Newcomer Battle 2016 #2 - Lyrik

Beginnen wir mit der Abgabe über den Raben! Ein beliebtes Tiermotiv in der Lyrik, mal schauen was man sich hier hat einfallen lassen!

Zitat von Abgabe 1

Ich bin der Schatten, ich bin die Nacht
Gewandet in schwarzes Federkleid
Schlafe nicht wenn der Mond erwacht
Mein Lied kündet von Schmerz und Leid

Sehr schöner Einstieg in das Gedicht, macht mir persönlich direkt Lust zu lesen, weil es dem Ganzen von vornherein eine mysteriöse Aura gibt, der Rabe, Schatten, Nacht, alles schöne Begriffe, zu denen direkt die Assoziationen im Gehirn beginnen. Daher ein gelungener erster Vers.
In der ersten Strophe stört mich nur der Reim von "Federkleid" auf "Leid", weil du hier quasi einfach nur zweimal "Leid" als Reim verwendest, da gibt es sicherlich eine schönere Lösung.

Zitat von Abgabe 1

Mein Anblick verbreitet Angst und Schrecken
Bin immer dort wo herrscht große Not
Man sagt, ich könne die Toten erwecken
Treuer Begleiter von Gevatter Tod

Erster Vers hier nicht ganz so gelungen wie in der ersten Strophe, einfach weil diese Redewendung sehr oft verwendet wird. Ist aber nur ein kleinerer Störfaktor und nichts, was man unbedingt und auf keinen Fall so machen kann. Manchmal ist mit Bekanntem arbeiten eine ganz gute Methode, um sich auf die Form des Gedichtes selbst konzentrieren zu können (dazu am Ende sowieso noch was).
Die Inversion am Ende des zweiten Verses stört mich dagegen doch stärker. An sich ist in Lyrik das Umstellen von Satzteilen relativ gebräuchlich, dennoch muss man weiterhin darauf achten, dass sich der Satz noch "schön" anhört. Das ist eine ungemein subjektive Verbesserung und es kann sein, dass der nächste Vote das ganze schon wieder feiert, aber für mich fällt es aus dem Rahmen.
Positiv im letzten Vers fällt mir einerseits das Bild auf, dass geschaffen wird und andererseits auch der schöne Klang der entsteht, wenn man "von Gevatter" sagt. Klangliches kann ungemein viel in einem Gedicht ausmachen.

Zitat von Abgabe 1

Rottendes Fleisch ist meine Speise
Verachtet für meine Liebe zum Aas
Schaurig über den Gehängten ich kreise
Ziehe auf mich der Menschen Hass

Positives: Im ersten Vers die Formulierung "Rottendes Fleisch" hat mir beim Lesen einen kleinen Schauer über den Rücken gejagt, toll gewähltes Element, um Stimmung in dem Gedicht zu schaffen!
Den letzten Vers habe ich ebenfalls markiert, weil hier die Umstellung des Satzes toll geklappt hat, vielleicht einfach mal die beiden Sätze vergleichen und schauen, woran es liegt, dass es hier so viel besser klingt!
Zu bemängeln habe ich die Wortwahl "Schaurig" für die Beschreibung des Rabenfluges. Da das lyrische Ich selbst der Rabe ist, halte ich es nicht für richtig, dass es den eigenen Flug als "schaurig" bezeichnet. Die Beschreibung hätte eher zu einer Ansicht von außerhalb gepasst.

Zitat von Abgabe 1

So sah man mich einst in alten Tagen
Weil man mich so sehen wollte
Doch begann man mich zu hinterfragen
Und ich wurde das, was ich sein sollte

Weil das hier so aussieht: Nur weil es in dieser Strophe keine grüne Markierung gibt heißt das nicht, dass mir nichts gefallen hat, es ist nur einfach nichts dabei, woran ich ein gutes Beispiel ableiten kann, dass etwas gut umgesetzt wurde.
Der letzte Vers fällt hier aus dem Metrum, weil er aus dem Muster fällt. Die Silbenanzahl in der Strope ist 10-7-10 und dann nochmal 10, da stockt der Lesefluss. Eine mögliche Lösung: "Und ich wurde, was ich sollte".

Zitat von Abgabe 1

Denn ich bin nicht der Schatten, auch nicht die Nacht
Zwar gewandet in schwarzes Federkleid
Doch auch ich schlafe wenn der Mond erwacht
Und singe auch nicht von Schmerz und Leid

Eine einfache Wiederholung der ersten Strophe, wenn auch etwas abgewandelt. Wiederholungen in Gedichten funktionieren sehr gut und sind ein beliebtes Mittel, um Struktur hineinzubringen. Daher hier gelungen.

