Seit Wochen will ich dieses Werk schon kommentieren und komme einfach nicht dazu. Und heute dachte ich mir, jetzt komm, du hast gerade nichts wirklich sinnvolles zu tun. Nutze die Zeit!
Es ist und bleibt wohl mein Lieblingswerk, mit dem Thema Tod und Leben hast du es bei mir halt gut erwischt. Und auch dieser Teil hat wieder seinen völlig eigenen Charme, aber auch seine Verbindung zu den beiden vorherigen. Wir haben hier einen sehr schönen Perspektivwechsel und sehen die ganze Geschichte mal aus einer völlig anderen Sicht. Und während man vorher mit dem Schicksal zweier Einzelpersonen konfrontiert wurde, erzählen hier Gesichtslose, wie "alltäglich" das doch ist...
Capti Saeculorum
Ich hasse dich. Nein, aber wieso zwingst du mich mein Lateinlexikon auszupacken ;___; ... Ich kann kein Latein mehr XD Das Greifen in aller Ewigkeit? Zumindest für Saecolorum gibt es einfach nur die Formulierung "in aller Ewigkeit". Auf jeden Fall - wie sollte es auch anders sein? - passt der Titel zum Gedicht. Ja, ich treffe diese Aussage ohne genau zu wissen, was der Titel nun heißt òó
Seit dem Anfang weilen wir in diesen dunklen Hallen;
wir harren eines Wunders, welches uns vom Nichts befreit.
Der allerletzte Sand in uns'rer Uhr ist früh gefallen –
wir sind Seine Opfer, sind Gefangene der Zeit.
Es beginnt auch schon ewig. "Seit Anfang" hat natürlich viel Interpretationsfreiraum. Welchen Anfang, von was? Assoziiert wird es meist automatisch mit dem Beginn der Welt.Am Anfang war das Wort ist jedem halbwegs gebildeten Menschen ein Begriff, weswegen man natürlich daran denkt. Das wiederrum wäre eine sehr lange Zeit nach menschlichen Vorstellungen. Aber da wir hier über den Tod sprechen, ist es auch nicht verwunderlich, dass dieser damals mit dem Leben seinen Anfang nahm.
So lange verharren sie (auf das "wir" gehe ich ich Vers vier ein) schon und warten auf Erlösung. Sehr schönes Verb im Übrigen. Verharren weist auf eine ungemütliche, starre Lage hin, die man meist aus Angst einnimmt und sich nicht mehr traut sich zu bewegen, wenn nicht sogar zu atmen. Völliger Stillstand, was mich zum Nichts bringt. Welches uns vom Nichts befreit deutet nicht nur auf Stillstand, sondern auch auf Bedeutungslosigkeit hin. Sie befinden sich in einem unerträglichen Zustand der Hoffnungslosigkeit. Ich las mal irgendwo "In einer Welt, die nicht fähig ist sich zu verändern, gibt es keine Hoffnung". Trifft hier wohl sogar zu, da hier in dunklen Hallen das Nichts herrscht.
Vers drei deutet wieder darauf hin, dass sie schon lange hier sind. Außerdem wird klar, dass ihnen wohl mehr vom Leben zustand, denn der Sand ist früh gefallen. Die Zeit ist zu schnell für diese Seelen abgelaufen. Ich gehe hier jetzt einfach frech davon aus, dass es sich bei den Opfern um Seelen handelt, also Menschenleben, die vernichtet worden sind. Gefangene der Zeit ist eine Formulierung, die mir etwas zu schaffen macht. Vielleicht weil ich Zeit als etwas fliessendes ansehe und das im großen Gegensatz zum Nichts steht. Aber vielleicht sind sie gerade deswegen gefangen, da Zeit normalerweise keine Grenzen hat, sondern im Leben immer weitergeht. Hier im Nichts hingegen, sind wohl doch die Gitter gesetzt worden und es gibt kein Vorwärts mehr, was die verstorbenen Seelen natürlich zu Gefangenen macht.
