Quelle: islieb
Hallo und herzlich willkommen zum Vote des diesjährigen FFxFF-Collab!
Bei diesem Collab geht es darum, zu zweit ein Werk zu schaffen, wobei der eine Partner eine Geschichte und der andere ein Gedicht schreibt. Ob diese beiden Teile am Ende nur untereinander stehen oder richtig ineinander verwoben werden und wie lang sie im Verhältnis zueinander sind, ist dabei jedem Team selbst überlassen, wichtig ist nur, dass beide Teile vorhanden sind.
Das Thema dieses Collabs lautet Begegnungen.
Jeder Tag in unserem Leben besteht aus Begegnungen. Ob ihr nun beschreibt, wie sich zwei alte Freunde nach langer Zeit wieder treffen, wie jemand im Wald auf ein gefährliches Tier trifft, oder gar wie ein Mensch auf eine außerirdische Lebensform trifft, ist dabei vollkommen euch überlassen.
Beim Voting könnt ihr den einzelnen Abgaben zwischen 1 (nicht gut) und 10 (sehr gut) Punkte vergeben. Dabei sind auch halbe Punkte (wie 2.5) möglich. Wichtig ist dabei, dass ihr alle Abgaben bewertet, auch eure eigene. Begründungen sind nicht verpflichtend.
Der Vote läuft bis zum Sonntag, den 15.07.2018 um 23:59 Uhr.
Verwendet bitte folgende Schablone für den Vote:
Abgabe 1: xx/10
Abgabe 2: xx/10
Abgabe 3: xx/10
Abgabe 4: xx/10
Abgabe 5: xx/10
Abgabe 6: xx/10
Eines Nachts saß Sie allein
Mit tränenroten Augen
Den Schmerz ertränkt in süßem Wein
Und konnte es nicht glauben.
Tastendrücke klicken leise
Weiße Schrift auf schwarzem Grund
Ihr Kopf, er war nicht ganz gesund
Und Gift in ihrer Vorgehnsweise.
Eines Nachts saß er allein im Dunkeln vor dem hellen Bildschirm und wünschte sich, er wünschte sich, er wäre nicht allein. Doch dann sah er die weiße Schrift auf schwarzem Grund, sah Traurigkeit in ihren Worten. Sollte er den Worten folgen? Denn sie wirkten nicht gesund. Auf einmal bewegten sich die Hände, ohne Absicht und Vernunft und plötzlich war da neue weiße Schrift auf schwarzem Grund. Ob alles in Ordnung sei, fragten die Worte, doch sie wussten schon, das war es nicht. Und obwohl sie sich nicht näher kannten, sprachen die Worte doch für sich.
Vor ihren Augen nur verschwommen
Sah sie ihn neue Worte schreiben
Wieso war grade er gekommen
Um ihren stummen Schmerz zu heilen?
Und so folgte Wort um Wort
Aus Tränen wurde leises Lachen
Er konnte in ihr optimismus entfachen
Und sie jagten gemeinsam die Einsamkeit fort.
Am Tag darauf kam sie zurück, die schleichend erdrückende Einsamkeit und so begab er sich an jenen Ort, um die weißen Worte zu befreien. Er fühlte sich für immer einsam und wollte nicht mehr ohne sein. Ohne die weißen, schönen Worte, die ihn von allem Kummer befrein. Und darauf kam sie, wollte ihm nicht die Einsamkeit lassen, und sie amüsierten sich über die Wunder des Waschens. Doch viel zu schnell, da ging sie wieder, und lies ihn in diesem leeren Raum zurück. Die Stille war lauter, als jedes Geschrei und er merkte, Einsamkeit konnte nicht erdrückender sein.
Doch auch sie dachte an ihn
In Einsamkeit durch ihre Flucht
So war er, wie es ihr erschien
Doch eine viel zu schöne Sucht.
Und Tags darauf kam sie zurück
An den Ort wo sie sich trafen
Die weißen Worte wie ein Hafen
Und seine Worte pures Glück.
