Die Arbeit mit dem Tod

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  • Sollen die Leute doch aus Eigeninitiative Erfahrungen sammeln, wenn sie das möchten. Aber Menschen dazu zu verpflichten ist doch total idiotisch. Was hätte das für einen Zweck? Es gibt Menschen, die wollen sich einfach nicht mit dem Tod auseinandersetzen, wieso sollte man sie dazu zwingen? Ist doch ihre freie Entscheidung.

  • Es hätte einen ähnlichen Zweck, den auch Wehrdienst bzw. Wehrersatzdienst hatten, die zum Jahr 2012 abgeschafft wurden. Die waren, wenn man von den Ausnahmen absieht, die auf diesem Gebiet gemacht wurden, auch nicht freiwillig. Aber sie haben sehr vielen Menschen geholfen, ob bei der Berufswahl oder beim Umgang mit dem Tod. Ich habe während meiner Seminare über 100 andere Zivildienstleistende kennen gelernt, und davon waren etliche in Altenheimen und Hospizen beschäftigt. Die einen waren froh über das baldige Ende ihrer Dienstzeit, andere sind in diesem Berufszweig geblieben. Aber eine Sache hatten sie alle gemeinsam: Sie konnten auf diesem Gebiet - und dann dieser Stelle fiel so gut wie immer das Wort "endlich" - wertvolle Erfahrungen sammeln. Es gibt nun einmal Themen, mit denen man sich früher oder später befassen muss, ob man das will oder nicht. Man kann sich natürlich auch vor solchen Lebenserfahrungen drücken, aber dann darf man sich nicht wundern, wenn sie einen hinterher nur noch härter erwischen.


    Und bezüglich der "Entwürdigung": Ich empfehle jedem, sich zum Beispiel mal von Seniorenpflegeheimen ein genaues Bild zu machen. Der Lebensstil, den manche Menschen da pflegen müssen, ist dermaßen unter aller Würde, dass jemand, der einen Monat lang Erfahrungen sammelt, noch das kleinste Übel ist.

  • Aber eine Sache hatten sie alle gemeinsam: Sie konnten auf diesem Gebiet - und dann dieser Stelle fiel so gut wie immer das Wort "endlich" - wertvolle Erfahrungen sammeln. Es gibt nun einmal Themen, mit denen man sich früher oder später befassen muss, ob man das will oder nicht. Man kann sich natürlich auch vor solchen Lebenserfahrungen drücken, aber dann darf man sich nicht wundern, wenn sie einen hinterher nur noch härter erwischen.

    Natürlich konnten sie Erfahrungen sammeln. Aber die hätten sie auch sammeln können, wenn das Ganze freiwillig gewesen wäre. Ich will mich nicht vom Staat dazu verpflichten lassen, mich mit dem Tod auseinanderzusetzen, nur weil mir das eventuell helfen könnte. Ich finde es grausam, Leuten diese Erfahrung aufzudrängen, wenn sie das gar nicht wollen. Und nur weil ich irgendwann mal sterbe, heißt das, dass ich mich mit 18 Jahren mit sterbenden Menschen beschäftigen muss? Was ist denn das für eine Logik? Und inwiefern hilft mir das im Leben weiter? Welche Erfahrungen kann ich daraus für mich ableiten?
    Ich glaube auch nicht, dass der Tod mich härter erwischt, nur weil ich noch nie im Altersheim gearbeitet habe.
    Erfahrungen sammeln hin oder her, der Staat ist nicht dafür zuständig, mir vorzuschreiben, welche Erfahrungen ich sammeln muss. Vor allem, wenn ich sie gar nicht sammeln will.

  • Die Tatsache, dass die meisten Menschen sich unter keinen Umständen mit dem Tod befassen wollen, ist meiner Meinung nach dem Umstand geschuldet, dass dieses Thema in unserer Gesellschaft immer noch wie ein Tabu behandelt wird. Und das wiegt in der Zeit, in der man behauptet, allen möglichen Themen gegenüber tolerant zu sein, doppelt schwer.


