Chroniken Rhanors: Ralvisae

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  • Künstler: JLIEN, Quelle



    Von einem Versprechen der Freiheit

    & dem Fluch, der alles besiegelte




    Vorwort«

    Hallöchen Lieber Leser.

    Wie ich sehe, hast du dich in mein "Ups-eine-Fanfiction-wo-kommt-die-denn-her"-Thema verloren, was mich sehr freut. Mainly schreibe ich diese, weil sie mir einfach nicht mehr aus dem Kopf geht und mich in anderen Belangen behindert (bzw. mich einfach ablenkt). Und wie sagt man so schön? Was raus aus dem Kopf ist, ist raus. Nebenbei habt ihr sogar auch etwas davon, wenn ihr gern Sachen von mir lest oder einfach mal Lust auf eine neue Fantasaygeschichte im BB habt.


    Ein paar Informationen«

    Wie man am Titel vielleicht erahnen kann, ist diese Fanfiction nur ein Ausschnitt aus etwas Größerem. Konkret gesagt ist Rhanor meine eigens ausgedachte Fantasywelt, in der viele Geschichten und Schicksale geschrieben stehen; mitunter ist diese Welt sogar Schauplatz für den ein oder anderen PnP-Oneshot. Aber keine Bange, ihr werdet zwar von mir eiskalt ins Geschehen, genauer gesagt in das Land Tevaria, geworfen und das ohne einen wirklichen Überblick (hehe), aber wenn ihr in Entdeckerlaune seid und sogar eine neue Welt nach und nach kennenlernen wollt (ohne das hier im Startpost viel steht), dann wird das hier mit Sicherheit möglich sein! ...*

    On a sidenote: Diese Geschichte wird ab einen gewissen Punkt ziemlich düster werden und auch das ein oder andere Thema behandeln, was man mit Vorsicht genießen sollte. Aus diesem Grund werde ich bestimmte Kapitel kürzen und/ oder ein wenig umschreiben. Vor den entsprechenden Kapiteln wird das nochmal erkenntlich gemacht und jene, die die Originalfassung haben möchten, können sich dann privat bei mir melden.


    Inspiration«

    Inspiriert haben mich viele Dinge insgesamt, allem voran natürlich Dungeons & Dragons, Fantasy als Genre im Allgemeinen (Elfen, Drachen, Magie & Co.). Für diese Chronik im Speziellen kann ich Lothric und Lorian aus Dark Souls 3 erwähnen, denen die Prinzen Weißforts sogar ihren Namen verdanken und vielleicht noch eine andere Kleinigkeit im späteren Verlauf, die mich inspiriert hat. Des Weiteren findet man hier und da mit Sicherheit auch kleinere Referenzen zu anderem Bekanntem und kleinere Easter Eggs.

    Die Charaktere und die Welt gehören abseits davon dennoch allesamt mir!


    Danksagung«

    Musicmelon dafür, dass er mich wieder einmal zu Dingen überredet (aber keine Sorge: Er muss jetzt auch eine FF schreiben, höhö).

    & Rex Lapis dafür, dass sie meine Betaleserin ist. ♥


    Klappentext«

    Ralvisae ist angehende Magierin Weißforts. Der hohe Rat und ihr Lehrmeister wollen ein Musterbeispiel einer Hofmagierin aus ihr machen: Adrett, folgsam, würdevoll. Nur hat sie ihre ganz eigene Vorstellung von der Praktizierung der Magie, die sich absolut nicht mit den veralteten Vorstellungen der Oberen verträgt. Doch das wird bald ihre geringste Sorge sein: Ehe sie sich versieht, verstrickt sie sich tiefer und tiefer in die Intrigen und Geheimnisse des königlichen Hofes und sieht sich schon bald mit Entscheidungen konfrontiert, die nicht nur ihr eigenes Schicksal entscheiden.


    *Charakterübersicht«

    ... dennoch habe ich mich dazu entschieden, euch zumindest eine kurze Übersicht über die Charaktere zu geben. Ich selbst kenne es nämlich, dass ich mit vielen Namen irgendwann überfordert bin und gerade am Anfang werden noch ein paar mehr Namen auftauchen. Damit ihr einen Überblick über die ganzen (non)-Cuties behalten könnt, folgt hier ein kleiner Spoiler mit Name und kurzer Beschreibung bzw. Erklärung, die ich immer mal wieder update, sollten neue Charaktere (oder Orte) hinzukommen.



    Kapitelübersicht«

    Prolog: Halb Acht

    Kapitel 1: Wenn Blicke töten könnten

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    Die unpünktlichen Leute sind die interessanteren

    - zumindest im Hinblick auf ihre Ausreden.



    Prolog: Halb Acht





    »Sorry, ich muss hier mal durch!«


    Das war alles was man hörte, ehe ein personifizierter Sturm an diesem Morgen an einem vorbeirauschte. Mit Müh und Not klammerte man sich an sein Hab und Gut oder an seinen Marktstand, an welchem man gerade noch die letzten Vorbereitungen traf. Mehr schlecht als recht sprang man zur Seite oder quetschte sich völlig verwirrt gegen die nasskalte Wand der schmalen Gasse, als würde man bei etwas Verbotenem erwischt werden. Hatte die Wache etwa herausgefunden, dass man seine Preise ohne das Einverständnis des Käuferverbandes erhöht hatte?


    »Bleib stehen!!! Das ersetzt du mir!«


    Alternativ konnte man auch erzürnt dieser Naturgewalt hinterherbrüllen und drohend einen Besen erhoben haben – die Ratten in den dunklen Ecken der Gasse erschauderten bei dem Anblick. Sie … nicht. Sie drehte ihren Kopf zur Seite und blicke feixend über ihre Schulter nach hinten. Ein freches Grinsen hob ihre Mundwinkel an und kichernd streckte sie ihre Zunge raus. Ihr heller Umhang wehte ihr hinterher, jedes Mal, wenn sie hinter der nächsten Ecke verschwand.


    Es war ein wunderbarer Morgen. Die Sonne war vor wenigen Stunden hinter der riesigen Bergkette des Kivethgebirges aufgegangen und schenkte einem jeden ihre noch schwache Frühlingswärme. Die Hauptstadt erwachte langsam immer mehr zum Leben: Händler bereiteten ihre Stände vor – sollten sie nicht unterbrochen werden, weil eine bestimmte junge Frau vorbeihastete und eine mittelschwere Katastrophe hinter sich herzog –, die Wachen wechselten ihre Schicht und lösten einander ab, Hausfrauen schüttelten ihre gewaschene Wäsche aus, die Fenster der Tavernen wurden sperrangelweit aufgerissen, die ersten Kinder spielten auf den Plätzen vor ihren Elternhäusern und hier und da waren Besucher bereits auf den Beinen, um den Markt zu besuchen.


    Und Ralvisae? Nun, sie kam zu spät. Und das nur, weil ihr der Weg immerzu versperrt wurde! Das alles wäre erheblich leichter, dürfte die angehende Magierin ihre Kräfte nutzen! Aber das war ja verboten und unsittlich. Magie im Alltag - pfui! Magie sollte dem großen Ganzen dienen und nicht für die einfachen Dinge verschwendet werden, die man auch ohne sie bewältigen konnte. Ral verdrehte die Augen, als sie über eine Kistenansammlung sprang und danach etwas strauchelnd ihr Gleichgewicht suchte. Das war altmodisch, nervig und überhaupt nicht mehr zeitgerecht.


    »Eh, huch, guten Morgen, Jungs!« Sie grinste die zwei verdatterten Wachen an, die ihren Weg kreuzten. »Weitermachen.«


    »Einen Augenblick, junge Dame!«


    Im Laufen drehte sich die Angesprochene um und gestikulierte mit ihren Händen. »Ich war’s nicht! Und ich hab‘s wirklich, wiiirklich, eilig!«


    »Ich meine mich daran zu erinnern, dass du erst gestern angehalten worden bist, nicht für Unruhe im Marktbezirk zu sorgen!« Der etwas stämmigere Kerl von den Beiden deutete mit einem Finger auf sie. »Und das«, er drehte sich zur Seite und deutete dann in die Richtung, aus der Ral gekommen war, »sieht mir nach einer ganzen Menge Unruhe aus!«


    »Ich hab‘ doch schon gesagt: Ich war’s nicht! Ich schwöre hoch und heilig«, Ral machte eine halbe Verbeugung, »das war bestimmt meine böse Zwillingsschwester. Ist wirklich schlimm mit ihr. Ständig verwechseln die Leute mich mit ihr!«


    »Ralvisae Ravinfall!«


    »Okay, okay. Ist ja gut! Spielverderber … Tut mir Leid, aber ich hab’s echt eilig! Der alte Sac- Opa hält mir sonst wieder einen ewig langen Vortrag!« Mit jedem weiteren Wort machte die junge Frau einen Schritt nach hinten. Warf einmal einen kontrollierenden Blick über ihre Schulter, um sich zu vergewissern, dass tatsächlich die Kante der Mauer in Reichweite war, die den reißenden Fluss weiter unten durch die Hauptstadt führte. Die Natur suchte sich ihre Wege und damals hatte man eben dies beherzigt, als man Weißfort auf dem Gebirgsausläufer gebaut hatte.


