Skull Dance [NaNo-Projekt, beendet]

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  • Part 20


    Es war einige Zeit vergangen, seitdem Henri zum ersten Mal seit vielen Wochen ein Pokémon behandelt hatte. Noch immer wirkte der gesamte Verlauf, wie es dazu kam, in seinen Augen merkwürdig. In erster Linie hatte er es wohl Katie zu verdanken, dass er überhaupt den Mut dafür aufbringen konnte. Zwischendurch hatte er sich mehrere Male gefragt, wie es weitergehen würde. Mit langsamen Schritten war es ihm nun aber hoffentlich möglich, laufend kleine Erfolge zu verbuchen.

    Aus ihm noch nicht näher bekannten Gründen sprach sich bei Team Skull schnell herum, dass er Veterinär war und Pokémon behandeln konnte. Durch die äußeren Umstände und das generelle Verhalten waren Mitglieder des Teams in Pokémon-Centern nicht gern gesehen, wenngleich sie natürlich wie alle anderen mit einer Behandlung ihrer Pokémon rechnen konnten. Einige wollten aus Prinzip nicht damit konfrontiert werden, wohl weil sie Ablehnung fürchteten und sich nicht unnötig lächerlich machen wollten. Henri versicherte ihnen zwar, dass sie lediglich höflich sein mussten, allerdings überzeugte das nur wenige Leute des Teams. Daher kamen sie in den Nachmittagsstunden zu ihm, damit er sich um diverse Probleme ihrer Pokémon kümmern konnte.

    „Hab ich’s nicht gesagt, dass du gut bist?“, kommentierte Katie jeden neuen Besuch mit süffisantem Lächeln. Ab einem bestimmten Punkt verdrehte Henri nur mehr die Augen oder lachte trocken über die Bemerkung. In manchen Fällen musste er für bestimmte Mittel tatsächlich zu einem Pokémon-Center gehen und sie von dort besorgen. Insbesondere mit Rala, jener Schwester, die Sproxis Behandlung in die Wege geleitet hatte, verstand er sich mittlerweile prächtig. Zu keinem Zeitpunkt machte sie den Eindruck, dass die Unterhaltung mit einem Mitglied von Team Skull unangenehm wäre. Sie hatte auch verstanden, dass er selbstständig Pokémon behandelte und gab daher in kleinen Mengen die benötigten Mittel aus. Henri verwunderte es, dass die Pokémon-Center so spendabel waren. Er hoffte lediglich, dass Rala damit ihre Kompetenzen nicht überschritt. Auf diese Weise konnte er zumindest seine Arbeit verrichten und war neuerdings häufiger guter Laune.

    Nach wie vor kam Henri für seine Aushilfsstunden als Kellner von Vormittag bis zum frühen Nachmittag zu Keonis Café. Manchmal wurde er sogar von Gästen als Mitglied von Team Skull erkannt. Dennoch sprach niemand schlecht über ihn, da er sich für die Arbeit im Café engagierte und einen guten Umgang zu pflegen wusste. Die Motivation, sich in das Team zu integrieren, wurde jedoch gerne hinterfragt.

    „Weil es keine besseren Freunde als unsere Vierergruppe gibt“, antwortete er immer mit einem Lächeln. In jedem Moment konnte er auf Malio, Katie und tatsächlich auch Xan vertrauen, dass sie ihm in schwierigen Situationen helfen würden. Es war eine Selbstverständlichkeit, die absolut nicht alltäglich war.

    „Aber da scheint noch mehr zu sein als euer gegenseitiger Zusammenhalt“, sagte auch Keoni beiläufig gegen Ende der Schicht. Henri nahm die Aussage als interessierte Frage wahr und offenbarte seine Erlebnisse.

    „Vor kurzem musste ich gezwungenermaßen ein Pokémon behandeln. Eigentlich sträubte sich alles in mir. In meinem Inneren hatte sich aber ein Gefühl aufgedrängt, ihm helfen zu müssen. Das hat letztendlich dafür gesorgt, dass ich mich nun regelmäßiger um Pokémon kümmere.“

    „Fantastisch!“, rief Keoni und klatschte vor Freude in beide Hände. „Wie es scheint, tut dir der Aufenthalt bei Team Skull wirklich gut.“

    Über diese Erkenntnis war Henri ebenfalls mehrmals gestolpert. Nie im Leben hatte er sich zu träumen gewagt, dass er sich aus dem tiefen Loch, in dem er sich vor einigen Wochen einmal befunden hatte, retten und tatsächlich etwas wie Lebensfreude empfinden konnte. Allein deswegen war er den Geschehnissen der letzten Monate wirklich dankbar. Die Begegnung mit seinen Freunden und die Entscheidung, etwas zu ändern, trugen Früchte.

    „Ja, ich denke schon“, gab er schließlich zurück und sah Keoni an. „Ohne unsere Unterhaltungen wäre ich allerdings nicht so weit gekommen. Oft muss ich noch Stunden später an deine Worte denken. Du darfst dir also ebenfalls auf die Schultern klopfen. “

    „Ach was“, winkte der Café-Inhaber lachend ab. „Ich rede nur dummes Zeug und interessiere mich für vieles, was in der Welt passiert. Deinen Weg kannst aber nur du selbst bestreiten.“

    „Ja. Vermutlich hast du recht.“

    Henris Smartphone vibrierte in seiner Tasche. Behände nahm er es heraus und sah, dass ihm seine Schwester Vivienne eine Textnachricht geschrieben hatte. Auch in Aquarellia konnte sich laut ihr wieder eine relativ normale Lebensart etablieren. Die dort lebenden Menschen wussten, dass sie sich gegenseitig schützen würden und hatten ihre Angst vor dem Unbekannten wohl auch zu einem großen Teil abgelegt. Henris Mutter kümmerte sich seit kurzer Zeit wieder um die Gewächse in ihrem Laden und hatte eine Menge Spaß daran, anderen mit Blumen eine Freude zu bereiten. Würden sich in der näheren Umgebung keine Zombie-Pokémon befinden, könnte beinahe angenommen werden, dass es nie anders war. Es hatte ihn jedenfalls sehr gefreut, dass sich das Leben in Aquarellia etwas beruhigt hatte.

    „Hallo Henri!“, las er die Nachricht im Stillen. „Was läuft bei dir? Ich denke darüber nach, in den kommenden Tagen aufzubrechen. Maman und Papa geht es wirklich gut und sie sagen ebenfalls, dass ich mich wieder in fremde Regionen stürzen sollte. Dabei fühle ich mich aktuell wirklich wohl Zuhause. Kannst du dir das vorstellen? Schreib bald zurück!“

    Im denkbar ungünstigsten Moment wurde er schließlich wieder mit der Realität konfrontiert. Noch immer behielt Henri seine Geschichte für sich, dass er sich Team Skull angeschlossen hatte und bei ihnen glücklich war. Jedes Mal, wenn er von seiner Schwester oder seinen Eltern angeschrieben wurde, dachte er für kurze Zeit darüber nach, die Sache zu offenbaren. Allerdings brachte er es nicht übers Herz, sie zu enttäuschen. Sie wussten durch seine frühen Erzählungen von Team Skull und hatten sich dementsprechend ein genaueres Bild von ihnen gemacht.

    „Deine Eltern?“, fragte Keoni interessiert. Henri schreckte hoch und bemerkte, dass er für seine Verhältnisse viel zu lange die Nachricht auf dem Bildschirm angestarrt hatte. Er schüttelte den Kopf.

    „Nein, meine ältere Schwester. Sie ruft mich manchmal an und erkundigt sich, wie es geht.“

    „Weiß sie denn von deinem geheimen Doppelleben?“

    Obwohl Keoni bei der Aussage zwinkerte, blieb er bei der Sache und betrachtete sein Gegenüber ernst. Nachdenklich sah Henri zu Boden. So hatte er seinen Alltag ehrlich gesagt noch nie betrachtet. Für ihn war es bereits so selbstverständlich geworden, sich im Café oder bei seiner Truppe einzufinden, dass es ihn wenig überraschte, diesen Begriff von Keoni zu hören.

    „Nein“, sagte er und schüttelte abermals den Kopf. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich das nach so vielen Wochen am besten erklären kann.“

    „Nachvollziehbar“, sagte der Mann aus Alola und hielt beide Hände mit der Öffnung nach oben vor sich. „Am Ende musst du selbst bestimmen, ob du mit dieser Version deiner Geschichte konform gehst. Wenn du damit keine Probleme hast, wird es wohl das Beste für dich sein.“

    Henri sah Keoni mehrere Sekunden lang an, bevor er sich abwandte. Seine Aussage war neutral gehalten, aber er konnte die Kritik darin deutlich vernehmen. Wie lange hatte er nun schon darüber nachgedacht, die Sache zu klären? Selbst wenn er dazu bereit wäre, wäre ihm aber selbst eine einfache Textnachricht zu wenig. Es machte unter Umständen einen sehr unpersönlichen Eindruck, die Sache auf diese Weise aufzuarbeiten.

    „Darf ich mir etwas Zeit für mich nehmen?“, fragte Henri schließlich. „Sorry, dass ich das Gespräch etwas vorzeitig beende. Ich habe das Gefühl, dass ich etwas Freiraum benötige, um mich besser zu konzentrieren. Vielleicht erschließt sich mir eine Lösung.“

    „So viel, wie du benötigst“, antwortete Keoni und lächelte. „Danke, dass du heute wieder da warst! Du bist mir wie immer eine große Hilfe.“

    Zum Abschied winkte er sanft. Henri erwiderte die Geste verhalten und verließ daraufhin das Café. Es war ein sonniger Tag in Hauholi City und aus unbestimmten Gründen zog es ihn weiter in die Stadt hinein. Er entließ Fleur aus ihrem Pokéball, damit sie ebenfalls etwas von dem schönen Wetter hatte.

  • Part 21


    Henri kam schließlich in dem großen Park inmitten der Stadt an. Hier hielt er sich häufig auf, wenn er über eine Sache nachdenken musste oder allgemein entspannen wollte. Um sich herum die Natur zu haben, half ihm in mehrerlei Hinsicht und führte zu oftmals ungeahnten Ideen.

    Es freute ihn sehr, dass sein Lieblingsplatz frei war. Eine Parkbank unter einem großen Baum, der zu gefühlt jeder Zeit Schatten spendete. Selbst die heißesten Stunden in Alola waren hier überraschend angenehm zu verbringen. Während sich Fleur wieder im Park nach neuen Blüten umsah, setzte sich Henri auf die Bank. Er legte einen Arm auf die Rückenlehne und stieß mit einem großen Seufzer Luft aus seiner Lunge aus. Endlich etwas Freiheit!

    Von hier aus konnte er auch regelmäßig die verschiedensten Menschen beobachten. Manche kamen direkt von der Arbeit und machten einen kleinen Spaziergang. Andere wiederum ließen hier mit ihrer Familie die Seele baumeln. Hin und wieder gesellten sich auch Gruppen von Kindern hierher, um Pokémon zu suchen und zu jagen. Sie sahen das jedoch mehr als Spiel an. So weit Henri mitbekommen hatte, würden sie die Pokémon unter keinen Umständen einfangen.

    Auch heute waren Kinder unterwegs und er musste bei dem Anblick schmunzeln. Bevor ihm zum ersten Mal ein Pokéball geschenkt wurde, war Henri mit einigen Pokémon in der Umgebung seines Zuhauses befreundet. Er hatte viele Tage außerhalb des Hauses verbracht und lernte so die verschiedenen Persönlichkeiten seiner kleinen Gruppe kennen. Dartiri, Puponcho und Flabébé fielen ihm in diesem Zusammenhang ein.

    Das alles hatte sich geändert, als er zur Schule und später studieren gegangen war. Henri war weitergezogen und hatte neue Freundschaften geschlossen. In Alola lernte er schließlich Fleur kennen. In manchen Momente dachte er zurück und rief sich die positiven Ereignisse mit den Pokémon ins Gedächtnis. Ob sie sich vielleicht ebenfalls von Zeit zu Zeit an ihn erinnerten?

    Eines der Kinder, ein Junge, ließ sich schließlich neben ihm auf der Parkbank nieder. Etwas überrascht von der neuen Bekanntschaft versuchte Henri, die anderen Kinder zu orten. Sie waren aber wohl schon weitergelaufen. Der Junge stützte sich mit den Händen auf der Bank ab und baumelte mit den Füßen.

    „Hast du die anderen verloren?“, fragte er ihn und musterte dessen Aussehen. Er trug eine kurze, schwarze Hose und dazu ein blaues T-Shirt. Seine Schuhe hatte er wohl an einer anderen Stelle zurückgelassen, da der Junge barfuß umherlief. In seinen schwarzen, wuscheligen Haaren schimmerten rote Spitzen hervor, die ihm auf gewisse Weise etwas Wildes gaben. Jedenfalls fand Henri die Färbung interessant gewählt. Sobald die anderen Kinder zurückkamen, würde er vielleicht auch etwas genauer auf deren Frisuren achten.

    Sein Gegenüber nahm endlich Notiz von Henri und suchte aktiv den Blickkontakt. Erst in diesem Moment wurden ihm die strahlend blauen Augen des Jungen bewusst. Voller Neugier musterte dieser den jungen Mann und lächelte unentwegt.

    „Nein, ich wollte gern eine Weile für mich sein“, sagte das Kind und sah nach oben in die Baumkrone. „Manchmal frage ich mich, ob ich für die anderen in der Gruppe überhaupt ein Freund bin.“

    „Seid ihr denn oft gemeinsam unterwegs?“, bohrte Henri nach und erntete dafür ein Kopfnicken.

    „Ja, sogar jeden Tag! Meistens sind die anderen schon am Spielen, wenn ich dazu komme.“

    „Dann schätze ich, dass ihr mittlerweile unzertrennlich seid.“

    „Mama hat mir gesagt, ich solle nicht mit Großen reden“, äußerte der Junge schließlich und Henri zog eine Augenbraue hoch. Daraufhin setzte er ein breites Lächeln auf und sah ihn direkt an. „Aber ich glaube, du bist in Ordnung. Ich heiße Zoko.“

    „Mich nennt man Henri“, gab der junge Mann zurück und der Junge versuchte, dessen Namen nachzusprechen.

    „Oori? Das ist ein lustiger Name!“

    Zoko kicherte mit durchaus hoher Stimme und murmelte den Namen immer wieder vor sich hin. Henri überlegte, ob er den Jungen auf die richtige Aussprache hinweisen sollte. Andererseits hatte er Spaß damit und aus Erfahrung wusste er, dass Kinder selten Anweisungen folgten. Ihm traute er durchaus zu, dass er sich absichtlich widersetzen würde.

    „Und was machst du hier?“, fragte Zoko interessiert und beugte sich zu dem jungen Mann hinüber. Die Offenheit wirkte nicht gespielt, jedoch fühlte sich Henri etwas zu sehr bedrängt. Reflexartig rückte er ein bisschen weg, bis er die Lehne der Parkbank auf der Seite spürte.

    „Ich denke nach“, meinte dieser mit neutralem Blick. Gleichzeitig überlegte Henri, wie er das Thema kindgerecht vermitteln konnte. „Hattest du schon einmal Probleme mit deinen Eltern?“

    „Immer!“, rief Zoko und plusterte seine Backen auf. „Mama sagt mir so oft, dass ich draußen vorsichtig sein soll! Bloß niemandem nachlaufen, nicht zu schnell laufen, nicht zu langsam, auf alles um mich herum achten. Sie ist so doof, wenn sie sich zu viele Sorgen macht.“

    „Okay, verstehe“, lachte Henri über die Antwort und unterbrach den Jungen in seinen Ausführungen. Zoko sah ihn anschließend mit verengten Augen an. „Jedenfalls, ich habe ihnen etwas erzählt, was eigentlich nicht stimmt.“

    „Du hast also gelogen?“, brachte der Junge es auf den Punkt. Henri nickte und wurde von Zoko unterbrochen, bevor er fortfahren konnte. „Mir sagt Mama immer, dass Erwachsene nicht lügen. Ist das nicht so?“

    „Ganz im Gegenteil“, entgegnete Henri und dachte dabei an verschiedene Situationen, in denen Menschen nicht die Wahrheit erzählten. „Manchmal, da, äh, können wir bestimmte Dinge einfach nicht weitergeben. Menschen lügen oft, um sich zu schützen und bei Erwachsenen ist das nicht anders.“

    „Kannst du ihnen nicht die Wahrheit sagen, Oori?“

    „Nein. Also, nicht mehr. Zumindest habe ich noch nicht herausgefunden, wie ich die Sache am besten klären kann. Ich bin nämlich bei Team Skull.“

    „Team Skull, ja?“

    Mit dieser Aussage traf Zoko erstaunlich schnell ins Schwarze. Henri presste die Lippen aufeinander und überlegte, wie er antworten sollte. Letzten Endes brachte es aber wohl nichts, sich zu verstecken.

    „Ja. Und ich kann das meinen Eltern einfach nicht erzählen. Ich denke, sie erwarten von mir, dass ich hier in Alola meine Träume wahr mache. Allerdings kann und möchte ich nicht von meinen neuen Freunden ablassen.“

    „Das kenne ich gut“, entgegnete Zoko und fixierte einen unbestimmten Punkt in der Ferne. „Mama weiß nicht, dass ich mit den anderen Kindern im Park spiele. Wenn sie das erfährt, darf ich wahrscheinlich gar nicht mehr hierher.“

    „Warum, wenn ich fragen darf?“

    „Sie hat schlechte Erfahrungen gemacht und will mich beschützen. Ich kann aber auf mich aufpassen und weiß, wem ich vertrauen muss.“

    Erneut kicherte Zoko, als wollte er umfangreiche Erfahrung vortäuschen. Henri konnte sich nicht direkt einen Reim darauf machen, nahm die Aussage allerdings vorerst so hin.

    „Siehst du, alle Menschen neigen dazu, etwas zu verheimlichen. Bei dir ist es das Spielen mit den anderen Kindern, bei mir ist es mein geheimes Leben.“

    „Aber es tut dir im Innern weh, oder nicht?“, fragte der Junge weiter und Henri wurde hellhörig.

    „Ja, schon etwas, nur …“

    „Dann solltest du dich auch nicht weiter verstecken, Oori. Wenn du dir selbst weh tust, ist eine Lüge nicht gut.“ Aus Zokos Gesicht war jegliche Freude verschwunden und er wirkte mit einem Mal sehr ernst. „Ich lüge Mama nicht gerne an. Solange sie glücklich ist, bin ich es auch und ich kann damit leben. Aber wenn du nicht glücklich bist, dann solltest du die Wahrheit sagen.“

    Henri machte einen überraschten Gesichtsausdruck. Tatsächlich wusste er nicht, was er erwidern sollte. Einerseits hatte ihn die Ehrlichkeit des Jungen und der Umgang mit seiner eigenen Lüge überrascht. Andererseits war seine Reaktion auf Henris Situation so simpel, wie man es von einem Kind erwarten konnte. Grundsätzlich wäre daran auch nichts auszusetzen, wenn eben nicht die ungewisse Komponente seiner Familie wäre.

    „Vermutlich hast du recht, Zoko“, antwortete er wahrheitsgemäß, verfiel allerdings wieder in Gedanken. „Nur, was ist, wenn danach meine Eltern nicht mehr glücklich sind? Ich habe Angst, sie zu enttäuschen.“

    „Mach dir darüber keine Sorgen“, meinte der Junge und sah wieder geradeaus auf das Blumenbeet. „Vielleicht verstehen sie es nicht sofort. Mit der Zeit können sie darüber nachdenken. Sobald deine Eltern sehen, wie gut es dir bei Team Skull geht, werden sie glücklich sein.“

    Es war, als hätte Zoko trotz seines jungen Alters bereits einmal eine ähnliche Situation erlebt. Henri ließ sich die Sache in Ruhe durch den Kopf gehen. Würden seine Eltern und auch Vivienne tatsächlich aufbauend reagieren? Oder würden sie sich vielleicht von ihm abwenden?

    Während der junge Mann in Gedanken versunken war, kam Fleur freudestrahlend zurück und präsentierte ihre bunten, neuen Blüten an der klebrigen Ranke. Da Henri sie nicht sofort beachtete, wandte sie sich dem anderen Menschen zu. Mit einer Hand winkte sie heftig, um auf sich aufmerksam zu machen. Zoko erwiderte die Geste, indem er ihr einen Finger hinhielt und sie diesen umschloss. Anschließend stieß sie einige hohe Laute aus, als wollte sie ihm etwas sagen.

    „Gehört Curelei zu dir?“

    Henri bejahte die Frage mit einem stummen Nicken und Zoko sog mit geschlossenen Augen den Duft der Blüten tief ein. Schließlich atmete er wieder aus.

    „Sie ist niedlich. Curelei denkt immer an dich und möchte, dass du dich besser fühlst. Darum hat sie die besten Blüten im Park gesucht.“

    „W-was?“, fragte Henri irritiert. Bevor er allerdings mehr herausfinden konnte, stand Zoko von der Parkbank auf und lief einige Schritte nach vorne. Henri folgte seinem Blick und sah, dass die Kinder wohl wieder zurückgekehrt waren. Der Junge drehte sich zu ihm um und lächelte.

    „Viel Glück, Oori! Du schaffst das!“

    Mit diesen Worten machte sich Zoko auf den Weg und ließ Henri mit verwirrtem Ausdruck zurück. Dieser sah den Kindern nach, die wohl in der näheren Umgebung nach Pokémon Ausschau hielten. Kurz darauf drängte sich ihm Fleur auf. In Windeseile ließ sie die Blüten mit feenhafter Energie aufleuchten, sodass sie etwas strahlten und einen süßen Duft absonderten.

    „Danke“, flüsterte Henri leise und strich Fleur mit einem Finger sanft über den Kopf. Sie genoss jede Sekunde dieser Geste.

  • Part 22


    Auf dem Weg zurück zu seiner Wohnung ließ sich Henri Zokos Worte mehrfach durch den Kopf gehen. Seine Wesensart war besonders gewesen und wie Fleur auf ihn reagiert hatte, ließ den jungen Mann noch einige Zeit grübelnd zurück. Im Grunde genommen war es genauso simpel, wie Zoko es beschrieben hatte. Er musste sich eigentlich keine Gedanken machen, solange er ehrlich zu seiner Familie war. Sich dazu zu überwinden, war jedoch eine völlig andere Aufgabe. Während sich Henri umzog, hatte er bereits mehrere verschiedene Ansätze erdacht, die Sache auszuformulieren. Dennoch gefiel ihm kein einziger davon und so beließ er es vorerst wieder einmal dabei, keine Lösung zu haben. Was das anbelangte, musste er sich wohl auf andere Art ablenken und hoffen, irgendwann die eine gute Idee zu erhalten..

    Daher nahm er sich zur Stärkung noch eine vom Vortag übrig gebliebene Wilbirbeere. Die wenigen Bissen entfalteten schnell ihr saures Aroma auf Henris Zunge. Er presste die Lippen aufeinander, um den Geschmack etwas zu unterdrücken. Dennoch fühlte er sich im Anschluss erfrischt und er genoss die sauren Beeren jedes Mal wieder. Fleur hatte sich in der Zwischenzeit an einer Amrenabeere zu schaffen gemacht. Auch wenn sie nicht den Anschein erweckte, so mochte sie scharfes Essen besonders gerne.

    Anschließend machten sich beide auf zu den anderen Skull-Mitgliedern. Obwohl er sich bereits den gesamten Tag über auf das Wiedersehen gefreut hatte, schritt Henri lustlos durch die Straßen Hauholi Citys. Es war plötzlich wieder so, als würde er sich allein gegen den Rest der Welt behaupten müssen. Dabei war dem keineswegs so. Die Menschen beachteten ihn kaum, wie er mit zu Boden gerichtetem Blick entlang ging und daher hatte er auch viel Ruhe für sich selbst.

    Beim richtigen Gebäude angekommen bemerkte Henri, dass die Tür zur Wohnung aus unbestimmten Gründen einen Spalt breit geöffnet war. Daher konnte er einfach reinschlüpfen. Im Inneren bemerkte er, dass Katie alleine zugegen war und sich auf dem Tisch mit diversen Blättern Papier und Zeichenutensilien ausgebreitet hatte. Ihr Kopf schnellte hoch und sie grüßte den Ankömmling knapp.

    „Hey, Henri!“

    „Na. Sind die anderen etwa nicht da?“

    „Sie haben sich vorhin auf den Weg gemacht. Ich wollte heute einmal etwas zeichnen und Malio hatte sich bereit erklärt, allein um die Häuser zu ziehen. Xan wirkte allerdings motiviert genug, um ihn zu begleiten.“

    „Wirklich?“, fragte Henri ungläubig nach und hielt sich einen Finger an die Schläfe. „Ich glaube, das ist das erste Mal, dass ich ihn seit meinem Beitritt außerhalb der Wohnung erlebe.“

    „Erstaunlich, nicht wahr?“, entgegnete Katie und legte ein weiteres Blatt Papier zur Seite. „Normalerweise macht er das nicht und es benötigt schon viel Überzeugungsarbeit, dass er sich nach draußen begibt. Oder einfach das richtige Event. Dass keines von beidem zutrifft, ist selbst für mich nahezu unerhört.“

    Henri unterdrückte ein Lachen. Ihm wurde bereits vor längerer Zeit einmal erzählt, dass Xan aufgrund einer bekannten Band aus Galar sehr aus dem Häuschen war. Offenbar hatte er alle Mittel in Bewegung gesetzt, um ihren Auftritt in Alola sehen zu können. Ehrlich gesagt konnte er sich ihn nicht auf diese Weise vorstellen. Andererseits hatte er sich heute freiwillig nach draußen begeben, um sich die Beine zu vertreten. Vielleicht war es darauf zurückzuführen, dass sie zuletzt alle Veränderungen durchlaufen hatten. Ob das womöglich auf ihn abgefärbt hatte?

    „Was machst du da eigentlich?“

    Interessiert überblickte Henri die vielen Bleistiftzeichnungen, die sich um Katie scharten. Viele davon waren mit unfertigen Skizzen versehen, wenngleich er häufig Floette und Curelei schlafend nebeneinander erkennen konnte.

    „Mir hat es so sehr gefallen, als sich Fleur zuletzt neben Kanani hingelegt hatte. Deswegen versuche ich gerade, das nachzuzeichnen.“ Sie lehnte sich auf dem Stuhl zurück, reckte ihre Arme in die Höhe und versuchte, sich zu dehnen. Ein leises Knacken war von den Gelenken zu vernehmen. „Es ist aber unglaublich schwierig, beide zufriedenstellend abzubilden. Was meinst du, welche von den beiden Skizzen sieht besser aus?“

    Daraufhin nahm sie zwei Blätter und hielt sie Henri entgegen. Sie hatten beide gemein, dass die Pokémon nah beisammen waren. Eine Zeichnung zeigte beide inmitten von Fleurs eingerollter Ranke, während Kanani ihre Blume wie einen Schirm nach oben hielt. Bei der anderen hielt Kanani die Blume waagrecht vor sich und Fleurs Blütenranke füllte einen großen Teil der leeren Papierfläche aus. Tatsächlich hatten beide Versionen ihre Vorzüge.

    „Ich denke, ich mag die Version mit dem Blumenkranz lieber“, antwortete er grübelnd. „Die Pokémon wirken da zueinander mehr verbunden und sie ergänzen sich insgesamt besser.“

    „Gut, einstimmig also. Danke für deine Meinung!“

    Offenbar hatte Katie schon die längste Zeit eine Entscheidung getroffen und wollte sich lediglich eine zusätzliche Bestätigung abholen. Sie machte sich direkt daran, eine weitere Skizze auf einem neuen Blatt zu starten und die Details ansprechender auszuarbeiten. Fasziniert sah Henri ihr zu, wie sie Strich um Strich hinzufügte und sich mit der Zeit ein grobes Gesamtbild ergab. Angesichts ihrer eifrigen Arbeit wollte er sie nicht weiter stören und setzte sich auf die Couch. Von dort beobachtete Henri die Zeichnerin still. Sie wirkte so vertieft, dass sie alles um sich herum auszublenden schien.

    „Was lief bei dir heute so?“, fragte Katie plötzlich. Sie sah dabei allerdings nicht von ihrem Werk hoch. „Hat dich Keoni wieder aufgehalten, dass du so spät kommst?“

    „Auch“, gab er zurück und ließ etwas widerwillig die Geschehnisse des Nachmittages Revue passieren. „Meine Schwester hat mir eine Nachricht geschrieben und wir kamen dann im Café auf meine Familie. Und mein aktuelles Leben.“

    Die kurze Zusammenfassung reichte bereits, damit Katie ihren Bleistift und das Papier zur Seite legte und sich mit den Armen auf dem Tisch abstützte. Sie signalisierte damit deutlich, dass sie nun ganz Ohr war.

    „Also, mehr war da eigentlich auch nicht“, versuchte Henri, die Sache schnell beiseite zu kehren. Die Begegnung mit Zoko erwähnte er nicht weiter, da er sich selbst noch ein besseres Bild machen musste.

