Rebuilding Hope

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  • Rebuilding Hope



    Fandom: Attack on Titan



    Die Schlacht um Himmel und Erde ist geschlagen und ließ sie alle im Schutt zurück, aus dem sie sich ein neues Leben aufbauen müssen.

    Dabei sind die Auseinandersetzungen noch lange nicht beigelegt.



    Genres: Fantasy, Post-Apocalypse, Drama, Slice of Life, Post-Canon und Canon-Divergence (obviously Spoiler!), Action, Romance / Pairings eher am Rande

    Themen: Krieg, Trauma- und Trauerbewältigung, Schuld, Leben nach dem Krieg, Wiederaufbau, erneute Auseinandersetzungen, Extremismus und anderes


    Vorwort


    Diese Story ist im Zuge des Animexx-Wichtelns entstanden und das Motto des Wichtelns lautet Sturmsaison, daher auch der Titel der Fanfiction.

    Ich wollte ohnehin schon seit längerem eine Post-Canon-Fanfiction schreiben. Die Wunschliste meines Wichtels hat mir den Grund dazu gegeben endlich mit der Story zu beginnen.


    Obviously wird diese den gesamten Manga / Anime, inklusive dem Ende, spoilern. Wenn ihr vorhabt das noch zu sehen, kommt später wieder.

    Ich werde auch einige Änderungen zum letzten Arc / Ende einbauen, von denen euch gleich auffallen wird und die ihr euch denken könnt. Es gibt abgesehen davon ein paar andere Abänderungen.


    Und macht euch auf ein Pairings gefasst, die ich (sehr) mag und für mich Sinn machen, also auch in der Vergangenheit liegende.

    Und macht euch auf ein paar Pairings gefasst, die ich (sehr) mag und für mich Sinn machen, also auch in der Vergangenheit liegende, die jedoch eher am Rande eine Rolle spielen werden. Mir sind auch Freundschaften und Found Family-Vibes sehr wichtig.


    Würde sonst auch behaupten, dass ich relativ viel Fandomwissen habe und das gerne einbaue. Manchmal etwas abgeändert, manchmal so, wie es im Canon geschrieben ist.

    Ich liebe auch diese Canon Charaktere, vor allem jene die ich als Haupt- oder wichtige Nebencharaktere hernehme, hier auch manche viel mehr, manche etwas weniger, und ich hoffe, man merkt das. ^^


    Anfangs wird die Story im ersten Arc noch langsam sein (der ist nun nicht zu lang), und auch später wird es noch so einige Dialog/Interaktion-, Introspektive und Alltagsszenen geben, aber die Handlung wird etwas mehr an Fahrt aufnehmen.


    Charaktersteckbriefe werden wohl nicht nötig sein, ich stell höchstens welche dazu, wenn mir mal langweilig ist aus ästhetischen Gründen.

    Ob man die Story auch als fandomfremde Person lesen und gut nachvollziehen kann, weiß ich ehrlich gesagt nicht.


    PS: Hab früher manchmal 8+k Kapitel gepostet und finde das mittlerweile schrecklich zu lesen. Die meisten meiner Kapitel werden 2.5-5 k haben. Ich denke, das kann man gut in einem Rutsch durchlesen und strengt die Augen am Bildschirm auch nicht zu lange an.



    Viel Spaß!



    Inhaltsverzeichnis



    Prolog: Staub und Knochen aus dem alten Leben

    Kapitel 1 - Wiedersehen mit alten Freunden

    Kapitel 2 - Ein Essen mit alten Freunden

  • Prolog - Staub und Knochen aus dem alten Leben



    Mikasa hatte sich, Eren und die Welt von seinem Wahn befreit und nun war die Welt so still, selbst Monate später noch, immer noch gefangen in der allumhüllenden Trauer und dem Schock der Menschen. Die Menschheit machte das, was sie seit Anbeginn der Geschichtsschreibung bereits tat: Sie machte weiter. Und Mikasa, die sich für viele Jahre ihres Lebens in Stillstand befand, tat erstaunlicherweise dasselbe. Irgendwann machte sie weiter und das nicht alleine. Armin war als guter Freund an ihrer Seite, wie er es stets gewesen war, und Jean wurde nach einem Jahr mehr als das, weil er ihr so viel Halt gab, wie sie es nicht von jemanden erwartet hatte. Sie gab und gab, da sie dies für selbstverständlich hielt, doch nun erhielt sie von Jean etwas zurück.


    Man gab ihr auch zu arbeiten, und sie stimmte gerne zu, um nicht in ihrem Trott gefangen zu sein und den Menschen hier etwas geben zu können, auch wenn es noch so klein war. Da der erste Frühling nach der verheerenden Schlacht um Himmel und Erde angebrochen war, begann die Menschheit außerhalb und in Paradis Schutt abzuräumen und Städte und Orte zu errichten, manche Stadtteile eine Kopie dessen, wie sie die Menschen in Erinnerung hatten, manche verändert. Schöner und humaner, ohne Ghettos, in denen man Menschen anderer Herkunft hielt, als wären sie Tiere oder gar Monster und sie schlussendlich in welche verwandelte. Eren hatte sich in das Monster verwandelt, das sie in ihn sahen, das von niemanden hören wollte, dass niemand in Frieden leben konnte, solange man Hass mit mehr Hass bekämpfte. Doch Eren hörte niemanden mehr zu, war gefangen von seinem Wahn und auch dem Schmerz, den man den Eldians bereitet hatte. Seitdem drehte sich ihr Gedankenkarussell darum nachzudenken, ob sie ihn anders hätte aufhalten können, ob sie ihn nicht hätte enthaupten müssen, obwohl es für sie in dieser Situation als die einzige Lösung erschienen war.


    Arbeit war tagsüber eine willkommene Ablenkung. Die Sonne war erst aufgegangen und Mikasa machte sich ans Werk. Sie fast war unmenschlich stark, die Ackermanns waren für ihre übermenschliche Kräfte bekannt, und sie hatte so früh, bevor die Wärme des Frühlings herauskam, keine Mühe Ziegel und Stahlpfeiler zu schleppen oder Schutt abzutragen. Große, muskelbepackte Männer sahen ihr mit Unbehagen zu, doch keiner von ihnen sprach sie an. Wenn sie ihnen in die Augen sah, wandten sie sich wieder ihrer eigenen Arbeit zu und wichen ihr aus und so arbeitete sie in ihrer monotonen Weise. Alles an dem Schutthaufen erinnerte sie noch an den Krieg, an Erens Verbrechen, und wenn sie zu lange darüber nachdachte, welche Abscheulichkeit nur wenige Kilometer entfernt von hier zugetragen hatte, würde sie hier an dieser Stelle erstarren und das Gedankenkarussell würde wieder anspringen, bis sie spätnachts vor Ermüdung einschliefe. Das hatte sie schon einige Male durchlebt und sie hatte herausgefunden, dass es sich leichter einschliefen ließ, wenn Jean sie hielt, oder wenn er sich bloß im selben Raum aufhielt. Heute würde Armin mit dem Commander von seinen Verhandlungen zurückkehren und dem würde sie freudig entgegenblicken. Sollten ihr Gedanken während der Arbeit aufkommen, würde sie nicht an die Geschehnisse hier denken, sondern Armins Rückkehr entgegenblicken.


    So nahm sie sich es vor, bis sie Schutt beiseiteschaffte und dabei etwas berührte, das kein Stein, kein Ziegel und kein Metallteil, das unter einem Riesenfuß zerquetscht worden, war. Es war ein hartes Material, doch dünn und feingliedrig. Weißlich, ein wenig vom Schutt verfärbt. Ihr Verstand benötigte einen Moment, bis Mikasa verarbeiten konnte, was sie in ihren Händen hielt, und es war nicht das erste Mal, dass sie das tat. Doch dieses Mal war es klein, so klein, als hätte die knöchrige Hand einem Kleinkind gehört. Unter dem Schutt erahnte sie die Konturen von zwei Skeletten, einem Erwachsenen, der das Kind an sich gepresst hielt.

