Also um das noch mal klarzustellen, falls das falsch verstanden wurde. Ich habe überhaupt nichts gegen flache Hierachien und auch überhaupt nichts dagegen, Ideale zu diskutieren. Im Gegenteil begrüße ich es ausdrücklich, die bestehende Gesellschaftsordnung kritisch zu hinterfragen, und zwar so oft wie irgend möglich. Meine Probleme fangen halt nur dann an, wenn ideologische Konzepte in sehr reale Vorschläge - wie hier die Abschaffung der Polizei - gepackt werden. Denn dann kommen diese Ideen gefährlich nahe, tatsächlich in Leben einzugreifen. Und in Anbetracht der Tatsache, dass die Polizei nun mal nachweislich auch sehr viel Gutes tut, ist das Risiko eines solchen Schrittes enorm.
Und ich habe hier halt auch immer noch keinen durchsetzbaren Gegenvorschlag gehört. Ja, flache Hierachien funktionieren im Kleinen, aber wir haben 80 Millionen Menschen in Deutschland und sieben Milliarden auf der Welt. Da kann man nicht ausschließlich im Kleinen denken. Mein Amtsgerichtsbezirk hier hat zehn Richter, die für etwa 120.000 Menschen zuständig sind. Also einer auf etwa 12.000 Menschen. Wie will man das denn noch weiter herunterbrechen, ohne Kosten und Personalbedarf explodieren zu lassen? Rechtsunkundige nicht-berufsträger damit zu beauftragen und community policing scheinen da ja nicht die Lösung zu sein - zumindest haben die Leute, die sich hier für die Abschaffung der Polizei aussprechen, gestern noch im Sexismus-Topic gegen Juryprozesse argumentiert, weil das keine Laien entscheiden sollen.
Und ja, man kann natürlich Polizeibehörden auflösen und durch neue mit flacheren Hierachien ersetzen. Ist halt bloß fraglich, wie lange das hilft, denn flache Hierachien sind nun mal immer noch Hierachien und damit wird sich der von Alaiya beschriebene Effekt, Rechte anzuziehen, halt immer noch irgendwann einstellen. Vielleicht langsamer, aber eine endgültige Lösung ist das keinesfalls.
Und dass sich Menschen unbedingt nach Autorität sehnen, ist eine Gehirnwäsche, die einem Faschist*innen unterziehen wollen.
Und das hier ist halt schon wieder so ein uff-Satz. Darf ich mal ganz offen fragen, wie man auf sowas kommt bzw. wo man so eine Idee herbekommt? Es ist ja nun nicht nur so, dass alle Menschenaffen und meines Wissens sogar alle Primaten in ihrem Sozialverhalten irgendwie geartete Machtstrukturen aufbauen. Es ist noch nichtmal so, dass nunmal überall Menschen auf der Welt unabhängig voneinander begonnen haben, Staaten zu bilden und Religionen zu gründen, was eher noch für eine größere angeborene Obrigkeitshörigkeit des Menschen spricht. Nein, es ist vor allem auch so, dass diese Idee tausende Jahre alt ist. Ich hatte oben schon mal Rosseau angesprochen, und die Kernaussage von dessen Werk war es, dass Menschen sich freiwillig einem Gesellschaftsvertrag - und damit einer Obrigkeit - unterordnen. Magst du mir bitte erklären, wie dieser Philosoph des 18. Jahrhunderts - nebenbei neben Voltaire einer der beiden geistigen Väter der französischen Revolution - bitte ein Faschist sein kann, wenn der Faschismus als Ideologie doch erst seit dem 20. Jahrhundert existiert?
Die Welt besteht nun mal leider nicht nur aus Faschisten und Leuten die deiner Meinung sind.