    „Hast du ihr wenigstens zurückgeschrieben?“, fragte sie mit ernstem Blick. Auf ihre Frage schüttelte er sachte mit dem Kopf.

    „Noch nicht. Ich habe mir Zuhause überlegt, wie ich die Sache formulieren soll. Bisher allerdings mit keinem zufriedenstellenden Ergebnis.“

    Katie seufzte und stand langsam von ihrem Platz auf. Während sie sich von Henri erzählen ließ, welche Ideen er beiseite gelegt hatte, befüllte sie ein Glas mit Wasser und trank daraus. Anschließend ließ sie sich neben ihm auf der Couch nieder.

    „Weißt du“, begann sie und schüttelte das halb volle Glas so hin und her, dass das Wasser regelmäßig bis knapp unter den Rand kam. „Ich verstehe, dass du dir Sorgen machst, wenn dein Leben mit uns herauskommt. Aber ich finde auch, dass es so nicht weitergehen kann. Du machst dich selbst regelmäßig deswegen fertig und wenn ich ehrlich bin, kann ich das nicht länger mitansehen.“

    „Ja, verstehe ich“, murmelte Henri automatisch und sah betreten zu Boden.

    „Erinnerst du dich, als ich dir von meinem Vorhaben erzählt habe, meine Eltern anzurufen?“, fragte Katie und er rief sich den besagten Abend in Erinnerung. Sie waren eigentlich bei einem Treffen von Team Skull eingeladen und hatten dabei einige ihrer persönlichen Ängste abgelegt. Nie würde er diesen Tag vergessen, an dem er die Sicherheit über seine Profession wiedererlangt hatte.

    „Ja, daran erinnere ich mich gut.“

    „Ich habe dir nie gesagt, was mich dazu getrieben hat.“ Sie wickelte eine Strähne ihrer langen Haare an einem Finger auf, während sie erzählte. „Du warst der Grund. Eigentlich hatte ich schon lange damit gehadert, ob es die richtige Entscheidung sein würde. Immerhin war ich von Zuhause weggelaufen und ich hatte angenommen, dass mir das meine Eltern lange nachtragen würden. Als ich dich aber mit Sproxi gesehen habe und wie sehr du ihm helfen wolltest, war ich fasziniert. Du hast dich so lange gesträubt und letztendlich doch dazu entschieden, deine Interessen wieder aufzunehmen. Bei mir war es sehr ähnlich. Während ihr im Pokémon-Center wart, habe ich mir das lange durch den Kopf gehen lassen. Als du wieder mit Selbstvertrauen aufgetaucht bist, war die Sache für mich klar.“

    Mit starrem Blick hatte Henri Katie die ganze Zeit angesehen, während sie gesprochen hatte. Er versuchte, die dargelegte Situation zur Gänze in sich aufzunehmen. Dabei bemerkte er, dass er wohl in vielerlei Hinsicht ihre Ansichten geprägt hatte. Ob nun zum Positiven oder zum Negativen, konnte er nicht sagen.

    „Das … wusste ich gar nicht“, gestand er und blickte wieder geradeaus. „Also, dass ich so einen großen Einfluss auf dich hatte. Ich schätze aber, dass du auf mich ebenfalls viel Eindruck gemacht hast. Ansonsten wäre ich vielleicht nie mit Sproxi aufgebrochen.“

    „Deswegen würde ich dich gern bitten, es zu versuchen.“ Katie nahm Henris Hand zwischen ihre und suchte den Blickkontakt mit ihm. „Ich habe meine Eltern falsch eingeschätzt und sie tragen mir nichts nach. Sie waren froh, dass ich so selbstständig geworden bin. Dass ich mich am Ende gemeldet habe. Und ich denke, dass das bei deiner Familie ebenfalls so sein wird.“

    „Meinst du?“, hakte er nach und sie nickte mit ihrem Kopf.

    „Wenn es nicht so ist, bekommen sie es mit mir zu tun! Du bist ein wunderbarer Mensch und solltest dich nicht verstecken. Sollten andere das nicht zu schätzen wissen, haben sie dich auch nicht verdient.“

    Katies Worte hallten lange in seinem Kopf nach, während sich Stille über die beiden legte. Henri nahm nach einiger Zeit sein Smartphone aus der Tasche und rief die Nachricht auf, die seine Schwester Vivienne geschrieben hatte. Während seines Aufenthalts in Keonis Café meinte er noch, später zurückschreiben zu wollen. Sein Blick war dennoch skeptisch. Konnte er in einer einzelnen Nachricht niederschreiben, was er gerade dachte?

    Schließlich traf sich sein Blick erneut mit Katies. Sie wirkte nach ihrer Rede erwartungsvoll und wartete ab, wie seine endgültige Entscheidung lauten würde.

    „Okay“, sagte er schließlich und nickte.

    Henri stand von der Couch auf und entfernte sich einige Schritte weit. Katie wollte beinahe schon ihren Kopf hängen lassen, als er das Smartphone an sein Ohr hielt. Einige Sekunden vergingen, bis er sich erneut meldete.

    „Hallo Vivi, Henri spricht. Ich … wollte dich gern etwas fragen.“

    In diesem Moment drehte er sich um und sah Katie mit heiterem Gesichtsausdruck. Als sie erkannte, mit wem Henri sprach, ballte sie ihre Hände zu Fäuste und streckte die Daumen nach oben. Er lächelte.

    Ja, genau so!

    „H-hättest du Zeit und Lust, dass wir uns in Alola treffen? Es ist mir sehr wichtig.“

  • Part 23


    Mittlerweile waren zwei Tage vergangen, nachdem Henri seine Schwester Vivienne angerufen hatte. Der Wunsch ihrer Eltern, dass sie sich jederzeit gern wieder auf die Reise begeben konnte, wurde somit früher als erwartet erfüllt. Der Anruf hatte sie durchaus überrascht, jedoch war sie sofort Feuer und Flamme für den Vorschlag gewesen. Aufgeregt hatte Vivienne alle Details erfragt, wann und wo sich die beiden treffen würden. Schließlich hatten sie sich auf einen gut sichtbaren Pier im Hafen am Nachmittag geeinigt, der für Besuchende Sitzgelegenheiten in Form von Bänken bot. Seine Schwester versprach, möglichst bis zum Abend da zu sein. Die Zeitverschiebung zwischen den Regionen hatte Henri im Eifer nicht bedacht. Er sagte allerdings dazu, gerne auch bis in die Nacht hinein zu warten, sollte sie sich verspäten.

    Henri stand vor dem großen Spiegel in seiner Wohnung und betrachtete sich selbst. Die Skull-Montur, die Katie damals für ihn beschafft hatte, war für ihn mittlerweile zur absoluten Selbstverständlichkeit geworden. Gemeinsam mit der Mütze und dem Mundtuch wirkte er nicht so, als wäre er anderen Menschen wohlgesonnen. Besonders erweckte Henri nicht den Anschein, als könnte es sich bei ihm um einen Pokémon-Arzt handeln. Häufig hatte er sich gefragt, warum er dennoch im Pokémon-Center für sein Auftreten akzeptiert wurde. War es wirklich nur seine Profession, die ihn so weit gebracht hatte?

    Er atmete tief ein und anschließend wieder aus. Es war bereits später Nachmittag und es würde sicher nicht mehr lange dauern, bis Vivienne auftauchen würde. Daher beschloss Henri, nun endlich aufzubrechen. Gemeinsam mit Fleur an seiner Seite verließ er die Wohnung und ging die Straße in Richtung des Hafens entlang. Dabei rief er sich erneut in Erinnerung, was in den letzten beiden Tagen alles geschehen war.

    Das Telefonat hatte auch in Katie einen bestimmten Nerv getroffen. An ihre Zeichnungen war kaum noch zu denken und so hatten sie gemeinsam den gesamten Abend damit verbracht, den Vorgang zu planen. Henris Herz klopfte wild, als er daran dachte, sich Vivienne als Mitglied von Team Skull zu offenbaren. Fest stand für ihn, dass er dies auf jeden Fall durchziehen würde. Alle Sprechübungen mit Katie verliefen aber immer wieder im Sande und irgendwann ging ihm die Vorstellung, das Treffen perfekt zu planen, doch etwas zu hoch.

    „Kein Problem, dann hören wir für heute auf“, meinte sie mit sanfter Stimme und brachte Henri ein Glas Wasser. Er vertilgte die Flüssigkeit in Nullkommanichts und bemerkte, dass er eigentlich sehr durstig war. Katie schmunzelte und füllte es noch zweimal nach, bevor er genug hatte. Anschließend stieß er die angestaute Luft aus und betrachtete die Zimmerdecke.

    „Ich hoffe, dass es nur halb so wild wird, wie ich es mir gerade ausmale“, sagte er und hielt beide Hände auf sein Gesicht. Die daraus resultierende Dunkelheit sorgte für ein bisschen Wohlbefinden und Entspannung.

    „Klar“, gab Katie zurück, während sie ihre verstreuten Zeichnungen einsammelte. „Wenn du live mit deiner Schwester redest, hilft dir keine Vorbereitung. Wir können noch so viel üben, aber am Ende wird es immer anders sein, als wir es uns vorstellen. Die Hauptsache ist, dass ihr überhaupt miteinander sprecht.“

    „Das ist mir natürlich klar.“

    In der Zwischenzeit waren auch Malio und Xan zurückgekehrt. Ersterer wurde von seinem Partner Puna, einem Araqua, begleitet, das von Kampfspuren geprägt war. Allem Anschein nach hatten sie sich in der Gegend aufgehalten und Pokémon herausgefordert. Henri hoffte lediglich, dass dabei niemand zu größerem Schaden gekommen war.

    Nachdem sie sich frisch gemacht hatten, offenbarten sie ihm und Katie, was sie erlebt hatten. Tatsächlich wollten ein paar leichtsinnige junge Trainer wissen, was sie drauf hatten und ließen sich daher auf eine Herausforderung mit Malio ein. Sie konnten nicht wissen, dass er im Gegensatz zu ihnen bereits einiges an Erfahrung in Pokémon-Kämpfen besaß und Puna damals von Akala für seine Inselwanderschaft mitgenommen hatte. Dennoch vermied Malio größere Auseinandersetzungen so häufig wie möglich. Ein Grund dafür war laut eigener Aussage die Niederlage, die er gegen Hala einfahren musste. Seitdem hatte er sich häufig Gedanken gemacht, wie er selbst zu Pokémon stand und welchen Zweck Kämpfe verfolgten. Eine Frage, die ihm Hala auch gestellt hatte und die er damals nicht beantworten konnte.

    Die Fragerunde ging noch einige Male hin und her, bis Henri angesprochen wurde.

    „Du bist so still heute“, sagte Malio und deutete bei lockerer Haltung mit zwei ausgestreckten Fingern auf ihn. Dieser sah von einem Gesicht zum nächsten im Raum. Katie musste er grundsätzlich nichts mehr erzählen, wenngleich sie einen ahnungslosen Eindruck erweckte, um nichts vorweg zu nehmen. Daraufhin begann Henri beim Gespräch mit Keoni, ging zum Anruf mit seiner Schwester über und beendete die Geschichte damit, dass er sie in zwei Tagen treffen würde.

    „No way!“, rief Malio und reagierte mit einem prustenden Lachen, auf das Xan abschätzig einging.

    „Du hast ja einen schrägen Humor, wenn du das so witzig findest.“

    „So is’ es nich’, Bro’. Aber Henri hat sich einfach mal überwunden! Nachdem er bisher immer ausgewichen is’, will er’s jetzt wissen. Das kann nur gut werden.“

    „Deine Ironie trieft“, entgegnete Xan trocken und erntete dafür nicht nur Verwirrung von Malio, sondern auch einen wahrlich niederschmetternden Blick von Katie. Er seufzte daraufhin, verschränkte die Arme und wandte den Blick ab, um sich keine stillen Starrgefechte mit ihr liefern zu müssen.

    „Meinetwegen, ich bin überrascht. Aber da war doch sicher Katie mit im Spiel. Sie kann äußerst“, die Betonung legte er gezielt auf dieses Wort, „überzeugend sein, wenn sie das möchte.“

    Malio entschuldigte sich unterdessen, falls seine Aussage falsch aufgefasst wurde. Ihm wurde jedoch versichert, dass das keineswegs so war. Alle drei sicherten dafür Henri zu, dass sie ihn mit Leibeskräften bei seinem Vorhaben unterstützen und an ihn denken würden. Er erkannte auch dieses Mal wieder den enormen Zusammenhalt, der das Team zusammenschweißte. Selbst wenn es sich um persönliche Angelegenheiten handelte, konnte auf die Unterstützung anderer Mitglieder gebaut werden. Eigentlich hatte Henri das schon lange verinnerlicht und dennoch wurde er jedes Mal aufs Neue mit dieser Tatsache überwältigt.

    Der darauffolgende Tag war in Henris Augen besonders ereignislos. Nach seiner Arbeit im Café hatte er sich dazu entschlossen, die Wohnung aufzuräumen und für Ordnung in seinem Heim zu sorgen. An ein Treffen mit den anderen war vorerst nicht mehr zu denken. Nervosität lag in der Luft und es machte nicht den Anschein, als würde sie bald abklingen. Ganz im Gegenteil erwischte sich Henri dabei, wie ihn keine angefangene Tätigkeit wirklich lange bei der Stange halten konnte. So verbrachte er die meiste Zeit im Bett und döste vor sich hin. Seine Partnerin sorgte hierbei durch die duftenden Blüten immer für ein angenehmes Aroma, damit er in Ruhe schlafen konnte.

    Mittlerweile hatte Henri mit Fleur den Hafen erreicht. Er lehnte sich am Pfahl einer hohen Straßenlampe an, während seine Partnerin auf seinem Kopf Platz genommen hatte. Von hier aus hatte er den besten Überblick, um Vivienne oder gar ihre Pokémon zu entdecken. Die Sonne war bereits am Untergehen und warf lange Schatten auf die Wege.

    Wie lange er gewartet hatte, wusste Henri tatsächlich nicht mehr. Schließlich hörte er einen schrillen Ruf aus der Ferne. Neugierig blickte er in den Himmel und konnte dort eine flatternde Gestalt erkennen. Sie flog im Luftraum über dem Hafen ihre Kreise, bis sie mit schnellen Flügelschlägen auf dem nahegelegenen Pier landete. Von seiner Position konnte Henri erkennen, wie eine Person abstieg. In diesem Zusammenhang erkannte er auch die Umrisse des Pokémons wieder. Die langen Arme mit den Flughäuten sowie die hoch stehenden Ohren verrieten ihm, dass es sich um ein groß gewachsenes UHaFnir handeln musste. Und nicht irgendeines.

    „Chérie“, murmelte er. Vivienne war endlich da!

    Sie streifte ihre Jacke ab und sprach wohl mit ihrem Pokémon. Henri konnte die Worte aufgrund der Entfernung nicht verstehen. Das war für ihn allerdings auch zweitrangig. Ihrem suchenden Blick nach zu urteilen fragte sie sich wohl bereits, wo er stecken könnte.

    Henri schluckte. Sein Herz fing an, schneller zu schlagen. Er hatte nur diese Möglichkeit, um sich zu beweisen. Zu zeigen, dass er sich seinen Ängsten stellen und die vergangenen Erlebnisse endlich ablegen würde. Wann war der richtige Moment? Mehrmals überlegte Henri, ob er zu Vivienne gehen sollte. Sie war ihm so nahe, wie schon lange nicht mehr. Würde sie Verständnis zeigen? Jetzt oder nie! Einatmen. Ausatmen. Den Mundschutz richten. Bereit!

    Mit einem Ruck stieß sich Henri vom Lampenpfahl ab und setzte sich in Bewegung. Fleur erhob sich ebenfalls von ihrer Position und schwebte ihm hinterher. Er wagte kleine Schritte vorwärts. Das Wichtigste war, nun nicht umzudrehen. Vermutlich würde ihn Fleur sowieso davon abhalten, wenn er es versuchte. Henri kam Vivienne und Chérie immer näher. Er konnte nun auch immer deutlicher ihre Umrisse erkennen. Der Flug von Kalos bis hierher war sicherlich nicht einfach gewesen und es wunderte ihn nicht, dass sie entsprechende Kleidung trug. Das Motiv auf ihrem weißen Shirt stellte den Schild von Durengard dar. Er wusste, dass sie dieses Stück besonders gerne trug. Die dunklen, zusammengebundenen Haare flatterten währenddessen unentwegt in der Brise.

    Als Henri langsam näher kam, wurde schließlich Chérie auf ihn aufmerksam. Sie ließ ein lautes Kreischen ertönen, wodurch Vivienne herumfuhr. Ihr hoffnungsvoller Blick wandelte sich in Sekundenschnelle zu einem enttäuschten Gesichtsausdruck. Er ließ sich allerdings weder davon noch von Chéries lauernder Drohgebärde ablenken.

    „Bleib lieber zurück“, sagte Vivienne mit klarer Stimme und deutete mit einem Finger auf ihre langjährige Partnerin. „Du willst sicher nicht, dass sie dich anfällt, oder?“

    Wäre er ihr fremd gewesen, hätte er an dieser Stelle vermutlich kehrt gemacht. Henri schritt aber weiter voran und kam seiner Schwester immer näher. Sie hob abwehrend einen Arm.

    „Ich meine es ernst, Skull-Typ! Komm näher und Chérie kümmert sich um dich!“

    Wie erwartet offenbarte Vivienne viel Ablehnung gegenüber Team Skull. Im Stillen schalt sich Henri dafür, so viel Schlechtes über sie erzählt zu haben. Nun gab es aber kein Zurück mehr.

    Er blieb auf der Stelle stehen und kniete sich hin. Anschließend machte sich Fleur auf den Weg zu Chérie und umrundete sie mehrere Male. Ihre Nervosität gegenüber Fee-Pokémon ließ sich Viviennes Pokémon zu keiner Zeit anmerken. Dennoch schnupperte sie interessiert an Fleur und sah danach wieder Henri an.

    „Ein … Curelei?“, fragte seine Schwester irritiert. Sie nahm Fleur genau in Augenschein und bemerkte, wie zutraulich diese Pokémon-Art doch war. Insbesondere überraschte sie die Geste, dass ihr der zusammengebundene Blumenkranz über den Kopf gestülpt wurde. Auf merkwürdige Art und Weise wirkte es wie ein Willkommensgeschenk.

    Chérie ließ hingegen ihre Drohgebärde fallen und krabbelte langsam auf allen vieren auf Henri zu. Er wagte es nicht, sich von der Stelle zu bewegen und ließ sie einfach gewähren. Viviennes Pokémon schnupperte mehrmals an ihm, bis sie ihm mit der rauen Zunge über die Wange leckte. Reflexartig zuckte er zurück, jedoch suchte er direkt den Blickkontakt mit ihr. Chérie nahm ihn aus intelligenten, gelben Augen wahr, während er ihr seine Hand hinhielt. Sie legte einen der großen Flügel darauf und stieß einen leisen, gurrenden Laut aus. Henri lächelte unbewusst und sah erneut zu seiner Schwester.

    Erneut fragte sich Vivienne, was hier passierte. Chérie war gegenüber Fremden normalerweise nicht so ruhig eingestellt. Als sie ihm tief in die dunkelbraunen Augen blickte, riss sie jedoch ihre eigenen auf und hielt eine Hand vor ihren Mund.

    „Nein. Bist du das, Henri?“

    Der junge Mann erhob sich aus seiner gebückten Pose und nahm dabei seine Mütze ab. Anschließend zog er sein Mundtuch langsam nach unten und Fleur nahm, nun ohne Blumenranke, wieder auf seinem Kopf Platz. Er presste die Lippen aufeinander und stammelte einige Worte.

    „Hey, Vivi.“

    Im ersten Moment starrten sich beide lediglich an. Vivienne setzte sich anschließend zuerst in Bewegung. Mit wackligen Schritten ging sie auf ihren Bruder zu und umarmte ihn fest. Zögerlich erwiderte er die Geste und er konnte hören, dass sie weinte.

    „Endlich! Ich habe dich so vermisst!“

  • Part 24


    Chérie hatte sich in der Zwischenzeit ebenfalls aufgerichtet, um die zwei vertrauten Menschen besser begutachten zu können. Ihr Blick fiel zudem auf Fleur, die von ihrer Position lächelnd in die Augen der Drachen-Dame sah. Sie war der eigentliche Grund, dass sie Henri hinter der Maske erkannt hatte.

    „Vivi, ich …“, begann Henri, wusste allerdings nicht, wo er weitermachen sollte. Sein Herz klopfte noch wilder als zuvor und er glaubte fast, sich nicht mehr beruhigen zu können. Viviennes linke Hand wanderte zu seinem Kopf hoch, sodass sie ihn in den Haaren kraulen konnte.

    „Keine Sorge. Ich bin wieder für dich da.“

    In diesem Moment blitzte eine Erinnerung in Henris Kopf auf. Zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit, als seine Schwester zu ihrer ersten großen Reise aufgebrochen war, hatte er sie immens vermisst. Als sie schließlich zurückgekehrt war, hatte sie genau dasselbe gesagt. Dass sie erneut für ihn da wäre.

    Einzelne Tränen formten sich in seinen Augen. Henri vergrub daraufhin sein Gesicht in Viviennes Haaren. Schluchzend entkamen seinem Mund erstickte Laute, die er vergeblich zu unterdrücken versuchte. Ihre Nähe war es, die ihn gerade mehr mitnahm, als er selbst wollte. Gleichzeitig spürte er eine besondere Gefühlsregung in sich, von der er dachte, sie wäre vielleicht verloren gegangen. Obwohl er es nicht direkt sagen konnte, wusste Henri, dass er Vivienne vermisst hatte. Sie strich ihm über den Kopf, während sie selbst etwas zur Ruhe gekommen war.

    „Lass dir Zeit“, hauchte sie in die noch immer warme Abendluft hinein. „Ich denke, wir haben uns einige Dinge zu erzählen. Aber alles der Reihe nach.“

    Henri und Vivienne waren noch einige Minuten am Pier in ihrer innigen, familiären Umarmung verblieben. Niemand von den beiden wollte sich lösen und so ließen sie den vermeintlich kurzen Moment zu einer gefühlten Ewigkeit werden.

    Schließlich konnte sich aber auch Henri wieder beruhigen. Hätte er gewusst, dass das Treffen so enden würde, hätte er sich um Taschentücher bemüht. Der junge Mann ließ Vivienne los und trat vorsichtig einen Schritt zurück. Als sich beide völlig verweint ansahen, begannen sie gleichzeitig zu lachen. Die Wiedersehensfreude hatte sich mittlerweile in so vielen Emotionen gezeigt, dass die beiden sie vermutlich nicht mehr zählen konnten. Chérie konnte dem Geschehen nur mit fragendem Blick folgen, während Fleur leise kicherte.

    „Komm bitte mit“, sagte Henri und deutete mit einer Hand in Richtung der Stadt. „Ihr könnt bei mir in der Wohnung bleiben. Dann müsst ihr euch nicht extra um eine Unterkunft bemühen.“

    „Gerne!“

    Bevor Vivienne allerdings ihrem Bruder folgte, wandte sie sich zuerst an Chérie. Dazu ging sie in die Hocke und strich ihrer Partnerin mit einem Finger an der Unterseite ihres Mauls entlang. Ihr Gegenüber genoss die Geste sehr und ließ abermals ein leises Gurren ertönen.

    „Danke, dass du mich hierher gebracht hast“, begann sie nun sanft zu sprechen und zückte einen Nestball. „Du bist stark und ich hoffe, das ist dir auch immer bewusst. Ruh dich jetzt aber erst einmal etwas aus, damit du wieder fit wirst.“

    Chérie stieß einen kurzen, hohen Schrei zur Bestätigung aus. Anschließend wurde sie in das vom Nestball ausgehende helle Licht gehüllt und verschwand in diesem. Vivienne erhob sich und wechselte einen Blick mit Henri. Sie lächelte.

    „Bin bereit!“

    Gemeinsam marschierten sie los und traten den Weg zu seiner Wohnung an. Fleur gähnte herzhaft, streckte die Arme kurz aus und rollte sich anschließend auf Henris Kopf ein.

    „Ihr zwei passt wirklich gut zusammen“, merkte seine Schwester an, während sie das kleine Pokémon betrachtete. In kürzester Zeit war Fleur bereits eingeschlafen.

    „Sie ist die beste Partnerin, die ich mir vorstellen könnte“, gab er zurück. „Seit ich in Alola zu studieren begonnen habe, begleitet sie mich und erheitert meinen Alltag.“

    „Das ist schön zu hören! Ich bin froh, dass du in den letzten Monaten immer jemanden um dich hattest. Manchmal wünschte ich mir, ich hätte dir bei unseren Telefonaten über bessere Ereignisse berichten können.“

    Henri hatte damit gerechnet, dass Kalos bald zur Sprache kommen würde. Kein Wunder, wenn man bedachte, dass Vivienne quasi direkt aus dem Krisenherd kam. Da sie noch einen ordentlichen Weg vor sich hatten, fragte er interessiert nach.

    „Hat sich dort noch etwas getan oder ist die Situation nach wie vor schwierig?“

    „Nun“, begann seine Schwester und sah nachdenklich in den Himmel. „Aquarellia verteidigt sich aktuell gemeinsam mit Escissia und Batika gut gegen die Zombie-Pokémon. Ich denke nicht, dass dort noch Hilfe notwendig ist. Illumina City kümmert sich vor allem um sich selbst und wohl auch Vanitéa. Die reichen Schnösel von dort haben sich angeblich laut Berichten in den letzten Tagen eingekauft, um nichts befürchten zu müssen. Aus den Städten im Westen, also vor allem Relievera City, hört man nahezu kaum etwas. Ansonsten wird Romantia City immer mehr von der Natur verschlungen und die Menschen sind von dort schon vor längerer Zeit geflüchtet.“

    Er biss sich auf die Lippen, als Vivienne über die Lage in den größeren Orten berichtete. Besonders um Romantia City schmerzte es ihn, da die zauberhafte Stimmung inmitten des im Norden gelegenen Waldes bei jedem Besuch perfekt zur Geltung gekommen war. Andererseits war es nur ein Teilverlust, wenn man bedachte, in welcher Not sich die gesamte Region befand.

    „Die Kriminalität hat sich übrigens auch massiv erhöht“, ergänzte Vivienne. „Gegen die Flut an Straftätern kommt die Polizei einfach nicht mehr an. Es ging sogar so weit, dass die zuständigen Leute aus einigen Städten einfach vertrieben wurden. Sich in Kalos aufzuhalten ist aktuell zu jeder Zeit gefährlich.“

    „Verstehe“, murmelte Henri und grübelte nach. „Ich habe noch keine Meldung erhalten, dass man wieder per Flugzeug in die Region einreisen kann. Das würde jedenfalls einiges erklären, wenn alle Städte noch zu kämpfen haben, einen Normalzustand zu erreichen.“

    „Ich bezweifle, dass es je wieder so sein wird wie früher.“ Die Aussage überraschte ihn etwas, insbesondere als Vivienne ihre Hände zu Fäusten ballte und den Kopf schüttelte. „Niemand kann sich einfach so Xerneas und Yveltal in den Weg stellen. Dazu sind sie einfach zu mächtig, als dass sie von ein paar Menschen aufgehalten werden könnten.“

    Mit ihrem Argument hatte sie durchaus recht. Henri konnte nur davon träumen, den beiden Pokémon je einmal begegnen zu können. Andererseits fragte er sich, ob er das denn tatsächlich wollte. Nach den Berichten über die wilden Pokémon konnte er sich Besseres vorstellen, als an der Grenze zwischen Leben und Tod in der Welt zu wandeln.

    „Tut mir leid, dass ich gefragt habe“, sagte er kleinlaut und seine Schwester winkte ab.

    „Keine Sorge! Ich wollte mir nur etwas Luft machen. Wenn du einmal so lange direkt in den betroffenen Gebieten bist, verändert sich deine Sicht auf nahezu alles.“ Sie seufzte und schüttelte ihre Haare durch. „Vielleicht war es sogar gut so, dass ich endlich aufgebrochen bin.“

    Mittlerweile hatten die beiden den Wohnungskomplex erreicht, in dem Henri wohnte. Er öffnete mit seinem Schlüssel die Haustür und sie stiegen die Stufen hinauf.

    „Hoffentlich kommst du bald wieder auf andere Gedanken“, fügte er noch hinzu. „Etwas Abstand kann sicher nicht schaden.“

    Schließlich betraten sie die Wohnung. Da es draußen bereits dunkel war, wurde zusätzlich das Licht aufgedreht. Dass Henri tags zuvor noch aufgeräumt hatte, war eine gute Idee gewesen. Wenngleich er die Räumlichkeiten teilweise noch immer als unordentlich empfand, so machte es zumindest einen besseren Eindruck.