    Reflexartig ließ sie die kleine Hand los und ließ sich auf eine Erhöhung in der Nähe nieder. Die körperliche Arbeit hatte ihr bisher nie zu schaffen gemacht, doch nun war es, als ob ihre Muskeln versagten, und sie saß auf dem Schutthaufen, den der Mann geschaffen hatte, der für lange Zeit ihr Denken und Sein zu großen Teilen ausgefüllt hatte. Er tat es immer noch, nun auf eine Weise, die sie immerzu verfolgte, wohin sie auch ging. Er war derjenige, der sie nun Schutt wegschaffen und Kinderknochen unter zusammengebrochenen Hausmauern ausgraben ließ.

    Sie fasste sich an ihr Schlüsselbein, an der Grube unter ihrem Kehlkopf und kontrollierte ihren Atem, beobachte wie er sich langsam wieder beruhigte. Der Psychotherapeut, so nannte man diese in Marley, den sie wöchentlich aufsuchte und sie alle aufgrund von – wie hieß das, das hatte so einen befremdlichen Namen –; Posttraumatische Belastungsstörung, behandelte, erinnerte sie ständig in Sitzungen daran, wie sie sich selbst beruhigen konnte, wenn sie in Panik geriet. Der gesamte, ehemalige Aufklärungstrupp teilte ihre Erfahrung und konnte mit diesem so medizinisch klingenden Begriff endlich beschreiben, was sie alle seit jeher durchlebten.

    „Es ist, als ob der Krieg, die Toten, und die Flammen, noch in deinem Kopf sind“, hatte der Commander mal beiläufig gesagt und deren Satz unterbrochen, um Flammen aussprechen zu können. Mikasa hatte vor einem Jahr die Flammen der Titanen aus dem Flugzeug gesehen und panisch mitverfolgt, wie der Commander versucht hatte ihnen Zeit zu verschaffen. Die Umhänge des Aufklärungstrupps waren feuerresistent, zumindest so feuerresistent wie ein Kleidungsstück in einer brennenden Hölle sein konnte, und dey hatte versucht deren Gesicht und Körpermitte mit dem Umhang zu schützen. Und dann hatte Falcos Titan, als er verzweifelt denen nachkommen und helfen wollte, wie aus dem Nichts Flügel ausgebildet, die aus seinen Schulterblättern hervorgetreten waren; das hatte dem Commander das Leben gerettet. Er hatte anscheinend im Kampfgemetzel Zekes Blut geschluckt und dadurch Fähigkeiten des Biesttitanen bekommen.


    Nun saß Mikasa hier auf dem Schuttberg und beruhigte ihren Atem, ehe sie weiterarbeiten würde. Mikasa riss sich den roten Schal vom ihrem Hals und warf ihn vor sich in den Dreck, bloß um ihn gleich daraufhin wieder zu sich zu holen, vom Staub abzuklopfen und sich ihn wieder anzulegen. Sie konnte nicht anders, sie hatte es einige Male versucht ihn loszuwerden.

    In der Ferne sah sie bereits die ersten Stadtteile, die sich erneut aus dem Boden erhoben und den Menschen einen Ort zum Leben gaben. Sie starrte in die Ferne, in der dunkelhäutige Menschen, die aus Onyankopons ursprünglichen Heimatland stammten – ihres Wissens war es zu größeren Teilen verschont geblieben –, einen Wagen mit Gütern heranfuhren. Weiter draußen im unberührten Westen und Norden hatten die Menschen Land und Wälder gefunden, die sie bewirtschaften konnten. Zu Wochenbeginn brachten sie den Arbeitern und den sogenannten Trümmerfrauen, wie sie Mikasa und einige anderen Frauen nannten, die an der Stelle ihrer gefallenen Männer anpackten, Nahrungsrationen vorbei.


    Eine ältere Dame in abgetragener Kleidung trat an Mikasa heran. Sie hatte eine sonnengegerbte, gealterte Haut, sah vermutlich um ein Jahrzehnt älter aus als sie es tatsächlich war, und reichte ihr eine Wasserflasche. „Mein Mädchen, trink.“

    „Ich bin nicht erschöpft“, sagte sie schließlich, nahm die Hände der Dame und schob sie etwas von sich. „Ich kann noch arbeiten. Behalten Sie das Wasser bitte für sich, der Tag ist noch lang.“ Die Dame benötigte das Wasser eher, um sich durch den Tag zu kämpfen.

    „Nicht körperlich“, erwiderte die Dame sanft. „Trink. Es ist erschöpfend die Toten zu finden. Vor allem die Kinder. Bist du täglich hier? Wenn du mit jemanden sprechen möchtest, bin ich auch täglich hier. Ein so junger Mensch sollte so etwas nicht täglich sehen müssen, das zerstört eure jungen Seelen noch mehr, als sie es bereits wurden.“

    „Ich habe viel mehr gesehen - und getan“, erwiderte sie stumpf. Sie nahm einen Schluck an und selbst wenn das Wasser bereits lauwarm war sowie etwas fahl schmeckte, war sie dankbar darum. Tränen rannen plötzlich über ihre Wangen, während sie schluckte, als ihr eigenen Worte bewusst wurden. Ich habe viel mehr gesehen – und getan. „Das kann öfters in der Aufarbeitungsphase geschehen“, hatte ihr Psychotherapeut für Kriegsveteranen vorgestern gesagt, als sie ihn darauf ansprach, dass Jean manchmal nach der Arbeit heimkam, wie betäubt auf einem Stuhl saß und vor sich hinstarrte oder manchmal wie aus dem Nichts weinte, wenn Mikasa von den Trümmern, und manchmal von den Knochen, sprach, die sie wegräumte. Ihr Haar war nicht mehr lang genug, um die Tränen hinter Strähnen zu verbergen. Es war seit zwei Jahren ohrlang kurzgeschnitten.

    Die Frau streichelte ihre Hand eine Weile und sie schwiegen für zehn Minuten, bis sie aufstand und sich wieder an die Arbeit machte. Mikasa entschied es ihr nachzutun und arbeitete in diesem monotonen Trott weiter, bis ihr Körper wieder nachgab und sie sich setzen musste, ohne dass er ermüdet war.


    Diesmal kam eine Stunde später dem Versorgungswagen ein Auto nach, eines dieser neumodischen Fahrzeuge, das vom technologisierten Marley hervorgebrachte wurde und aus ihm stiegen Armin, Commander Hange und Onyankopon. Sie trugen die schicken Anzüge, die sie zur Verhandlung getragen hatten, und wirkten fehl am Platz. Captain Levi fehlte für gewöhnlich. Er hatte sich irgendwo am Land abgesetzt und wollte in Frieden gelassen werden. Dort lebte er mit Onyankopon, dem Commander und den beiden Kindern, die ihre Eltern während der Schlacht um Himmel und Erde ebenfalls verloren hatten. Sie alle ließen sich öfters sehen und waren öfters geschäftig oder anderwärtig unterwegs, doch der Captain wollte seinen Frieden von allem und jedem außerhalb seines Hauses. Und Mikasa verstand dies.

    „Mikasa, schön dich zu sehen.“ Armin setzte sich neben sie. Seine Stimme war sanft und er sah von Monat zu Monat erwachsener aus, und müder. Sie deutete auf eine Stelle vor sich.

    „Hast du wieder Knochen gefunden?“

    „Ja. Sehr Kleine“, sagte sie bloß.

    Der Commander kam zu ihr und legte eine Hand auf ihre Schulter, die sie ergriff. „Ich hab genug davon.“

    „Natürlich hast du das. Mikasa, du musst hier nicht arbeiten.“

    „Ich muss es wiedergutzumachen versuchen.“

    „Das war nicht dein Werk.“

    „Danke, Commander.“

    Armin deutete ihr ins Auto einzusteigen und den Tag früher zu beenden als gewöhnlich. Endlich hier weg, endlich bei vertrauten Menschen sein können.