Die Worte flossen immer weiter, die Tage zogen sich dahin. Er wurde immer glücklicher, die weißen Worte ein Gewinn. Und trotz der Zeichen viel zu langsam, merkte er, was ihm gefiel. Es waren die kleine Dinge, ihre Faszination, die ihn so sehr bei ihr gefangen hielt. Seine Gedanken kreisten nur um sie, auch wenn sie das nicht sollten. Und ab und zu, da schien es so, als wäre das Glück betäubend. Sein lächeln war so breit wie nie, er konnte es nicht bremsen. Die Droge, die er täglich nahm, ließ seine Einsamkeit verschwinden.
Und auch sie bemerkte bald
Wie besonders und wie toll er war
Er gab ihr Kraft, er gab ihr Halt
Ihr Leben strahlte hell und klar,
Doch die weißen Worte reichten nicht
Die Sucht wurde schon bald zu stark
und so kam dann der eine Tag
Sie beide, Angesicht zu Angesicht
Er sah sie noch bevor sie ihn erkannte und fiel ihr zur Begrüßung in die Arme. Er wusste nicht wieso, nur dass er gar nicht anders konnte. Schüchtern und ein bisschen ängstlich standen sie so beisammen und warteten auf den Bus zu ihm während sie ahnungslos ein bisschen stammeln. Ohne die weißen Worte zwischen ihnen war es schon verrückt, und dennoch blieb keine Spur mehr von der Einsamkeit zurück. Und langsam, ja ganz langsam kamen sie sich immer näher, erst Handlinien lesen, dann Daumencatchen, es wurde langsam immer mehr. Immer mehr Kontakt der beiden und sie tauten langsam auf. Sie lachten und sie machten schnell ihren Bedarf an social training aus. Doch schnell wurde es ihnen auch egal, über was sie ihre Gespräche führten, was sie wirklich wollten war beiden klar, spätestens dann als ihre Lippen sich endlich berührten.
Diese Nacht saßen sie gemeinsam
Mit vor Glück strahlenden Augen
Kein Schmerz mehr der sich melden kam
Sie konnten es nicht glauben.
Sanfte Worte flüstern leise
Lagen zusammen Hand in Hand
Sie hatten es beim Wort genannt
Und gehen gemeinsam auf die Reise.
Tomorrow
Vielleicht hätte er sich an diesem Tag nicht von ihr dazu überreden lassen sollen, sie zu begleiten. Sie nur einmal mehr abwimmeln; immerhin hatte er dies schon so oft getan. Eine kleine Ausrede hier, eine Notlüge da - schon bekam er seine Ruhe vor seiner selbsternannten besten Freundin. Nicht, dass er Laura nicht leiden konnte, ganz im Gegenteil: Er freute sich darüber, dass sie ihn tatsächlich als Freund betrachtete und versuchte, ihn mehr an die Außenwelt zu gewöhnen, wie sie es immer nannte. Aber manchmal war es ihm zu viel. Zu viel Lärm, zu viele Menschen, zu wenig Privatsphäre.
Zumindest hatte Laura - im Gegensatz zu vielen anderen Menschen - Verständnis, wenn er eine ihrer unzähligen Einladungen ablehnte oder in letzter Sekunde ab sagte, weil er sich doch nicht mehr danach fühlte. Auch wenn ihr wohl nicht ganz bewusst war, wo genau sein Problem lag, sonst würde sie ihm wohl kaum so viele Vorschläge machen, etwas zu unternehmen. Höchstwahrscheinlich dachte sie einfach nur, er hätte schlicht und ergreifend keine Lust, sondern wollte lieber Videospiele spielen.
Doch gerade heute konnte er sich nicht dazu überwinden, ihr abzusagen. Sie klang so glücklich, als sie ihm von der Party erzählte. Eine Kostümparty.
Und so stand er hier nun, ein - hoffentlich nicht alkoholisches Getränk - in der Hand und den Blick auf die Füße gesenkt, Musik auf den Ohren, die ihm zumindest etwas half.
