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Information | Vote | Gewinner
Ähnlich wie im letzten Jahr gibt es auch dieses Jahr wieder eine bestimmte Anzahl an Punkten, die ihr den Texten geben könnt. Dabei ist zu beachten, dass ihr frei wählen könnt, wie genau ihr die Punkte verteilt und welche Texte mehr Punkte als andere bekommen. Achtet jedoch darauf, dass ihr die Punkte, die euch zur Verfügung stehen, komplett ausschöpft. Votes, welche zu wenige oder zu viele Punkte enthalten, können leider nicht gezählt werden. Des Weiteren solltet ihr eure Punkte mindestens auf drei Texte verteilen, eure Wahl begründen und natürlich nicht für eure eigenen Texte voten. Es ist außerdem hilfreich, euch das "How to vote-Topic" anzusehen. Schreibt ihr in dieser Saison besonders viele Votes, habt ihr die Chance auf einen individuellen Benutzertitel. Weitere Informationen findet ihr hier: Informationen und Regeln zur Wettbewerbssaison 2014
Wer neben den Votes noch weitere Kritik für dein Werk erhalten möchte, aber kein eigenes Topic erstellen will, der kann dies gerne in unserem Einzelne Werke-Topic tun!
Zitat von AufgabenstellungDie Qual der Wahl
Jeder von uns musste in seinem Leben schon mal eine wichtige Entscheidung treffen. Gehe ich lieber raus oder bleibe ich zuhause? Nehme ich als Starter Schiggy oder Glumanda? Gehe ich mit Tom oder Leon aus? Genau solchen Entscheidungen sollt ihr euch nun stellen! Schreibt aus der Sicht eines Charakters, der sich einer schwierigen Entscheidung stellen muss. Um welche Entscheidung es sich dabei handelt, ist euch überlassen. Eure Aufgabe ist es weiterhin, eure Entscheidungsfindung in einen möglichst nachvollziehbaren Dialog einzubinden, welcher widerum Teil einer kurzen Erzählung sein soll. Ob ihr einen Pokémonbezug einbringt oder nicht und wie viele Akteure euer Dialog beinhaltet, ist euch freigestellt.
Ihr könnt 7 Punkte verteilen, maximal 4 an eine Abgabe
ZitatAlles anzeigenID: [DEINE USERID]
AX: X
AX: X
Beispiel:
ID: 27258
A16: 3
A1: 5
A3: 1
A7: 1
A9: 2
Der Vote läuft bis Sonntag, den 20.07.2014, um 23:59 Uhr.
[tab=Abgaben]
Desorientiert schaufelte sie sich eine weitere Portion Cornflakes in den Mund, nachdem sie ihn bereits dreimal verfehlt hatte, sollte ihr dies nun endlich gelingen. Auf der anderen Seite des Frühstückstisches saß ihre sie anstarrende Mutter, die wohl nicht ganz damit einverstanden war, dass mittlerweile mehr als nur wenige Milchtropfen auf dem schönen neuen Holztisch gelandet waren. Ihre Tochter interessierte das wenig, zu sehr hing sie in ihren Gedanken, ihr Blick so leer wie eben möglich.
„Weißt du“, stimmte die ältere Frau an, „ich an deiner Stelle würde mich ja mit wichtigeren Dingen befassen.“
„Wichtig?“ Bei dieser Bemerkung fiel dem Mädchen der Löffel aus der Hand, der glücklicherweise mittlerweile leer war. „Es gibt nichts Wichtigeres! Das ist lebensnotwendig! Weißt du, im jetzigen Zeitpunkt ist es absolut unmöglich, mich überhaupt mit irgendetwas anderem auch nur rudimentär zu beschäftigen!“
„Ich mein ja nur. Und außerdem, du bist sechzehn, also könntest du eventuell so reden, dass ich dich auch verstehe?“
„Wenn du mich nicht verstehst, habe ich deine Intelligenz wirklich überschätzt, Mama.“
Ein Seufzen. „Wenn du dich nur endlich mal entscheiden könntest, dann wäre die ganze Sache vom Tisch und wir könnten wieder normal mit dir reden, anstatt ständig Angst haben zu müssen, dass du uns mal wieder nicht zuhörst. Oder“, fügte sie mit einem Blick auf den verdreckten Tisch hinzu, „unsere neuen Möbel weiter schmutzig machst.“
Gerade, als das Mädchen den Löffel wieder aufheben wollte, schoss ihr giftgrüner Blick nach oben und sie ballte die Hände zu Fäusten, anstatt darin das Geschirr zu halten. „Eure neuen Möbel sind euch also wichtiger eure einzige Nachkommin, ja?“
„Also wirklich, jetzt reg dich doch nicht so auf, Liebes. Ich denke nur, dass du ein wenig ...“ Sie stockte kurz, was ihre Tochter dazu nutzte, einzufallen.
„Exzedierst?“
„Übertreibst.“
„Das ist das Selbe!“
„Das kann ich doch nicht wissen!“
Das Mädchen stöhnte entnervt und fuhr sich durch die dunkelroten Haare, die am Ansatz schon wieder schwarz wurden. „Ach, da war ja was. Du verstehst es einfach nicht, oder? Was ich so schwierig darin, einfach mal empathisch zu werden und sich in meine Situation hineinzuversetzen?“
„Dass du aus einer Mücke einen Elefanten machst“, murmelte die Mutter so leise, dass ihre Tochter es nur hörte, weil ihre Aufmerksamkeit in diesem Moment zu hundert Prozent auf jener lag.
„Ich mache doch aus keiner Mücke einen Elefanten! Eher noch sollten wir diese Behauptung mal umdrehen, auch wenn es literarisch nicht so ansprechend ist – du machst aus einem Elefanten eine Mücke!“ Sie hielt sich sichtlich davon ab, noch lauter zu werden, und verwandelte ihre Stimme stattdessen in ein Flehen, das in jeder römischen Trauerrede beim Publikum Anklang gefunden hätte. „So eine Wahl hat man nur einmal im Leben, und ich muss gut darüber nachdenken, sonst bereue ich es am Ende noch.“
„Iss einfach deine Cornflakes oder sie weichen ganz ein“, entgegnete die Mutter, die schon ziemlich geschafft aussah.
„Wie du es immer schaffst, so irrelevante Dinge in den Vordergrund zu rücken, ist mir ein Rätsel.“ Lustlos rührte das Mädchen mit dem Silberlöffel in ihrer weihnachtlichen Schale herum, die Cornflakes beherbergte, welche wohl tatsächlich schon bessere Tage gesehen hatten.
Eine Weile schwieg die kleine Familie; die Frau stand schließlich auf und wusch ihren Teller ab, auf dem bis gerade eben noch ein Spiegelei gelegen hatte. Während der Wasserstrahl beständig auf das Porzellangeschirr prasselte, erhob das Mädchen wieder seine Stimme.
„Weißt du, vielleicht sollte ich mich einfach entscheiden.“
„Wie bitte?“, rief ihre Mutter über den Lärm des Wassers zu ihr. „Ich versteh kein Wort!“
Als der Schwall verklang, da die Frau den Hahn wieder zudrehte, wiederholte ihre Tochter das, was sie gesagt hatte.
„Ich habe festgestellt, dass ich mich vielleicht, ganz simpel, entscheiden sollte.“
„Sehr gute Idee!“
Ein Stocken. „Du findest das überaus belustigend, nicht wahr?“
Ihre Mutter sah sie nicht an, aber das Grinsen wäre in ihrer Stimme für jeden noch so neutralen Beobachter deutlich zu hören gewesen. „Ach was.“
„Was ist daran so amüsant?“
„Ach, nichts, ich bin nur froh, dass du jetzt nicht mehr den Rest deines Lebens in der Ecke sitzt und dich fragst, was du nun aussuchen sollst.“
„Du spielst die Sache wieder herunter!“
„Meintest du nicht gerade eben noch, du solltest dich einfach entscheiden?“
Frustriert schlug das Mädchen die Hände auf den Tisch. „Das ändert nichts an der Tatsache, dass dies von größter Bedeutung ist! Was wäre, würde ich mich falsch entscheiden? Was dann?“
„Dann würde die Welt nicht untergehen“, erwiderte die Frau mit einem Augenrollen. „Aber das habe ich ja schon zur Genüge gesagt.“
„Eine falsche Entscheidung kann die Welt verändern oder nur einen Moment eines Einzelnen. Eine richtige Entscheidung, und mag sie noch so klein sein, hat die Macht, alles zu verändern. Viele Erfindungen sind nur deswegen entstanden, weil sich großartige Forscher dazu entschieden haben, doch nicht das zu tun, was sie ursprünglich zu tun geplant haben.“
Ihre Mutter stöhnte frustriert und stellte den Teller in die Spülmaschine.
„Deswegen muss man über alles nachdenken!“
„Kind!“ Die Frau warf die Hände in die Luft, mit ihrem Latein wohl am Ende. „Ob du jetzt diesen Film heute oder morgen guckst, spielt doch überhaupt keine Rolle! Am Ende läuft’s auf das Selbe raus, ich verstehe einfach dein Problem nicht!“
„Deswegen“, ihre Tochter erhob sich vom Stuhl, die leere Schüssel in der Hand, „sind viele potenziell große Dinge nichts geworden. Weil diese ach so kleinen Entscheidungen immer heruntergespielt werden, die am Ende doch Großes hätten bewirken können.“
Die Schüssel fiel ihr aus den Händen und zerschellte am Fliesenboden.