  • Arc 1 - Die Ruhe nach dem SturmKapitel 1: Wiedersehen mit alten Freunden



    Mikasa hatte ein wenig wie ein Roboter auf ihn gewirkt. Armin hasste es selbst an diesen Ort zurückzukehren und mit dem Anblick von Zerstörung, der sich ihnen bot, an Erens Taten erinnert zu werden. Zuerst hatte man die Zahl der Toten sehr hochgeschätzt, zwei Drittel der Menschheit außerhalb von Paradis. Zum Glück hatten sich die Befürchtungen als zu hoch erwiesen, doch das Ausmaß war immer noch katastrophal.

    Das Gespräch kam langsam in Gange, als die Arbeit verließen und eine Weile fuhren. „Wo ist Jean? Was macht er momentan?“, fragte Armin irgendwann, als sie mit dem Auto die freigeräumte Straße eine Weile entlangfuhren. Dem plattgetrampelten und von Zerstörung übersäten Gelände, wich nach einer Stunde ein unberührter Wald.

    „Er organisiert Hilfsgüter, Nahrung, Decken, alle möglichen, nötigen Güter für die Geflüchteten, in der Verwaltung des Militärs, und hat ein Team unter sich. Ich glaube das kann er gut, etwas leiten und es macht ihn glücklich, dass er Menschen helfen und Verantwortung übernehmen kann.“ Mikasa lächelte. Das machte sie ebenfalls zufrieden. Momentan noch nicht glücklich, aber zufrieden genug, um sich zu freuen, dass Jean diese Aufgabe gefunden hatte. „Connie arbeitet auch in seinem Team.“

    „Und was wirst du tun, wenn du deine Arbeit mit dem Wiederaufbau beendet hast?“

    „Ich weiß nicht. Es sieht nicht so aus, als würden wir sie bald beenden. Vielleicht werde ich in Jeans Team wechseln, aber ich bin nunmal stark. Das sollte ich nutzen. Das hilft den Menschen schneller voranzukommen.“ Kurze Stille, bis sie fragte: „Wie lief es bei dir?“

    „Ich hab herausgefunden, dass der Fluch gebrochen ist“, platzte es aus Armin heraus. „Das heißt meine Lebenszeit hier auf der Welt ist nicht so kurz bedacht wie ich dachte. Nun weiß ich auch nicht, was ich tun soll, ich hatte nicht viel für mein Leben geplant.“

    „Aber du bist ein guter Botschafter für uns, der Commander und du. Das ist vielleicht deine Aufgabe.“

    „Ich bin nicht mehr dein Commander, Mikasa und Levi ist nicht mehr dein Captain“, sagte dey vom Fahrersitz aus, wandte sich kurz nach hinten, bevor dey wieder den Blick auf die Straße wandte. „Wir sind nicht mehr im Krieg und du bist nicht mehr im Militär. Du bist jetzt frei zu tun was du möchtest und uns beim Vornamen zu nennen.“

    „Ja, Commander“, kam es aus ihr automatisiert, bevor sie sich zu verbessern versuchte. Es gab ein kurzes Lachen im Auto, bevor sich Armin sie länger und fröhlicher als sonst in den letzten Monaten anlächelte. „Also bleib ich dir auch noch länger erhalten.“

    Sie nickte freudig. „Ja, das tust du. Danke, Armin.“ Ein Leben ohne Armin war so schwer vorzustellen, da er bereits ein gutes Jahrzehnt bei ihr war und langsam sickerte es erst ein, dass seine Lebenszeit nicht wie durch eine Sanduhr davonrannte. „Danke, dass du mir länger erhalten bleibst“, erklärte sie nochmals.

    „Es ist schon ein wenig schade. Versteh mich nicht falsch Armin, ich freu mich sehr, dass weder du, noch Falco noch Pieck oder die anderen zu diesem Fluch verdammt seid oder Paradis terrorisiert wird, aber …“ Dey klopfte einige Male nachdenklich gegen die Seiten des Lenkrads. „was erforsche ich jetzt. Und ich werde nie Piecks Titan reiten können.“

    „Das klingt falsch“, merkte Armin von hinten an und blickte drein, als wäre er von seinem eigenen Witz überrascht.

    „Ich bitte dich.“

    „Und sie hatte nie zugestimmt“, fügte Onyankopon hinzu.

    „Sie hätte noch.“

    „Da wäre ich mir nicht so sicher.“

    Mikasa entkam ebenfalls ein leises Kichern. Irgendwie war sie diesen Menschen nun näher, zumindest ein klein wenig. Sie hatte in dem letzten Jahr zugesehen, wie sie sich alle freundschaftlich näherkamen, nun da keine Titel mehr zwischen ihnen standen, doch Mikasa konnte das nicht. Ihr Leben bestand aus Eren und Armin, und nun aus Armin, Jean und Erens Schatten. Schon damals hätte sie sich gerne enger mit Sasha angefreundet, doch sie konnte sich nicht auf andere Menschen einlassen, wie sie gerne wollte und nun hatte sie nicht mehr die Gelegenheit dazu.


    „Armin, du hast ihr noch nicht alles erzählt“, forderte Hange auf.

    „Die Verhandlungen…“

    „Nicht über Annie?“, neckte der Commander.

    Armin errötete leicht. „Ja also… über Annie.“

    Mikasa machte große Augen und fühlte ebenfalls etwas Aufregung aufsteigen. „Annie?“

    „Wir sind eben einige Male ausgegangen und haben viel geredet und es ist kompliziert, aber da wir nun beide ein langes Leben haben werden, wollen wir das nicht allein verbringen.“ Er strich sich ein paar Mal eine Haarsträhne zurück, die vom Fahrtwind ins Gesicht geweht wurden und sah sich unwohl im Auto und den vorbeiziehenden Bäumen um. Die Fahrt war ein wenig holprig, da die Straßen nur bedingt und notdürftig gepflastert waren, und er suchte eine feste Stelle auf dem Vordersitz, um nicht einen von ihnen direkt anzusehen.

    „Das finde ich schön“, sagte Mikasa schließlich sanft. „Und das ist wahr. Das hat Jean auch gesagt. Marco ist nicht mehr hier, aber er will nicht allein sein, also verbringt man seine Zeit mit einer Person, mit der man ebenfalls zusammenleben möchte.“ Sie griff in ihre Tasche und hielt Armin einen Ring mit einem eingearbeiteten Stein hin, der an einer Halskette befestigt war. „Das ist für ihn. Denkst du… ihm gefällt es? Ich habe es für ihn anfertigen lassen, aber Jean weiß es noch nicht.“

    Ein unscheinbares Schmuckstück, doch allmählich verstand Armin, was er vor sich sah. „Wenn du den Schal an dir trägst, sollte er auch Marcos Asche nahe an sich tragen?“

    „Ja. Das dachte ich.“

    „Ich denke, ihm wird es sehr gefallen.“

    Sie ließ es in ihre Tasche zurückgleiten. „Ich hoffe.“

    „Das ist eine sehr schöne Geste“, bestätigte Onyankopon vom Beifahrersitz aus und sah zu Hange hinüber. „Wir haben auch aus Paradis noch einiges aus Erwins Besitz mitgenommen und wir werden sehen, wie er reagiert“, sagte Hange etwas tonlos und ernst. Dey war um einiges ernster geworden, seitdem dey in Shiganshina Erwin, Moblit und ein Auge verloren hatte und danach zum Commander ernannt worden war.

    „Er ist schon seit einiger Zeit kaum aus dem Haus gekommen, also lassen wir uns überraschen, und über die Verhandlungen sprechen wir am besten, wenn wir angekommen sind.“

    „Jean und Connie wollten ebenfalls nach der Arbeit nachkommen und werden mit einem Auto von einem Kollegen gebracht“, unterrichte Mikasa.