    »Deine Ausreden werden dieses Mal keine Hilfe sein. Ich bitte dich im Namen der Stadtwache, uns zu folgen, um dich für wiederholtes Stören des geregelten Ablaufes der Stadt zu verantworten.« Der stämmige Kerl hob seinen Kopf an und reckte die Brust ein wenig vor. Da hatte jemand definitiv zu viel Motivation an diesem Morgen.


    »Sorry … aber ne, lasst mal.« Die Magierin hob eine Hand und formte mit ihren Fingern ein einfaches Zeichen in der Luft, was an einen silbergrauen Stock mit Hut erinnerte. »Crown. Leih mir deine Flügel, deine scharfen Augen und deinen leichten Körper, mein Freund.«


    Ein kleiner schwarzer Vogel stürzte mit einem Mal hinab und Ralvisae spürte, wie ihr Körper von Magie erfüllt und durchtränkt wurde. Wie sie an ihrem Geist und an ihrer Seele zupfte, sie formte und ihr für einen kurzen Moment die Sinne raubte. Blind ließ sie sich fallen – spürte den Wind und die Schwerelosigkeit. Hörte den überraschten Ausruf der Wachen. Die Magie verformte ihre Seele und ihr Sein, schenkte ihr das, wonach sie verlangt hatte: Die Flügel, die scharfen Augen und den Körper ihres gefiederten Begleiters Crown.


    Sie öffnete die Augen, spürte nun den Wind durch die Federn der – ihrer – Flügel streichen und die plötzliche Einfachheit der Situation erstaunte sie. Sie drehte sich im Fall ein wenig, breitete die schwarzen Schwingen aus und folgte dann dem Lauf des reißenden Stroms mehrere Meter flussabwärts. Segelte über dem Wasser durch die Stadt - nicht weit und sie würde den großen Hafen erreichen. Durch den Schwung des Falls musste sie kaum mit den Flügeln für Auftrieb sorgen, da sie dem Gefälle den Berg hinab folgte. Die verschiedenen Viertel der Stadt rasten an ihr vorbei, während sie sich in die Kurven des ummauerten Flusses lehnte. Je tiefer sie kam, desto niedriger wurden auch die Wände. Ralvisae schlug kräftig mit den Flügeln, um sich höher in die Luft zu heben – sie musste nicht zum Hafen. Genau genommen musste sie in die entgegengesetzte Richtung. Dennoch hatte sie sich regelrecht mitreißen lassen vom Gefühl des Windes und des fließenden Wassers unter ihr. Hatte nachgegeben, den Instinkten der Natur zu folgen.


    Sie zog einen ausladenden Kreis über dem Hafenviertel, berichtigte ihren Kurs und segelte über die Dächer der Stadt immer höher, hinauf zum Gipfel Weißforts. Ral liebte diesen Ort. Das helle Gestein harmonierte perfekt mit der in den Kalkstein gehauenen Stadt. Weißfort– die silberweiße Hauptstadt Tevarias. Sie wurde ihrem Namen mehr als gerecht, besonders wenn die aufgehende Sonne ihre Brillanz noch unterstrich.


    Von oben hatte man eine so viel bessere Aussicht und die junge Frau sog diese Schönheit in sich auf; merkte sich die ganzen Details ihrer Heimat. Bekam sie doch nie genug von diesem Anblick: Die breiten Gassen der Hafenstadt, die belebten Hauptstraßen in Richtung Zentrum, die ärmeren Viertel weiter unten und die noblen Bezirke weiter oben. Die grauen bis schwarzen Dächer der Häuser, die vielen Gassen und Brücken, die Schluchten und Pässe innerhalb Weißforts, die immerwährend daran erinnerten, dass man auf einem Berg lebte.


    Und dann war da noch ihr Ziel. Hoch oben in der Stadt, auf einem Ausläufer des Kivethgebirges, thronte der weiße Palast der Königsfamilie und direkt davor die Einrichtungen der Königsgarde und ein Stück darunter die der Stadtwache, sowie die Magieakademie weiter rechts an der Seite des Gipfels.


    Ral legte die Flügel an und nutzte eine günstige Windströmung, um schneller voran zu kommen. Je näher sie dem großen Platz vor dem Palastgarten kam, desto deutlicher erkannte sie auch den Menschenauflauf an eben jenem. Hatte sie wieder irgendein Fest oder einen Feiertag vergessen? Sie zog eine kleine Schneise und ließ sich vom Wind über die Köpfe der Schaulustigen tragen.


    Dank der guten Augen Crowns erkannte Ralvisae die Königsgarde und die Königin. Daneben stand der jüngste Prinz und das ein oder andere Mitglied des hohen Rates. Im Flug drehte sie ihren Kopf zur Seite. Die Schaulustigen vorm Tor der Brücke, die zum Palast führte, waren ein bunt gemischter Haufen aus Adligen, einfachen Bürgern und aufgeregten Kindern. Im Ernst, was hatte sie vergessen? Sie legte die Flügel an und glitt tiefer, um sich ein besseres Bild machen zu können.


    Die Antwort auf ihre Frage kam einen Augenblick später auf einem Pferd durch die Menge geritten. Lorian – ältester Sohn des Königs und Kronprinz Weißforts. Richtig, sie sollte eigentlich mit dort unten stehen. Neben ihrem Meister und Lehrer. Die scharfen Augen ihrer Rabengestalt suchten nach dem Opa. Mit verschränkten Armen stand der alte Sack neben einem Ratsmitglied und schaute direkt in ihre Richtung.


    Oh, nein.


    Bevor Ralvisae auch nur reagieren konnte, spürte sie einen erneuten Wandel der Magie um sich herum. Wie sie gewaltsam aus der Rabengestalt gezogen wurde und mit einem Kreischen mitten im Flug ihre eigentliche Gestalt annahm. Hilflos mit den Armen rudernd, stürzte die junge Frau in ein großes Zierbecken direkt unter sich. Ihr Lehrmeister hatte nur darauf gewartet, dass sie sich über einem der vier im Palastgarten befand.


    Mit einem lauten Platsch landete Ral unsanft im Wasser, während Crown krächzend auf dem Rand landete. Hustend und weiter mit den Armen rudernd brach seine Besitzerin keine fünf Sekunden später durch die Wasseroberfläche. Sie war zum Glück nicht mehr sonderlich weit oben geflogen, die Tiefe des Wassers hatte also bestens ausgereicht.


    Während ihr Hassopi sie wütend niederstarrte, fasste sich der Hauptmann der Stadtwache an die Nasenwurzel. Die Königin schaute voller Würde dem ältesten Sohn entgegen und ignorierte das ungeplante Spektakel rechts von sich, während eben jener mitsamt seiner Einheit zu Ral blickte und sich ein Grinsen mehr als nur verkneifen musste. Das Gleiche galt für Lothric; seinem jüngeren Bruder, der neben der Königin stand und mit großem Interesse zu Ralvisae hinübersah, die keine zehn Meter von ihm entfernt ächzend nach Luft schnappte.


    Der Kronprinz und sein persönlich auserkorener Trupp überbrückten die letzten Meter zum Empfangskomitee, bestehend aus der Königin, seinem Bruder und anderen hohen Persönlichkeiten. Er neigte seinen Kopf leicht zum Gruß, wodurch seine langen, silberweißen Haare leicht nach vorn fielen. »Schön, wieder daheim zu sein.«


    »Ich hoffe, Ihr hattet einen unbeschwerlichen Weg und bringt gute Nachrichten für Euren Vater und Weißfort.« Königin Megara bedachte Lorian mit einem strengen und aufmerksamen Blick. Es war kein Geheimnis, dass sie nicht die leibliche Mutter der Prinzen war – diese war vor einigen Sommern bereits verstorben. Dennoch war sie im allgemeinen Volk hoch angesehen, da sie zwar mit Stärke und Strenge regierte, jedoch immer eine gewisse Fairness und Fürsorge im Kern beibehielt.


    Lorian lächelte und seine hellen Augen zeugten davon, dass er das tat, als er sich wieder erhob.


