Die Sonne kroch gerade über den Horizont und erhellte langsam ein Tal, welches sich wie ein Riss durch die Landschaft zog, wohl über tausende von Jahren hinweg von dem Fluss in seiner Mitte gegraben. Zu jener Zeit aber erschien dieses normalerweise eher unbewohnte Stückchen Land, welches von zwei Seiten von hoch aufragenden Berghängen flankiert wurde, aber eher wie ein Ameisenhaufen, denn mit der Sonne erwachten die Bewohner einer eng gedrängten Ansammlung von mehreren hundert Zelten und krochen aus ihren notdürftigen Unterkünften, von denen die meisten ihre besten Jahre schon hinter sich hatten. Doch niemand hier hätte sich über diese Unterbringung beschwert, war es doch für viele eine deutliche Verbesserung zu vorher.
In diesem Lager mitten in dem kleinen Land Wei hatten sich nämlich jene versammelt, die einen Groll gegen die neue Regierung des Nachbarlandes Phoenicia hegten, mit ihrem Leben dort unzufrieden waren, oder für bessere Lebensbedingungen der Bürger bereit waren zu kämpfen. Es sei mir verziehen, dass ich es nicht vermag alle Gründe derer aufzuzählen, die sich dieser Rebellion angeschlossen hatten, doch hat ein jeder seine ganz eigenen Gründe und seine eigene Geschichte, welche ihn oder sie an diesen Ort ziehen ließen. Viele von ihnen hatten alles aufgegeben, was sie besaßen und andere hatten noch nie etwas besessen.
Nach dem Mord an seinem Kaiser war das gewaltige Kaiserreich Phoenicia in Chaos und Gewalt versunken und jene, die es wagten, dies als ihre Meinung auch zu verlauten, hatten nun ein schweres Leben. Nur etwa 900 jener Rebellen, die nach ihrer Niederlage gegen die phoenicischen Truppen aus ihrer Heimat geflohen hatten, hatten den Weg bis ins vermeintlich sichere Wie geschafft. Inzwischen waren die wieder gut auf das Dreifache gewachsen, denn die beständig schlechter werdende Lebenssituation trieb ihnen viele verzweifelte Seelen zu.
Am Rande des Lager, dort, wo die Bäume begannen, welche die Hänge der Schlucht bedeckten, saß eine vollkommen vermummte Gestalt auf einem kräftigen Ast und betrachtete, wie das Rebellenlager allmählich erwachte. Heute würden wohl wieder neue Leute zu ihnen stoßen, wie auch die vergangenen Tage. Aber wie lange würden sie noch an diesem Ort bleiben können? Es war ein offenes Geheimnis, dass die Regierung und Bevölkerung von Wei längst nicht mehr so neutral gegenüberstand, wie es noch vor einigen Wochen, als sie die Grenze Weis überschritten hatten, gewesen war. Phoenicia übte immensen Druck auf das bedeutend kleinere Land aus und immer mehr schien es sich diesem zu beugen. Es gab sogar schon erste Behauptungen, dass die phoenicischen Truppen bald die Landesgrenze überschreiten und die Rebellen jagen würde. Aber was auch immer stimmen mochte, Wei würde sie früher oder später auf die ein oder andere Weise ausliefern, das war wohl jedem klar.
Ein Seufzer entwich der vermummten Gestalt, welcher aber durch die weiße Maske des Menschen, welche sein gesamtes Gesicht bedeckte und nur zwei Schlitze für die Augen freiließ, aus denen stechend gelbe Seelenspiegel sorgenvoll hervorblickten, seltsam verzerrt wurde. Der Rest des Körpers war von schwarzem, abgenutztem Stoff bedeckt und unter einem schweren Umhang, welcher ihm über den Schultern hing, lugte ein gerader und völlig unverziehrter Brustpanzer hervor. „Der Ritter ohne Gesicht“, wie der Maskierte oft genannt wurde, war durch Gerüchte und Ammenmärchen über ihm schon vor Jahren in den Mündern der Bevölkerung und auch, wenn so gut wie nichts aus diesen Geschichten stimmte, erkannten auch immer wieder neue Rebellen das Phantom, was ihm nicht sonderlich zusagte. Warum er sich den Rebellen angeschlossen hatte, wusste er wohl selbst nicht genau. Fakt war, dass er, als sie ihn aus dem Kerker des Kaisers befreit hatten, mit ihnen geflohen war und irgendwie gehörte er wohl inzwischen einfach dazu.
Ein Klirren, das an schwere Ketten erinnerte, erklang, als er sich streckte und sich von seinem Ast auf den Boden schwang. Dieses Geräusch kam von seinen beiden Höllenlingen, zwei schweifartige Auswüchse aus harten Knochenplatten, die versteckt an seinem Rücken lagen. Neben dem weißen, zierlichen Anderthalbhänder, der in einer schäbigen Scheide an seinem Gürtel hing und seiner Fäuste, waren diese Klingen, die er sehr flexibel bewegen konnte, seine einzigen Waffen.