    „Sehr schön. Und worüber sich der grummelige, alte Mann auf jeden Fall freuen wird“, setzte Hange etwas freudiger nach.

    „… ist Tee. Wir haben viele Teesorten an einem lokalen Markt gefunden, und eine Sorte aus meiner Heimat. Momentan sind die Plantagen etwas dürftig, aber es gibt sie noch. Rooibos. Meine damaligen Nachbarn hatten eine Plantage und ich hab ihn von Kind auf getrunken. Manchmal hatte ich schon genug davon, aber mein Vater hatte andauernd Rooibos-Tee von ihnen abgekauft und meine Schwestern waren so vernarrt darin. Das war, bevor Marley unser Land aus heiterem Himmel angriff, doch nun blühen sie wieder auf und unser Land erholt sich.“ Onyankopons Stimme nahm eine melancholische, nostalgische Tonlage an. „Ich bin so dankbar, dass sie sich in Sicherheit bringen konnten und die Göttin ihre schützende Hand über sie gelegt hat. Die Reise ist lang, aber ich möchte so gerne, dass du meine Familie kennenlernst, oder dass ihr das alle eines Tages könnt.“

    „Sehr gerne, wir können das gerne in den nächsten Monaten machen, bevor die nächsten Verhandlungssitzungen beginnen.“


    Mikasa und Armin saßen auf der Rückbank und hörten aufmerksam zu, wie Onyankopon aus seiner Kindheit und Jugend erzählte. Darüber wie Marley in seinem Land eingefallen war, um es der Kolonisation zu unterwerfen und er sich einer Rebellengruppe gegen Marley angeschlossen hatte, um seine Familie und das Land, das er kannte, von den Grausamkeiten zu beschützen, die Marley mit sich gebracht hatte und denen nicht bloß die Eldians zum Opfer gefallen waren. Davor hatte er noch studiert um Anwalt zu werden, da er dachte er könnte das geschehene Unrecht mit Recht bekämpfen, zumindest mit gesetzlichem Recht, doch Marley machte es einem schwarzen Mann an der Universität schwer.

    Seine Erzählungen brachten auch dey alte, bekannte Hange hervor, dey neugierig und etwas aufgekratzt war und bei jeder Erzählung von Onyankopon noch mehr Details wissen wollte, noch mehr Beschreibung dazu haben wollte wie er gelebt hatte, woran er glaubte und was ihn antrieb.

    Schon damals, als das Schiff aus Marley an Paradis Küste angelegt hatte, hatten sich Hange und Onyankopon auf Anhieb verstanden. Sie tauschten Erfahrungen aus und lernten voneinander; etwas wovon sie beide angetrieben waren. Als Onyankopon den Aufklärungstrupp zum ersten Mal nach Marley mitgenommen hatte, hatte Hange nicht genug bekommen können von den Museen, der neuartigen Technologie und der unbekannten Kultur und allem, was für denen unbekannt und neu war auf der anderen Seite des Ozeans.

    „Einmal“, setzte Onyankopon an. „hatte meine Mutter für meine beiden Schwestern und mich gekocht und wir hatten einen alten, dicken Hofhund, der in unser Haus kam und alles aufgefressen hat. Und unsere Mutter war so zornig, sie hat ihn hinausgejagt und so sehr erschreckt, dass er davongelaufen ist. Sie hat sich die ganze Nacht lang Vorwürfe gemacht und hatte Angst, dass ihn wilde Tiere in der Nacht fressen könnten, doch in Wahrheit saß er wieder in unserer Vorratskammer und fraß schon wieder das Mittagessen für den nächsten Tag auf und sie ist ausgeflippt.“ Onyankopon gestikulierte, um seiner Geschichte mehr Ausdruck zu verleihen und auch wenn Hange die meiste Zeit über den Blick nach vorne auf die Straße gerichtet hatte, sah dey immer wieder zur Seite, um die Erzählungen deren Freundes zu folgen und lachte ausgelassen.


    „Wenn wir deine Heimat besuchen, ich darf doch bestimmt Pieck mit mir bringen?“, fragte Hange an.

    „Also dabei hast du sie schon gefragt, oder gehst du davon aus wie bei ihrem Titanen?“, kam es von Armin und das Auto war wieder von Gelächter erfüllt.

    „Nein, ich werde sie fragen, aber ich gehe sehr davon aus.“

    „Wir kennen uns schon länger“, ergänzte Onyankopon. „Aber weshalb gehst du davon aus?“

    „Wir hatten nun auch einiges an Zeit miteinander verbracht, ich sagte doch, ich werde den Karrentitanen noch betören.“

    „Die junge Lady darin auch? Oder galt das bloß für ihren Titanen?“

    „Die Lady darin erst recht und sie mag meine Anwesenheit. Manchmal sieht sie mich so verwundert an und schüttelt den Kopf, aber sie mag meine Anwesenheit. Sie kommt öfters von selbst zu mir in meinen Raum, um sich zu unterhalten und zu fragen, woran ich arbeite. Ich weiß aber auch nicht weshalb sie mich manchmal so ansieht, als wäre ich der sonderbarste Mensch, dem sie je begegnet ist.“

    „Hmm…“, machte Onyankopon nachdenklich und dey klopfte auf seinen Oberarm. „Hey.“

    „Ich kann dir nicht sagen, weshalb sie das tun würde.“ Er grinste immer noch breit. „Aber wenn sie dich aufsucht, dann mag sie das wohl.“

    „Was machst du nun eigentlich?“, fragte Mikasa. Sie wollte auch endlich an der Freundschaft, die sie alle verband, teilhaben. Niemand schloss sie daraus aus, aber sie brachte sich selten ein.

    „Huh?“

    „An Forschung.“

    Armin half ihr aus. „Du hast gesagt du möchtest ein neues Forschungsgebiet, aber Pieck würde dich aufsuchen um dich danach zu fragen, was du gerade tust.“

    „Unterrichten“, strahlte dey. „Das hatte ich ja einige Zeit in unserem Aufklärungstrupp getan und nun ja, für den Übergang. Onyankopon hatte mich an einer Universität zu Physiklesungen mitgenommen und ich glaube, das hat mich gepackt.“


    In Sicht kam ein zweistöckiges, in einem simplen Stil gehaltenes Familienhaus, das ein wenig abgelegen von den Orten lag durch die sie hindurchgefahren waren. Der Captain hatte gesagt er wollte ein wenig abseits jeglicher Zivilisation leben, so fuhren sie noch gut zwanzig Minuten abseits eben jener sogenannten Zivilisation, die bloß ein Hundert-Seelen-Dorf war. Es sah idyllisch aus, eingebettet in den Rand einer Waldlichtung aus Nadelhölzern. Vermutlich hatte er Recht damit, dass er sich hier niederließ und für sich, und den Menschen, mit denen er sein Heim teilte, war.

    „Ich hatte Levi, als ich ihn gefunden und zusammengeflickt hatte, gesagt, wir sollten zusammen verschwinden und abseits von allem leben. Er hat mich beim Wort genommen“, sinnierte Hange, als das Auto zum Stillstand kam. Der letzte Teil des Weges war geebnet, aber nicht ansatzweise gepflastert, und eine kleine Herausforderung sich hindurch zu navigieren.

    „Parken wir weiter unten und gehen die fünf Minuten hinauf“, schlug Mikasa vor und hielt sich noch unsicher an der Seite der Karosserie an.

