Willkommen zum letzten offiziellen Wettbewerb der Saison.
Die Anmelde-Deadline ist ja schon überschritten worden, Einsendungen werden also nicht mehr entgegengenommen - aber auch wenn ihr es nicht mehr rechtzeitig geschafft habt, ist das nicht schlimm; und toll wäre es sogar, wenn ihr noch voten würdet. Mal schauen, ob wir abschließend für dieses Jahr die meisten Votes schaffen, hm? ;)
Für alle, die es nicht wissen, was die Aufgabe war - klickt einfach auf diesen Link, dann werdet ihr zum Info-Topic geführt.
Wie auch bei den anderen Wettbewerben gelten folgende Regeln:
ZitatBevor ihr votet, müsst ihr euch alle Artikel durchgelesen haben. Sympathievotes und dergleichen sind nicht erlaubt. Die Teilnehmer dürfen selbstverständlich auch voten, allerdings ist es diesen untersagt, für die eigenen Artikel zu voten.
ZitatUm die Aktivität der Votes in den einzelnen Wettbewerben zu steigern und die Voter für ihre Votes zu belohnen, haben wir die Votepunkte eingeführt. Sie sind einfach zu erklären: Votet ein User in einem Wettbewerb, so bekommt dieser einen Punkt für deinen eigenen Text/sein eigenes Gedicht, wenn er abgegeben hat. Hat der User der Votet jedoch keinen Text abgegeben, hat dies keinen weiteren Effekt auf die Punkte der Texte/der Gedichte. Oft hat diese Regelung Vorteile für die Plätze der Texte/der Gedichte, weshalb sich jeder User einmal zum Voten aufraffen sollte.
Natürlich sehen wir es noch lieber, wenn User auch ohne diesen kleinen Ansporn voten.
Insgesamt wurden ganze 14 Texte abgegeben - was mich persönlich sehr gefreut hat -, womit ihr 5 Votes habt. Deadline ist der 11. Dezember, 23:59 Uhr - damit habt ihr also sogar drei Wochen Zeit, sodass ihr euch nicht hetzen müsst.
Ein Hinweis noch: Die Texte wurden so übernommen, wie ich sie bekommen habe - somit habe ich also mitunter vorkommende schlechte Formatierung natürlich nicht ausgebessert. Kursive oder mit anderen Mitteln hervorgehobene Texte sind hier neutral, wundert euch also bitte nicht; wird aber eigentlich immer so gemacht.
Wurde kein Titel angegeben, habe ich den Text mit "KeinTitelx" bezeichnet - x ist durch eine Zahl ersetzt worden, der erste titellose Text mit einer Eins, der zweite mit einer Zwei ...
Mal wieder ein herrlicher Tag in der Pokémonwelt.
Nicht ein einziges Wölkchen trübt den Himmel. Aha da
hinten ist doch eine und sie zieht direkt in die Richtung eines
Karnimanis, das einfach friedlich vor sich hin summend, seines Weges ging.
Es atmete die Frische ein und aus in tiefen,
genussvollen und langen Zügen.
Doch dann rümpfte es stark die Nase sodass es sich die
Nasenspitze fast an die eigene Stirn schlug.
An dieser Stelle muss wohl vor kurzem ein Sleima oder
gar ein Sleimok vorbeigekommen sein.
Nach ein paar schnellen Schritten war die Luft wieder
rein und auch Karnimanis atmen war wieder zuhören.
Ein und aus, ein und aus, ein und aus:“ Man Erzähler
kannst du mal endlich die Klappe halten!?“
Karnimani bitte der Erzähler wird nicht angesprochen:“
Ich schon also sei endlich ruhig.“
Ich werde erst ruhig sein wenn diese Geschichte zu ende
ist:“ Gut dann werde ich versuchen dein nerviges Gerede zu überhören.“
So ist es auch besser also wo waren wir?
Ach ja, inzwischen war das Wölkchen direkt über dem
Karnimani und aus dieser drang Urplötzlich ein Schrei:“ Vorsicht
du da unten!“
Erschrocken sah das Karnimani nach oben und sah nur noch
etwas blaues bevor es davon umgehauen wurde:“ Danke Kumpel, wer
weiß was passiert wäre wen ich auf den Boden gekracht wäre.
Das Karnimani:“ Wow Alter wer bistn du?“
Ich bin der Erzähler und sollte hier eigentlich von
niemanden angesprochen werden.
Also versuch mich zu ignorieren:“ Man wie soll ich das
den schaffen? Deine Stimme ist ja kaum zu überhören.“
Hach Veemon bittte ich möchte hier eine Geschichte
erzählen und du musst hier Querschlagen:“ Ich und Querschlagen?
Wenn hier etwas quer schlägt dann ist das deine Fantasie. Ich meine
ich bin aus einer Wolke gefallen und muss dann mit diesem komischen
Digimon zusammen knallen.“
Veemon das ist ein Karnimani und es ist ein:“ Pokémon!
Ich bin ein Pokémon!“ Ah biste endlich aufgewacht?:“ Erzähler
sollte du nicht die Klappe halten? Und dein Name ist also Veemon was
für ein komischer Name für Pokémon.“
Äh Karnimani, ne ich bleib jetzt mal ruhig:“ Ein
Digimon! ICH BIN EIN DIGIMON!“:“ Komm mal runter. Wegen so etwas
gleich so eine Szene zu machen.“
Paff und da hat sich Karnimani einen Schlag von Veemon
eingefangen. Juhu ein Kampf:“ Wolltest du nicht die Schnauze
halten? Jetzt nervst du aber wrklich:“
Bitte beruhige dich Veemon ähm Karnimani was schaust du
mich so böse an?
Nein nicht hauen:“ Oh doch, das hast du dir selber zu zuschreiben.“
Au Aua Nein Au Jieks boah au umpf:“ Na hast du jetzt
genug oder sollen ich und Veemon weitermachen?“
Nein nift if muf erftmal meine Fähne wieder Fufammen
fuchen:“ Los Karnimani lasst uns schnell abhauen bevor er wieder zu
Kräften kommt und wieder anfängt uns zu nerven.“:“ Okay Veemon
schnell weg hier.“ Und fu endet diefe Gefichte bevor fie überhaupt
angefangen hat.
Irgendetwas musste ich sagen, also griff ich zu der ersten Drohung, die mir einfiel: “Ich hätte wirklich große Freude dabei, deine Eingeweide an eine Eiche zu nageln.” Adrenalin kochte in meinen Adern. Das kleine Fiffyen mir gegenüber musterte mich hungrig und zog jetzt die Lefzen nach oben. Kaum waren meine hochtrabenden Worte in dem dunklen Lagerraum verhallt, traten auch schon zwei seiner Komplizen neben mich und knurrten drohend.
Sie drängten mich in eine finstere Ecke, die von zwei Seiten durch hohe Türme aus Kisten mit zweifelhaftem Inhalt abgegrenzt war.
Wachsam versuchte ich, Anzeichen von Furcht oder Unsicherheit bei ihnen zu erkennen, doch diesmal hatte ich kein Glück. Beim ersten Zögern musste ich meine Chance ergreifen.