„Dann wollen wir mal.“, murmelte der Maskierte und setzte sich wieder Richtung Lagermitte in Bewegung, wo sich vor einem Zelt, dass deutlich größer war, als die beengten Zweimannzelte, die sonst das Lager ausmachten, schon einige Rebellen versammelt hatten. Dieses Zelt wurde von den beiden Anführern der Rebellenbewegung bewohnt, die nun mit ihren treuesten Mittstreitern darin das nächste Vorgehen besprachen. Genaugenommen beratschlagten sie sich nun schon seit fast drei Tagen und die Rebellen warteten gespannt auf das Ergebnis.
Nun schien aber endlich Bewegung in die Sache zu kommen und kurz nachdem sich das Phantom zu den wartenden gesellt hatte, wurde die Plane zurückgeworfen und fünf Männer und Frauen traten aus dem Zelt und streckten ihre müden Glieder. Und währen die anderen sich zurückhielten, traten zwei Männer nach vorn, vor ihre wartenden Anhänger. Einer war hochgewachsen und langes, weißes Haar fiel ihm über die Schultern, während zwei verschiedenfarbige Augen emotionslos die Rebellen musterten. Der andere war etwas kleiner, jünger und sein schwarzes Haar wirkte deutlich ordentlicher. Er trug eine Uniform, der man auch schon leicht ansehen konnte, dass ihr Träger harte Zeiten durchgemacht hatte. Sofort wurde es unter den Rebellen still und alle Blicke richteten sich auf die beiden Anführer. Der Schwarzhaarige trug den Namen Isaac von Renvall und war ein ehemaliger General der kaiserlichen Armee von Phoenicia. Einst war er einer der eifrigsten gewesen, wenn es darum gegangen war, Aufstände niederzuschlagen und mit seiner kleinen Einheit, der zwölften Armee auch erschreckend erfolgreich gewesen. Aber mit dem Mord an dem Kaiser hatte sich das Blatt für ihn gewendet und nun führte er zusammen mit Sky, dem Weißhaarigen Hexer, über den so gut wie nichts bekannt war und der erst Mitte des Sommers einen gewaltigen Schlag gegen das Regime von Phoenicia geführt und an Isaacs Truppe gescheitert war. Es war für manch einen noch immer verwirrend, dass diese beiden, welche einst erbitterte Feinde gewesen waren, nun gegen einen gemeinsamen Feind zusammenarbeiteten, aber es hatten sich wohl die meisten der hier Versammelten inzwischen damit abgefunden. Beide besaßen eine geradezu erschreckende Kampfkraft und noch viel wichtiger, den vollen Respekt derer, die ihnen folgten.
Wie üblich hielt sich Sky zurück und überließ Isaac das Reden: „Seid gegrüßt Freunde.“, begann der ehemalige General lächelnd, „Ich weiß, wir haben euch alle lange warten lassen und deshalb möchte ich auch Sofort zum Punkt kommen. Wir haben gemeinsam eine Entscheidung gefasst, wie wir weiter vorgehen wollen. Ich denke, ich muss euch nicht sagen, wie unsere momentane Lage aussieht. Wei wird uns nicht länger ein sicherer Ort sein, also sollten wir unser Glück nicht unnötig strapazieren. Doch leider haben wir noch nicht genug Kraft, um uns Phoenicia zu stellen, ganz zu schweigen davon, dass wir der phoenicischen Armee zahlenmäßig weit unterlegen sind. Wir helfen der Bevölkerung nicht, wenn wir uns in einen sinnlosen Tod stürzen, daher haben wir fünf beschlossen, dass wir uns erst einmal an einen sicheren Ort zurückziehen, an dem wir neue Kräfte sammeln können. Kräfte, die wir dringend benötigen. Unsre Wahl ist auf den verlassenen Garden auf Balamb. Dieser Garden war einst das Ausbildungszentrum einer Elitesöldnertruppe und gilt heutzutage als verlassen. Da Balamb neutraler Boden ist, erscheint uns dies, das vielversprechendste Ziel.“ Er gab den anderen einen Moment, um diese Information zu verdauen und sprach dann weiter: „Wir haben uns zudem entschlossen, dass wir nicht alle zusammen reisen werden. Eine Armee ist stark als Einheit, das stimmt, aber wir müssen bedenken, dass wir, je mehr wir sind, auch unbeweglicher werden. Darum haben wir uns entschieden, unsere große Truppe in drei zu teilen, die zwar alle dasselbe Ziel, nämlich Balamb haben und unterwegs alle vorher festgelegte Punkte passieren, aber unterschiedlich schnell sich bewegen werden.