    „Bei Regen ist es auch um einiges unwegsamer. Ich muss hier so nahe parken, weil er kaum einen Schritt tun kann, und mit dem Rollstuhl wird es noch schwieriger hier durchzufahren. Er hatte sich nicht vorgestellt noch zwei Kinder aufzunehmen, denke ich, aber nun hat er sie; haben wir drei die beiden.“

    Je länger sie gefahren waren, desto mehr intakte Ortschaften bekamen sie zu Gesicht, die ihnen ein hoffnungsvolles Versprechen darauf gaben, dass sich die Menschheit erholen würde. Wahrscheinlich würde sie nie frei von Auseinandersetzungen sein, aber irgendjemand musste den Schritt dazu machen und dem Kreislauf von Hass ein Ende bereiten. Ein Wiederaufbau und Friedensverhandlungen waren der erste, richtige Schritt dazu.

  • Kapitel 2: Ein Essen mit alten Freunden



    Die Kinder kamen als Erstes aus dem Haus gestürmt. „Hange! Onyankopon! Armin!“

    Dann wandten sie sich Mikasa ebenfalls zu und grüßten sie kurz, hatten wohl nicht mit ihrem Kommen gerechnet. Sie unternahm tatsächlich sehr selten etwas, verließ selten ihr Haus; genauso wie der Captain, der an den Türrahmen gelehnt stand. Er konnte bereits kurze Strecken gehen, hatte Onyankopon erzählt.

    „Gabi, bist du dem grummeligen, alten Mann täglich auf die Nerven gegangen?“, fragte Hange.

    „Täglich“, bestätigte Gabi.

    „Sehr gutes Mädchen. Dann hat er mehr zu tun, als vor sich hinzuvegetieren.“

    „Falco weniger“, fügte sie hinzu.

    „Von Falco hätte ich es nicht erwartet.“

    Falco und Gabi erzählten von allem Möglichen, waren aufgeregt zu hören wie es ihnen bei den Verhandlungen erging und was sie zu erzählen hatten. „Der grummelige, alte Mann“, sagte Gabi. „ist so fade mit dem allein in einem Haus zu leben und nie ist dem das Haus sauber genug. Gabi, putz die Badewanne noch einmal. Gabi, was klebt da; von der Schüssel hätte ich mein Pferd nicht fressen lassen. Falco ist so sauber und ordentlich.“

    „Das bin ich“, bestätigte der Junge.

    „Das ist er“, bestätigte Levi vom Türrahmen aus. „Und du bist ein Ferkel.“

    „Es ist schön daheim zu sein“, sagte Onyankopon und Levi bestätigte das.

    „Schön wieder daheim zu sein.“

    „Das zweite Ferkel ist eingetroffen. Vielleicht kannst du das Mädchen bändigen und ihr lernt gemeinsam, wie man aufräumt und täglich badet, Augenklappe.“

    „Das ist eine Aufwertung von Brillenschlange, schätze ich, und wir können es uns nicht leisten, dass jeder von uns täglich badet.“ Dey sah ihn abschätzend an. „Deinem Bein geht es nun besser?“

    „Für kurze Strecken im Haus, ja. Bin nun wirklich ein alter, verkrüppelter Mann.“ Levi drehte sich um, um in das Wohnzimmer zurückzukehren und fiel beinahe. „Zu lange hier gestanden“, erklärte er kurz angebunden. „Scheiße, verdammte.“

    Hange stützte ihn und half ihm gegen halbherzige Proteste zurück. „Das braucht Zeit. Sag, wieso hast keine solchen Namen für Onyankopon?“ Dann winkte dey Armin und Mikasa herein. „Wir würden dann noch kochen.“

    „Der räumt hinter sich auf und ist ziemlich ruhig. Ein angenehmer Zeitgenosse“, sagte Levi trocken.


    „Ah, verstehe.“ Das Lachen hielt nicht lange an. „Wir haben dir etwas aus Paradis mitgebracht. Wir dachten… nun ja, du wolltest seine persönlichen Gegenstände bei uns im Haus haben. Ich hatte noch drei Zeichenblöcke von Moblit gefunden, da ist Onyankopon und mir der Gedanke gekommen. Ich kannte Erwin ebenfalls sehr lange und gut, daher lag mir das am Herzen zu tun.“

    Er ließ sich in den Stuhl gleiten und presste seine Lippen aufeinander. „Legt sie oben ab, oder schließt sie weg.“ Dann hielt er die Tasse mit bereits ausgekühltem Tee am oberen Rand mit drei Fingern und schwenkte den Rest darin hin und her, nicht bereit dieses Gespräch fortzuführen. „Danke“, sagte er nach einer Pause schlicht und sah dey über die Tasse hinweg an, ein Auge sah man an, er war in seinen eigenen Gedanken versunken; das andere Auge glasig und blind.

    „Gerne.“ Dey erinnerte sich noch an die Zeit, nachdem Erwin und Moblit gestorben waren. Manchmal waren sie beide für eine halbe Nacht nur beieinandergesessen, ohne viel zu sprechen, oft gar nicht, und Tee getrunken oder Hange hatte gelesen und Papierkram neben ihm bearbeitet, nur damit sie beide nicht allein in ihrer eigenen Trauer, allein in einsamen vier Wänden und allein mit ihren Gedanken sein mussten. Dabei hatte dey herausgefunden, Levi schlief seit jeher kaum. Höchstens vier Stunden, wenn es hochkam und er legte sich selten hin. Sobald er sich hinlegte, sah man ihm an, dass der Schrecken aller Tode, die er mitangesehen hatte, zurückkam. So schlief er meistens aufrecht in einem Stuhl und war bei jedem Geräusch alarmiert.

    Onyankopon brachte Erwins persönlichen Besitz hoch in Levis Zimmer und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Vielleicht war es falsch Erwins persönliche Gegenstände mitzunehmen und ihn zu erinnern. Doch dey wollte ebenfalls Andenken an deren alten Freund. Zwei Bücher seines Vaters, in denen von einem Land jenseits des Ozeans geschrieben worden war, das Medaillon, das er Hange vermacht hatte, und Unbedeutendes, mit dem man erst etwas Tieferes verband, wenn ein Mensch verstorben war. Etwas so Kleines wie ein edler Stift und ein Tintenfass.

    Von Moblit blieb denen bloß Zeichenblöcke. Als einfacher Soldat hatte er kaum etwas besessen. Doch diese Zeichnungen bildeten sein gesamtes Leben ab; alles, das er gesehen hatte mit Liebe zum Detail auf Papier niedergebracht. Menschen innerhalb der Mauern beim Einkauf am Wochenmarkt, eine Katze auf einer Stiege, Pflanzen, und zwischen den Momentaufnahmen von verschiedenen Kameraden, die miteinander sprachen oder während des Trainings in dynamischen Posen abbildeten, Zeichnungen von Hange. Titanen befanden sich in einem gesonderten Zeichenblock, der für Hange und deren Forschungsteam bestimmt gewesen waren. „Der ist für mich. In diesem zeichne ich nur, was mich selbst glücklich macht“, hatte er gesagt.

    „Von Moblit?“, fragte Levi.

    Hange bejahte und erwartete eine spitze Bemerkung, doch er nickte nur verstehend und trank seinen Tee. Dey sah gedankenverloren einige Seiten aus Moblits persönlichem Zeichenblock durch, konnte Erinnerungsfetzen vor deren inneren Auge aufblitzen sehen, als dey Orte erblickte, die sie gemeinsam besucht hatte, bis Mikasa und Armin den Raum betraten.