    Ich kann auf diesem Gebiet natürlich nur auf meine persönlichen Erfahrungen zurückgreifen. Aber das ist in meinen Augen schon einmal wesentlich mehr Wert als nichtsnutzige Pauschalisierungen. Auf persönlicher Ebene habe ich meine Großeltern und einige Freunde sterben sehen, und auch auf beruflicher Basis bin ich schon sehr oft mit dem Tod konfrontiert worden: Bewohner eines Seniorenpflegeheims, denen man eigentlich nur das Essen vorbeibringen wollte, lagen plötzlich tot im Bett, und Angehörige, die benachrichtigt wurden und kurz darauf vorbeigekommen sind, wollten unbedingt ein Gespräch unter vier Augen. Genau solche Situationen sind es, an denen man wachsen kann.


    Gut, vielleicht war es ein bisschen zu hoch gegriffen, so einen Dienst als Pflicht zu fordern, aber für einen Bundesfreiwilligendienst oder ein FSJ finden sich leider immer weniger Leute, was angesichts der schlechten Bezahlung aber auch alles andere als verwunderlich ist. Trotzdem kann ich nur jedem empfehlen, solche Erfahrungen zu machen. Fast alle, mit denen ich auf Seminaren über dieses Thema gesprochen habe - und das waren, wie ich, so gut wie alles Leute, die vorher meinten, dass sie nie in der Lage wären, so einen Job bewerkstelligen zu können - äußern sich mittlerweile positiv über ihre Erfahrungen. Bei mir hat diese Zeit dazu geführt, dass ich keine Angst mehr vor dem Tod habe.

  • Sollen die Leute doch aus Eigeninitiative Erfahrungen sammeln, wenn sie das möchten. Aber Menschen dazu zu verpflichten ist doch total idiotisch. Was hätte das für einen Zweck? Es gibt Menschen, die wollen sich einfach nicht mit dem Tod auseinandersetzen, wieso sollte man sie dazu zwingen? Ist doch ihre freie Entscheidung.


    Man kann sich nicht, nicht mit dem tot auseinandersetzen.
    Den Tod zu ignorieren oder auszublenden scheint mir die strategie dieser Menschen zu sein.
    Ich halte das für keine kluge herangehensweise, aus welcher sicher auch viel leid entstehen kann.
    Stichwort Ignoranz und Verblendung.

  • Gut, vielleicht war es ein bisschen zu hoch gegriffen, so einen Dienst als Pflicht zu fordern, aber für einen Bundesfreiwilligendienst oder ein FSJ finden sich leider immer weniger Leute, was angesichts der schlechten Bezahlung aber auch alles andere als verwunderlich ist.

    Ich sehe es durchaus als Fehler an, dass das nun freiwillig ist. Ein solches Jahr, und zwar für Männer und Frauen, hätte durchaus Vorteile. Zumindest würden dann mehr Menschen auf die Probleme in Pflegeheimen aufmerksam werden und vielleicht würde sich ja dann noch eher etwas daran ändern. Dass Pflegekräfte fehlen ist ja auch nicht erst seit heute bekannt.

    Er wandte sich an Gucky: "Der Kommandant hat mich gewarnt für den Fall, dass du bei den Ankömmlingen sein würdest. Deine Kommentare würden schwer zu verstehen sein, weil du in einer Art zwanghaften Humors gefangen bist." Perry Rhodan #3133, Seite 55

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  • Zumindest würden dann mehr Menschen auf die Probleme in Pflegeheimen aufmerksam werden und vielleicht würde sich ja dann noch eher etwas daran ändern. Dass Pflegekräfte fehlen ist ja auch nicht erst seit heute bekannt.

    Die Politik richtet sich leider bei vielen angelegenheiten nach der Wirtschaft, und die interessen der wirtschaft sind leider nicht deckungsgleich mit den bedürfnissen der Menschen.