    „Setz dich gerne zum Tisch“, bot er Vivienne an. Nachdem sie ihre Jacke im Vorraum aufgehängt hatte, kam sie seiner Bitte sofort nach. Mit einem Stoßseufzer ließ sie sich nieder und streckte ihre Beine nach vorne aus. Henris Weg führte in die Küche. „Was möchtest du? Wasser oder Saft?“

    „Du bietest mir kein Bier an?“, spöttelte sie empört und streckte direkt danach die Zunge heraus. „Pardon, ich konnte nicht anders. Wasser reicht mir.“

    Der junge Mann gluckste unmerklich und machte sich daran, ein Glas aus dem Schrank zu nehmen. In aller Kürze hatte er es mit Leitungswasser befüllt und zu Vivienne an den Tisch gestellt. Mit geübtem Handgriff fasste er Fleur von seinem Kopf und brachte sie ins Schlafzimmer. Anschließend nahm Henri selbst Platz und verschränkte die Arme, während er sich zurücklehnte.

    „Ah, das war notwendig“, sagte sie und stellte das halb volle Glas wieder ab. Ihr Blick kreuzte sich mit Henris, während sie ihn interessiert musterte. „Aber genug von mir. Du wolltest mir vermutlich erzählen, was es mit deinem neuen Outfit auf sich hat?“

    Ja, das wollte er. Obwohl Henri mit Katie einige Fragen für diesen Fall besprochen hatte, fiel es ihm nicht leicht, anzufangen. Zu der Sache führten am Ende viele verschiedene Dinge.

    „Ja. Du weißt, was das ist?“

    „Natürlich. Modische Kleidung von Team Skull scheint überall in Alola präsent zu sein. Nach allem, was du mir erzählt hast, wundert es mich allerdings, dass du auch dazu gehörst.“

    „Das kann ich nachvollziehen“, antwortete er wahrheitsgemäß. Schließlich entschied sich Henri, die Sache von ganz vorne zu beginnen. Er fing damit an, als er seine Prüfung beinahe in den Sand gesetzt hatte und am selben Tag der Katastrophenstatus in Kalos verkündet wurde. Von Viviennes Anruf, auf den sie einige Wochen gezwungenermaßen nicht antworten konnte. Auf seine nachdenkliche, beinahe depressive Phase, in der Henri schließlich Katie, Malio und Xan getroffen hatte. Und zuletzt, wie sich sein Leben durch die drei verändert und was er mit ihnen erlebt hatte.

    Obwohl es ihm anfangs schwer gefallen war, klare Formulierungen zu finden, kamen die Worte irgendwann von selbst. Es war, als wollten sie endlich erzählt werden. Vivienne lauschte gebannt, ohne ihn zu unterbrechen. Anhand ihrer Gesichtsausdrücke konnte Henri deuten, dass sie einige Erlebnisse nachdenklich stimmten. Wie sie allerdings in ihrer Gesamtheit dachte, konnte er nicht aus ihrer Mimik herauslesen.

    „Und so habe ich mich letztendlich entschieden, dich zu kontaktieren“, beschloss der junge Mann seinen langen Monolog. Er hatte das Gefühl, nichts ausgelassen zu haben und seiner Schwester ein umfassendes Bild der letzten Monate erzählt zu haben.

    Es dauerte einige Sekunden, bis sie ihren Kopf in den Nacken warf und den Blick zur Decke richtete. Viviennes Atem ging ruhig und sie nahm sich die Zeit, alles Erzählte genauestens zu verarbeiten. In Henri weckte es allerdings eine ungewisse Nervosität. Am Ende fixierte sie ihren Bruder wieder und schüttelte den Kopf.

    „Ach, Henri“, begann sie und verschränkte die Arme. „Warum hast du das nicht schon früher erzählt?“

    „Tut mir leid“, antwortete er betroffen und ballte eine Hand. „Nach allem, was passiert war, wollte ich euch alle nicht damit enttäuschen.“

    „Das würdest du nie tun“, sagte sie und setzte einen ernsten Gesichtsausdruck auf. „Du bist mein Bruder und du müsstest schon sehr viel Dummes anstellen, dass ich dich im Stich lassen würde. Auch wenn ich nicht sagen kann, wie ich reagiert hätte, dass du dich Team Skull angeschlossen hast. Aber das kann uns in diesem Moment egal sein. Ich bin einfach froh, dass du Freunde in dieser schwierigen Zeit gefunden hast.“

    Vivienne setzte wieder ab und wischte sich mit den Fingern über die geschlossenen Augen. Henri merkte, dass sie sich aufgrund der Geschehnisse schuldig fühlte.

    „Mach dir bitte keine Vorwürfe“, entgegnete er ruhig. „Du hattest selbst genug zu tun und wusstest ja nicht, was hier passiert. Es ist einfach zu viel zusammengekommen.“

    Seine Schwester nickte lediglich. Beide mussten schwierige Entscheidungen in ihren jungen Leben treffen. Das Verhältnis zueinander hatte sich aber nicht geändert, weswegen es nicht notwendig war, sich deswegen fertig zu machen. Das verstand er nun auch.

    „Danke, dass du mir zugehört hast“, ergänzte Henri. „Das bedeutet mir wirklich viel, dass du mich wegen meines Beitritts bei Team Skull nicht verabscheust.“

    „Wie könnte ich?“, fragte sie betroffen und stand auf, um sich die Beine zu vertreten. „Unsere Eltern würden das ebenfalls verstehen. Da bin ich mir ganz sicher.“

    „Vermutlich, ja.“

    Inmitten der entstehenden Stille betrachtete Vivienne in Ruhe die Einrichtung. Obwohl die beiden viel miteinander schrieben und telefonierten, hatte sie noch keinen Abstecher zu ihm nach Alola gemacht. Als ihr Blick wieder bei Henri landete, kam ihr etwas in den Sinn.

    „Ich hätte eine Bitte“, sagte sie plötzlich und er wurde hellhörig.

    „Gerne. Möchtest du etwas zu essen haben?“

    „Das auch.“ Verlegen streckte sie die Zunge heraus, kam jedoch sofort wieder zum Thema zurück. „Würdest du mir deine neuen Freunde vielleicht vorstellen?“

  • Part 25


    Der übrige Abend verlief ohne größere Ereignisse. Gemeinsam aßen sie schließlich etwas von dem Salat mit Käse und Gemüse, den Henri mittags zubereitet hatte. Während Vivienne danach ihr Gepäck in einer Ecke verstaut hatte und duschen ging, bereitete Henri das provisorische Bett auf der Couch vor. Darüber hinaus rief er Katie an, die sich über das späte Telefonat durchaus wunderte.

    „Und du hast ihr zugestimmt?“, fragte sie mit ungläubiger Stimme, nachdem sie die Bitte seiner Schwester erfahren hatte.

    „Noch nicht. Ich wollte zuerst einmal deine Meinung hören, ob du oder die anderen das denn überhaupt möchtet.“

    „Weißt du, du machst eigentlich genau das Gegenteil dessen, wofür Team Skull bekannt ist. Wir sollen anderen Angst bereiten und sie nicht zu Freunden machen!“ Obwohl Katies Tonfall abschätzig klang, wurde sie danach wieder sanfter. „Aber genau das mag ich an dir. Du bist nicht aufdringlich und machst einfach dein Ding. Dadurch gewinnst du die Herzen aller anderen um dich herum.“

    „Das klingt gerade wirklich nicht nach dir. Ich nehme das aber mal als Kompliment an“, gab Henri zurück und überlegte kurz. „Sollen wir uns am Strand treffen?“

    „Meinetwegen. Für dich stehe ich sogar extra früh auf.“

    Da Katie den letzten Satz unnatürlich betonte, war das vermutlich an eine Bedingung gekoppelt. Diese offenbarte sie am Telefon allerdings nicht. Nachdem sie eine Uhrzeit vereinbart hatten, verabschiedeten sich die beiden voneinander. Während Henri sich danach einen Wecker für den nächsten Tag stellte, kam Vivienne erfrischt aus dem Bad. Sie setzte sich an den Rand der Couch und stieß die angesammelte Luft aus.

    „Der Tag war wirklich lang“, bemerkte er und sie stimmte zu.

    „Im Hafen war ich noch nicht so müde. Aber mittlerweile freue ich mich über jedes bisschen Schlaf.“

    „Weißt du schon, was du morgen Früh essen möchtest?“

    Mit halb offenem Mund dachte Vivienne nach. Jedoch kam sie zu dem Schluss, dass sie nichts Bestimmtes wollte.

    „Mach gerne etwas von dem, was du in der Küche hast. Am besten etwas leicht Bekömmliches. In den letzten Tagen hatte ich wieder Verdauungsprobleme und ich will das nicht zu sehr ausreizen.“

    „Dann lasse ich mir etwas einfallen“, sagte Henri und nickte dabei. Da seine Schwester bereits den Eindruck erweckte, als würde sie bald schlafen gehen wollen, würde er wohl ebenfalls nicht mehr lange wach bleiben. Nach einem kurzen Besuch im Bad zum Zähneputzen hatte sich Vivienne schon in die Decke gekuschelt. Henri lächelte und löschte das Licht, bevor er sein Zimmer anvisierte.

    „Gute Nacht“, vernahm er mit leiser Stimme von der Couch. Offenbar war seine Schwester doch noch wach. Er drehte sich um und gab die Worte zurück.

    „Gute Nacht. Bis morgen!“

    Wann Henri eingeschlafen war, konnte er nicht mehr sagen. Die Anspannung der letzten Tage war mit einem Mal von ihm abgefallen und er hatte das Gefühl, als könnte es ab diesem Zeitpunkt nur noch besser werden. Tatsächlich war diese Nacht die erste seit langer Zeit, in der er ruhig schlafen konnte. Henri war so entspannt, dass er sogar vor seinem gestellten Wecker aufwachte und die Morgensonne durch das geöffnete Fenster scheinen sah. Während der junge Mann seine Gliedmaßen durchstreckte, bemerkte er, dass sich Fleur bereits von ihrem Schlafplatz entfernt hatte. So wie er seine Partnerin kannte, nutzte sie die frühen Morgenstunden zum Suchen duftender Blüten, mit denen sie ihre Ranke schmücken konnte.

    In aller Ruhe stand Henri auf und zog sich lockere Kleidung an. Vorbereitet öffnete er leise die Tür, um Vivienne nicht zu wecken. Anschließend begab er sich auf Zehenspitzen in die Küche und begutachtete, was er an Lebensmitteln da hatte. Die Wilbir- und Pirsifbeeren gerieten in seine Wahrnehmung, die ihm auch sofort einen Einfall gaben. Das Aroma beider Beerenarten verband sich zu einem interessanten Geschmackserlebnis, von dem Henri überzeugt war, dass es seiner Schwester zusagen würde. Also nutzte er die Zeit, die Beeren mit einem Messer klein zu schneiden und in einer großen Schüssel zu sammeln. Nachdem er genug vorbereitet hatte, nahm er noch eine zu einem großen Teil bereits verputzte Tamotbeere. Sie war berüchtigt für ihre enorme Schärfe, konnte bei richtiger Anwendung aber jedes Gericht geschmacklich aufwerten. Für diesen Beerensalat schnitt er einen Teil ab und zerkleinerte diesen sorgfältig. Sie wurden schließlich mit einem einfachen, selbstgemachten Dressing unter die Beeren gemischt und durchgerührt. Henri genehmigte sich eine Kostprobe und spürte schnell den entstehenden Schmerz auf der Zunge. Die süßsaure Mischung der Beeren sagte ihm zu, jedoch war die Schärfe für seinen Geschmack schon etwas zu viel. Beim nächsten Mal würde er sich daran erinnern, weniger zu verwenden.

    Während er sich selbst noch ein Glas Wasser zubereitete, konnte Henri aus dem Nebenzimmer bereits dumpfe Schrittgeräusche hören. Daraufhin schloss sich die Tür zum Badezimmer und er erkannte, dass seine Schwester wach war. Der Tisch wurde mit kleinen Schüsseln und Besteck gedeckt und anschließend legte er noch die Decke auf der Couch zusammen. Bis Vivienne aus dem Bad herauskam, wartete er geduldig auf sie.

    „Morgen“, äußerte sie ruhig, während sie ihre Habseligkeiten wieder einpackte.

    „Alola! Gut geschlafen?“, fragte Henri neugierig und seine Schwester winkte lächelnd ab.

    „Es wäre nicht das erste Mal, dass ich in keinem Bett liegen durfte! Aber ja, es war angenehm. Verglichen zu den Nächten in Kalos ist es in Alola wirklich warm.“

    „Das stimmt“, lachte der junge Mann. „In den ersten Nächten hier fiel es mir wirklich schwer, überhaupt Schlaf zu finden. Man gewöhnt sich aber daran.“

    „Sag, hast du zufällig ein paar Prunusbeeren da?“, fragte Vivienne plötzlich und Henri überlegte. Er bildete sich ein, im Kühlschrank bei den Beeren noch einige gesehen zu haben.

    „Ich denke schon. Benötigst du sie für die Pokémon?“

    „Ja. Mir ist eben eingefallen, dass Chérie sie wirklich gerne mag und nach dem gestrigen Tag hat sie sich eine Aufmerksamkeit verdient.“

    Mit einem Rundumblick betrachtete Henri das Wohnzimmer. Es war zwar durchaus geräumig, aber er bezweifelte etwas, dass ihr Pokémon zur Gänze Platz haben würde.

    „Können wir Chérie die Beeren draußen geben? Sie ist schon ziemlich groß und draußen hat sie auf jeden Fall alle Freiheiten für sich.“

    „Das wollte ich auch gerne vorschlagen. Kein Grund, dass sie hier alles unordentlich macht.“ Henri schmunzelte bei ihrer Aussage. Insgeheim schienen sie ja doch immer zu wissen, was die jeweils andere Person dachte. Dennoch war es gut, miteinander zu reden. Wirklich gut, wie der junge Mann empfand. Seitdem er sein verstecktes Leben am Vortag offenbart hatte, stieg in ihm das Gefühl hoch, alles sagen zu können. Als wäre plötzlich eine Barriere um sein Herz verschwunden.

    „Dann verschieben wir das auf später. Kommst du mit in die Küche? Ich habe etwas vorbereitet, von dem ich gerne deine Meinung hören würde.“

    Das ließ sich Vivienne nicht zweimal sagen. Gemeinsam setzten sie sich zu Tisch und befüllten jeweils ihre Schüsseln mit dem gemischten Beerensalat. Seine Schwester roch zuerst daran, um die Aromen aufzunehmen und anschließend nahm sie einen Löffel voll in den Mund. In kürzester Zeit konnte Henri beobachten, wie ihre Mimik mehrmals umsprang. Vivienne schien noch nicht das volle Ausmaß der süßsauren Kombination erfasst zu haben, als sie die plötzlich auftauchende Schärfe bemerkte. Nach einem kurzen Laut der Verwunderung löffelte sie aber weiter.

    „Die Mischung ist gelungen. Das sind doch Tamotbeeren, oder? Die Schärfe würde ich überall erkennen.“

    „Ja, sind sie!“, antwortete er wahrheitsgemäß. „Ich erinnere mich, dass mir die Zutat im Café, in dem ich arbeite, vorgeschlagen wurde. Zuerst wollte ich auch nicht glauben, dass es dadurch mehr Pep bekommt, aber mittlerweile mag ich das so recht gerne. Heute habe ich nur etwas zu viel erwischt.“

    „Mir machst du damit eine regelrechte Freude“, antwortete Vivienne und grinste dabei. Offenbar genoss sie scharfes Essen mittlerweile sehr. Früher war das noch nicht so, weswegen sich Henri fragte, wie es wohl dazu kam.

    Er nahm nun auch selbst etwas von dem Gericht zu sich, als Fleur langsam in den Raum schwebte. Mit freudigen Lauten kündigte sie sich an und drehte sich einige Male umher. Dabei verbreitete sie mit ihren feenhaften Kräften das Aroma der Blüten, die sie entdeckt hatte. Beide nahmen den Duft durch die Nase auf und atmeten tief durch.

    „Fleur nutzt häufig die Zeit während der Sonnenaufgänge, um nach neuen Blumen zu suchen“, erklärte Henri, während Vivienne seiner Partnerin eine Hand senkrecht hinhielt. Sie ließ die bunte Ranke fallen, klatschte ab und bediente sich an einem geschnittenen Beerenstücke aus der großen Schüssel.

    „Sie ist vor allem so zutraulich, obwohl sie mich bisher sehr selten gesehen hat“, bemerkte sie und verfiel in Gedanken. „Chérie ist da ganz anders. Wenn sie jemand Fremdes entdeckt, wird sie nervös und geht in Abwehrstellung.“

    „Das hat man gestern ja ganz gut gesehen. Aber es hat auch seine schlechten Seiten, da Fleur anderen viel zu schnell vertraut.“

    „Geriet sie deswegen denn schon einmal in Schwierigkeiten?“, fragte Vivienne und Henri nickte zur Antwort.

    „Nicht nur einmal. Ich erinnere mich, dass sie ohne mein Zutun plötzlich in einen Kampf verwickelt war. Es hat sich allerdings schnell als Missverständnis herausgestellt, bevor die andere Person ihr Lin-Fu verletzt zurückrief. Sie hat sich tatsächlich heftig gewehrt.“ Er lachte und fuhr fort. „Im Café durfte sie dank Keoni, also dem Besitzer, einmal von einem Cocktail trinken. Obwohl nur eine kleine Menge Alkohol im Spiel war, hat sie das schwer getroffen. Hat sich kaum in der Luft halten können und sich irgendwann müde auf den Tresen gelegt.“

    „Ich hoffe für ihn, dass er von der Wirkung wusste“, schnaubte Vivienne und schenkte sich noch Essen nach.

    „Ja, er hat es als Spaß angesehen, um ihre quirlige Art zu testen. Nach meiner Schicht war sie so munter wie davor und hat sich bei ihm noch mit einem Blumenkranz bedankt. Ich weiß wirklich nicht, was da vorgefallen ist.“

    „Sie kann niemandem böse sein und sie erwartet von anderen wohl dasselbe.“ Daraufhin nahm seine Schwester ein Stück einer Pirsifbeere und reichte es Fleur. Diese nahm das Essen mit einem quiekenden Laut an und biss herzhaft hinein. „Vielleicht hatte es ja mit den Wechselwirkungen zu tun, dass sie sich hingelegt hat. Gift ist für Pokémon des Feen-Typs sehr schwierig zu handhaben.“

    „Jetzt wo du es sagst, das könnte sein“, murmelte Henri. „Während meiner Ausbildung wurde mir etwas Ähnliches gesagt, wenngleich das wohl auch auf das Pokémon selbst ankommt.“

    Mit diesen Worten stand Henri auf und stellte seine Schüssel samt Besteck zur Spüle. Anschließend ließ er sich wieder auf seinen Stuhl sinken und stützte seinen Kopf auf die gefalteten Hände.

    „Wann sollen wir aufbrechen? Um elf Uhr habe ich das Treffen mit den anderen am Strand vereinbart. Bis dahin können wir gerne bummeln, wenn du willst.“

    Vivienne sah auf die Analoguhr, die an der Wand hing und munter vor sich hintickte. Beinahe drei Stunden dauerte es noch, die auf vielfältige Art genutzt werden konnten.

    „Meinetwegen können wir nach dem Essen gern schon aufbrechen. Vorher muss ich dir aber noch etwas zeigen.“

    Während Henri rätselte und nachfragte, was sie genau meinte, aß seine Schwester zuerst auf. Danach legte sie geheimniskrämerisch den ausgestreckten Zeigefinger vor ihren Mund und zwinkerte ihn an. Vivienne verließ die Küche und machte sich an ihrem Gepäck zu schaffen. Obwohl er interessiert war, blieb Henri vorerst sitzen und wartete, was sie vorbereitet hatte. Sie kam schließlich breit grinsend und mit beiden Händen hinter dem Rücken zurück.

    „Bevor ich gestern aufgebrochen bin, hätte ich es beinahe vergessen. Du meintest doch einmal, dass du gerne Ohranhänger hättest und dich nicht entscheiden könntest.“ Daraufhin überreichte sie eine kleine Schatulle. „Ich habe mir erlaubt, dir die Entscheidung abzunehmen. Hoffentlich freust du dich darüber!“

    Mit dieser Ankündigung stand Henri auf und nahm das Präsent an sich. Er blickte von dem kleinen Kästchen zu Vivienne, die nach wie vor lächelte. Anschließend öffnete er vorsichtig den an einem Scharnier befestigten Deckel und begutachtete den Inhalt. Was sich ihm offenbarte, waren zwei kleine Anhänger in Form von Vivillon. Und nicht irgendwelche: Sie besaßen beide das Schneefeldmuster. Es gehörte zu Henris liebsten Aussehen des Pokémons, auch wenn er alle sehr gern hatte.

    Mit der Hand entnahm er einen der Anhänger und bemerkte dabei, dass es sich um einen Clip handelte. Henri musste dafür also nicht zwingend ein Loch stechen lassen und könnte sie jederzeit anstecken. Das Objekt wurde einige Male zwischen den Fingern gedreht, bevor er sie für den Moment zurücklegte. Nachdem Henri die Schatulle geschlossen hatte, betrachtete er sie noch für eine ganze Weile. Schließlich umarmte er Vivienne und ließ sie an seinen Emotionen teilhaben.

    „Danke! Du hättest mir wirklich keine größere Freude machen können!“

    Henri begab sich daraufhin ins Badezimmer vor den Spiegel, um sich mit den Anhängern zu betrachten. Seine Schwester musste aufgrund der Reaktion kichern.

  • Part 26


    Das erste Anprobieren verlief in jeder Hinsicht gut. Henri war beim Anstecken der Vivillon-Anhänger etwas nervös, allerdings konnte er sie schnell so befestigen, dass sie ihn im Alltag nicht stören würden. Dazu drehte er vor dem Spiegel nun mehrere Male den Kopf hin und her, um sich selbst damit zu betrachten. Die dunkle Flügelfarbe passte zu seinen schwarzen Haaren und das künstliche Licht sorgte manchmal dafür, dass die Anhänger hell aufblitzten. Es würde sicherlich einige Zeit dauern, bis sich Henri daran gewöhnt hatte. Dennoch war er zuversichtlich, dass seine Zeit in Alola dadurch deutlich aufgewertet werden würde.

    Am Ende trat er hinaus und stellte sich Vivienne gegenüber. Sie musterte Henri aufmerksam, während er sich von allen Seiten zeigte. Am Ende posierte er, wie er es normalerweise als Mitglied von Team Skull machen würde. Seine Schwester prustete und hielt sich dabei eine Hand vor den Mund.

    „Ja, das ist auch eine Möglichkeit“, bemerkte sie und kam wieder zum Thema zurück. „Sie stehen dir noch besser, als ich ursprünglich gedacht hatte. Bist du auch zufrieden?“

    „Und wie! Du hast eben immer ein gutes Händchen für Geschenke.“

    „Freut mich!“, gab Vivienne zurück. „Ich bereite mich dann auch mal vor, damit wir aufbrechen können.“

    „Alles klar. Oh, und, äh“, begann Henri zu stammeln, während er nach den richtigen Worten suchte. „Tut mir leid, dass ich nicht auch etwas vorbereitet habe. Hätte ich gewusst, dass du etwas mitbringst, wäre mir sicher etwas eingefallen.“

    „Ach was, kein Problem! Was könnte ich mir nach diesen trostlosen Monaten Schöneres vorstellen, als einfach einen Tag mit dir zu verbringen? Und jetzt Kopf hoch!“

    Vivienne winkte seine Aussage ab und er fühlte sich darin bestärkt, dass es so schon richtig sein würde. Anschließend verbeugte sich Henri in einer übertrieben eleganten Pose.

    „Dann: Fühl dich eingeladen, dass wir die Stadt erkunden!“

    Seine Schwester lächelte und schüttelte nur den Kopf. Sie nahm einige Kleidungsstücke aus ihrer großen Tasche und zog sich im Bad um. Auch Henri nutzte die Gelegenheit, sich andere Kleidung im Schlafzimmer zu suchen. Obwohl es ein Treffen mit Katie war, nutzte er nicht das Skull-Outfit, sondern lockere Kleidung, die er normalerweise für das Café verwenden würde. Er passte beim Anziehen auf, dass die Ohrclips nicht verrutschten, und band sich danach noch das Mundtuch von Team Skull um.

    Als Henri fertig war, wartete Vivienne bereits im Wohnzimmer. Er rauschte an ihr vorbei und kam schließlich vor dem Kühlschrank zu stehen. Tatsächlich befanden sich noch zwei Prunusbeeren darin, die er mit geübtem Griff herausnahm. Chérie würde sich sicherlich über diese kleine Mahlzeit freuen.

    Nachdem auch der junge Mann fertig war, blickten sich die Geschwister gegenseitig in die Augen. Vivienne verzog den Mund.

    „Ist das dein Erkennungsmerkmal?“, fragte sie und deutete auf das am Hals umgebundene Mundtuch. Henri zog leicht daran und sah es an.

    „Ohne fühle ich mich nicht mehr wohl, wenn ich ehrlich bin“, gestand er. „Außerdem erinnert es mich daran, was ich in den letzten Tagen geleistet habe. Wenn du das nicht möchtest, kann ich es aber hier lassen.“

    Henri war schon im Inbegriff, das Tuch zu lösen, als seine Schwester eine Hand hob.

    „Kein Ding! Du kannst es meinetwegen gerne anbehalten. Wenn dir jemand dumm kommt, bin ich ja an deiner Seite.“

    Er zögerte kurz, bevor er den Arm wieder sinken ließ.

    „Also … dasselbe gilt natürlich auch für dich!“

    Die Geschwister klatschen danach ab und begaben sich letztendlich aus der Wohnung nach draußen. Aus einem unbestimmten Grund fühlte sich Henri nun wieder an Team Skull erinnert. Ihr Zusammenhalt war vielleicht nicht nur ein Produkt des Teamgeistes. In Anbetracht dessen, wie sehr er und Vivienne einander vertrauten, lag das vielleicht auch tief an einer Komponente im Familienleben verankert. Eventuell war die Sache aber auch nicht so einfach miteinander zu vergleichen. Familie hatte im Leben einen ganz anderen Stand als Freunde, Bekannte oder gar Fremde. Und dennoch waren sie im sozialen Leben wichtige Stützen, wie Henri deutlich gelernt hatte. Ob der Boss vielleicht ebenfalls auf diese Werte setzte und sie so unter die Mitglieder des Teams brachte? Zu gerne würde er ihn einmal treffen.

    Das Wohngebäude ließen die beiden schnell hinter sich und Henri bot an, dass sie den nahegelegenen Park für Chéries Freilauf aufsuchen könnten. Daher begleitete er seine Schwester dorthin. Normalerweise kam er hierher, um sich diverse alltägliche Geschehnisse durch den Kopf gehen zu lassen oder nachzudenken. Die ruhige Stimmung im Park sorgte dafür, dass er sich wesentlich besser konzentrieren konnte als an anderen Orten. Heute würde die Grünfläche jedoch auf ganz andere Weise genutzt werden.

    Wie der junge Mann erkannte, war sein Lieblingsplatz unter dem großen Baum frei. Er bat Vivienne, sich zu setzen, während er die Prunusbeeren aus der Tasche kramte. Sie ließ in der Zwischenzeit Chérie aus ihrem Ball, die sich mit einem gellenden Ruf in der Umgebung ankündigte. Angesichts ihrer lauten Stimme und der standhaften Pose nach zu urteilen, konnten beide annehmen, dass sich Viviennes Pokémon seit dem Vorabend bestens erholt hatte.

    „Bonjour, Große“, sagte sie und erweckte damit ihre Aufmerksamkeit. Mit einem schnellen Handgriff ließ sie sich von Henri eine Prunusbeere geben, die sie in ihre offene Hand legte. Chérie beobachtete die abgelegte Beere interessiert. Sie kam auf Vivienne zu und stützte sich mit den Flügeln auf ihren Knien ab. Anschließend reckte Chérie den Kopf nach vorne und näherte sich schnuppernd der Beere. Sie hatte offensichtlich erkannt, dass es sich dabei um eine Köstlichkeit handelte.

    „Nimm sie dir ruhig“, murmelte sie sanft und hielt ihr die Beere näher an die Schnauze. Diese schnappte das Essen abrupt aus ihren Händen und trat danach einen Schritt zurück. Nun auf dem Boden sitzend biss sie vorsichtig hinein, um die Güte der Beere zu testen. Sie entfaltete schnell ihr volles Aroma und erfüllte Viviennes Pokémon mit einem wohltuenden Gefühl. Der Rest war in Sekundenschnelle verputzt und mit zufriedener Miene ließ Chérie verlautbaren, dass es ihr sehr geschmeckt hatte. Danach beobachtete sie wieder ihre Umgebung, ob sich eventuell fremde Menschen näherten.

    „Faszinierend“, war Henris knapper Kommentar, als er die Szene beobachtet hatte. Drachen-Pokémon machten häufig einen besonders einschüchternden Eindruck, insbesondere in ausufernden Kämpfen. Im alltäglichen Leben waren sie jedoch meist alles andere als das. Chérie war der beste Beweis dafür. Wann immer er mit ihr in der Vergangenheit zu tun hatte, zeigte sie Entspannung und Ausgelassenheit. Ob das vielleicht auch etwas mit Vertrautheit zu tun hatte? Sah sie die Geschwister eventuell als ihre persönliche Familie an?