Das räudige Fellknäuel rechts von mir fletschte die Zähne und trat einen Schritt vor. Auf einen Kampf war ich wirklich nicht aus.
“Reptain”, knurrte es, “wir billigen es nicht, wenn jemand auf dem Gebiet unserer Herren herumschnüffelt.”
“Euch ist es vielleicht entgangen”, erwiderte ich ärgerlich, “aber ich bin nicht ohne Grund hier. Schaut euch doch nur einmal um! Diese Halle ist seit Jahren im Besitz der Organisation.” Ich warf einen ausgiebigen Blick in die Runde. Meine drei Bewacher ließen keinerlei Unaufmerksamkeit erkennen. Allesamt waren sie stämmiger und sehniger als ihre gewöhnlichen Kollegen und hatten ein boshaftes Aussehen. Der Rechte, welcher mir besonders aggressiv zu sein schien, hatte eine dunkelrote Narbe über der Schnauze und ein Loch im Ohr.
Der Ausgang befand sich in der entgegen gesetzten Richtung und war von außen fest verschlossen. Das Dachfenster weiter vorn, über welches ich in das Gebäude eingedrungen war, lag außerhalb meiner Reichweite. Würde es mir noch einmal gelingen, an den glatten Betonwänden emporzuklettern?
Als hätte es meine Überlegungen erraten, sagte ein Fiffyen: “Vergiss es, Freundchen. Wir warten hier solange, bis dein Partner auch noch zu uns stößt. Sehr unvorsichtig von ihm, dich die Untersuchung allein durchführen zu lassen.”
Ich schwieg und blieb dem Hündchen eine entsprechende Antwort schuldig.
***
Chris spürte sofort, dass etwas nicht stimmte. Während sein Tischnachbar unaufhörlich weiter redete, waren seine Gedanken weit entfernt. Verschwendete er hier seine Zeit?
Wenn er sich an die endlosen Stunden erinnerte, die er in staubigen Archiven und mit dem Befragen einiger Zeugen verbracht hatte, drehte sich ihm fast sein Magen um. Er erinnerte sich, wie er zusammen mit Reptain vergeblich durch die Nacht gehetzt war, um die Basis der Organisation zu finden, und trotzdem immer wieder nur auf diese Lagerhalle gestoßen war. Reptain war beinahe noch weniger eine Kämpfernatur als er selbst, und hatte ihn dennoch stets tapfer verteidigt.
“Chris! Bist du noch da?”, fragte eine Stimme in seinem linken Ohr und schreckte ihn auf. Er ließ den Blick umherwandern und schaute geradewegs in die verärgert funkelnden Augen seines Gesprächspartners. Schlagartig wurde ihm wieder bewusst, wo er sich befand; ein kleines Café mit orangenen Wänden und niedlichen Tischchen. Hatte er nicht nach Informationen zum Schmugglergeschäft fragen wollen?
Sven lehnte sich wieder zurück und musterte ihn argwöhnisch. “Es ist wieder diese Sache, nicht wahr? Warum solltest du mich sonst um Hilfe bitten?”
“Ich kann es nicht vergessen”, versuchte Chris zu erklären, “es wäre besser für uns alle, die Sache endgültig zu Ende zu bringen. Viel zu lange haben wir die Organisation geduldet!” Zorn stieg in ihm auf und verbannte die lange gefühlte Hoffnungslosigkeit aus seinen Gedanken. Vielleicht gab es ja einen Weg.
***
Mein Herz machte einen schmerzhaften Schlag, als das rechte Fiffyen aufjaulte und sich sein Fell sträubte. Kläffend wirbelte es herum und ließ mich erstaunt in der Ecke stehen. Das Tor zur Halle knarrte unheilvoll und öffnete sich langsam nach innen. Scheinwerferlicht streckte seine tastenden Finger in die Halle hinein, das Brummen eines Motors drang an meine Ohren.
Schlagartig fiel die Aufmerksamkeit der Hunde von mir ab, sodass ich meine Gelegenheit für gekommen hielt. Ich fasste mir ein Herz und ging zaghaft zum Angriff über. Wo ich doch so ungern kämpfte! Ein Meister der verbalen Auseinandersetzung war ich, aber dieser Mut erstreckte sich eher weniger auf handfeste Argumente.
Flink trat ich dem nächsten Fellknäuel in die Rippen, sodass es zu Boden geschleudert wurde und zornfunkelnd herumwirbelte. Mit Schaum an der Schnauze und einem wilden Knurren stürzte es sich auf mich, doch ich reagierte ungewohnt schnell und machte einen gewaltigen Satz nach hinten.
Während ich mich in der Luft drehte, knallte ich gegen den niedrigsten Kistenturm und schaffte es gerade noch so, meine langen Krallen in dem Holz zu vergraben. Glücklicherweise splitterte es nicht, sondern hielt stand, sodass ich mich mühsam weiter hinaufhangeln konnte. Ich zog mich an den Kisten empor, doch ich hatte nicht mit der Geistesgegenwart meiner Widersacher gerechnet.
Kaum war ich anderthalb Meter über dem Boden, spürte ich, wie sich scharfe Zähne in mein Fleisch bohrten. Mit einem Aufschrei verlor ich den Halt und stürzte zu Boden.
***
“Die Organisation ist nur ein Phantom”, sagte Sven entschieden und warf ihm einen beobachtenden Blick zu. “Ein Cop wie du sollte das wissen.”
“Ein Phantom, ja?”, zischte Chris und schlug unbeherrscht mit der flachen Hand auf den Tisch, “ein Phantom? Wie kann es dann sein, dass Lizzie…” Er brach ab und schüttelte den Kopf. Nicht hier, nicht jetzt. Er wollte nicht darüber nachdenken.
“Das ist es”, sagte Sven leise und bohrend, “das hat dir die Objektivität genommen. Es hätte jeder Kleinganove in dieser verfluchten Stadt sein können.”
Ruckhaft einatmend machte Chris Anstalten, auszustehen. In seinem Kopf wirbelten die Gedanken nur so durcheinander. Lizzie…
“Je tiefer du in diesen Fall eintauchst, desto verbissener wirst du!”, rief Sven und funkelte mich an, “wie oft warst du schon in dieser Halle, ohne etwas gefunden zu haben? Welche Erfolge kannst du vorweisen?”
Chris seufzte, stand aber langsam auf. Die Hände auf die Tischplatte gestützt, sagte er leise und gefährlich: “Ich sehe, du willst mir nicht helfen. Ist es etwa für deine Karriere zu gefährlich, dich mit mir abzugeben?” Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern nahm seinen Mantel von der Garderobe und stieß unwillig die Tür auf.
Tief einatmend trat er in die winterlich kalte Luft hinaus und spürte den knirschenden Schnee unter seinen Schuhen.
Wütend kickte er gegen einen vereisten Laternenpfahl und angelte seinen Autoschlüssel aus der Manteltasche. Er musste zurück zu Reptain, das spürte er. Ein Ziehen in seiner Magengrube und eine düstere Vorahnung beunruhigten ihn. Hoffentlich war nichts schief gelaufen, denn er könnte es sich niemals verzeihen, wenn auch Reptain etwas zugestoßen wäre.