    Ist ja im Grunde kein Ding Pflegeberufe angenehmer zu gestalten - logisch dass das kaum jemand ausüben will, wenn man wenig verdient und als mann kaum ne familie mit dem job ernähren kann - außerdem, wer hat schon lust jedes wochenende zu arbeiten?


    Gibt ja so ein lustiges gedankenexperiment:


    Was wär einem lieber?
    Wenn auf einen schlag alle Leute aus dem Pflegebereich tot umfallen, oder aber alle Bänker und Finanzheinis? xD

  • Es heißt Bundesfreiwilligendienst, weil es freiwillig ist. Das ist gut so.
    Natürlich kann man an vielen Dingen wachsen. Ich denke aber nicht, dass der Staat das managen sollte. Denn erstens ist das wieder eine absolute Kompetenzüberschreitung und zweitens verstößt es absolut gegen die Würde der sterbenden Menschen, sie zum Anschauungsobjekt zu machen, damit junge Menschen am Thema Tod wachsen können.
    Was soll denn der Staat noch für uns tun? Uns unser Spielzeug wegnehmen, damit wir lernen, mit Verlust umzugehen? Uns in einen Schlachtbetrieb führen, damit wir sehen, was Fleischkonsum bedeutet? Das ist nicht Aufgabe des Staates.
    An sich ist der verpflichtende Sozialdienst eine schöne Idee, aber der Wegfall desselben ist nicht der Grund, warum der Pflegeberuf scheiße dasteht. Ein Arbeitgeber kann sich nicht um eine faire Bezahlung drücken, nur weil er keine billigen Abiturienten mehr bekommt. Der Staat muss gewährleisten, dass sich von einem Pflegeberuf gut leben lässt.
    All in all: Ich persönlich möchte nicht von den Feldjägern abgeholt und an das Bett einer 83-jährigen gestellt werden, um ihr beim Sterben zuzuschauen. Meine Erfahrung geht den Staat nichts an. Mein Umgang mit dem Tod ebenso nicht.


    Dass das Thema Tod Tabu ist, denke ich nicht. In beinahe jedem Kinderfilm von Disney ist ein Elternteil verstorben oder stirbt sogar während des Films. Man spricht darüber auch oft in der Schule oder sieht Dinge dazu im Fernsehen. Man bekommt es in der eigenen Familie oder am Wohnort mit. Dass man natürlich nicht seiner Oma auf die Schulter klopft und sagt "Hey Omma, du machst ja bald nen Abgang. Haste eigentlich schon die Sache mit deinem Eigenheim geregelt?!" ist klar.

  • aber für einen Bundesfreiwilligendienst oder ein FSJ finden sich leider immer weniger Leute, was angesichts der schlechten Bezahlung aber auch alles andere als verwunderlich ist.

    Nicht umsonst kommt "freiwillig" in beiden Wörtern vor.


    Genau solche Situationen sind es, an denen man wachsen kann.

    Ja, man kann auch an unzähligen anderen Situationen wachsen, bedeutet jedoch nicht, dass man sie als staatlich angeordnete Pflicht einführen muss. Ist jedem selbst überlassen.


    Man kann sich nicht, nicht mit dem tot auseinandersetzen.
    Den Tod zu ignorieren oder auszublenden scheint mir die strategie dieser Menschen zu sein.
    Ich halte das für keine kluge herangehensweise, aus welcher sicher auch viel leid entstehen kann.
    Stichwort Ignoranz und Verblendung.

    Wenn man das doch eh nicht nicht kann, sehe ich das Problem nicht. Dann braucht es das doch gar nicht. Es ist nicht deine Sache, darüber zu urteilen, wie sich Leute mit dem Tod auseinandersetzen. Wenn Menschen das Thema so lange wie möglich aufschieben wollen, dann ist das ihre Sache. Und wenn sie das glücklich macht, hat ihnen da niemand reinzureden.


