[Ybernagiums Basis: Konferenzraum – 05:40]
„Die Situation ist ernst.“
Den Anwesenden im abgedunkelten Sitzungszimmer musste dies nicht extra erklärt werden, ihre Gesichter spiegelten ihr Wissen um den Ernst der Lage deutlich wider. Vorstand Morgans stand am Kopf des Konferenztisches vor dem die gesamte Wand einnehmenden Bildschirm und vollbrachte das Kunststück, noch ein wenig verbissener zu wirken als der Rest des einberufenen Teams.
„Vor vier Stunden erreichte uns ein Bericht von unserem in Cromlexia stationierten Feldagenten bezüglich Hinweise auf eine mögliche Präsenz einer Zelle in der Umgebung, gleich darauf brach der Kontakt ab. Zurückverfolgung des Signals war bislang nicht möglich, weshalb davon auszugehen ist, dass unser Agent entweder durch äußere Umstände gezwungen wurde, den Kontakt absichtlich abzubrechen – oder aber ihm ist etwas zugestoßen. So oder so können wir diese Entwicklung der Ereignisse weder tolerieren noch ignorieren.“
Morgans drückte auf ihrem Presenter herum und ein Mann erschien auf dem Bildschirm. Er mochte um die dreißig sein, hatte zurückgegelte blonde Haare, einen Bart und trug unauffällige Outdoorkleidung und eine Fliegersonnenbrille.
„Agent Quick Blanks, seit fünf Monaten in Cromlexia als Beobachtungsposten aufgestellt, öffentlicher Identität nach Betreiber eines provisorischen Pokémoncenters. Mit ihm sind auch unsere Augen und Ohren in Cromlexia verschwunden, ein Umstand, den wir nicht hinnehmen können.“ Sie machte eine Pause. „Das sind die Fakten, ich übergebe.“
Sie blieb steif, wo sie war, bis sich der Boss erhoben und ihr den Presenter abgenommen hatte. Dann nickte sie knapp und setzte sich. Vito sah schrecklich überarbeitet aus.
„Nun denn, ich komme gleich zum Punkt. Quick Blanks Verschwinden kommt uns… ungelegen; insbesondere jetzt, wo sich eine Zelle offenbart haben könnte. Doch wie Vorstand Morgans bereits erwähnte, können wir uns nicht erlauben, jetzt noch Zeit zu verschwenden. Unser verfügbares Personal ist momentan dünn gestreckt, ihr“, er wandte sich an die anwesenden Rüpel, „werdet daher bis auf Weiteres von euren momentanen Pflichten enthoben und Vorstand Taiths Trupp zugeteilt. Die Rückgewinnung des Agenten und die Sicherstellung der Zelle wird damit zu eurer obersten Priorität.“
Besagter Vorstand winkte ihnen zu, Morgans löcherte ihn mit bösen Blicken. Auf dem Bildschirm öffnete sich eine Karte von Cromlexias näherer Umgebung und Vitos Laserpointer wuselte im Südwesten herum.
„Der Landweg ist zu gefährlich und somit keine Option, ihr werdet daher das Dorf von der Küste her betreten. Sobald ihr angekommen seid, hört ihr euch nach dem verschwundenen Pokémoncenterbesitzer um – der Saloon“, er zeigte auf ein Gebäude im Dorfkern, „sollte eure erste Anlaufstelle sein. Kein Wort von der Zelle. Solange Quick Blanks‘ Status unklar bleibt, ist dies eine verdeckte Mission – also auch keine Uniformen. Ihr werdet euch als reisende Abenteurer ausgeben, deren Pokémon Heilung benötigen. Hört euch nach dem Leiter des Centers um, findet ihn. Sobald ihr ihn habt, unterstützt ihr ihn nach Kräften, um die Zelle ausfindig zu machen – wenn es denn tatsächlich eine gibt. Falls Agent Blanks nicht mehr…“, er überlegte kurz, „verfügbar ist, besteht eure oberste Priorität in der Sicherung der Zelle. Es gelten die üblichen Missionsprotokolle.“
Die Karte zoomte heraus und der Menhir-Weg tauchte auf. Vito trat einen Schritt auf den Bildschirm zu und wandte dem Team den Rücken zu.