***
Als ich eine gefühlte Ewigkeit später wieder erwachte, spürte ich sofort, dass sich etwas verändert hatte. Mein Rücken fühlte sich taub an, und ich konnte meinen Nacken kaum bewegen. Ich wollte die Augen aufschlagen, doch ich fühlte mich ausgelaugt und schwindlig. Außerdem war ein raues Tuch so eng um meinen Kopf geschlungen, dass ich nicht einmal Schemen wahrnehmen konnte. Meine Schultern pochten schmerzhaft, weil meine Arme mit kalten Eisenfesseln ausgebreitet an die Wand gekettet waren. Mit einem Schlag kehrte meine Erinnerung zurück, und ich fluchte lebhaft. Ich war in eine Falle getappt. All diese Fährten und Hinweise hierher - nur vorgetäuscht. Chris und ich waren auf das heimtückische Netz der Organisation hereingefallen.
Bei dem Gedanken, was das letztlich für mich bedeutete, schien sich der Boden unter meinen Füßen aufzulösen. Hoffentlich war Chris noch nicht auf dem Weg…
***
Es war zum Durchdrehen. Wie lange suchte er jetzt schon nach der Organisation? Chris wusste es auf die Sekunde genau. Kaum hatte er in Dienstkleidung vor der Tür seiner Schwester gestanden, hatte er gewusst, was geschehen war.
Chris hatte die unwidersprüchlichen Zeichen gesehen, die der Täter schon an anderen Orten hinterlassen hatte. Nachdem herausgekommen war, dass Lizzie im Auftrag ihrer Zeitung versucht hatte, Details über die Organisation herauszufinden, war für ihn alles klar gewesen.
Doch warum zweifelten Menschen wie Sven ständig an ihrer Existenz?
Es war früher Abend, als Chris sein Auto auf einen Parkplatz in der Nähe der Lagerhalle parkte und auf die verlassenen Straßen hinaustrat. Die letzte halbe Stunde hatte er sich zunehmend schreckhafter gefühlt, sodass seine Nerven jetzt, wo er seine Dienstwaffe einsteckte, zum Zerreißen gespannt waren. Dennoch schlich er gewohnt wachsam um seinen Wagen herum und duckte sich auf seinem Weg zur weit hinten liegenden Halle immer wieder hinter rostigen Ölfässern und überquellenden Mülltonnen.
Der Anblick eines geparkten, schwarzen Geländewagens direkt vor dem Tor ließ ihn triumphierend lächeln. Er hatte doch recht behalten.
Doch mit einem Schrecken wurde ihm klar, dass Reptain jetzt wohl in größter Gefahr war. Mit zusammengebissenen Zähnen machte er sich auf den weiteren Weg.
***
Ich dämmerte lange vor mich hin, während sich eine allumfassende Stille ausbreitete. Jegliches Zeitgefühl war mir abhanden gekommen, und eine dumpfe Angst beherrschte meine Herzschläge.
Plötzlich hörte ich leise, gedämpfte Schritte rechts von mir, und zuckte zusammen. Sofort bereute ich die Bewegung, denn alle meine Muskeln hatten sich durch die unbequeme Lage verkrampft. Ächzend bewegte ich mich in meine ursprüngliche Position zurück und verharrte mit pochendem Herzen.
“Ach ja”, ertönte plötzlich eine Stimme nur wenige Meter entfernt, “Reptain, schön, dass du uns einen Besuch abstattest. Wir haben euch Schnüffler schon vermisst.”
Ich zischte zur Antwort und versuchte demonstrativ, die Ketten aus der Wand zu reißen. Das erzielte den erwünschten Erfolg, denn der Mann fuhr lachend fort: “Ich sehe, du bist ein widerspenstiges Kerlchen. Nichtsdestotrotz werden wir euch beide aus dem Weg räumen müssen.”
Nachdem ich mühsam seine Worte aufgenommen hatte, überfiel mich ein erschreckender Gedanke.
***
Das Hallentor stand offen. Chris musterte es zwei Herzschläge lang beunruhigt, dann lud er grimmig seine Waffe und begab sich in die Höhle des Löwen.
Unbehelligt drang er bis ans andere Ende der Halle vor und sah sich bedächtig um. Das Licht der Abendsonne schickte seine letzten Strahlen durch die Dachfenster hinein, kein Laut war zu hören.
Doch kurz darauf ertönte ein verräterisches Rumpeln, sodass Chris erschrocken aufsah. Das elektronische Tor fast fünfzig Meter entfernt begann sich schnell zu schließen.
Instinktiv rannte er zurück, doch es war viel zu weit entfernt, und er musste sich erst seinen Weg durch das Chaos bahnen. Fluchend stieß er mit dem Knie gegen etwas Hartes, stolperte und schlug der Länge nach hin.
Mit einem unheilvollen Rasseln schloss sich das Tor.
***
“Du bist zu Recht besorgt”, sagte die Stimme boshaft, “denn in diesen Augenblicken sollte dein Trainer gerade in unsere Falle gegangen sein. Wir gehen ihn bald besuchen.”
Furcht kämpfte in meinem Herzen gegen einen unbändigen Hass an, der alles zu ersticken drohte. Mehr als alles andere schmerzte mich die Gewissheit, dass jetzt alles verloren war. Obwohl die meisten Hinweise wahrscheinlich absichtlich gelegt worden waren, hatten wir mehr über die Organisation herausgefunden als alle anderen - bis auf Lizzie. Ja, ich hatte sie kaum gekannt, und dennoch bereute ich es, dass ihr größtes Werk nun wohl unvollendet blieb.
Jemand machte sich an meinen Fesseln zu schaffen und zerrte mich grob auf die Beine. Ich konnte immer noch nichts sehen, sodass ich augenblicklich das Gleichgewicht verlor und zu Boden stürzte.
“Verdammt”, knurrte jemand hinter mir, doch ich machte mir nicht die Mühe, wieder aufzustehen. Ungeduldig zerrte jemand das Tuch von meinen Augen und packte mich am Nacken.
“Siehst du das hier?”, fragte er zornig und ließ ein Streichholz vor meinen Augen hin und herwandern. Mit einem gekonnten Schlenker entzündete er es an der Wand und hielt es dicht vor meine Nase. Ich spürte die tödliche Hitze der Flamme auf meiner Haut und wand mich verzweifelt im Griff des Mannes. Hoffnungslos.
“So. Komm jetzt mit.” Hatte ich eine Wahl?
Durch eine verborgene Tür betraten wir die Halle. Daraufhin erklang ein Keuchen direkt vor uns, und ich sah Chris, der von zwei schwarz gekleideten Männern in Schach gehalten wurde und dem die blanke Todesangst ins Gesicht geschrieben stand. Doch noch deutlicher als das las ich in seiner Miene einen unversöhnlichen Hass. Seine Augen glichen tiefen, dunklen Seen, sein zerstrubbeltes Haar hing ihm wirr in die Stirn.