    Ich sehe es durchaus als Fehler an, dass das nun freiwillig ist. Ein solches Jahr, und zwar für Männer und Frauen, hätte durchaus Vorteile. Zumindest würden dann mehr Menschen auf die Probleme in Pflegeheimen aufmerksam werden und vielleicht würde sich ja dann noch eher etwas daran ändern. Dass Pflegekräfte fehlen ist ja auch nicht erst seit heute bekannt.

    Dann soll man eben den Beruf des Pflegers attraktiver machen und nicht dafür sorgen, dass jeder Mensch zwangsläufig ein Jahr in diesem Beruf arbeiten muss. Man kann auch anders auf Dinge aufmerksam machen, man muss nicht alles per Gesetz regeln oder Leute in irgendetwas zwängen, worauf sie überhaupt keine Lust haben.


    Die Politik richtet sich leider bei vielen angelegenheiten nach der Wirtschaft, und die interessen der wirtschaft sind leider nicht deckungsgleich mit den bedürfnissen der Menschen.

    Was, wenn nicht die Bedürfnisse der Menschen lenkt denn die Wirtschaft? xD

  • Wer, wenn nicht die Bedürfnisse der Menschen lenkt denn die Wirtschaft? xD

    Die ''Wirtschaft'' erschafft doch ständig neue künstliche Bedürfnisse.
    Wenn ein Anti Schuppen Shampoo das halten würde was es verspricht...aber jedes halbe jahr kommt ein shampoo oder ne zahnpasta raus die noch superer ist und man auf jeden fall kaufen sollte! Bullshit!
    Werbung spielt mit den sehnsüchten und gefühlen der Menschen - das ist pervers.

  • Die ''Wirtschaft'' erschafft doch ständig neue künstliche Bedürfnisse.Wenn ein Anti Schuppen Shampoo das halten würde was es verspricht...aber jedes halbe jahr kommt ein shampoo oder ne zahnpasta raus die noch superer ist und man auf jeden fall kaufen sollte! Bullshit!
    Werbung spielt mit den sehnsüchten und gefühlen der Menschen - das ist pervers.

    Warum steht "Wirtschaft" da in Anführungszeichen? Und was unterscheidet ein künstliches Bedürfnis von einem, ich schätze mal, natürlichen? Hat die "Wirtschaft" dir auch eingepflanzt, dass du Pokémon nice finden sollst?
    Kein Mensch befiehlt dir, eine bestimmte Zahnpasta zu kaufen. Das hat mit Perversion überhaupt nichts zu tun.


    Natürlich richtet sich die Politik an der Wirtschaft aus. Natürlich könnte "die Politik" ja auch sagen: Geil, Kohle, kommt, wir bauen einen Wasserpark so groß wie Meckpomm. Dann ist das Geld halt auch schnell wieder weg. Damit wir aber auch in zwei Jahren noch Geld haben, sollte man vielleicht dafür sorgen, dass nicht alle Unternehmen pleite machen.
    Auch das ist im Sinne der Menschen. Dass aber die Wirtschaft bei dir ungleich den Menschen ist, zeigt schon wieder, dass du offenbar ganz genau weißt, wer die Fäden zieht.


    Niemand soll tot umfallen, weder "Bänker" noch Pfleger. Was sind das denn auch für Gedankenspiele, gütiger Gott.. xD

  • Zumindest würden dann mehr Menschen auf die Probleme in Pflegeheimen aufmerksam werden und vielleicht würde sich ja dann noch eher etwas daran ändern. Dass Pflegekräfte fehlen ist ja auch nicht erst seit heute bekannt.