„Aber beeil dich bitte mit deiner wichtigen unwichtigen Entscheidung, bevor du mir noch mein Haus kaputtmachst ...“
„Warum weinst du?“
Eine hohe, aber in diesem Moment sehr traurig und bedrückt klingende Stimme weckte mich aus meinem Tagtraum. Meine Augen öffneten sich langsam und nachdem ich die ersten Regentropfen von meiner Stirn gewischt hatte, blickte ich in die Augen eines Kindes. Es stand mir direkt gegenüber und blickte mich fragend an. Dass er traurig war, konnte man seinem Blick leider entnehmen. Ich saß auf einer Bank, wo genau ich war, hatte ich vergessen. Ich spürte den Regen auf meinen Körper prasseln und realisierte nach einigen Augenblicken, dass ich völlig durchnässt war. Meine Klamotten klebten an meinem Körper und meine Haare waren platt, trieften vor Wasser und einzelne Tropfen fielen vor unser beiden Augen gen Boden, wo sie langsam in den schlammigen Untergrund eindrangen. Ich sah einen Spielplatz, eine Schaukel und eine Wippe, ich glaubte sogar ein Klettergerüst. Der Junge versperrte jedoch meine Sicht. Richtig, der Junge. Er hatte mich etwas gefragt.
Ich weinte? Tatsächlich? Ich konnte meine Tränen in diesem Moment nicht vom Regen unterscheiden, aber scheinbar hatte er recht. Ich konnte sie zwar nicht sehen, aber ich fühlte, warum sie da waren. Dieser stechende Schmerz in meiner Brust. In meinem Herz. Mein Kopf begann zu brummen, als ich mich daran erinnerte, warum ich hier saß und warum ich angefangen hatte zu weinen.
„Ich weine doch nicht, Kleiner“, flüsterte ich mit brüchiger Stimme. So beruhigend, wie ich in diesem Moment erscheinen wollte, war ich scheinbar nicht.
„Was machst du bei dem Wetter überhaupt hier?“, lenkte ich vom Thema ab. Ich wusste, dass er mir antworten und nicht weiter auf eine Antwort bestehen würde. Er war schließlich nur ein kleines Kind. Vielleicht fünf oder sechs Jahre alt. Ich konnte deutlich seine Zahnlücken sehen, dort, wo die Milchzähne bereits abgedankt hatten. Sein Gesicht wirkte rund und seine Wangen waren voll, seine Gesichtszüge hatten noch gar keine Form angenommen. Außerdem war er sehr klein, gerade mal so groß wie ich im Sitzen.
„Ich wollte spielen.“
Ich blickte das Kind verwundert an. Er schien zu verstehen, und redete weiter, wobei seine Stimme einen leicht traurigen Ton annahm und etwas leiser als zuvor erschien.
„Aber niemand war hier, ich war alleine. Dann habe ich sie gesehen und ging zu ihnen, aber sie haben geweint.“ Er machte eine Pause. „Warum haben sie geweint?“, kam er nun zurück auf die Frage, die mich hat hochschrecken lassen. Er sah mich fast schon verzweifelt an, als würde er richtig mit mir fühlen.
Ich senkte meinen Blick. Eine Träne kullerte über meine Wange und tropfte auf den Boden. Ich wusste es und er wusste es.
„Kleiner, magst du Erdbeeren?“
„Natürlich! Ich liebe Erdbeeren!“, schrie der Junge förmlich. In meinen Ohren hallte noch weiterhin der Klang seiner hohen, aber in diesem Moment plötzlich sehr fröhlichen Stimme. Er schien sich so über diese Frage gefreut zu haben. Oder darüber sie beantworten zu dürfen. Mir zu erzählen, dass er Erdbeeren liebte.
„Du?“, fragte er, mich anblickend, „Warum fragst du sowas?“ Mit einem Mal wirkte sein Blick misstrauisch, fast schon ein wenig herausfordernd.
„Weil ich Erdbeeren selber liebe …“, flüsterte ich, nur ganz schwer hörbar. Doch der Junge hatte scheinbar gute Ohren. Sofort veränderte sich seine Mimik wieder und er lächelte mich an, während sich mein Blick seit Beginn unserer bizarren Unterhaltung noch nicht einmal verändert hat.
„Ich habe aber ein Problem“, stellte ich zusammenhangslos und vollkommen aus dem Nichts fest. Es erschien mir fast, als hätte ich selbst diese Erleuchtung soeben gehabt und würde nicht meinem Gesprächspartner davon erzählen wollen, sondern die Erkenntnis vielmehr an mich selbst richten.
Verwundert sah mich der Junge an. Er brauchte seine offensichtliche Frage nicht mal stellen, ich erkannte sie bereits und antwortete ihm.
„Von Erdbeeren wird mir immer schlecht. Ich habe eine Allergie, oder sowas“, sagte ich. Dabei schweifte mein Blick Richtung Himmel, wo nur viele graue Wolken zu erkennen waren, wohingegen eine Sonne nicht zu existieren schien. Traurig, wie sehr sich dieses Bild auf mein Leben übertragen ließ.
„Das kenne ich nur zu gut“, brummte der Junge empört, „Wenn ich zu viele Erdbeeren esse wird mir auch immer ganz schlecht und mein Bauch tut dann sehr weh …“
Ich stimmte ihm murmelnd zu ... Vor meinen Augen sah ich eine Frau. Ihre blauen Augen stachen aus dem sonst so grauen und tristen Bild hervor. Sie trug ein Kleid, weiß und so wundervoll, wie es nur sein konnte. Ihre langen Haare lagen über ihren Schultern. Was ich nicht sah, war ihre Mimik, wie sie ihr Inneres zu zeigen versuchte. Stattdessen war ihr Blick starr, kalt und leer. Er stach mein Herz wie ein Dorn, so tief und schmerzvoll. Ich wusste, es wäre falsch. Aber ich konnte nicht anders. Sie zog mich an, ihre Blicke kontrollierten mich.
„Aber es ist mir egal!“, lachte er plötzlich, „Ich mag Erdbeeren trotzdem.“
Fragend blickte ich den Jungen an, doch unschwer feststellbar zogen sich meine Mundwinkel plötzlich hoch und ich begann zu lächeln. Ich realisierte, dass ich mich über das, was der Junge gesagt hatte, freute. Und zwar sehr. Ich wusste er hatte recht.
„Ich werde ebenfalls nie auf sie verzichten können. Ich liebe sie“, murmelte ich und mein Körper begann zu kribbeln. Ich spürte es, wie mein Körper mir mitteilte dass ich richtig lag. Dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte.
„Die Erdbeeren?“
Ich lachte. „Ja, die auch. Danke, Kleiner.“ Ich stand auf und wischte mir die letzte Träne aus den Augen, bevor ich Richtung Straße lief. Ich hatte die Hände bereits in der Hosentasche, hielt mein Handy und wusste – ich würde sie anrufen.
Meine Augen öffneten sich und mein Mund füllte sich mit Dreck. Ich stützte mich mit meinen Händen vom Boden ab. Jede Faser meines Korpers brannte unter den Qualen dessen, was mir zugestoßen war. Ich schob den Schutt von mir und zog das Tuch von meinem Körper. Ich hustete den Staub aus und atmete tief durch. Meine Luftröhre war wund und jeder Atemzug erzeugte ein raues Stöhnen. Meine Sicht war verschwommen. Ich griff mir ins Gesicht und blickte zerschlagen auf meine zittrigen Hände. Ich fühlte den dumpfen Druck der Berührung meiner Finger und meine verbrannte Haut, die mein Gesicht entstellte. Ein Finger fuhr in meine rechte Augenhöhle, doch meine Nerven fühlten keinen Schmerz mehr. Mein Auge war weg und meine Nase und Lippen waren versengt. Mein Körper war verbrannt, durch ein Feuer, das kein Feuer war. Ich sah mich um. Ich lag mitten auf einem Schlachtfeld. Die, die mich kannten, hatten mich verlassen. Sie ließen mich zurück, beerdigt, im Glauben ich wäre tot.
Mein Körper war bereits gestorben, aber warum war ich dann noch hier? Ich hatte 'sie' gerettet und versuchte auch noch zu entkommen. Doch ich wurde getroffen, von etwas, das es nicht geben dürfte. Die Schreie tausender gepeinigter Seelen hallten in meinen Ohren. Ich stand auf und bückte mich nach der Decke, denn ich hatte nichts mehr, was meinen Körper vor Blicken schützen konnte. Meine langen Haare hingen mir über die Schultern und ich trauerte ihrem nun verblasstem Glantz nach. Ich band mir das Tuch um meinen, fast schwarz verkohlten Körper und blickte mich erneut um. Brennede Überreste eines Gemätzels lagen überall in diesem großem Raum verstreut. Ich wagte einen Schritt nach vorne und brach fast unter dem Gewicht meines eigenen Körpers zusammen. Was ist mit mir geschehen? Warum waren meine Knochen nicht zertrümmert und meine Seele nicht auf dem Weg in die ewigen hellen Weiten? Ich blickte über meine Schulter und sah mein verblassendes 'Ich', welches mir eine Hand reichte. Natürlich konnte ich sie nicht nehmen, es war nur ein Abbild meiner selbst. Bevor mein Abbild ganz verschwunden war, nahm ich seine Positon ein und stand nun über mir, oder dort wo ich eben zusammengebrochen war. Meine Kraft hatte er mir nicht genommen. Ich musste von hier verschwinden, doch konnte ich zu denen zurückkehren, die mich hier gelassen hatten? Würden sie mich noch erkennen, nachdem sie mich vergessen hatten? War es überhaupt jemas meine Absicht, mich mit anderen einzulassen? Warum habe ich ihnen vertraut? Warum dachte ich, dass sie mir helfen könnten? Dachte ich etwa, mit ihnen wäre ich stärker? Dass sie mir es ermöglichen würden zu meiner Familie zurückzukehren? Meine Familie!
