlegen“, verkündete der Kommandant.

    __Eine Zeit lang schwiegen die Anwesenden einander an. Aber schließlich hatte Kindan eine Idee: „Müssen wir eigentlich direkt hier in der Burg wohnen? Ich meine, wenn Arith und Lurenth uns tragen, können wir uns doch irgendwo in den Bergen eine Höhle suchen und entweder für die Mahlzeiten zur Burg kommen oder ab und zu genügend Lebensmittel für ein paar Tage in unsere Höhle mitnehmen.“

    __„Das ist ein interessanter Gedanke“, meinte der Fürst. „Aber was macht ihr, bis ihr eine passende Höhle gefunden habt?“

    __„Bis dahin können wir in einer unpassenden Höhle wohnen“, schlug Lorana vor. „Ich bin mir sicher, dass es im Weyr eine Höhle gibt, die groß genug für uns ist. Die Kommunikation zwischen uns und der Burg könnte dort zwar vielleicht ein kleines Problem sein, aber für den Anfang dürfte es wohl trotzdem gehen.“

    __„Im Weyr?“, erkundigte sich Kindan.

    __„Der Weyr ist einer der Berge hinter der Burg“, erklärte der Harfner. „Von der Form her ist es wahrscheinlich ein erloschener Vulkan, auf jeden Fall gibt es dort einen Krater, und im Inneren des Kraters gibt es zahlreiche unterschiedlich große Höhlen. Also wenn ihr eine passende Höhle für euch sucht, werdet ihr dort bestimmt fündig.“ Er schwieg einen Moment und fügte dann noch hinzu: „Und für die Kommunikation hätte ich da vielleicht auch eine Idee. Wir haben hier in der Burg ein paar große Trommeln, mit denen wir die Leute in der Umgebung warnen, wenn wir wieder einmal Dämonen entdeckt haben, und die kann man ziemlich weit hören. Vielleicht sogar im Weyr, aber das müssten wir natürlich einmal ausprobieren.“

    __Das klang nach einem Plan, und so entschied man sich, dass Kindan, Lorana, Arith und Lurenth fortan im Weyr wohnen und von dort aus regelmäßig zu ihren Einsätzen aufbrechen sollten, um die Burg Fort bei dem Kampf gegen die Dämonen zu unterstützen.


    Der Vorschlag des Harfners musste tatsächlich nur leicht abgeändert werden. Weil man die Trommelsignale zwar oben auf dem Rand des Kraters, aber nicht im Weyr selbst hören konnte, bauten die Zimmerleute der Burg auf dem Rand des Kraters eine kleine Hütte, in der ein Untergebener des Harfners die Aufgabe hatte, die von der Burg kommenden Trommelsignale zu wiederholen und so für die Drachenreiter hörbar zu machen.

  • Hallo Feuerdrache,

    Tatsächlich hatte ich die Art, wie die Drachen Feuer speien können, aus den Pern-Büchern übernommen, aber dort gibt es - bei den Büchern, die ich aus der Reihe bisher gelesen habe - keine Geschichte, in der die Aufzucht der Drachen so kompakt beschrieben wird, wie ich das in der zweiten Erzählung gemacht habe.

    Ich muss zugeben, von den Pern-Büchern habe ich hier zum ersten Mal gelesen, aber die Inhaltsangabe klingt interessant. Danke auf jeden Fall für die Erwähnung, eventuell lese ich da auch mal rein.


    So, neues Kapitel. Dass sich die ausgebildeten Drachenreiter nun ihr zukünftiges Aufsichtsgebiet aussuchen können, ist eine gute Sache. Ganz generell mag ich es, dass sie nicht nur Dämonen vertreiben müssen, sondern wie in diesem Fall auch für die Drachenpopulation in der Gegend um Burg Fort sorgen. Ich vermute mal, dass das wiederum für mehr Streitkräfte gegen Dämonen sorgt und somit sicher in jedermanns Interesse ist, wenn sie wieder in das Gebiet zurückkehren. Interessant war hier auch die Vorgeschichte, dass sich die Menschen in der Burg an Feuersteinen bedient haben und dadurch erst der Konflikt zwischen ihnen und den Drachen entstanden ist. Insofern ist die Situation also hausgemacht und es wird sich zeigen, ob sich nicht irgendwann noch etwas daran ändert.

    Jedenfalls ist der erste Eindruck zur Zusammenarbeit zwischen Drachenreitern und Burgbewohnern ein guter, was Hoffnung aufkeimen lässt. Bleibt eigentlich nur noch die Frage, ob sie ihre Wohnungen erhalten werden, aber das ist wohl eine andere Geeschichte.


    In diesem Sinn: Wir lesen uns!