    Was gehen mich denn bitte die Probleme in Pflegeheimen an? Wenn man sich mit diesen Problemen auseinandersetzen will kommt man übrigens nicht drum herum sich mit dem Thema Sterbehilfe zu befassen. In meinen Augen ist es, so kalt es auch klingen mag (und ich bin ganz bestimmt nicht gefühlskalt), schlicht Unsinn z.B. alte Menschen mit stark fortgeschrittener Demenz künstlich am Leben zu erhalten. Dahinter steht eine Ideologie, die ich absolut nicht teile und für die ich nicht bereit bin, selbst ein Teil meines Lebens zu opfern (in dem ich eben ein Jahr zwangsweise in einem Pflegeheim arbeite). Aber gut, das ist jetzt etwas Offtopic.



    Mich würde aber vor allem interessieren was es ganz konkret bringt, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Was hätte ich bitte davon, Menschen in einem Hospiz beim Sterben zuzusehen? Was soll mir das im Leben bringen? Inwiefern würde ich dadurch besser mit dem Tod umgehen? Mal davon abgesehen, dass es den Staat nicht zu interessieren hat, wie ich mit dem Tod umgehe (solange ich gesetzeskonform lebe).

  • Was gehen mich denn bitte die Probleme in Pflegeheimen an?

    Ja eben, genau das meine ich. :D So sehen es die meisten... bis es sie dann irgendwann selbst bzw. Angehörige betrifft. Zur Sterbehilfe gibts ansonsten ein eigenes Topic.


    Zum anderen angesprochenen Punkt kann ich allerdings nichts sagen. In Pflegeheimen wird man zwar mit dem Tod konfrontiert und so gesehen passt es auch zum Thema, aber man arbeitet ja letztendlich mit den lebenden Menschen.

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  • Ich denke, Menschen beim Sterben zuzuschauen ist nichts, wozu der Staat seine Bürger zwingen sollte oder darf. Der Staat ist keine Erziehungsanstalt für die darin lebenden Menschen. Jeder hat selbst darüber zu entscheiden, ob und wie er sich mit dem Tod auseinandersetzen möchte. Ich sehe da auch keinen Bedarf an einer solchen Überfürsorglichkeit des Staates, ich habe kein Interesse daran, mich mit dem Tod auseinanderzusetzen, ich verschwende äußerst selten auch nur einen Gedanken an den Tod.
    Außerdem finde ich es merkwürdig, wie das jetzt schon mehrfach vorgebrachte Argument, es verletze die Würde sterbender Menschen, wenn man Leute zum Gaffen hinschickt, einfach übergangen wird. Es geht um die Würde des Menschen, und die ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Grundgesetz Artikel 1.
    Auch lustig: Wenn der Staat vorschreiben möchte, dass an einem Tag pro Woche in deutschen Kantinen kein Fleisch angeboten wird, jaulen alle auf. Man kann uns doch unser Fleisch nicht wegnehmen! Trotzdem wird an hundert anderen Stellen dann der Staat herangezerrt, wenn es um die Bevormundung anderer Menschen geht, wie etwa in konkretem Beispiel mit dem "Todesunterricht", oder wie man es nennen möchte.


    Dass es wenig Pflegepersonal gibt, könnte auch an der miserablen Bezahlung und den furchtbaren Arbeitsbedingungen liegen. Da müsste Vater Staat viel eher eingreifen, mit Mindestlohn und co., anstatt seine Bürger zum Frondienst zu verdonnern.

