Videospiele verlangen vor allem eines - schnelle Reaktionen. Sie stellen im Prinzip die individuelle Reaktionszeit des Spielenden auf die Probe. Schenkt man wissenschaftlichen Publikationen Glauben, so beträgt die menschliche Reaktionszeit etwa 100 Millisekunden. Gemeint ist damit jene Zeit, die ein Mensch benötigt, um auf ein gewisses Ereignis zu reagieren. Vollkommen gleichgültig welches Ereignis. Das Verkehrsamt in Deutschland, und auch in Österreich, geht von einer Reaktionszeit von genau einer Sekunde aus. Was nichts anderes bedeutet, als dass beim Erkennen einer Gefahr bis zum Einsetzen einer Abwehrhandlung die Zeitspanne von einer Sekunde nicht überschritten werden darf → Quick Time Event!
Dem aufmerksamen Leser wird die relativ hohe Differenz zwischen der angeblichen Reaktionszeit von 100 und der in der Verkehrsordnung festgelegten 1000 Millisekunden nicht entgangen sein. Es folgt eine naheliegende Interpretation: bei einem gesunden Menschen liegt die Reaktionszeit, ohne irgendwelchen Beeinträchtigungen, zwischen 100 und 1000 Millisekunden. Das ist hier deshalb erwähnenswert, weil sich auch die Spielentwickler danach richten. Doch bevor ich über Sinn und Unsinn von Quick Time Events eingehe, möchte ich euch ein kleines, aber interessantes, Spiel vorstellen.
Das Spiel testet auf recht simple Weise eure Reaktionszeit. Sobald am Bildschirm „Swing Batter“ erscheint, müsst ihr mit der linken Maustaste auf den Bildschirm klicken. Der Test macht nur dann Sinn, wenn ihr ihn mehrere Male durchführt. Mindestens zehn, ruhig mehr. Interessant ist letzten Endes der Durschnittwert. Mich interessiert an dieser Stelle, ob die generelle Meinung über Quick Time Events mit der tatsächlichen Reaktionszeit der Spieler zusammenhängt. Deshalb möchte ich alle User, die ihre Meinung hier kundtun, bitten ihre durchschnittliche Reaktionszeit zu posten. Natürlich aber nicht verpflichtend. :)
Nun aber zu den Quick Time Events, abgekürzt übrigens mit QTE, als Gameplay- oder vielleicht sollte ich lieber sagen als Spannungselement. Wie so vieles haben auch sie Vor- und Nachteile. Beschränkt man Spiele wie Super Mario Brothers oder Tetris auf ihre grundlegendste Spielmechanik wird schnell ersichtlich, sie leben von Quick Time Events. Bleiben wir bei Tetris, ein Klassiker schlechthin, den jeder von uns kennt.
[Blockierte Grafik: http://oi45.tinypic.com/9sqtkx.jpg] Was wird nun hier vom Spieler gefordert? Unterschiedliche Formen so platzieren, um lückenlose Reihen zu bilden. Die Formen können hierbei waagrecht verschoben und in 90°-Schritten gedreht werden. Je länger das Spiel andauert, desto schneller fallen die Formen und je schneller diese herunterfallen, desto schneller muss der Spieler auf sie reagieren. Also auch Tetris verlangt schnelle Reaktionszeiten.
Stellt euch nun vor die optimalen Aktionen werden am Bildschirm angezeigt. Das Spiel sagt euch also qausi welche Tasten ihr drücken müsst, um die herunterfallende Form richtig anzuordnen. Alles was der Spieler nun zu tun hat, ist das Reagieren auf die Aufforderungen, die am Bildschirm angezeigt werden. Ein Quick Time Event-Fest!
Niemand bringt Tetris jedoch mit Quick Time Events in Verbindung. Dabei besteht der einzige Unterschied doch nur darin, dass dem Spieler bei Tetris nicht gesagt wird, welche Tasten er drücken muss. Dies muss er selbst herausfinden, anders jedoch bei Spielen wie Mario. Wenn ich ein Mario spiele weiß ich, ich muss die „A“-Taste drücken, um zu springen. Ich weiß nur nicht wann, zumindest nicht immer.
Ich behaupte daher, Quick Time Events sind das Herz und die Seele der meisten Videospiele. Strategie-Spiele oder irgendwelche Simulationen funktionieren natürlich ganz anders. Auf diese trifft diese Aussage selbstverständlich nicht zu. Wohl aber auf sämtliche Spiele, bei denen es auf schnelle Reaktionen ankommt. Dazu gehört Tetris, Call of Duty, The Legend of Zelda, F-Zero, Resident Evil, Metroid, Castlevania, Mario Kart, Need for Speed, FIFA und viele, viele mehr.