    Währenddessen tastete Ral nach dem Rand des Beckens und hievte sich an diesem nach oben. Ihre mandelfarbenen Haare, die sich mittlerweile aus ihrem Dutt gelöst hatten, hingen ihr mehr als nur dekorativ im Gesicht. Klitschnass versuchte Ralvisae ihre Frisur halbwegs in Ordnung zu bringen, als sie aus dem Zierbecken geklettert war. Mit eher mittelmäßigem Erfolg. Eigentlich tat die junge Frau das auch nur, um sich von der Peinlichkeit abzulenken, in die sich dank ihres Lehrmeisters geraten war. Er hätte sie einfach in Gestalt von Crown weiterfliegen lassen können. Aber nein. Er wollte, dass sie sich derartig vor der halben Königsfamilie blamierte. Und ihrem Vater. Und einem Teil des hohen Rates.


    Eben jener Lehrmeister kam wenige Augenblicke später auch auf sie zugelaufen. Langsam, so langsam, dass man Sorge hatte, er würde entweder auf dem Weg einschlafen oder verenden. Seine Arme hatte er dabei typischerweise auf dem Rücken verschränkt, auch wenn man das wegen seiner langen dunkelblauen Robe nicht wirklich erkennen konnte. Ralvisae wusste, dass er das tat. Es war sogar ziemlich schwer, ihn in einer anderen Haltung zu beobachten. Nicht, als würde das eine sonderlich große Rolle aktuell spielen.


    »Es ist neun Uhr.«


    Sie hielt eine Strähne ihrer Haare zwischen den Fingern und sortiere diese dann nach einer kurzen Pause, in der sie der alte Vaaltra nur angestarrt hatte, zu den dazugehörigen an ihrer Seite. »Ups?«


    Der Blick, mit welchem sie gestraft wurde, verhärtete sich. Einen Augenblick später drehte sich Vaaltra bereits um und schritt langsam zurück in Richtung Palast. Die Königsfamilie stand nach wie vor dort und schien sich miteinander zu unterhalten – beziehungsweise löcherte Lothric seinen großen Bruder mit allerlei Fragen zu seiner kurzen politischen Mission in die nahe gelegene Handelsstadt.


    »Halb Acht, Ravinfall. Halb Acht war die ausgemachte Uhrzeit. Dein mangelndes Verständnis für Pünktlichkeit ist enttäuschend und unangebracht.«


    Die Angesprochene verdrehte die Augen, folgte ihrem Lehrmeister jedoch.


    »Noch schlimmer ist die alltagsgebräuchliche und unsachgemäße Anwendung von Magie.« Vaaltra tätigte einen Wisch mit seiner Hand, ohne sich umzudrehen und vereitelte damit Rals Versuch sich mit Hilfe von ihr zu trocknen. »Du trägst diese Strafe nach außen und für alle sichtbar für deine Vergehen. Du magst begabt in der Schule der Magie sein und genießt ein gewisses Wohlwollen des jüngsten Prinzen, aber eine Sonderbehandlung bekommst du deswegen nicht.«


    Mit glühenden Wangen zog die junge Dame ihren Kopf leicht ein als sie das Grüppchen um die Königsfamilie passierten. Sie starrte einfach auf den Rücken ihres Meisters, um nicht vor Scham im Boden zu versinken – es war eine Sache gewesen, in sicherer Entfernung so zu tun, als würde ihr das nichts ausmachen. Bei einer solchen direkten Begegnung jedoch war es dann doch nochmal was ganz Anderes. Insbesondere wenn der Kronprinz anwesend war.


    Jener bemühte sich, keine sichtbare Reaktion nach außen zu zeigen, als er einen Seitenblick riskierte. Lothric hingegen schenkte Ral ein aufmunterndes Lächeln, wenngleich diese ihren Blick nicht von der dunkelblauen Robe vor sich abwandte. Sie spürte die Blicke. Den etwas weiter entfernten Blick ihres Vaters ignorierte die junge Frau also auch mit unglaublicher Präzision.


    »Entschuldigt dieses Malheur, Euer Majestät.« Vaaltra neigte sein Haupt vor der Königin. »Irgendwann wird Fräulein Ravinfall eine verlässliche Magierin des Hofes sein. Dafür werde ich sorgen.«


    »Gewiss.« Megara nickte dem obersten Magier zu und bedachte Erwähnte mit einem kurzen strengen Blick. »Ich habe keinerlei Zweifel, das dem so sein wird.«


    Das werden wir noch sehen, dachte Ralvisae.



    Kapitel 1

  • Hallo,


    der Beginn der Geschichte ist unterhaltsam und das Chaos bei den Marktständen spricht für eine besondere, Ärger anziehende Person. Ralvisaes kecke Einstellung spricht für jugendlichen Leichtsinn, auch wenn sie dank ihrer Profession in der Magie eigentlich das genaue Gegenteil ausleben sollte. Wer weiß, ob ihr Lehrmeister nicht ursprünglich ebenfalls so war wie sie und diverse Spielereien kaum unterlassen konnte. Dass sie sich mithilfe ihrer Magie als Rabe tarnte, empfand ich durchaus als spannend und zeugt zumindest davon, dass sie bereits sehr begabt ist. Wollen wir hoffen, dass sie bald auch wirklich dazu kommt, sich zu beweisen.


    Wir lesen uns!

  • Hallo,


    da ich an dem D&D One Shot teilnehmen wollte, habe ich mir mal die Geschichte dazu durchgelesen. Und da ich eigentlich viel zu selten Kommentare dalasse, dachte ich mir, ich schreibe mal einen. Den Prolog fand ich sehr gut gemacht. Man lernt Ralvisae kennen und wie sie so drauf ist. Macht auf jeden Fall Lust auf mehr. Bei "personizifierter Sturm" und "Naturgewalt " hatte ich erst gedacht, sie würde einen Sturm beschwören oder sich in einen Sturm verwandeln, um sich einen Weg zu bahnen. Aber auch ohne Sturm scheint es sehr chaotisch gewesen zu sein in der Stadt. Die Sätze mit "man" am Anfang fand ich etwas ungewöhnlich, aber auch eine kreative Umsetzung für die Beschreibung der Situation. Auch die Beschreibungen der Stadt fand ich sehr gelungen. Der Prolog macht auf jeden Fall Lust auf mehr. Daher bin ich mal gespannt, wie es weitergeht.

  • * Kaios anstups* schreibst du noch an deiner Geschichte? ^^

    Ich hab seit einiger Zeit mehr oder minder das Interesse an Pokemon verloren und lese seitdem seltener die längeren Fanfiction hier, no Offense an die Fanfictionautoren zu den Pokemon-FFs hier ofc, aber eine originale Fantasywelt, in der du auch DnD-One Shots leitest, interessiert mich sehr und mich würde interessieren, was du für die Welt, Story und Charaktere noch geplant hattest. ^^


    Sie hat definitiv Recht damit, dass Magie im Alltag ebenfalls verwendet werden sollte / man dies dürfen sollte. Die Frage bei ihr ist wohl aber (momentan noch?), ob man ihr trauen kann, dass sie nicht jeden Tag eine Spur aus Chaos hinterlässt und verantwortungsvoll mit Magie umgeht. xD

    Der Einstieg in die Story fängt schon sehr amüsant an, aber ich wüsste anhand des Textes auch nicht, ob ich ihr Magie im Alltag anvertrauen würde haha.


    Die Beschreibungen find ich allesamt lebendig und gut beschrieben, bloß würde ich die zu moderne Begriffe weglassen. Du brauchst keine unnatürlich hochgestochene Sprache, aber das "sorry" zu Beginn zb. bricht etwas mit dem Setting, finde ich.


  • Rekommentare



    Ein paar allgemeine Informationen


    Kaum zu glauben, aber wahr: Nach zwei Jahren (oh boy ...) kommt endlich das erste Kapitel meiner Geschichte hier! Denn vergessen habe ich sie keinesfalls, im Gegenteil sogar. Glücklicherweise habe ich auch bereits ein bisschen mehr geschrieben, weswegen es hoffentlich nicht wieder zwei Jahre braucht, bis das zweite Kapitel kommen wird! Aber erst einmal:


    Hallöchen! Freut mich, dass du deinen Weg zurück ins Topic gefunden hast oder neu dazu gekommen bist! ♥


    Direkt ein paar Kleinigkeiten vorweg: Mir ist aufgefallen, dass ich im Startpost zwar gesagt habe, dass ich euch einfach ins Geschehnis werfe, ohne euch groß Informationen mit auf den Weg zu geben, allerdings dachte ich mir, dass es eventuell trotzdem ganz hilfreich sein kann, wenn ihr zumindest eine Übersicht über Charakternamen oder -orte habt. Viele verschiedene Namen auf einmal überfordern mich nämlich auch immer, wenn ich in eine neue Geschichte eintauche.