  • In der unbändigen Hoffnung, vielleicht diesmal richtig verstanden zu werden: Es ging mir nie darum, Menschen in ein Seniorenpflegeheim zu schicken, um den Menschen beim Sterben zuzuschauen, sondern darum, dass man so etwas wie den Zivildienst wieder einführt. Ich habe mit keiner Silbe erwähnt, dass man Leute dazu zwingen soll, so lange am Totenbett anderer Leute zu verharren, bis etwas passiert. Man zeige mir die Stelle, in der ich so einen Schwachsinn explizit gefordert haben soll. Ich zitiere mich gerne selbst, um jeglichen Missverständnissen vorzubeugen: "Genau aus diesem Grund wäre es meiner Meinung nach durchaus angebracht, ausnahmslos jeden Menschen mal für ein paar Wochen verpflichtend in einen Beruf zu stecken, in dem man sich früher oder später mit dem Tod auseinandersetzen muss." - Wo steht hier etwas davon, dass man alten oder kranken Menschen beim Sterben zuschauen soll? Ich antworte mir selbst: Nirgendwo. Von daher kann man das Argument mit der Menschenwürde von mir auch nicht übergangen worden sein, weil ich es gar nicht erst entkräften musste. Und für die Fehlinterpretationen anderer Leute kann ich herzlich wenig. Ich habe lediglich geschrieben, dass ich es für angebracht halte, wenn jeder mindestens einmal solche Erfahrungen sammeln würde, und dass es vielleicht besser wäre, wenn man diesbezüglich wieder auf einen verpflichtenden Dienst setzen würde. Der Bundesfreiwilligendienst wurde nämlich mächtig in den Sand gesetzt. Es finden sich wesentlich weniger Freiwillige als früher, und von der Bezahlung will ich gar nicht erst anfangen. Ich habe als Zivildienstleistender für die gleiche Arbeit doppelt so viel verdient wie Leute, die ein FSJ oder den BFD ableisten. Hier sollte man ernsthaft darüber nachdenken, was man den freiwilligen Helfern zumutet.


    Um mal auf die Menschenwürde zu sprechen zu kommen: Das ist ein Begriff, den man in Bezug auf die meisten Seniorenpflegeheime schon längst nicht mehr gebrauchen kann. Da gibt es ganze Flure, die nach Stuhl und Urin stinken. Die Bewohner liegen stundenlang in den eigenen Fäkalien, weil die Betreuer keine Zeit haben. Kein Wunder, wenn zwei Betreuer für über 30 Bewohner zuständig sind. Wenn sie dann mal dran sind, wird alles in Rekordzeit erledigt. Eine Person darf nicht mehr als fünf Minuten beanspruchen, schließlich müssen bis zum Frühstück alle fertig sein und im Speisesaal sitzen. Wenn jemand seine Tabletten nicht nehmen möchte, bekommt er sie eben in seinen extra gezuckerten Vanillepudding gemischt. Die Zimmer, die im Monat übrigens mehrere Tausend Euro kosten, bestehen aus einem Bett, einem Stuhl, einem Tisch und einem Schrank. Wenn man Glück hat, bekommt man sogar ein Zimmer mit Fenster zugesprochen. Wenn man allerdings Pech hat, dann wird mal eben so beschlossen, dass Bewohner X zu Bewohner Y ziehen muss, weil die Räume knapp werden. Ärzte, die einmal pro Woche vorbeischauen, entscheiden ohne Hintergrundwissen, dass Bewohner Z von seiner Medizin von nun an die doppelte Dosis am Tag schlucken und zwei weitere Medikamente zu sich nehmen muss. Und wenn ein Bewohner an Dekubitus leidet und vor Schmerz schreit, verzieht die Pflegekraft nicht einmal das Gesicht, wenn sie ihn pflegt. Und wenn man Demenz hat, kann man sowieso einpacken. Nicht nur, dass einem diese Krankheit im Normalfall keine zehn Jahre mehr lässt, man wird auch noch behandelt wie ein kleines Kind.


    Das sind Fakten und persönliche Erlebnisse, die man nicht von der Hand weisen kann. Viele dieser Aktionen musste ich sogar selber durchführen. Mir ist natürlich bewusst, dass man diese Missstände nicht auf alle Altenheime beziehen kann und die Schuld als allerletztes bei den Pflegekräften zu suchen ist. Aber wenn ich bedenke, dass eine Kollegin von mir, die ihr Praktikum in einem der angeblich besten Altenheime Deutschlands gemacht hat, selbst dort die gleichen Erfahrungen gemacht hat und über das dortige Geschehen nur mit dem Kopf schütteln konnte, scheint es darum nicht allzu gut bestellt zu sein. Hat das etwa was von Menschenwürde? Ich möchte lieber mit 75 sterben, als noch ein Jahrzehnt in einem Altenheim verbringen zu müssen und dort 85 Jahre alt zu werden. Das, was ich gesehen habe, genügt mir, um das mit Gewissheit sagen zu können. Man hat dort so gut wie keine Selbstbestimmung mehr, egal, wie fit man noch sein mag. Das ist auch einer der Gründe, warum ich in Deutschland jederzeit die Einführung der aktiven Sterbehilfe befürworten würde, aber das ist wieder ein ganz anderes Thema.