Dennoch sind Quick Time Events heutzutage verpönt. Wieso, frage ich mich. Ich persönlich mag sie, halte sie für eine Bereicherung für das Gameplay. Wieso? Weil sie zum einen für Spannung und zum anderen für Abwechslung sorgen. Man kann sie in nahezu jedem Spiel einbauen ohne dass sie deplatziert wirken. Sie zwingen den Spieler aber auch aufmerksam zu spielen und nehmen ihm quasi jede Freiheit. Das Spiel sagt was zu welchem Zeitpunkt getan werden muss.
Nehmen wir einmal Resident Evi 4 als Beispiel. Das hat die Quick Time Events nicht eingeführt, aber es hat sie etabliert. Damals wurden sie mehr gefeiert, als kritisiert.
Hier sieht man den exzessiven Einsatz von Quick Time Events in Zwischenszenen. Da der Spieler normalerweise keinerlei Kontrolle über das Geschehen in den Zwischenszenen hat, fällt hier das Contra-Argument weg, Quick Time Events nähmen einem die Freiheit. Man könnte jedoch entgegnen, man wird von der eigentlichen Zwischenszene abgelenkt. Zu sehr wird die Aufmerksamkeit von den ständig einblendenden Tastenkombinationen abgelenkt. Das ist wahr. Sagt mir auch meine eigene Erfahrung. Versetzt man sich allerdings in die Rolle des Protagonisten, in diesem Beispiel wäre das Leon, wird schnell klar, auch er kann dem Gespräch nicht die volle Aufmerksamkeit schenken. Auch er muss damit rechnen jeden Moment angegriffen und somit zu einer Abwehrhandlung gezwungen zu werden. Genauso ergeht es dem Spieler. So kann man sich wesentlich besser in die Rolle des Protagonisten hineinversetzen. Das steigert die Spannung ungemein und genau das ist es, was in meinen Augen Quick Time Events auszeichnet. Das „Mittendrin-Gefühl“ wird dadurch gestärkt, das Spiel wird lebendiger.
Außerhalb der Zwischenszenen gilt all das genauso. Wenn plötzlich ein riesiger Felsbrocken geradewegs auf Leon hinuntersaust, sind blitzschnelle Reaktionen gefragt, um der Gefahr zu entfliehen. Der Spieler bekommt dies durch Quick Time Events zu spüren. Mit derlei Gefahren ist jeder Zeit zu rechnen, immerhin befindet sich Leon nicht auf einem Urlaubstrip. Er kämpft um sein Überleben! Gut eingesetzte Quick Time Events lassen uns das als Spieler spüren. Sie intensivieren das Spielerlebnis.
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Wir reden hier über Videospiele, nicht über Filme. Quick Time Events sind eine sehr einfache Möglichkeit Zwischenszenen im Gameplay zu integrieren. Heavy Rain zeigt eindrucksvoll welche Wirkung Quick Time Events haben. Denn das Spiel besteht quasi nur aus Quick Time Events. Es heimste sehr hohe Wertungen ein, der Nachfolger ist bereits in Entwicklung. Asura's Wrath setzt ebenso voll und ganz auf Reaktionstests in Form von Quick Time Events. Im Gegensatz zu Heay Rain wurde es von den Spielern nicht ganz so gut angenommen. Ich frage mich auch hier, wieso? Ich behaupte frech, es liegt am Schwierigkeitsgrad. Denn Asura's Wrath erfordert wesentlich schnellere Reaktionen.
Am Anfang dieser Kolumne schrieb ich, 1000 Millisekunden seien das absolute Maximum als Reaktionszeit eines gesunden Menschen. Die optimale Reaktionszeit liegt angeblich bei 100 Millisekunden. Letztere wird niemand von uns erreichen, gleichwohl die 1000 Millisekunden. Die wird niemand von uns überschreiten. Das hat auch das oben verlinkte Reaktionsspiel bewiesen.
Resident Evil 5 verlangt auf Profi, soweit ich mich erinnere, eine Reaktionszeit von 250 Millisekunden. In den anderen Schwierigkeitsgraden hat man hingegen mindestens eine Sekunde Zeit. Auf Profi werden die Quick Time Events von vielen als unfair und Spaß mindernd abgetan.... und nur auf Profi! Meine Theorie: Nicht die Quick Time Events sind es, die zur Kritik verleiten, sondern der Schwierigkeitsgrad.
Wie steht ihr zu Quick Time Events? Adrenalinkick, oder doch eher ein Spaßkiller? Wie sind eure Reaktionszeiten? Welche Spiele könnt ihr als Beispiel für den sinnvollen Einsatz von Quick Time Events nennen?