Es wurde immer kälter und man brauchte kein Hellseher zu sein, um zu erraten, dass die Krieger der Vorhut schon bald so hoch auf ihrem Weg in die Berge sein würden, dass sie die Schneefallgrenze überschreiten konnten. Der Maskierte nutzte diese Zeit, von der er nicht wusste, wie viele Tage se noch anhalten würde, bevor die ganze Umgebung unter einer weißen Decke begraben war und die Kälte noch um ein gutes Stück steigen würde, um zu Josef, dem hünenhaften Koch zu treten und ihm vorschlug, zusammen jagen zu gehen, ehe es aufgrund des stetig näher kommenden Schnees nur noch wenige Beutetiere in den Wäldern des Berghanges geben würde. Der Koch, welchen der Gesichtslose noch immer ein wenig seltsam fand, stimmte dem Vorschlag zu und gemeinsam setzten sie sich für wenige Stunden von der Gruppe ab. Es stellte sich heraus, das der vermummte Landstreicher trotz seiner klirrenden Höllenklingen kein ungeschickter Jäger war, zumindest solange er seine Klingen zusammengezogen fest an den Rücken drückte. Fixieren konnte er sie nicht, da er sie benötigte, um aufgeschreckte Kaninchen mit einem blitzschnellen Hieb zu erlegen, dem selbst die flinken Langohren kaum mehr ausweichen konnten, sofern sie in seinem Radius waren.
Schon bald hatten die beiden um die zehn Kaninchen erlegt und Josef behauptete, dass dies reichen würde, um der Gruppe ein üppiges Mahl vorzusetzen und alle satt zu bekommen. Der Maskierte interessierte sich eher für das Fell der Tiere und nachdem beide zur Vorhut zurückgekehrt waren, machte sich der Gesichtslose auch sofort daran, die Tiere, mit Hilfe seines Dolches zu häuten und auszunehmen, damit der Koch es bei seiner Arbeit leichter hatte. Auch wenn ihm diese Arbeit nicht sonderlich gefiel, erledigte er sie zügig und machte sich auch sofort nach Beendigung dieser mit den blutigen Fellen und den Abfällen, die Josef nicht verarbeiten wollte, wieder auf in den Wald, wo er die Abfälle an mehreren Stellen in kleineren Mengen unter losem Blattwerk entsorgte. So würden sie nicht so schnell zu stinken anfangen, auch wenn der niedrige Temperatur der Umgebung das mit verhindern sollte und Raubtiere würden die Reste schnell finden und beseitigen.
Anschließend begab er sich zu einem kleinen Bach mit klarem, aber eisigem Wasser, wo er die Felle und seine Oberbekleidung, die er bei der blutigen Arbeit leicht eingesaut hatte, zu reinigen, allerdings, ohne die Kleidung abzulegen. Nachdem er die Felle gewissenhaft vom Blut und sonstigen Resten befreit hatte, machte er sich zurück auf den Rückweg. Kaum angekommen, legte er die Felle auf einen Haufen, damit die anderen sie sich nehmen konnten, mittlerweile war es Abend geworden und die Vorhut würde ohnehin rasten. Nur vier der zehn Felle nahm der Maskierte an sich und begann damit, nachdem er den schweren Umhang abgelegt hatte, sie an dessen Innenseite, mit groben Stichen zu befestigen. Die Schulterpartien, die ohnehin schon mit Tierfellen gepolstert waren, um ihn ein wenig mehr Masse anzudichten, ließ er dabei natürlich aus. So hatte er es schon jeden Winter gehalten. Im Herbst ging er auf die Jagt und nähte die Felle der Tiere, vorwiegend Kaninchen als wärmendes Futter in seinen Umhang. Im Frühjahr, sobald es wärmer wurde, nahm er sie dann heraus und gab sie weiter oder verkaufte sie. Meistens konnte er damit einen Schlafplatz für ein oder zwei Nächte und ein paar Mahlzeiten herausschlagen. Dank des grobmaschigen Gewebe seines Umhangs, sah man an diesem hinterher auch die Löcher des Fadens nicht mehr.
Flaime hielt sich hingegen zu 99% der Zeit über in der Mitte der Gruppe auf. Ihr wurde zunehmend kälter, ihr gelber Umhang war dreckig und wärmte auch nicht mehr sonderlich. Das musste eben de Körperwärme der anderen helfen. Trotzdem spürte sie ihre zunehmend schneller kommende Müdigkeit, die laufende Nase und auch die blassblauen Finger waren ein deutliches Zeichen dafür, dass es eindeutig zu kalt für die empfindliche Feuermagierin war. Sie dankte Gott dafür, dass sie sich eine dicke Hose eingepackt hatte. Mit ihrem Kampfanzug, der nur bis unter die Oberschenkel reichte, wäre sie schon längst erfroren.