  • Natürlich steht das da. xD Du sagst, man soll in Berufe, mit denen man über kurz oder lang mit dem Tod konfrontiert wird. Denn an der Erfahrung mit dem Tod wachse man. So hast du's gesagt.
    Und wenn alte Menschen sich dann denken: "Ah, das ist diese Freiwilligengruppe, die sich (über kurz oder lang) mit dem Tod auseinandersetzen soll, nice", ist das nicht so schön.
    Aber wenn du es anders gemeint hast, ist es okay.
    Was du sonst noch schilderst, ist dramatisch. Auch zu erwähnen ist, dass manche Menschen in den Heimen nur selten oder nie Besuch bekommen. Das muss so traurig sein.

  • @Dartiri: Du hast doch gesagt, dass man gezwungen werden sollte, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Da ist die Interpretation "Menschen beim Sterben zuzusehen" im Grunde richtig, nur die Formulierung ist etwas überspitzt. Es geht dir ja darum, die Menschen in einem Beruf zu stecken, wo sie mit dem Tod konfrontiert werden, damit sie dann besser mit dem Tod umgehen können. Das geht aber eben nur, wenn man den Tod von Menschen miterlebt. Du bist übrigens der Frage ausgewichen, was das ganz konkret bringen sollte und inwiefern man dadurch besser mit dem Tod umgehen können würde.


    Zum Thema Zivildienst: der nichts anderes als Zwangsarbeit ist und im Prinzip auch die Menschenwürde verletzt. Wieso und mit welcher Rechtfertigung sollen (und noch dazu auch nur männliche!) junge Menschen gegen ihren Willen zu einer Arbeit gezwungen werden, weil es Missstände in Pflegeheimen gibt? Was können diese Menschen denn dafür? Wieso stellst du das Interesse der Menschen in Pflegeheimen über jenes der jungen Menschen, denen du Zwangsarbeit aufbürden willst?

  • Genau aus diesem Grund wäre es meiner Meinung nach durchaus angebracht, ausnahmslos jeden Menschen mal für ein paar Wochen verpflichtend in einen Beruf zu stecken, in dem man sich früher oder später mit dem Tod auseinandersetzen muss.

    Viele Menschen wurden bereits damit konfrontiert. Ich musste selbst mit ansehen, wie mein Opa in seinen letzten Wochen immer mehr und mehr eingegangen ist, bis ich von meiner Mutter von der Arbeit abgeholt wurde, mit Tränen in den Augen, mich weinend umarmend, weil es eben ihr Vater war, der ins Krankenhaus gebracht wurde und dort im Schlaf verstorben ist. Monatelang hat meine Oma um ihn getrauert, konnte im Bett nicht schlafen, weil sie ihn ja sonst immer schnarchen gehört hat. Auch heute nach 3 Jahren führt sie teilweise Selbstgespräche, wenn sie alleine ist, und redet sich ein, dass er noch immer im Krankenhaus liegt. Das mitanzusehen tut mir in der Seele weh, zumal ich nichts gegen ihr Leid unternehmen kann. Einzig meine Nichte, die wenige Monate später zur Welt kam, bringt ihr Lebensfreude zurück, da die Kleine fast täglich bei ihr ist.