    „Willst du eine weitere?“, fragte Vivienne und deutete schließlich zu ihrem Bruder. Der war allerdings noch gar nicht darauf eingestellt, dass er sich nun um die nächste Fütterung kümmern durfte. Chérie war sofort Feuer und Flamme und ließ sich mit den Flügeln ebenfalls schnell auf Henris Beinen nieder. Anders als bei Vivienne bedrängte sie ihn jedoch nicht und hielt etwas Abstand. Die Hand um die Prunusbeere war noch verschlossen, aber dem Schnuppern der Drachen-Dame nach zu urteilen konnte sie das Aroma deutlich vernehmen. Henri öffnete die Finger und hielt Chérie ihr begehrtes Objekt hin. Ihre Blicke kreuzten sich erneut und sie nahm die Beere vorsichtig an. Daraufhin entfernte sie sich wieder einen Schritt weit. Er lächelte, als sie sich voll und ganz dem Essen widmete. Gleichzeitig sah er sich in der näheren Umgebung des Parks um. Vivienne wurde dessen auch gewahr.

    „Wartest du auf jemand Bestimmtes?“, fragte sie und erhielt als Antwort ein Kopfschütteln.

    „Nein, ich … habe vor einigen Tagen ein Kind hier getroffen und mich gefragt, ob es da ist.“

    „Es muss besonders gewesen sein, wenn du dich an es erinnerst“, sagte Vivienne und legte ein Bein über das andere, während sie weiterhin Chérie beobachtete. Offenbar war Zoko heute noch nicht hier. Kein Wunder, wenn Henri bedachte, dass die Begegnung zuletzt am Nachmittag war. Möglicherweise verabredete sich die kleine Gruppe auch nur zu diesem Zeitpunkt. Ob den Jungen die Neuigkeit über seine Schwester denn interessiert hätte?

    „Ja, war es“, antwortete Henri und beendete seine Suche. Immerhin brachte es nichts, nach jemandem Ausschau zu halten, obwohl niemand erwartet wurde.

    Sie genossen noch einige Zeit die durch den Park wehende Brise, bis sie sich wieder auf den Weg machten. Anstatt in Geschäften in der Innenstadt zu bummeln, gingen die beiden direkt zum Treffpunkt am Strand. Chérie durfte in der Zwischenzeit unter dem strahlend blauen Himmel Alolas ihre Flugkünste vorführen, während Fleur stiller als sonst üblich neben Henri schwebte. Er fragte sich die ganze Zeit, ob sie sich absichtlich zurückhielt, um das Wiedersehen mit Vivienne nicht zu stören. Normalerweise war sie wesentlich aufdringlicher als in diesem Moment.

    Anders als erwartet war Katie schon die längste Zeit da. Sie lehnte in ihrer Skull-Montur am Geländer mit dem Blick zum Meer. Auf ihre Umgebung wurde sie auch erst dann aufmerksam, als sie von hoch oben den Schrei eines Drachen-Pokémon hörte. UHaFnir waren in Hauholi City selten anzutreffen und für Katie war diese Tatsache wohl ausreichend gewesen, um sich in alle Richtungen umzusehen. Schnell wurde sie auf Henri aufmerksam, der in Begleitung von seiner Schwester Vivienne erschien.

    „Yo“, rief er Katie kurz angebunden entgegen und sie beäugte die Geschwister mit argwöhnischem Blick. Bevor sie sich komplett genähert hatten, posierte sie allerdings mit ihrer typischen Handbewegung.

    „Ey, niemand legt sich mit Team Skull an! Ihr seid wohl nicht ganz dicht, mich hier auf offener Straße anzupöbeln?“

    Henri unterdrückte ein Lachen und gab sofort Paroli.

    „Als ob! Haste sonst nix zu bieten, als dich hier aufzuspielen und die Starke zu markieren?“

    „Oh, da will es aber jemand wissen!“, antwortete Katie gespielt verärgert und zückte ihren Pokéball mit Kanani. „Bereit für einen Kampf?“

    „Trau dich nur!“

    Anschließend warf sie den Ball und ihr Floette erschien zwischen den drei Menschen. Obwohl die Unterhaltung den Eindruck machte, als hätten die beiden im Geheimen geübt, war sie völlig aus dem Stegreif performt. Während sich Fleur in Kananis Richtung begab, setzten sie keine Attacken gegeneinander ein, sondern begannen in der Luft wieder ihren ominösen feenhaften Tanz abzuhalten. Vivienne wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte und wartete erst einmal ab, ob es tatsächlich zu einem Kampf kam. Henri drängte sich jedoch dazwischen und holte tief Luft.

    „Darf ich vorstellen“, sagte er und machte die beiden einander bekannt. „Katie von Team Skull. Und das hier ist meine Schwester, Vivienne.“

    „Yo. Henri hat mir viel über dich erzählt“, meinte Katie, während sie ihr Mundtuch nach unten rückte. So konnte Vivienne erkennen, dass ihr Gegenüber lächelte.

    „Ganz meinerseits. Und danke, dass ihr ihn im letzten halben Jahr so gut aufgenommen habt. Das ist wirklich nicht selbstverständlich“

    Seine Schwester verneigte sich leicht, bevor Chérie in einiger Entfernung landete und nach Aufmerksamkeit verlangte. Aufgrund von Katies Anwesenheit wollte sie sich nicht unnötig weit nähern und ließ daher Vivienne auf sich zukommen.

    „Keine Panik, sie ist eine Freundin“, murmelte sie ihr zu und kraulte ihr Pokémon entlang der Ohren. Die Drachen-Dame beruhigte sich etwas, wenngleich sie Katie weiterhin aus neugierigen Augen musterte. Die schürzte unterdessen die Lippen.

    „Ich weiß schon, wen ich heute nicht mehr überzeugen werde“, spöttelte sie spielerisch. „Aber damit muss ich wohl leben.“

    „Chérie ist in der Nähe von Fremden immer etwas nervös. Gib ihr einfach etwas Zeit, damit sie sich an dich gewöhnt.“

    „Solange sie mich nicht verputzen will. Ansonsten darf Kanini ran und ihr zeigen, was Sache ist.“

    „Ich sehe schon, du gehörst zur kämpferischen Sorte?“, fragte Vivienne interessiert und kam wieder zu den anderen beiden zurück.

    „Eher zur künstlerischen. Henri kann das bestätigen, dass ich etwas malen kann.“

    „Wirklich? Darf ich mal sehen?“

    „Tja, dazu müssten wir zu meiner Wohnung“, sagte Katie und kratzte sich dabei an der Schläfe. Offenbar war sie nicht dazu bereit, es so weit kommen zu lassen.

    Henri hörte den beiden eigentlich nur noch zu und war überrascht, wie gut sie im Verlauf des Gesprächs miteinander harmonierten. Aufgrund von Katies manchmal rauer Art hätte er angenommen, dass sie öfters anecken würden. Dass dem nicht so war, kam einem kleinen Wunder gleich.

    „Warum nicht? Alle sollten deine Bilder sehen!“, ergänzte er mit fester Stimme und sie riss, erneut gespielt, die Hände in die Höhe.

    „No way, du auch?!“

    Vivienne lächelte ob der Reaktion und ließ es sich nicht nehmen, neugierig zu sein.

    „Nun, wir können sonst auch weiterhin hier herumstehen. Lasst uns etwas unternehmen!“

    „Na, meinetwegen. Aber nur ein kurzer Blick!“

    Katie verdrehte kurz die Augen und führte die Gruppe letztlich an, um sie zur Wohnung zu bringen. Dabei drehte sie sich noch einmal zu ihm um.

    „Hübsche Ohranhänger übrigens. Ihr hattet einen wirklich guten Geschmack bei der Auswahl des Musters.“

    Henri nahm das Lob dankend an, während Vivienne zufrieden lächelte.

  • Part 27


    Die drei verbrachten den gemeinsamen Tag in ihrem eigenen Tempo. Katie zeigte unter anderem einige ihrer in letzter Zeit fertiggestellten Werke. Aufgrund dessen, dass sämtliche Mitbewohner außer Haus waren – „Malio hat wohl etwas Wichtiges zu erledigen und Xan macht zur Abwechslung etwas für das Team.“ –, konnten sie problemlos in die Wohnung reingehen. Eines der besagten Werke war die Zeichnung von Kanani und Fleur, die sie in Henris Anwesenheit begonnen und zu einem späteren Zeitpunkt fertiggestellt hatte. Das nun vollständig gefärbte Bild überreichte sie ihm als kleines Präsent. Obwohl er es zuerst nicht annehmen wollte, bestand sie darauf, dass er es erhielt. Immerhin war er auch der Grund dafür gewesen, dass Katie die Inspiration zum Motiv hatte.

    Im Anschluss nahm sie sogar ihren Zeichenblock mit. Obwohl sie das früher definitiv nie getan hätte, bekam sie das Gefühl, dass es nun vielleicht Zeit wäre, dem stärker nachzugehen. Henri erinnerte sich, dass Katie ohnehin mehr zeichnen wollte und vielleicht konnte sie auf diese Weise ihren ursprünglichen Traum verfolgen.

    Die übrige Zeit wurde vor allem für lokale Sehenswürdigkeiten, Essen und Entspannung genutzt. Vivienne hatte sichtlich Spaß daran, einige Ecken der Stadt zu erkunden, auch wenn ein Tag dafür in jedem Fall zu wenig war. Die meiste Freude bereitete ihr aber tatsächlich die Bekanntschaft mit Katie, die ihrerseits auch wesentlich mehr lachte als sonst üblich. Beide harmonierten auf eine besondere Art, als würden sie sich bereits seit sehr langer Zeit kennen. Henri konnte nicht anders, als sich darüber zu freuen. Mit einem Mal wirkten alle Sorgen, die er in den letzten Tagen und Wochen hatte, ganz klein im Vergleich zu dem, wie die Wirklichkeit war. Ein sonderbares Gefühl machte sich in ihm breit, das er nicht sofort zu deuten vermochte.

    Am Ende genossen sie die späten Nachmittagsstunden in der Nähe des Strandes. Um nicht komplett mit Sand bedeckt zu sein, lehnten sich die drei lediglich am Geländer auf dem Gehweg an. Während sie über verschiedene Dinge im Alltag sprachen, beobachteten sie ihre Pokémon in einiger Entfernung. Kanani und Fleur hatten Mühe, mit Chéries Tempo in der Luft mitzuhalten. Sie achtete jedoch immer darauf, dass ihr die anderen Pokémon folgen konnten. Durch die Spielereien lernten sie sich letztlich auch gegenseitig besser kennen.

    Während Henri mit Vivienne über seine Ausbildung in Alola sprach, malte Katie erneut ein Bild. Sie ließ sich nicht von äußeren Einflüssen stören und skizzierte in aller Eile die tollenden Pokémon. Dabei ließ sie es sich nicht nehmen, dass Fleur ihren Blumenkranz um Chéries Hals gewickelt hatte und Kanani die Darstellung der beiden mit einer Hand präsentierte.

    Die Geschwister wurden schließlich auf das Kunstwerk aufmerksam und bestaunten die Zeichnung. Obwohl Katie erneut sagte, dass das nichts Besonderes wäre, wurde sie von Henri ermahnt, dass sie doch einmal etwas mehr Selbstvertrauen haben sollte. Mit dieser Retourkutsche hatte sie wohl nicht gerechnet. Normalerweise war sie es nämlich, die Henri in die Realität zurückholte und nun durfte sie selbst diese Behandlung erleben.

    „Scheint so, als hättest du dann doch noch eine kleine Erinnerung an mich“, sagte Vivienne in Richtung des Meeres. „Ehrlich gesagt wusste ich nicht, was mich heute erwarten würde. Über Team Skull habe ich bereits viel gehört und eigentlich trifft nichts davon auf dich zu, Katie.“

    Sie schloss ihren Zeichenblock und klemmte ihn sich unter den Arm. Nach einem langgezogenen Seufzer fixierte Katie schließlich Henris Schwester an.

    „Ursprünglich war es auch anders. Bis dein Bruder kam.“ Ihr Blick fiel auf Henri, der den Kopf leicht schief legte. „Dachte doch in seiner Not damals tatsächlich, dass er sich uns einfach anschließen kann. Aber er hat sich gemausert. Vor allem hat er auch dafür gesorgt, dass ich Dinge erledige, von denen ich mir niemals zu träumen gewagt hätte, sie wieder tun zu wollen. Wie das Zeichnen hier. Ich hatte meinen Block so lange nicht angesehen und nachdem ich meine Eltern kontaktiert hatte, ging es plötzlich wie von selbst.“

    „Hattest du Probleme mit ihnen?“, fragte Vivienne weiter, sah jedoch ein, dass ihre Frage als zu neugierig aufgefasst werden könnten. „Also, wenn es dir nichts ausmacht, darüber zu erzählen.“

    „Keine Sorge, es ist nicht wild. Mum hatte einfach kein Interesse an meinen Bildern und ich sollte unbedingt in ihre Fußstapfen treten. Deswegen bin ich abgehauen. Vor einiger Zeit habe ich sie aber angerufen und es war nach dem zweiten Gespräch so, als wäre ich nie fort gewesen.“

    „Das ist doch schön, wenn ihr euch so gut verstanden habt!“

    Henri pflichtete Vivienne im Stillen bei, wenngleich er die Aussage indirekt auf sich selbst übertrug. Am Ende würde er nicht darum herumkommen, sich auch bei seinen Eltern zu melden. Ob nun per Telefon oder Textnachricht, das hatte er tatsächlich noch nicht entschieden.

    „Wissen deine Eltern, was du machst?“, fragte der junge Mann daher mit hoffnungsvollem Unterton. Katie bejahte mit einem entschlossenen Nicken.

    „Sie hielt es anfangs für einen Scherz. Als ich ihr das klar gemacht habe, hat sie mich angeschrien und gefragt, was ich mir einbilde. Du kennst mich aber hoffentlich gut genug, dass ich nicht klein beigegeben habe. Runde 1 ging Unentschieden aus und sie hat wütend aufgelegt.“ Danach sah Katie in Richtung des Meeres und der untergehenden Sonne. „Runde 2 begann einen Tag später, als Mum mich anrief. Ich wollte ihr schon entgegenwerfen, ob sie nicht genug hatte. Da hatte sie sich allerdings schon für den Ausbruch entschuldigt. Anscheinend gab es ein Gespräch mit Dad und er bestand darauf, die Sache zu bereden. Letzten Endes habe ich mich, wenn auch unfreiwillig, ebenfalls entschuldigt, dass ich weggelaufen bin. Allerdings habe ich klargestellt, dass es mein Leben ist, das ich leben möchte und das ist nun einmal bei Team Skull. Also bei Malio, Xan und dir, Henri.“

    „Und das hat sie akzeptiert?“

    „Yo. Nicht dass ich ihr eine Wahl gelassen hätte. Dennoch hat mir Mum angeboten, dass ich jederzeit nach Hause kommen könnte. Das war mehr, als ich nach der ersten Abfuhr erwartet hatte.“

    Anschließend wurde Katie still und lehnte sich mit dem Rücken an das Geländer. Sie verschränkte die Arme und sah in Henris Richtung.

    „Du hast dich noch nicht um dein Gespräch gekümmert, oder?“

    Der junge Mann seufzte. Er fühlte sich ertappt und wusste, dass er darum nicht herumkommen würde. Ein kurzer Blick zu Vivienne, deren interessierter Blick sich mit seinem kreuzte, gab ihm aber die nötige Zuversicht, seine Entscheidung mitzuteilen.

    „Bisher nicht. Aber ich werde das bald angehen.“

    „Sie haben mich schon häufiger gefragt, ob ich mehr weiß“, gab seine Schwester zu. „Allerdings habe ich nie gesagt, dass du mir zurückschreibst. Bis es so weit ist, werde ich das auch unter Verschluss halten.“

    Henri nickte und entnahm anschließend das Smartphone aus seiner Hosentasche. Dieses hielt er in einiger Entfernung vor sich.

    „Danke. Genau darum kümmere ich mich jetzt aber nämlich.“

    Just in diesem Moment bereute er seine Ansage etwas. Katies und Viviennes Augen lasteten unbeirrbar auf ihm. Wenn Henri jetzt seinen eigenen Worten nicht folgte, würde er sich nur lächerlich machen. Er schluckte.

    Mit präzisen Bewegungen suchte er den richtigen Kontakt, sein Zuhause, aus der Telefonliste heraus. Starrend betrachtete er die Buchstaben einige Sekunden lang. Schließlich überwand sich Henri und tippte auf das kleine Hörersymbol. Ein Piepen ertönte und er hielt das Smartphone an sein Ohr. Nun gab es kein Zurück mehr. Nach kurzer Zeit wurde auch schon abgehoben.

    „Mrrau?“, fragte die Stimme am anderen Ende und ließ den jungen Mann zuerst rätseln, ob er sich verwählt hatte. Ihm fiel allerdings sofort ein, dass sich ja nicht nur seine Eltern Zuhause befanden.

    „Mrr“, gab Noel, das männliche Psiaugon in der Familie, als panischen Laut zurück, bevor seine Mutter das Telefonat übernahm.

    „Pineau? Entschuldigen Sie bitte, unser Psiaugon ist recht aufgeweckt.“

    „Maman? Ich bin’s, Henri.“

    Auf der anderen Seite der Leitung war ein Aufatmen zu vernehmen. Der kurze Zeitraum der Stille wurde nur von der aufgeregten Stimme seiner Mutter gebrochen.

    „Henri, mein Schatz! Wie geht es dir? Du … du hast dich so lange nicht gemeldet! Wir waren außer uns vor Sorge!“

    „Also, ich …“, begann er zu sprechen und blickte seinen beiden Begleiterinnen in die Augen. Vivienne ballte mit einem Lächeln eine Hand zur Faust, während Katie nicht einmal eine Miene verzog. Henri nickte daraufhin. Er schluckte einen Kloß im Hals hinunter und setzte seine Unterhaltung fort.

    „Zuerst einmal: Es … es tut mir leid, dass ich mich so selten gemeldet habe! Dahinter steckte ein bestimmter Grund und … ich glaube, dass ich dir jetzt davon erzählen kann. Nein, muss! Schöne Grüße übrigens von Vivienne! Sie ist gerade hier bei mir.“

    Nachdem er seine Schwester erwähnt hatte, entfernte sich Henri ein Stückchen von der Gruppe. Auf diese Weise konnte er seine Erlebnisse ungestört mitteilen.

    „Da nimmt er sich ja einiges vor“, kommentierte Katie die Situation mit einem Augenzwinkern. Das leicht angedeutete Schmunzeln entging Vivienne allerdings nicht.

    „Sie werden es verstehen. In Wahrheit freust du dich doch auch darüber, nicht wahr? Es klang jedenfalls so, als hätte er dieses Thema schon einige Zeit vor sich hergeschoben.“

    „Deutlich länger, als du glaubst!“, lachte ihr Gegenüber und hielt sich einen Finger an die Schläfe. „Ich glaube, es war zu dem Zeitpunkt, als du zum ersten Mal angerufen hast. Nichts, was wir ihm vorgeschlagen hatten, drang zu ihm durch. Dass er also nicht nur dich, sondern auch seine Eltern innerhalb weniger Tage angerufen hat, ist nahezu unerhört.“

    „Ganz so, wie ich ihn kenne“, murmelte Vivienne und blickte ihrem Bruder interessiert hinterher. Mittlerweile hatte er sich in einiger Entfernung auf das Geländer gelehnt und gestikulierte manchmal mit der freien Hand in der Luft. „Er hat sich schon immer zu viele Gedanken gemacht. Dass er sich anderen anvertraut, kommt aber nur in ganz seltenen Fällen vor.“

    „Bei Fremden ist das nachvollziehbar. Aber selbst bei dir?“

    „Ja!“, lachte Vivienne. „Wenn er nicht reden möchte, ist es schwierig, sich ihm zu nähern. Irgendetwas habt ihr vermutlich in ihm ausgelöst, dass es ihm leichter als sonst gefallen war. Aber vielleicht hat sich die Sache ja nun komplett erledigt. Zumindest hoffe ich es. Das letzte halbe Jahr war für uns alle anstrengend genug.“

    Katie nickte verstehend. Während die beiden auf das Ende des Gesprächs warteten, kümmerten sie sich um ihre Pokémon. Chérie war nach den Flugstunden etwas müde geworden und legte sich daher provokant vor Viviennes Füße auf den Gehweg. Sie musste sich natürlich um ihre Partnerin kümmern, die offensichtlich nach Aufmerksamkeit haschte. Kanani und Fleur beschäftigten sich munter und Katie sah erneut auf ihren Zeichenblock. Das Bild der drei Pokémon war in ihren Augen wirklich harmonisch geworden. Bei deren Anblick musste sie unwillkürlich lächeln.

    Schließlich kehrte Henri mit breitem Grinsen zu den beiden Frauen zurück. Keine von beiden musste fragen, wie es ihm wohl ergangen war. Der fröhlichen Laune nach zu urteilen war das Gespräch mit seiner Mutter tadellos und ohne Komplikationen verlaufen. Während er einige ausgelassene Worte mit Vivienne wechselte, meldete sich Katie mit einem Zwischenruf.

    „Ich muss dann langsam mal los. Xan und Malio sind sicher bald von ihrer Erkundungstour zurück und wir wollten uns heute Abend noch auf andere Weise unterhalten.“

    „Jetzt schon?“, fragte Henri und blickte auf den Bildschirm seines Smartphones, das er noch immer in der Hand hielt. Sie winkte ab und deutete auf den in oranges Licht gehüllten Himmel.

    „Wir treffen uns ja morgen wieder! Ansonsten solltet ihr die Nacht heute genießen. Es soll ein Sternenschauer niedergehen und die sind nirgends schöner als auf Mele-Mele.“

    Die Geschwister sahen sich an und überlegten beide im Stillen, ob sie sich denn Zeit dafür nehmen sollten. Vivienne brach nach einer Weile zuerst die Stille.

    „Das klingt doch nach einem Plan! Aber bevor du gehst, gibst du mir noch deine Nummer?“

    Katie prustete, da sie plötzliche Aufforderung amüsierte. Anschließend posierte sie vor den Geschwistern wieder, jedoch ohne hochgezogenes Mundtuch.

    „Yo, Team Skull ist eine knochenharte Nummer! Die kriegt nicht einfach jede dahergelaufene Göre zu sehen!“

    „Die Göre … schafft es schon noch, dich zu … brechen!“, stammelte Vivienne daraufhin. Im Wortlaut etwas sicherer ergänzte sie: „Wäre ja gelacht, wenn dein Schädel härter wäre!“

    „Hmpf. Du benötigst noch etwas Übung“, spöttelte Katie und schmunzelte. „Aber der Versuch war gut. Klar bekommst du meine Nummer.“

    Sie sagte ihrem Gegenüber daraufhin eine Zahlenfolge an, die schnell im Telefon gespeichert wurde. Einen kurzen Probeanruf später legte Henris Schwester direkt wieder auf und verstaute ihr Telefon. Anschließend umarmten sich die beiden für einige Sekunden und traten danach jeweils einen Schritt zurück.

    „Ich freue mich auf weitere Unterhaltungen!“, rief Vivienne mit einem Lächeln.

    „Kann ich nur zurückgeben. Bis dann!“ An Henri gerichtet flüsterte Katie noch in Ruhe: „Pass auf sie auf. Eine Schwester wie Vivienne ist Gold wert.“

    Sie zog ihr Mundtuch hoch und rief Kanani zu sich. Gemeinsam beschritten sie den Weg zu ihrer Wohnung, wobei Katie während des Gehens eine Hand zum Abschied hochhob.

    „Was sollen wir jetzt machen?“

    Viviennes Frage richtete sich an Henri, der sie interessiert ansah. Anschließend fiel sein Blick auf Chérie, die auf dem Gehweg liegend herzhaft gähnte, und Fleur, die Kanani hinterher winkte. Bis zu den Nachtstunden musste noch einige Zeit vergehen. Er war jedenfalls froh, dass sowohl das Treffen mit Katie als auch das Gespräch mit seinen Eltern problemlos verlaufen war. Was auch immer Henri gern machen wollte, so hatte er das Gefühl, dass ihn nichts mehr aufhalten konnte.

    „Wir könnten bei meiner Arbeitsstelle vorbeischauen. Dann lernst du Keoni auch einmal kennen. Wie wär’s?“

    Seine Schwester stimmte nach kurzer Überlegung zu und sogleich begaben sich die beiden zu dem Café.

  • Part 28


    Nach einem längeren Aufenthalt im Café, bei dem Henri und Vivienne vollstens mit leckeren Getränken von Keoni versorgt wurden, traten sie wieder in die Dunkelheit Hauholi Citys hinaus. Die Sonne war bereits untergegangen und die Sterne standen am wolkenlosen Himmel. Auch der zunehmende Mond zeigte sich von seiner schönsten Seite und erfüllte die Straßen der Stadt mit schummrigem Licht. Eine sanfte Abendbrise wehte um sie herum und erfasste die beiden Geschwister. Ihre Pokémon hielten sich währenddessen in ihren Bällen auf.

    „Es ist immer noch so warm“, reagierte Vivienne auf den lauen Wind. „Eigentlich eher angenehm. Jetzt gerade fühle ich mich sehr entspannt.“

    „Die Sommer in Kalos sind nur für einige Monate so warm“, ergänzte Henri und genoss ebenfalls die Brise auf seiner Haut. „Hier ist es eigentlich das ganze Jahr so. Nur in den höheren Regionen von Ula-Ula wird es kälter.“

    „Gibt es dort nicht sogar eine eigene Sternwarte?“, fragte Vivienne und ihr Bruder nickte.

    „Ja! Für die Öffentlichkeit ist sie allerdings nur im Rahmen der Inselwanderschaft zugänglich und auch da nur in wenigen Räume. Wir hatten während der Ausbildung einmal eine Exkursion dorthin.“ Henri lachte, als er sich daran erinnerte. „Eigentlich wollten die dort Zuständigen nur ihre Arbeit etwas vorstellen und hofften daher, dass jemand vielleicht den Studienplatz wechseln würde. Die Begeisterung hatte sich allerdings sehr stark in Grenzen gehalten.“

    Seine Schwester kicherte, als sie den Ausführungen lauschte. Währenddessen deutete er in Richtung des westlichen Stadtrandes. Im Café hatte Henri erwähnt, einen besonderen Ort abseits Hauholi Citys zu kennen, wo die hellen Lichter dem nächtlichen Himmel nicht zu sehr die Schau stahlen.

    „Dafür muss man wohl wirklich gemacht sein. Im Grunde trifft das ja auf jede Arbeit zu und wenn ihr euch für Medizin meldet, werdet ihr wohl kaum plötzlich auf Astronomie umsteigen.“

    „Ob du es glaubst oder nicht, aber zwei aus unserer Gruppe besaßen privat tatsächlich Teleskope und wollten in ihrer Freizeit gern einmal vorbeischauen. Was sie am Ende gemacht haben, kann ich dir aber nicht sagen.“

    „Vielleicht haben sie ja bei der Sternwarte eine Möglichkeit gefunden, ihr Hobby besser auszuleben. Das kann mitunter wirklich helfen, sich näher damit zu beschäftigen.“

    Vivienne seufzte, als sie ihren Gedanken laut äußerte.

    „Ich könnte mir das nie vorstellen, an einen bestimmten Platz gebunden zu sein. Dafür liebe ich die Reise mit den Pokémon zu sehr und mir macht das Leben als Trainerin auch am meisten Spaß.“

    „Kann ich gut verstehen“, antwortete Henri. Sie waren mittlerweile fast am Stadtrand angekommen und gingen nun eine Treppe auf eine Anhöhe hoch. Diese führte unweigerlich zum an den Ort angrenzenden Wald. „Mir würde dafür so eine vollumfängliche Reise nicht liegen. Ich bin gern unter Pokémon, aber eigentlich ist es mir dann wichtiger, dass sie bei guter Gesundheit sind.“

    „So ergänzen wir uns wieder“, konterte Vivienne und hielt einen Zeigefinger in die Höhe. „Wenn meine Pokémon verletzt sind, komme ich zu dir und du heilst sie wieder.“

    „Allerdings nicht, ohne dass ich dich erst einmal zusammenstauche.“

    Nun war Henri dran, hämisch zu grinsen. Sie knufften sich anschließend gegenseitig und lachten während des weiteren Anstiegs über ihre persönlichen Vorstellungen im Leben. Am Ende der Stufen angekommen sah sich Vivienne interessiert um. Es handelte sich um ein kleines Plateau, von dem aus nicht nur Hauholi City gut zu überblicken war, sondern auch das Meer im Hintergrund schimmerte. Auf der anderen Seite der Plattform befand sich der Beginn eines Wanderwegs, der zwischen die Bäume des Waldes führte. In absolut jeder Hinsicht handelte es sich hier also um einen Aufbruchspunkt, ganz egal, in welche Richtung die Unternehmung letztendlich gehen würde.