Ein Klicken einer Waffe, die geladen wurde, ertönte hinter mir.
Das war das Ende. Schreckensstarr sah ich in Chris´ weit geöffnete Augen, und erkannte in ihnen die gleiche Angst, die auch in meinen Knochen steckte.
Doch der Schuss, der schließlich abgefeuert wurde, galt nicht mir.
>>Na? Traust du dich immer noch nicht aufzugeben?<<, lachte Blue spöttisch und hielt sich seinen Handrücken vor sein arrogantes Gesicht. Er trug an seiner rechten Hand, die er nun verhöhnend vor seinen Mund hielt, einen weißen, dünnen Lederhandschuh, der an die Fingerspitzen in ein dunkles Blau überging. Außerdem zierte ein roter Strich am Ende des Handschuhes, welches in Richtung Arm verlief, ihn, der aber leicht durch seine langen Ärmel des ebenfalls blauen Shirts verdeckt wurde, welches er trug. Es war komplett in blau und besaß an Blue's schmalem Hals einen eleganten, etwas helleren, Kragen. Und Blue machte nicht nur durch die blauen Fingerspitzen und dem Shirt in derselbigen Farbe seinem Namen mit englischer Herkunft alle Ehre, sondern auch seine lange Jeans, die an seinen Sportschuhen locker schlapperte, war in ein dunkles Blau getaucht. Von Blue war man es allgemein gewohnt, dass, außer seinen modisch langen, braunen Haaren, alles farblich in blau zueinander abgestimmt war.
>>Vergiss es, Blue! Wenn einer aufgibt, dann bist du das. Dies würde ich dir aber eher weniger raten, denn ich will einen richtigen Kampf sehen! Einen Kampf unter Männern!<<, erwiderte Blue's Gegner, Red, nicht weniger verhöhnend. Von dessen Aussehen her schien er seinen Rivalen aus noch Kinderzeiten nicht ganz zu imitieren. So trug er zwar ebenfalls eine blaue, lange Jens, doch unterschied sich darin, dass er ein dunkles Oberteil trug, welches schon fast komplett schwarz war. Doch in der Sache mit dem Namen schien er ihn nachzuahmen: So war es auch seine Idee, über dem schwarzen Shirt eine offene Jacke zu tragen, die komplett in ein warmes Rot getaucht war. Selbst wenn er seinen englischen Namen nicht immer mochte, so fand er es dennoch amüsant, sich dementsprechend zu kleiden. Farblich passend zu dem Oberteil darunter, der Jeans und seinen Laufschuhen war es allemal!
>>Du findest es männlich, wenn mein Glumanda dein Bisasam mit einem Schlag fertig macht?<<, Blue lachte überheblich und senkte nun langsam seine rechte Hand wieder, worauf diese sich zu einer geballten Faust formte, wie er es immer tat, wenn er um jeden Preis etwas erreichen wollte, >>Das klingt eher erbärmlich als männlich! Aber es war deine Herausforderung und als ein guter Pokémon-Trainer werde ich dieser nachgehen!<<
Red zischte kurz etwas undeutliches und biss die Zähne knirschend angespannt zusammen. Auch er ballte seine rechte Hand zu einer Faust, doch auch seine linke. Anders als Blue trug er an beiden Händen enge Stoffhandschuhe, die aber die Fingerspitzen komplett freiließen.
>>Vergiss es, Blue! Ich werde nicht verlieren und erst recht nicht nach dem ersten Schlag! Stimmt's, Bisasam?<<. Der gerade einmal 12-jährige Junge blickte zu seinem grünen Pokémon, welches er erst vor ein paar Tagen von Professor Eich erhalten hatte.
Professor Eich war der Pokémon-Professor in Alabastia – der Stadt, welche sowohl Red, als auch Blue, „Heimat“ nannten. Und auch die Stadt, in der die beiden gerade an einer leeren Wiesenfläche zwischen ein paar Bäumen ihren Kampf austrugen.
Die Blätter der Bäume um sie herum waren bereits in herbstliche Braun-, Rot- und Gelbtöne gefärbt, obwohl es erst Mitte August war.
Auch das Klima war für diese eher noch sommerliche Jahreszeit überraschend kühl und mehrere kleine Windböen zogen des öfteren mal über das Kampffeld, auf dem sich das schwache Bisasam von Red und das energiegeladene Glumanda von Blue gegenüber standen. Beide waren noch topfit, da ihre Trainer sich noch mit Wortgefechten als mit einem richtigen Pokémon-Kampf herumschlugen. Doch laut ihren hohen Tönen schienen beide startklar; den ersten Schritt wagte allerdings keiner von beiden.
>>Ist das Taktik oder einfach nur Angst, dass du deinem Glumanda noch keinen Befehl erteilt hast?<<, fragte Red höhnisch und schaute unterdessen immer wieder zwischen seinem und dem Pokémon seines Rivalen her, welcher nun leicht schmunzeln musste.
>>Dass ich nicht lache!<<, entgegnete Blue kühl und schaute Red respektlos entgegen, >>Du hast doch auch noch nicht begonnen! Oder kann dein Bisalooser etwa keine Attacken?<<
Red sah ihn zornig an und ließ sich aufs äußerste provozieren. So ließ er weder mit sich, noch mit seinem Pokémon reden, was ihm zu einer Folgenschweren Entscheidung brauchte:
>>Das lassen wir uns nicht gefallen, Bisasam! Dem zeigen wir es, los! Greif es mit deiner Rasierblatt-Attacke an!<<
Ein schwerer Fehler, wie sich schnell für den jungen Trainer herausstellte:
Denn ehe das gegnerische Pokémon von den scharfen Klingen aus Blättern, welche aus der geschlossenen Blüte auf Bisasams Rücken geschossen kamen, getroffen wurde, konterte Blue gleich mit dem Befehl, dass Glumanda es mit Glut abwehren sollte, welchen dieses gehorsam befolgte.
Red konnte nur noch sehen, wie die Rasierblätter als kleine Häufchen Asche zu Boden fielen und von einer kräftigen Böe mitgezogen wurden.
Das nächste, was er wieder realisieren konnte – wenn auch noch unter Schock dieser harten Konter-Attacke – war, dass sein Pflanzen-Pokémon reglos am kalten Wiesenboden lag und einige Spuren von leichten Verbrennungen aufwies. Es war ein großer innerlicher Schmerz, den der Junge mit der roten Jacke nun spüren musste. Sein Kopf war fast komplett leer und er hätte niemals gedacht, dass es für Blue so einfach sein könnte. Doch sein Rivale war der bessere.