    „Möchtet ihr, dass wir beim Kochen helfen?“, fragte Mikasa an. „Ich möchte mich gerne nützlich machen.“

    „Wir hätten gekocht“, kam es von Onyankopon und Hange, bis dey Mikasa Gemüse und ein Schneidebrett gab. „Wenn du möchtest.“

    „Niccolo hatte uns ein paar Tricks und Rezepte gezeigt“, brachte sich Armin ein. „Dann machen wir das. Ich wollte seine Spaghetti nachkochen, das hatte ich nie selbst gemacht.“

    „An Niccolo heranzukommen ist eine hohe Messlatte.“ Onyankopon stellte ihnen Töpfe bereit. Er fand sich in ihrer gemeinsamen Küche, die zu fünft benutzt wurde, im Dunkeln zurecht. „Viel Spaß. Wo lebt Niccolo nun? Noch in Paradis?“

    „Ich glaube ja“, erwiderte Armin. „Er wollte an Sashas Geburtsort ein kleines Gasthaus eröffnen. Es gibt noch einige Probleme mit einer Gruppe aus Yaegeristen, die extremistisch unterwegs sind und jede Person aus Marley aus dem Land haben wollen, oder Schlimmeres. Manche wollen sogar „es zu Ende bringen“. Ich hoffe, Niccolo ist sicher.“

    „Ich verstehe nicht, dass die Menschen nicht lernen. Aber die politischen Details besprechen wir, wenn Jean und Connie nachkommen.“

    „Deshalb setzt man sich an den Arsch der Welt ab, Hange“, wandte sich Levi an denen. „Weil die Menschen nicht lernen.“

    „Ich glaube, dass die Menschen lernen können. Sie müssen lernen mit ihrem bisherigen Hass umzugehen und die Menschen, die sie hassen, kennenzulernen. Es ist einfach andere Menschen als Monster zu bezeichnen, ohne denen je begegnet zu sein und die Horrorgeschichten zu glauben, die dir von ihnen erzählt werden.“

    „Hange hat Recht“, wandte Onyankopon ein. „Wir müssen es immer weiterversuchen und weiter, bis die Menschen lernen wollen und es dann tatsächlich lernen.“

    „Und wenn sie nicht lernen, sitz ich hier lieber am Arsch der Welt und hab meine Ruh.“

    „Du hast mal dein Leben in den Dienst der Menschheit gestellt.“ Hange drehte die Flamme für den Teekessel nochmal hoch und wartete neben dem Ofen.

    „Und mein Dienst an ihr ist vorbei. Deiner auch. Du lässt Armin die Verhandlungen führen, gehst an die Uni, und machst… was auch immer du für einen Scheiß du vorher schon getan hast mit diesen unheimlichen Geräten und deinen wahnsinnigen Ideen.“

    „Meinst du, das Mikroskop, das ich hatte oder…“

    „Alles.“

    „Das war unheimlich für dich?“ Hange lachte, drehte den pfeifenden Kessel ab und schenkte ihm nochmal eine Tasse nach.

    „Ich war mir sicher, dass du die ganze, verdammte Baracke in die Luft sprengst und den Titanen die Arbeit abnimmst uns alle abzumurksen.“

    „In Ordnung, aber ich werde Armin dennoch zu Verhandlungen begleiten.“


    „Bitte“, kam es von Armin, während er die Tomaten schnitt und es nicht wagte den Blick vom Schneidebrett zu heben. „Ich bin einfach nicht gut darin zu reden, oder aufzutreten. Ich hab kein Auftreten. Hange bringt man mehr Respekt entgegen, man hört denen zu, hab ich den Eindruck. In den Augen dieser älteren Männer bin ich ein Kind. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie Historia ernstnehmen.“

    „Alles, was du sagst, ist sinnvoll“, erwiderte Mikasa. „Du hast uns schon oft geholfen.“

    „Doch das nutzt niemanden etwas, wenn jemand nicht auftreten kann. Ich bin nicht wie Erwin, ich kann keinen Saal zum Jubeln bringen und die Menschen mitreißen. Ich war immer der Junge, den man aus Spaß verprügelt hat um Dampf abzulassen und nun soll ich für eine Nation sprechen, um Frieden zu wahren und Städte wieder aufzubauen.“

    „Du hast viel Auftreten und in einem Verhandlungssaal musst du nicht eine Masse an Menschen zum Jubeln bringen, sondern dich mit ein paar wenigen Menschen an den Tisch setzen, die dem Inhalt deiner Argumente genauso Gehör schenken. Wenn sie dies nicht tun, ist das nicht deine Schuld.“ Hange stand ihm gegenüber und wartete, bis er dey endlich ansah. „Niemand erwartet von dir, dass du Erwin ersetzt. Ich hatte genauso damit gehadert und gedacht es gäbe keine unfähigere Person als Commander, Erwin hatte sich geirrt.“

    „Danke.“ Er lächelte schwach. „Ein großer Teil der Welt steht noch. Also hast du wohl vieles richtig gemacht.“

    Hanges Blick wurde sanft. „Das bedeutet mir viel.“

    „Es ist wahr, Commander.“ Er brachte das Schneidebrett zum Kochtopf. „Ich sehe da draußen einen großen Teil der Welt immer noch intakt und der andere erholt sich.“

    Mikasa tat es ihm gleich und ließ das geschnittene Gemüse vom Brett in die Sauce gleiten. „Das erinnert mich an damals, als wir noch zusammen mit Carla und Eren gekocht haben.“

    „Das stimmt allerdings. Sind die Spaghetti schon im Wasser? Kocht es?“

    „Ja.“

    „Gesalzen?“

    „Nein“, erwiderte sie überrascht. „Muss man das? Warte.“ Onyankopon gab ihnen erneut eine schnelle Einführung in die Küche des Hauses und zeigte ihnen das Gewürzregal in der Vorratskammer.

    „Wie viel Salz?“

    Er nahm ihr den Streuer ab und war sichtlich vertraut damit die hier heimischen Gerichte zu kochen. „Ich finde wir befinden uns in einer Gesellschaft, in der es wichtiger für Menschen mit Ideen und die etwas bewegen möchten, ist populistisch aufzutreten und mit Reden überzeugen zu können, als Inhalte vorzubringen“, warf Onyankopon ein. „Und ein intelligenter, junger Mann wie du sagt Wichtiges, also hören weise Menschen dir zu.“

    „Danke. Onyankopon, würdest du nochmal versuchen Anwalt zu werden?“

    „Ich weiß nicht, ob ich genügend Gerechtigkeit in Marleys Recht finden kann, oder in Paradis“, erwiderte er nach einer Pause des Nachdenkens. „In Zukunft vielleicht, falls ich das je können sollte.“

    „Verstehe ich.“

    „Ich konzentriere mich lieber darauf den Wohlstand und den Wiederaufbau meiner eigenen Heimat voranzubringen. Das ist meine Art für Recht zu sorgen. Ist das nicht ironisch, die Schlacht um Himmel und Erde hat uns in geringerer Härte getroffen, im Speziellen die Grenzgebiete, weiter sind sie nicht mehr vorgedrungen, aber dafür die Jahrzehnte unter Marleys Herrschaft und dem Krieg zuvor. Nun sind wir unabhängig, aber meine Heimat leidet immer noch, viele der Menschen sind immer noch arm.“ Er sah geistesabwesend vor sich. „Marley wird nun ein besseres Land.“


    Dann holte er aus seinem Koffer verschiedene Packungen, nahm sich den Stuhl neben Levi und setzte sich zu ihm. „Wie viele Teesorten kennst du? Das sind vermutlich mehr, als du je zuvor probiert hast.“

    „Damit kriegt man den aus der Reserve? Mit Tee? Interessant“, kam es von Gabi von den Stufen.

    Levi ignorierte sie geflissentlich. „Der hier ist…?“ Er griff nach einem Beutel, der ein etwas würziges Aroma verströmte.

