Am liebsten hätte Emnori sich selbst geohrfeigt, wenn sie denn Hände gehabt hätte. Ihr war es doch tatsächlich gelungen, sich bereits wenige Minuten, nachdem sie den Jäger in die Flucht geschlagen hatte, erneut eingekreist und einer deutlichen Übermacht gegenüber zu finden. Solche Fehler waren ihr in den letzten drei Monaten nicht passiert und nun zweimal an einem Tag. Wie ärgerlich. Nur leider schienen diese Kämpfer, so skurril sie auch aussahen, deutlich stärker zu sein, als die Jäger, mit denen sie es bis eben noch zu tun hatte. Der scharfe Gestank von Blut hing in der Luft und zeigte der Zaeckran, dass ihre jetzigen Gegner alles andere als zimperlich waren. War dies das Ende ihrer Freiheit? Es schein fast so. Vor diesem Moment hatte sie sich gefürchtet und sich deswegen auch so gut es ihr möglich gewesen war im Verborgen gehalten. Und Furcht beherrschte sie auch jetzt. Doch sie würde sich nicht von ihrer Angst lähmen lassen. Wenn sie nun am Ende angelangt war, dann würde sie kämpfen, bis zu ihrem letzten Atemzug, denn einfangen würde sei sich nie wieder. Sie würde frei sterben und wenn es sein müsste, würde sie sich selbst das Leben nehmen. Alles war besser, als zurück in Folter und Qual gebracht zu werden. Drei Monat lang war ihr Leben etwas wert gewesen, hatte sie zum ersten Mal, seit sie geboren wurde erfahren, was Leben bedeutet, war sie satt geworden und war sie nicht von den Schlägen einer, mit scharfen Metalldornen besetzten Peitsche geweckt worden, die selbst durch das dichte Fell noch ihre weiche Haut aufgeschlitzt hatte. Selbst, wenn nun alles vorbei war, war es nicht umsonst, sondern die schönste Zeit ihres jungen Lebens gewesen. Aber nun war keine Zeit dem hinterherzutrauern, was sie im Begriff war zu verlieren, denn besiegen konnte sie so einen Haufen Kämpfer nicht. Es war Zeit um aufrecht und stolz den letzten Weg zu beschreiten. Also fletschte sie drohend die Zähne und fauchte so wild, wie sie konnte, um den Gegnern wenigstens etwas Angst einzujagen. Selbst wenn sich alles in ihr sträubte noch einmal an diesem Tag Leben nehmen zu müssen, würde sie diesen Wesen zeigen, dass selbst in den versklavten Zaeckran immernoch ein wildes Geschöpf steckte, dass sein Leben liebte.
„Sollen wir sie denn wirklich einfach so einfangen? Sie ist doch auch ein intelligentes Wesen... Ich habe Jareth gerade gefragt, er meinte er wolle sie nun einmal haben, aber das fühlt sich so falsch an.“ Die Worte der Malfurie verwirrten Emnori, immerhin war dies das erste Wesen, das einer ihrer Art eine gewisse Intelligenz zuschrieb. Der Geruch des Windwesens kam ihr bekannt vor, sie musste also auch vorhin im Wald gewesen sein. „Ich kenne mich nicht so sehr mit diesen Tieren aus“, kam es von einer Dyrade, „Doch wenn wir es nicht gewaltsam fangen wollen, müssen wir ihm ja irgendetwas anbieten, damit es freiwillig hierbleibt. Ich dachte zuerst an Futter, aber dieses Tier sieht so aus, als könnte es sich selbst versorgen. Daher wäre mein Vorschlag, dass wir ihm den Metallring abnehmen und ihm Schutz vor seinen Verfolgern anbieten - damit es im Gegenzug für uns arbeitet.“ Die junge Raubkatze spitzte aufmerksam die Ohren und gestattete sich eine winzige Hoffnung in sich aufkeimen zu lassen, behielt aber ihre drohend, gebückte Haltung bei. Ein weitere Zweibeiner stieß zur Gruppe und auch sein Geruch erkannte Emnori wieder, es handelte sich um das Feuerwesen, das mit der Malfurie im Wald gewesen war. Der Neuankömmling schien sich, im Gegensatz von den anderen von ihrer Haltung einschüchtern zu lassen und die Zaeckran konnte beißenden Angstgeruch von ihm wahrnehmen. Ein anderer schien das auch bemerkt zu haben, ein Wesen, das einige Meter über der Gruppe auf einer Metallplatte stand und mit dessen Rasse Emnori nicht gerade schöne Erinnerungen verband. „Fintan! Kommen Sie doch näher her, Sie dürfen nicht immer so distanziert und kalt seien, wenn sie sich nicht mit den Anderen abgeben wollen, werden Sie sich keine Freunde machen, mein Bester! Oder haben Sie tatsächlich nur Angst vor diesem... niedlichen Kätzchen? Das wäre ja ziemlich armselig...