Zitat von Abgabe 1

Mein Anblick macht niemand mehr schrecken
Und bin nicht nur dort wo herrscht große Not
Ich kann auch keine Toten erwecken
Und auch ich fürchte Gevatter Tod

Erster Vers ist von der Grammatik her einfach nicht richtig. Es müsste heißen "macht niemandem mehr Schrecken" und auch dann klingt die Formulierung nicht so schön. Da müsste man vielleicht nochmal anders denken. Kann zwar verstehen, dass auch hier die Wiederholung im Zentrum steht, aber dazu darf der Text nicht zu sehr leiden.
Zweiter Vers ist wie oben, da funktioniert die Umstellung nicht so.
Klanglich schön wieder der letzte Vers: "fürchte Gevatter", sowie der Wandel des oben entstandenen Bildes.

Zitat von Abgabe 1

Nüsse und Beeren sind meine Speise
Bin gar kein so großer Freund von Aas
Ein Glück, dass verflog der Menschen Hass
Auf mich: Und heut‘ ehrt man mich als weise.

Warum hast du hier das Reimschema umgestellt? Die ganze Zeit über wird der Kreuzreim beibehalten und jetzt in der letzten Strophe auf einmal ein umarmender Reim, das hätte gar nicht sein müssen:
Nüsse und Beeren sind meine Speise
Bin gar kein so großer Freund von Aas
Und heute ehrt man mich als weise
Ein Glück, dass verflog der Menschen Hass.

Solche drastischen Veränderungen sollten wenn möglich vermieden werden. Zwar kann ein Gedicht mehrere Reimschemata aufweisen, aber dann nicht durchgehend das eine und in der letzten Strophe ein anderes.
Ansonsten ist das Gedicht formell wunderbar gelungen, Metrum und Rhythmus passen fast durchgehend gut und es gibt keine größeren Abweichungen. Auch inhaltlich ist die Idee nett, den Raben erst schlecht darzustellen und dann durch Wiederholungen den Spieß umzudrehen, quasi als verfolge man den Wandel der menschlichen Ansichten über den Raben selbst mit.
Gelungenes Gedicht, auf jeden Fall!

Mit Löwe und Rabe haben wir also gleich zwei der beliebtesten Tiere der Lyrik! Bin gespannt, was mich erwartet!

Zitat von Abgabe 2

Er ist ein Einzelgänger durch und durch
Verspührst du denn keine Furcht?
Er könnte dich in einer Sekunde fressen
Willst du dich immer noch mit ihm messen?
Er hat dich schon mit wenigen Schritten,
ich würde eher auf den Löwen tippen.
Denkst du immer noch,
dass du dich mit dem Tier anlegen kannst,
dass aus der Hölle kroch?

Alles anzeigen

Es fällt direkt die freie Form auf, auf die ich (wie schon bei der ersten Abgabe) am Ende zu sprechen komme.
Die erste rote Markierung ist lediglich da, weil es "verspürst" geschrieben wird, die Wortwahl gefällt mir an sich aber sehr gut. Weniger gut dann der Reim von "Schritten" auf "Tippen", einfach weil schwacher Reim umringt von starken Reimen.
Die letzten beiden Verse dagegen finde ich schön gemacht, die Formulierung "das (nur mit einem s, by the way) aus der Hölle kroch" klingt schaurig schön, auch wenn ich den Löwen noch nie wirklich als Höllentier gesehen habe.

Zitat von Abgabe 2

Er ist der kaltblütigste Jäger auf der Welt,
deine Siegeschance fällt.
Er könnte die Welt sein Eigen nennen,
ich würde lieber schnell wegrennen.
Er hat dich bereits ins Visier bekommen
Hast du dir schon was vorgenommen?
Hast du dich mal an die Stirn gefasst?
Denkst du wirklich, dass du eine Chance gegen den König der Tiere hast?

Alles anzeigen

Auch wie die erste Abgabe wird hier mit Wiederholungen gearbeitet, um die Struktur hineinzubringen. Die Strophenbeginne mit "Er ist..." gefallen mir als Strukturelemente sehr gut, auch das Schauergefühl vom Ende der letzten Strophe wird hier gut aufgegriffen, aber auch meine Frage, ob der Löwe hier wirklich als richtig dargestellt wird. Der kaltblütigste Jäger auf Erden? Who knows.
Die Zeile "Hast du dir schon was vorgenommen?" fällt meiner Meinung nach etwas aus dem Kontext und der Handlung des Gedichtes heraus und ich weiß nicht wirklich, wofür die Frage steht. Eventuell wird nach dem Plan des Menschen (?) gefragt, der von dem Löwen ins Visier genommen wird? Was auch immer die Intention war, man hätte es sauberer formulieren können.
In der letzten Zeile dann endlich etwas, womit ich mich in Bezug auf den Löwen anfreunden kann: Der "König der Tiere", DAS Sinnbild für den Löwen, darauf habe ich gewatet! Auch ist es die gelungenste der drei Fragen dieser Strophe, finde ich.