I don't know what I make tonight
but I know I don't must win this fight
'cause you are standing all time by my side
Tomorrow will be another day
than today, but it is strange to say
I feel surprised to feel no pain
Die Musik war so laut, dass er die herannahende Person nicht bemerkte. Erst als sie ihm auf die Schulter tippte, hob er erschrocken seinen Blick und blickte ihn zwei meeresblauen Augen. Umrahmt wurden sie von blond strahlenden Haaren und einem schmalen Gesicht. Auf den dünnen Lippen lag ein leichtes Lächeln. Ihre Wangen hatten - höchstwahrscheinlich aufgrund erhöhten Alkoholkonsums - eine weinrote Farbe angenommen.
“Hi!”, lachte sie ihn an, nachdem er einen Stöpsel aus seinem Ohr entfernt hatte. Oh weh, die war dicht. “Du bist doch L-Lauras Freund, oder?” Sie lallte und das Getränk in ihrer Hand schwappte gefährlich. “Wie war d-dein Name? Karl?”
“Kain.”
“W-was? Ken? D-du musst l-lauter sprechen!”
“Kain”, erwiderte er, etwas lauter dieses mal. Ihm war dieses Gespräch schrecklich unangenehm. Es war schon schwer genug, sich mit Leuten zu unterhalten, die bei klarem Verstand waren.
“Oh, Kain!” Sie lachte so laut, dass sich einige umdrehte. “Ich bin Emma.” Sie hickste und gluckerte etwas vor sich hin.
Er musste von ihr weg, schnell. Die Leute warfen ihne schon immer mehr seltsame Blicke zu und wenn Kain eines nicht sein wollte, dann war es das Zentrum der Aufmerksamkeit.
“Weißt du zufälligerweise, wo Laura ist?”, brachte er hervor und sie warf ihm einen verwunderten Blick zu.
“Ich glaube”, erwiderte sie machte dabei ein übertrieben nachdenkliches Gesicht, “vorne in der Küche.”
Kain brachte noch ein schnelles Danke hervor, bevor er sich an ihr vorbei schlängelte und die Flucht ergriff. Auch wenn es ihm nicht behagte, den Worten einer Betrunkenen zu folgen, so war dies seine beste Möglichkeit.
Tatsächlich fand er seine beste Freundin dort an der Theke gelehnt, das Smartphone fest in der Hand. Sie sah auf, als er sich näherte.
“Ah, da bist du ja, ich wollte dich gerade anrufen.” Sie ließ das Handy in der Tasche ihres blauen Kleides, das an Alice im Wunderland angelehnt war, verschwinden. “Ich weiß ja nicht, wie es bei dir aussieht, aber ich hatte genug Halloween für dieses Jahr.” Und wieder einmal war er dankbar dafür, dass sie zwar gerne Zeit unter Menschen verbrachte, aber mindestens genauso gerne stundenlang Videospiele spielte. Und das ging auf einer Party nunmal nicht so leicht.
Er folgte ihr durch das Wohnzimmer, wobei er sich unbewusst nach Emma umsah, aber er konnte sie nirgends entdecken. Er zuckte mit den Schultern. Eigentlich konnte es ihm egal sein - sie ging nicht auf dieselbe Schule wie er, sie würden sich höchstwahrscheinlich nie wieder sehen.
Kain stopfte seine Kopfhörer wieder in seine Ohren und startete das Lied genau an der Stelle, an der er es vorhin unterbrechen musste:
I don't know what I made yesterday
but I know I must find my way
'cause you are waiting for me at the bay
Tomorrow will be another day
than today, but it is strange to say
I feel surprised to feel the pain
Als Kain zum ersten Mal seine beste Freundin besuchte, war er erstaunt gewesen, anstelle eines typischen Mädchenzimmers, das eines Gamers vorzufinden: hochmoderner PC, Regale voller Videospiele, ein Laptop, der mit Sicherheit auch die nötige Leistung hatte, um Videospiele zu spielen, und Konsolen - eine neuer als die andere.
Als er sie diesen November besuchte, war es keine Überraschung mehr für ihn. Es war auch keine Überraschung mehr, dass ihre Eltern nicht da waren, oder, dass sie vor dem PC hockte und ihm zur Begrüßung nur zu winkte.
Neu war allerdings der Adventskalender, der bereits an der Wand hing.
“Süß nicht?” Scheinbar hatte Laura ihre Partie Was-auch-immer beendet, denn sie hatte sich in ihrem Bürostuhl zu ihm herumgedreht. “Den haben meine Eltern mir mitgebracht.” Sie existierten also doch!