Panisch griff ich mir an meinen Nacken. Die glatte künstliche Oberfläche der vertrauten Stimme in meinem Kopf, war an ihrem Platz. "--hhee" kam der fast Geräuschlose Ton aus meinem Rachen. Ich schluckte und versuchte meinen Hals zu befeuchten. "Bhhee... Meihnehh... Fhamiliehh." krochen die gebrochenen Wörter über meine Lippen. Ein stechender Schmerz in meinem Kopf gab mir das Zeichen, dass Bee reagierte. "...--ink. -eine –am—le is- -- -eben." ein rauschendes Störsignal pfiff durch meine Ohren und ließ mich in die Knie gehen, doch ich hörte was ich wissen wollte. Das alleine reichte mir, um mich anzutreiben. Ich wanderte langsam durch die zerstörten, seelenlosen Gänge und kam irgendwann an dem Ort an, den ich versucht hatte zu erreichen. Niemand durfte mich mit diesem Körper sehen. Ich musste ihn verstecken, ich musste meinen Namen ändern, ich musste meine Verhalten ändern. Ich musste eine andere Identität annehmen.
Ich änderte MICH. Mein Körper wurde der eines anderen. Mein Gesicht war niemand, meine Fähigkeit gab es nicht und mein Name...
Mein Name war nur etwas, dass in deinem Kopf existierte.
Drei Tage. Nur drei verdammte Tage, doch Samuel kamen bereits diese drei Tage wie Jahre vor. Somit war es schon Jahre her, dass er die Sonne zuletzt gesehen hatte und außerdem gab es seit Jahren keine Elektrizität mehr. „Wie heißt nochmal dieses kosmische Ereignis, was den ganzen Mist hier auf der Erde hervorgerufen hat, Werner?“ Der Drehstuhl von Werner bewegte sich wie immer knirschend in Samuels Richtung. Dann fragte die Silhouette, die auf ihm saß: „Was ist der Grund dafür, dass du mich das seit drei Tagen immer wieder fragst?“
Die Antwort kannte Samuel eigentlich gar nicht. Diente die Frage einfach als kleiner Zeitvertreib? Wollte er Werner nur ein wenig nerven? Nein. Die Frage diente zur Ablenkung. Zum einen gegen den Hunger, doch vor allem half es einige Sekunden dabei, den Lärm zu vergessen. „Du weißt die Antwort.“ Werner seufzte. „Es heißt Gammastrahlenblitz. Ein sterbender Stern hat kurz vor seiner Explosion einen unglaublich energiereichen aus Gammastrahlen bestehend Strahl auf die Erde abgefeuert.“ „Was würde ich bloß ohne dich tun“, sagte Samuel mit einem Lächeln.
Dieses war Samuels letztes Lächeln, denn am nächsten Tag war der Lärm noch unerträglicher, als am Tag zuvor. Er und Werner saßen hier in ihrer kleinen Zelle vor, an der früher alle kontrolliert wurden, die in das Gefängnis wollten und während dieser Zeit hatte ein Gefühl Einzug gehalten. Sie hatten sich etwas wie die Herrscher gefühlt, ohne die nichts ging, aber jetzt waren sie machtlos. Die beiden Wärter konnten all die Häftlinge nicht mehr ernähren. So wurden die Rufe nach Essen immer lauter und hatten sich heute schon in ein ohrenzerfetzendes Kreischen, das Ähnlichkeit mit dem Geräusch, was kämpfende Katzen von sich geben, besaß, verwandelt.
Samuel öffnete die Augen. Selbst mit den Fingern in den Ohren war es mittlerweile unmöglich, einzuschlafen. Er wollte nicht mehr. Samuel stand von seinem Drehstuhl, den er seit dem Blitz nicht mehr verlassen hatte, auf, kramte nach seinem Schlüsselbund und ging in Richtung Tür. Obwohl es stockdunkel war, wusste er, wo er hinmusste. Er war lange genug hier als Wärter tätig gewesen. Doch dann fragte eine Stimme hinter Samuel: „Was hast du vor?“ „Kannst du etwa dieses Kreischen in deinen Ohren noch ertragen? Ich glaube, ich sollte die Gefangenen freilassen.“ „Ist dir überhaupt bewusst, was du damit anrichtest, Samuel“, fragte Werner vorwurfsvoll, „Da drin sind nicht nur Kleinganoven, die irgendeiner betagten Dame die Handtasche gestohlen haben. Nein, dort sind auch Vergewaltiger, Pädophile und Mörder. Das ist der Abfall, den die Gesellschaft hier zusammengetragen hat und du willst ihn jetzt auf die letzten Überlebenden loslassen?“ Samuel hatte erwartet, dass Werner so reagieren würde, da er seinen Beruf so ernstnahm, wie kaum ein anderer. Samuel hatte sich zwar vorgenommen, Werner einfach nicht zuzuhören, aber seine Argumente verstärkten die Unsicherheit in ihm. Allerdings war noch etwas Restüberzeugung da: „Wer sagt denn, dass wir hier nicht die Einzigen sind?“ Er konnte es zwar wegen der Dunkelheit nicht sehen, aber an Werners Stimme konnte Samuel hören, dass er langsam wütend wurde: „Bist du wirklich so einfältig, oder tust du nur so? Du willst mir ernsthaft erzählen, dass ausgerechnet wir beide und 200 Strafgefangene als einzige von Milliarden einen Gammastrahlenblitz überleben? Es ist nicht mal so, als würde ein Gammastrahlenblitz direkt töten. Durch ihn hat sich nur die Atmosphäre so verändert, dass es kein Ozon mehr gibt, der Himmel von Smog verdunkelt wird und keine technischen Geräte mehr funktionieren.“ „Selbst wenn es noch andere Überlebende gibt, können wir doch hier nicht einfach 200 Personen in ein paar Quadratmeter großen Zellen verhungern lassen! Du denkst vielleicht, diese Männer sind Abfall, aber es sind definitiv Menschen!“ „Samuel, du bist lange genug hier beschäftigt. Du weißt, wer hier die Alpha-Häftlinge sind. Da sitzen Leute, die ohne mit der Wimper zu zucken über andere herfallen! Wenn du die Türen für sie öffnest, werden deswegen deutlich mehr als 200 Menschen, und ich meine richtige Menschen, draufgehen.“
Samuel legte seine Hand auf die Türklinke und drückte sie herunter, was ein Quietschen verursachte. Werner stand nun auch von seinem Drehstuhl auf. Bei den Worten „Tu es bitte nicht.“ Hatte sich sein eben noch wütender Ton in einen flehentlich bittenden verwandelt. Samuel drehte wandte den Kopf. Hätte er Werners Tränen gesehen, hätte er anders entschieden, doch genau in diesem Moment gellte ein Schrei, der die anderen an Grellheit und Schmerz bei weitem übertraf, durch das Gefängnis. Samuel öffnete die Tür und sagte: „Tut mir leid, Werner“.
„Ach weh, warum ist die Welt nur so ungerecht?“
Lilymia, Kronprinzessin und Thronerbin des Königshauses der Bernstein-Fayee, kniete züchtig zwischen den Kissen ihres Schlafgemachs. Hinter ihr saß ihre Kammerzofe Filla, damit beschäftigt, das ringelblumengelbe Haar ihrer Herrin zu kämmen. Um ihr die Arbeit zu erleichtern, hatte Lilymia die sonnengoldenen Schmetterlingsflügel eingeklappt. Auf dem Schoß der Prinzessin ruhte ihre Hausbiene Nastir und summte wohlig unter den Streicheleinheiten, mit denen sie ihn voller Zuneigung bedachte.
„Ich nehme nicht an, Ihr habt bereits eine Tendenz zu einem der Prinzen?“, erkundigte sich die Zofe.
Die Bernsteinprinzessin sollte mit einem gleichaltrigen Prinz eines anderen Fay-Volkes vermählt werden, um die Königswürde an die nächste Generation weiterzugeben. Zu dieser Ehre hatten sich Vance von den mottenflügeligen Mond-Fayee und Dynastes der nomadischen Berg-Fayee angeworben. Die letzten Tage hatte Lilymia viel Zeit mal mit dem einen, mal mit dem anderen verbracht, um sie beide näher kennenzulernen. Da sie sich nicht für einen entscheiden konnte, auch wenn die beiden Prinzen unterschiedlicher nicht sein konnten, erhoffte sie sich nun hilfreichen Rat von ihrer besten Freundin.
Versonnen meinte Lilymia: „Nun, ich bin von beiden äußerst angetan.“
„Aber liebt Ihr einen von ihnen? Ihr wolltet immer einen Gemahl, den Ihr liebt und der Euch liebt.“
Daraufhin lächelte die Prinzessin nostalgisch. „Seit ich ein Kind war. Ich liebe sie beide nicht, aber ich glaube, mit der Zeit kommt auch die Liebe, wenn wir erst einmal vermählt sind …“
Nastir hob den Insektenkopf und leckte mit seinem Labium zärtlich ihre Hand, wie er es häufig tat. „Aber wie jede Prinzessin“, fuhr Lilymia fort, „wünsche ich mir auch einen starken Beschützer. Dynastes ist wie ein Krieger aus alten Sagen mit der Kraft eines Herkuleskäfers!“ Und welche Frau sehnte sich denn nicht nach einem Mann, der einen mehrere Faylängen messenden Hundertfüßer mit bloßen Händen bekämpfen konnte?
Die Zofe ging dazu über, der Königstochter einen Zopf für die Nacht zu flechten. „Erlaubt Ihr mir, frei zu sprechen?“, begann Filla vorsichtig.
„Ich bitte um deine ehrliche Meinung“, forderte Lilymia bestimmt.