Ansonsten Anmerkung für den Fall, dass ich das später brauche: zwei echte Kreuzreime, Silbenbruch in Vers 3 und 4.
Kein Sterblicher vermag den finster'n Gärtner zu erkennen,
aber wir erleben jedes einzeln' Blutgericht.
Die Bilder plagen uns in unseren schlaflosen Träumen,
doch den Schrecken brechen – das können wir nicht.
Mir gefällt die Wortwahl des Gärtners. Das hat viel Raum für Interpretationen. Zudem erinnert mich es an ein Lied... Kennst du "Der Mörder ist immer der Gärtner"? Das haben wir oft in der Schule gesungen. In jeder Strophe stirbt jemand und man verdächtigt den Gärtner. In der letzten Strophe wird dieser ebenfalls ermordet und es stellt sich heraus, dass es der Butler war... Auf jeden Fall habe ich jetzt anstelle der üblichen Sense einen Haken im Kopf (haha, wie das klingt). Gärtner haben tatsächlich einen sonderbaren schaurigen Touch. Interessant ist aber vor allem, dass der Gärtner auch Leben schenkt. Schließlich reisst er nicht nur Unkraut aus, sondern pflanzt auch etwas ein. Eigentlich ist Gärtner ein Beruf voller Leben indem man sich um zarte Geschöpfe kümmert. Trotzdem wird er oft als etwas bedrohliches angesehen. Aber(!) von den zukünftigen Opfern wohl auch nicht, den diese erkennen ihn nicht. Vielleicht würde ich ja glatt dazugehören, da ich nicht das Bösartige dieses Gärtners sehe...
Vers zwei ist wirklich interessant. Anscheinend kriegen die bisherigen Opfer alles mit, sind womöglich mit dem Tode verbunden. Jedesmal müssen sie zusehen, wie jemand ahnungslos in die Falle läuft und das durchmacht, was sie vor langer Zeit selber durchlebt haben. Dabei können sie gar nichts tun, das muss eine furchtbare Hölle für sie sein. Vers drei unterstreicht dies auch. Genauso wie der vierte Vers, der nochmal die Hilflosigkeit der Opfer betont. Schön ist hier der Bindestrich, der beim Lesen eine dramatische Pause hervorruft und dieses "das können wir nicht" dadurch nocheinmal hervorhebt.
Und diesmal haben wir einen Kreuzreim mit zwei Waisen, und gleiche Silbenanzahl in Vers 1 und 3. Also insgesamt stilistische Überkreuzung, wie beim letzten Vers auch, nur hier bedient man sich nicht nur dem Reimschema.
Und letzte Nacht er wieder hat geweht,
verformt die Luft zu Messern jener Wind,
dem keine Menschenseele widersteht,
wenn teures Leben so abrupt verrinnt.
Oh, beim ersten Vers muss ich an den Tod der Schwester denken. Ob es sich darauf bezieht? Wer weiß. Eine schöne Metapher mit dem Wind, zumal in Calamitas sich unser Schatten ja wie der Wind durch die Stadt bewegt hat, hin zum Garten des Opfers (oh, und da treffen wir auch unseren Gärtner wieder). Und wenn ich mich Recht entsinne, gab es da auch schon diese Metapher ähnlich zu den Messern aus Luft... *nachschau* Ahja, die Luft war hier wie tausend Klingen ^^ Das wäre wieder eine wundervolle Verbindung zu der Nacht in der die Schwester verschwand. Dem keine Menschenseele widersteht wollte ich zu Anfang eigentlich im typischen "Verführungssinne" interpretieren, doch mir scheint hier widerstehen doch etwas anderes zu bedeuten, vor allem in Hinblick auf die letzte Zeile dieser Strophe. Man kann dem Tode keinen Widerstand leisten. Mich erinnert das an eine Folge aus der Serie Charmed, wo ein Hauptcharakter dem Tod begegnet und ihn als böse ansieht und versucht seine nächsten Opfer zu retten. Letztendlich muss sie dann aber einsehen, dass sie am Lauf der Dinge auch nichts ändern kann und wenn der Zeitpunkt da ist, dann ist er da. Die Zeit ist sogesehen für diese Seele verinnt. Traurig ist es trotzdem, dass ein Leben, das 9 Monate keimen muss, ein Leben lang sich entwickelt im nächsten Augenblick zu Ende sein kann. Teuer ist es wirklich, denn es braucht Zeit um das zu sein, was es zum Zeitpunkt des Todes ist.