Zitat von Abgabe 2

Er ist dein größter Albtraum,
Chancen hast du kaum.
Er könnte dich töten, wenn er will
Warum bist du auf einmal so still?
Er hat schon längst gewonnen,
der Kampf hat schon lange begonnen.
Bist du denn noch klar im Sinne?
Dann geh daraus und gewinne!

Alles anzeigen

Ich habe eine Weile überlegt, ob ich den letzten Vers gut finde oder nicht. Rein thematisch gesehen, wirft er eigentlich das ganze Bild um, was die drei Strophen über aufgebaut wurde: Die Übermacht des Löwen, die Hilflosigkeit seines Gegenübers - ich fand es beinah schade, dass am Ende dieser Zuspruch kam.
Dann aber gefiel mir die Idee, trotz einer scheinbar unüberwindbaren Übermacht nicht aufzugeben doch sehr schön und inzwischen gefällt mir der Abschluss recht gut.

Formell ist dieses Gedicht natürlich deutlich anders, als die erste Abgabe. Die Verse sind frei von einem festen Metrum, es wirkt allgemein etwas moderner von der Aufmachung her. Inhaltlich wirkt es stellenweise leider etwas, als wäre das Gedicht ohne einen konkreten Plan einfach "aus dem Schreiben heraus" entstanden und so sind einige Reime und Formulierung doch etwas schwammig.
Aber auch hier: Ein an sich sehr gelungenes Gedicht, an dem noch ein wenig gefeilt werden kann, um alles rauszuholen!

Die Entscheidung fiel mir nicht ganz so leicht, durch die inhaltlichen Unterschiede und die in meinen Augen etwas bessere Umsetzung der Idee, sieht meine Bewertung wie folgt aus:

ID: 20138
A1: 1 Punkt

Was für ein vielschichtiges Tier eigentlich, da kann man bereits von der Thematik ganz unterschiedlich an die Sache rangehen. In diesem Fall beginnt alles nach mit einem düsteren Einstieg, es wird beschrieben, wie die Menschen den Raben sehen und ab der vierten Strophe kommt es zum Bruch des Ganzen, so wird in den folgenden Strophen aufgezeigt, dass sich die Bedeutung des Raben langsam gewandelt hat, Missverständnisse gewichen sind und plötzlich ranken sich keine hasserfüllten Gedanken mehr um das Tier, sondern positive geraten in den Vordergrund. Auf mich wirkt der Aufbau auch ganz klar. 7 Strophen, jeweils mit 4 Versen und in der Mitte ist ein gewisser Bruch zu finden. Besonders gefallen mir die folgenden Verse:

Zitat von Thrawn

Rottendes Fleisch ist meine Speise

Der Klang und die Wortwahl passen optimal für die angestrebte Stimmung, deswegen Kompliment dafür! Einer der Verse, den ich bei diesem Werk als besonders gut gewählt empfinde und deswegen hervorheben wollte.

Zitat von Thrawn

Mein Lied kündet von Schmerz und Leid

"Lied" erinnert mich an den Klang der Raben, die erdrückende Musik, die man bei so manchem Film zu hören bekommt, wenn die Raben gezeigt werden und die somit als Ankündigung für etwas dienen.

Zitat von Thrawn

Schaurig über den Gehängten ich kreise

Ebenfalls natürlich sehr gut gewählt, allgemein fällt mir auf, dass die Verse, die für die erdrückende Stimmung sorgen sollen, eher überzeugen konnten. Im Nachhinein ist es die erste Hälfte des Werkes sozusagen (Verse 1-3), die eher im Gedächtnis bleiben und positiv hervorstanden.

Zitat von Thrawn

Weil man mich so sehen wollte

Dieser Vers ist der einzige, der mir wirklich nicht "gefällt" wohl. Es wirkt zu "leicht" als Antwort auf den vorherigen Vers und weiß meiner Meinung nach nicht zu überzeugen. Da hätte es sicherlich eine bessere Wahl gegeben.^^'

Also allgemein würde ich wohl, wenn das kein Newcomer-Wettbewerb wäre, sagen, dass dieses gewisse Etwas noch fehlt. Das Werk ist vom Aufbau in Ordnung, wirkt nicht erzwungen und die Thematik stimmt, aber der Kern des Werkes bedarf vielleicht noch etwas Speziellem, was dieses Werk verbessern könnte.
Genug negatives, denn das Werk ist nichtsdestotrotz gut und für einen Newcomer-Wettbewerb supi geworden. Auch wenn der Anfang für mich besser war, hat das Werk viele positive Aspekte und sicherlich steckt da auch viel Mühe hinter. Schönes Werk auf jeden Fall!

