[font=palatino]Kapitel IV: Angriff!
Teil III/III
„Evoli!“, ließ sie ihren Heuler durch die Höhle schallen. Die Angreifer schreckten zusammen und wichen etwas zurück, als das Echo mehrere Male durch die Felswände zurückgeworfen wurde. Mit aufgerissenen Augen starrten die Frettkatz-Pokémon in die Tiefe der Höhle, sie wussten, dass sich dort noch mehr Pokémon befanden und schienen für einen Moment einen Angriff aus der Dunkelheit zu erwarten. Der ohrenbetäubende Hall war verklungen und Yune schnappte eine Weile nach Luft. Erleichterung durchflutete sie und sie sackte in sich zusammen, entspannte alle Muskeln. Sie legte den Kopf auf die Vorderpfoten und wartete, aber nicht aus Angst, wie es die Sengo taten, sondern voll Erwartung.
Nichts geschah. Erneut breitete sich eine Stille aus, die nur durch das Flüstern der Bäume unterbrochen wurde, als der Wind durch den Wald strich. Die drei Eindringlinge wendeten sich langsam wieder ihrem Angreifer zu, der erschöpfter denn je auf dem Boden kauerte. Sie ließen sich auf alle Viere fallen und gerade, als ihr Anführer, seine rechte Pfote erhob, um noch einen Schritt näher zu kommen, zuckten sie aufgrund eines plötzlichen, lauten Geräusches zusammen. Verwirrt wandten sie sich um und erkannten einen schwachen Lichtschein am Ende des Ganges. Erneut hallte ein schrilles, zorniges Wiehern von den Wänden wider und im nächsten Moment erschien eine flammende Silhouette, die direkt auf die Szene zuhielt. Sie bewegte sich langsam, aber zielstrebig auf die Sengo zu.
Yune drehte nur etwas den Kopf nach hinten, damit sie sehen konnte, was sich im hinteren Teil der Höhle abspielte. Aber sie musste ihre Augen gleich wieder zusammenpressen, denn das starke, näher kommende Licht, blendete sie zuerst. Als sie wieder klar sehen konnte, erkannte sie das Gallopa, welches mit bedrohlich gesenktem Kopf auf die Sengo zukam, das Horn demonstrativ auf sie gerichtet. Mit betont langsamen Schritten, bei denen der Klang ihrer auf den Boden aufkommenden Hufe in der Höhle hallte, näherte es sich. Die großen Ohren waren gar nicht zu sehen, so eng lagen sie an ihrem Kopf und gemeinsam mit den feuerroten Augen bildeten sie ein Bild von so viel Wut, dass Yune selbst Angst bekam. Die im Schlaf auf wenige Flämmchen geschrumpfte Mähne loderte nun einen Meter hoch und wenn die Stute den Kopf nur ein wenig höher gehalten hätte, hätte diese an der Decke der Höhle geleckt. Hinter ihr zog sich eine kurze Spur von Feuer - ihr Schweif schleifte über den Boden -, welche aber nur wenige Augenblicke auf dem erdigen Boden brannte und danach wieder verlosch. Sie hinterließ eine geschwärzte Spur auf dem Boden und der Klang ihrer Hufe und das Knistern der Flammen verschmolz zu einer unsteten Melodie des Schreckens. Feuriges Licht erhellte den Gang, unstet flackerte es über die Höhlenwände und offenbarte die raue Oberfläche des Gesteins. Die Schatten der Frettkatzen hatten sich zuerst nur schwach auf dem erdigen Boden abgezeichnet, wurden aber mit jedem Schritt der Stute schärfer und deutlicher. Näher und näher kam sie den vor Angst erstarrten Sengo, die offensichtlich nicht mehr wussten, was sie tun sollten. Das Feuer erleuchtete die erschreckten Gesichter und weit aufgerissenen, roten Augen der Pokémon. Das beigefarbene Fell des Feuerpferdes schien direkt in der Dunkelheit zu strahlen. Aber sie wichen keinen Schritt zurück, sondern verharrten dort, wo sie waren. Gallopa blieb stehen, stampfte mit dem Huf auf und schnaubte ungehalten, wie eine Art letzte Warnung. Ihre roten Augen fixierten die Angreifer, eine Mischung aus Wut und Kampfbereitschaft spiegelte sich in den Iriden.
