Der Schwede, der ja irgendwie auch nicht so ganz Schwede war, stellte sich als Fredrik vor und fragte in die Runde, ob wohl irgendjemand wisse, wo sie sich hier befanden. Aber keiner der englisch-sprechenden Mit- ... ja, was waren sie überhaupt? Waren sie wirklich Gefangene? Immerhin hatte auch noch niemand versucht, eine Tür zu öffnen. Offensichtlich hatte auch noch niemand daran gedacht. Stattdessen kam ein Mädchen auf die grandiose Idee, ein Feuer anzuzünden. Also auf jeden Fall wusste niemand mehr als Alicia, Fredrik und der blauhaarige Junge, der sich noch nicht vorgestellt hatte.
Irgendwann kam doch ein Mädchen auf die Idee eine Tür zu suchen, aber Alicia hörte nicht mehr hin, denn das meiste, was in englischer Sprache ihre Ohren erreichte, klang eindeutig nach Streit und sowas mochte das Mädchen gar nicht. Ihr war nie ganz wohl bei solchen Auseinandersetzungen. „Muss das denn sein, dass sich alle hier so angiften“, dachte die Schwedin und wünschte sich, sie hätte einmal nicht die Regeln befolgt und ihre Tasche mit in die Bibliothek genommen. Dann wäre sie nicht in dieses komische Loch gefallen und auch nicht in dieser noch viel seltsameren Situation gelandet.
Während Fredrik das Gesagte wiederholte und erklärte, dass der beim Versuch, eine Bahn zu erwischen, in ein solches Loch gefallen war, schweiften Alicias Gedanken zurück in die Bibliothek, in der sie jetzt so gerne lesen würde. Sie hatte zwar immer von fernen Welten und Abenteuer geträumt, aber doch nur ausgeführt durch die Helden in ihren Büchern. Fredriks Frage an sie, riss die Studentin aus ihren Gedanken und sie schüttelte den Kopf, noch bevor ihr Gehirn die Frage wirklich verarbeitet hatte. Nein, gestorben war sie auf jeden Fall nicht. Wie sollte man auch bei dem Versuch sterben, eine Tasche in ein Schließfach zu stecken? Der Blauhaarige war da schon näher dran, aber Alicia musste ihm zustimmen, dass es doch unwahrscheinlich war, bei einem Sprung aus ein bis zwei Metern. Als er Dreck neben der Plattform erwähnte, schaute sie zwar kurz hin, beachtete ihn aber nicht weiter. Zum einen ging sie einfach davon aus, dass dieser Ort von irgendwem genutzt wurde, der vielleicht auch mal dreckige Schuhe hatte, auf der anderen Seite war alles andere schon seltsam genug, ein bisschen Dreck erschien dagegen schon fast normal.
Dann meldete sich Fredrik wieder zu Wort. Er erklärte noch ein bisschen etwas zum Feuer und holte dann ein Notebook raus, um eine Liste der Personen und den Situation, aus denen sie gerissen worden, zu machen. Zuerst schrieb er seine Situation nieder, während er laut mitlas. Dann kam er zur Schwedin: „Alicia, aus Oldenburg, war in der Bücherei. Ich nehme an, du bist eine Studentin?“
„Ja, stimmt. Ich wollte meine Tasche in ein Schließfach legen, aber das war plötzlich nicht mehr da. Stattdessen fiel ich in ein Loch ... und landete hier.“ Jetzt, da sie es laut aussprach, klang das Ganze noch verrückter. Die einzige Erklärung, die ihr in den Sinn kam, die nichts mit dem Tod oder Alienentführungen zu tun hatte (Alicia meinte, so etwas aufgeschnappt zu haben), entsprang einem Fantasy-Roman, und würde besagen, dass sie sich nun in einem magischen Land befanden und womöglich sogar die Auserwählten oder sonst irgendwelche Helden waren. Das Mädchen schüttelte den Kopf ob der Abstrusität dieses Gedanken, immerhin basierte diese These nur auf ausgedachten Geschichten und erfundenen Personen, aber absurder als die Alien-Theorie war das auch nicht.