So, kommen wir mal zum König der Tiere, oder? In diesem Fall drei Strophen, ein Mal 9 Verse, zwei Mal 8 Verse. Auffällig sind für mich natürlich die Wiederholungen, die du verwendest. Immer wieder schwierig, Balance zwischen zu viel und zu wenig zu finden. Mehrfach benutzt du Er als Anfang, was ich so als sehr angenehm beim Lesen empfand. Vor allem gefallen mir die Fragen, die danach gebildet werden. Sie regen zum Nachdenken an und hinterfragen immer wieder, ob sich der Betroffene immer noch mit dem Löwen messen will, obwohl eine solche Bedrohung und Macht von ihm ausgehen. Es gibt zwei Stellen, die @Nexy ebenfalls anmerkte, eines davon ist der letzte Vers der ersten Strophe.„Hölle“ hat für mich eigentlich gar keine Verbindung zum Löwen, deswegen bin ich mir über die Stelle eher unsicher. Der Löwe hat eine majestätische Ausstrahlung, Kraft, Anmut sogar und ist ein Machtbild, aber „Hölle“ würde ich eher weniger wählen. Aber man sollte wohl dazusagen, dass jeder eigene Konnotationen zu Tieren hat und deswegen ist es kein negativer Aspekt, da so etwas schnell abweichen kann. Vielleicht meintest du allerdings auch Höhle und hast dich nur vertippt, haha. x)

Zitat von Thrawn

Hast du dir schon was vorgenommen?

Der Teil passt eher nicht zum Gesamtbild und vertritt für mich eher etwas Humorvolles, worauf der Text meiner Meinung nach nicht anspielen möchte. Vorher wurden Bilder von Macht, Gefahr und eine Stimmung des baldigen Kampfes erschaffen, aber dieser kleine Teil entspricht nicht ganz der angestrebten Atmosphäre, zumindest meiner Meinung nach. Auch der Vers danach, mit der Stirn, war für mich nicht ganz stimmig. Sollte vermutlich Nervosität signalisieren, der Schweiß, der sich bereits an der Stirn bildet?

Zitat von Thrawn

Er hat schon längst gewonnen,
der Kampf hat schon lange begonnen.

Hier würde ich das erste „schon“ möglicherweise weglassen, damit es nicht doppelt erscheint in diesem Teil, ansonsten gefällt mir die letzte Strophe wirklich sehr gut.

Zitat von Thrawn

Dann geh daraus und gewinne!

Der letzte Vers ist auch die zweite Stelle, an der ich mich @Nexy anschließen muss, denn das ist wohl wirklich Geschmackssache. Zum einen ist es ein Bruch von der vorherigen Stimmung. Der Angesprochene wird hinterfragt, eingeschüchtert und eigentlich so weit unter Druck gesetzt, dass er bereits aufgeben sollte respektive gar keine Chance hat. Soweit ist es also sehr überraschend, wenn plötzlich vom Siegen und Kämpfen gesprochen wird, somit gibt es doch eine Chance. Zum anderen ist es eine überraschende Wendung, plötzlich glaubt der einschüchternde Erzähler, dass er doch eine Chance hat, der Angesprochene ist nicht weggelaufen bzw. hat aufgegeben und somit hat er eine Chance, den Sieg doch noch zu erkämpfen. Diese überraschende Wendung kann eben als positiv oder auch negativ wahrgenommen werden, aber das macht diese Stelle wohl auch so interessant, deswegen Kompliment dafür! Kontroverse Stellen in einem Gedicht können sehr gut zum Interpretieren und Auflockern dienen. Es macht das Werk weniger „starr“ und weniger berechenbar.

ID: 116512
A2: 1 Punkt

Ich will mal ganz direkt sein: Abgabe 1 schlägt Abgabe 2 meiner Meinung nach in fast allen Punkten ganz klar. Gerade für einen Newcomer-Wettbewerb ist Abgabe 2 dafür aber keineswegs schlecht und zeigt schon interessante Ansätze.