Schließlich hob sie den Kopf und öffnete das Maul, welches in einem roten Licht leuchtete. Flammen hatten sich ihren Weg von ihrem Rachen nach oben gearbeitet und schossen in einem Strahl direkt auf die drei Eindringlinge zu.
Die Höhle wurde von dem leckenden Feuer hell erleuchtet und die Schmerzensschreie der drei Frettkatz-Pokémon erfüllten die heiße Luft, als sie von dem Flammenwurf getroffen nach draußen eilten. Yune hatte die Augen erneut bei dem blendenden Licht schließen müssen und die Hitze hatte ihr das Atmen für kurze Zeit erschwert. Sie war sehr nahe an den lodernden Flammen gewesen und hatte für einen Herzschlag schon gefürchtet, ebenfalls getroffen zu werden.
Nachdem das Feuer sich aufgelöst hatte und die Hitze langsam wieder durch die Kälte der Nacht vertrieben wurde, wagte sie die Augen zu öffnen. In ihren Ohren hallten immer noch die Schreie der Sengo wider, die zwar die Flucht ergriffen hatten, aber einige Meter vor dem maulartigen Eingang Halt gemacht und knurrend, mit gesträubtem Fell am Boden kauerten. Es schien, als wären sie noch nicht bereit aufzugeben. Eine Welle der Erleichterung durchflutete Yune, ob der Erkenntnis, dass ihr Hilferuf gehörten worden war und jeder ihrer Muskeln entspannte sich augenblicklich, sie legte den Kopf auf den Boden, schloss die Augen und tat einen tiefen Atemzug, bei dem sie ihre Lungen komplett mit Luft füllte und diese danach langsam wieder ausströmen ließ. So wie die Anspannung wich, kehrte der Schlaf zurück und wollte sie schon wieder in seine warmen Arme nehmen.
„Yune? Yune, ist alles in Ordnung?“, hörte sie dann eine ihr bekannte Stimme und sie öffnete langsam die Augen. Es war Banette, welches nun neben ihr kniete und sie mit einem sorgenvollen Blick ansah. Mit der rechten Hand strich sie über das braune Fell des Evoli.
„Bist du verletzt?“, fragte die Puppe, nachdem Yune sie nur aus großen, müden braunen Augen angesehen hatte.
„Es tut nicht mehr weh, ich fühle mich nur ganz schwach“, hauchte sie und blinzelte. Ein erleichtertes Lächeln machte sich auf dem Gesicht des Geist-Pokémon breit und sie streichelte dem Evoli-Mädchen über den Kopf.
„Na, komm. Ich helf’ dir hoch, dann kannst du dich bequemer hinlegen“, meinte Banette sanft und griff mit beiden Händen um Yunes Brust, um sie so etwas aufzuheben und auf die Beine stellen zu können. Etwas wacklig stand sie schließlich, versuchte aber lieber keinen Schritt zu gehen, zumindest jetzt noch nicht.
„Danke“, erwiderte sie und die Puppe lächelte nur fröhlich. Mit der Gewissheit, dass dem Evoli-Mädchen nichts mehr passieren konnte, schwebte sie an die Seite von Gallopa, die nun mit auf die Sengo gerichtetem Horn die Höhle verließ. Die drei Angreifer waren zwar geschlagen, aber nicht besiegt und fuhren aus ihren kauernden Positionen immer wieder mit den Krallen vor ihnen durch die Luft, um das Feuerpferd auf Abstand zu halten. Doch die Stute ließ sich davon wenig beeindrucken und stieß ein paar Mal das Horn in die Richtung der Sengo. Knurrend und fauchend erwiderten diese jede Bewegung.
Nur kurz trafen sich die Blicke von Gallopa und Banette, aber das reichte aus, um der Stute mitzuteilen, dass Yune nichts passiert war und sie nun gemeinsam die Frettkatz-Pokémon in die Flucht schlagen würden. Die kühle und feuchte Nachtluft ließ die Flammenmähne verräterisch knistern, als würde sie bereits mit Vorfreude auf die nächste Attacke warten. Das Feuerpferd erstarrte mit gesenktem Kopf und nach hinten gelegten Ohren, was auch die Sengo veranlasste ihren Widerstand kurzzeitig einzustellen. Eine trügerische Stille entstand und selbst der Wald schien den Atem anzuhalten, denn kein leiser Windhauch ließ die Blätter wispern.