„Wenn das Euer Begehr ist“, fuhr die Kammerzofe fort, „so sehe ich in ihm wie in jedem Berg-Fay einen grobschlächtigen Hünen. Ich müsste mir bei ihm Sorgen um das körperliche Wohl Eurer Zartblumigkeit machen, wenn Ihr zum Vollzug Eurer ehelichen Pflichten mit ihm kämet. Außerdem ist sein Antlitz mit dieser Narbe, mag sie in den Bergen auch als Symbol seines Mutes und Ansehens gelten, hier im Goldenen Feld eher unästhetisch.“
Als Lilymia den Kopf nachdenklich schräg legte, wurde Filla bei ihrem Werk gestört, beschwerte sich jedoch nicht. „Du hast Recht“, räumte ihre Herrin ein. So hatte sie das noch nicht betrachtet: Der König an ihrer Seite sollte in gewisser Weise auch zu ihr passen. „Was mannhafte Schönheit betrifft, so ist Vance eindeutig die bessere Wahl. Außerdem ist er sehr höflich und setzt seine Worte mit Bedacht.“ Der Mondprinz gab ihr wie kein anderer das Gefühl, eine echte Prinzessin des edelsten aller Fay-Völker zu sein.
„Bedacht durchaus“, stimmte Filla zu. „Bedacht auf seinen eigenen Vorteil. Er will nichts anderes als die Bernsteinkrone, weil er als sechstgeborener Prinz bei den Mond-Fayee keine Chance hat, jemals König zu werden. Er ist nicht ganz ehrlich – Prinz Dynastes jedoch trägt im Gegenteil dazu sein Herz etwas zu sehr auf der Zunge.“
Lilymia kicherte: „Kann man es dir denn überhaupt recht machen?“
„Ich sorge mich nur um Euer Wohlergehen, Herrin“, stellte Filla klar. „Euer zukünftiger Gemahl darf keinen schlechten Einfluss auf Eure Redlichkeit haben. Der eine würde Euch, um seine Ziele zu erreichen, rücksichtslos in seine Machenschaften einspannen; der andere hielte Euch dazu an, wie er in aller Öffentlichkeit zu sagen, was Ihr denkt, so unpassend es auch sei.“
„Aber sind Dynastes‘ stete Heiterkeit und herzliches Lachen nicht ansteckend?“, tirilierte die Prinzessin, strich über Nastirs papierdünne Bienenflügel und ignorierte desweiteren Fillas Bedenken. „Vance hingegen mag als Mond-Fay kein solcher Scherzbold sein, doch ist er sehr belesen. Zu allem scheint er etwas zu wissen, als stünde er in telepathischem Kontakt mit allen Spinnen, ganz wie das Orakel Aranida. Bei ihm könnte ich noch so vieles lernen!“
Mit einem Haarband versiegelte Filla den Flechtzopf. Sie hielt der Prinzessin entgegen: „Die Witze des werten Bergprinzen sind bisweilen zu derbe für die Sitten der Bernstein-Fayee. Und was Prinz Vance betrifft, so glaube ich, wird er Euch mit seinem Wissen und seiner Beredtheit bei Streitgesprächen regelrecht hinfortargumentieren. Wollt Ihr Euch wirklich das Befehlswort nehmen lassen?“, fragte sie rhetorisch.
Die Prinzessin seufzte und ließ sich nach hinten aufs Bett fallen, breitete noch in der Bewegung die schillernden Flügel aus, um sie nicht zu zerknittern. „Musst du sie mir denn beide madig machen?“, klagte sie und drückte Nastir an sich.
Filla erhob sich vom Bett und räumte die Frisierutensilien fort. „Ich habe den Eindruck, dass ich das tatsächlich gar nicht mehr muss. Ihr hegt bereits Eure eigenen Zweifel gegen sie, nicht wahr?“
Lilymia antwortete nicht. Sie streckte die Arme durch, hob Nastir hoch über sich. Sah dem Drohn in die dunkelbraunen Facettenaugen, die viel größer waren als bei Bieninnen. Wer wusste, wie oft sie noch Gelegenheit dazu bekommen würde?
Berg-Fayee kämpften von frühester Jugend an gegen Hornissen, die ihre wandernden Clane regelmäßig angriffen. Mond-Fayee bewohnten tagsüber lichtisolierte Baumhöhlen, weil ihre nebelblasse, empfindliche Haut den Sonnenschein nicht ertrug. Daraus ergab sich, dass Dynastes alle Hautflügelinsekten auf den Tod nicht ausstehen konnte, und Vance eine Allergie gegen Bienenhaar entwickelt hatte. Beide hatten sie unabhängig voneinander klargestellt, dass sie Lilymia nur heiraten würden, wenn diese Nastir weggab.
Doch das konnte sie nie und nimmer tun. Seit Kindesflügeln an vertraute sie dem Drohn selbst die persönlichsten Dinge an, die sie nicht einmal Filla verriet. Ohne ihn würde etwas in ihrem Leben fehlen.
Sie führte Nastir an ihr Gesicht, vergrub die Nase in seinem goldschwarzen, flauschigen Thoraxfell. Tief atmete sie den geliebten Duft nach Waldblütenhonig ein. Alle Bienen rochen auf ihre eigene Weise nach Honig, doch diese spezielle Note gehörte ganz allein zu Nastir.
Warum war die Welt nur so ungerecht?
Es war mitten in der Nacht, als Lilymia von etwas geweckt wurde. Erschrocken setzte sie sich auf, doch es war kein Laut zu vernehmen. Zuerst lauschte sie in die Dunkelheit ihrer Gemächer hinein, bis sie feststellte, dass sie wirklich nicht alleine war.
„Filla?“, fragte sie leise. „Bist du das?“
„Nein. Filla ist nicht hier“, kam prompt die verständnisvolle Antwort.
Die Bernsteinprinzessin umklammerte ihr seidenes Bettlaken. Eine fremde Männerstimme!
„Wer zum Höllenskorpion bist du? Wie kommst du in meine Gemächer?“, verlangte sie, weit weniger gebieterisch als beabsichtigt, zu wissen. Am Rande gemahnte sie, dass Nastir nicht an seinem Platz lag. Seine abwesende, friedlich zu ihren Füßen eingerollt schlafende Präsenz beunruhigte sie zusätzlich.
Im Tonfall des Eindringlings klang keine Angriffslust. „Ich will dir bei deiner Entscheidungsfindung helfen.“
Misstrauisch kniff Lilymia die Augen zusammen. Welch unerhörte Dreistigkeit, eine Prinzessin ohne Titel anzureden und wie eine Bäuerin zu duzen! „Woher weißt du überhaupt von meinem Dilemma? Bis auf meiner Zofe habe ich niemandem davon berichtet.“ Geschockt riss sie die Augen auf. „Sie wird es dir doch nicht etwa preisgegeben haben?“ Aber eigentlich glaubte sie das selbst nicht. Filla war ihr gegenüber viel zu loyal für einen solchen Verrat.
„Glaube mir, ich kenne dich viel besser, als es Filla tut.“ Endlich trat der Fremde aus der Finsternis in den einfallenden Sternenschein. Was Lilymia zuerst auffiel, war sein schwarzes Haar, das das Licht gold-metallisch glänzend einfing. Auf den zweiten Blick erkannte sie den schlanken, athletischen Körper – völlig unbekleidet!
Vor empörtem Schrecken hob die Prinzessin gegen ihn die Hand. „Wehe, du kommst näher, lüsterner Spanner!“ Da entsann sie sich ihrer königlichen Befehlsgewalt, holte Luft, um ihre Wachen zu rufen.
Bevor sie ihr Vorhaben umsetzen konnte, sprang der fremde Fay vor, beugte neben ihrem Bett das Knie, ergriff ihre Hand und sagte eindringlich: „Lilymia, bitte hör mich an!“ Er küsste galant ihren Handrücken; die Vertrautheit dieser Geste ließ ihren Atem stocken. Seine Augen, von der Farbe lebendigen, fruchtbaren Waldbodens, sahen sie an, als wolle er jeden ihrer Wünsche erfüllen. Als er ihr ein hinreißendes Lächeln schenkte, schmolz sie dahin wie Wachs in der Sonne. Beim Weltenschöpfer Skarabäus, der die Erdkugel geformt hatte – sah er gut aus!
„Nimm keinen von ihnen“, riet der Fremde, doch Lilymias umnebelter Geist verstand nicht, was er meinte. Hinter ihm konnte sie seine Flügel sehen: Schmal, an den Enden abgerundet und durchsichtig wie Kristallglas. Als Königstochter musste sie alle Fay-Völker und ihre Eigenheiten kennen, doch diese Flügelform war ihr gänzlich unbekannt.
Er sprach weiter: „Mit beiden wirst du nur unglücklich werden. Diesen Gedanken könnte ich nicht ertragen, so weit ich auch von dir entfernt wäre.“
Plötzlich zog er sie an sich und schloss sie in eine sanfte Umarmung. Lilymias Flügel zuckten nervös, aber sie mochte sich nicht gegen ihn zur Wehr zu setzen. In seinen Armen fühlte sich die Prinzessin so sicher und geborgen, dass sie ganz schläfrig wurde. Um ihre Nase wehte ein Duft, der diesen Effekt verstärkte – süß wie Karamell und würzig wie Kiefernnadeln.
Bevor sie wieder einschlief, hörte Lilymia den Fay sagen: „Niemand darf uns jemals trennen. Wir werden für immer zusammenbleiben.“
Das grelle Licht blendete mich. Zwei verschwommene Gestalten saßen mir gegenüber. Ich versuchte aufzustehen, doch es gelang mir nicht.