Reimschema
Das ist bestimmt zu einem gewissen Teil auch persönlicher Geschmack, aber ich finde den Kreuzreim von Abgabe 1 angenehmer als den Paarreim in Abgabe 2. (Der plötzliche Bruch in der letzten Strophe stört da zwar, weil er so unnötig erscheint, aber dem Gesamtbild macht der keinen großen Abbruch.) Gerade für das Thema der zweiten Abgabe hätte ich mir einen Kreuzreim deutlich besser vorstellen können, da er für mich erhabener wirkt, während ein Paarreim kindlicher wirkt. Wie gesagt, wahrscheinlich ist das nur eine persönliche Sache, aber ich wollte es mal so gesagt haben. Auch die Reime an sich finde ich beim Raben besser, der einzige unreine Reim ist dort Aas/Hass, während beim Löwen gleich zu Anfang die Reimpaare durch/Furcht oder Schritten/tippen auffallen. Unreine Reime sind zwar nicht unbedingt etwas Schlechtes, oft sind sie besser als ein kompletter Bruch im Reimschema und als Stilmittel kann man sie auch verwenden, aber ich will einfach mal so frech sein und behaupten, dass Letzteres hier vermutlich nicht der Fall war. Und hier spielt auch wieder die Sache mit dem Paarreim mit rein -- wenn kein anderer Vers dazwischen ist, hat man das Ende des Letzten noch so präsent im Kopf, dass ein unreiner Reim direkt auffällt, während er bei einem Kreuzreim beim ersten Durchlesen auch mal unbemerkt bleiben kann.
Explizit etwas sagen möchte ich hier auch noch zu der Stelle "Er ist dein größter Albtraum, / Chancen hast du kaum." Hier haben wir nämlich ein Problem, das ich schon oft bei Anfängern gesehen habe: In dem Wort "Albtraum" ist die erste Silbe, "Alb", betont, während im zweiten Vers das "kaum" betont ist. Es sollte bei Reimpaaren möglichst darauf geachtet werden, dass die Betonung gleich ist.

Metrum
Ihr habt beide kein Metrum, aber dennoch sehe ich auch bei diesem Punkt die erste Abgabe vorne. Hier sieht man immerhin schon die richtigen Ansätze, wie eine relativ gleichbleibende Verslänge und sogar eine fast gleichbleibende Zahl an Hebungen pro Vers (das sind die betonten Silben). Abgabe 2 hat dafür so gut wie gar keine Regelmäßigkeit, was das angeht, die Verse sind unterschiedlich lang, werden unterschiedlich betont und so etwas sorgt einfach dafür, dass man beim Lesen leicht ins Stolpern kommt. Ich schlage da gerne vor, dass man es erst so anfangen soll wie Abgabe 1, mit gleichbleibenden Verslängen und einer gleichbleibenden Zahl an Hebungen, damit man ein Gefühl dafür bekommt. Wenn man darin sicher ist, ist es gar kein so weiter Weg mehr, um ein "richtiges" Metrum verwenden zu können.

Inhalt
Das ist jetzt auch wieder etwas sehr Subjektives, aber ich finde das erste Gedicht inhaltlich besser. Mir gefällt hier vor allem die Struktur, wie die erste Hälfte in der zweiten Hälfte wiederholt und dabei ins Gegenteil gekehrt wird. Das ist ein sehr schönes Stilmittel und es macht den Kontrast schön deutlich. Der Aufbau des zweiten Gedichts ist dagegen schon fast langweilig. Auch finde ich einige der Assoziationen beim Raben einfach passender. Verse wie "Ich bin der Schatten, ich bin die Nacht" oder "Treuer Begleiter von Gevatter Tod" bringt man direkt mit einem Raben in Verbindung, während ich bei dem Tier, "das aus der Hölle kroch" oder "der kaltblütigste Jäger auf der Welt" eher nicht an Löwen denke. Außderdem finde ich, dass die zweite Abgabe generell sprachlich teilweise ein bisschen unbeholfen wirkt. "Hast du dir schon was vorgenommen?" beispielsweise klingt extrem umgangssprachlich und passt damit gar nicht zu der Atmosphäre, die das Gedicht sonst zu erreichen versucht. Auch der letzte Vers stört die Atmosphäre, da es plötzlich nicht mehr so klingt, als wäre der Löwe unglaublich übermächtig, sondern so, als hätte der Mensch sogar eine Chance. Beim Raben wird die Stimmung, die gleich im ersten Vers aufgebaut wird, dafür bis zum Ende so durchgehalten.

Titel
Und zum Abschluss noch der eine Punkt, den die zweite Abgabe meiner Meinung nach besser macht: Der Titel. (Ja, es ist unglaublich sinnvoll, am Ende des Kommentars auf den Titel einzugehen.) "Löwenblut" klingt interessant, während "Der Rabe" meiner Meinung nach unspannend und vor allem nicht sehr vielsagend klingt. Okay, es geht um einen Raben. ... Und? Bei "Löwenblut" erwartet man so etwas wie einen Kampf, oder zumindest Kampfgeist. "Der Rabe" ist halt ein Tier. Fertig. Man könnte die Sache schon spannender machen, wenn man es nicht einfach als "Der Rabe" betitelt, sondern irgendeine Eigenschaft, die sofort mit Raben verbunden wird, als Titel nimmt. Ich weiß selbst, wie schwer es sein kann, einen passenden Titel zu finden, aber meistens ist es besser, nicht direkt das Naheliegendste als Titel zu verwenden.