Als der Ritter dann mit einigen Fellen zurückkam, witterte sie ihre Chance. Sie nahm sich drei der Felle, mit dem innerlichen Kommentar, dass ihr jetzt bloß keiner blöd kommen sollte, und setzte sich, als die Gruppe endlich Rast machte, auf einen Stein in der Nähe des Feuers. Sie war keine begabte Näherin. Mit ihrem Breitschwert war sie nicht auf Geschicklichkeit angewiesen, und außerdem hatte sie öfters mal den Nähunterricht geschwänzt, um Magie zu üben. Jetzt war ihr klar, dass es eine verdammt noch mal schlechte Idee gewesen war. Zitternd versuchte sie, eine Nadel in das Fell zu stechen, hatte aber nicht die nötige Kraft (ihre Finger ließen sich nicht mehr wirklich kontrollieren) um hindurchzukommen. Seufzend legte sie die Felle beiseite und beschwor eine kleine Flamme, die durch die Kälte um sie herum aber wieder schrumpfte. Also besann sie sich eines Besseren und versuchte durch Reiben ihrer Hände diese ein wenig aufzuwärmen.
Der Maskierte hatte zwar bemerkt, dass auch Flaime sich an den Fellen bedient hatte, aber nicht weiter darauf reagiert. Dafür hatte er die restlichen ja ausgelegt und die Feuermagierin hatte sich schon am ersten Abend in den Bergen als kälteempfindlicher erwiesen. Als er nun aber bemerkte, wie ungeschickt sich die Feuermagierin anstellte, musste er unweigerlich schmunzeln, was man dank seiner Maske aber nur an seinen Augen erkennen konnte. Sie hatte wohl wirklich Probleme, was ihn bei einem Mädchen aus reichem Hause aber nicht verwunderte. Nach einer Weile legte sie die Felle zur Seite und erschuf eine Flamme, wohl, um ihre Hände zu wärmen. Für den Vermummten war damit klar, dass er der Rothaarigen besser helfen sollte, wenn sie diese Nacht noch fertig werden sollte. Aber er wartete, bis sie ihre auf ihn so angsteinflößende Magie hatte erlöschen lassen, bevor er von hinten an sie herantrat und ihr einfach seinen eigenen Umhang, den er ja selbst erst gefüttert hatte, über die Schultern legte, bevor er unaufgefordert ihre Felle und das Nähzeug nahm und sich damit neben ihr niederließ. „Was möchtest du denn daraus machen?“, erkundigte er sich höflich und blickte die ehemalige Soldatin mit einem aufmunternden Lächeln in den Augen an, „Ich bin zwar auch kein Schneidermeister, aber ich bekomme das meiste hin. Solange dir es egal ist, ob die Nähte etwas unsauber geraten, kann ich dir also gerne helfen.“
Als ein fellgefütterter, warmer Umhang über ihre Schultern fiel, bekam sie augenblicklich eine Gänsehaut, die zog sich über ihre Arme und den gesamten Rücken herunter. Flaime schüttelte sich schnell, schlang dann aber das Kleidungstück enger um sich, seufzte zufrieden. Der Maskierte nahm sich die Felle, die er zuvor auch besorgt hatte, und um ein Haar hätte der Leutnant ihn angefahren, dass das ihre Felle wären und er gefälligst seine Pfoten davon lassen sollte (Es lag nicht daran, dass sie ihm nicht traute oder ihn nicht mochte, ganz im Gegenteil, nur war ihre Laune buchstäblich am Nullpunkt angelangt und jede noch so kleine Auseinandersetzung würde ihr Blut zum Kochen bringen.) als er fragte, was sie denn plane aus den Fellen herzustellen. Sein freundlicher Tonfall ließ die unterschwellige Aggression wieder abflauen.
„Ich bräuchte Handschuhe. Den Rest... Falls es einen gibt, meine ich, könnte ich für meine Ärmel gebrauchen.“, erklärte sie. Dankbar merkte sie noch an, dass unsauber und warm sehr viel besser als Eisfinger war.