Er hatte nie gefragt, wo ihre Eltern die ganze Zeit waren. Sicher hätte sie kein Problem damit gehabt, doch irgendwie hatten die beiden eine Grenze um sich aufgebaut, die sie niemals überschritten, egal wie eng ihre Freundschaft auch sein mochte. Sie fragte ihn auch nie, warum er keine Lust hatte, auf ein Event zu gehen oder einen Multiplayer zu spielen. Also fragte er nicht, was ihre Eltern machten.
Mehrere Stunden später verließ er vollgestopft mit Chips und Cola - immerhin musste er zunehmen - das Haus in der Abenddämmerung wieder. Er wohnte nicht weit entfernt, gerade mal zehn Minuten zu Fuß, wenn er sich ein wenig beeilte.
Ihre erste Begegnung hätte er leicht vermeiden können, doch fairerweise war ihre zweite unausweislich gewesen. Vielleicht wäre sie nicht an diesem Novembertag geschehen, doch sie wäre geschehen.
Die Musik war laut genug, um ihre Schritte zu übertönen.
You know that I'm not your lover
but I know that you are my cover
so let's just hold onto each other
Tomorrow will be another day
than today, but it is not strange to say
I feel surprised to feel no pain
Erst als sie ihm von hinten auf die Schulter tippte, bemerkte er ihre Anwesenheit.
“Kain!”, sie lächelte leicht, während sie zu ihm hinauf sah. “Was für eine Überraschung, dich wieder zu sehen. Du erinnerst dich doch an mich, oder?”
Natürlich erinnerte er sich. Wie hätte er sie vergessen können. Ihre letzte Begegnung lag gerade mal einen Monat zurück. Und er hatte nicht so viele Begegnungen mit Menschen in seiner Freizeit.
“Ähm ja”, brachte er raus, “auf der Party.”
“Genau”, sie lächelte und wurde dann etwas rot. “Oh mann, schätze, ich habe da wohl kaum nen’ besonders guten Eindruck hinterlassen - so dicht wie ich war.”
Zumindest sah sie es ein. Eigentlich wollte er am liebsten auf dem Absatz kehrt machen, nur um der weiteren Konversation zu entgehen, doch das wäre jetzt einfach nur noch komisch. Was sollte er denn sagen? Dass er etwas vergessen hätte? Würde es nicht zu sehr nach einer Flucht aussehen dann?
“Wohnst du hier in der Nähe?”, riss die Blonde ihn aus seinen Gedanken.
“Ähm … ja.”
“Oh … sicher, warst du auf dem Weg nach Hause, oder?”
Er nickte.
“Dann lasse ich dich mal weitergehen, immerhin will ich dich nicht weiter aufhalten.”
Er stieß ein Stoßgebet an einen Gott aus, an den er nicht glaubte. Doch irgendeine übernatürliche Macht, musste es gut mit ihm gemeint haben.
“Ich begleite dich einfach, dann können wir weiterreden.”
Autsch. Seine übernatürliche Macht hatte ihn soeben von hinten hinterlistig erstochen.
“Das stört dich ja nicht, oder?” Sie schenkte ihm ein unsicheres Lächeln.
“Nein, natürlich nicht”, log Kain zur Antwort. Unmöglich hätte er ihr sagen können, dass er keine Lust auf sie hatte. Das wäre einfach nur grausam gewesen und es reichte Kain schon, dass die Leute ihn seltsam fanden. Sie mussten ihn nicht auch noch grausam finden.
So liefen sie nebeneinander her, ohne wirklich miteinander zu sprechen. Die Stille war furchtbar unangenehm. Kain zermalmte sich sein Hirn, um nach einer Gesprächsmöglichkeit zu suchen, doch ihm wollte einfach Nichts in den Sinn kommen.
Schließlich räusperte er sich und sprach das erste aus, was ihm in den Sinn kam, denn nun, wo ihre Augen bereits auf ihm lagen wäre es noch komischer, gar nichts zu sagen.
“Wie heißt du eigentlich?”