Wieder zwei Kreuzreime und diesmal kein einziger Silbenbruch.
Und letzte Nacht er wieder ist geglitten,
der Schatten, der ein jedes Licht verschlingt;
dem Opfer naht er auf tonlosen Schritten
und es mit seinem kalten Arm durchdringt.
Oh, eine Anapher in der ersten Zeile, was eine Parallelität zum Geschehen davor herstellt. Sogesehen gehören diese Strophen wohl zusammen, was auch inhaltlich Sinn ergibt. Das Wort geglitten passt auch sehr schön zu diesem "schleichenden" Vorangehen. Man kann es aber auch mit dem ersten Gedicht in Verbindung setzen, wo der Tod einen Fluss entlang im Boot geglitten ist. Vor allem ist hier auch wieder die Rede von dem Schatten. Wenn ich mich richtig erinnere, ist er auch plötzlich im Garten der Schwester aufgetaucht, also hat sich ihr auf tonlosen Schritten genähert.
Der kalte Arm hier klingt für mich ganz nach der Sense des Todes <3 Sie kann die Luft auch wie Messer oder Klingen durchdringen, aber ist auf jeden Fall des Todes "Arm", sein Werkzeug, seine rechte Hand. Die Strophe insgesamt erinnert mich wirklich stark an das erste Gedicht der Reihe, sowie auch an die Einführung des zweiten Gedichts. Alles erzählt vom selben Vorgang und du hast es echt toll geschaft, die selbe Situation immer wieder neu zu verpacken.
Kreuzreim, wie vorhin, was natürlich die Parallelität der beiden Strophen unterstützt. Sowie auch die gleiche Silbenanzahl nicht nur durch die vier Verse hindurch, sondern auch gleich zur Strophe vorher.
Den gold'nen Stern vom Firmament gerissen,
den silbernen der Henker hat erschüttert.
Er offenbart nicht kleinsten Hauch Gewissen
und tiefster Menschenhass ihn weiter füttert.
Mh... ich denke die erste Zeile hat natürlich auf viele den Eindruck, dass ein Lichtlein erlischt bzw. ein Leben. Für mich als Sailormoonfan hat es gleich eine doppelte Bedeutung. Und auch wenn du es nicht hören willst, so schweife ich mal aus :P Jeder Mensch besitzt so etwas wie einen Sternenkristall in sich, sowas wie eine Essenz der Seele. Dieser Sternenristall stammt aus Cauldron, dem großen Kessel des Chaos, aus dem alles Leben entstand. Wenn man stirbt, wandert die Seele in den Kessel zurück und durch Zufall entsteht auch wieder neues Leben. Zum Kessel selber gibt es noch mythologische Hintergründe, aber die sind irrelevant. Hier geht es ja eher um den Sternenkristall. Wie dem auch sei, es war immer mit sehr viel Schmerz verbunden, wenn man versucht hat jemandem den Sternenkristall zu entreissen, weswegen die erste Zeile in mir gleich ein sehr unangenehmes Gefühl geweckt hat.