„Ich fürchte für richtige Handschuhe reicht mein sehr beschränktes Geschick mit der Nadel nicht aus, aber es würde reichen, um zwei kleine Säckchen herauszubekommen, die du dir um die Hände binden kannst. Wie gesagt, nicht schön, aber es würde wärmen.“, erwiderte er schmunzelnd. Er war bei Leibe kein begabter Schneider oder sonderlich geschickt mit der Nadel, aber in den Jahren, die er nun schon allein unterwegs war, hatte er sich doch das ein oder andere angeeignet. Trotzdem lagen ihm grobe Sachen, wie Holzhacken oder allgemein Dinge, wo er von seine Kraft profitieren konnte, eher. Nun nähte der Maskierte eines der Felle an den Ränder zusammen, sodass er ein kompaktes Stück ohne abstehende Pfoten oder Löcher bekam, welches er an den Rändern raffte und der Soldatin um die linke Hand band. „Bevor du kämpfst oder etwas mit deinen Händen machst, muss du die natürlich abnehmen.“, erklärte er, während er mit einem weiteren Fell genauso fortfuhr. Von den beiden Säckchen blieb sogar noch Fell übrig. Diese beiden Teile band der Landstreicher seiner Gesprächspartnerin um einen Unterarm, nachdem er beide Teile mit einer groben Naht verbunden hatte. Das letzte, bisher unbenutzte Fell, wickelte er ihr um den anderen Arm. „Es erfüllt höchstwahrscheinlich nicht deine Erwartungen, aber mehr bring ich nicht zu Stande und für mich zählt auch immer, dass sich die Fälle mit so wenig Veränderungen wie möglich noch am besten verkaufen lassen, sobald ich sie nicht mehr brauche. Wenn ich Glück hab, reicht es bei mir nach dem Winter für ein oder zwei warme Mahlzeiten und ein paar Nächte in einer trockenen Unterkunft. Wenn ich ganz großes Glück habe, springt sogar gelegentlich ein Bett dabei für mich heraus.“ Er lachte bei dem Gedanken, wie befremdlich seine Lebensweise dem Mädchen aus reichem Hause vorkommen musste. Dann lehnte er sich zurück und atmete tief aus. Sein Atem schwebte als weißes Wölkchen noch einen Moment über seinem Kopf, bevor es sich auflöste. Der Vermummte folgte mit den Augen dem Wölkchen, bis es verschwand, ehe er wieder Flaime ansah. „Es würde mich interessieren, wie deine Winter bisher waren, nachdem du ja nicht permanent in der verschneiten Welt herumwanderst. Natürlich nur , wenn es dir recht ist, mir davon zu erzählen.“, meinte er mit einem freundlichen Lächeln. Für ihn war die Welt eines Reichen genauso schwer zu verstehen, wie wohl für Leute wie die Feuermagierin sein abgeschiedenes Leben.
Flaime versuchte so still wie möglich zu halten, als der Maskierte sich schließlich daran machte, ihr zu helfen. „ K-Kein P-Problem. Ha-Hauptsache es hält warm.“ Das sagt sie nicht nur so, sie meinte es auch. In diesem Moment war sie heilfroh, dass der Ritter Teil der Gruppe war, auch wenn sie noch immer nicht wusste, wie er heißt, und er im Grunde genommen ja eigentlich ein recht furchteinflößender Genosse war. Nichtsdestotrotz, er hatte ihr das Leben gerettet, und jetzt sorgte er auch noch dafür, dass sie nicht erfror. Er erzählte von seinem Leben während des Winters, und erkundigte sich dann auch bei ihr.
„ Was ich so getan habe? Schwer zu sagen…“ Sie stockte kurz, Flaimes Gedächtnis war nie das Beste gewesen. „ Ich glaube, es war nicht viel anders von meinem sonstigen Leben. Ich trug mehrere Schichten Klamotten, darüber ein hübsches Kleid, einen Mantel, ein paar Schleifen unter ner Mütze versteckt… Ansonsten war es so wie immer. Nur dass Magietraining im Winter angenehmer war als im Sommer. Du weißt schon, doppelte Hitze und so.“ Sie begann zu kichern. Die Trainingshalle war im Sommer so unheimlich stickig gewesen, dass sie ab und an umgekippt war. Schöne Erinnerungen, hach ja…
„ Ansonsten war es immer das gleiche. Mutter und Vater waren häufiger weg, die Nannys nervten mich mit Gesangs-, Tanz- und sonstigem vollkommen unnützem Unterricht, ich schlich mich weg und trainierte mit dem örtlichen Schwertkampfmeister. Danach schlich ich mich nach Hause, hörte mir die Standpauken an und verzog mich in mein Zimmer. Ja, so ungefähr lief das ab.“
„Es ist schön, wenn jemand bereit ist sein Wissen mit einem zu teilen.“, bestätigte der Vermummte mit einem warmen Lächeln in den Augen, „So nutzloses Zeug, wie nähen?“
Da es mittlerweile stark nach Essen roch, richtete er sich auf und verließ Flaime mit den Worten „Bin gleich wieder da.“
EDIT: Jetzt auch in Farbe erhältlich ^^"