    „Es ist wirklich schön hier!“, rief Vivienne und ging nach vorne zum Geländer. Von hier führte der Weg steil nach unten. Das Ende konnte sie jedoch aufgrund der Dunkelheit nicht erblicken. Die funkelnden Sterne am Himmel waren hier jedoch kristallklar zu erkennen.

    „Nicht wahr? Die Nächte in Alola gelten als besonders herausragend, um sich die Zeit zu vertreiben. Deswegen erzählen sich die Menschen hier auch viele Sagen über die Inkarnation des Mondes. Angeblich hat sie dafür gesorgt, dass die strahlenden Lichter die Menschen jederzeit begleiten sollen.“

    „Wir sprechen hier aber nicht von Cresselia, oder?“, fragte seine Schwester interessiert und Henri schüttelte den Kopf.

    „Nein, Cresselia ist vor allem in Sinnoh neben Darkrai bekannt. Bei der Inkarnation des Mondes handelt es sich um Lunala. Es taucht wie sein Gegenstück Solgaleo, also die Inkarnation der Sonne, aber nur zu besonderen Zeiten auf. Wo sie sich abseits davon befinden, wissen wohl selbst die Menschen Alolas nicht. Zumindest habe ich noch von keinen Geschichten gehört oder gelesen, die das eindeutig bestimmen konnten.“

    „Aha, verstehe“, murmelte Vivienne und ließ sich die Namen still durch den Kopf gehen. „Ich mag solche alten Legenden wirklich gerne. Meistens ist doch mehr dran, als man zuerst glauben möchte.“

    Henri fragte sich, ob er mit seinen ersten Gedanken dazu antworten sollte. Xerneas und Yveltal waren vor einigen Monaten gemeinsam aufgetaucht und sorgten aktuell für ein nie dagewesenes Chaos. Zuvor waren sie auch hauptsächlich Bestandteil alter Sagen gewesen. Letztendlich beließ er es dabei und sprach weiter über Alola.

    „Mir gefallen ihre Namen“, begann er und lehnte sich, wie seine Schwester, an das Geländer. „Sie klingen mysteriös und dennoch ehrerbietig. Als hätten sie schon vor langer Zeit für Ordnung in der Region gesorgt.“

    „Zumindest sind die Sonnenuntergänge ebenfalls sehr schön anzusehen“, ergänzte Vivienne mit grinsender Miene. „Solgaleo macht seine Sache wohl ebenfalls gut.“

    Während ihres Gespräch hatte Henri sein Smartphone in der Hand und aktualisierte regelmäßig die Nachrichten. Laut der offiziellen Website der Hokulani-Sternwarte würden die Sternschnuppen wohl innerhalb der kommenden Stunde am südlichen Nachthimmel niedergehen. Am besten sollten sie laut der Information von Akala aus sichtbar sein. Die Insel lag genau zwischen Mele-Mele und Ula-Ula, sodass die Geschwister von ihrer aktuellen Position vermutlich einen guten Blick auf das Spektakel hatten.

    „Was wirst du eigentlich als nächstes machen?“, fragte Henri seine Schwester. Er war interessiert, wohin es sie verschlagen würde. Ob sie wieder nach Kalos zurückkehrte oder ob sie vielleicht sogar in Alola blieb? Sie legte einen Finger auf die Lippen und dachte in Ruhe darüber nach. In jedem Fall ließ er ihr die nötige Zeit, nachzudenken.

    „Ich weiß es noch nicht so genau“, antwortete Vivienne schließlich wahrheitsgemäß. „Ich würde zwar gerne noch mehr in Kalos erledigen, aber im Grunde sind mir die Hände gebunden. Unseren Eltern geht es gut und sie würden sich vielleicht schuldig fühlen, würde ich mich allein wegen ihnen noch länger Zuhause aufhalten. Gegen die Katastrophe kann ich allein allerdings auch nicht ankommen. Dazu benötigt es schon Menschen, die auf solche Fälle spezialisiert sind und die sitzen vermutlich in Illumina City.“

    „Wenn es sie denn überhaupt gibt“, gab Henri zu bedenken. Seine Schwester nickte bestätigend, dass sie seine Meinung teilte.

    „In jedem Fall nicht dorthin. Zuletzt war ich in Einall, um Orden zu sammeln und die Pokémon-Liga herauszufordern. Weißt du noch?“

    Am Rande seiner Erinnerungen konnte Henri tatsächlich eine Aussage verwerten, dass Vivienne in Einall erfolgreich gewesen war. Der Kampf gegen Lilia hatte ihr, so weit er sich erinnern konnte, offenbar sehr viel abverlangt, obwohl sie sich nur auf Pokémon des Drachen-Typs spezialisiert hatte. Insgeheim fragte sich der junge Mann nun, ob Diantha, Champ von Kalos, eine Chance gegen sie haben würde. Ein direktes Duell der beiden Champs wäre seiner Meinung nach sehr interessant zu beobachten.

    „Etwas. Der Kampf war doch ziemlich knapp, nicht wahr?“

    „Oh ja! Diantha empfand ich als Gegnerin schon schwierig, aber Lilia war in meinen Augen noch einmal eine Ecke härter.“ Vivienne setzte ab und schwelgte kurz in ihren eigenen Erinnerungen. Sie kam allerdings schnell wieder zum Thema zurück. „Was ich bisher über die Inselwanderschaft in Alola gehört habe, klingt interessant. Aber ich glaube, dass mich das jetzt aktuell nicht reizt. Hierher kam ich hauptsächlich wegen dir.“

    Dabei kreuzte sich ihr Blick mit Henris, der kurz darauf wieder in Richtung des glitzernden Meeres sah. Er war froh, dass es so dunkel war und sie seine Verlegenheit nicht allzu deutlich wahrnehmen konnte. Nichtsdestotrotz kicherte Vivienne und fuhr fort.

    „Ich habe schon längere Zeit darüber nachgedacht, nach Galar zu reisen. Die Orte und die Bauweise der Gebäude haben schon lange mein Interesse erfasst. Außerdem kann ich nicht leugnen, dass ich Dynamax gerne live erleben möchte. Ich schätze nur, dass ich bei den riesigen Pokémon absolut aufgeschmissen bin.“

    Vivienne lachte daraufhin und kratzte sich am Hinterkopf. Für Henri war ihre Bescheidenheit unverständlich. Wann immer er seiner Schwester bei Kämpfen zugesehen hatte, war sie mit solch einem Eifer bei der Sache, dass sie nur selten verlor. Jede Niederlage zeigte ihr aber auch immer wieder, woran sie in Zukunft weiter feilen konnte.

    „Du wirst das schon schaffen! Wäre ja nicht das erste Mal, dass du bei etwas Neuem sofort die Oberhand behältst.“

    „Das war immer nur Zufall!“, beteuerte sie panisch und mit fuchtelnden Händen. Das Lachen ihres Bruders veranlasste sie jedoch, sich wieder zu beruhigen und die ausgelassene Laune auf sich wirken zu lassen.

    „Jedenfalls denke ich noch darüber nach, ob es wirklich Galar wird oder vielleicht eine andere Region. Aber wie geht es mit dir weiter, Henri?“

    Eine Antwort auf die Frage hatte er nicht sofort parat. Die letzten Tage hatten enorme Änderungen für ihn parat gehabt, sodass er sich nun wirklich alle Wege offen halten konnte. Sofern er denn in anderen Bereichen überhaupt Möglichkeiten sah. Dessen war er sich allerdings noch sehr unsicher.

    „Ehrlich gesagt weiß ich es nicht“, sagte Henri und blickte von seiner aktuellen Position in die Tiefe. „Ich hatte mit so vielem gerechnet, was dich und meine Familie anging. Dass ich vielleicht endlich Gewissheit erhalten würde, dass ihr nicht zu mir steht. Dass ich mich vollständig in Alola abkapseln und Kalos hinter mir lassen könnte. Aber nichts von alledem kam so. Mich verwirrt das noch zu sehr.“

    Er setzte ab und dachte über sein Umfeld nach. Team Skull hatte ihm natürlich sehr gut getan. Noch besser war es aber, von seinen Familienangehörigen Bestätigung zu erhalten, dass er das tun sollte, was ihm am meisten Spaß machte. Henri konnte nicht bestreiten, dass er gerne mit Katie, Malio und Xan zusammen war. Die täglichen Begegnungen mit den Menschen Mele-Meles und auch Keoni im Café. Sie alle hatten dafür gesorgt, dass sich dieser Ort wie ein zweites Zuhause für ihn anfühlte.

    „Das kann ich verstehen“, gab Vivienne ruhig zurück. „Meinetwegen kannst du dir mit der Entscheidung so viel Zeit lassen, wie du möchtest. Vielleicht ergibt sich in den nächsten Tagen ja eine passende Antwort auf die Frage.“

    Still akzeptierte er ihre rationale Reaktion. Letztendlich konnte und sollte Henri nichts erzwingen. Es würde sonst vielleicht nur zu Momenten führen, in denen er sich noch häufiger als sonst hinterfragen würde.

    „Wenn ich einen Wunsch frei hätte“, begann er schließlich und sah zum nächtlichen Himmel empor, „dann würde ich mich gerne für Kalos einsetzen. Seit ich von der Katastrophe mitbekommen habe, wollte ich gerne irgendwie helfen. Allerdings sitze ich hier seitdem fest und kann nichts machen.“ Kurz blickte Henri auf seine geöffneten, leeren Hände, bevor er sich wieder auf das Geländer lehnte. „Wenn sich die Lage irgendwann stabilisiert hat und Menschen wieder in Kalos einreisen können, würde ich mich gerne dorthin begeben. Aber das wird vermutlich noch lange dauern. Außerdem weiß ich nicht, wie ich genau helfen kann.“

    Nun wieder still beobachtete er die funkelnden Sterne. Es würde vermutlich nicht mehr lange dauern, bis das eigentliche Spektakel, weswegen die Geschwister hier waren, losging. Vivienne tat es ihm gleich und dachte über seine Worte nach.

    „Weißt du, vielleicht ergibt sich die Antwort, wenn du irgendwann dort bist“, antwortete seine Schwester und führte ihre Überlegung genauer aus. „Vieles erfahren wir erst, wenn wir an Ort und Stelle sind, um uns mit eigenen Augen von der Situation zu überzeugen. Als ich vor einem halben Jahr nach Hause zurückgekehrt war, wusste ich auch nicht, was mich erwarten würde oder was ich machen konnte. Mir war vor allem wichtig, dass ich meinen Eltern half. Und jetzt stehen wir beide hier zusammen.“

    Vivienne schenkte ihm ein Lächeln, das Henri nach einigen Momenten des Zögerns erwiderte.

    „Ja, womöglich hast du recht.“

    Auf eine besondere Art schaffte sie es immer, ihn bei seinen Gedanken zu unterstützen. In Situationen wie diesen war der junge Mann froh, sich auf andere verlassen zu können.

    Als er weiter auf seine Vorstellungen eingehen wollte, blitzte etwas am Nachthimmel vorbei. Henri glaubte zuerst, ein Hirngespinst gesehen zu haben, bis ein zweites Objekt mit langem Schweif folgte und für wenige Momente sichtbar war. Er realisierte, dass der Sternenschauer endlich begonnen hatte! Fasziniert verfolgte er das Schauspiel und deutete in die Richtung jeder Sternschnuppe, die auf das Meer niederging. Die Geschwister waren mit so viel Freude bei der Sache, dass die Zeit wie im Flug verging.

    Schließlich kam ihm ein Gedanke. Obwohl es nur ein Aberglaube unter den Menschen war, ging Henri in sich und sprach einen Wunsch aus. Er hatte vorhin noch Vivienne davon erzählt, seiner Heimat helfen zu wollen. Die Sterne sollten unbedingt ebenfalls von seinem Vorhaben erfahren. Vielleicht würden sie ihn irgendwann in der Zukunft dabei unterstützen, sein Ziel zu erreichen.

    Als er mit seinem kleinen Ritual fertig war, sah er, dass auch Vivienne andächtig ihren Blick gesenkt hatte. Henri schmunzelte. Zumindest war die Vorstellung, dass Sterne Wünsche erfüllen würden, nicht nur in seinem Kopf festgesetzt. Als auch seine Schwester wieder aufblickte, sah sie ihn lächelnd an.

    „Ich habe mir gewünscht, dass alle deine Träume in Erfüllung gehen werden“, sagte sie heiter und entlockte Henri damit ein empörtes Aufatmen.

    „Wunderbar, jetzt wird der Wunsch nie in Erfüllung gehen!“

    „Ich wusste gar nicht, dass du so abergläubisch bist“, gab Vivienne nüchtern zurück. Er presste die Lippen aufeinander und sah wieder dem Sternenregen zu.

    „Jedenfalls: Wusstest du, dass nicht nur Kometen auf die Erde fallen? Manchmal handelt es sich dabei auch um Pokémon.“

    „Von Piepi wird behauptet, dass sie aus dem Weltall stammen würden. Oder meinst du etwas anderes?“

    „Nein, wirklich die Kometen selbst“, antwortete Henri und deutete auf die Sternschnuppen. „Es kommt nicht selten vor, dass das Gestein eine Hülle für Meteno darstellt. Wird der schwere Fels zerstört, zeigen sie ihre bunten Kerne und steigen wieder in den Nachthimmel hinauf.“

    „Langsam frage ich mich wirklich, warum ich eine so schöne Region wie Alola bisher nicht besucht habe“, erwiderte Vivienne und beobachtete das Phänomen weiter. „Kannst du mir noch mehr erzählen?“

    „Nun, da gäbe es einiges. Was willst du gern hören?“

  • Part 29


    Nachdem die Geschwister den ergiebigen Sternenschauer beobachtet hatten, vergingen einige Tage, in denen sie sich die Stadt sowie ihre Umgebung angesehen hatten. Ein Besuch im nahegelegenen Ort Lili’i war aufgrund aktuell stattfindender Feierlichkeiten ebenso inbegriffen. Dort durften die beiden an einem traditionellen Fest der Alola-Region teilnehmen, das von Mele-Meles Inselkönig Hala geleitet wurde. Es beinhaltete nicht nur sonderbare Tänze, die auf dem Inselkomplex eine lange Geschichte feierten, sondern auch Gesänge, die dem hiesigen Schutzpatron Kapu-Riki galten. Obwohl Henri und Vivienne beide mehr als Touristen galten, wurden sie von den anderen Menschen freudig in den Kreis aufgenommen. Alle hatten Spaß an dem Fest und es war ein wahrhaftig unvergessliches Erlebnis.

    Seit Vivienne wieder abgereist war, war ein halbes Jahr vergangen. Im Gegensatz zu ihrer ursprünglichen Annahme, Galar zu besuchen, hatte sie sich für Hoenn als nächstes Ziel entschieden. In Einall hatte sie häufig eine Empfehlung für die Region erhalten und daher wollte sie sich selbst von den Lokalitäten überzeugen. Natürlich versprach sie, Henri regelmäßig zu berichten und Bilder zu schicken. So, wie sie es auch in Einall von allen interessanten Orten gemacht hatte.

    In weiterer Folge lebte Henri sein alltägliches Leben in Hauholi City. Die Tätigkeiten im Café und bei Team Skull ließen nicht nach und so wurde er immer wieder gefordert, sein Bestes zu geben. Darunter fiel auch seine Arbeit als Veterinär, die er für kurze Zeiträume auch im Pokémon-Center auskosten durfte. Es war für ihn nach der langen Zeit eine besondere Ehre, nicht nur auf eigene Faust Pokémon zu behandeln, sondern sich auch einige hilfreiche Tipps aus den offiziellen Einrichtungen abzuholen. Sein Handwerk verbesserte sich auf diese Weise immer mehr.

    „Und jetzt hast du vor, in deine Heimat zurückzukehren?“, fragte Zoko, der auf der Parkbank aufgeregt mit den Beinen baumelte. In den vergangenen Monaten hatten die beiden viele Gespräche geführt und der Junge wusste daher über Henris Erlebnisse bestens Bescheid. Gleichwohl sagte Zoko häufig, dass er sich mit den anderen Kindern im Park besser anfreunden konnte. Dennoch umhüllte ihn immer eine Aura des Ungewissen und Mysteriösen, als wollte er nicht alles von sich preisgeben.

    „Ja“, antwortete Henri und seufzte dabei laut auf. „In den letzten Wochen wurde die Einreisemöglichkeit wieder erlaubt. Die Situation ist nach wie vor ungewiss, aber Illumina City, also die größte Stadt der Region, hat sich wohl einigermaßen stabilisiert. Morgen wird es Zeit, Abschied von hier zu nehmen.“

    „Hm. Nach Hause zu kommen ist immer so emotional. Ich hoffe, dass alles gut für dich läuft.“

    Der Junge schüttelte unterdessen Fleurs Hand, die sie ihm gereicht hatte. Sie und Zoko waren seit jeher ein Herz und eine Seele, als würden sie sich blind verstehen. Henri lächelte beim Anblick der beiden. Womöglich sollte er eine Frage, die ihm schon seit längerer Zeit auf dem Herzen lag, endlich stellen.

    „Sag mal“, begann er schließlich und deutete auf den Jungen. „Du bist doch ein Pokémon, nicht wahr?“

    „Sehe ich etwa wie eines aus?“, gab Zoko zurück und legte den Kopf schief.

    „Jetzt nicht. Aber ich hatte schon bei unserer ersten Begegnung das Gefühl, dass etwas nicht mit dir stimmt.“ Henri erinnerte sich dabei daran, vor einem Jahr ein merkwürdiges Lachen unter den Kindern gehört zu haben. Zwar war ihm das zugehörige Gesicht entfallen, jedoch glaubte er, es würde eventuell damit zusammenhängen. „Für Ditto bist du etwas zu gesprächig. Ist das vielleicht eine Illusion?“

    Im ersten Moment antwortete Zoko nicht. Kurz darauf begann er jedoch mit einem hohen Laut zu lachen, der selbst bei Kindern unnatürlich klang. Anschließend begann die Luft um den Jungen zu wabern, als würde sich eine Luftspiegelung bilden. Seine Gesichtskonturen begannen sich teilweise zu verändern und er erhielt große, spitz zulaufende Ohren sowie dunkelgraues Fell anstelle der menschlichen Haut. Die neugierigen Augen mit blauen Iriden wurden größer und machten durch die Gesichtsform einen beinahe frechen Eindruck. Letztendlich wandelten sich die dunklen Haare zu einem kleinen Büschel mit roten Spitzen. Erneut lachte Zoko, wenngleich es den Eindruck erweckte, als würden nun zwei Stimmen an Henris Ohren gelangen. Eine menschliche und eine Pokémon-Stimme.

    „Du hast eine gute Intuition! Die anderen Menschen erkennen mich nicht, aber Fleur hier hat sofort gemerkt, dass ich anders bin. Scheinbar war das bei dir ähnlich.“

    „Zorua also“, bemerkte Henri nun. Ein Pokémon, das dafür bekannt war, seine Umgebung mit Trugbildern zu beeinflussen und so unerkannt durch die Welt zu wandeln. Obwohl Zoko in seiner Ausdrucksweise noch jung klang, trug er bereits enorme Kräfte in sich. Die Illusion auf diese Weise aufrechtzuerhalten, wirkte in Henris Augen sehr beeindruckend.

    „Ja“, antwortete Zoko schließlich und grinste bis über beide Ohren. „Mein Äußeres kann ich verstellen, aber was ich dir erzählt habe, stimmt alles. Eigentlich mag Mama es nicht, wenn ich mich unter die Menschen begebe. Sie denkt, dass sie gefährlich und uneinsichtig sind. Du hast mir aber gezeigt, dass sie auch anders sein können.“

    „Das freut mich!“, gab Henri zurück. „Ich konnte dir zwar nicht viel zurückgeben, aber deine Ratschläge haben mir in manchen Situationen doch mehr geholfen, als ich erwartet hatte. Danke dafür, wirklich!“

    „Doch nicht dafür“, meinte Zoko nun und wirkte wütend. „Du hast das schon dir allein zu verdanken! Ich habe nichts gemacht außer geredet, was mir einfiel.“

    „Dann waren es vielleicht zufällig die richtigen Worte, die du ausgesprochen hast.“

    „Kann sein!“

    Erneut kicherte der Junge mit seiner hohen Stimme. Fleur stimmte unweigerlich mit ein, um seine Freude weiterzutragen. Henri schmunzelte aufgrund der Reaktion der beiden. Er legte danach eine Hand mit der geöffneten Seite nach oben auf die Sitzfläche der Parkbank.

    „Danke für deine Zeit! Vielleicht sehen wir uns irgendwann wieder, wenn du dich zu Zoroark entwickelt hast.“

    Zoko setzte wieder sein frech wirkendes Grinsen auf und betrachtete eingiebig die Hand, die ihm gereicht wurde.

    „Klar! Dann wirst du mich aber nicht mehr so leicht erkennen! Und dir viel Erfolg in deiner Heimat!“

    Mit diesen Worten schlug der Junge ein und das Trugbild verschwand vollständig. Anstelle einer menschlichen Hand befand sich zwischen Henris Fingern eine rote Pfote, die augenscheinlich einem Zorua gehörte. Die Blicke der beiden kreuzten sich noch einmal, bevor das Pokémon von der Bank sprang und sich langsam entfernte. Nach einigen Schritten drehte Zorua den Kopf erneut zu Henri um und rief ihm einige langgezogene Laute zu.

    „Bis dann, Zoko!“

    Er winkte seinem Pokémon-Freund hinterher, der augenblicklich zwischen den Büschen des Parks verschwand. Anschließend musste Henri selbst unwillkürlich lächeln. Freundschaften zu Pokémon konnten sich auf unterschiedlichste Art entwickeln. Obwohl Zorua unter Menschen als wortkarg galt, war dieses hier doch äußerst gesprächig gewesen. Er glaubte jedenfalls nicht, dass die Begegnung damals zufällig war.

    Nachdem sich auch Fleur lautstark verabschiedet hatte, begaben sich die beiden zu ihrem nächsten Ziel. Henri hatte sich bereits vor einer Woche etwas Abstand zu seiner Arbeitsstelle beim Café gewünscht, um sich vorzubereiten, seine Habseligkeiten zu packen und alles Notwendige zu besorgen. Keoni war bereit, ihm mehr als nur ein oder zwei Tage zu geben, damit er sich für alles die benötigte Zeit nehmen konnte. Worum sich der junge Mann glücklicherweise nicht mehr kümmern musste, war eine Bleibe in Illumina City zu finden. Somit konnte Henri in Kalos einreisen und sich sofort in einer gemieteten Wohnung einrichten. Das würde ihn bei der Ankunft hoffentlich entlasten.

    Er und Fleur betraten in aller Ruhe das Café. Kundschaft war zu diesem Zeitpunkt bereits keine mehr da und würde wohl erst gegen Abend wieder eintreffen. Henri konnte eine ihm unbekannte Frau sehen, die in der Zwischenzeit dabei war, die Tische abzuwischen. Als sie den jungen Mann erblickte, kam sie behutsam näher.

    „Alola! Entschuldigung, aber wir haben gerade geschlossen.“

    „Warte bitte!“, ertönte es von weiter hinten und Keoni kam nach vorne. „Ich habe ihn bereits erwartet. Kiana, du darfst gerne Pause machen, wenn du möchtest.“

    „Nein, kein Problem!“, antwortete die Frau, offenbar Kiana, die sich sofort entschuldigend verbeugte. „Wenn ich etwas bringen darf, sagen Sie bitte Bescheid.“

    „Wir … können gerne per Du sein“, meinte Henri daraufhin und streckte ihr seine Hand entgegen. „Henri. Ich war hier bis vor einigen Tagen angestellt und habe Keoni ausgeholfen.“

    „K-kiana! Sehr erfreut, du“, gab sie etwas nervös zurück. Aufgrund ihrer Ausdrucksweise machte sie sich jedoch schnell wieder daran, die Tische abzuwischen. Keoni konnte ein Lachen kaum unterdrücken.

    „Sie ist seit drei Tagen da und macht sich wirklich gut! Ist noch etwas schüchtern, aber ich denke, das wird sie bald ablegen. Hat bei dir ja auch etwas gedauert, bis du mit den Gästen reden konntest.“

    „Nun“, begann Henri und kratzte sich am Hinterkopf. „Eigentlich wollte ich nur vorbeikommen, um mich zu verabschieden. Danke, einfach für alles! Dass du mich hier aufgenommen hast, dass du mich akzeptiert hast und dass wir so viele Gespräche geführt haben.“

    Zwischen den beiden breitete sich für einige Sekunden lang Stille aus, bis Keoni die Stimme erhob.

    „Und das war’s? Mehr möchtest du wirklich nicht sagen?“

    Bevor Henri antworten konnte, rief der Café-Inhaber Kiana zu sich.

    „Kannst du bitte Piña Coladas zubereiten? Für dich natürlich auch gerne, die gehen aufs Haus!“

    „J-ja, sofort“, gab Kiana zurück und begab sich hinter den Tresen. Das Klingen mehrerer Gläser war zu hören, bevor sich Keoni wieder seinem Gast zuwandte.

    „Und du bist dir sicher, dass du weiterziehen möchtest?“

    „Definitiv“, antwortete Henri mit fester Stimme. „Mich belastet es schon viel zu lange, dass ich nichts für meine Heimat tun kann. Ich weiß noch nicht, was es genau sein wird, aber irgendwie möchte ich mich nützlich machen. Und wenn es nur ist, dass ich verletzte Pokémon behandle. Zumindest hoffe ich, dass davon einige Menschen in Kalos Gebrauch machen werden. Ansonsten kehre ich einfach zu meinen Eltern zurück und unterstütze sie.“

    Nachdem er mit seiner Rede fertig war, hatte Kiana bereits die Cocktails gebracht. Sie drückte sowohl Henri als auch Keoni ein Glas in die Hand und verschwand danach wieder hinter dem Tresen. Obwohl sie zuerst zögerte, trat sie anschließend auch mit ihrem Glas an die anderen beiden heran. Unterdessen hatte es sich Fleur auf Henris Kopf gemütlich gemacht. Die Blumenranke erweckte nun den Eindruck eines Blütenkranzes in seinen Haaren. Der Café-Inhaber lächelte, als er sie alle zusammen sah.

    „Weise gesprochen. Du hast auf mich nie den Eindruck gemacht, als würdest du für immer hier bleiben. Auch wenn ich das bei deiner Aufnahme bei Team Skull zuerst beinahe dachte.“

    Kiana ließ ein ersticktes Aufatmen ertönen. Offenbar hatte sie nicht damit gerechnet, dass das in der Region berüchtigte Team innerhalb dieser Unterhaltung genannt werden würde. Keoni ließ sich davon nicht beeindrucken und fuhr fort.

    „Aber du hast mein vollstes Verständnis und meinen Respekt. Die vergangenen Jahre in Alola haben dich sehr geprägt und das letzte vielleicht sogar am meisten. Ich hoffe, dass du deine Fähigkeiten in Kalos voll entfalten kannst und auch hin und wieder an uns denkst.“

    „An dich sowieso“, sagte Henri. „Du hast mich so oft bei meinen Gedanken unterstützt und dafür gebührt dir mein aufrichtigster Dank.“

    „Nicht dafür. Ich bin nur ein unwichtiger Mensch in Alola, den die Geschichten anderer sehr interessieren. Danke dennoch für deine Sicht der Dinge!“

    „Ähm, du sagtest Kalos?“, begann Kiana und suchte nach den richtigen Worten. Als sie Henri direkt in die Augen sah und er nickte, fixierte sie einen Punkt in der Ferne. „Also, ich habe gehört, dass es dort noch immer sehr gefährlich ist. Wenn du dort ankommst, pass bitte auf dich auf. Ich weiß, wir sehen uns heute zum ersten Mal, aber ich, äh …“

    „Ist in Ordnung“, entgegnete Henri mit einem Lächeln. „Ich werde schon auf mich aufpassen! Wir sollten aber wirklich nicht länger warten, was meint ihr?“

    Dabei deutete er auf die Gläser, die die drei schon einige Zeit in ihren Händen hielten. Sie stießen an und tranken langsam über die Strohhalme ihre Getränke. Anschließend erzählte Henri noch über sich und seinen Aufenthalt in Alola, da Kiana äußerst interessiert über den Umstand schien, dass er nach Kalos wollte. Keoni, der in der Zwischenzeit nichts zu sagen hatte, kümmerte sich währenddessen darum, dass das Café bis zu den Abendstunden wieder bereit für Gäste war.

    Als die beiden ausgetrunken hatten, gab Henri das Glas zurück und verneigte sich vor den anderen.

    „Danke für die Gastfreundschaft! Und der Cocktail war wirklich gut gemischt! Keoni hätte ihn selbst nicht besser hinbekommen.“

    „So weit würde ich nicht gehen“, lachte der Inhaber und wandte sich an Kiana. „Ich würde empfehlen, beim nächsten Mal einen Schuss mehr Sananasaft zu nehmen. Dann wird das Getränk insgesamt etwas süffiger. Aber du machst dich. Nur weiter so!“

    „Danke!“, rief die junge Frau aufgeregt und mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht. Henri erkannte, dass ihr das Lob sehr dabei half, besser zu werden.