>>One hit... K.O.!<<, sagte Blue triumphierend und setzte ein unverschämtes und zugleich provokatives Siegerlächeln auf. Er konnte es sich wirklich erlauben, denn diese Leitung hatte er bisher noch nie wirklich aufgebracht; und das auch noch gegen seinen Rivalen. >>Schach, Matt! Veni, vidi... vici!<< Blue nickte leicht und zog einen rot-weißen Pokéball aus seiner Gürteltasche, die er fast unscheinbar etwas tiefer als seiner Hüfte trug. >>Das war nun wirklich einfach. Aber was hast du erwartet? Dein Bisasam ist noch untrainiert; mein Glumanda dagegen hat schon einige Kämpfe hinter sich.<<, mit einem kurzem Schnippen mit seinen Fingern und einem leichten Knopfdruck an dem Pokéball erleuchtete ein roter, feiner Strahl, welcher das Glumanda in eine rote Neon-Farbe hüllte und es dann im Ball verschwinden ließ. >>Du musst noch viel lernen...<<, meinte der kühle Junge noch abschließend, doch sah dies persönlich weniger als einen Spott, als mehr als gutgemeinten Tipp an. Anschließend verließ er das Kampffeld mit ruhigen und langsamen Schritten und sein Schatten, den er hinter sich warf, verschwand langsam in der Dunkelheit des Waldes, in den er lief.
Im Gegensatz zu Blue stand Red weiterhin auf dem Kampffeld und rief sein verletztes Pokémon nicht zurück. Dieses war mittlerweile wieder mit seiner letzten Ausdauer aufgestanden und schmiegte sich aufmunternd an seinen Trainer heran, als würde es ihm sagen wollen, dass es die Niederlage nicht so schlimm fände und Red darüber nicht traurig sein sollte. Doch der Junge zuckte nicht mit der Wimper und bewegte sich keinen Schritt vom Fleck, denn für ihn war es mehr als nur ein Kampf gewesen. Für ihn war es ein Pokémon-Kampf um stolz, den er nun verloren hatte. Verloren, gegen seinen Rivalen, Blue...
Menschen, die aufgeben, ohne es versucht zu haben, können einen Teil ihres Stolzes bewahren.
Verlierer haben keinen Stolz.
„Amanda! Jetzt beeil dich!“ Melani wartete schon auf mich. Sie langsam ging auf mich zu. Ihre pechschwarzen Haare wehten im leichten Wind. Sie gingen ihr bis Po.
„Wo warst du denn? Du hast dich zehn Minuten verspätet.“
„Ich habe etwas länger gebraucht. Tut mir leid.“
„Ist ja nicht so schlimm. Guck mal wie schön.“ Melani zeigte auf den Himmel. Es war dunkel draußen und die Sterne schienen. „Ich liebe es wenn es draußen dunkel ist. Dann kann über alles nachdenken.“
Ich nickte ihr frierend zu. „Gehen wir?“ Ich bekam keine Antwort, sie ging einfach los. Wir gingen gerne am Wald entlang. In den letzten Wochen taten wir dies jedoch nicht. Es hatte viel geschneit und es war sehr kalt. Jetzt war es jedoch wieder etwas milder.
„Das ist jetzt das erste Mal seit dem dieser Junge verschollen ist das wir wieder unseren Weg gehen.“, sagte ich damit es nicht so ruhig war.
„Ja, stimmt. Hast du etwa Angst das der hier auftaucht oder wie?“ Sie guckte kurz mit einem ist-das-dein-Ernst Blick zu mir rüber. „Keine Sorge der ist wahrscheinlich schon tot. Er ist bestimmt bei diesen Temperaturen in der letzten Zeit erfroren. Es ist es doch logisch das man dann nicht nach draußen gehen soll.“
Die schwarzen Baumkronen erstreckten sich jetzt über unseren Köpfen. Ich dachte über den Jungen nach. Plötzlich unterbrach mich jedoch ein Rascheln direkt neben mir. Ich guckte ängstlich in die Richtung und wich einen Schritt zurück.
„Keine Angst Amanda. Das war bestimmt nur ein Hirsch oder ein Reh.“
Nein, das war es mit Sicherheit nicht. Es raschelte weiter, es wurde lauter und intensiver. Es kam immer näher. Es wurde immer schneller. Nun stoppte auch Melani.
„Nein, das ist bestimmt kein Hirsch. Und wenn dann einer der hinter uns her ist. Amanda, lauf, schnell.“
In dem Moment wollte ich nur nach Hilfe schreien. Doch was wenn es wirklich nur ein Hirsch war? Ich lief hinter Melani her und redete mir einfach ein dass es doch nur ein Hirsch war. Der Schnee unter meinen Füssen knirschte und der kühle Wind kratzte an meinem Gesicht vorbei. Meine Lungen froren langsam ein. Doch da ein Schuss. -Werden wir jetzt abgeschossen?- dachte ich schnell. Mein Puls raste. Ich lief noch schneller, jetzt neben Melani. Ihre Augen waren weit geöffnet. Ich sah zum ersten Mal Angst in ihnen. Melani öffnete grade ihren Mund und wollte mir etwas zu rufen. Der nächste Schuss war zu hören. Melani schrie auf, fiel zu Boden und bewegte sich nicht mehr. Ich dachte schon dass sie tot war. Nun konnte ich nicht mehr weiter laufen. Ich fing an zu weinen, atmete schwer und sah zurück. Was ich da sah war kein Hirsch. Es war der verschollene Junge. Er sah genau so aus wie in der Zeitung. Blaue Haare, groß und kräftig. Nun hob er nochmals seine Waffe.
„Warum?“, sagte ich noch leise. Dann wurde ich bewusstlos.
Als ich wieder aufwachte ging wahrscheinlich grade die Sonne auf.
„Geht es dir gut?“, Melani war schon wach. Ich bemerkte dass wir in einem recht großen braunen Zelt waren. Jeder von uns hatte eine graue und dicke Decke. Ich stand auf und sah mich im Zelt um. Ich hatte immer noch meine Winterkleidung an.
„Was ist denn passiert? Sind wir gar nicht tot?“
Melani lächelte kurz: „Nein, tot sind wir nicht. Hast du denn vergessen was passiert ist?'“
Bevor ich antworten konnte kam der Junge ins Zelt. Mein Puls schlug wieder kräftiger.
„Keine Angst. Ich dachte ihr seid jemand anderes gewesen.“ Melani war ganz ruhig. Sie hatte jetzt überhaupt keine Angst mehr.
„Wer dachtest du waren wir?“, fragte sie.
„Ich erzähle es euch.“ Er setzte sich auf den Boden. „Ich sollte vor etwa einer Woche zusammen mit meinem Vater und meiner Mutter in den Wald hier nach unserem Zelt sehen. Nach dem schlechten Wetter dachte mein Vater das Zelt möglicherweise kaputt sei. Aber er hatte etwas anderes vor.“
„Warum steht das Zelt hier eigentlich?“, fragte Melani.
„Mein Vater ist Jäger. Wenn er am jagen ist übernachtet er in diesem Zelt. Er jagt auch sehr oft, deswegen baut er das Zelt auch nur selten ab.
Jedenfalls waren wir direkt vor dem Zelt, da schoss er mir ein Betäubungsmittel ins Bein. Er wollte dass ich in dem Wetter erfriere, doch das Betäubungsmittel wirkte nicht so lange. Ich konnte mich ins Zelt schleppen und mich mit den Decken zudecken.“
„Warum kamen wir ins Spiel?“, fragte ich ihn schnell.