Yune nutzte den Moment und blickte über ihre Schulter nach hinten, um zu sehen, ob nur Gallopa und Banette oder vielleicht auch die anderen Pokémon dort waren. Diese befanden sich in einem Abstand von vier bis fünf Sprüngen hinter dem Evoli-Mädchen in der Höhle und verfolgten mit geweiteten Augen das Schauspiel. Einzig das Riolu konnte Yune nicht unter ihnen entdecken.
„Was wollt ihr?“, erklang nun die verärgerte Stimme von Gallopa und zog somit auch die Aufmerksamkeit des Evoli auf die Szene vor der Höhle. Der Anführer löste sich von seinen Kameraden und trat einen vorsichtigen Schritt nach vorne, bevor er sich vor der Stute aufrichtete, deren Horn von ihm nur noch seine Armlänge entfernt war.
„Ist das denn nicht offensichtlich?“, ließ er hämisch verlauten, gab aber nicht die Zeit zu einer Antwort und fuhr stattdessen gleich fort. „Wir wollen euer Territorium und vor allem diese Höhle. Ihr beide und euer Haufen von Welpen lebt ohnehin schon viel zu lange hier. Wir brauchen dieses Revier. Ihr könnt umziehen!“ Er streckte seine Krallen kampfbereit von sich, als wäre er nicht gewillt zu weichen.
„Gut, wenn du es nicht anders willst“, erwiderte Banette in einem ruhigen Ton und zeigte keinerlei Anzeichen von Angst gegenüber den kampfwilligen Angreifern. Ihre Körperhaltung zeigte nicht einmal, dass sie sich wehren wollte, im Gegenteil, sie schwebte ungerührt, ihre rosafarbenen Augen in dem feurigen Licht funkelnd.
„Aber ihr wolltet keinen fairen Kampf - von Anfang an nicht -, wie es üblich ist, wenn man sich für das Revier eines anderen interessiert, deshalb seid ihr nachts und heimlich gekommen“, ihre Stimme wurde immer eindringlicher und sie beobachtete jede Bewegung ihres Gegenübers. Seine Krallen begannen langsam, unscheinbar zu leuchten.
„Ich werde dir zeigen, dass niemand in der Finsternis einen Vorteil gegenüber einem Geist-Pokémon hat.“
Die Muskeln des Sengo spannten sich an, Banette erkannte die Bewegung deutlich unter dem dreckigen Fell und bereitete sich mental auf den Angriff ihres Rivalen vor.
„Wir sind Kinder der Nacht.“
Als die letzte Silbe aus dem Mund der schwarzen Puppe gekommen war und in der kalten Luft verklang, durchdrang der wilde Kampfschrei der Frettkatze die Stille. Auf den Hinterbeinen stürmte sie auf das Banette zu, die Krallen gefährlich leuchtend über Kreuz haltend.
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»Wollen sie es wirklich wagen? Aber ja, da sind sie alle! Mh... denken sie wirklich sie hätten eine Chance auf einen Ausbruch? Auf eine Flucht? Ich würde es ihnen gönnen, ihnen mehr als den anderen. Sie sind nicht freiwillig hier, alle anderen haben dieses Leben gewählt, sie nicht, sie wurden praktisch geraubt. Aber ich kenne die Antwort des Meisters schon, wenn er davon wüsste. Sein Zorn würde diesen Berg sicherlich eine ganze Weile erzittern lassen und für niemanden das Leben leichter machen. Mitnichten! Sein Verhalten ist mir so zu wider, er hebt sich in den Status eines Königs, obwohl er von den Qualitäten eines solchen keine Ahnung hat.
Aber wie sind sie so weit gekommen? Um hierher zu gelangen, müssten sie es absolut unerkannt an dem Schlaftunnel vorbei geschafft haben. Sollte Jaffar nicht heute eigentlich am Ausgang Wache halten? Spätestens dort, werden sie wohl aufgehalten werden. Mh... ich denke, ich werde unauffällig folgen. Zwar werde ich das Unvermeidbare nicht verhindern können, aber es bietet mir eine Möglichkeit, hinter die Kulissen dieser Rebellion zu blicken. Das ist mehr, als ich in naher Zukunft zu träumen gewagt hätte.«
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