    Schließlich verabschiedete er sich und trat nach draußen. Es war bereits später Nachmittag, als er sich zu seinen Freunden aufmachte. Mit wehmütigem Gefühl ging Henri die Straße entlang und erinnerte sich daran, wie er zum ersten Mal am Strand auf Team Skull gestoßen war. Wie sie ihn zuerst zurechtweisen wollten und ihm am Ende sogar beim Malen geholfen hatten. Womöglich waren nicht alle Mitglieder gegenüber den Menschen in Alola so eingestellt. Nach diesem langen Jahr verstand er nun aber besser, dass sie nicht ohne Grund zueinander gefunden hatten. Sie alle gaben sich den Halt, den sie von anderen vermisst hatten und das war innerhalb dieser großen Gesellschaft viel wert.

    Das Smartphone in Henris Tasche vibrierte plötzlich. Er nahm es heraus und sah, dass ihm Vivienne eine Nachricht geschickt hatte. Nachdem er den Messenger aufgerufen hatte, sah er ein Selfie von ihr vor einer riesigen Menge an Marktständen. Selbst nachdem er das Foto größer gezoomt hatte, konnte er noch immer nicht alles in sich aufnehmen, was dort angeboten wurde.

    „Graphitport City ist riesig! Wollen wir wetten, dass ich etwas Tolles für dich finde? Ich hoffe, dass du morgen eine gute Reise haben wirst!“

    Ihre Nachricht ließ offenbaren, dass Vivienne wohl drauf und dran war, viel Geld auszugeben. Henri schüttelte nur den Kopf und schrieb schnell eine Antwort zurück.

    „Übertreib nicht! Viel Spaß und lass uns bald wieder reden!“

    Ihre Reise in Hoenn schien bestens zu verlaufen. Nachdem sie so lange an einem Ort festsaß, war die ferne Region für sie offenbar das beste Mittel, um wieder auf andere Gedanken zu kommen. Bald schon würde er sich selbst in den Unruheherd in Kalos begeben. Auch wenn Henri entschlossen war, fragte er sich regelmäßig, wie es werden würde. Jedenfalls hoffte er, dass sich ihm keine allzu schrecklichen Bilder boten.

    Er steckte das Smartphone wieder ein und ging weiter zum üblichen Versteck. Aus irgendeinem Grund hatte sich der Begriff bei ihm eingenistet, obwohl es sich lediglich um eine Wohnung der drei ansässigen Mitglieder handelte. Dennoch machte es so nach außen hin einen wesentlich geheimeren Eindruck.

    Bevor er dort jedoch angekommen war, kamen ihm bereits Malio und Katie entgegen. Anders als sonst üblich, hatten sie kein Outfit von Team Skull angezogen, sondern liefen in Alltagsklamotten umher. Selbst für Henri war das ein ungewöhnlicher Anblick. Sie grüßten ihn direkt, als sie den jungen Mann sahen.

    „Yo“, gab Malio kurz angebunden zum Besten, während Katie lediglich die Hand hob.

    „Was treibt euch in dem Aufzug umher?“, fragte Henri und seine beiden Freunde sahen sich kurz an, bevor sie zu lachen begannen.

    „Angefangen hat es damit, dass Malio jetzt bald noch einen wichtigen Termin vor sich hat“, sagte Katie und deutete auf ihren Kumpel.

    „Nich’, dass ich das an die große Glocke hängen will, aber ich treffe mich am Abend mit Hala.“ Malio schnaufte durch, bevor er fortfuhr. „Ich habe mich ehrenamtlich verpflichtet, ihm zu helfen, wenn er mir Trainingsstunden gibt. Heute möchte ich ihm zeigen, was ich gelernt habe. Wenn ich erfolgreich bin, beschreite ich vielleicht wieder die Inselwanderschaft.“

    „Das … ist doch großartig!“, antwortete Henri verblüfft. Er hatte zwar mit vielem gerechnet, warum die beiden in zivil hier herumlaufen würden, allerdings nicht damit. Dass Malio seinen ursprünglich begonnenen Pfad beenden wollte, war eine Entwicklung, die vermutlich niemand hätte vorhersehen können.

    „Nich’ wahr?“ Sein Gegenüber lächelte verschmitzt und deutete schließlich auf Henri. „Wärst du nich’ gewesen, hätt’ ich nich’ im Traum dran gedacht. Katie hatte wirklich recht, dass du auf uns alle einen Einfluss hattest. Xan is’ auch schon seit dem Morgen unterwegs und bisher nicht zurückgekommen. Meinte aber auch, ihm stehen emotionale Abschiede so gar nich’.“

    „Unerhört, diese Kinder von heute!“, maulte Katie scherzhaft und schüttelte den Kopf. „Machen immer das, was man nicht von ihnen erwartet!“

    Anschließend lachten alle drei über die Aussage. Im gleichen Zug fühlte sich Henri seltsam berührt. Er hatte nie angenommen, dass seine Art auf andere solch einen Einfluss üben würde. Vermutlich war er wirklich nicht für Team Skull gedacht, wenn die drei ihre Einstellungen so stark verändert hatten.

    „Aber ohne Witz, es freut mich wirklich“, sagte er letztlich und wischte sich mit einem Finger über das geschlossene Augenlid. „Dass du dich der Herausforderungen der Region stellst, ist nicht selbstverständlich. Und du, Katie, dass du wieder zu zeichnen begonnen hast. Ich habe deine Fortschritte von letztens gesehen!“

    „Nicht der Rede wert“, meinte sie und hob abwehrend die Hand. „Komm, gehen wir lieber woanders hin. Ich habe eine kleine Überraschung für dich.“

    Malio drängte Henri vorwärts, der eigentlich gern wissen wollte, worum es sich handelte. Immerhin hatte er nicht mehr viel Zeit in Alola und wollte das gemeinsame Beisammensein lange genug ausnutzen. Wie er jedoch bald feststellen musste, war der Zielort der Strand, an dem sie sich zum ersten Mal getroffen waren. Nach wie vor waren einige Menschen in der Nähe des Meeres unterwegs. Die drei suchten sich jedoch eine abgelegene Stelle, an der sie gemeinsam verweilen konnten.

    „Also dann.“

    Katie entnahm ihrer Tasche einen Pokéball, den sie Henri entgegenstreckte.

    „Du erinnerst dich hoffentlich noch an Sproxi, das du damals gerettet hast? Ich habe erfahren, dass es sich bei seinem aktuellen Trainer wohl nicht ganz so wohl fühlt, wie es das gern hätte. Daher habe ich alles Nötige in Bewegung gesetzt, damit dieses Pokémon da hinkommt, wo es in meinen Augen hingehört.“ Sie setzte für eine kurze Kunstpause ab. „Zu dir natürlich, Henri.“

    Anschließend ließ sie das Pokémon auf dem sandigen Untergrund frei. Anders als damals war Sproxi quicklebendig und krabbelte aufgeregt auf dem Boden umher. Besonders bei Henris Anblick blieb das Pokémon jedoch stehen und sah aufgeregt zu ihm empor. Zumindest machte es so den Eindruck. Er hingegen zweifelte daran, ob es die richtige Entscheidung war.

    „Aber … ist das wirklich in Ordnung?“

    „Sag mir jetzt nicht, du willst es nicht bei dir aufnehmen!“, zischte Katie, womit Fleur von ihrem ruhigen Plätzchen hochschreckte. „Hast du mir zugehört? Es ist ein Geschenk! Alle waren damit einverstanden und haben sich bereiterklärt, das Pokémon von Akala rüberzuschiffen. Außerdem …“

    Sie wirkte mit einem Mal wehmütig und sah zu Boden. Henri hatte sich unterdessen hingekniet, um Sproxi näher zu begutachten. Als hätte das Pokémon nur darauf gewartet, hatte es sich mit den Vorderbeinen auf ein Knie gestellt, um seinem Gesicht näher zu kommen. Vorsichtig strich Henri Sproxi über den Kopf, was es mit einigen quiekenden Lauten zufrieden annahm.

    „Weißt du, du unterschätzt dich extrem“, begann Katie erneut und hielt eine geballte Hand vor ihre Brust. „Du hast so viel getan, was dir wahrscheinlich nie bewusst ist. Ich habe dir schon bei der Zeichnung damals gesagt, dass du eine Erinnerung von uns behalten sollst. Wenn du Sproxi um dich herum hast, würde ich mir wünschen, dass du immer an uns denkst.“

    Henri benötigte einige Zeit, die Worte selbst zu verarbeiten. Er konnte jedoch hören, wie Katie zu schniefen begann und seine Augen weiteten sich. Zum ersten Mal, seit er sie damals getroffen hatte, sah er sie zum ersten Mal in diesem Zustand. Malio, der bisher nur teilnahmslos daneben gestanden und zugehört hatte, kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

    „Besser hätt ich’s nich’ sagen können. Ich hoffe auch, dass du hin und wieder an uns denkst und schreibst, was so geht. Kann ja leicht passieren, dass du dich einsam fühlst.“

    Obwohl er sich manchmal etwas ungelenk ausdrückte, konnte Henri verstehen, was er sagen wollte. Insgeheim würde er sich wünschen, dass sie noch länger an diesem Ort und in dieser Stadt verweilen konnten. Für sich selbst hatte er aber bereits lange beschlossen, dass es endlich weitergehen sollte.

    Henri setzte Sproxi zur Seite, was es bereitwillig tat. Anschließend stand er wieder auf und fiel sowohl Katie als auch Malio in die Arme. Wenn er gekonnt hätte, hätte er die beiden vermutlich nie wieder losgelassen. Insbesondere, als Katie schließlich zu weinen begonnen hatte, konnte er wirklich nicht anders, als sich einen ewig währenden Moment zu wünschen. Sie standen jedenfalls lange so da, ihren Emotionen freien Lauf lassend und nachdenkend. Es war am Ende Malio, der zuerst das unterdrückte Schniefen brach.

    „Leute, mir is’ das etwas unangenehm hier. Sorry, das is’ sonst nich’ meine Art.“

    Die drei traten danach einen Schritt auseinander. Katie, die sich mit der Hand das Gesicht abwischte, reichte Henri den Pokéball, den sie bisher festgehalten hatte.

    „Nimm ihn bitte. Sproxi gehört jetzt zu dir.“

    „Ven“, sagte der junge Mann lediglich, als er den Ball annahm. Da seine Freunde irritiert aussahen, was er meinen könnte, wiederholte er noch einmal das Gesagte. „Ven! Das soll sein Name sein.“

    Anschließend bückte sich Henri hinunter und nahm Sproxi hoch. Er achtete darauf, dass er nicht mit den scharfen Zähnen in Berührung kam, die vermutlich das Gift in seinem Körper ausstießen. Fragend betrachtete er das Pokémon.

    „Wenn du damit einverstanden bist, nenne ich dich Ven, ja?“

    Sproxi wehrte sich nicht und gab im ersten Moment keinen Laut von sich. Es dauerte jedoch nicht lange, bis er quiekende Rufe ausstieß. Dem Tonfall nach zu urteilen schien er einverstanden zu sein. Henri lächelte.

    „Dann willkommen im Team, Ven! Das hier ist Fleur. Ich hoffe, dass ihr euch gut verstehen werdet.“

    Er setzte seinen neuen Partner wieder auf den Boden, wo er sich interessiert nach Fleur umsah. Sie kam sofort auf ihn zu und umrundete ihn mehrere Male, bevor sie einige freudige Laute von sich gab. In Henris Augen war sie genauso zuvorkommend wie immer, wenngleich Ven etwas überfordert wirkte. Das würde sich aber sicherlich noch ändern, je länger er Zeit mit ihnen verbrachte.

    „Ich habe eine Idee“, äußerte der junge Mann schließlich und seine Freunde waren ganz Ohr. „Wie wäre es, wenn wir alle Malio zusehen und ihn anfeuern würden? Wenn wir alle anwesend sind, kann er mit Sicherheit nicht verlieren.“

    „Haben wir noch etwas Zeit?“, fragte Katie und ihr Kumpel nickte still. Sie verstand und wühlte erneut in ihrer Tasche. „Gut. Ich hätte nämlich auch vorgeschlagen, dass du uns beide zu Hala begleitest. Vorher wollten wir aber noch etwas anderes mit dir machen.“

    Sie entnahm drei kleine Sprühdosen mit Farbe, wobei sie Malio eine reichte und auch Henri eine übergab. Die letzte behielt sie selbst.

    „Lass mich raten“, begann Henri und sah zu der bereits bemalten Mauer in einer Entfernung. Katie verzog einen Mundwinkel und nickte.

    „Genau das. Wir machen zum Abschluss noch ein Kunstwerk.“

    „Jeder eine Farbe. Was es wird, wissen wir nich’. Aber wir haben uns schon immer perfekt ergänzt, nich’ wahr?“

    Henri verstand einwandfrei, was die beiden nun vorhatten. Vermutlich war nun auch der Zeitpunkt gekommen, an dem er zeigen konnte, was er bei Katie gelernt hatte. Auch Malio hatte sich in der Vergangenheit gerne an Graffitis beteiligt und so war es nun ein wildes Experiment, dass sie sich gleichzeitig an einem Werk versuchten. Farben überdeckten sich dabei immer wieder und boten Möglichkeiten für ganz neue Figuren zum Bemalen.

    Letztendlich ergab sich ein Bild, womit alle zufrieden waren. Die Interpretationen aller drei waren sehr unterschiedlich. Henri nahm es als gruppeninternes Logo wahr, Katies Ansicht nach stand das Bild einfach nur für Anarchie und Malio wollte darin tatsächlich ihre charakterlichen Eigenschaften erkennen.

    „Bald gehst du noch unter die Kunstkritiker!“, lachte Katie und die anderen beiden stimmten mit ein. Zum Schluss posierten die drei noch für ein Foto, wobei Malio das Selfie aufnahm. Innerhalb der Gruppe war er damit am geschicktesten und er sendete es anschließend an die anderen als Erinnerung weiter.

    „Das war perfekt zum Stressabbau“, kommentierte Malio die Aktion und fühlte sich nun deutlich befreiter, seinen Kampf abzuschließen. „Und wenn es wirklich mal hart auf hart kommt, treffen wir uns wieder hier, klar?“

    „Zumindest würden wir uns freuen, wenn du aus Kalos schreibst, Henri“, ergänzte Katie, nun wieder wesentlich gefasster als zuvor. „Hauptsache, du redest mit anderen, bevor dich dein Frust auffrisst.“

    „Ich werde zusehen, was sich machen lässt.“ Der junge Mann ballte die Faust und gab sich dabei selbst das Versprechen, auf das Angebot jederzeit zurückzukommen, wenn er es als nötig ansah. „Jetzt sollten wir aber langsam wirklich zu Hala aufbrechen. Was meint ihr?“

    „Yo, mich kann niemand mehr aufhalten, hört ihr?“, rief Malio in Richtung des Meeres. „Team Skull ist da, um Knochen knacken zu lassen!“

    „Perfekte Kampfansage! Vielleicht kannst du den Inselkönig damit ja auch etwas einschüchtern?“, stichelte Katie. Henri rief die Pokémon in ihre Bälle zurück und sie trieb die Jungs an, sich wieder auf die Straße zu begeben. Sie warteten dort an der Haltestelle auf den nächsten Bus, der in Richtung Lili’i fuhr, und stiegen sich weiterhin gegenseitig neckend ein.

  • Part 30


    Die Nachtstunden waren bereits über Illumina City hereingebrochen, als Henri aus dem Fenster seiner Wohnung sah. Die Leuchtreklamen spendeten ausreichend Licht, sodass die draußen umherlaufenden Menschen ihren abendlichen Erledigungen nachgehen konnten. Obwohl es wie aus Eimern regnete, schienen sich nur die wenigsten daran zu stören. Einige Menschen liefen in ihrer Eile durch die entstandenen Pfützen, um schnell zum nächsten Laden zu gelangen oder einen Unterschlupf zu bekommen.

    Die Situation machte auf Henri einen merkwürdigen Eindruck. Nach seiner Rückreise aus Alola hatte er trotz der langen Abwesenheit nicht das Gefühl, als hätte sich allzu viel verändert. Er war nun bereits seit einigen Wochen in Illumina City ansässig und das geschäftige Leben der Hauptstadt lief nahezu unverändert weiter. Sicherlich konnten auf den Straßen mehr Geflüchtete als zuvor gesehen werden, allerdings deutete das keineswegs auf den Umstand hin, dass Kalos am Rande des Untergangs stand. Darauf machten allerdings die Medien jeden Tag aufmerksam, dass nicht alles so rosig war, wie es die größte Stadt der Region vermitteln wollte. Aus nahezu allen Richtungen konnte Henri die verschiedensten Meldungen vernehmen. Der Südwesten mit Relievera City und Petrophia schien menschenleer zu sein, der Nordwesten hatte mit den Zombie-Pokémon bei den Gräbern nahe Cromlexias schwer zu kämpfen, Romantia City wurde vollends von der Natur verschlungen und in den meisten anderen Gebieten machten zahlreiche Gesetzlose von sich reden. Im Grunde genommen war es genauso, wie seine Schwester Vivienne es ihm einst beschrieben hatte. Nur konnte Henri die Sache nun aus dem Blickwinkel der Hauptstadt sehen und nicht von außerhalb. Die verpackte die Umstände in Kalos gerne in wohlwollenden Worten, um die Bevölkerung einzulullen. Manche würden auch sagen, dass sie für dumm verkauft werden.

    Einzig von den Veränderungen verschont geblieben war offenbar Vanitéa. Aus welchem Grund die Stadt den Segen Illumina Citys genoss, war allerdings Anlass für diverse Gerüchte. Offenbar hatten die reichsten Menschen in der Region dafür gesorgt, in dem kleinen Ort sicher leben zu können. Andere behaupteten hingegen, dass Vanitéa als strategischer Vorort besonders erhalten wurde, um sich zukünftige Vorteile offen zu halten. Welche das waren, wurde jedoch nie genauer erläutert.

    Betrachtete Henri hingegen seinen Heimatort Aquarellia, so hatte sich dort ebenfalls viel verändert. Gemeinsam mit Escissia und Batika hatten sich die Städte bereits vor vielen Monaten zusammengeschlossen, da ihnen Hilfe aus Illumina City für lange Zeit verwehrt wurde. In der Zwischenzeit hatten sie tatsächlich die Unabhängigkeit von Kalos erklärt. Allem Anschein nach war die Versorgung der Menschen in diesen Regionen bereits so gut, dass sie keinen Anlass mehr sahen, sich zur Gesamtheit der Region zu zählen. In gewisser Hinsicht konnte Henri nachvollziehen, warum es so weit kam. Andererseits war es auch ein Schlag ins Gesicht, dass das vormals so geeint wirkende Kalos plötzlich in mehrfacher Hinsicht zersplittert war. Insgeheim fragte er sich, ob selbst nach potenzieller Bewältigung der Katastrophe eine Besserung in Sicht sein würde oder ob die Städte danach noch immer ihren eigenen Wegen nachgingen.

    Der Regen trommelte unablässig gegen das Fenster. Die Wohnung selbst war, wie Henri bereits am ersten Tag feststellen musste, alles andere als schäbig. In seinen Augen war sie zwar nicht mit jener in Hauholi City zu vergleichen, aber angesichts des Preises doch sehr ordentlich eingerichtet. Sämtliche Möbel machten einen modernen Eindruck und auch an der Technik wurde nicht gespart. Insgesamt hatte er sich wesentlich weniger erwartet, wenngleich die Einrichtung natürlich schlicht war. So oder so nutzte er die meiste Freizeit an seinem Laptop, um zu recherchieren. Stellenangebote in Illumina City waren ebenso angesagt wie die aktuellsten Nachrichten und Erkenntnisse über die Zombie-Pokémon. Je mehr Henri in Erfahrung brachte, desto besser konnte er sich womöglich auf schlechtere Zeiten vorbereiten.

    Aktuell war er tagsüber als Springer in den Pokémon-Centern angestellt. Die Einrichtungen verteilten sich über mehrere Teile Illumina Citys und waren in aller Regel gefüllt mit Pokémon, die zu Behandlungen eingeliefert wurden. Das zuständige Personal hatte regelmäßig damit zu kämpfen, sich um alle Pokémon zu kümmern und daher wurde Henri dort eingesetzt, wo jemand benötigt wurde. So gesehen konnte er seine bereits gewohnte Stelle aus Alola weiterführen. Dennoch war der Job nicht einfach zu handhaben. Den Standort je nach Fall immer wieder zu wechseln schlauchte auf Dauer und so erwischte er sich, dass er nach seiner Schicht häufig kraftlos und ausgelaugt war. Es war ein ganz anderes Gefühl als in Alola, wo die Stimmung unter den Angestellten wesentlich leichter war und sich alle offener begegneten. Dagegen fühlte sich der Umgang in Kalos sehr strikt und unpersönlich an. Möglicherweise lag das aber auch an den aktuellen Gegebenheiten, sodass sich die Menschen einfach nicht die Zeit dafür nahmen. Die Zahl verletzter Pokémon schien laut Aussagen des Personals im Vergleich zu früher deutlich zugenommen zu haben. Angesichts dessen, wie viele Personen ihre Pokémon leichtsinnigerweise gegen Zombie-Pokémon in den Kampf schickten, war das kein Wunder. Allerdings nahmen auch Routinebehandlungen für alltägliche Beschwerden immer mehr zu.

    Henri schüttelte den Kopf und schloss die Vorhänge des Fensters. Anschließend setzte er sich an den Schreibtisch und begutachtete seine Unterlagen. An der Steckdose lud sein Smartphone, jedoch bemerkte er, dass er eine Nachricht erhalten hatte. Mit leichtem Druck nahm Henri das Gerät in die Hand und entsperrte schnell den Bildschirm. Ein Blick in den Messenger zeigte ihm zwei Fotos, die von seiner Schwester geschickt wurden. Eines schien in einer großen Halle aufgenommen worden zu sein, während das andere ein Selfie von Vivienne und Chérie zeigte. Sie deutete dabei mit zwinkernder Miene und der freien Hand auf ein orange-rotes Band, das ihrem Pokémon an dem buschigen Halsfell angebracht wurde.

    „Unser erstes Wettbewerbsband! Chérie hat alle anderen ganz leicht in die Tasche gesteckt und die Jury überzeugt. Was meinst du? Steht es ihr?“

    Der überraschte Ausdruck ihrer Partnerin amüsierte Henri vermutlich mehr, als es vermutlich sollte. Hoenn war neben Sinnoh die Hochburg der Pokémon-Wettbewerbe, bei denen vor allem schön ausgeführte Attacken im Vordergrund standen. Diese Veranstaltungen hatten Kalos dazu inspiriert, ein ähnliches Konzept mit den Showcases einzuführen. Dort wurden vor allem kreative Performances zwischen Trainer und Pokémon hervorgehoben. Ob Chérie bereits realisiert hatte, was sie bei diesem Wettbewerb alles geleistet hatte?

    „Sehr gut!“, schrieb Henri zurück. „Wenn ihr so weitermacht, habt ihr bald die Meisterklasse erreicht!“

    Er wollte den Messenger bereits schließen, als ihm eine andere Nachricht wieder in den Sinn kam. Das Chatfenster mit Katie wurde geöffnet und dort wartete ihre letzte Frage noch immer auf eine Antwort.

    „Geht es ihm schon besser?“

    Darüber war ein von Henri gemachtes Foto. Auf diesem war ein großes Körbchen mit einem schlafenden Eguana darin zu sehen. Es hatte sich eingerollt und zu einem Großteil war es von einer weichen Decke eingehüllt.

    Unweigerlich drehte er sich um und blickte in eine Ecke des großen Wohnraumes. Genau dort befand sich das Körbchen mit Eguana. Das Pokémon schien wach zu sein, gab allerdings noch ein paar wehmütige Laute von sich.

    „Es wird noch einige Tage dauern“, schrieb Henri zurück. „Das Fieber scheint Eguana wirklich schwer erwischt zu haben. Mittlerweile kann es aber zumindest etwas Essen zu sich nehmen. Eine Besserung ist in Sicht.“

    Als er die Nachricht abgeschickt hatte, sperrte er das Display und stand nachdenklich vom Stuhl auf. Anschließend begab er sich zu Eguana und kniete sich neben das Körbchen hin, wo sich Näpfe für klein geschnittene Beeren und Wasser befanden. Es hatte bereits vor zwei Tagen so stark geregnet, als er das Pokémon gefunden hatte. Henri war zu diesem Zeitpunkt auf dem Nachhauseweg vom nördlich gelegenen Pokémon-Center gewesen, als er Eguana kränkelnd in einer Seitengasse entdeckt hatte. Er vermutete, dass es aus der Wüste hierher in die Stadt geflüchtet war. Warum es allein unterwegs war, konnte er allerdings beim besten Willen nicht sagen. Die Vermutung lag nahe, dass Eguana von seinen Artgenossen getrennt wurde und sich ab da allein durchschlagen musste. Der daraus resultierende Stress könnte maßgeblich dazu beigetragen haben, dass Henri das Pokémon in diesem Zustand vorgefunden hatte.

    Nachdem er sich einen Gummihandschuh angezogen hatte, befühlte er einige wichtige Stellen an Eguanas Körper. Sein Atem ging unregelmäßig, wenngleich sich sein Zustand schon wesentlich gebessert hatte. Bis das Pokémon aber wieder vollständig auf den Beinen war, würde noch etwas Zeit vergehen müssen.

    Henri führte die Hand unter Eguanas Kopf und hob diesen sachte an. Seine müden blauen Augen öffneten sich und einige erschöpfte Laute entkamen der trockenen Kehle. Dennoch richtete sich Eguana auf und stützte sich mit beiden Vorderbeinen ab, um Henri zu begutachten.

    „Na“, sagte er sanft und hob die Lampe neben dem Körbchen auf. „Bist du noch einmal bereit für ein bisschen Licht?“

    Als der junge Mann mit dem länglichen Objekt wedelte, erkannte Eguana sofort, worum es sich handelte. Ein angestrengtes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht und bereitwillig stand es von seinem Ruheplätzchen auf. Anschließend faltete es die fächerartigen Hautlappen zu beiden Seiten seines Kopfes auf und schloss die Augen. Für Henri war das nun der Zeitpunkt, die Lampe einzuschalten und Eguanas Gesicht zu bestrahlen.

    Es handelte sich dabei um eine UV-Lampe, die zu gewissen Teilen die Strahlung des Sonnenlichtes imitieren konnte. Eguana waren durch ihr Zuhause in trockenen Regionen häufig darauf angewiesen, auf alternative Art und Weise Energie zu gewinnen. Geschah das nicht durch die Zunahme von Essen oder Wasser, waren sie zusätzlich dazu imstande, Sonnenlicht sowohl in elektrische als auch in Körperenergie umzuwandeln. Dieses Prinzip machte sich Henri hier zunutze, indem er dem Pokémon durch kurzweilige Bestrahlung dazu verhalf, seine Kräfte zu regenerieren. Während es kränklich in seiner Wohnung lag, wollte er nicht riskieren, es in die Sonne nach draußen mitzunehmen. Er hoffte, dass die Behandlung vorübergehend reichen würde, bis es Eguana wieder besser ging.

    Während Henri dem Pokémon zusah, wie es ruhig dastand und das Licht aufnahm, fiel ihm erneut sein vorläufiger Spitzname ein. Er hatte darüber nachgedacht, Eguana längere Zeit bei sich zu behalten und es Riki zu nennen. Wenn seine Artgenossen tatsächlich weitergezogen waren, würde wohl niemand mehr auf dieses Exemplar hier warten. Daher stand die Überlegung im Raum, das Pokémoni in sein Team, bestehend aus Fleur und Ven, aufzunehmen. Zwar hatte Henri keinerlei Ambitionen, ausgebildeter Trainer zu werden. In dieser Zeit empfand er es dem Pokémon gegenüber aber als wichtig, ihm die Möglichkeit einer Familie zu geben. Sofern Eguana das natürlich selbst wollte.

    Nach einigen Minuten beendete der junge Mann die Bestrahlung und schaltete die Lampe aus. Eguana klappte die Hautlappen wieder langsam zusammen und stieß einen freudigen Ruf aus. Anschließend ließ sich das Pokémon jedoch sofort wieder in das Körbchen nieder und rollte sich ein. Henri zog die Decke bis unter den Kopf hoch, sodass Eguana die aufgebaute Temperatur in seinem Körper behielt. Er selbst zog anschließend den Gummihandschuh wieder aus. Diese Pokémon-Art war dafür bekannt, besonders schreckhaft zu sein und dadurch Elektrizität abzugeben. Auch wenn Eguana bisher ruhig geblieben war, so wollte Henri nicht riskieren, in naher Zukunft einen Stromschlag abzubekommen.