Schön finde ich die Formulierung der dritten Zeile, da sie nichts darüber aussagt, ob er ein Gewissen hat. Nur, dass dieses nicht offenbart wird. Das lässt auch Gedanken spielen... macht es dem Tod was aus zu töten? Was mich zur nächsten Zeile führt. Die ist doppeldeutig. Ist es der Hass der Menschen gegen ihn, der ihn weiter antreibt oder hasst er die Menschen? Wenn er sie hasst, dann wieso? Was bewegt ihn im Innersten dazu das Leben zu beenden. Tiefster Menschenhass. Ein Superlativ, der darauf hindeutet, dass da etwas großes verwurzelt sein muss. Zudem wirft sich hier die Frage auf, wenn der Hass aufhört, hört der Tod dann auch auf? oder wäre das Ende des Sterbens sein eigener Tod? Vielleicht ist er auch nur selber eines der Opfer, das stillsteht und gefangen ist in einer auswegslosen Situation. Ja, ich habe Mitleid mit dem Tod, das hatte ich schon immer.
Reimschema wie oben und nur eine Silbe mehr pro Zeile, ansonsten regelmässig. Die Strophe setzt sich nur leicht von den vorherigen zwei ab, was aber nur zeigt, dass sie nicht mehr direkt parallel zu sehen ist.
Oh, lass Silber Goldes Dämmerlicht empfangen;
geboren sei der Strahl, der alle Schatten blende!
So möge diese Kraft den Schwarzen Schlächter bannen,
auf dass jahrtausendalte Folter endlich ende!
Und die letzte Strophe beginnt und endet mit einem Ausruf. Erinnert mich etwas an die Form von Gebeten. Hier eigentlich sogar recht passend, allein schon wegen Verbformen wie "lass" und "möge". Wir wünschen uns also Licht und eher helles gleisendes Licht, den Silber erinnert weniger an Sonne. Außerdem muss ich da an ein Schwert denken, dass einen dunklen Mantel durchschneidet, sodass Licht durchdringen kann. Und das herbeigewünschte Licht soll die Schatten blenden, in der nächsten Strophe bezogen auf den Tod selber sogar bannen. Eine Steigerung in der Wortwahl, nichtsdestotrotz wird hier nicht von vernichten und verschwinden gesprochen, was wohl auf die alte Weisheit deutet "Ohne Licht kein Schatten und wo Licht ist, da ist auch Schatten". Das heißt den Tod kann man niemals endgültig loswerden. Aber vertreiben wollen wir ihn. Hier kommt mir der Gedanke auf, gab es im Paradies den Tod? Eher nicht, dort herrscht ja ewiges Leben. Vielleicht ist das Licht, der Strahl und diese Kraft, von der die Rede ist, ja auch nur die Erlösung. Schließlich wird mit keinem Wort erwähnt, dass das Leben zurückkehren soll oder ähnliches. Nur die Folter soll beendet werden, der Schrecken, der die Opfer plagt. Wir haben ja am Anfang schon gehört, dass sie vom Nichts befreit werden wollen.
Nur ein Kreuzreim hier, aber dafür ein richtig starker, denn der endet recht passend mit einer weiblichen Kadenz, also einer unbetonten Silbe. Das passt ziemlich gut als letzter Aufruf, zumindest beim Lesen hat es das Gedicht sehr gut abgerundet.
Alles zusammen eine würdige Fortsetzung, wenn auch etwas kürzer als Nummer zwei. Inhaltlich viele schöne Parallelen zu beiden Vorgängern und trotzdem eine ganz eigene Geschichte, die auch neue Gedanken und Fragen aufwirft. Gute Wortwahl, passende Wortwiederholungen (Opfer am Anfang und am Ende) und auch die Metapher mit der Zeit taucht immer wieder auf. Die letzte Strophe schafft außerdem eine schöne Abrundung zur ersten, denn dort wird das Wunder erwähnt, das vom Nichts befreien soll und am Ende wird das noch einmal in Worte und Ausrufe gesetzt.
Ich muss zugeben, ich hab die Schwestern vermisst, lol. Ist jetzt keine Kritik an diesem Werk, aber ich wollte es erwähnt haben.
Warte wie immer sehnsüchtig auf die Fortsetzung, vor allem aber bin ich gespannt wie diese Geschichte denn irgendwannmal endet. Aber das Ende soll mir in jeglicher Hinsicht fern bleiben, denn ich erfreue mich im Moment dem Fortgang ♥