„Ich dachte das mein Vater und meine Mutter wieder kommen würden um mich auf zusammeln. Ich sah nicht genau wer ihr wart. Eure Größe stimmte aber. Das war das einzige. Also ging ich schnell zurück zum Zelt, sammelte das Betäubungsmittel ein und steckte es in eine Waffe. Dann wisst ihr ja was geschah. Ich weiß, das war sehr dumm von mir.“ Er sah sehr traurig aus. Ich fühlte förmlich dass es ihm leid tat.
„Ja, aber jetzt ist es vorbei. Uns geht es gut. Doch was hast du jetzt vor?“ Ich sah ihn fragend an.
Endlos, schier endlos ging es hinauf. Man sah nur den blauen Himmel und die weissen Wolken. Langsam wich das Hochgefühl der Höhenangst. Der Lift ratterte, als würde er schon seit 50 Jahren gebraucht. Von den anderen Leuten sagte kaum jemand was, alle probierten einfach nicht hinunter zu sehen. Bald sind es 60 Meter, die uns vom Boden trennten. Doch das Ende schien einfach nicht näherzukommen. Langsam aber sicher bereute ich es, auf diese Achterbahn gegangen zu sein. Der kleine Zug ratterte auf den braunen Schienen himmelwärts. Die Schienenstränge schienen kein Ende zu nehmen, wenn man von meiner Position aus schaute. Immer weiter ruckelte der Wagen dem Schluss zu, wo es runtergehen wird. In einem freien Fall. Doch bis dahin musste ich mich gedulden. Mit meiner Höhenangst. Ich wagte einen kleinen Seitenblick neben die Schienen und ich bereute es augenblicklich. Mein Magen zog sich zusammen, meine Höhenangst liess mich keuchen. 70 Meter über Boden, das Ende nicht absehbar. Ich schloss die Augen, um nicht wieder in die Versuchung zu geraten, hinunterzusehen.
Plötzlich spürte ich, dass das Ende nun doch da war. Ich wurde nicht mehr gegen meinen Sitz gedrückt, auch fühlte ich nicht mehr, dass es bergauf geht. Ich öffnete meine Augen wieder und sah ein unglaubliches Panorama: Kingda Ka. Die höchste Achterbahn der Welt schraubte sich wenige Meter neben unserem Zug in die Höhe. Mit Katapultstart wurden gerade ein paar kreischende Leute den Achterbahnhügel hinaufgeschossen. Neben der höchsten und schnellsten Achterbahn der Welt kam ich mir plötzlich sehr klein vor. Den Rest des bei Cleveland liegenden Six Flags-Park sah ich nicht mehr, denn es ging bergab.
Bergab. Darum gehe ich auf Achterbahnen. Die Höhenangst hatte nichts mehr zu tun, also kehrte das Hochgefühl in Form eines Kribbelns in meiner Magengegend zurück. Es ging runter! Den ganzen Achterbahnhügel! Metall kreischte auf dem Holz, aus der die moderne Holzachterbahn El Toro gebaut worden ist. Ich sah herunter, es ging zum Glück noch ein Stück bis zum Ende. Trotzdem kam es rasend schnell näher, viel schneller, als beim Hinauffahren. Zu schnell, so ist das zu schnell zu Ende. Das Hochgefühl steigerte sich dank diesen Gedanken noch und ich schrie aus vollem Leib, zusammen mit den anderen Personen, welche sich auf dieses Holzabenteuer getraut hatten. Es war einfach herrlich. Dieses Gefühl übertraf die Höhenangst bei langem. Meine Haare wehten im Fahrtwind, er peitschte mir ins Gesicht und verlieh mir so das Gefühl, das sei das einzig Wahre, dass ich für diesen Moment lebe. Runter, so schnell wie eine Gewehrkugel. Diese Achterbahn ist sicher schneller als der Kingda Ka. Doch leider ist ein Hügel auch nicht ewig. Der 76-Grad-Hügel war am Ende Es ging wieder hoch, wieder runter, in eine Linkskurve, in eine Rechtskurve, schon wieder hoch und abermals runter. Das Hochgefühl hielt an, auch in den paar nächsten Kurven. Es ging hoch, runter, links, rechts. Ich wusste gar nicht mehr, in welche Richtung der Zug fuhr, nur das Rattern hielt mich davon ab, in ein tranceähnlichen Zustand zu fallen, zusammen mit dem Hochgefühl. Das Rattern nervte. Es störte die Vollkommenheit des Rides. Aber es war nicht so schlimm, ich konnte die Fahrt in vollen Zügen geniessen. Die Reue, die ich beim Hinauffahren gespürt habe, ist verschwunden. Doch auch die schönsten Momente des Lebens haben irgendwann einmal ein Ende, und das dieser Fahrt stand kurz bevor. Die ersten Bremssegmente tauchten auf und bremsten unsere Wagen ab. Schade, aus meiner Sicht hätte die Bahn weitergehen können. Ich stieg aus dem nun vollständig abgebremsten Zug aus und bemerkte einen Irrtum. Auf einer Plakette beim Ausgang stand, dass die Höhe der Bahn nur 55 Meter betrug, also hatte ich mich um 15 Meter verschätzt. Gerade als ich noch etwas enttäuscht darüber, dass der El Toro fertig war, auf den belebten Weg zwischen den Bahnen begab, sah ich es. Die ultimative Herausforderung. Grün und absolut monumental. Schnell wie Wanderfalken im Sturzflug. Die Challange für mich. Auf diesen Moment hat mein Leben gewartet.
Zwei nervenauftreibende Stunden in einer Warteschlange später war es soweit. Ich war an der Reihe. Für die ultimative Herausforderung. Kingda Ka. Als die Bügel des Zugs sich schlossen, kamen erste Zweifel in mir auf. Doch jetzt gab es kein Zurück mehr.
Sie wollte schreien. Um Hilfe, um Beistand. Um irgendetwas.
Doch es wäre sinnlos gewesen. Selbst wenn sie jemand gehört hätte, es wäre zu spät. Sie konnte ihm nicht mehr entkommen – nicht, dass das vorher möglich gewesen wäre. Er hatte alle Fenster und Türen verriegelt, verfolgte sie. Schon längst hätte er sie einholen können, doch es bereitete ihm blutgierige Freude, sie zu jagen.
Es war so dunkel, dass sie die Hand vor Augen fast nicht sehen konnte. Dass er sie so nicht finden würde, war eine schwache Hoffung; egal, wie leise sie sich verhielt, in panischer Flucht, er konnte sie sehen, durch Wände, Möbel, ihre Kleidung, spürte ihre Todesangst, hörte ihren rasenden Herzschlag. Wo auch immer sie hinrannte, er würde sie aufspüren. Die Dunkelheit war sein Element, sein Jagdgebiet, ein Gehilfe dabei, sie seelisch zu quälen. Er hatte sie völlig in seiner Gewalt, und wenn er des Spieles überdrüssig wurde, würde er sie einfach schnappen. Und wenn es erst einmal so weit war…
Sie wollte nicht daran denken. Genau das beabsichtigte er doch, dass sie vor ihm floh wie Beute vor einem Raubtier und sich selbst an den schrecklichsten Vorstellungen dessen, was er mit ihr tun mochte, malträtierte. Doch was sollte sie schon anderes tun? Es blieb ihr ja nichts anderes übrig. Nicht, weil sie ihm trotzen wollte, sondern weil ihre tiefsten, urzeitlichsten, fast animalischen Instinkte sie dazu trieben, sich nicht einfach so dem Tod zu überlassen.