    Und deswegen habt ihr eine solche Liste nun im Startpost! Ich bin noch am Überlegen, ob ich mit Voranschreiten der Geschichte vlt. auch ein, zwei Stichpunkte noch mit dazu schreibe oder ob ich es bei dem belasse, was man momentan im Spoiler findet. Schauen wir mal! Alternativ könnt ihr mir auch gern sagen, was ihr cool finden würdet.


    Des Weiteren ist mir beim Überarbeiten bzw. Fertigstellen des ersten Kapitels aufgefallen, dass ich selbst stellenweise ein recht eindeutiges Bild für das Aussehen bestimmter Charaktere im Kopf habe, ohne sie bislang groß beschrieben zu haben oder Bildtechnisch was gezeigt zu haben. Zwar kann man vermuten, dass der Header der Geschichte beispielsweise Lothric ist (einfach weils ein Fanart zu Dark Souls 3 Lothric ist, lol), aber ich bin mir momentan noch nicht ganz sicher, ob ich euch das vorgeben möchte oder nicht. Bekanntlich malt der Geist beim Lesen ja gern ganz eigene Bilder zu Charakteren.

    Ich überlasse es also euch, ob und wie ihr die Charaktere sehen möchtet. Bei Bedarf kann ich euch Inspirationsbilder zukommen lassen (zB privat), wenn es euch interessiert, was ich so im Kopf habe für den einen oder anderen. Hier im Topic wird es weiterhin offen gelassen und Raum für eigene Interpretation gelassen!


    Zum Abschluss noch eine kleine Vorwarnung: Vermutlich wird es bald einen kleinen Zeitsprung geben. Mir ist aufgefallen, dass bestimmte Entwicklungen bzw. zukünftige Plots mehr Sinn ergeben damit. Aber keine Sorge; ich rede hier jetzt nicht von 10 Jahren+ oder so. Vermutlich ein Jahr, maximal (!) Zwei.

    Ich gebe euch diese kleine Vorabinfo, weil ich weiß, dass manche Leser so ihre Probleme mit Zeitsprüngen haben. Ich kann euch aber versprechen, dass es keinen Einfluss auf das Verständnis haben wird. Und es dauert auch noch ein paar Kapitel, falls es passiert. Ich bin mir aktuell noch nicht so ganz sicher, wie sich die konkrete Handlung entwickelt. Zwar habe ich den Großteil der Geschichte im Kopf fertig, aber ihr kennt es ja, dass Charaktere gern mal ihre eigenen kleinen Seitenwege vorher noch gehen. Und Ralvisae ist ziemlich gut darin, ihren eigenen Kopf zu haben ...


    Bevor ich euch vor Begeisterung noch weitere Dinge und Geplantes vorwegnehme, halte ich mal meinen Sappel. Ich liebe es nämlich viel zu sehr über geplante Ideen und Plots zu reden, lol.



    Kommentar des Autors zum neuen Kapitel


    +++ Diesen Abschnitt würde ich eventuell erst lesen, wenn ihr das neue Kapitel gelesen habt, da ich auf einige Dinge explizit eingehe! +++


    Im Kapitel selbst passiert zunächst nicht allzu viel. Genau genommen habe ich es größtenteils dafür genutzt, euch drei der wichtigsten Charaktere vorzustellen. Gut, einer kommt erst am Ende vor, wird aber noch mehr "Screentime" im nächsten Kapitel dann bekommen. Vermutlich darf man sich auch daran gewöhnen, dass in der Geschichte viel Dialoge vorkommen werden, einfach weil ich es liebe, Gespräche zu schreiben, lel.


    Zwischen den Zeilen kann man auch schon einige Informationen zu Ralvisae's Leben (und familiären Umständen) erfahren, den einen oder anderen indirekten Plothook für später und natürlich auch allerlei Wissenswertes zu anderen (non)-Cuties der Geschichte. Fokus der Geschichte soll vor allem auf Ral's Funktion als Magierin liegen, sowie auf der Freundschaft zwischen ihr und Lothric.

    Amüsanter Sidefact: Ursprünglich hatte ich nicht geplant darüber hinaus ein romantisches Verhältnis mit einzubauen. Nicht jede Geschichte braucht das - waren meine Gedanken. Aber ich bin ehrlich: ich shippe Ral und Lorian schon so ein bisschen. Bisschen sehr, wenn ich meine Notizen für Zukünftiges anschaue, räusper. Wie sehr ich das jedoch letztendlich aktiv in die Geschichte hier einbringe, werden wir noch sehen. Ich finde es nur immer wieder erstaunlich, wie manche Charaktere einfach ein Eigenleben entwickeln und Dinge dann ganz anders kommen als ursprünglich geplant. Aber ja, ich hab eine kleine Schwäche für Beziehungen wie diese, gebe ich zu. xd Außerdem passt es ja schon recht gut in den Plot/ das Setting, misti ...


    Wer sich über den Ausdruck Hazel-Augen gewundert hat: Damit meine ich keineswegs die deutsche Übersetzung "Haselnussbraune Augen". Ich meine damit das Phänomen, in welchem die Iris einen gleichen Anteil von Grün, Braun und Blau hat und die Augen deswegen je nach Lichteinfall anders erscheinen. Deswegen habe ich das als Eigenwort in der Geschichte gelassen.

    Ähnliches gilt für den Titel von Varathil. In Englisch klingt er einfach besser. Uuuuund deswegen ist er auf Englisch.


    Ich habe zudem in diesem Kapitel davon abgesehen, viele Umgebungsbeschreibungen mit einzubringen. Ich meinte ja schon weiter oben, dass dieses Kapitel vor allem ein wenig einen Einstieg bieten und euch Charaktere vorstellen soll. Dann nebenbei noch lange Beschreibungen vom Ort zu lesen, hätte das Kapitel glaube nur unnötig in die Länge gezogen. Hier und da gibts ein paar kleine Stützen, aber ich denke, das hat auch (hoffentlich) ausgereicht vorerst.



  • Prolog




    Non-commercial use, Quelle


    Bei einem Freund kannst du eine Sache besonders gut

    - laut denken.



    Kapitel 1: Wenn Blicke töten könnten



    Nach dem ereignisreichen Morgen waren bereits einige Stunden vergangen. Ralvisae hatte sich ihrem eigenen Alltag gestellt und saß demzufolge unter Büchern, Pergamenten und Schriftrollen begraben in einem etwas abgegrenzten Teil der riesigen Bibliothek der Akademie.


    Vor ihr saß Varathil – ein überaus angesehener Magier und Berater des königlichen Hofes, der das große Glück hatte, ihren heutigen Unterricht zu führen. Außerhalb ihrer Studien und des Unterrichts war der Elf ihr Vertrauter, gar ein Freund könnte man sagen. Denn die chaotische und ungezügelte Persönlichkeit der jungen Frau faszinierte ihn; erinnerte ihn daran, dass die Welt noch Träumer und Freigeister besaß. Ralvisae war anders. Und anders war gut. Sie musste nur noch lernen, Verantwortung zu übernehmen und gewissenhaft mit der Macht umzugehen, die sie zu beherrschen lernte.


    Aktuell schienen die Bücherregale in der unmittelbaren Nähe jedoch weitaus interessanter zu sein als die Lektionen vor ihr auf dem Tisch. Noch immer sinnierte sie über den Morgen. Wie peinlich das alles doch gewesen war! Ral wollte gar nicht darüber nachdenken, wann sie ihrem Vater gegenübertreten musste. Ihr Verhältnis war ohnehin schon schwierig, aber jetzt? Vielleicht konnte sie später einfach nach Hause zu Mutter schleichen … ohne, dass sie ihm begegnete.


    »Ich nehme an, Ihr seid fertig, Miss Ravinfall?«


    Die Angesprochene zuckte zusammen, als sie so unvermittelt die ruhige und tiefe Stimme Varathil’s hörte. Lange Zeit hatte man nur das Rascheln von Papier gehört oder entfernte Schritte von anderen, die in der Bibliothek unterwegs waren. »Ich … ähm.« Sie sah auf die Pergamente vor sich, linste hoch zum aufgeschlagenen Buch direkt darüber und legte dann den Kopf schief. »Vielleicht?«


    Varathil schloss das Buch in seiner Hand mit einer Bewegung und erhob sich. Das „Tud“ beim Schließen der Lektüre ließ Ralvisae hochsehen. Sie beobachtete ihn dabei, wie er langsam zu ihr gelaufen kam. Seine langen schwarzen Haare wippten leicht im Takt seiner Schritte, seine hellen Augen lagen ruhig auf ihr und er wirkte weder überrascht,- noch erbost. Das tat er nie. Als er vor ihr zum Stehen kam, neigte sich sein Kopf zur Seite. Der markante Ohrring an seinem rechten Ohr folgte der Bewegung.