Weder meine Hände, noch meine Füße konnte ich bewegen. Ich gab ein leises Hicksen von mir und vernahm eine Stimme…
„Fangen wir nochmal an. Wer bist du, wie alt bist du und wo wohnst du? Wir brauchen deine Personalien, denn du hast einen schweren Fehler begangen.“
Jeder musste schon die eine oder andere Entscheidung in seinem Leben treffen. Nun werdet ihr meine erfahren, die mein ganzes Leben verändern sollte.
Mein Name ist Steve. Steve Miles, um genau zu sein. Ich bin 23 Jahre alt und habe letztens erst meinen Führerschein bekommen, der in dieser Geschichte eine große Rolle spielt.
Ach ja, ein Partygänger bin ich auch und außerdem trinke ich gerne Alkohol. Diese drei Dinge wurden mir zum Verhängnis, denn nun habe ich vier Menschenleben auf dem Gewissen.
Wie das passiert ist, wollt ihr wissen? Ganz einfach. Alles geschah in der dunklen Neumondnacht des 23. Julis…
„Und, wie gefällt dir die Party? Ist doch klasse, oder?“
„Hä, was hast du gesagt?“
Ich hatte schon ein paar Bierchen hinter mir, als Norbert, der Veranstalter dieser Party und mein Arbeitskollege, mich ansprach.
Ihr müsst wissen, er ist ein sehr vorsichtiger Mann und geht immer auf Nummer sicher, da er weder sich, noch andere Personen verletzen möchte.
„Du solltest lieber aufhören, zu trinken, Steve.“
„Ich soll, hicks, winken?“
„Du sollst aufhören, so viel zu trinken! Du bist doch mit dem Auto hier, oder etwa nicht?“
„Passt schon, hicks. Höhö, hicks.“
„Wie viel Alkohol hast du denn schon zu dir genommen? Ich glaube nämlich langsam, dass du schon das eine oder andere Bier zu viel zu dir genommen hast.“
Ich wusste selbst nicht, bei meinem wievielten Bier ich jetzt schon war. Daher gab ich eine Antwort, die ich später bereuen sollte: „Ich kenne mein Limit.“
„Sei vorsichtig“, warnte mich Norbert.
Hätte ich doch bloß auf ihn gehört…
Das Licht blendete mich noch immer. Ich blinzelte, um meine müden Augen aus der Betäubung erwachen zu lassen.
„Steve, Steve Miles.“ Ich sprach meinen Namen sehr leise aus. „Wo bin ich und warum bin ich, hicks, gerade hier?“
„Herr Miles, wo waren sie gestern zwischen 22:00 und 02:00 Uhr?“ Die Stimme des Mannes klang sanft und nett, jedoch hatte ich ein sehr merkwürdiges Gefühl, als ich den Klang vernahm. Es war so, als vermuteten diese Personen, dass ich etwas Schlimmes getan habe.
„Bei, hicks, Norbert.“
„Norbert? Hat dieser „Norbert“ Auch einen Nachnamen?“
„Norbert.“ Meine Konzentration war am Ende. Ich konnte weder nachdenken, noch konnte ich deutlich sprechen. Ich war zu müde, um einen klaren Gedanken zu fassen.
„Wie bitte? Könnten sie vielleicht ein wenig deutlicher sprechen?“
„Norbert Krainz. Ich war auf seiner Party. Wo bin ich, hicks?“
„Sie sind auf dem Polizeirevier. Wir wollten sie zu einem Unfall befragen.“
Habe ich richtig gehört? Sagte er Unfall? Auf einen Schlag war ich hellwach. Ich wollte natürlich wissen, was passiert ist.
Der stämmig gebaute Polizist fuhr fort. „Also, wo waren sie gestern Nacht?“
Ich antwortete auf alle Fragen der Polizisten. Doch dann stellte ich meine Frage: „Was ist denn bei dem besagten Unfall passiert und wie hänge ich da mit zusammen?“
Nun sprach der kleine, schmächtige Mann.
„Sie haben einen Unfall gebaut. Sie sind mit 3,7‰ Auto gefahren. Dabei haben sie einen Fußgänger und ein entgegenkommendes Fahrzeug gerammt. Der Fußgänger, die Fahrerin des Gefährts und ihre beiden Kinder sind umgekommen.“
Ich erstarrte. Ich saß mit offenen Augen auf dem kalten Holzstuhl, der sich langsam durch mein Dauersitzen erwärmte. „Hicks!“ Es war immer noch etwas von dem Alkohol in meiner Blutlaufbahn.
„Es kommt noch eine weitere tragische Nachricht auf sie zu“, fuhr der Schmächtige fort. „Der Fußgänger, den sie mit ihrem Wagen erfasst haben, war Norbert Kraiz.“
Mir stockte der Atem. Ich konnte es nicht glauben. Ich soll vier Menschen in einer Nacht das Leben genommen haben? Mein Kopf sank auf den Eisentisch. Die ersten Tränen flossen aus meinen Augen, bis ich ganz in Tränen ausbrach. „Norbert! Neeeeeeein!“ Ich schrie so laut ich konnte. Ich schlug meinen Kopf auf die kalte Eisenplatte. Inzwischen war mir das grelle Licht egal, das die ganze Zeit über in meine Augen schien. Die beiden Uniformierten standen auf und begleiteten mich aus dem Raum.
Sieben Jahre auf Bewährung, Führerscheinentzug auf Lebenszeit und 7850€ sollen die Strafe für meinen nächtlichen Ausflug sein.
Doch ich wusste, dass es noch eine andere Entscheidung für mich gab. Diesmal ist es der richtige Weg, dachte ich mir an meinem ersten Tag in dieser grauen Zelle und formte aus meinen Bettlacken einen Strick. „Das ist für die Gerechtigkeit, dies ist der richtige Weg!“
Er schob mit seinem rechten Fuß den Stuhl weg und fiel hinab. Seine Entscheidung war gefallen.
Das Labor von Professor Birk ist sehr sauber. Irgendwo im Obergeschoss arbeiten seine Hilfskräfte. Hier im Hauptraum ist es vergleichsweise ruhig. Helles Licht fällt durch die großen Fenster und blendet mich. Zum Glück ist der Professor nicht schon wieder auf einer Feldstudie, sonst könnte wäre ich jetzt nicht hier.
Ich wusste genau, dass dieser Tag irgendwann kommt. Natürlich hat nicht jedes Kind die Chance ein Trainer zu werden, aber bei mir stand es von Geburt an fest. Meine Eltern sind wahnsinnig starke Trainer. Also werde ich in ihre Fußstapfen treten. Das Wunderkind aus Rosalstadt wird der Welt zeigen, wo der Hammer hängt. Es war von Anfang an so vorgesehen.
Momentan jedoch befinde ich mich in einer Situation, auf die ich mich besser hätte vorbereiten müssen. Der Weg zu Professor Birks Labor war einfach. Die Wahl, vor der ich nun stehe, ist es nicht.
Drei Pokémon sitzen vor mir auf dem Stahltisch. Eines ist orangerot, das nächste ist grün, und das letzte Pokémon ist hellblau. Ich weiß, dass sie alle einem unterschiedlichen Typen angehören. Flemmli ist ein Feuerpokémon. Geckarbor gehört zu den Pflanzen. Und Hydropi zählt zu den Wassertypen.
„Verdammt“, entfährt es mir unwillkürlich. Professor Birk, der hinter dem Tisch steht und auf meine Auswahl wartet, grinst breit.
„Ja, das Gefühl kenne ich noch zu gut. Jeder neue Trainer hat es. Aber du solltest dich ein wenig beeilen. Die anderen beiden kommen sicher bald. Und ob die so zögern werden...?“
„Sie haben Recht. Ich muss nur noch ein wenig nachdenken“, antworte ich.
Leichter gesagt als getan. Feuerpokémon sind recht stark. Flemmlis Weiterentwicklung Lohgock hat einiges auf dem Kasten. Allerdings verlieren sie als Feuerpokémon gegen Wassertypen.
Mein Blick wandert zu Hydropi. Dieses niedliche Ding kann Lohgock später problemlos besiegen. Sumpex ist einer der seltenen Mischlinge die sowohl dem Wasser- als auch dem Bodentyp angehören. Dadurch ist seine Schwäche gegenüber Elektro-Attacken getilgt. Trainer, die nur schlecht vorbereitet sind, werden Sumpex nur schwerlich besiegen können.
Allerdings sind Pflanzen den Mischlingen gegenüber schwer im Vorteil und können ihnen extrem zusetzen.
Ich sehe mir Geckarbor an, den letzten Kandidaten. Der Kleine kann zwar gegen Hydropi gewinnen, gegen Lohgock jedoch nicht. Wieso müssen die Starterpokémon nur so fies ausgewogen sein? Es ist zum Haareraufen! So komme ich nicht weiter. Vielleicht sollte ich einfach raten und mich überraschen lassen?
„Ich nehme...“, beginne ich, halte jedoch inne. Diese Wahl wird meine gesamte Trainerkarriere beeinflussen. Das Pokémon wird für viele Jahre mein Partner sein. Womöglich mein Freund. Und es muss mir helfen, jeden Trainer zu besiegen, der mir im Weg steht. Mit so einer Entscheidung geht man nicht leichtfertig um.
Denk nach, Carl, denk nach! Du packst das. Geh nach der Mathematik. Sorge dafür, dass du so wenig Nachteile hast wie es geht. Was haben sie in der Trainerschule gesagt? Pflanzenmonster haben fünf Schwächen. Wassertypen haben zwei. Feuerpokémon haben drei. Sollte ich deswegen Hydropi nehmen? Er hat die wenigsten Schwachstellen.
Nein, Moment. Ich glaube, meine Mutter hat irgendwann mal eine Pflanzenarena erwähnt. Da wäre ich mit Sumpex aufgeschmissen. Wäre Flemmli nicht passender?