“, gab der Platiner von sich, er war fast noch ein Kind, aber stellte dieselbe Arroganz zur Schau, wie seine Artgenossen, trotz der Tatsache, dass auch er geradezu nach Angst stank und sich vermutlich beinahe in die pikfeinen Hosen machte. „Um zurück zum Thema zu kommen ... sollten wir dieses Biest seiner Bewegungsfreiheit entledigen, denn leider, meine liebste Lady Diana, sind diese Tiere alles andere als harmlos... Außerdem sind Zähne und Klauen ein Problem, doch beides kann man mit gewissen Methoden ungefährlich machen... Diese Dinger sind nämlich nur von ihren Instinkten gesteuert, sie sind blutrünstig, brutal und vollkommen unzivilisiert, ich sage es euch! Ein solchen Wesen hat einmal ein ganzes platinisches Viertel zerstört, habe ich gehört, und das mitten in der platinischen Hauptstadt... Das Viertel wurde bis heute nicht wieder aufgebaut, hab ich gehört! Solch einer Gefahr sollten wir nicht ausgesetzt werden! Ganz besonders nicht die werten Damen!“ Das herablassende Gerede des Metallwesens machte Emnori wütend und sie stieß ein tiefes Grollen aus. Ohne ihr Zutun richteten sich ihr Nackenfell auf und ihr Schwanz war mit einem Schlag mehr als doppelt so dick, wie gewöhnlich. Unruhig peitschte er hinter ihr herum und mähte unbeabsichtigt einen kleinen Busch um. Es war wohl für alle beteiligten deutlich zu sehen, dass die Zaeckran mit dem Platiner ein großes Problem zu haben schien, den sie heftete ihren grimmigen Blick aus den dunkelgoldenen Augen auf ihn und folgte jeder seiner Bewegungen. Als sich das Metallwesen zurück zog und sich feige hinter dem Feuerwesen verkroch, übermannte das brodelnde Gefühlsgemisch aus Todesangst und Wut die Zaeckran und sie tat etwas, was sie eigentlich nie in Erwägung gezogen hatte. „Typisch Zweibeiner, ihr redet von mir, als wäre ich gar nicht anwesend und tut so, als sei ich ein Geschöpf, dessen einziger Zweck das Dienen sei.“, sprach sie in derselben Sprache, wie sie auch die Wesen der Gruppe benutzten. Ihre Stimme war hell und klar, wie die Stimmen von Zweibeinerkindern und würde wohl von Humanoiden als unpassend für so ein großes Wesen empfunden werden. „Und noch etwas Hoheitssöhnchen,“, sie fixierte den Platiener noch immer, „es gibt nur einen einzigen Fall, wo eine der Meinen einen Plaiener, oder einen anderen Zweibeiner angegriffen und auch getötet hat und dieser war erstens ein Unfall und zweitens hatte der Platiner es verdient. Ich würde euch auch lieber nichts tun, aber wenn ihr mich wieder einfangen und versklaven wollt, werde ich bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen. Freiheit oder Tod!“ Den letzten Satz stieß sie wie einen Schlachtruf aus und reckte stolz das Haupt. Dass sie sich nicht halb so sicher fühlte, wie sie sich eben gegeben hatte, wollte sie nicht zeigen. Auch wenn es keine Absicht gewesen war, zu den Zweibeinern zu sprechen, so keimte in Emnori die vage Hoffnung auf, dass dies ihre Gegenüber so überraschen würde, dass sie für einen Augenblick innehalten würden. Denn gewöhnlich zeigten Zaeckran ebenso selten, dass sie zu gesprochener Sprache fähig waren, wie dass sie sich wehrten und das kam eigentlich nie vor.
OT: Eigentlich hatte ich nicht vor heute schon Emnori reden zu lassen, aber die Situation hat ja geradezu danach geschrien^^.