    „Rooibos aus meiner Heimat. Der wurde in meinem Heimatort von meinen Nachbarn schon vor Jahrzehnten angebaut. Manchmal gibt man ihm Vanille hinzu.“

    „Ein was gibt man ihm hinzu?“

    „Ein Gewürz.“

    „Ich wollte mal einen Teeladen eröffnen“, sagte er, während er die verschiedenen Beutel betrachtete. „Da hab ich mir den Schädel einmal zu oft im Kampf angeschlagen, um auf sowas zu kommen.“

    „Aber wieso denn nicht“, ergänzte Onyankopon. „Jetzt hättest du die Möglichkeit dazu. Du wärst nicht mehr im Dienst, hast du vorhin noch gemeint.“

    „Dieser geschäftliche Schwachsinn liegt mir nicht. Das Einzige, das ich je gelernt habe, ist zu kämpfen. Ich bin Krimineller und Soldat, nichts anderes.“

    „Dann wirst du nun lernen etwas anderes zu sein und ich werde dich unterstützen. Tu mir bloß einen Gefallen und kauf nicht von Plantagen meiner Heimat, die die Arbeiter immer ausnutzten. Unter Marleys Herrschaft haben sie meine Leute dort versklavt.“

    „Ich will nicht reich werden. Die reichen Schweine, die uns ausgenutzt haben und hungern ließen, während sie sich selbst angefressen haben, hab ich schon im Untergrund verachtet. Dreien davon hab ich die Kehle aufgeschlitzt.“

    Onyankopons Gesichtszüge erstarrten. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Levi eine solche Aussage derart beiläufig in das Gespräch einbrachte, als hätte sie genauso viel Gewichtung wie jeder andere seiner Sätze. „Das wirst du bitte nicht mit den Plantagenbesitzern, die ich dir vorschlagen könnte. Das sind Kleinbetriebe in den Händen von Einheimischen.“

    „Hatte ich nicht vor und ich hoffe, sie geben einem keinen Grund. Die Schweine haben Kinder aus meinem Revier im Untergrund verschleppt und ich hab den Händlern und dem adeligen Kinderficker, der sie kaufen wollte, ein schnelles Ende gesetzt. Der war dasselbe Schwein, das zuvor Isabel angefasst hat, aber es hat ihm nicht gereicht, dass ich ihm die Hand abschnitt.“ Er legte zwei Finger an seinen Hals und zeigte eine kleine, schnelle Schnittbewegung an, zuckte mit den Schultern und drehte dann einen Beutel in seiner Hand Onyankopon zu. „Danke“, sagte er, als wäre beides Teil ein und derselben Konversation.

    „Das heißt für uns würdest du dasselbe tun? Wenn uns jemand zu verschleppen versucht?“

    Levi sah sie abschätzig an und deutete zu Falco hinüber. „Für das Balg hier schon.“

    „Natürlich würde er“, flüsterte Falco ihr beabsichtigt etwas zu laut zu. Die Kinder deckten rasch das Besteck für alle anwesenden und erwarteten Personen auf und sie setzten sich an die andere Seite des Tisches, wo sie darüber tuschelten, was im Untergrund wohl geschehen war und ob Levi die beiden aus den Händen von Kriminellen retten würde.

    Aus dem Augenwinkel sah Levi wie Mikasa kurz zusammenzuckte, sich einige Male dem Gespräch zuwenden und etwas sagen wollte und dann es dabei beließ vor dem Ofen zu stehen und darauf zu achten, dass das Nudelwasser nicht überkochte.

    „Ich will mehr darüber hören, über den Untergrund und die Händler und den grummeligen, alten Mann als Kriminellen.“

    Mit dem Seitenblick auf Mikasa kam ein endgültiges, hartes Nein, das einer zu enthusiastischen Gabi das Wort abschnitt. Armin und Hange sahen ebenfalls ihr Unwohlsein. „Genug von den Gangsterstorys“, entschloss dey. „Du kennst den Gangster mit Putzlappen und Schürze, da ist er nicht mehr so beeindruckend.“

    Das Mädchen kicherte.


    Es klingelte, als sich soeben ein neues Gespräch entwickelte und Hange stand auf, um die Tür zu öffnen. Dey begrüßte Jean und Connie und sie blieben anscheinend einige Zeit am Eingangsbereich der Türe stehen. Aus dem Gang hörte man halbe Sätze und Gesprächsfetzen, während Jean Anzugsjacke und Hut am Kleidungsständer ablegte und das Thema zu Ende brachte, bevor sie zu dritt das Wohnzimmer betraten.

    Jean kam zu Mikasa, die sich ihm zuwandte, legte eine Hand auf ihr Schulterblatt und fragte die normalsten Dinge, die man sich vorstellen konnte. Nach ihrem Tag, was Armin und sie gerade kochten, dass er sich freute bei ihr zu sein und das schien sie mit Zufriedenheit zu erfüllen. Sie unterhielten sich für wenige Minuten in leiserer Gesprächslautstärke. Kein Flüstern, doch auch nicht dafür bestimmt, dass sich andere in das Gespräch einmischten. Armin, der neben ihr stand, hörte, dass sie wieder über die Knochen nachdachte, und Jean küsste ihre Stirn, ehe er sich von ihr abwandte.

    „Armin, hey.“ Jean drückte ihn in eine kumpelhafte Umarmung. „Wie liefen die Verhandlungen?“

    „Mittelmäßig bis durchwachsen“, gab er wahrheitsgemäß zu. „Wir besprechen das beim Essen.“

    Es wurde aufgedeckt und Spaghetti ausgeteilt. Niccolo hätte die Spaghetti eventuell anders gekocht, besser, irgendwie vielleicht auch bissfester, aber man konnte sie dennoch als ordentlich bezeichnen, zumindest wenn man keine hohe Messlatte an ihnen anlegte.

    „Über die Verhandlungen“, setzte Armin an. „Wir haben leider keine besonders guten Nachrichten von Paradis. Die extremistische Yaegeristgruppe hat mehr Einfluss als uns lieb ist und die Besprechungen … über uns.“ Er sah zweimal zu Hange hinüber. „Über Historias und meinen Kopf wurde hinweg gesprochen und wir wurden speziell von Marleys Minister öfters übergangen. Nichts worauf ich sonderlich stolz wäre. Ich dachte ich könnte Reden halten und Menschen überzeugen, aber wenn es an einen Tisch mit internationalen Politikern, so kann ich das anscheinend nicht. Ansonsten steht der Friedensvertrag nach wie vor aufrecht. Zu unserer aller Erleichterung, aber sehr viel mehr gibt es nicht zu berichten.“ Er biss sich auf die Unterlippe und aß schließlich weiter.

    „Das war’s?“, hakte Jean ungläubig nach und sah wie Armin mehr in sich zusammensank.

    „Er kann nichts dafür“, warf Mikasa verteidigend ein.

    „Ich mach niemanden einen Vorwurf, ich hatte nur mehr erwartet.“

    „Wir haben bei den Menschen selbst mehr erreicht“, sagte Hange schließlich. „Mit den Menschen in Paradis, die sich unschlüssig über die Yaegeristengruppe waren und bei einigen jungen Männern der Yeageristen, die mit sich reden ließen. Zu wem wir auch immer durchdringen können, sollten wir das tun.“

    „Wir hatten ebenfalls einiges an Erfolg bei den Leuten“, sagte Connie.

    Jean stimmte stolz zu. „Wir verwalten Hilfsgüter, in erster Linie Nahrung, Decken, Hygieneprodukte und anderes, die wir Lager von Geflüchteten und momentan obdachlosen Personen zukommen lassen und unsere Versorgungskette läuft sehr gut. Auf der Landesebene macht uns einiges zu schaffen, aber wir kommen bei den Menschen an, bei denen es wichtig ist anzukommen. Leider müssen wir uns mit den Lieferungen und allem Möglichen ebenfalls herumschlagen. Eine kleine Splittergruppe der Yaegeristen, die nach Marley gekommen ist um „die große Schlacht“ zu Ende bringen will, hat letzte Woche einen unserer Nahrungslieferanten angegriffen und zwei unserer Männer getötet.“ Er fasste sich an die Nasenrücken. „Idioten“, fluchte er zwischen zusammengebissenen Zähnen.

    „Ihr macht eure Arbeit sehr gut“, bekräftigte Mikasa.

    „Und du ebenfalls und ich weiß, du siehst deine momentane Arbeit als deine Pflicht an, aber wir könnten deine Stärke bei uns ebenfalls gebrauchen. Du könntest helfen auf gefährdeten Strecken die Lieferungen zu beschützen.“

    „Du kannst Mikasa, deine Freundin, nicht, …“, setzte Armin an, wollte seine Kindheitsfreundin schon wieder, nachdem Friede eingekehrt war, als Soldatin sehen. Sie alle hätten ausgedient haben sollen.