    »Sind wir unkonzentriert?«


    Seufzend sank die junge Frau in ihrem Stuhl zusammen. »Ja. Dank Vaaltra’s toller Maßregelung heute Morgen geht mir das Alles nicht aus dem Kopf. Es war … peinlich und unfair! Außerdem muss ich jetzt mit meinem Vater vermutlich auch nochmal darüber reden.«


    »Verantwortung für die eigenen Taten zu übernehmen ist nicht immer eine einfache Aufgabe.« Varathil hob mitfühlend einen Mundwinkel an und setzte sich gegenüber an den Tisch. »Dennoch sollte Euch das nicht davon abhalten, Euer Studium fortzuführen.«


    »Das sagt sich so leicht für d- … Euch«, berichtigte sich Ralvisae. Noch waren sie in einer Lehrstunde, noch war Varathil ihr Lehrmeister. »Wie soll ich mich auf etwas konzentrieren, wenn unser toller Erzmagier mir einen ganzen Sack voller Probleme gemacht hat, für die ich mir jetzt eine Lösung einfallen lassen muss? Nur weil er meint, dass diese Art von Maßregelung notwendig war!«


    Der Elf schloss die Augen und seufzte. »Ich denke, wir können die heutige Stunde beenden.«


    Ralvisae hielt verwirrt inne. Wie jetzt?


    »Ich möchte allerdings, dass Ihr Euch bis zu unserer nächsten Stunde mit den Dingen beschäftigt habt. Ohne Ausreden, etwaige Ausflüge oder Schabernack. Ich erwarte, dass Ihr mir den Lehrinhalt wiedergeben könnt. Anderenfalls müsst Ihr wohl doch einen Großteil der Studien bei Vaaltra absolvieren.« Varathil beugte sich leicht nach vorn und hob beide Brauen an. »Ohne meine Mithilfe und Anleitung.«


    Ral blinzelte mehrmals und plusterte dann ihre Wangen auf. Nickte jedoch. Es reichte, dass der Erzmagier überhaupt einige Lehren mit ihr durchging. Wenn sie alle mit ihm machen müsste, würde sie freiwillig von einem Burgfried springen.


    »Gut.« Der Elf lächelte und lehnte sich dann wieder zurück. »Dann können wir ja jetzt über deine „Probleme“ reden.«


    Murrend klappte sie die Bücher vor sich zu und stapelte sie. Die Pergamente wurden ebenfalls zusammengeschoben und die Schriftrollen ordentlich zusammengebunden. »Abgesehen davon, dass ich mich vor gefühlt dem gesamten königlichen Hof absolut lächerlich gemacht habe?«, fing sie an und wedelte kurz mit einer Schriftrolle in der Luft umher. »Oder, dass mich mein Vater ebenfalls gesehen hat? Aber gut, er ist Hauptmann der Wache. Natürlich hat er das.« Schnaubend verschränkte sie die Arme vor der Brust und ließ sich dann zurück auf den Stuhl plumpsen. »Ich vermeide es, mit ihm zu reden seit … na ja, du weißt schon. Demzufolge kann ich darauf verzichten. Aber dank Vaaltra werde ich nicht drum herumkommen.«


    »So weit wie ich das mitbekommen habe, liegt das nicht nur an unserem Erzmagier.« Varathil legte den Kopf schief und grinste leicht. »Zumindest meine ich mich dunkel daran erinnern zu können, dass die Wachen von einer jungen Dame gesprochen haben, die diese Woche schon mehrmals für Unruhen gesorgt hat.«


    Ralvisae stöhnte genervt. »Ja, weil ich über den Marktplatz gerannt bin. Wow.«


    »Oder unseren jüngsten Prinzen zu Schabernack verleitet hast?«


    »Das war Lothric’s Idee gewesen, nicht meine!«


    Varathil fing an zu lachen. »Wessen Idee es auch immer gewesen ist. Er ist ein Prinz Weißforts und auch wenn ihr befreundet seid, muss dir bewusst sein, dass man dich dafür verantwortlich macht, wenn etwas passiert.« Der Elf wurde wieder ernst. »Insbesondere wenn es Lothric betrifft.«


    »Ich weiß«, murrte sie. »Aber man kann es auch echt übertreiben. Ich verstehe, dass man wegen seiner gesundheitlichen Einschränkung vorsichtig ist. Aber er wird ja regelrecht eingesperrt und darf nirgendwohin. Außer vielleicht mit zehn Soldaten.« Ral gestikulierte mit ihren Händen durch die Gegend. »Das ist unfair.«


    Daraufhin schwieg ihr Gegenüber einen Augenblick. Die fast Achtzehnjährige hatte Recht. Es war unfair. Doch würde das kaum jemanden interessieren in Anbetracht der Tatsache, dass Lothric mit einer unnatürlich starken Heilmagie geboren war und somit immenses Potenzial in sich trug. Ironisch, wenn man bedachte, dass er selbst an unheilbaren Dingen litt.


    »Umso wichtiger, dass er in dir eine Freundin hat. Und umso wichtiger, dass ihr diese Freundschaft nicht mit unbedachten Abenteuern gefährdet.«


    »Du hast wirklich auf alles eine Antwort oder eine Belehrung, oder?« Seufzend richtete sich Ral im Stuhl wieder auf. »Aber ich schätze, das ist auch nicht weiter verwunderlich. Du bist schließlich Berater und Vertrauter des Königshauses.« Kurz glitt ihr Blick zu seinem markanten Ohrring. Ein Zeichen für die allgemeine Gesellschaft. Ein Erkennungsmerkmal, woran man ausmachen konnte, was der Elf wirklich war. »Ist das nicht langweilig auf Dauer? Ich meine, du könntest sonst was machen!«


    »Sonst was machen? Du meinst … rumfliegen, Dörfer terrorisieren oder einen Haufen Gold ansammeln, um mich draufzusetzen und dann einzuschlafen, bis eine Gruppe mutiger Abenteurer kommt?«


    Ral musste nun auch endlich mal lachen. »Nicht alle Drachen sind so.«


    Varathil schmunzelte. »Ja, auch wenn das die Gesellschaft gern denkt. Ich vermute, deswegen haben wir überhaupt erst zugestimmt, uns kenntlich zu zeigen, wenn wir in einer humanoiden Gestalt unser Dasein fristen.« Der silberne Ohrring wippte dabei hin und her. »Aber nein, es langweilt mich nicht. Im Gegenteil. Es wird nie langweilig, wenn man mit chaotischen jungen Damen zu tun hat, die nur selten etwas von Regeln gehört haben.«


    »Sehr witzig …«


    Ihr Gegenüber lächelte sanft. Er war seit Jahrhunderten eher ein Beobachter gewesen. Jemand, nach dessen Rat man fragte, wenn man nach Antworten suchte, die in keinem normalen Buch geschrieben standen. Daher rührte auch sein Titel: Seer of Eternity. Weißfort war mittlerweile seine Heimat. Für wie lange vermochte er nicht zu sagen. Doch er wusste, dass er die junge Frau vor sich anleiten wollte. Musste. Denn er konnte die Schatten spüren, die in diesem Königreich immer länger wurden.


    »Du solltest noch ein wenig die nachmittägliche Sonne genießen, ehe sie hinter dem Gebirge verschwindet.« Varathil erhob sich und ließ seinen Blick durch die hohe Halle schweifen. Unzählige Bücherregale, Pergamente und Schriftrollen. Ja. Das war wahrlich seine Heimat. Wofür brauchte er Gold? Er hatte hier seinen ganz eigenen Schatz. »Und dich vor deinem Vater verstecken.« Der Schwarzhaarige neigte seinen Kopf leicht und zwinkerte Ralvisae zu. »Ich würde den seitlichen Ausgang nehmen.«


    Schnaubend erhob sich auch die junge, fast erwachsene Frau, lächelte jedoch dankbar. »Danke für den Tipp. Wie auch immer du das schon wieder weißt.«


    »Hm. Ein Drache weiß viel. Insbesondere ein magiebegabter Drache.« Varathil schmunzelte. »Vergiss deine Aufgabe bis zum nächsten Mal nicht. Meine Drohung war ernst gemeint.«


    »Ja. Ich weiß.« Ral schaute auf den Stapel Bücher. »Kann ich sie hier liegen lassen? Ich glaube, wenn, dann kann ich mich hier am besten konzentrieren. Und in deinem Reich wird man kaum etwas ungefragt einfach wegräumen.«


    »Lediglich, weil ich dich gut leiden kann, Miss Ravinfall.« Varathil machte eine wegwischende Handbewegung. »Und nun geh. Bevor ungebetene Gäste dich finden.«


    Man konnte bereits das Stampfen von metallener Rüstung auf dem Marmorboden hören und genau das war auch das Stichwort für die junge Frau: Nichts wie weg hier.