Schwachsinn! Dann hole ich mir eben noch ein Flugpokémon in mein Team. Alles kein Problem. Und Hydropi sieht außerdem noch ziemlich niedlich aus, muss ich sagen. Ein ausgewogenes Team ist der Schlüssel zum Erfolg.
Ich merke, dass ich die anderen Optionen vernachlässige. Zu weiteren Überlegungen komme ich jedoch nicht, denn in diesem Moment betritt ein Mädchen das Labor. Ich sehe über die Schulter. Sie ist so alt wie ich, trägt ein blaues Band in den langen Haaren und schaut sich aufmerksam um. Als sie den Professor erblickt, winkt sie ihm freudig zu.
„Hey, Professor! Bin ich zu spät?“
„Nein, Marie, bist du nicht. Darf ich vorstellen: Das ist Carl, er sucht sich gerade sein Pokémon aus.“ Ich strecke ihr zögernd die Hand hin und sie schlägt ein.
„Ich bin Marie, wie er Professor eben gesagt hat. Ich weiß bereits, welches Pokémon ich wähle. Wie steht's, Carl?“
„Hi. Äh, es geht so. Dauert nicht mehr lange.“ Gut, es sieht so aus, als müsste ich endlich eine Entscheidung treffen. Ich hoffe, für die nächsten paar Jahre bleibe ich von derartigen mentalen Torturen verschont. Das ist ja grausam. Hat Marie Hydropi im Visier? Wenn ja, dann muss ich mich beeilen. Oder will sie warten, bis ich meine Wahl treffe, um dann das Pokémon zu wählen, was meines besiegen kann? Sei's drum, ich glaube, ich bin soweit.
Entschlossen nicke ich mit dem Kopf. Ich habe alle Argumente abgewogen, die für oder gegen die einzelnen Starter sprechen.
„Ich nehme Hydropi“, sage ich. Das blaue Pokémon zappelt fröhlich auf seinem Platz herum.
„Meine Wahl fällt auf Flemmli. Ab jetzt sind wir Rivalen, was?“, lacht Marie. Ich muss nun auch grinsen. Mit ihrem Flemmli hat sie fürs Erste keine Chance gegen mich.
Als mir der Professor Hydropis Ball überreicht, fühle ich, wie die Fröhlichkeit des kleinen Wesens auf mich übergeht. Es war die richtige Entscheidung. Eine Mischung aus Bauchgefühl und rationalem Abwägen hat mich dazu gebracht. Hydropi wird mich nicht enttäuschen.
„So, Hydropi. Dann zeigen wir denen da draußen mal, was wir können. Was meinst du?“
Ich verstehe seine Antwort zwar nicht, aber das Funkeln in Hydropis Augen spricht Bände. Die Hoenn-Region kann sich warm anziehen.
dt: Die Angst
Fandom: Onlinespiel "Sweet Amoris"
Das war doch lächerlich! Einfach nur lächerlich! Oder war ich derjenige, der sich lächerlich verhielt? Nun, es schien, als wäre beides eine ziemlich wahrscheinliche Option, vor allem, wenn man bedachte, um was es eigentlich ging. Ich schüttelte den Kopf und fuhr mir durch mein blondes Haar, dessen Strähnen dazu neigten, mir ins Gesicht zu rutschen. Seufzend ließ ich meinen Blick aus dem Fenster wandern, wobei … das war nicht korrekt. Ich ließ ihn nicht aus dem Fenster wandern, ich ließ meinen Blick zu ihm wandern! Ihm, der lässig und cool gegen einen Baum gelehnt war und der das Geschehen auf dem Pausenhof desinteressiert beäugte. Fiel es mir so schwer, weil ich Angst vor diesem Blick hatte? Angst davor, dass mich diese schokoladenbraunen Augen auch so desinteressiert ansehen würden? Sacht zuckten meine Mundwinkel nach oben. Für den Hauch einer Sekunde ließ ich sie dort verharren, bevor sie wieder an ihren Platz zurückkehrten.
Als ob ich nicht wüsste, was er über mich dachte. Als ob ich nicht ahnte, wie er für mich empfand: Er konnte mich nicht leiden und das war womöglich noch die harmloseste Beschreibung dafür. Wenn er wüsste, wie tief mich seine hasserfüllten Blicke wirklich trafen, würde ihm das bestimmt mindestens ein schelmisches Lächeln abverlangen. Wenn er wüsste, wie schwer es mir fiel, ihn nicht in mein Inneres blicken zu lassen, die Maske aufrecht zu halten. Nur ein Wort von ihm löste Empfindungen in mir aus, die ich nicht zu kontrollieren vermochte. Schon ironisch, dass sich ein 19-jähriger Junge wie ein kleines verrücktes Mädchen verhalten konnte … wenn er verliebt war. Oder lag das nur an mir? Ja, das war wohl eher das wahrscheinlichere.
Ich würde mir ja gerne einreden, das sei der Grund, weshalb er mich verachtete, doch wir beide wussten, dass das eine Lüge war. Denn manchmal war die Vergangenheit einfach stärker als man selbst und Fehler, die man einst begangen hatte, hatten größere Auswirkungen auf unsere Zukunft als uns lieb war. Ich war ihm einmal nahe gewesen - nicht auf diese Art und Weise - sondern als Freund, als Bruder. Ich erinnerte mich gerne an vergangene Tage, in denen wir einfach nur still nebeneinander im Gras lagen und den Moment genossen. Tage, in denen es nicht wichtig war, wer oder was wir waren. In denen wir einfach wir sein konnten. Ich sehnte mich nach dieser Zeit, denn wenn man älter wurde, wurden Dinge komplizierter. So wie jetzt.
Wie gerne würde ich jetzt aufstehen, hinaus zu ihm gehen und ihn einfach fragen, ob er zu meiner Geburtstagsfeier kommen wolle. Doch, wie sehr sich alles in mir danach sehnte, schaffte es mein Körper nicht, sich dazu aufzuraffen. Wie gesagt: lächerlich, nicht wahr? Vielleicht musste ich einfach überzeugt werden? Von mir selbst? Als ob ich je zu sowas fähig gewesen wäre. Nö, war ich eben nicht, wie sollte ich dann bitte von heute auf morgen damit beginnen können.
Langsam erhob ich mich von meinem Schreibtisch in der Schülervertretung und ging zum Fenster. Wieso hatte ich nicht die Macht, einfach da runter zu gehen? Ich wollte es doch oder nicht? Was konnte mir denn schon passieren? Hmm … er könnte mich verprügeln oder auslachen. Beides keine wirklich viel versprechenden Aussichten. Und so unwahrscheinlich waren sie nicht. Aber eigentlich wollte ich es doch oder? Nein, nicht verprügelt werden, sondern bei ihm sein! Und wenn ich ihn fragen würde, wenn ich mich aufraffen konnte, bestand die Chance dazu. Aber sollte ich wirklich? War es das wirklich wert? Die Chance seiner Nähe gegen eine mögliche Abfuhr? Was wog denn nun schwerer? Meine Sehnsucht oder meine Angst? Vielleicht war das auch meine einzige Chance, denn ich hatte auch Freunde von ihm eingeladen und wenn er nicht meinetwegen kam, dann vielleicht ihretwillen. Wann würde sich diese Chance, Zeit mit ihm zu verbringen, je wieder ergeben?
Ohne es gemerkt zu haben, stand ich nun vor dem Fenster, meinen Blick auf seiner Gestalt ruhend. Liebe war die stärkste Macht auf Erden und doch die größte Gefahr. Die Chance sich zu verbrennen war sogar noch größer, als wenn man neben einem brodelnden Vulkan umherstreifte. Und das sagte einiges aus, wie ich fand. Aber war Castiel nicht auch ein schlafender Vulkan? Und wenn die Chance an einem schlafenden Vulkan verbrannt zu werden niedriger war als die Qual der Liebe, glich das meine Chancen, dann nicht wieder auf 50/50 aus? Ok gut, das waren wohl die wirrsten Gedankengänge, die ein Mensch nur haben konnte, aber letzten Endes schien ich doch nur nach Ausreden zu suchen, nicht? Ausreden, um mich selbst zu einer Entscheidung zu bringen. Und schien es nicht, als ob mein Geist mich drängen wollte, ihn einzuladen? Obwohl er wusste, dass es die dümmste Idee war, die ich je hatte? Nun, mein Geist war ja auch verknallt, also konnte ich von ihm keinen objektiven Rat erwarten. Aber ganz im Ernst, gab es den einen objektiven Rat? Niemand konnte mir sagen, was passierte, außer Castiel selbst, nicht wahr? Also sollte ich es vielleicht doch wagen und aufhören mich wie ein Kleinkind zu verhalten? Das wäre wohl die erwachsene Variante, nicht wahr? Verdammt noch mal, Nathaniel reiß dich zusammen und benimm dich wie ein Mann!