Abschließend will ich noch einmal betonen, dass ich beide Gedichte gut fand, auch, wenn ich über den Löwen sehr viel Negatives gesagt habe. Es würde mich auf jeden Fall freuen, von euch beiden nächstes Jahr wieder lesen zu dürfen.

Der Rabe (Das nimmt dem Gedicht womöglich die Spannung, allerdings kann es auch schlicht und passend sein. Mehr kann ich wahrscheinlich erst sagen, wenn ich auch das Gedicht gelesen habe. Aber der Titel erinnert mich durchaus auch an bekanntere Gedichte, im Speziellen an Rilkes Der Panther oder (natürlich) Der Rabe von Poe. Also ist es schonmal kein unpassender Gedichtetitel.)

Ich bin der Schatten, ich bin die Nacht (wundervoller Anfang)
Gewandet in schwarzes Federkleid (Jetzt musste ich doch tatsächlich erstmal "gewandet" googlen. Duden-online sagt es ist veraltet und wird noch scherzhaft, allerdings recht selten gebraucht, aber es ist ein legitimes Verb - wieder was gelernt. Allerdings wirkt der Vers irgendwie zu lang; "schwarzes" hat mir eine Silbe zu viel.)
Schlafe nicht, wenn der Mond erwacht (An und für sich ist diese Verslänge möglich, sie hat nur das Problem, dass ihre Zäsur eine Silbe früher kommt als es im ersten Vers der Fall war.)
Mein Lied kündet von Schmerz und Leid (In Verbindung zu Vers 1 und 3 fehlt hier eine Silbe (z.B. Mein Lied, es kündet ...))
(Sprachlich und inhaltlich gesehen ist das allerdings eine sehr schöne erste Strophe, die Lust macht auf mehr.)

Mein Anblick verbreitet Angst und Schrecken (Ich musste mich erstmal an die weibliche Endung gewöhnen, aber dann klang sie glatt noch besser als die erste Strophe.)
Bin immer dort, wo herrscht große Not (Ich weiß, dichterische Freiheit, aber diese Satzstellung wirkt doch etwas merkwürdig. (Außerdem fehlte ein Komma.))
Man sagt, ich könne die Toten erwecken (Vom Klang ein sehr schöner Vers. Und das mit den Toten wusste ich noch gar nicht.)
Treuer Begleiter von Gevatter Tod (Die Dopplung von Tod halte ich für etwas unschön.)

Rottendes Fleisch ist meine Speise (eine Silbe zu wenig)
Verachtet für meine Liebe zum Aas
Schaurig über den Gehängten ich kreise (eine Silbe zu viel)
Ziehe auf mich der Menschen Hass (Hier hätte man auch noch eine Silbe hinzufügen können, aber es muss nicht sein. Ich hab hier irgendwie das Gefühl, dass manche Silben so gesehen zwei Schläge ausgehalten werden. Verstehst du, was ich meine? Ich möchte übrigens noch einmal erwähnen, dass das alles nur mein Lesegefühl ist und nicht das Nonplusultra.)
(Wenn du ein realistisches, aber nicht unbedingt schönes Bild von Raben zeichnen wolltest, dann ist dir das echt gelungen. Da es aber offensichtlich noch Galgen gibt, spielt das Gedicht wohl in früheren Zeiten, was auch "gewandet" erklären würde.)

So sah man mich einst in alten Tagen
Weil man mich so sehen wollte (Hier sieht man ja glatt, dass der Vers recht kurz ist. Ich weiß, das kann trügen, aber das Problem ist, dass der erste Vers der Strophe sehr ausgedehnt ist (was durchaus einen schönen Klang erzeugt) und deshalb dieser eigentlich gut klingende Vers zu kurz wirkt. Er passt halt nur nicht zu den anderen.)
Doch begann man mich zu hinterfragen (Irgendwie habe ich Probleme mit der Betonung hier; ich weiß nicht genau, wo sie liegt. Außerdem habe ich ein inhaltliches Problem: Sie begannen ihn zu hinterfragen? Wieso? Und was war ihr Ergebnis? Ich verstehe nicht ganz, was du mir mit diesem "hinterfragen" sagen möchtest.)
Und ich wurde das, was ich sein sollte (nicht die schönste Betonung (aber das kommt vor, habe ich auch immer wieder), allerdings ist mir das Und zu viel.)

