Wie ich gehofft hatte, dass das keinem auffällt mit meiner "Zwang- Nicht Zwang"-Argumentation :^)
Aber ja, ich stimme hier grundsätzlich zu. Natürlich ist ein Zwang gegeben, vor allem, wenn es um die eigenen Kinder geht und diese aus der Gesellschaft (hier z. B. dem Kindergarten) ausgeschlossen werden. Nicht nur gibt es diese direkten Konsequenzen, sondern auch dann die Erklärungsnot gegenüber anderen, was auf Menschen sogar oft mehr Druck ausübt als fest geschriebene Gesetze. Aufklärung kann tatsächlich alleine deshalb schon mehr Effektivität zeigen, weil mehr Menschen dann Bescheid wissen und sozialen Druck ausüben durch verurteilende Meinungen. Nicht der beste Weg, aber aus der Pädagogik/Psychologie wissen wir, dass das tatsächlich sehr viel Wirkung zeigen kann. "peer pressure" existiert für jedes Alter.
Warum ich nicht näher darauf eingegangen bin, liegt an den Merkmalen der vorangegangenen Beiträge. Ich musste selber einige Male die genauen Konzepte/Gesetzespläne/Formulierungen nachschlagen, weil einige Beiträge stark danach klangen, als ob eine allumfassende Impfpflicht per Gesetz erlassen wurde und diese schwerwiegend in das Leben aller Personen eingreift. Gleichzeitig waren die gleichen Beiträge mit einer starken Verharmlosung der europäischen Daten verbunden, hatten teilweise verschwörungstheoretische Ansätze und teilweise Kausalitäten angepriesen, die so in der extremen Form nicht gegeben sind (siehe die Flüchtlings-Argumentation, die natürlich bis zu einem gewissen Prozentsatz stimmt, jedoch nicht für die aktuelle Lage verantwortlich ist). Das alles zusammen geht so in das eine Extrem, dass ich es dabei beließ, lediglich diese Wirkung etwas zu parodieren. Ich finde, die Diskussion dreht sich um Dinge, die nicht relevant sind und dadurch geht das unter, was wirklich diskutiert werden sollte.
Die Selbstbestimmungsdebatte ist definitiv relevant und vor allem dann, wenn es um die Kinder bei der Impfpflicht geht. Und zwar auf beiden Seiten. Wir haben einmal die Kinder mit Eltern, die das Impfen verweigern. Die Eltern haben zwar auch Konsequenzen zu spüren, jedoch entscheiden sie sich bewusst dafür oder dagegen und es ist vergleichbar mit der Entscheidung bei gemeinschaftlichen und medizinischen Einrichtungen. Die Kinder hingegen werden aufgrund des Erziehungsrechts aus Einrichtungen ferngehalten, die wichtig für ihre Entwicklung sind. Denn nur weil Eltern das Impfen verweigern, bedeutet das ja nicht, dass sie in der Lage sind, sich ausreichend zu Hause um das Kind ohne Betreuung zu kümmern oder eine qualifizierte Betreuung zu finanzieren. Das selbe gilt aber auch für Kinder, die zu Hause bleiben müssen, weil die Eltern Angst haben, diese in den Kindergarten zu schicken oder generell sich mehr als nötig draußen mit ihnen aufzuhalten. In dem Fall stehen die Familien sogar vor einer noch schwerwiegenderen Entscheidung, denn die Konsequenzen, wenn ihr nicht impf-fähiges Kind sich etwas gefährliches einfängt, sind statistisch wahrscheinlicher und gefährlicher als die Risiken, die Eltern eingehen, die ihr Kind impfen. An der Stelle bin ich mir nicht einmal mehr sicher, ob man das noch Entscheidungsfreiheit nennen darf.
Ich bin immer pro Aufklärung, pro mehr Informationen, pro Gespräche auf Augenhöhe (ähnlich wie die Middle Ground-Videos von Jubilee das immer wieder anstreben), was machen wir aber in der Zwischenzeit? Wenn die Politik ihren Einsatz vor Jahren verpasst hat (und das hat sie definitiv, wenn ich mir anschaue, wie unzuverlässig mein Impfpass vom Hausarzt (und Eltern), OBWOHL ich mindestens einmal im Monat da war, verfolgt wurde), können wir die verlorenen Jahre jetzt einfach verdoppeln? Was machen wir in der Zwischenzeit mit den Kindern und Eltern denen die Entscheidungsfreiheit so enorm vom gesundheitlichen Zustand ihres Kindes eingeschränkt wurde? Das ist btw. kein Vorwurf an deine Argumente, sondern eine wirkliche Frage, weil ich finde, dass wir uns nun in einem Dilemma befinden und irgendeine Gruppe zwangsläufig den Kürzeren zieht.
Man kann natürlich argumentieren, dass der Eingriff in die Selbstbestimmung die weitreichenderen Konsequenzen mit sich führt. Konsequenzen, die man so vielleicht gar nicht wahrnimmt, wenn man die ethische Debatte überspringt, aber die gegeben sind und in der Zukunft plötzlich sehr relevant werden können (wir haben ja bereits eine ähnliche Situation bei der Präimplantationsdiagnostik), aber wo hört die Selbstbestimmung genau auf? Wie unmittelbar muss ein Schaden sein, damit der Staat tatsächlich "deinen Körper" angreifen darf bzw. dich indirekt eben zwingen mit deinem Körper etwas zu tun? Zwang ist natürlich niemals gut, vor allem nicht, wenn so viele Emotionen mit reinspielen, weil die Compliance enorm wichtig für medizinische Erfolge ist. Dennoch meldet sich halt hier bei mir das große "aber", weil die Erkrankungen nun mal nicht in der Zukunft liegen und wir hier präventiv eingreifen, sondern das Problem bereits hier ist und somit auch Leidtragende.