    ⋅⊰☾∘⊱⋅



    Einer der Vorteile, wenn man abenteuerlustig war, dann dass man sich ziemlich gut im Palast und dessen Umgebung auskannte. Noch praktischer war es, wenn man mit einem Prinzen befreundet war, der allerlei Arten von Geheimgängen kannte. Somit fiel es Ralvisae relativ leicht, unliebsamen Persönlichkeiten aus dem Weg zu gehen. Kaum, dass sie das Gelände der Akademie verlassen hatte, duckte sie sich unter einigen Zierbüschen und -bäumen sowie elegant angelegten Gärten hindurch. Die Schönheit eben jener nahm sie nur nebensächlich in sich auf.


    Es war recht anstrengend, möglichst unbemerkbar zu bleiben an diesem Tag. Die Tatsache, dass Lorian heute wiedergekommen war, hatte den gesamten Palast und Umgebung aufgescheucht. Als hätte man in ein Bienennest gefasst. Mehr Wachen, mehr politische Persönlichkeiten, mehr Diener und Mägde, mehr … von allem. Selbst in der Akademie hatte man das gemerkt und die stand recht abseits am Berghang.


    Ralvisaes Wangen fingen wieder an zu glühen, als sie sich daran erinnerte, wie auch Lorian zu ihr gesehen hatte, als sie unfreiwillige Schwimmstunden im Zierbecken genommen hatte. Davon abgelenkt; fasste sie versehentlich in einen Dornenbusch, als sie am Rand weiterschlich, und fluchte leise. Der ältere der Prinzen hatte ein gewisses Talent dafür, sie abzulenken und das auch ohne selbst anwesend zu sein. Wie auch bei vielen anderen jungen Frauen und Männern.


    Je näher sie dem eigentlichen Palast kam, desto mehr beruhigte sich jedoch auch der bunte Auflauf an Persönlichkeiten. Bald kamen ihr größtenteils „nur“ noch Mägde, Diener, die königliche Garde oder Soldaten entgegen. Nicht, als würde Ral es riskieren, gesehen zu werden. Aber die angestammten Wege eben jener kannte sie relativ gut und musste nicht mit unangenehmen Überraschungen rechnen, wenn sie um eine Ecke bog.


    Wie auch die gesamte Stadt, war der Königliche Palast in Weiß, Grau und Silber gehalten. Und jedes Mal war der Anblick atemberaubend, egal wie oft sie ihn nun schon gesehen hatte. Die spitzen Türme, die in den Himmel ragten. Die hohen Brücken, die verschiedene Teile des Gebäudekomplexes miteinander verbanden. Die vielen Dachpartien, die in der mittlerweile tief stehenden Sonne glänzten. Die gotische Bauweise des gesamten Palastes war Ehrfurcht gebietend. Er thronte wortwörtlich über Weißfort.


    Kurz sahen die Hazel-Augen hinauf. Ob sie jemals offiziell auf einen der Türme dürfte? Als eigenständige Hofmagierin würden ihr gewisse Vorteile winken. Vielleicht würde sie sogar die königliche Garde beraten oder den Soldaten in einer Schlacht beistehen! Andererseits würde auch ein ganzer Haufen neuer Regeln auf sie warten. Bah. Ral schüttelte den Kopf. Es würde sie nicht mal wundern, wenn einige der Regeln noch Regeln hatten, wie sie zu befolgen waren. Und wollte sie das wirklich?


    Als sie näherkommende Schritte hörte, löste sie den Blick von den hohen Türmen und huschte schnell weiter. Sie hatte wenig Lust, sich eine Ausrede einfallen zu lassen, warum sie hier unterwegs war. Aber eines stand fest: Ihr Vater würde sie wohl kaum im Palast suchen. Erstens das, zweitens schuldete sie ihrem besten Freund noch eine Erklärung für den morgendlichen Auftritt und drittens, war sie gern in den grünen Anlagen oder auf den Dächern unterwegs, die hier und da im Palast zu finden waren. Meistens hatte man dort nämlich seine Ruhe.


    Mit ein paar kleineren magischen Tricks kam sie auch ohne Probleme an den Wachen vorbei. Behände balancierte sie über einen tiefen Dachvorsprung, kletterte an einigen Gargoyles vorbei und hüpfte auf einen Balkon, der unter einem angeschrägten Dach gen Palasthof zeigte. Diesen Weg war sie definitiv schon öfter gegangen, so flüssig und leicht wie das von außen betrachtet wirkte. Generell war der Weg über die Dächer deutlich einfacher, wenn man wusste, wohin man wollte. Zumindest empfand die junge Frau das so.


    Sich Staub und kleinere Steinchen von den Händen abklopfend, lugte Ral um die Ecke. Vor ihr befand sich ein weitläufiger grüner Wintergarten mit etlichen Pflanzen und allerlei Gewächsen, der sich auch noch in mehrere Richtungen erstreckte. Es gab auch ein größeres Becken voller Wasser und Seerosen weiter hinten und Efeu kletterte sehr präsent an einigen Dachbalken entlang und sogar an den Säulen am Balkon hinab.

    Sie mochte diesen Teil des Palastes mit am meisten, weil er grün und lebendig wirkte. Und damit war sie nicht allein; Lothric war fast immer hier anzutreffen. Selbst wenn er mit seinen eigenen Studien beschäftigt war. Der junge Prinz konnte ziemlich überzeugend sein, wenn er das wollte. Und seine kühle und ruhige Stimme vermochte durchaus den einen oder anderen Wunsch einzufordern. So etwa auch den Ort, wo er lernte. Ral musste nur aufpassen, dass sie nicht in einen von Vaaltras Heilkundigen reinrannte – eben jene waren nur zu gern damit beschäftigt, Lothric wie ein Schatten zu folgen. Natürlich sehr zu dessen Begeisterung.


    Auf leisen Sohlen schlich die angehende Magierin über den steinernen Weg in der Mitte und sah sich aufmerksam um. Sie hörte nichts, was zunächst ein gutes Zeichen war. Kurz überlegte sie, ob sie Crown als Wachposten irgendwo platzieren sollte, sodass ihr gefiederter Freund sie vorwarnen konnte. Man konnte leicht jemanden übersehen in all dem Grün. Auch einfache Mägde, die sich um den Garten kümmerten.


    »Suchst du jemanden?«


    Alternativ konnte man auch einfach die Person komplett übersehen, nach der man Ausschau hielt. Ral zuckte zusammen, als sie die halb amüsierte und halb spottende Stimme vernahm. Ihr Kopf drehte sich zur Seite, wodurch ihr einige Strähnen vor die Augen fielen.


    »Nicht mehr, schätze ich.« Ral verschränkte leicht die Arme vor der Brust, lächelte aber.


    »Hm!« Lothric hob seinen Kopf etwas an. Einen Augenblick wirkte er distanziert, arrogant, fast so, als würde er auf Ral hinabblicken. Dann jedoch wandelte sich seine Körpersprache und ein freundliches Lächeln trat auf seine Lippen. »Du hast dir ganz schön Zeit gelassen. Ich dachte schon, ich müsste nach dir schicken lassen.«


    »Bitte nicht.« Seufzend überbrückte sie den Abstand und setzte sich zu ihrem Freund an einen Tisch, der zwischen all dem Grün stand. Keine Bücher und keine anderen Anwesenden. Scheinbar hatte der Prinz einfach nur auf sie gewartet oder die Ruhe des Gartens genossen. »Mein Vater sucht schon den halben Tag nach mir und ich kann wirklich darauf verzichten.«


    Ihr Gegenüber schnaubte, deutete dann jedoch mit seinem Kopf auf den Tisch. Nicht eine, sondern zwei Teetassen standen dort. Und ein großzügiges Angebot an Gebäck daneben. »Nach deinem Auftritt von heute Morgen kann ich das durchaus verstehen.«


    »Erinnere mich nicht dran.«


    »Du hast sogar Lorian fast zum Grinsen gebracht!«


    »Lothric, bitte …«


    Der junge Prinz lachte leise, während sich Ral an die Nasenwurzel fasste. Für sie ein vertrautes Geräusch, für viele andere eine Seltenheit. Seine schlanken und blassen Finger griffen nach der Teekaraffe und er goss den beiden etwas ein. Die eisblauen Augen lagen dann wieder auf seiner Freundin, während er ihr eine Tasse rüberschob. »Wieso hast du dich überhaupt so verspätet?«


    Ralvisae’s Finger schlossen sich um die Tasse und sie genoss die Wärme des Getränks zwischen ihren Händen. »Also ehrlich gesagt … hab ichs vergessen.«


    Lothric verschluckte sich am Tee, als er die Antwort vernahm. Etwas irritiert hob er eine Braue und starrte seine Freundin fast schon in Grund und Boden – hier konnte man deutlich merken, dass der junge Mann eine regelrechte Autorität mit den Augen zum Ausdruck bringen konnte. Wollte er hier nicht, doch konnte man vermuten, dass die sonst kühle und distanzierte Art von Lothric allein mit einem Blick die anwesenden Personen taxieren konnte.