Denn ich bin nicht der Schatten, auch nicht die Nacht (Was? Warum sagt er das dann am Anfang? Weil das das war, was alle hören wollten? Ich finde es schön, dass du es auflöst; vielleicht bezog sich das Hinterfragen hierauf und das "was ich sein sollte" auf die Bestimmung der Natur. Das kam in der letzten Strophe echt noch nicht so rüber. Aber mir gefällt die Wende hier, auch wenn ich den Vers an sich ohne Verneiung schöner fand (und ich ihn mit mit "und" geschrieben hätte).)
Zwar gewandet in schwarzes Federkleid (Mit dem "Zwar" gleichst du doch glatt die zuvor erwähnte Silbe zu viel aus.)
Doch auch ich schlafe, wenn der Mond erwacht (Wie auch oben schon, habe ich das Komma vor "wenn" ergänzt.)
Und singe auch nicht von Schmerz und Leid (Auch hier wieder: Schöner zu lesen als am Anfang. Siehst du wie viel Kleinigkeiten ausmachen können? Man könnte jetzt natürlich interpretieren, dass der anfang nicht so schön passt, weil es ja nicht die Wahrheit ist, aber ich hoffe du verzeihst, dass ich bei einem Anfängerwettbewerb nicht davon ausgehe, dass das gewollt war.)

Mein Anblick macht niemand mehr schrecken (Grammatikalisch bin ich mir nicht sicher, ob das hier richtig ist. Es klingt zumindest falsch ...)
Und bin nicht nur dort, wo herrscht große Not (siehe oben)
Ich kann auch keine Toten erwecken
Und auch ich fürchte Gevatter Tod (Ich hab irgendwie ein Problem mit dem Wort "Gevatter", da es auf der zweiten Silbe betont wird. Es ist allerdings schon besser als oben.)

Nüsse und Beeren sind meine Speise
Bin gar kein so großer Freund von Aas (sehr schöne Verse)
Ein Glück, dass verflog der Menschen Hass (Irgendwie wirkt dieser Vers unvollständig und das liegt nicht an dem Enjambement, das ich erst später entdeckte. Ich weiß nur nicht genau warum. Gedichte haben einfach viel mit Gefühlen zu tun und wie dir vielleicht schon aufgefallen ist, geht es bei mir stark um den Klang.)
Auf mich: Und heut‘ ehrt man mich als weise. (Pack das "e" mit dran, dann klingt es besser. Ich weiß nur nicht genau, warum sich das Reimschema änderte.)
(Ich finde es schön, wie du die Wende in der Betrachtung des Rabens dargestellt hast und auch wenn es wirkt, als hätte ich unglaublich viel kritisiert, so sind das doch alles Kleinigkeiten, die mir auch schon bei einigen Gedichten in normalen Wettbewerben aufgefallen sind; da kommentiere ich nur nicht so ausführlich. Also lass dich davon bloß nicht abschrecken, denn es fehlt gar nicht viel, dann hast du auch wirklich gute Chancen in ganz normalen Wettbewerben.)

Löwenblut (Schlimm, wenn ich an Warrior Cats denke? Nein? Gut. Unabhängig on dem ersten Bild, das in meinem Kopf auftaucht, so verbindet man Löwen doch häufig mit Mut oder Tapferkeit. Ich kann mir unter dem Titel auch glatt einen Vergleich zwischen einem Menschen und einem Löwen vorstellen. Mal sehen, was mich erwartet.)

Er ist ein Einzelgänger durch und durch (Das könnte zu meiner Theorie passen, dass es auch um einen Menschen geht. Immerhin sind Löwen Rudeltiere.)
Verspührst du denn keine Furcht? (Der Vers ist etwas kurz und der Reim nicht unbedingt sehr schön. Inhaltlich aber gefällt er mir doch sehr. Es wird die Stärke des Gegenübers impliziert.)
Er könnte dich in einer Sekunde fressen (Irgendwas missfällt mir an diesem Versmaß, ich hab nur keine Ahnung, was ...)
Willst du dich immer noch mit ihm messen?
Er hat dich schon mit wenigen Schritten, (Hat er das Lyrische Du jetzt schon geschnappt oder hat er nur die Möglichkeit, es zu tun? Das wird nicht ganz klar.)
ich würde eher auf den Löwen tippen. (Geht es doch um einen echten Löwen? Na gut. Aber das Lyrische Du ist vermutlich ein Mensch. Wenn das ganze an eine Antilope geschrieben wäre, wäre sie doch ziemlich dumm. Steht "tippen" hier für "setzten"? Denn was mir zuerst in den Kopf kam, war "ich würde darauf tippen, dass das ein Löwe ist", was offensichtlich klar ist.)
Denkst du immer noch,
dass du dich mit dem Tier anlegen kannst, (Was macht dieser Vers hier? Er wirkt, als hätte er sich eingemogelt. Ich merke, dass ich bei dir, im Gegesatz zum ersten Gedicht, deutlich nachsichtiger bin, was Verslängen betrifft, was entweder daran liegt, dass ich schon ein Gedicht kommentiert habe, oder daran, dass ich bei Vier-Vers-Strophen pingeliger bin, aber das hier ... ist einfach zu lang für eine Waise zwischen diesen beiden Versen. Zumindest für mich.)
dass aus der Hölle kroch? (Woah, das ist schon heftig. Ich hätte nie gesagt, dass ein Löwe aus der Hölle kroch. Löwen sind für mich majestätische Tiere (ja, vielleicht bin ich auch "König der Löwen"-geschädigt), "kriechen" ist da schon sehr abwertend. Und es sind auch keine Tiere, die ich in der Hölle verortet hätte. Aber vielleicht unterstreicht diese Übertreibung die Angst der Lyrischen Ichs. Wobei es hier wahrscheinlich eher Panik ist.)