Die meisten von euch bleiben bei mir und meinen Gefährten.“ Er deutete auf die drei, die ebenfalls mit den Anführern aus dem Zelt gekommen waren. Der Maskierte erkannte einen von ihnen, als Isaacs alten Diener, der ihm wohl eher ein Freund zu sein schien. „Wir werden die Haupttruppe bilden und uns geschlossen auf den Weg machen. Unsre Masse wird unsre Stärke sein, aber dennoch sind wir kleiner, als die meisten Truppen des Kaiserreiches und dadurch schneller als sie. Wir werden noch heute aufbrechen. Die zweite Gruppe bildet unter Sky die Nachhut. Diese Gruppe wird aus 200 – 300 Männern und Frauen bestehen und wird sich erst nach dem Haupttrupp auf den Weg machen. Sie haben die Aufgabe, die Information, wohin wir unterwegs sind für all jene, die noch zu uns stoßen wollen, zu hinterlegen. Es soll am besten kein Außenstehender, und schon gar nicht die Phoenicischen Truppen von unseren Plänen erfahren. Sky und sein Trupp werden auch, so lange es ihnen möglich ist, ohne in Gefahr zu geraten, an der Grenze zu Yue verweilen, um jene, die in dieser Zeit noch anreisen, aufzunehmen.“
Der Vermummte betrachtete den hochgewachsenen Hexer, der wie immer keinerlei Emotionen zu erkennen gab. Aber das Phantom hätte schwören können, dass Sky die Sache mit der Nachhut durchgesetzt hatte. Nicht, weil er ihn für besonders freundlich oder umsichtig hielt, sondern weil er vermutete, dass der Rebellenführer insgeheim auf eine bestimmte Person warten wollte. Denn, als der Maskierte den Weißhaarigen und die anderen Rebellen kennen gelernt hatte, war eine schwarzhaarige Succubus ihm nicht von der Seite gewichen und die beiden schienen einander näher zu stehen, als sie offen zeigen wollten. Doch Valeria, so der Name, der Seelenfresserin, war nach einiger Zeit und einem heftigen Streit mit Sky einfach spurlos verschwunden.
„Die dritte Gruppe wird die Kleinste der Dreien sein und sich selbstständig organisieren. Sie wird die Vorhut. Eine extrem kleine Einheit, die dafür eine hohe Durchschlagskraft haben wird und der Haupttruppe den Weg ebnen soll. An vorher festgelegten Punkten der Route wird die Vorhut Nachrichten für den Haupttrupp hinterlegen und hat so die Möglichkeit, die Route der anderen zu bestimmen und zu ändern, sollte die geplante nicht sicher sein. Ich wage zu behaupten, dass die Vorhut die schwerste Aufgabe von allen zu erfüllen hat, denn von diesen Kriegern wird es letztendlich abhängig sein, wie reibungslos unsere Reise ablaufen wird. Sie haben somit eine enorme Verantwortung zu tragen, sind aber schneller und unabhängiger, wie alle anderen von uns. Bitte beachtet, dass jeder, der vorhat, sich der Vorhut anzuschließen, in der Lage sein muss, sein eigenes Leben und das seiner Kameraden zu verteidigen. Die Vorhut wird aus nicht mehr als dreißig Kämpfern bestehen und noch vor dem Haupttrupp aufbrechen, was bedeutet, dass wir unsere Vorhut gerne bis zur Mittagsstunde auf dem Weg wissen würden.“
Erneut stoppte er und blickte in die Erwartungsvollen Gesichter der Rebellen. „Ich möchte euch bitten, euch zu entscheiden, wo ihr selbst mitziehen werdet und, falls ihr euch sicher genug fühlt, um euch der Vorhut anzuschließen, kommt zu mir, die Krieger der Nachhut melden sich bitte bei Sky. Jene, die zur Haupttruppe zählen wollen, müssen sich nicht melden. Bedenkt auch bitte, dass die Haupttruppe die Größte bleiben wird. Es müssen auch noch Krieger bei dieser bleiben. Ihr müsst euch nicht sofort entscheiden, denkt aber darüber nach.“
Mit diesen Worten entließ er die Rebellen und die Anführer zogen sich zurück. Der Maskierte blickte sich um. Er wusste schon jetzt, was als einziges für ihn in Frage kam und der Gedanke, bald aufzubrechen, ließ ihn unter seiner Maske lächeln. Schon bei der Reise hier her hatte er sich der Vorhut angeschlossen, von der am Ende noch gerade mal eine Hand voll Leute übrig geblieben waren. Die Meisten anderen hatten irgendwann an einem der festen Reisepunkte auf das Heer gewartet und waren demnach nicht gefallen. Und so sehr er sich den anderen Rebellen inzwischen verbunden fühlte, ein einsamer Wanderer tut sich schwer in einer zu großen Gruppe, zumal er bisher so ziemlich alle Bindungen, welcher Art auch immer versucht hatte, zu umgehen.
OT: Und damit starten wir endlich. Unsere Charas werden natürlich die Vorhut bilden^^. Also lasst sie bitte diese Entscheidung treffen.
Übrigends, startet unser RPG mitten im Herbst^^.