    „Bitte, seit wann unterschätzt du sie. Sie ist eine Soldatin und die stärkste Frau, die ich kenne. Auch im wahrsten Sinne des Wortes. Ich trau niemand anderen diese Aufgabe mehr zu als ihr und ich bin dafür verantwortlich die fähigsten Leute auf die jeweiligen Posten zu holen, die sie ausfüllen müssen.“ Jean sah sie an, während der Raum still geworden war. „Ich will dich nicht dazu drängen. Wenn du sagst, du möchtest nie wieder in deinem Leben eine Waffe anfassen, dann versteh ich das.“

    „Ich will, dass die Menschen die Hilfsgüter erhalten. Dann hat es einen Sinn wieder eine Waffe in die Hand zu nehmen“, erwiderte sie. „Aber… ich muss darüber nachdenken. Ich bin müde.“

    „Vom heutigen Tag oder vom Kämpfen?“

    „Von beidem.“

    Er rubbelte über ihren Oberarm. „In Ordnung. Ich möchte dich nicht drängen.“

    Ich bin Soldat, sonst kann ich nichts, hallten Levis Worte in ihren Gedanken wider. Vielleicht war da bei den Ackermanns etwas Wahres dran. Sie konnten kämpfen, sie waren stark, sie waren loyale und verantwortungsbewusste Soldaten und sie warteten auf einen Befehl, auf eine Aufgabe, auf einen Auftrag jemanden zu beschützen. Angeblich war das alles erlogen gewesen, um den Ackermann-Clan loyal zu halten. Die Ackermanns konnten sonst nichts, sagte sich Mikasa selbst hin und wieder. Vielleicht gab es doch etwas, das sie noch herausfinden musste. Bis dorthin hatte sie keine Aufgabe, wenn sie niemanden mehr beschützen und für niemanden kämpfen oder ihre Stärke einsetzen konnte.


    Die Gespräche entwickelten sich in eine andere Richtung. Eine Stunde später floss auch etwas Alkohol, die Gespräche waren ausgelassener und fröhlicher und man schickte die Kinder um elf Uhr abends in ihre Betten, und Mikasa brachte sich ein. Das Band, das früher bloß zu Eren und Armin bestanden hatte, weitete sich und fasste mit der Zeit mehrere Personen ein. Das war neu und irgendwie beängstigend wie auch erfreulich.

    Levi deutete auf die Uhr gegenüber. „Wenn ich zu Gast wäre, würde ich jetzt gehen.“

    „Versteh ich nicht. Wir sind doch die, die hier zu Gast sind.“

    „Du sollst heimgehen, Connie.“

    „Die vier werden bleiben. So spät fährt ihr bestimmt nicht mehr die holprige Straße hinunter. Wir haben ein Gästezimmer“, übergingen Onyankopon und Hange ihn. „Leider nur eines, das ihr euch teilen müsst, aber das weckt vielleicht Erinnerung an die gute, alte Barackenzeit.“

    „So gut war die nun nicht“, wandte Connie ein und folgte den beiden dennoch mit den anderen in ein spärlich eingerichtetes Zimmer. Ein Bett, ein kleines Nachtkästchen und zwei provisorische Matratzen und Decken am Boden.

    „Ich möchte noch etwas mit dir besprechen.“ Mikasa nahm Jean zur Seite. „Können wir draußen ein wenig spazieren gehen?“


    Das Dämmerlicht des Sonnuntergangs fiel durch die Baumwipfel, bevor die Sonne hinter ihnen verschwand.

    „Warst du eigentlich, also...“ Sie geriet wieder in Erklärungsnot. Wie sprach man so etwas nun richtig an? „mit Marco zusammen? In einer Beziehung?“

    „Ich weiß nicht, ob das schon so nennen konnte, und du weißt vom Captain, im Militär sieht man gleichgeschlechtliche Paare nicht gerne, deswegen waren wir auch diskret. Wieso, Mikasa?“ Er hatte einen Arm um sie gelegt, als sie durch die Gegend geschlendert waren, doch nun hielt er sie auf einer Armlänge von sich und sich gegenüber, um in ihrem Gesicht herauszulesen, weshalb sie ihm plötzlich eine solche Frage stellte.

    „Ich möchte gerne wissen … was mochtest du an ihm?“

    Jean überlegte. Ob er überlegte ihr zu antworten, oder ob er sich eine passende Formulierung überlegte, war ihr unklar. „Er war gut. Ich finde mehr Grund braucht es nicht. Er war ein guter Mensch und es hat mich glücklich gemacht in seiner Nähe zu sein. Wenn man gute Menschen findet, während um einen herum die Hölle ist, muss man diese festhalten, findest du nicht?“

    „Ja, das finde ich auch. Jean“, begann sie. Sie hatte seine vorhin noch so gute Laune verdorben, doch nun musste sie Vorhaben durchziehen. „Ich hab für dich etwas anfertigen lassen. Beug dich zu mir und mach die Augen zu.“

    „Du könntest auch anders nach einem Kuss fragen“, scherzte er, doch sie blieb ernst und sah ihn fordernd an. „Ich versteh nicht, was das mit deiner Frage zu tun hat.“ Was sollte sie tun, wenn das Geschenk daneben geraten war? Er nie vorhatte ein Andenken bei sich zu tragen? Doch er hatte den Stein die Jahre davor in seiner Tasche getragen, bis er in ihrem gemeinsamen Heim einen Platz für ihn gefunden hatte.

    Geschickt öffnete Mikasa den Verschluss der Kette, legte sie um seinen Hals und berührte das Aschejuwel seiner Kette, der auf Jeans Brust lag. „Öffnen“, orderte sie sanft.

    Er tat wie geheißen und sah an sich hinab. Dann schluckte er. Seine Finger berührten den Stein und er schluckte noch ein, zweimal. Seine Augenbrauen zogen sich ein wenig zusammen. Diesmal waren es wohl Tränen, die er hinunterschluckte.

    „Entschuldigung.“ Ihr erster Reflex. „Ich dachte, das wolltest du.“

    „Danke. Diese Geste bedeutet mir viel; dieses Geschenk.“ Jean hielt es an sich gepresst, als käme jemand vorbei, der ihm die Kette entreißen konnte.

    „Ich wollte, dass du ein Andenken an dir tragen kannst, genauso… wie ich, mit dem Schal an mir, der mich an ihn erinnert.“ Gefühle zu erklären war ein schwieriges Unterfangen, speziell wenn man diesen selbst nicht nahestand. „Dann können wir die Andenken tragen und… ich weiß es nicht, wie ich das sagen soll.“ Mikasa dachte, er würde ihr bei der Formulierung helfen, doch er sah sie abwartend an, bis sie sich selbst erklärte. Das würde er ihr wohl nicht abnehmen. „Zusammen weitermachen und zusammen leben, aber auch zusammen an die denken, die wir geliebt haben.“

    Er legte eine Hand an ihre Wange und zu ihrer Überraschung war sie damit bereits so vertraut, dass sie sich in die Berührung hineinlehnte. „Dann möchte ich das auch gerne mit dir tun“, versicherte er ihr.

    „Ich versteh, was du an Marco mochtest. Das mag ich an dir ebenfalls.“ Sie mochte Jean, weil er ihr Frieden gab. Ihre Gefühle für Eren hingegen hatten sie ständig aufgewühlt. Er war gut und deswegen war sie glücklich in seiner Nähe zu sein. Während die Hölle um einen herum war, musste man gute Menschen festhalten. Mehr Grund brauchte es nicht.

  • Bastet

    Hat den Titel des Themas von „Nach dem Sturm“ zu „Rebuilding Hope“ geändert.