Er ist der kaltblütigste Jäger auf der Welt, (Wirklich? Ich verweise nochmal auf mein Bild des Löwen von oben. Das Lyrische Ich scheint echt kein Freund von Löwen zu sein. Ich hätte übrigens das "auf" weggelassen, weil sich das für mich dann ganz spontan besser lesen lässt.)
deine Siegeschance fällt. (Hier hingegen hätte ich noch ein "und" am Anfang hinzugefügt, damit auch dieser Vers mit einer unbetonten Silbe startet.)
Er könnte die Welt sein Eigen nennen, (Also doch König der Löwen)
ich würde lieber schnell wegrennen. (Das letzte Wort wird etwas ungünstig betont.)
Er hat dich bereits ins Visier bekommen (Bekommen? Ist das wirklich das richtige Wort an der Stelle? (Das ist übrigens eine ernst gemeinte Frage, ich weiß es nicht.) Ich hätte eher "genommen" geschrieben, allerdings kollidiert das ja leider mit dem Reimwort des nächsten Verses.)
Hast du dir schon was vorgenommen? (Ob sich das Lyrische Du schon vorgenommen hat, wie es den Löwen angreift? Irgendwie wirkt diese Frage etwas fehl am Platz. Was soll er sich schon vorgenommen haben?)
Hast du dich mal an die Stirn gefasst? (Wieder eine Frage, deren Sinn ich nicht ganz begreife. Ich stelle mir zwei Möglichkeiten vor: erstens - auf neudeutsch gesagt - facepalmmäßig, zweitens um zu erkennen, dass das Lyrische Du vor Angst schwitzt. Aber beides ist nicht ganz schön oder überhaupt ersichtlich in diesem Zusammenhang.)
Denkst du wirklich, dass du eine Chance gegen den König der Tiere hast? (Der Vers ist ziemlich lang, lässt sich aber super lesen.)

Er ist dein größter Albtraum, (Das klingt jetzt vielleicht total bescheuert, aber mir fehlt eine Silbwe zwischen "Alb-" und "-traum".)
Chancen hast du kaum. (Und dieser Vers ist doch ziemlich kurz.)
Er könnte dich töten, wenn er will (Will er denn nicht? (Aprospros, wenn dem so ist, würde sich in meinen Augen ein "denn" vor dem "will" sehr gut machen.)
Warum bist du auf einmal so still? (Weil du ihm die ganze Zeit Angst gemacht hast? Also entweder macht das Lyrische Ich an dieser Stelle sich selbst oder den anderen lächerlich.)
Er hat schon längst gewonnen,
der Kampf hat schon lange begonnen. (Mein Vorschlag für die beiden Verse: "Er hat doch schon längst gewonnen/der Kampf hat lange schon begonnen". Da fehlt immer noch eine Unbetonte Silbe am Anfang, aber sowas kann man ganz leicht machen, damit die Verse für mich schöner klingen. Wohl gemerkt "für mich", das heißt nicht, dass meine Meinung die einzig richtige ist. Das gilt natürlich auch für alles andere.)
Bist du denn noch klar im Sinne?
Dann geh daraus und gewinne! (Irgendwie ist mir dieser Vers zu kurz und ich weiß einfach nicht, warum. ...)
(Am Anfang dachte ich, es ginge um eine Schnapsidee in der Savanne, jetzt am Ende aber klingt es eher nach einem Gladiatorenkampf gegen Löwen. Ich weiß nicht viel davon, aber sowas gab es da doch, oder? Ich weiß zwar nicht, wer das Lyrische Ich ist und ob es nicht einfach nur Spaß daran hat, das Lyrische Du zu quälen, kurz bevor der Kampf beginnt, aber dieses dürfte recht sicher ein solcher Gladiator sein, kurz bevor er die Arena betritt. Diese Wendung gefällt mir. Sie ist unerwartet, ergibt aber sehr viel Sinn. Sehr gut.)