Für den Hauch einer Sekunde schloss ich die Augen, während ich mir seufzend durch mein Haar fuhr. Das Leben war einfach, nur der Mensch war derjenige, der alles kompliziert machte. In dem Moment, in welchem ich meine Augen öffnete, wollte ich sie am liebsten wieder schließen, denn Castiel hatte inzwischen aufgehört den Schulhof zu mustern und seine Aufmerksamkeit nun dem Fenster gewidmet, an dem ich stand und ihn beobachtete. Ich verlor mich in dem Braun dieser Augen, die mich mich zu fixieren, gar zu fesseln schienen. Ich wusste nicht zu deuten, was für ein Gefühl in ihnen verborgen lag, was sich darin zu verstecken versuchte. Das einzige, was ich sagen konnte war, dass ich das Gefühl hatte, als bohrten sich diese Augen tief in meine Seele, wo sie fest verharrten und mich an sich zogen. Mein Herz schien stehen zu bleiben, die Luft zu brennen, obwohl sich kein Laut aus der Stille erheben wollte. Es war still und doch tobte etwas. Etwas in meinem Inneren. Es schrie, doch wusste ich nicht genau, was es war. Ich war unfähig mich zu bewegen, unfähig mich zu rühren, etwas zu tun oder zu sagen. Erst als ich begriff, was ich um alles in der Welt da tat, fuhr ich mit einem Mal bei Seite und zog die Vorhänge mit solch einer Heftigkeit zu, das man meinen könnte, ich hätte Luzifer selbst gesehen. Mein Herz schlug immer noch wie wild in meiner Brust, als ich mich wieder auf meinen Platz setzte. Und ich wollte Castiel wirklich sowas Wichtiges fragen? Ich bekam es doch nicht mal hin ihn anzusehen. Wie sollte ich dann ein Gespräch mit ihm führen können? Vielleicht war ich einfach unfähig? Seufzend blickte ich zu dem Stapel an Arbeitsblättern, welche ich heute noch bearbeiten sollte. Manchmal wünschte ich, das Leben wäre einfacher oder ich wäre einfacher. Vielleicht würde es auch helfen, jemand anderes zu sein. Bestimmt. Denn jemand anders hätte den Mut aufgebracht, sich seinem Schwarm zu stellen. Wäre ich jemand anders, dann würde ich einfach da runter gehen und ihn in einen so leidenschaftlichen Kuss ziehen, dass, egal was auch immer ich ihn fragen würde, die Antwort "Ja" lautete. Aber ich war niemand anderes. Ich war Nathaniel - der schüchterne Schülersprecher, der sich hoffnungslos in den Bad Boy der Schule verschaut hatte. Nicht mehr und nicht weniger. Tja und dieser mir selbst auferlegte Titel würde sich auch wohl nicht so schnell verändern.
Andrej weinte. Er spürte, wie Tränen seine Wangen hinab liefen. Nicht solche, wie sie der beißende Rauch hervor rief, sondern kalte Manifestationen der Furcht, die seinen Körper nun erschütterten wie ein Erdbeben. Die anderen hatten ihm den Spitznamen “Der Standhafte“ gegeben, weil er voller Mut und scheinbar ohne jede Angst über Berge aus Leichen gestiegen und ungeschützt durch den Kugelhagel gelaufen war, ungeachtet des ohrenbetäubenden Lärmes und unerträglichen Gestankes. Es hatte Andrej Stolz gemacht.
Alles reine Farce. Alles pure Angst. Nichts als betäubende Furcht.
Wie eine zu schnell abklingende Narkose waren Adrenalin, Stolz und die schallenden Worte der Propaganda aus seinem Körper und seiner Seele gewichen, nicht plötzlich, sondern langsam, sodass Andrej die Maske des angehenden Kriegshelden noch aufrecht hatte halten können. Bis zu diesem Moment, in diesem Graben, in dem er laut ausgesprochen hatte, dass er vom Schlachtfeld fliehen würde.
»Meinst du das ernst?«
Andrej hörte den Ekel, der aus den Worten seines Kameraden Jegor sprach. Sie kannten sich schon ewig, hatten sich beide voller Stolz freiwillig zum Kriegsdienst bereit erklärt und waren scheinbar immer gute Freunde gewesen. Doch nun wagte er nicht mehr, ihn als solchen zu bezeichnen.
»Ich kann das nicht mehr, Jegor«, hauchte er kraftlos.
Sein Kamerad konnte die Worte über den tosenden Lärm der einschlagenden Kugeln und der Schreie verletzter oder sterbender Menschen unmöglich verstanden haben. Andrej selbst konnte sich kaum hören.
»Du willst wirklich den Schwanz einziehen und uns alle hier zurücklassen? All deine Brüder?«
Jegors Stimme schwoll mit jedem Wort weiter an. Dennoch überraschte es Andrej, wie deutlich er seinen Kameraden verstand. Er wollte antworten, die Wut seines Gegenübers irgendwie zu besänftigen versuchen, doch der Einschlag einer Granate nur wenige Meter vor dem Graben entfernt, in dem er und Jegor geduckt wie verängstigte Kaninchen hockten, unterbrach ihn abrupt. Eine Welle aus hoch geschleuderter Erde übergoss sich über die beiden schweißgebadeten Körper. Als Andrej aufblickte, war das schon zuvor verdreckte Gesicht seines Kameraden kaum noch unter dem Graubraun toter Erde und getrockneten Blutes auszumachen. Die große Wunde an seinem Arm, die er sich am Morgen zugezogen hatte, war selbst durch den improvisierten Verband auszumachen. Er sah aus wie ein Mann, der nicht mehr lange zu leben hatte. Andrej wusste, dass er selbst kaum ein besseres Bild abgeben konnte. Aber er wollte nicht sterben und Jegor schien ihm dies anzusehen. Wut funkelte in den Augen seines Kameraden auf, als er seine Waffe entsicherte.
»Dann verschwinde doch, du verdammter Feigling!«, brüllte Jegor, stemmte seinen Oberkörper über den Rand des Grabens und feuerte einen Schuss ab.
»Jegor, bitte hör mir doch zu!«, startete Andrej schreiend einen letzten Versuch, seinen Kameraden doch nicht in Wut zurücklassen zu müssen. »Ich fürchte mich. Das musst du doch verstehen können!«
Jegor drehte sich so schnell um, dass Andrej nicht einmal reagieren konnte. Er spürte den festen Griff seines ehemaligen Freundes an seinem Kragen.
»Denkst du ernsthaft ich hätte keine Angst, Andrej?«
Jegor war seinem Gesicht so nah, dass ein wenig Speichel von den aufgerissenen, spröden Lippen auf Andrejs Haut spritzte.
»Natürlich nicht! Deshalb musst du mich verstehen können!«, Andrej senkte seine Stimme, soweit es der Lärm der Schlacht zuließ. »Ich will nicht sterben, Jegor.«
»Du beleidigst mich«, anstatt sich zu beruhigen, verfestigte Jegor seinen Griff. »Wage es nicht, dich mit mir zu vergleichen, Feigling!«
Nun erfasste auch Andrej die Wut. Gewaltsam stieß er seinen Kameraden von sich und schrie ihm seinen Zorn entgegen.
»Du nennst mich Feigling, obwohl sich jeder hier fürchtet. Jeder auf diesem verfluchten Schlachtfeld ist ein Feigling, Jegor.«
»Tatsächlich?«, ein verzweifeltes, heiseres Lachen löste sich aus Jegors Kehle. »Du denkst, ich wäre derjenige, der blind ist. Dabei bist du es, Andrej. Ich ziehe für Mütterchen Russland in den Tod, wenn es sein muss. Du bist der einzige Feigling in unseren Reihen.«
Prompt erfasste Andrej eine neue Form der Furcht. Nicht jene instinktive Angst, die durch den Kugelhagel, Schreie und den Geruch des Todes wuchs. Diese Furcht schlug ihre Krallen in seine Seele, nicht seinen Körper. Sie war anerzogen, durch Eltern, Militär und Gesellschaft. Ihr Nährboden war Andrejs eigenes Gewissen. Nichts wünschte er sich mehr, als Tod, Verderben und Trauma hinter sich zu lassen. Doch allein der Gedanke, sein Land im Stich zu lassen ließ ihn vor sich selbst erzittern.
Jegor schien seine wachsende Unsicherheit zu bemerken.
»Wenn du gehst, bist du ein Verräter. Du weißt, was das heißt. Es ist eine Ehre auf dem Schlachtfeld zu fallen. Willst du da wirklich die Schande auf dich nehmen, an der Wand zu sterben?«, fragte er.
Andrejs Körper bebte. Jegor hatte recht. Man würde ihn töten, wenn man ihn nach seiner Flucht fangen würde. Seine Heimat würde ihm verwehrt bleiben. Die Verzweiflung schien ihn auseinander zu reißen.
»Was soll ich denn tun, Jegor?«, rief er unter Tränen. »Wir werden diesen Krieg nicht überleben! Wenn ich fliehe habe ich möglicherweise zumindest noch eine Chance, irgendwo weiter zu leben. Ich will eine Frau finden, heiraten, eine Familie gründen. Nicht, dass meine Leiche in Schlamm und Blut versinkt wie ein verdammter Straßenköter!«
Jegor setzte ein offensichtlich erzwungenes, besänftigendes Lächeln auf und fasste ihn an den Schultern. Als Andrej in die blauen Augen des Mannes sah erkannte er, dass sein jugendliches Antlitz verschwunden war. Das Leid hatte ihn alt werden lassen, seinen alten Freund. Was hatten sie doch alles für Abenteuer erlebt, als sie noch jung waren!
»Du wirst nicht einfach versinken, Andrej …«, setzte Jegor an, wurde jedoch von Andrej unterbrochen, bevor er weitersprechen konnte.
»Komm mit mir, Jegor. Wir verschwinden gemeinsam von hier«, der Soldat spürte, wie sich Hysterie in seine Stimme schlich doch er war zu erschöpft und auch nicht willens, sie zu verbergen. »Ich kann unseren Trupp zurück lassen, ich kann Russland zurück lassen, aber nicht dich. Nicht dich, mein Freund. Das könnte ich mir nicht verzeihen. Wenn du jetzt mit mir kommst, rettest du mein und dein Leben!«
Die Ohrfeige war schallend und brutal. Andrejs spröde Lippen platzten auf, doch der Schmerz hatte keine Relevanz. Zu viele Wunden bedeckten bereits seinen Körper, als dass diese kleine Verletzung ihn noch hätte beeindrucken können. Der Geschmack des Blutes war kaum bemerkbar, da die Luft selbst immerzu danach schmeckte. Doch die Geste und der Anblick Jegors, der vor Zorn bebte, schmerzte. Ungläubig wischte Andrej das Blut von seinen Lippen.