    »Ja … ach, keine Ahnung. Ich war mit dem Kopf woanders«, kam es kleinlaut vom anderen Ende des Tisches. »Ich habe es völlig verplant.«


    »Du bist wirklich … besonders.« Kopfschüttelnd nippte er dann weiter an seinem Tee. »Aber ich will mal nicht so sein. Das „Geschehnis“ in deiner Familie ist noch nicht allzu lang her. Ich kann verstehen, dass deine Gedanken anderswo unterwegs sind.«


    Rals Blick verhärtete sich und sie blickte stumm in ihre Tasse.


    »Verzeih, ich wollte nicht-«


    »Schon gut. Du hast recht.« Sie holte tief Luft und beobachtete die kleinen Wellen aufgrund der Vibrationen auf dem Tisch im Tee. »Das Geschehnis hat viel verändert. Aber ich bin froh, dass ich bei Mutter lebe und nicht bei Vater. Auch wenn das bedeutet, dass ich einen ziemlich langen Weg Bergauf habe.«


    Lothric blieb eine Weile ruhig. Er war einer der wenigen, die das ganze Drama aus erster Hand mitbekommen hatten. Es war aber auch nicht unbedingt ein Geheimnis am Hof: Der Hauptmann der Wache hatte seine Frau mit einer anderen ersetzt. Normalerweise interessierte Lothric solcher Tratsch nicht. Aber normalerweise betraf es eben auch nicht seine einzige Freundin.


    »Lass uns das Thema wechseln.« Ein sanftes Lächeln umspielte die Mundwinkel des jungen Prinzen. »Worauf hast du heute Lust? Einen Spaziergang? Den Sonnenuntergang auf dem Dach beobachten? Oder die Küche plündern gehen?«


    Ralvisae lachte leicht. »Ich bin überrascht, dass du heute scheinbar keinerlei Verpflichtungen zu haben scheinst.« Verstohlen sah sie sich um. »Oder verstecken sie sich heute nur besonders gut?«


    »Man ist so gütig gewesen, mich heute von allerlei „Verpflichtungen“ zu befreien.«


    »Ich nehme an, weil dein Bruder zurückgekehrt ist?«


    Lothric schmunzelte Ral über seine Tasse hinweg an, was diese nur mit einem Augenrollen quittierte. Er konnte es aber auch nicht lassen, sie mit Lorian aufzuziehen! »Auch, ja«, erwiderte er dann jedoch und nickte sacht. »Ich bin bislang allerdings noch nicht wirklich dazu gekommen, Zeit mit ihm zu verbringen. Berichterstattung dort, wichtiges Gespräch hier.« Der Silberhaarige hob die Schultern an. »Ich schätze, das ist normal, wenn er fast einen Monat nicht hier gewesen ist und im Namen des … Königs Dinge erledigt hat.« Selten nannte Lothric seinen Vater beim Namen. Ähnlich wie Ral hatte er nicht das beste Verhältnis zu ihm. »Und nebenbei ist er noch General der Armee, weswegen er auch meist Trainingsstunden absolviert – für sich oder seine Männer - und ... ja, „Bruder sein“ ist da manchmal etwas schwierig für ihn unterzukriegen. Zeitlich gesehen zumindest. Allerdings mache ich Lorian keinen Vorwurf.« Er schüttelte leicht seinen Kopf und seufzte tonlos. »Er ist der beste Bruder, den ich mir wünschen kann.«


    »Hm, dann war dein Tag bislang also vergleichbar durchwachsen wie meiner. Also … minus der Schwimmstunde und des Blamierens natürlich.«


    Beide lachten leise und nippten an ihrem Tee. Es war auch eine Weile ruhig zwischen ihnen, woran sich keiner störte. Oft saßen sie beisammen und genossen die gemeinsame Ruhe. Mal las jeder ein Buch und sagte nur hin und wieder etwas, wenn er was Spannendes gefunden hatte. Mal saßen sie auf einem Balkon oder gar Dach und betrachteten die Ferne. Heute tranken sie einfach Tee und genossen die angenehme Ruhe des Gartens.


    »Wo hast du eigentlich Crown gelassen?« Verwundert sahen sich die blauen Augen um. Und in der Tat: Vom schwarzen Vogel fehlte jede Spur. »Sag mir nicht, Rekuntrix hat sie dir genommen.«


    »Nein, nein«, winkte Ral ab, verdrehte jedoch die Augen bei der Nennung von Vaaltra’s Nachnamen. »Ich habe ihr nur keine spezielle Aufgabe gegeben, weswegen sie ihre Kreise zieht am Himmel oder irgendwo auf einem Vorspring sitzt und … Vogelsachen macht?« Sie hob etwas die Schulter an und grinste schief. »Aber ich kann sie rufen, wenn du magst. Ich wollte sie sowieso als Alarmglocke platzieren, sodass sie uns rechtzeitig warnen kann, sollte unliebsamer Besuch hier auftauchen.«


    Gesagt, getan. Dank der Verbundenheit zu ihrer gefiederten Gefährtin brauchte sie nur einen einfachen Gedanken formen, der Crown erreichte. Und schon setzte sich der Vogel in Bewegung. Praktisch, so ein Familiar! Es dauerte zwar einige Augenblicke, doch dann kündigte sich der Rabe bereits mit einem Krächzen an und segelte durch den offenen Balkon, ehe sie beinahe lautlos auf dem Tisch landete und einmal ihr Gefieder schüttelte.


    »Ah, viel besser.« Wie sonst auch, fuhr Lothric Crown einmal durch das plüschige Gefieder. »Also nehme ich an wir verbringen unseren Tag hier?«


    Ral nickte. »Da ich mehr oder weniger auf der Flucht bin - ja.«


    Schnaubend erhob sich Lothric. Er war deutlich größer als Ral, obwohl er fast ein Jahr jünger als sie war. Da die königliche Linie Elfenblut besaß, war es jedoch nicht weiter verwunderlich. Tatsächlich war Lothrics und Lorians leibliche Mutter eine Elfin gewesen, demzufolge waren die beiden Prinzen Halbelfen. Halbelfen, die einen wesentlich ausgeprägteren Elfenanteil in sich trugen.


    Während ihr Freund sich durch den Raum bewegte, wies sie Crown an, weiter drinnen Wache zu halten, um ihnen rechtzeitig Bescheid zu geben, sollte ungewollter Besuch im Wintergarten auftauchen. Krächzend hopste sie dann vom Tisch und positionierte sich weiter entfernt und gut versteckt im Grün, während der Prinz an den Tisch zurückkehrte.


    Er platzierte zwei Bücher auf dem Tisch. Dadurch bedingt, dass er meist hier anzutreffen war, konnte man auch viel von seinen persönlichen Besitztümern finden. Dazu gehörten unter anderem die zwei Bücher, die sich als neue Lektüre entpuppten, wie Ral feststellte. Neugierig linste sie auf deren Einbände.