„Im Süden von Cromlexia befinden sich uralte Gräber. Die Konzentration von Zombiepokémon ist regelrecht absurd in dieser Gegend – vermeidet sie, so gut es geht.“ Dann drehte er sich wieder seinem Publikum zu. „Virgo?“
Ein beinahe unhörbar hohes Rauschen erfüllte den Raum, als sich Virgos Sprachmodul einschaltete und sie ebenfalls von ihrem Stuhl aufstand.
„Information: Laboruntersuche belegen, dass Zygardezellen mit Ungleichgewichts-Phänomenen interferieren. Präsenz der Zellen dämpft den Resteinfluss von Xerneas wie auch Yveltal. Aktivität von Zombiepokémon sinkt durch Aussetzung von Zygardezellen bis hin zu Stupor, erhöhte Empfänglichkeit für äußere Autorität. Zustand nimmt mit zunehmender Entfernung zu Zellen ab.“
Vito nickte. „Wir fanden heraus, dass die Untoten in der Nähe von Zygardes Zellen träge und fügsam werden – behaltet das im Hinterkopf, wenn ihr nach ihr Ausschau haltet.“
„Einwurf: Genau das hatten wir doch gesagt.“
„Ja… danke.“ Der Boss warf einen angespannten Blick auf seine Uhr und fasste dann wieder die Rüpel ins Auge. „Meldet euch bei euerm Vorstand in zwanzig Minuten beim Tauchboot. Wir verlassen uns auf euch… enttäuscht uns nicht.“
Der letzte Satz war dem Wortlaut nach ein Befehl gewesen, doch Vitos sorgenvoller Ton hatte daraus eher eine drängende Bitte gemacht. Damit leerte sich der Raum.
[Küste vor Cromlexia – 08:25]
Taith hatte den Anker in einer winzigen, felsigen Bucht ausgeworfen und sogleich die Luke geöffnet. Behände war er aus dem Tauchboot geklettert und balancierte nun auf der glatten schwarzen Oberfläche, während er enthusiastisch seinem Trupp aus dem Gefährt half.
„Sieht abgelegen genug aus“, schrie er gegen den salzigen Wind, der ihm durch die schwarzen Haare fegte, „Aber wir sollten trotzdem zusehen, dass wir von hier wegkommen. Hier draußen wollen uns nicht nur die Pokémon an den Kragen.“
Es stimmte: Während in Cromlexia selbst zwar die Ordnung durch eine motivierte Miliz aufrechterhalten wurde, suchten außerhalb des Dorfes Gesetzlose und andere Halunken ihr Glück. Mit einem gewagten Satz hatte er sich zu einer seichteren Stelle befördert, und als die letzten Passagiere von Bord gegangen waren, drückte er schwungvoll auf dem Schlüssel herum und das Boot verschwand mit zwei knappen Pieptönen in den Fluten.
Dann galt es, die Küstenklippen zu bezwingen. Glücklicherweise nisteten hier nur ein paar Wingull, deren Gekreisch zwar unangenehm war, die Gruppe beim Aufstieg aber nicht weiter behinderte – selbst mit nassen Füßen. Oben angekommen war es nur noch ein Mauzisprung, bis die mit Holzpalisaden verstärkten Steinmauern Cromlexias in Sichtweite gekommen waren. Am Rande des dornigen Waldes, den sie eben passiert hatten, hielt Taith an und wies sein Team mit erhobener Faust an, dasselbe zu tun.
„Jetzt gilt’s. Aber vorher noch – seid auf der Hut. Dieses Kaff hier ist einer der wenigen Orte, denen es in letzter Zeit nicht kontinuierlich beschissener geht, das will was heißen. Die Leute hier schlagen sich nicht so passabel, weil sie zimperlich sind… Ziehen wohl auch eine Menge anderes Gesocks an, das ein wenig Profit aus den Überresten der Region schlagen will; Plünderer, Halsabschneider, Glücksritter und die paar Wahnsinnigen, die in den Süden wollen.“ Er musterte die Rüpel, die allesamt einen Tick zu sauber aussahen. „Wir werden auffallen. Also bleibt zusammen und sagt nichts, was irgendwie als Provokation aufgefasst werden könnte.“
Dann gingen sie zum Tor.
Es war zu. Eine schmutzige Frau mit weitem Hut reckte den Kopf über das Geländer des rustikal zusammengezimmerten Wachturms daneben und krähte herunter.