    Ich verstehe den Sinn nicht, selbst damit konfrontiert zu werden, weil der Staat es fordert. Ich komme mit Verlusten über die, die ich wertschätze, ohnehin nicht zurecht. Ich zerbreche ja schon, wenn ich weiß, dass ich die Person nie wieder sehen werde (indem sie z.B. zurück in ihr Heimatland reist). Warum soll man mich also früh mit dem Tod konfrontieren? Entweder früh oder spät, aber ich sehe da beim Schock keinen Unterschied. Jeder mir liebgewordene Mensch, den ich verliere, ist ein Schlag für mich. Und ich bin mir sicher, dass mich der Tod eines Menschen, der im Altenheim liegt, treffen würde, wenn ich mich Tage zuvor um ihn gekümmert hätte. Sobald ich einen Bezug zu einer Person aufgebaut habe, was bei mir unweigerlich geschieht, wenn ich mit diesem Menschen öfters zu tun habe, schmerzt der Verlust. Deshalb ist diese Arbeit für mich undenkbar, wenn es auch nur für ein paar Wochen wäre.

  • @Sternenstaub


    Oh mensch, das ist verdammt harer Tobak. Mein aufrichtiges Beileid. Vielleicht tröstet es dich ja ein wenig, wenn ich sage, das dein Großvater glücklicherweise im Schlaf von dieser Welt gehen konnte. Nicht allen Sterbenden ist das vergönnt.
    Ich weiß, was man da durchmacht, habe selbst so eine ähnliche Erfahrung mit meinem Vater gemacht. Allerdings hatte er kein Glück einfach im Schlaf von uns zu gehen. Ausserdem war er allein zuhause als es passierte. Ich erinnere mich noch mit Schrecken daran, wie wir ihn dann in seiner Wohnung aufgefunden haben. Kein schöner Anblick...Der Tod hat die Panik in seinem Gesicht eingefroren. Brrrr, da kriege ich heute noch das Schaudern und könnte so losheulen.



    Zum eigentlichen Thema....nun ja, würde mal sagen, das ist nicht Jedermanns Sache, mit dem Tod zu arbeiten. Glaube schon, das man da bereits von vornherein eine gewisse Distanz dazu mitbringen muss und darf...ja, wie sag´ich´s am besten...kein Hasenfuss sein, sprich Angst vor dem Tod haben.
    Ich persönlich würde eine solche Arbeit nie verrichten können, eben weil mir die nötige Distanz dazu fehlt und ich ehrlich gesagt auch einen Riesenbammel habe vor dem Nichts, das nach dem Ableben kommt.
    Aber wir müssen froh sein, das es Menschen gibt, die in der Lage sind diese Arbeit zu verrichten..irgendjemand muss sie ja schliesslich tun.


    :pika::pika:

  • Stellt euch einfach mal vor, ihr arbeitet in einem Altenheim und versorgt einen alten Mann (so um die 80) monatelang, vielleicht sogar über Jahre hinweg und seht was für eine Freude ihr ihm damit bereitet, wenn ihr ihm bei seinem Leben helft, das er nicht mehr alleine leben kann. Über die gesamte Dauer der Pflege baut ihr eine (mitunter sehr tiefe) emotionale Bindung zu diesem Menschen auf. In einer Nacht stirbt er unerwartet an den Folgen eines Schlaganfalls und ihr erfahrt am nächsten Morgen auf der Arbeit, dass er gestorben ist, ohne dass ihr euch wenigstens mal verabschieden konntet.
    Ich glaube nicht, dass es auch nur eine Person hier gibt, die so eine Situation ohne seelische Folgen übersteht, weil es halt natürlich ist, zu trauern, wenn wir Menschen verlieren, die uns nahe stehen.
    Das gilt für Angehörige und Patienten gleichermaßen. Der Tod ist immer eine einschneidende Erfahrung und jeder geht anders damit um. Deshalb bringt es auch nichts, wenn man jemanden dazu zwingt, "mit dem Tod zu arbeiten". Die Erfahrung kommt früh genug und jeder muss selber lernen, wie er das am besten wegsteckt.