Irgendwann zwischen den ganzen Streiterein wandte sich eine junge Frau, die größte im Raum, an Fredrik und erklärte, dass sie mit zwei anderen von ihrem Sofa verschluckt wurden. „Alexa, Shawn und Rachel“, wiederholte Alicia in Gedanken und war sich fast sofort sicher, sich niemals die Namen aller Personen hier im Raum merken zu können. Sie blickte sich kurz um, suchte nach denen, die Rachel und Shawn sein mussten – so viel hatte sie bei der Interaktion der Englisch-Sprechenden mitbekommen – und machte mentale Verweise, ehe sich Alexa an den blauhaarigen Jungen neben ihr wandte und behauptete, er würde doch perfekt Englisch sprechen. „Wirklich? Hab ich gar nicht bemerkt“, überlegte Alicia und schob es auf den Fall, dass ihr Gehirn anscheinend noch nicht ganz präzise arbeitete. Allerdings war die Amerikanerin doch erstaunlich gut zu verstehen gewesen ... Als der Junge jedoch antworte wurde es wirklich verrückt.
„Was?“, entfuhr es dem Mädchen, als ihr Gegenüber behauptete, die Amerikaner würden plötzlich Deutsch sprechen. Langsam stieg es gar nicht mehr durch. Und auch Fredrik meinte, die beiden würden weiterhin in ihrer jeweiligen Muttersprache sprechen, und ja, es war wirklich ein Rätsel, warum sie sich nun verstanden, auch wenn sie nur aus dem Kontext schloss, dass der Blauhaarige wohl kein Englisch verstand. Dann setzte Fredrik noch etwas anderes hinzu: „Könnt ihr mich jetzt eigentlich auch verstehen, wenn ich auf Samisch rede? Und als welche Sprache erkennt ihr das dann?”
„Okay, also ich habe keine Ahnung mehr, wer welche Sprache spricht, in meinem Gehirn wirbelt gerade alles irgendwie durcheinander. Ich bin mir ja noch nicht mal sicher, welche Sprache ich spreche, auch wenn es ursprünglich mal Deutsch werden sollte. Also entschuldigt mögliche schwedische Wörter, das kann schon mal vorkommen.“ Alicia strich mit den Fingerspitzen über ihre Stirn, auch wenn sie nicht erwartete, dass sich dadurch ihre Gedanken ordneten. „Also, was auch immer du gesagt hast, wie Samisch klang es nicht wirklich.“
Im Nebenraum saß ein Wanyamon und wartete. Ungeduldig schlug es mit dem Schwanz hin und her. „Was dauert das denn so lange“, nörgelte es vor sich her. Es hatte unbedingt helfen wollen, aber es hatte nicht erwartet, dafür ewig in diesem Raum festzusitzen und nichts zu tun. So könnten sie die Digiwelt niemals retten! Über ihm spielten zwei Meramons mit Seifenblasen, aber auch das würde die Rettung nicht näher bringen. Dann endlich erschien ein Bild auf dem Monitor vor ihnen und gab den Blick auf die "biologischen Lebensformen" frei. So viele potenzielle Partner, wie sollte Wanyamon sich denn nur jemals entscheiden können? „Das will ich“, meinte er und blickte auf ein großes mit schwarzer Mähne. „Nein, das!“ Und schon wandte er seinen Blick einem anderen dieser – wie wurden sie von Tokomon genannt? – OrgaMons zu. „Oder doch das!“
Zu sehr war Wanyamon damit beschäftigt der Reihe nach jedes einzelne dieser fremden Wesen als Partner auszuwählen, dass er erst gar nicht merkte, dass die meisten anderen Freiwilligen sich bereits auf eines festgelegt hatten. Er sollte sich auch langsam mal jemanden überlegen, mit dem er sich eine Zusammenarbeit vorstellen könnte. „Was ist mit dem da? Dem kleinen, was vermutlich sitzt oder so.“ (Er deutete auf Rachel.) „Das sieht aus, als könnte es viel positive Energie vertragen.“
OT: Wer sagt denn, dass die Digimon sofort den richtigen sehen müssen. Wanyamon ist eh viel zu hibbelig, um die ganze Situation vernünftig zu überblicken. @Lorekeeper Zinnia Bukamon darf natürlich etwas dagegen haben, dass Wanyamon gerade Rachel aufheitern will. (;