    Er seufzte laut auf. Die Elektrizitätsgewinnung schien dem Kleinen gut zu tun. Obwohl er die Möglichkeit gehabt hätte, das Pokémon einem Center zu übergeben, wollte er ihnen nicht noch mehr Arbeit aufhalsen, als sie ohnehin schon hatten. Sofern ihm die Mittel gegeben wurden, konnte Henri in begrenztem Maße auch privat Pokémon versorgen. Dennoch machte er sich Sorgen, wie lange dieser Zustand in der Region wohl noch anhalten würde.

    Nachdem er aufgestanden war, betrachtete er Fleur, die sich auf seinem Bett eingerollt hatte, und Ven, der ein eigenes Körbchen davor hatte. Bis der erste Neuzugang und Henri nach der spontanen Aufnahme in Alola vollständig zueinander gefunden hatten, waren einige Tage vergangen. Besonders war er froh, dass eine Eigenart Sproxis, nämlich die Nestmarkierung, in der Wohnung kein Problem mehr darstellte. Parn schien dahingehend bereits viel Zeit investiert zu haben, Ven diese Angewohnheit abzutrainieren. Dennoch genossen die beiden ihre gegenseitige Anwesenheit. Von außen machte es womöglich den Eindruck, dass sie bereits sehr lange miteinander befreundet waren, obwohl dem nicht so war.

    Nach eingehender Betrachtung der Pokémon sah Henri, dass er sie vorerst nicht wecken wollte. Daher schnappte er sich Jacke und Schuhe, um sich auf den Weg nach draußen zu machen. Während des Anziehens fiel ihm erneut das Skull-Outfit im Schrank auf. Katie und Malio hatten darauf bestanden, dass er es behielt und ihren Teamgeist nach Kalos brachte. Auch wenn die Menschen um ihn herum vermutlich noch nie von Team Skull gehört hatten, so wollte Henri zumindest versuchen, seine Erlebnisse in die Tat umzusetzen. In jedem Fall band er sich zusätzlich das Mundtuch um, das dem Team eindeutig zugeordnet werden konnte. Ohne fühlte er sich schon seit langer Zeit nicht mehr wohl und daher stand es für ihn außer Frage, es nicht zu tragen. Selbiges galt für die Vivillon-Clips mit Schneefeldmuster, die ihm Vivienne geschenkt hatte. Es war für Henri so, als wären alle seine Liebsten an einem Ort mit ihm vereint.

    Plötzlich vibrierte das Smartphone auf dem Tisch. Noch während sich der junge Mann fertigmachte, ließ er sich bereits durch den Kopf gehen, wer geantwortet haben könnte. Mit der festen Überzeugung, dass es Vivienne sein musste, entsperrte er das Smartphone und sah, dass es die Familiengruppe war. Auch dort hatte seine Schwester bereits das Foto mit Chérie und dem Wettbewerbsband geteilt.

    „Tolle Leistung!!!“, hatte sein Vater als Nachricht hinzugefügt.

    „Sie ist eben die Beste“, ergänzte Henri mit einem dazu passenden Emoji. Normalerweise hängte er die Icons nur sehr spärlich an. Anschließend steckte er das Smartphone ein, löschte das Licht und verließ die Wohnung.

    Bevor er in den strömenden Regen trat, zog sich der junge Mann die Kapuze über. In den Straßen Illumina Citys suchte er schließlich eine Ablenkung von seinem Alltag. Wo Henri in Hauholi City immer mehrere Orte hatte, um in sich gehen zu können, war ihm das in Kalos bisher noch verwehrt geblieben. Überall waren sorgenvolle Menschen mit den unterschiedlichsten Emotionen unterwegs. Wohin es sie zog, interessierte ihn mittlerweile tatsächlich wenig bis gar nicht mehr. Alle schienen nur für sich zu leben und nicht auf das gemeinsame Wohl zu achten. Es war ein solch enormer Gegensatz zu Alola, dass sich Henri bereits mehrmals die Frage gestellt hatte, ob er mit seiner Reise die richtige Entscheidung getroffen hatte.

    Sein Weg führte zum Place Jaune. Obwohl sich hier tagsüber viele Menschen zum Essen trafen, kamen abends und nachts nahezu kaum andere Personen vorbei. Wie mechanisch visierte er ein Lokal an, dessen Schild nahezu kaum lesbar war. „Le Chant Antique“ war mit etwas Fantasie in der Dunkelheit zu lesen. Der Name war auf etwas unkonventionelle Art Programm, aber dennoch war das Ambiente in Henris Augen sehr angenehm, um einfach für eine kurze Zeit abschalten zu können.

    Er betrat das Gebäude und sah, dass sich in einer Ecke mehrere Menschen rund um einen Tisch stehend versammelt hatten. Der junge Mann beachtete sie nicht weiter und setzte sich stattdessen direkt an die Bar, nachdem er sich seiner Jacke entledigt hatte. Der Angestellte hinter dem Tresen war gerade dabei, einige Gläser zu reinigen, bis er sich Henri zuwandte.

    „Das Übliche?“, fragte dieser mit freundlichem Ton. Sein Gegenüber nickte lediglich und breitete die Arme anschließend auf der Bar aus. Während er auf das Getränk wartete, konnte er den anderen Menschen lauschen, die sich aufgeregt über eine Sache unterhielten. Hin und wieder konnte Henri Begriffe wie Pokémon, Heilung und Rettung aufschnappen. Was es damit auf sich hatte, konnte er sich in der Eile beim besten Willen nicht zusammenreimen. Allzu viel Zeit hatte er dazu allerdings auch nicht, da ihm bereits das gewünschte Getränk vorgesetzt wurde.

    „Bitte sehr, ein Piña Colada“, sagte der Angestellte und verneigte sich höflich.

    „Zu freundlich“, entgegnete Henri und bezahlte sofort. Anschließend nippte er an dem Cocktail, wobei er die Lippen beim ersten Schluck aufeinanderpresste. Das saure Aroma der Sananabeeren verschaffte dem Getränk einen unverwechselbaren Geschmack. Mit Keonis Variante konnte dieser hier allerdings um Welten nicht mithalten. Vielleicht erwartete Henri auch einfach zu viel.

    Aus den Lautsprechern waren sanfte Töne zu vernehmen. Im Vergleich zu anderen Bars bestand der Inhaber hier darauf, vor allem klassische Musik anzubieten. Obwohl der Aufenthalt für so manche Personen häufig im Suff endete, so war es ihm ein Anliegen, eine gewisse kompetente Linie zu halten. Unter den abgespielten Liedern befand sich tatsächlich auch jenes Stück, das der Einrichtung ihren Namen gab. Der Urgesang war vor allem aus Einall bekannt und mit einem Pokémon verbunden, das Meloetta hieß. Die zugehörige kurze Melodie beinhaltete wohl zauberhafte Kräfte und wurde, wie jetzt, jeweils zur vollen Stunde mit einem Solo eines anderen Instruments angestimmt.

    Henri kannte dieses Lied bereits auswendig. Dennoch störte es ihn nicht, es immer wieder zu hören. Ganz im Gegenteil konnte er sich bei jedem Erklingen darauf freuen, seine Gedanken baumeln zu lassen. Die Welt um ihn herum stand still und er konnte sich ganz der Musik hingeben. In seltenen Fällen summte er mit geschlossenen Augen mit.

    Als die Gitarrenmelodie endete und das nächste Stück angestimmt wurde, setzte sich eine Frau zu ihm an die Theke. Da bisher niemand durch die Vordertür eingetreten war, musste sie wohl zu der Menschentraube in der Ecke des Raumes gehören.

    „Du siehst aus, als würdest du den Sinn im Leben suchen“, begann sie reden. Ihrem Atem nach zu urteilen, hatte sie bereits einige stärkere Getränke zu sich genommen. Die Art und Weise, wie sie geredet hatte, ließ wenig Gutes hoffen. Dennoch beschloss Henri, auf ihren Gesprächsversuch einzugehen.

    „Und wenn es so wäre?“

    Daraufhin wurde ihm eine Broschüre vorgelegt. Vorne drauf befand sich ein Logo, das aus einem Dreieck und drei merkwürdig geformten Flügeln bestand. Hätte er es nicht besser gewusst, würde es sich dabei wohl um die Schwingen Yveltals handeln. Nachdem er das Papier in die Hand genommen und zwischen den Fingern gedreht hatte, beugte sich die Frau zu ihm hinüber.

    „Schließ dich Ybernagium an. Wir suchen immer neue Leute und versuchen, Yveltal zu beruhigen. Dann wird die Region wieder normal.“

    Als er den seltsamen Begriff in sich aufgenommen hatte, schnaubte Henri. Offensichtlich hatte es mit einem der Pokémon zu tun, die sich in Kalos aufhielten und für Zerstörung aller Art sorgten. Er legte die Broschüre wieder auf den Tresen und widmete sich still seinem Cocktail. Die fremde Frau wirkte nicht wütend, dass er nichts dazu sagte.

    „Lass es dir meinetwegen durch den Kopf gehen. Ich bin hier häufiger und wenn du Fragen hast, kannst du sie gern stellen. So gut es geht, beantworte ich sie dir dann.“

    Sie schenkte Henri noch ein Lächeln, bevor sie aufstand und in den strömenden Regen hinaus trat. Mit argwöhnischen Augen betrachtete er die Broschüre mit dem seltsam geformten Buchstaben. Es war tatsächlich nicht das erste Mal, dass er von Fremden angesprochen wurde. Zwar nicht von Ybernagium, aber dafür von einer Gruppierung, die sich Xylem nannte. In den letzten Wochen hatte er bereits zweimal eine Anfrage mit ähnlicher Begründung von fremden Personen erhalten. Henri hatte es beim ersten Mal für einen Scherz gehalten, sich danach jedoch informiert, was Xylem tun würde. Es stand nichts anderes auf dem Spiel, als das außer Kontrolle geratene Legendäre Pokémon Xerneas unter Kontrolle zu bringen. Der Weg dazu führte wohl über Zygarde, das in Geschichten häufig als die oberste Ordnung und tatsächlich noch mächtiger als Xerneas oder Yveltal angesehen wurde. Angesichts dessen, dass Ybernagium wohl ähnliche Ziele verfolgte, löste sich die Anfrage vorerst in Schall und Rauch auf.

    Die Menschen um ihn herum fingen an, über die mysteriöse Frau und die angegebenen Ziele dieses Teams zu sprechen. Offenbar waren sie allesamt vorhin dabei gewesen, als die Fremde ihren Vortrag gehalten hatte. So oder so wurde Henri das entstehende Stimmengewirr zu viel. Er trank die Reste seines Cocktails aus, verabschiedete sich bei allen Anwesenden und ging mit angezogener Jacke schließlich wieder nach Hause. Der starke Schauer war mittlerweile einem Nieselregen gewichen.

    Eiligen Schrittes kehrte der junge Mann zu seiner Wohnung zurück. Angesichts der Uhrzeit konnte er annehmen, dass die meisten Menschen bereits schlafen gegangen waren. Als er in das dunkle Zimmer eintrat und das Licht aufdrehte, krabbelte Ven gerade zu seinem Schlafplatz zurück. Offenbar hatte er sich noch eine Kleinigkeit genehmigt, bevor er schlafen ging. An die unregelmäßigen Zeiten, zu denen Henri zurückkehrte, hatten sich er und Fleur bereits etwas gewöhnt. Letztere streckte ihre Arme und erhob sich von ihrem gemütlichen Platz auf dem Bett. Müde kam sie auf Henri zu und schmiegte sich an sein Gesicht.

    „Tut mir leid, dass es so spät geworden ist“, gab er ruhig zurück und lächelte dabei. „ich werde dann auch bald schlafen gehen.“

    Mit der Antwort schien sich Fleur vorerst zufrieden zu geben. Wie in den letzten beiden Nächten auch begab sie sich zum Schlafen zu Eguana. Curelei hatten oftmals eine natürliche Veranlagung, sich zu verletzten oder kränklichen Pokémon zu legen. Sie spürte wohl ebenfalls, dass die gesammelten Blüten bei der Heilung helfen würden. Als sie es sich bei dem Kleinen gemütlich gemacht hatte, konnte Henri einen freundlichen, wenngleich müden Laut von Eguana vernehmen. Im nächsten Moment machten beide bereits den Eindruck, als würden sie wieder schlafen.

    Der junge Mann zog sich Jacke sowie Schuhe aus und setzte sich dann zum Schreibtisch. Die von der Frau erhaltene Broschüre Ybernagiums legte er zu seinen Unterlagen, wobei ihm auch direkt der Flyer von Xylem ins Auge fiel. Henri stieß einen langgezogenen Seufzer aus. Er konnte sich nun entscheiden, ob er weiterhin ziellos seinem Alltag folgen oder einer dieser beiden Organisationen beitreten würde. So utopisch sich die Pläne auch anhörten, die Legendären Pokémon zu beruhigen, so war es vermutlich die einzige Möglichkeit, Kalos noch irgendwie zu retten. Er konnte sich allerdings beim besten Willen nicht vorstellen, wie sie das gemeinsam mit Zygarde bewerkstelligen würden. Ob er vielleicht seine Schwester um Rat fragen sollte?

    Henri saß noch einige Minuten lang still da und dachte über die Möglichkeiten nach. Schließlich legte er sich zu Bett. Eine Entscheidung könnte er morgen schließlich auch noch treffen.




    Damit findet die Geschichte rund um Henri zu ihrem Abschluss. Danke an alle, die über den gesamten November und darüber hinaus dabei waren! Insgesamt sind bei diesem Projekt 40.175 Wörter zustande gekommen. Es wurde jeden Tag geschrieben und meine persönliche Vorstellung, wie umfangreich die Geschichte wird, wurde deutlich überboten.


    Wenn ihr gern mehr über die Welt oder den Charakter wissen wollt, schaut doch gerne beim Kalos-RPG in Team Ybernagium vorbei. Ganz egal, ob ihr euch diesem Team oder Xylem oder anschließt, wir freuen uns auf eure Teilnahme!

  • Rusalka

    Hat den Titel des Themas von „Skull Dance [NaNo-Projekt]“ zu „Skull Dance [NaNo-Projekt, beendet]“ geändert.
  • Hallo Rusalka!


    Ich hab nun auch die zweite Hälfte deiner Geschichte gelesen und möchte dir gern noch einen Kommentar dazu schreiben. ^-^

    Es hat mich zunächst überrascht, dass Henri sich scheinbar so schnell in seinen neuen Alltag bei Team Skull eingelebt hat. Doch in den nächsten Kapiteln wird deutlich, dass diese Umgewöhnung wohl doch noch nicht ganz abgeschlossen ist. Vor allem durch den Anruf seiner Schwester wird Henri mit seiner Vergangenheit konfrontiert und dadurch zeigt sich, dass die Kluft zwischen seinem alten und neuen Leben nicht unerheblich ist. Allerdings ist es schön zu erfahren, dass nicht nur sein Arbeitgeber, sondern auch seine Freunde bei Team Skull hinter ihm stehen und ihn unterstützen. Vor allem Katie wirkt dadurch weiterhin sehr freundlich und mitfühlend auf mich. Generell möchte ich aber erwähnen, dass auch Malio und Xan als Charaktere gut ausgearbeitet sind und wenngleich sie durch ihre deutlichen Persönlichkeitseigenschaften manchmal ein wenig klischeehaft wirken, ist das für ihre Rolle in der Geschichte nicht störend.

    Ein größeres Problem stellt Henris Verschlossenheit gegenüber seiner Familie dar. Dass er aufgrund seiner Schwindeleien den Kontakt möglichst minimiert und zunehmend von Schuldgefühlen geplagt wird, ist dabei völlig nachvollziehbar. Ich wüsste tatsächlich selbst nicht genau, was ich ihm in einer solchen Situation raten würde - einerseits kann so eine Lüge natürlich nicht lange halten und irgendwann wird die Wahrheit wohl aufgedeckt werden, allerdings verstehe ich auch, dass er seiner Familie nicht noch mehr Sorgen bereiten möchte.

    Bei dem Treffen von Team Skull fand ich es erst ein wenig schade, dass man die anderen Mitglieder nicht kennenlernt, bis ich gemerkt habe, dass hier der Fokus weniger auf dem Team liegt, sondern eher auf dem kranken Pokémon. Dann war ich ganz gespannt auf Henris Reaktion dazu. Es hat mich überrascht, dass Fleur das Sproxi mit Synthese heilen konnte - da hätte ich eher Florakur erwartet. Dass Henri das Sproxi anschließend noch selbst Impfen muss, ist zwar ein großer Zufall, aber wohl auch ein wichtiger Schritt in der Entwicklung der Geschichte. Übrigens hat es mich gefreut, dass Katie ihn auch dabei weiter unterstützt, und die kleine Szene mit den beiden und ihren Pokémon am Abend des Fests ist wirklich niedlich.

    Dass Henri sich nach diesem Ereignis wieder mehr um hilfsbedürftige Pokémon kümmert, ist eine tolle Wendung und es wird sehr deutlich, wie viel Freude und Erfüllung Henri an diesen Behandlungen findet. Daher wundert es mich auch nicht, dass Henri durch all die positive Energie schließlich doch den Mut fasst, seiner Schwester die Wahrheit zu erzählen. Das Treffen der beiden ist rührend beschrieben und verläuft nach der anfänglichen Überraschung zum Glück harmonisch, auch dank der Pokémon. Dass Vivienne sich auch gleich so gut mit Katie versteht, ist zwar schon eher überraschend, aber ebenso schön zu lesen. Nach einer Aufmunterung durch die beiden Damen schafft Henri es dann endlich, seinen Eltern die Wahrheit zu berichten. Dabei finde ich es gut gelöst, dass der Fokus der Handlung sich während des Telefonats auf Vivienne und Katie verschiebt, sodass der genaue Gesprächsverlauf nicht ausgeführt wird. Sonst hätte sich da wohl nur vieles wiederholt.

    Es scheinen sich nun langsam alle Puzzleteile in Henris Leben zu ordnen. Dabei gefällt es mir vor allem, dass die Menschen um Henri herum einen Einfluss darauf haben, dass er Lösungen für seine Probleme findet - Katie, seine Schwester, aber auch Keoni und Zoko. Bei letzterem ist dir die Überraschung seiner wahren Identität bei mir auf jeden Fall gelungen. Ebenso überraschend ist es, dass Henri das Spoxi erhält, das er geheilt hat.

    Nach der rührenden Verabschiedung von seinen Freunden finde ich es gut, dass Henris Neubeginn in Kalos noch beschrieben wird. Das weckt bei mir tatsächlich das Interesse, Henris Abenteuer im RPG auch weiterzuverfolgen. Die Überleitung hast du jedenfalls sehr passend gestaltet und durch das offene Ende deutlich gemacht, dass Henris Geschichte hier noch nicht zu Ende ist.


    Vielen Dank jedenfalls für die spannende und herzerwärmende Fanfiction zu Henri und seinen Freunden! Es hat mir Spaß gemacht, sie zu lesen und aufgrund des angenehmen Schreibstils, der guten Storyline und der vielen tollen Momente habe ich die Charaktere schnell ins Herz geschlossen. Somit bleibe ich nun mit einem sentimentalen Gefühl zurück und wünsche dir und deinem Helden ganz viel Freude bei euren Erlebnissen in Kalos!


    Liebe Grüße Partner Evoli

  • Hallo Evoluna und danke für deinen abschließenden Kommentar!

    Es hat mich zunächst überrascht, dass Henri sich scheinbar so schnell in seinen neuen Alltag bei Team Skull eingelebt hat. Doch in den nächsten Kapiteln wird deutlich, dass diese Umgewöhnung wohl doch noch nicht ganz abgeschlossen ist. Vor allem durch den Anruf seiner Schwester wird Henri mit seiner Vergangenheit konfrontiert und dadurch zeigt sich, dass die Kluft zwischen seinem alten und neuen Leben nicht unerheblich ist. Allerdings ist es schön zu erfahren, dass nicht nur sein Arbeitgeber, sondern auch seine Freunde bei Team Skull hinter ihm stehen und ihn unterstützen. Vor allem Katie wirkt dadurch weiterhin sehr freundlich und mitfühlend auf mich. Generell möchte ich aber erwähnen, dass auch Malio und Xan als Charaktere gut ausgearbeitet sind und wenngleich sie durch ihre deutlichen Persönlichkeitseigenschaften manchmal ein wenig klischeehaft wirken, ist das für ihre Rolle in der Geschichte nicht störend.

    Man merkt relativ gut, dass ich für Malio und Xan lange Zeit nicht wusste, wie ich sie einbinden sollte oder in welche Richtung es mit ihnen geht. Zu diesem Zeitpunkt der Geschichte war das Skull-Trio aber auch eher ein temporärer Aufnahmepunkt, sodass ich nicht erwartet hatte, bis zum Schluss bei den dreien zu bleiben. Als sich das besser herauskristallisiert hat, habe ich auch den beiden mehr Screentime und Charakter gegeben.

    Wenn ich die Chance hätte, würde ich das Einleben bei Team Skull aber ausführlicher beschreiben. Das kam in meinen Augen etwas zu kurz, wollte ich allerdings ursprünglich auch nicht zu ausführlich gestalten, da ich den Umfang der Geschichte noch nicht absehen konnte.

    Ein größeres Problem stellt Henris Verschlossenheit gegenüber seiner Familie dar. Dass er aufgrund seiner Schwindeleien den Kontakt möglichst minimiert und zunehmend von Schuldgefühlen geplagt wird, ist dabei völlig nachvollziehbar. Ich wüsste tatsächlich selbst nicht genau, was ich ihm in einer solchen Situation raten würde - einerseits kann so eine Lüge natürlich nicht lange halten und irgendwann wird die Wahrheit wohl aufgedeckt werden, allerdings verstehe ich auch, dass er seiner Familie nicht noch mehr Sorgen bereiten möchte.

    Das alles war eine sehr schwierige Situation. Lange Zeit bestand kein Kontakt und es haben sich immer mehr Sorgen und Ängste angehäuft, die eigentlich unbegründet waren. Dieser Zwiespalt aus Veränderung und Akzeptanz war tatsächlich meine Hauptmotivation für diese Geschichte. Alle Geschehnisse haben Henri als Charakter stark geformt und mich freut es zu lesen, wenn die Handlung in diese Richtung nachvollziehbar gelöst wurde.

    Bei dem Treffen von Team Skull fand ich es erst ein wenig schade, dass man die anderen Mitglieder nicht kennenlernt, bis ich gemerkt habe, dass hier der Fokus weniger auf dem Team liegt, sondern eher auf dem kranken Pokémon. Dann war ich ganz gespannt auf Henris Reaktion dazu. Es hat mich überrascht, dass Fleur das Sproxi mit Synthese heilen konnte - da hätte ich eher Florakur erwartet. Dass Henri das Sproxi anschließend noch selbst Impfen muss, ist zwar ein großer Zufall, aber wohl auch ein wichtiger Schritt in der Entwicklung der Geschichte. Übrigens hat es mich gefreut, dass Katie ihn auch dabei weiter unterstützt, und die kleine Szene mit den beiden und ihren Pokémon am Abend des Fests ist wirklich niedlich.

    Das war der Abschnitt der Geschichte, der mir die meisten Probleme bereitet hat. An diesem Punkt habe ich mich noch relativ genau an den Steckbrief gehalten und dort hatte ich die Behandlung auch separat erwähnt. Schließlich musste ich aber einsehen, dass das nicht so ablaufen kann (insbesondere, weil neben dem Skull-Trio noch Fran hätte auftauchen sollen). Da habe ich dann am Ende beschlossen, einige Dinge abzuändern, damit es mehr zum bisherigen Verlauf passt und die neuen Charaktere mehr eingebunden werden.

    Was Synthese angeht, hast du recht, dass Florakur besser wäre. Levelmäßig beherrschte Curelei diese Attacke aber noch nicht und daher habe ich überlegt, ob sie nicht sogar ohne entsprechenden Move andere Pokémon etwas heilen können. Vermutlich hätte das besser gelöst werden können. Im Vordergrund stand für mich dabei aber, dass Fleur bei der Behandlung hilft und nicht einfach nur daneben schwebt.

    Übrigens: Die nächtliche Szene kam spontan zustande und hat dafür gesorgt, dass der Titel eine nähere Bedeutung erhält. :p

    Dass Henri sich nach diesem Ereignis wieder mehr um hilfsbedürftige Pokémon kümmert, ist eine tolle Wendung und es wird sehr deutlich, wie viel Freude und Erfüllung Henri an diesen Behandlungen findet. Daher wundert es mich auch nicht, dass Henri durch all die positive Energie schließlich doch den Mut fasst, seiner Schwester die Wahrheit zu erzählen. Das Treffen der beiden ist rührend beschrieben und verläuft nach der anfänglichen Überraschung zum Glück harmonisch, auch dank der Pokémon. Dass Vivienne sich auch gleich so gut mit Katie versteht, ist zwar schon eher überraschend, aber ebenso schön zu lesen. Nach einer Aufmunterung durch die beiden Damen schafft Henri es dann endlich, seinen Eltern die Wahrheit zu berichten. Dabei finde ich es gut gelöst, dass der Fokus der Handlung sich während des Telefonats auf Vivienne und Katie verschiebt, sodass der genaue Gesprächsverlauf nicht ausgeführt wird. Sonst hätte sich da wohl nur vieles wiederholt.

    Da hast du recht, was den Anruf angeht. Ehrlich gesagt wusste ich aber auch nicht, wie ich das Gespräch hätte gestalten sollen, ohne dass zu viel wiederholt wird und ohne dass es zu forciert klingt. Bei seiner Schwester Vivienne war das etwas anderes, weil sie ja doch eine viel engere Beziehung pflegen. Mich freut auf jeden Fall zu lesen, dass das Treffen gelungen war!

    Dass sich Vivienne und Katie so schnell verstehen, war sogar beabsichtigt. Ein weiterer Fixpunkt der Geschichte war, dass Team Skull eben nicht nur aus rüpelhaften Personen besteht, sondern dass mindestens einige sehr umgänglich sind. Deswegen war es mir hier auch wichtig zu zeigen, dass Katie trotz der direkten Art mit anderen grundsätzlich gut umgehen kann und dass beide eben auch offen für andere sind. Ursprünglich hatte ich überlegt, dass Malio ebenfalls auftaucht, aber da wurde mir dann die Gruppe etwas zu groß. Mit ihm wäre es eventuell sehr anders geworden.

    Es scheinen sich nun langsam alle Puzzleteile in Henris Leben zu ordnen. Dabei gefällt es mir vor allem, dass die Menschen um Henri herum einen Einfluss darauf haben, dass er Lösungen für seine Probleme findet - Katie, seine Schwester, aber auch Keoni und Zoko. Bei letzterem ist dir die Überraschung seiner wahren Identität bei mir auf jeden Fall gelungen. Ebenso überraschend ist es, dass Henri das Spoxi erhält, das er geheilt hat.

    Dass Henri Sproxi erhält, ist auch ein Überbleibsel aus dem Steckbrief. Ursprünglich sollte er es durch Fran erhalten, aber am Ende hat es mir Gelegenheit gegeben, noch eine recht emotionale Szene zu gestalten. Die Idee zu Zokos Charakter kam mir, als ich mich an eine Sidequest mit Zorua in Pokémon Ultrasonne und Ultramond erinnert habe. Tatsächlich wurde er auch schon relativ früh angeteasert, obwohl ich da noch nicht wusste, ob er einen größeren Auftritt haben wird. Nach den Veränderungen beim Steckbrief war das allerdings keine Frage mehr.

    Nach der rührenden Verabschiedung von seinen Freunden finde ich es gut, dass Henris Neubeginn in Kalos noch beschrieben wird. Das weckt bei mir tatsächlich das Interesse, Henris Abenteuer im RPG auch weiterzuverfolgen. Die Überleitung hast du jedenfalls sehr passend gestaltet und durch das offene Ende deutlich gemacht, dass Henris Geschichte hier noch nicht zu Ende ist.

    Das offene Ende würde ich heute vermutlich etwas anders gestalten, aber ehrlich gesagt hatte ich da dann keine Kraft mehr, mir etwas anderes auszudenken. Anfangs hatte ich erwartet, mehr Zeit in Kalos zu verbringen, aber das wurde letztendlich auf einen Part zusammengefasst. Da wollte ich vor allem zeigen, wie unterschiedlich das Leben in Alola zu Kalos ist. Letzteres ist dabei an das schnelle Leben der aktuellen Gesellschaft angelehnt und hatte seinen Ursprung vielleicht auch in der Krise, die die Region heimgesucht hat.

    Vielen Dank jedenfalls für die spannende und herzerwärmende Fanfiction zu Henri und seinen Freunden! Es hat mir Spaß gemacht, sie zu lesen und aufgrund des angenehmen Schreibstils, der guten Storyline und der vielen tollen Momente habe ich die Charaktere schnell ins Herz geschlossen. Somit bleibe ich nun mit einem sentimentalen Gefühl zurück und wünsche dir und deinem Helden ganz viel Freude bei euren Erlebnissen in Kalos!

    Danke für dieses abschließende Fazit! Obwohl es manchmal sehr anstrengend war, hat mir das Ausformulieren viel Spaß bereitet. Noch besser ist es aber zu hören, dass die Geschichte gelungen ist und für viele emotionale Momente mit den Charakteren sorgt. Vielleicht ergibt sich ja einmal die Gelegenheit, dass du beim RPG vorbeischaust und die Handlung verfolgst.