Weil sie nichts erkennen konnte, stieß sie mit dem Fuß gegen ein Hindernis; aus dem Farbtopf ergoss sich in dem durchs Fenster fallende Mondlicht schimmernde Farbe – sie wusste, dass die Lache nicht rot war. Sie geriet ins Straucheln, zwang sich aber weiter zur aussichtslosen Flucht.
Und plötzlich war er hinter ihr. Wie aus dem Nichts.
Irgendetwas raunte er ihr zu, und obwohl sie die Worte aus blanker Furcht nicht verstand, gefror ihr das Blut in den Adern zu Eis, während sein Atem warm und verführerisch über ihre entblößten Schultern strich. Sie stand da wie versteinert, während seine Finger ihre Arme entlangglitten, hinauf zu ihrem Hals, wo sie verharrten.
In diesem Moment wusste sie, dass das ihr Ende war.
„Geh jetzt endlich!“, wollte Anétte sich zwingen, doch es gelang ihr nicht. Sie stand einfach so da, an ihren Wagen gelehnt, und kaute konzentriert auf einem Schokoriegel. Als die erhoffte Wirkung, nämlich, dass sie sich beruhigte, ausblieb, kramte sie einen weiteren hervor, entfernte das Papier und hatte schon die Hälfte verschlungen, bevor sie es überhaupt registrierte. Und meine Diät geht auch den Brach runter…, dachte sie mürbe und blickte zur Stadtgalerie auf.
Wenn Anétte in der strengen Hierarchie des Tagesblatts weiter aufsteigen wollte, brauchte sie dringend eine gute Story. Oder zumindest eine, die besser war als jene, die ihre Konkurrenten und Kollegen letzte Woche gebracht hatten: Eine junge Frau war von Passanten gefunden worden, bleich, mit einem tiefen, sauberen Schnitt in der Halsader – ähnlich einer Serie von drei Opfern, die ein paar Jahre zuvor in Frankreich gefunden worden waren; solch ein Mordfall war, das wusste Anétte aus Erfahrung, schwer zu toppen, und sie bereute es, diese Story nicht selbst ergriffen zu haben. Ein Interview mit einem der berühmtesten modernen Künstler hatte zwar nicht annähernd diesen Wert, war aber besser als nichts. Von irgendetwas musste schließlich auch eine Journalistin leben. Doch wovor hatte sie Angst? Das hier war eine Chance, die sie ergreifen musste!
Nachdem auch ein dritter Schokoriegel verschwunden war, fasste Anétte sich ein Herz und erklomm die weißen Marmorstufen, die hinauf zum Eingang des Gebäudes führten.
Für den Anfang ließ sie sich einfach mit der spärlichen Masse treiben, blieb mal vor dem, mal vor einem anderen Gemälde stehen, um es genauer in Augenschein zu nehmen. Das besondere an Paolo Bilbaos Werken war, dass sie alle mit der gleichen Technik gemalt waren, jedoch jedes einzigartig war. Ihnen allen gemein waren die Farben: während der Künstler im Hintergrund mit blau, grün und gelb spielte, mal verwaschene Formen, mal detailreiche Landschaften kreierte, war im Vordergrund stets eine abstrakte Figur zu sehen, bei der er schwarz und weiß, hauptsächlich jedoch rot verwendete. Diese Figuren, allesamt weiblich, hatten immer eine andere Position, und obwohl sie keine Gesichter besaßen, gingen von ihnen so intensive Gefühle aus, als sei in jedem einzelnen eine andere Seele eingeschlossen. Diese Kunstwerke auch nur zu betrachten, ließ in Anétte ein Sturm von Emotionen ausbrechen, und sie verstand, warum die Bilder des spanischen Künstlers in aller Munde waren.
Gerade bewunderte sie eines dieser Meisterstücke, auf dessen meergrünem Hintergrund, in dem gelbe Bläschen schwammen, ein roter Engel abgebildet war. Er stand in einer Pose, als wolle er sich hier und jetzt in die Lüfte erheben, dem Zwang des Rahmens entgehen; die Arme weit von sich gestreckt, auf den Zehenspitzen, hatte er die Flügel, deren Federn weiß angedeutet waren, ausgebreitet wie zum Abflug. Wie jedes andere Kunstwerk trug es einen kurzen wie passenden Titel: Angelo. Anétte war überrascht, als sie das Datum sah, an dem es gemalt worden war: Das war nur eine Woche her. Gleich fühlte sie sich dem Bild näher, als sei es eine gute Freundin oder eine Schwester.
Sie hörte, wie sich jemand neben sie stellte und ihr beim Betrachten des Meisterwerks Gesellschaft leistete. „Ein faszinierendes Gemälde, nicht wahr?“, fing sie an in der Hoffnung eines lockeren Gesprächs.
„Nun, das will ich doch hoffen!“
Als sie plötzlich gewahrte, wer neben ihr stand, fuhr sie überrascht zu ihm um. Sie hatte schon viele Fotos von ihm gesehen, doch in persona war er noch viel… ja, was war eigentlich das richtige Wort? Paolo Bilbao war ein hochgewachsener, äußerst attraktiver Mann um die dreißig, dessen dunkelbraune Augen sie durch einen Vorhang schwarzer Strähnen musterten. Anders, als man es von Südländern eigentlich gewohnt war, hatte er keine braun gebrannte Haut, doch durch ihre eher blasse Färbung zeugte sie davon, wie viel Zeit er in seinem Atelier mit seinen Bildern verbrachte.
Faszinierend, dachte Anétte, ihres Atems beraubt, und hatte damit das Wort gefunden. Wie seine Bilder.
„Hat es Ihnen die Sprache verschlagen?“, fragte er und lächelte unglaublich charmant, ein Lächeln, das sie augenblicklich dahinschmelzen ließ. Sie fühlte sich wie ein junges Schulmädchen, das seinem Schwarm gegenübersteht, und hätte am liebsten verlegen gekichert. Doch sie war eine erwachsene, selbstständige und selbstbewusste Frau, die sich so leicht nicht einschüchtern ließ. Oder zumindest hoffte sie das.
Gekonnt überspielte sie ihre Unsicherheit und wandte sich dem Engel zu. „Ja, es ist wirklich… faszinierend.“ Und ein anderes Wort fällt dir nicht ein?! Sie brachte sich dazu, ruhig zu bleiben, um Paolo wie jeden Mann zu behandeln, dem sie begegnete. „Anétte Lindner“, stellte sie sich vor und zückte in einer oft geübten Geste eine Visitenkarte. „Und Sie sind also Paolo Bilbao?“ Es war – natürlich – keine Frage, sondern eine Feststellung.