    »Lorian hat sie mir mitgebracht, als er in Castriél war.« Er setzte sich ihr gegenüber und strich die dunkle Seidenkleidung wieder glatt, die er trug. Einige Goldstickereien waren auf dem dunklen Stoff zu erkennen und man erkannte deutlich, dass diese Kleidung hochwertig war - eines Prinzen würdig. »Ich habe bislang noch keinen tieferen Blick riskiert.«


    »Eines stammt aus Kiveth!« Ral hob beide Brauen an. Kiveth war die Hauptstadt des gleichnamigen Landes und beherbergte den Hauptsitz der drei großen Magiezirkel. Die Wüstenstadt war damit die Quelle für Wissen für jeden Magier und jene, die es werden wollten! »Ich fange an, Castriél um die Handelsbeziehungen zu beneiden. Dass sie selbst Güter aus Kiveth haben, ist unglaublich! Für gewöhnlich schafft es nur wenig über das riesige Gebirge.«


    Lothric hob nur sacht eine Schulter, fand die Begeisterung seiner Freundin jedoch niedlich. Hatte er also richtig vermutet, dass sich Ral für diese neue Lektüre interessieren würde. »Das andere Buch ist ebenfalls aus Kiveth«, meinte er schmunzelnd, was Ral fassungslos auch auf den anderen Einband sehen ließ.


    »Huh … Prinz müsste man sein.«


    »So toll ist das nicht«, erwiderte Lothric trocken und lehnte sich etwas zurück. »Auch wenn es den einen oder anderen Vorteil manchmal hat, zugegeben.«


    Die Beiden merkten nicht, wie sich jemand durch den Garten bewegte. Jemand, der ihren Stimmen folgte. Wohlwissend, wo sie sich befanden. Vermutlich war man sogar auf der Suche nach einem der Beiden. Von Crowns Warnung fehlte jedoch jede Spur – aber ihre Aufgabe lautete auch, vor unliebsamen Besuch zu warnen.


    »Also bitte. Wenn mir mein Bruder so etwas mitbringt, dann wäre ich ihm vermutlich um den Hals gefallen. Und ich habe nicht mal einen.« Ral schüttelte den Kopf und zog das eine Buch zu sich, während Lothric hinter sie blickte.


    »Würdest du das?«, fragte er dann mit einem gefährlich amüsierten Unterton. »Du kannst es ja an statt meiner tun.«


    »Sicherlich.«


    »Nicht? Lorian würde dich bestimmt gewähren lassen.« Ein freches Grinsen erschien auf den schmalen Lippen des jungen Prinzen.


    »Fängst du schon wieder damit an …« Ral sah vom Buch auf und strafte Lothric mit einem bösen Blick. Als sie jedoch das Grinsen sah, hielt sie inne. Was war denn daran jetzt so lustig? Als die hellen Augen des Jüngeren etwas hinter ihr fokussierten, gefror sie in der Bewegung. Eine böse Vorahnung krabbelte ihre Wirbelsäule hinab. Langsam folgte sie dann dem Blick und begegnete den goldgelben Augen Lorians, der mit einem belustigten Grinsen locker an einer der Säulen lehnte.


    »Natürlich steht er da …«, murmelte Ral fassungslos und gar eine Spur hilflos. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit!


    Der Ältere richtete sich dann auf und neigte seinen Kopf etwas. Er war nochmal ein gutes Stück größer als Lothric und trug mittlerweile nicht mehr seine komplette Rüstung wie noch am Morgen. »Verzeiht mein unangemeldetes Erscheinen. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du bereits Gesellschaft hast, Bruder.« Sein Blick glitt hinüber zur jungen Frau und sein Mundwinkel hob sich. »Aber schön zu sehen, dass alles in Ordnung ist nach dem abenteuerlichen Ausflug heute Morgen.«


    Könnte Ral im Boden versinken, würde sie es nun liebend gern tun.


    »Schon gut. Ich freue mich dich zu sehen, auch wenn ich erstaunt und gleichermaßen verwundert darüber bin, wie du es geschafft hast, den ganzen Leuten zu entkommen.« Lothric schien wenig bis gar kein Mitleid mit seiner Freundin zu haben. Allerdings bewertete er diese Zusammenkunft auch als angenehm und keinesfalls als schlimm. Wie er Ral vertraute, vertraute er auch seinem älteren Bruder. Insofern inoffiziell klang es auch, wenn sie miteinander sprachen.


    Und Lorian schien keinerlei Probleme damit zu haben, sich anzupassen, wenngleich sie nicht allein waren. Die junge Frau erwies sich jedoch auch nicht als Fremde; im Gegenteil. »Ja, mich erstaunt es auch. Aber ich bin froh darum. Ich habe kaum atmen können heute, ohne eine Frage beantworten zu müssen. Fraglich, wie lange das so bleibt.«


    Während der ältere Prinz nun zu ihnen gelaufen kam, fuhr sich Ral einmal mit der Hand über das Gesicht. Dieser Tag machte sie fertig.


    »Es freut mich auch, Euch zu sehen«, kratzte Ralvisae den letzten Rest an Anstand zusammen, um sich nicht noch mehr oder ein drittes Mal an diesem Tag vor Lorian zu blamieren. Verlegen wich sie seinem Blick aus, als er sie erneut ansah. Wie auch sein jüngerer Bruder besaß er einen Blick, der unter die Haut gehen konnte. Mit dem Unterschied, dass ihre Wangen nur beim Älteren anfingen zu glühen.


    »Nochmal zurück zu der um den Hals fallen Thematik …«, schnitt Lothric unterdessen erneut das Thema an, als er Ral beobachtete.


    Wie in Zeitlupe sah sie hinüber zu ihrem besten Freund und „Wenn Blicke töten könnten“ bekam in diesem Moment eine ganz neue Bedeutung.


    »Schon gut, schon gut!« Lachend hob Lothric beide Arme und auch Lorian ließ ein leises Lachen hören. »Dann lass uns da weitermachen, wo wir gerade aufgehört haben.«


    Wer solche Freunde hatte, brauchte wohl keine Feinde.

  • Hallo,


    es ist amüsant, Varathil in seiner Rolle als Lehrmeister zu sehen. Andererseits ist das hier auch eine sehr andere Zeit und es ist interessant, dass er Ruhe bewahrt und Ralvisae etwas bei Vernunft hält. Wobei das wohl nicht von Dauer bleiben wird. Besonders mag ich die Unterhaltungen zwischen den handelnden Personen sowie die kleinen Andeutungen, wie Ral allem aus dem Weg gehen möchte. Dadurch wird ihr Charakter nicht einfach nur beschrieben, sondern in vielen Facetten gezeigt. So ist das in einer laufenden Geschichte auch interessanter zu lesen und Ral als Person bleibt dadurch besser in Erinnerung.


    Wir lesen uns!

  • Hey Kaios ,


    also erstmal: Freut mich, dass es weitergeht. :D

    Charakterlisten begrüße ich eigentlich immer, sollte ich vielleicht auchmal. Gerade bei Fantasynamen (die bei dir allerdings nicht diese Auswüchse annehmen wie in mancher Fantasy und gut klingen, während sie simpel genug sind) und da online gepostete Stories nicht regelmäßig geuptdatet werden, ist eine Liste immer willkommen.


    Ich kann auch sehr gut nachvollziehen, dass du Dialoge am liebsten schreibst. Geht mir da sehr ähnlich und sie gehen meistens sehr leicht von der Hand und ich finde deine Dialoge lebendig geschrieben. Sie lassen sich flüssig lesen, sagen viel über die jeweiligen Charaktere aus und haben das richtige Maß an Gedanken, Handlungen und co. zwischen den Dialogzeilen. Manchmal arten die Gedanken ja aus und man weiß nicht wo man im Dialog stehengeblieben ist, und manche schreiben einfach eine Reinform eines Dialogs runter, ohne ihn durch Handlungen und Gedanken zu unterbrechen.


    Dazu erfahren wir noch, womit Ral alles nicht konfrontiert werden möchte und du lässt einige Fragen offen.


    Zitat

    Vor ihr saß Varathil – ein überaus angesehener Magier und Berater des königlichen Hofes, der das große Glück hatte, ihren heutigen Unterricht zu führen. Außerhalb ihrer Studien und des Unterrichts war der Elf ihr Vertrauter, gar ein Freund könnte man sagen. Denn die chaotische und ungezügelte Persönlichkeit der jungen Frau faszinierte ihn; erinnerte ihn daran, dass die Welt noch Träumer und Freigeister besaß. Ralvisae war anders. Und anders war gut. Sie musste nur noch lernen, Verantwortung zu übernehmen und gewissenhaft mit der Macht umzugehen, die sie zu beherrschen lernte.


    Hier beispielsweise bin ich mir aber nicht sicher in wessen Gedanken wir uns befinden? Der erste und zweite Satz lassen ja vermuten, dass es Rals Gedanken sind, aber ab dem dritten Satz "denn die chaotische..." dachte ich, wir befinden uns in seinen Gedanken, weil er ihren Charakter beschreibt (ich nehm mal an, so beschreibt sie sich nicht selbst?) und weshalb Ral ihn fasziniert.


    Freu mich auf's Nächste. ^^