„Heey! Hab euch gar nicht rausgehen sehen.“
„Waren die ganze Nacht draußen! Kannst deinen Kollegen fragen“, rief Taith zurück.
„Was gefunden?“, wollte die Wache wissen und spuckte über die Brüstung. Taith warf ihr ein Handy hoch. Es vergingen einige Momente.
„Das‘ ja kaputt!“
„Die guten Sachen werf‘ ich bestimmt nicht herum.“
„Konnte es ja mal versuchen. Na gut, dann kommt rein.“
Wieder verstrichen die Sekunden, dann schwang das massive Holztor einen spaltbreit auf und der Trupp zwängte sich hindurch. Ein ausgemergeltes Absol schlich sogleich um die Rüpel herum und beschnüffelte sie, schien aber nichts Gefährliches ausmachen zu können. Man ließ sie in Ruhe weiterziehen.
Die Sonne stand inzwischen höher am Himmel und warf ihre bleichen Strahlen auf das belebte Dörfchen. Feste Straßen gab es hier keine, nur ausgetretene brache Flächen überall dort, wo sich die Anwohner und ihre Pokémon öfters durchbewegten. Neben den heruntergekommenen alten Häuschen fanden sich zahlreiche Neubauten aus Holz, Stein und Blech, was auch immer man sich eben habhaft geworden war. Vor den Behausungen saßen auf zusammengebastelten Holzterrassen kämpferisch wirkende Menschen und Pokémon, die sich unterhielten, Waren feilboten, werkten, sich prügelten oder einfach in die Leere starrten. Die Atmosphäre war, so schäbig sie auch erschien, geschäftig und lebendig – die Zivilisation und ihre Grenzen waren in den letzten Monaten stetig weiter geschrumpft, doch in Cromlexia wucherte sie zwischen Staub und Schmutz beharrlich vor sich hin.
Während das Team den Hauptweg entlangging, zog es Blicke auf sich. Trübe Augen unter breitkrempigen Hüten observierten die Rüpel, abschätzend, ob etwas und wieviel aus diesen Gestalten zu holen war, hinter vorgehaltenen Händen tuschelte man und zwischen behelfsmäßigen Vorhängen aus Stofffetzen oder Bauplanen blitzen Blicke voller Arglist – doch letztendlich hatten die Dörfler allesamt Besseres zu tun, als sich mit den Fremden abzugeben. Am Ende der Straße befand sich der Saloon, ein großes Holzgebäude, dessen Fassade wohl eine gewisse Noblesse hätte ausstrahlen sollen, aber nicht einmal überall gestrichen war. Eine Doppeltür führte hinein, Taith trat ein.
Die Geräusche der Gäste waren bis auf die Straße zu hören gewesen, als das Grüppchen jedoch durch die Tür getreten kam, erstickten sie bemerkenswert schnell in einem misstrauischen Schweigen. Nahezu die gesamte Gesellschaft der Kneipe schaute von ihren Getränken und Kartenspielen auf und starrte die Neuankömmlinge schamlos an. Nur ein einzelner Musikant in seiner Ecke kratzte einige melancholische Akkorde aus seinem Banjo und das Castellith neben ihm klapperte grimmig mit den Scheren. Schulterzuckend wandte sich Taith an seinen Trupp. „Seht ihr, das meinte ich.“
Die Wirtin, eine wuchtige Matrone mit ergrauendem Dutt, schaute nicht einmal auf, als die neuen Besucher an die Theke traten. Sie putzte die Tischoberfläche einfach weiter – jedoch war diese längst blitzsauber, es ging ihr offensichtlich nur um die Zurschaustellung ihres Desinteresses.
„Hab‘ euch noch nie hier gesehen. Hoffe, ihr kommt nicht wegen dem Pokémoncenter.“
OT: Herzlich willkommen in der Apokalypse! Vielen Dank für eure Anmeldung, eure Belohnung ist ein Sprung ins kalte Wasser. Dabei hoffen wir natürlich, euch viel Freude und Unterhaltung mit diesem RPG bieten zu können.
Dies ist das Spieletopic, in dem ihr eure Post zu den Missionen verfasst - ihr könnt loslegen, sobald ihr bereit seid. Auf ein tolles Spiel!