    Bis dahin: Wir lesen uns!

  • Hallo Rusalka!


    Ich gehe vorerst halbwegs unwissend an die ganze Sache heran. Ich hab zwar vereinzelte Anmeldungen „damals“ überflogen (weiß nicht mehr, ob deine dabei war) und die ersten sieben bis zehn Posts des Kalos-RPGs gelesen (bevor ich ambitioniert aufgehört habe), aber du kommentierst immer so nett bei mir, da muss ich mich ja auch endlich mal gebührend revangieren. Also, here we go!


    Part 1

    Der Anfang ist etwas verschwommen. Der erste Satz ist zwar sehr stark, gerade wenn er kurz darauf mehr oder weniger ins Gegenteil verkehrt wird, aber was es mit dem Fauxpas auf sich hat, wird halt noch so überhaupt nicht geklärt. Ich hoffe, wir kriegen da noch Auflösung. Fleur wirkt in diesem wenigen Sätzen bereits sehr süß und das direkte Einbeziehen der Probleme in Kalos ist auch sehr gelungen. Bin gespannt, wann wir in der Zeitlinie ungefähr sind.


    Part 2

    Und wir starten gleich mit der Auflösung der Frage, dass es wohl alles gerade anfängt. Während der erste Part noch relativ leicht wirkte, wird jetzt das gesamte Ausmaß der Katastrophe klar und mit dem Nicht-Erreichen seiner Eltern wird gleich eine starke emotionale Bindung zu Henri erstellt. Man hat starkes Mitleid mit ihm und will sich vermutlich gar nicht vorstellen, wie man selbst sich in einer solchen Situation fühlen würde. Der Anruf der Schwester macht jedoch Mut, dass er nicht ganz allein sein wird.


    Part 3

    Es ist bewundernswert, was Vivi da für ihre Familie machen möchte, aber nachdem ich weiß, wie die Region Anfang des RPGs ungefähr aussieht, habe ich definitiv kein gutes Gefühl dabei. Und ich befürchte fast, dass der Verlust seiner Familie womöglich der Auslöser für die Ereignisse der Geschichte ist. Ich hoffe natürlich nicht, aber … was musste die RPG-Leitung auch einfach die Kalos-Region zerstören.


    Part 4

    Wir kriegen also noch ein paar Hintergrund-Informationen zur Situation in Kalos, die wirklich sehr hilfreich sind und die Zeit des Wartens füllen. Ein bisschen schade finde ich es, dass wir immer noch nicht genau wissen, was denn nun bei Henris Prüfung passiert ist. Ob wir es überhaupt noch erfahren? So wie es bisher nur angedeutet wird, könnte man vielleicht denken, dass es später nochmal eine ähnliche Situation geben wird, in der Henri sich dann überwinden muss. Über die Berichte aus Kalos kommt Henris Hintergrund in Alola mir aktuell noch ein bisschen zu kurz …


    Part 5

    Ich muss gestehen, der erste Satz dieses Parts erschließt sich mir nicht ganz. Der Strandausflug aber vermittelt gut das Gefühl der ungewollten Untätigkeit auf Henris Seite. Ich weiß nur nicht ganz, ob er die Bewerbungen aufgrund seiner Sorge um seine Familie oder aufgrund des Vorfalls während seiner Prüfung nicht abschickt. Eine Erinnerung an Kalos an jenem Ort zu verfassen, an dem die Menschen scheinbar so unwissend entlang spazieren scheint sehr passend. Zuerst hatte ich erwartet, dass Officer Rocky (o.ä.) die Aktion beobachtet und Henri kurzerhand verhaftet, aber das als Grundlage für eine Begegnung mit Team Skull zu nutzen, ist auch interessant. Ich frage mich, wie unfreundlich die Gestalten wohl wirklich sind.


    Part 6

    Ich hatte eine Interaktion bezüglich des Graffitis erwartet, aber nicht so. Ich dachte eher, es ginge um „Revierkämpfe“, dass niemand außer Team Skull dort sprayen dürfte. Aber es war doch sehr viel sympathischer als erwartet. Alola ist nun bei Weitem nicht meine Lieblingsregion und ich weiß gerade nicht auswendig, wie nett oder böse Team Skull in den Spielen rüberkam; besonders nach Ende der Story. Ich frage mich, wo das in Alolas Timeline stattfindet. Ist Bromley noch da? – Nach kurzer Recherche scheint das der Fall sein zu müssen, weil sich Team Skull am Ende der Spiele wohl auflöst. Aber wer weiß, immerhin sind wir auch in einer alternativen Kalos-Dimension, warum dann nicht auch in Alola.


    Part 7

    Ich finde es erstaunlich, dass Henri über die Spray-Hilfe völlig zu vergessen scheint, dass Team Skull ihm trotzdem seine Pokémon hatte stehlen wollen. – Ich hatte dabei übrigens tatsächlich gedacht, dass er Fleur zuhause gelassen hätte. Ihre Vorliebe, Henri mit Blumenkränzen auszustatten ist zwar sehr süß, lässt aber auch die Frage zurück, wann und wo sie neue Blumen besorgt. Oder produzieren Curelei die selber? Na, wie dem auch sei, die beiden hatten einen entspannten Abend verdient.


    Part 8

    Ob es sich wie in den Cafés der Pokémon-Center von Alola bei den speziellen Süßigkeiten wohl um Pokébohnen handelt? Zumindest habe ich da direkt dran denken müssen. Mir haben Henris Gedanken sonst nur wieder gezeigt, dass ich nicht weiß, ob bzw. inwiefern ihn seine Abschlussprüfung tatsächlich noch beschäftigt. Ich glaube zwar, dass es großteilig von seinen Sorgen um Kalos überdeckt wird, aber ich warte immer noch auf eine ausführliche Erklärung.


    Part 9

    Der Anfang des Parts beantwortet sofort die Frage, woher Fleur neue Blüten bekommt. Vermutlich machen die beiden häufiger Ausflüge in den Park. Vielleicht verschwindet Fleur ja aber auch ab und zu alleine, um neue Blumen zu suchen? Fleurs Anwesenheit könnte aber auch noch bezüglich der beiden Rüpel interessant werden – immerhin zeigt es ja, dass Henri gelogen hatte. Gleichzeitig scheint dieser ja aber auch den Pokémon-stehlenden Teil völlig vergessen zu haben. Ich bin wirklich gespannt, zu erfahren, was hier sein Gedankengang war.


    Part 10

    Ich glaube, du meinst, es war ihm unangenehm, sich erklären zu müssen. Aber schön, dass er es trotzdem tut. So erfährt man, dass es sich mehr oder minder um … nun, Verzweiflung handelt. Wie gesagt, ich bin mit Team Skull nicht so ganz vertraut, besonders nicht über ihren Umgang mit Pokémon, aber von dem, was ich spontan im Kopf habe aus einem dieser Aether-Foundation-Hilfsstellen, erscheint es nicht wirklich zu Henris ärztlicher Moral zu passen. Aber keine Ahnung. Ich finde es jedoch spannend, wie sich die Dynamik hier ändert und Katie zurückhaltender ist als Malio, obwohl es beim ersten Treffen noch andersherum war.


    Part 11

    Ob Katies „Hm“ auf Henris Lüge bezogen war? Nun, mal Privaträume von Team Skull kennenzulernen ist auch sehr interessant. Ich hatte durch die Tür in der Seitengasse erst an ein Hinterzimmer oder so gedacht, aber es scheint sich eher um eine WG-artige Wohnung zu handeln. Zwar ohne (viele?) Fenster, wenn man vom dunklen Raum ausgeht, aber doch so weit gemütlich von den Beschreibungen her. Da bin ich doch sehr gespannt, wie sich die Rüpel sonst noch so zeigen werden.


    Part 12

    Ha, ich fühle mit Katie, dass ich gerne noch genauere Infos hätte. Aber das falsch präparierte Mittel ist ja schon einmal mehr Info als bisher. Gleichzeitig frage ich mich, ob Medizin überhaupt das richtige Fach für ihn war, wenn Henri schon jetzt solche Probleme hat. Immerhin weiß man nie, wann etwas schief gehen könnte, auch völlig ohne Schuld von irgendwem. Auch finde ich es gut, dass die Sache mit dem Stehlen der Pokémon endlich aufgelöst wurde. Ich bin immer noch der Meinung, darüber hätte man sich vorher (mehr) Gedanken machen müssen, aber ich glaube, jetzt sind wir an einem sehr angenehmen Startpunkt für Henris neues Leben bei Team Skull. (Mal sehen, ob man noch irgendwelche Formalitäten braucht.)


    Part 13

    Es gibt Formalitäten, auch wenn wir von ihnen nicht wirklich etwas mitbekommen. Aber allein die Erwähnung gefällt mir. Dadurch wirkt das Team sofort organisierter als ein paar Rüpel in einer Seitengasse. Ich bin gespannt, ob wir noch mehr vom „Tagesgeschäft“ bzw. den Hintergründen des Teams an sich mitbekommen werden. Ich könnte da halt echt noch ein wenig Nachhilfe gebrauchen. Mir gefällt auch Henris Reaktion auf seinen neuen Look. Dass es ungewohnt ist, aber doch ein Gefühl der Gemeinschaft vermittelt. Mal sehen, wie es sich zur zweiten Hälfte noch alles entwickelt.


    Part 14

    Wir kennen böse Teams aus Pokémon ja nun hauptsächlich als die bösen Teams und als Protagonist der Spiele geht es immer darum, gegen sie zu kämpfen. Aber gerade in den letzten Generationen sind ja mehr nachvollziehbare Hintergründe hinzugekommen, weshalb es natürlich für die eigentlichen Bewohner der Regionen auch ganz andere Blickwinkel darauf geben kann. Ich weiß auch nicht, wie viel von ihrem illegalen Treiben tatsächlich bekannt ist. Ich finde es aber auf jeden Fall sehr offen von Keoni, dass er Henri in jeder Wahl unterstützen würde. Jetzt bin ich aber natürlich mehr als gespannt auf Vivienne!


    Part 15

    Oh, es läuft in Aquarellia noch so viel besser, als ich erwartet hatte. Ich hatte echt mehr oder weniger mit dem Schlimmsten gerechnet. (Ich hab aber auch vergessen, was die Aussagen zu Beginn des RPGs bezüglich der Region waren.) Jetzt habe ich fast etwas Angst, dass Henris Drängen, dass Vivienne bleibt zu einer Tragödie führt, in der er seine komplette Familie verliert … Aber solange ich das Schlimmste erwarte, kann ich nur positiv überrascht werden, nicht wahr? Ich kann Henri aber auch etwas verstehen, dass er sie vermutlich mit seiner neuen „Berufswahl“ nicht zusätzlich belasten wollte. Das und allgemeine Unsicherheit über die Reaktionen anderer Leute diagnostiziere ich zumindest als Grund für seine Lüge.


    Part 16

    Es freut mich, dass Katie und Malio sich wirklich für Henris Situation interessieren, auch wenn ich nachwievor glaube, dass sie es als zu einfach betrachten. Und wenn ich das richtig interpretiere, stimme ich darin mit Xan überein. Nur das Ende des Parts verstehe ich nicht wirklich. Worauf wollte Katie hinaus? Wenn sich … was? Warum reagiert Henri so abwehrend? Selbst wenn er seinen Eltern noch nicht die Wahrheit gesagt hat, so besteht doch trotzdem noch die Möglichkeit für ihn, nach Kalos zurückzukehren. Mitten in die Apokalypse, aber es wäre möglich. Aber vielleicht wird das ja im nächsten Part noch einmal genauer beleuchtet.


    Part 17

    Fast ein bisschen unverantwortlich, sich jetzt, da er es endlich wieder kann, nicht oder kaum bei seinen Eltern zu melden. Ich verstehe seine Zwickmühle, aber trotzdem. Noch ein paar mehr Hintergründe zu Team Skull zu erhalten ist immer toll und die Versammlung liest sich fast ein bisschen wie ein Klassentreffen oder ein runder Geburtstag von irgendwem. Mit dem kranken Pokémon kommt dann auch endlich die Umsetzung von Henris Zweifeln in Aktion, was ich ja schon ziemlich lange erwartet hatte. Mal sehen, ob er es tatsächlich schafft, sich zu überwinden und dem armen Wesen zu helfen.


    Part 18

    Fleur ist ein Schatz, dass sie nicht ansatzweise sauer ist, sondern Henri gleich wieder liebevoll begrüßt. Solche Unterstützung ist jedem zu wünschen. Auch Katie macht ihre Sache als … Partnerin (?) gut und bleibt weiterhin sehr sympathisch. Auf ein Sproxi wäre ich nicht gekommen. Interessante Wahl. Mit der Impfung scheint jetzt meine Erwartung tatsächlich einzutreten und Henri muss sich einer ähnlichen Situation wie in seiner Prüfung stellen, weil ja auch hier der Impfstoff von anderen vorbereitet wird. Ich verstehe zwar nicht ganz, wie eine Impfung bei einer räumlichen/klimatischen Anpassung helfen kann, ich bin aber auch kein Arzt. Stattdessen bin ich einfach gespannt, was die Situation noch mit Henri macht.


    Part 19

    Nevermind, es kommt überhaupt kein innerer Konflikt … jetzt bin ich schon etwas enttäuscht. Also es freut mich, dass Henri wieder positive Erfahrungen mit seinem gelernten Beruf sammeln konnte, aber nachdem die Abschlussprüfung in den ersten Parts so wichtig war, hatte ich schon ein bisschen mehr in seinen Gedanken erwartet. Entweder ein innerer Widerstand oder eine stärkere Überraschung wie gut es doch eigentlich geht. Ich weiß nicht, es wirkte irgendwie zu wenig. Aber ich mochte den Kontrast von Schwester Joy Rala zu Keoni. Und Katie ist immer noch toll. Ich hatte zwar kurzzeitig vergessen, was mit ihren Eltern war, aber es ist auch eine schöne Parallele, dass sie und Henri beide blumenbasierte Feen haben. Und so endet der Part schön positiv.


    Part 20

    Ich frage mich, wie die Pokémon-Center in deiner Welt funktionieren. Zumindest so, wie es in den Spielen ist (und hier erst mal auch den Anschein erweckt), sind die Behandlungen und die Medizin da ja eh kostenlos. Lediglich „Drogenhandel“ wäre ein Grund, nicht einfach so Materialien an Henri herauszugeben. Dass sich die Lage in Aquarellia stabilisiert hat, ist wirklich sehr schön zu hören; gerade weil ich immer vom schlimmsten ausgegangen war. Das bringt natürlich Henris Konflikt bezüglich des „Doppellebens“ voran. Ich muss jedoch gestehen, dass ich Keonis Rat diesbezüglich absolut nicht verstanden habe. Welche Version welcher Geschichte meinte er? Es freut mich, dass es Henri helfen konnte, aber mich hat es leider etwas verwirrt.


    Part 21

    Eine Unterhaltung mit einem Zorua also. Zumindest deutet alles darauf hin (schon bevor Zoko sich mit Fleur unterhalten hat). Ich mag den Jungen. Er bringt eine schöne neue und frische Perspektive auf alles mit. Ich war etwas überrascht, dass Henri, obwohl er sich bedrängt fühlte, direkt sagte, worüber er nachdachte. Auch hatte ich das Gefühl, dass der Text nicht darauf ausgelegt war, dass er sofort Team Skull erwähnte. Ich schätze, da ist ein kleiner gedanklicher Fehler beim Schreiben passiert. Kenne ich gut. Nun hat Henri also Unterstützung darin, dass er die Wahrheit sagen sollte, wenn ihm die Lüge nicht gut tut.


    Part 22

    Ich mag Katie nachwievor. Und Leute, die zeichnen können, die zig Skizzen für das eine tolle Bild erstellen, faszinieren mich sowieso. Ich mag es auch sehr, wie die beiden sich gegenseitig beeinflussen. Ich mag es sehr, wie schön sie sich ergänzen. Ob es wohl noch eine Erklärung gibt, warum die Tür offen stand? Wurde es einfach vergessen? Hat Henri sie inzwischen geschlossen? Und was soll das heißen, dass Henri Xan noch nie außerhalb der Wohnung erlebt hatte? Sie waren doch zu viert auf dem Skull-Treffen gewesen. Ich weiß zwar, wie es gemeint war, aber mein erster Gedanke war halt, dass es so nicht stimmt. So oder so ist es aber toll, endlich auch etwas mehr über das vierte Mitglied der Truppe zu erfahren. Oh, und ich freu mich auf Vivi.


    Part 23

    Ich bin mir nicht ganz sicher, ob mir die Wahl der zeitlichen Abfolge des Geschriebenen so gefällt. Wirkt etwas seltsam auf mich. Aber vielleicht ist das etwas anderes, wenn man die Teile wirklich einen am Tag liest. Die Begegnung mit Vivi ist sehr schön beschrieben. Ich hatte erwartet, dass Chérie Henri schneller erkennen würde, aber da sich UHaFnir wohl mehr auf das Gehör verlassen als auf Geruch oder ähnliches, ergibt es schon Sinn, dass sie erst einmal Drohgebärden annahm, als ein Fremder auf sie zuging. Auch wenn ich nicht sicher bin, ob die Kleidung da wirklich einen Anteil hatte. Zumindest beim Pokémon. Viviennes Offenheit und Erleichterung am Ende des Parts ist aber sehr schön zu lesen.


    Part 24

    Ich muss gestehen, dass ich gar nicht auf der Reihe hatte, dass tatsächlich schon Monate vergangen sind. Ergibt Sinn, weil ja mehrfach einige Wochen vergangen waren, aber dennoch hatte ich bis jetzt keinen guten Überblick über die zeitliche Situation. Positive oder zumindest halbwegs positive Nachrichten aus Kalos sind natürlich immer willkommen. Vivienne macht weiterhin einen sehr guten Eindruck. Ich verstehe einzig die Aussage „Auch wenn ich nicht sagen kann, wie ich reagiert hätte, dass du dich Team Skull angeschlossen hast.“ Nicht, weil sie ja soeben darauf reagierte. Sie meinte vermutlich in Kalos/am Telefon, aber es wirkte in dem Zusammenhang irgendwie seltsam. Aber ich liebe die Kombination des Nestballs mit der Aussage „Du bist stark“. Das sagt in dem Zusammenhang noch so viel mehr aus! Ich liebe es.


    Part 25

    Da wird meine Frage nach Fleurs immer neuen Blumen ja gleich noch ein zweites Mal beantwortet. Ich bin übrigens der festen Überzeugung, dass Henri ein Frühaufsteher sein muss, denn wenn ich entspannt schlafe, wache ich garantiert nicht vor meinem Wecker auf! Ich finde es auch sehr interessant, wie du die Nutzung der Beeren beschreibst. Sie scheinen deutlich nahrhafter zu sein als die Beeren in unserer Welt und ebenfalls sehr vielseitig einsetzbar. Ich frage mich, ob die Geschwister sich überhaupt gesehen hatten, seit Henri sein Studium begann. Aus Vivis Interaktionen mit Fleur wurde ich bis jetzt leider noch nicht ganz schlau. Viviennes Geschenk ist dagegen ein schönes Detail, das noch einmal die Verbindung der Geschwister unterstreicht. Zuerst hatte ich gedacht, es sei etwas von Henri aus Kalos gewesen, aber ein schönes Geschenk ist natürlich auch immer gut.


    Part 26

    Der sofortige Übergang ist im ersten Moment etwas verwirrend, wenn man die Parts nicht direkt hintereinanderher liest. Aber währenddessen kam mir noch der Gedanke, dass Vivienne und Vivillon ja schon eine sprachliche Ähnlichkeit zueinander haben. So ist Vivi ja noch etwas mehr bei ihm. Chérie ist wirklich ein schöner Kontrast zu Fleur und dir gelingt es immer gut, den Pokémon ihre eigene Persönlichkeit zu geben. Das Treffen mit Katie nimmt auch einen vielversprechenden Anfang. Ich bin wirklich gespannt, was noch kommt, wo wir uns ja doch langsam dem Ende der Geschichte nähern.


    Part 27

    Es ist überraschend, dass nach so langer Zeit einmal der Fokus komplett von Henri weggelenkt wird. Nicht, dass es mich stört, das Gespräch zwischen den beiden Frauen zu lesen, gerade weil es interessant ist, wie sie Henri jeweils einschätzen. Es war nur ungewöhnlich, dass es so spät in der Geschichte das erste Mal passierte. Und ich hätte auch gerne die Reaktion seiner Mutter mitbekommen, aber vielleicht erzählt er ja noch was. Bis dahin denke ich, sie war ähnlich zu Vivis. Was mir in diesem Part noch deutlich aufgefallen ist, ist, dass du ab und zu mit Pronomen für Personen/Pokémon beginnst, die du vorher nicht in direkter Aktion hattest. Zum Beispiel, als Chérie sich vor Viviennes Füße legt und sich das nächste „sie“ auf die Trainerin bezieht. Es ist zwar immer so weit verständlich, aber doch etwas seltsam. Das wollte ich nur einmal angesprochen haben.


    Part 28

    Es geht mir ganz genauso, dass ich Legenden um Pokémon gerne höre. Aber es ist natürlich faszinierend, wie die Lage in Kalos diese in ein ganz anderes Licht rücken kann. Ich bin etwas enttäuscht, dass wir von Viviennes Interaktion mit Keoni noch nicht einmal im Nachhinein irgendwas gehört haben, nicht mal ein Nebensatz, dass die beiden sich verstanden oder so, aber die Unterhaltungen der Geschwister sind immer schön zu lesen. Besonders hat mir das Ende mit dem Necken bezüglich Vivis Wunsch gefallen.


    Part 29

    Ich war doch sehr überrumpelt von dem plötzlichen Zeitsprung. Ich nehme an, er ist der vorgegebenen Menge an Parts geschuldet und dass du mit dem Aufbruch nach Kalos enden möchtest. Ich hatte zuerst Angst, dass du die Verabschiedung von Henris Teammitgliedern überspringst, aber das musste ich wohl nicht. Aber der Reihe nach: Zokos Auflösung ist sehr schön gestaltet. Führt mich aber zu der Frage, warum Zorua sprechen können und andere formwandelnde Pokémon nicht … Kannst du mir sicher auch nicht beantworten, aber trotzdem. Dass Keoni es verstehen würde, war von Anfang an klar. Kiana wirkt auf die kurze Zeit ebenfalls sympathisch. Manchmal hatte ich das Gefühl, sie könne die Sprache noch nicht so gut, auch wenn das vermutlich nicht gewollt war. Vermutlich hätte mich das Sproxi nicht überraschen dürfen, hat es aber irgendwie trotzdem. Ich dachte zuerst, Katie hätte das Kalos-Graffiti ausgearbeitet. Es war aber wirklich schön, dass du trotzdem den Bogen dazu geschlagen hast. Generell bin ich bei der Verabschiedung fast selbst emotional geworden. Aber wir sind ja noch nicht am Ende. Es fehlt noch ein großer Kampf, nehme ich an. Und ein Aufbruch ins Ungewisse.


    Part 30

    Okay, oder auch nicht. Ist ja auch nicht das erste Mal, dass meine Erwartung nicht erfüllt wurde. Ich meine, dass die Vorgeschichte mit einem Hinweis auf die beiden Teams endet, ist ja nun auch nicht gerade abwegig. Und obwohl ich auf Sproxi vielleicht noch hätte kommen können, so hatte ich Eguana überhaupt nicht mehr auf der Reihe. Es freut mich (mit Blick auf das RPG), dass es sich berappeln konnte und ich bin ein Fan der Anspielung in seinem Namen. Und auch wenn ich es nicht erwartet hatte, hier mehr Epilog als Kapitel zu erhalten, war es doch sehr schön, auch Kalos selbst zu sehen und den Kontrast zu Alola noch einmal deutlicher zu spüren.


    An manchen Stellen merkt man noch, dass es ein NaNo-Projekt ist und dadurch vermutlich ein paar Sachen nicht liefen, wie geplant, aber alles in allem ist die Geschichte wirklich schön zu lesen, was nicht zuletzt an den vielen interessanten und gut gestalteten Charakteren liegt. Also egal, ob du mit dem Handlungsverlauf meine Erwartungen erfüllt hast oder nicht, so hatte ich doch immer Freude daran, den nächsten Part zu lesen.


    Also, wie sagst du immer so schön?

    Wir lesen uns!

    ~ShiraSeelentau


    P.S. Nach deinem Re-Kommi für Evoluna bin ich glatt etwas neugierig, deinen alten Steckbrief noch einmal zu lesen.^^

  • Hallo Shiralya und danke für den Kommentar!


    Ich kann nicht abstreiten, dass gewisse Teile der Geschichte verbesserungswürdig sind. Insbesondere wenn ich deine vielen Erwartungen sehe, merke ich selbst aufs Neue, wie viel ich eigentlich aus Bequemlichkeitsgründen weggelassen habe. Bei Lunas Kommentar hast du vielleicht schon gelesen, dass mir besonders der Abschnitt mit dem Skull-Treffen die meisten Probleme bereitet hat. Ohne den Steckbrief als Einschränkung und mit einem wesentlich klareren Ziel vor Augen als zu Beginn (nämlich die Gespräche mit der Familie) fiel es mir ab da deutlich einfacher, die Handlung auszuarbeiten.

    Jedenfalls freut es mich sehr zu lesen, dass du die Charaktere mochtest! Sie alle gut in Szene zu setzen war mir sehr wichtig, da sie doch einen nicht unwesentlichen Teil der Handlung mittragen.

    Über die Berichte aus Kalos kommt Henris Hintergrund in Alola mir aktuell noch ein bisschen zu kurz …

    Daran hatte ich auch gar nicht so viele Gedanken aufgewendet. Vorrangig ist das wohl dem Umstand geschuldet, mitten in die Geschichte zu starten und nicht genau zu wissen, wie groß eigentlich der Umfang der Geschichte wird.

    Alola ist nun bei Weitem nicht meine Lieblingsregion und ich weiß gerade nicht auswendig, wie nett oder böse Team Skull in den Spielen rüberkam; besonders nach Ende der Story.

    Nach der Story waren sie teilweise recht umgänglich. Während der Story haben sie sich eben als Straßenrüpel präsentiert, auch wenn ich persönlich immer der Meinung war, dass das bei einigen gespielt war. Diesen Gedankengang habe ich dann auch in der Geschichte umgesetzt.

    Worauf wollte Katie hinaus? Wenn sich … was? Warum reagiert Henri so abwehrend?

    Falls er je wieder nach Kalos zurückkehren würde. Zu dem Zeitpunkt war das noch nicht absehbar und dass er seine Familie anlog, hat zu der Reaktion geführt.

    Ich muss jedoch gestehen, dass ich Keonis Rat diesbezüglich absolut nicht verstanden habe. Welche Version welcher Geschichte meinte er?

    Hier im Konkreten ist gemeint, dass Henri seinen Familienangehörigen nicht die volle Wahrheit über sein Leben erzählt. Wenn das für ihn in Ordnung ist, dann würde er keine Belehrungen dazu erhalten.

    Ich bin mir nicht ganz sicher, ob mir die Wahl der zeitlichen Abfolge des Geschriebenen so gefällt. Wirkt etwas seltsam auf mich.

    Das würde ich im Nachhinein auch anders gestalten. Ursprünglich hatte ich mit dem kursiven Part begonnen, bis ich gemerkt habe, dass die Überleitung vom letzten Beitrag nicht ideal war. Dadurch entstand dieser Mix aus Vergangenheit und gegenwärtiger Erzählung.

    Aber ich liebe die Kombination des Nestballs mit der Aussage „Du bist stark“. Das sagt in dem Zusammenhang noch so viel mehr aus! Ich liebe es.

    Den genauen Umstand für die Idee weiß ich gar nicht mehr. Ich glaube, es hing aber damit zusammen, weil die beiden doch einen weiten Weg hinter sich gebracht hatten und ich das mit dem Ball näher zum Ausdruck bringen wollte.

    Was mir in diesem Part noch deutlich aufgefallen ist, ist, dass du ab und zu mit Pronomen für Personen/Pokémon beginnst, die du vorher nicht in direkter Aktion hattest.

    Dass hier nahezu alle weibliche Pronomen hatten, hat die Szene nicht einfacher gemacht. Auch da würde ich den Aufbau vermutlich anders gestalten. An dieser Stelle merkt man vermutlich schon, dass das tägliche Schreiben anstrengender geworden ist.

    Führt mich aber zu der Frage, warum Zorua sprechen können und andere formwandelnde Pokémon nicht …

    Ich habe das für mich persönlich damit erklärt, weil Zorua Illusionen erzeugen können. Als sie komplett aufgelöst war, hat Zorua in dem Sinn ja nicht mehr gesprochen, sondern nur noch Laute abgegeben. Illusionen können ja die Wahrnehmung aller Sinne trüben und das habe ich mir hier zunutze gemacht.


    Abschließend noch einmal ein Danke an dich fürs Lesen und fürs Dabeisein. Wir lesen uns!