»Wenn ich kämpfend überlebe, werde ich ein Held sein. Wenn ich auf dem Schlachtfeld sterbe, werde ich ein Held sein«, selbst Jegors Stimme zitterte und seine Zähne knirschten vernehmlich bei dem Versuch, die Wut zurück zu halten. »Wie kannst du mich Freund nennen und mich dazu bringen wollen, meine Ehre zu verlieren.«
Andrej war fassungslos. Wie konnte Jegor nur immer noch daran glauben, dass irgendeine Tat in diesem Krieg heldenhaft sein konnte? Es erfüllte ihn mit solcher Traurigkeit, dass sich ein keifendes Lachen seinen Hals hinauf kämpfte.
»Du wirst sterben, Jegor! Niemand wird sich an dich erinnern. Du wirst auf dem Schlachtfeld verrotten wie alle anderen auch, wenn du hier stirbst. Kriegsheld, Heldentod, alles Lügen! Wach doch auf!«
Es war seltsam für ihn zu erkennen, dass er den Glauben an die Worte seiner Offiziere verloren hatte. Doch Andrej hatte zu viel Schmerz, Leid und Tod gesehen, um noch an derlei Märchen zu glauben. Jegor hingegen schien anderer Meinung zu sein.
»Du bist ein Verräter, nichts weiter!«, brüllte er, fast doppelt so laut wie das Rattern eines Maschinengewehres. »Du bist der Feind, der Teufel. Zweifel willst du in mir säen! Aber ich werde dir nicht nachgeben. Oh, nein. Ich nicht!«
Andrej dachte daran, wie bizarr diese ganze Situation doch war. Sie sollten gemeinsam gegen den Feind ziehen. Stattdessen bekämpften sie sich gegenseitig, noch immer auf allen Vieren in den Graben geduckt, während über ihnen der Krieg tobte. Ein Wunder, dass sie noch nicht erschossen worden waren.
»Ich hätte es ihm nicht sagen sollen«, dachte Andrej und blickte sehnsüchtig in Richtung des rauchverhangenen Horizontes. »Ich hätte einfach rennen sollen.«
Nur aus dem Augenwinkel sah er, dass sich Jegor langsam erhob. Sein bester Freund, den er immer so bewundert hatte.
»Was tust du?«, rief er und fasste ihn am Hosenbein.
»Meine Pflicht«, antworte Jegor knapp. »Was tust du?«
Andrej hörte die Schreie und das leidende Stöhnen verletzter Menschen. Feind und Freund klangen im Tod gleich und sahen beinahe identisch aus. Es schmerzte in seinen Ohren. Der Rauch brennte in seinen Augen und die stickige Luft erschwerte ihm das Atmen. Es roch nach Vernichtung, als habe jemand alle Ausscheidungen dieser Welt angezündet und über dem Schlachtfeld verteilt.
Andrej sah seinen Freund. Wer konnte diese Hölle alleine überstehen? Was gab es überhaupt zu überstehen? Wie lange würde dieser Krieg noch andauern? Bis Russland zerstört war? Bis kein Mensch mehr übrig blieb außer ihm selbst, dem Feigling, dem Verräter?
Jegor war aufgestanden und zog sich aus dem sicheren Graben. Andrej hatte ihn nicht überzeugen können. Gerade jetzt, wo seine brüderliche Liebe für ihn wieder heiß in seiner Brust entflammt war. Er hatte keine Ehefrau, keine Kinder. Andrej hatte nichts, außer seinem Leben. Doch ein Leben war wertlos im Krieg.
Er rappelte sich auf und lief, dem Trauma entgegen.
Ewige Freundschaft
Da saß sie nun. Gesenkter Kopf, geschlossene Augen, einsam auf der morschen Holzbank vor dem menschenleeren Schulgebäude. Der letzte Bus war bereits vor drei Stunden abgefahren. Ähnlich lange hatte ich sie aus einer gewissen Distanz beobachtet, bis ich mich schließlich doch dazu bewegte, mit langsamen Schritten auf sie zuzugehen.
Ich war angekommen, stand vor ihr. Gedanklich hatte ich meinen ersten Schritt in ihre Richtung schon bereut, hinterfragte jeden weiteren. Zudem hatte ich dieses Gefühl, dass der Versuch, ein Wort zu sprechen, in einer Lähmung meines Mundes enden würde. Doch es half nichts. Dass sie das erste Wort gesprochen hätte, wäre zu unwahrscheinlich gewesen, also musste ich es versuchen.
„Na“
Keine Antwort, keine Regung. Ich machte einen weiteren Schritt und setzte mich zu ihr auf die Bank. Eine kurze Pause bis ich mich dazu entschloss, meinen rechten Arm um sie zu legen. Sie antwortete, indem sie ihren Kopf auf meiner Schulter ablegte.
Vor uns befand sich ein kleiner Schotterparkplatz, auf dem lediglich das heruntergekommene und mit Staub bedeckte Auto des Hausmeisters verblieben war; dahinter erstreckte sich eine größere waldähnliche Menge an Bäumen.
„Ich will es dir ja eigentlich nicht sagen, aber ich hatte Recht“, flüsterte ich.
Noch immer keine gesprochene Antwort. Gesprochen nicht, jedoch trotzdem intim. Ihre Taten sprachen für sich. Eine Träne lief ihr aus dem Auge. Zu schön war der Anblick der hellbraunen Augen mit einem leicht bläulichen Schimmer, dass eine Träne ihn hätte zerstören dürfen.
Mit einer kurzen Handbewegung wischte ich die Träne aus ihrem Gesicht, nahm ihren Kopf und strich ihr anschließend langsam durch die Haare über die Schultern, bis die Bewegung wieder in einem umarmenden Griff endete.
„Es tut mir leid“, unterbrach sie die Stille mit ihrer traurig-leisen Stimme.
Der Himmel hatte inzwischen einen orange-rötlichen Ton angenommen, welcher jedoch mit jeder Sekunde dunkler wurde. Aus der Richtung des kleinen Waldes zog ein kühler Wind herbei. Ich nahm meine graue Jacke und zog sie ihr über. Anschließend lehnte ich mich nach vorne und stütze mich auf meinen Armen ab.
„Weißt du, wie schwer mir die Entscheidung zu dem Zeitpunkt gefallen ist?“, fuhr sie fort.
Erneut eine kurze Stille.
„Ich hatte dir gesagt, dass du ihn kaum kanntest“
„Ja, schon“
„Was war denn mit dir los? Ich meine, den einen Tag war alles gut und zwei Tage später kommst du an und willst plötzlich nicht mehr mit mir reden? Weißt du, wie das ist?“
Keine Antwort.
„Was hast du ihm überhaupt gesagt, dass er dir den Kontakt zu mir verboten hat?“
Sie zögerte, nahm anschließend kommentarlos ihr Handy heraus. Wir hatten viel miteinander geschrieben, nahezu täglich. Viel und über alles. Über Schule, über Hobbys, über Privates. Eines dieser privaten Gespräche musst er mitgelesen haben, eine andere Erklärung fiel mir nicht ein.
Sie begann zu lächeln. Ich wusste nicht, woran sie beim Betrachten des Displays dachte. Vielleicht an eines der vielen Gespräche von früher, vielleicht auch an ihn. Ich wusste es nicht.
Sie hob ihren Kopf, hatte einen fragenden Blick aufgesetzt, lächelte jedoch noch immer leicht. „Wir hatten so lange keinen Kontakt mehr. Wieso kommst du trotzdem noch so auf mich zu und bist für mich da?“
Wieso war ich für sie da? Sie hatte die Entscheidung getroffen, den Kontakt zu mir einfach zu nehmen und in den Mülleimer zu werfen, also wieso war ich für sie da? Wieso war ich immer und immer wieder für sie da, egal was für schlechte Wahlen sie in ihrem Leben traf?
An sich war die Antwort einfach: Weil ich sie liebte, aber diesen Satz aus meinen Gedanken bis hin zu meinem Mund zu führen, schien meinem Gehirn eine unmögliche Aufgabe zu sein. Selbst wenn es genau der richtige Moment für diesen einen Satz gewesen wäre, ich hätte ihn nicht aussprechen können. Immerhin hatte ich schon Glück gehabt, dass die Lähmung meines Mundes nicht bei meinem ersten Wort einsetzte.
„Ich war doch bislang immer für dich da, oder nicht?“
Noch immer lächelte sie, während ihr zeitgleich eine weitere Träne durch das Gesicht lief.
Langsam fielen mir erste Regentropfen auf meinen Arm. Zudem wurde es später und somit auch kälter.
„Ja“, murmelte sie leise und in Gedanken versunken.
„Aber mal ernsthaft, wieso hattest du dich so entschieden?“
Ihr Blick wurde unsicher, noch unsicherer als zuvor. Mehrfach versuchte sie zu antworten, jedoch schien unter den möglichen Antworten kein Grund gewesen zu sein, den sie wirklich aussprechen wollte.
„Ich weiß es nicht“ Sie machte eine kurze Pause, blickte hektisch durch die Umgebung. „Ich weiß es wirklich nicht. Er hatte deinen Namen und Herzen auf dem Display gesehen und wollte wissen, wer du bist. Ich hab ihm halt ein wenig über dich erzählt und keine Ahnung. Er war so fordernd“
Erneut legte ich meinen Arm um sie.
„Ist schon ok“
Starker Regenfall.
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