Ihr Gegenüber steckte die Karte ein, ohne diese dabei anzusehen – seine Augen waren die ganze Zeit über auf Anétte gerichtet – und sagte höflich: „Nennen Sie mich ruhig Paolo.“ Es folgte eine kurze Kunstpause. „Anétte? Ein sehr interessanter Name.“ Er ergriff ihre Hand und küsste deren Rücken wie ein echter Kavalier aus einem kitschigen Schnulzenfilm. Nicht nur das führte dazu, dass Anéttes Verlegenheit weit anstieg; auch wenn er fehlerfreies Deutsch sprach, klang ihr französischer Name durch seinen spanischen Akzent noch exotischer. Sie spürte, wie sie rot zu werden drohte, und zog die Hand sanft, aber bestimmt zurück. Sie musste sich unbedingt unter Kontrolle bekommen! „Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“, bot Paolo an.
Sie schüttelte sich innerlich und zwang ihr Gefühlschaos nieder. „Ich schreibe für das Tagesblatt und würde Sie gerne interviewen. Sagen Sie, stimmt es, dass Sie sich nach ihrer Geburtsstadt benannt haben?“
Paolo zog einen Mundwinkel nach oben. „Das wird immer als erstes gefragt. Gehört das bereits zum Interview dazu?“
„Eigentlich nicht“, gab sie zu und versuchte ein ungezwungenes Lächeln, das ihr hoffentlich auch gelang. „Nennen Sie es journalistisches Interesse oder persönliche Neugier.“ Jetzt lachte er, und es ging ihr über in Mark und Bein, aber auf eine erschreckend angenehme Art und Weise. „Ich würde gerne einen Termin mit Ihnen vereinbaren. Ich kann mir vorstellen, dass Sie nur wenig Zeit haben –“
„Samstag, zwei Uhr, wenn es Ihnen nichts ausmacht“, schlug er sogleich vor und trat einen Schritt näher an sie heran. Sie nahm seinen Geruch ganz sacht wahr, und es irritierte sie. „Unter einer Bedingung“, stellte er klar und sah sie eindringlich an, als könne er in die Tiefen ihrer Seele blicken. Anétte hatte sich noch nie so entblößt, so durchschaubar gefühlt wie vor ihm. Es war sowohl angenehm als auch höchst verwirrend. Doch egal, welche Bedingung er auch stellen mochte – dessen war sie sich plötzlich sicher – sie würde es nur zu bereitwillig tun. „Kommen Sie in mein Atelier im Hotel Castra und stehen Sie mit Modell für mein neues Gemälde!“
Anétte musste unwillkürlich aber bitter lächeln. Paolo war berühmt dafür, auch während seiner Reisen rund um die Welt zu seinen Ausstellungen weitere Kunstwerke anzufertigen – erst vor einem Jahr hatte er in Paris sein drittes Bild in Folge in Frankreich gemalt – wofür ihm immer eine andere Frau Modell stand. Mit diesem Angebot mochte er Anétte zwar zu etwas Besonderem machen, doch sie war nur eine unter vielen. Und trotzdem…
„Liebend gern!“, willigte sie ein.
Wieder lächelte er, diesmal mit ehrlicher Freude. Dann wurde er aber ernst und fragte: „Haben Sie denn keine Rose bekommen?“
„Nein, wieso?“ Überrascht ebenso wie verwirrt legte sie den Kopf leicht schief.
„Alle Frauen, die meine Ausstellungen besuchen, bekommen eine Rose“, erklärte er, und jetzt erst fiel Anétte auf, dass ein jedes weibliche Wesen um sie eine rote Rose in der Hand hielt. „Da hat wohl jemand etwas versäumt.“ Von irgendwoher zauberte Paolo eine der edlen Blumen hervor und reichte sie ihr mit einer leichten Verbeugung. Die große, blutrote Blüte verströmte einen schwindelerregend süßlichen Duft, und von ihrem holzigen Stängel waren die Dornen abgeschnitten.
„Danke“, sagte sie ehrlich, wandte sich dem Bild zu, vor dem sie standen, und drehte die Rose zwischen den Fingern. „Rot scheint Ihre Lieblingsfarbe zu sein“, stellte sie fest, denn die karmesinroten Flügel des Engels nahmen fast die ganze Fläche ein.
„Allerdings“, pflichtete Paolo ihr bei und musterte das Gemälde, als habe es ein anderer Künstler erschaffen, den er als Kollege bewerten müsse. „Sie drückt so vieles aus: Aufmerksamkeit, Wärme, Liebe, Leidenschaft; Leben ebenso wie Tod.“
Überrascht blickte Anétte auf. „Leben und Tod?“ Bisher hatte sie mit diesen beiden Worten eher die Farben grün und schwarz in Verbindung gebracht. Aber Rot?
„Wie… Blut“, erklärte er und schaute wieder sie an. Das spürte sie eher als dass sie es sah.
Sie musste ihm zustimmen: Blut bedeutete Leben, aber es zu verlieren führte unweigerlich zum Tod. Nun war das Bild vor ihr noch viel ausdrucksstärker mit seinem Rot-Blau-Kontrast, dem Engel, der in der Bewegung, sich in den Himmel zu schwingen, in unendliche Freiheiten, eingefroren war. Unwillkürlich hob sie die Hand, plötzlich vom Verlangen überwältigt, dieses magische Rot zu berühren, die Seele des Bildes ganz nah bei sich zu haben, all die Gefühle und Emotionen…
„Nein!“ Der klingenscharfe Tonfall Paolos ließ sie zusammenzucken und die Hand ruckartig zurückziehen, und sein harter, fast bösartiger Gesichtsausdruck schockierte sie zutiefst. Doch seine Züge wurden sofort wieder weich, als sei nie etwas geschehen, und er lächelte entschuldigend. „Bitte, berühren Sie es nicht.“
Anétte blinzelte überrascht, nickte dann aber. Natürlich fasste man Gemälde nicht einfach so an! „Verzeihung“, gab sie kleinlaut zurück, immernoch verwirrt von seiner Reaktion. So unhöflich hatte sie nicht sein wollen… Ganz toll, Netti!, schalt sie sich selbst. Jetzt hat er dir gleich von selbst aus einen Termin gemacht, und du gibst solche Unhöflichkeiten von dir!
„Ich muss mich nun meinen anderen Gästen widmen, wenn Sie erlauben“, entschuldigte sich Paolo und schenkte ihr noch einmal sein verführerisches Lächeln. „Bis Samstag.“ Damit ließ er sie vor dem Engel stehen und ging.
Eigentlich wollte sie sich umdrehen und ihm nachsehen, doch dann wäre sie sich vorgekommen wie eine naive, verliebte Jugendliche. Stattdessen sah sie zum Engel hinauf und genoss das Gefühl unbändiger Vorfreude auf Samstagnachmittag.
Vielleicht hätte sie sich weniger gefreut, hätte sie gewusst, dass in seinem Atelier kein einziger Topf mit roter Farbe stand.