Er wollte gerne auf der Stelle im Erdboden versinken. Sie hatte ihm ihren Namen natürlich gesagt. Auf der Party, vor gerade mal einem Monat, aber er hatte ihn einfach vergessen.
Ihre Augen weiteten sich und dann prustete sie los. “Emma”, stieß sie zwischen zwei Lachern hervor, “mein Name ist Emma.”
Er wusste nicht, wieso, aber er fand ihr Lachen schön.
I couldn't get out
your voice was to loud
I’m falling out of the cloud
oh no, oh no
I see in your face
I feel your embrace
and I feel I’m alive
‘cause you loved me back to life
And tomorrow will be another day
than today, but it is strange to say
I feel surprised to feel no pain
Die Sonne schien ihm auf den Rücken und wärmte ihn, während er mit einem Ohr dem Lied lauschte. Obwohl er die Augen geschlossen hatte, konnte er genau spüren, wie Laura sich neben ihm erhob. Er öffnete die Augen und folgte ihren dünnen Beinen, die sich den Weg runter zum See suchten. Ihr violettes Haar wehte im Wind, während sie einen Stein aufhob und ihn in den See warf. Als er direkt unterging, seufzte sie.
Dann drehte sie sich zu ihm um. “Ich hoffe, du planst nicht, mich alleine zu lassen, jetzt, wo du deine Emma hast.”
“Natürlich nicht. Mal ganz davon abgesehen, sind wir nicht -”
“Zusammen. Jaja, ich weiß.” Sie begann zu lächeln. “Aber ganz ehrlich, kommt gefälligst zusammen - ein Blinder mit Krückstock kann sehen, dass ihr zusammengehört.”
Sie kam zurück zu ihm und ließ sich neben ihm ins Gras sinken.
“Sie hat sich, seitdem du mehr Zeit mit ihr verbringst, kein einziges mal mehr ins Koma gesoffen. Du scheinst eine heilende Wirkung auf Menschen zu haben.”
“Ach echt? Habe ich dich auch geheilt?”
Sie wurde still und legte sich auf den Rücken. “Weißt du warum ich dich so gerne habe?”
Kain schüttelte den Kopf und sie sah ihm in die Augen.
“Weil du mir das Gefühl gibst, nicht seltsam zu sein, weil ich andere Hobbys als andere Mädchen habe.”
Er nickte aus Wortmangel.
“Ich brauchte jemanden, der noch seltsamer ist und da hast du gut gepasst.” Jetzt grinste sie ihn schelmisch an.
“Ach, ist das so? Ich habe wenigstens meine Eltern nicht ermordet.”
“Autsch.” Sie kniff die Augen zusammen. “Seit wann, bist du denn schlagfertig? So kenne ich dich gar nicht!”
Er sah wieder zum See.
Vielleicht hatte Emma ihn auch etwas geheilt.
Tomorrow will be another day
than today, but it is strange to say
I feel surprised to feel no pain,
so surprised to feel no pain
Die Urne des Jona Cetus
Aus dem Gedichtband von Jona Cetus, ›Tristia peccatoris‹, Seiten 8 bis 23:
Ruft es aus in alle Welt!
Schallt weiter, Stimmen, eure Lieder:
Der größte Sünder dieser Welt
Schreibt diese dunklen Zeilen nieder
Oh Welt!
Nie mehr soll Licht diese Augen berühren!
Nie mehr soll Sünde mein’ Geist verführen!
Soll Hades allein mein’ Herzschlag verspüren;
Nur Helheim die elenden Klagen vernehmen
Drum ruft es aus in alle Welt
Singt vor die frohe Kund’:
Zuletzt, mein toter Körper fällt
In eines Wales Schlund
Denn Welt:
Wo ist mein Gott, wenn er vergisst
Sein graustes Schaf zu strafen?
Bis nun der Wal die Sühne frisst
Muss ich sie selbst schwer tragen
Nimm an, oh Wal, die tote Hülle
Wie du mir einst den Atem nahmst
Die Dunkelheit sei mir Idylle
So lang du meine Schuld verdaust
Wo war mein Gott, dass er geplant
Die Schöpfung zu vergessen?
Wo war damals seine Hand
Die dieses Elend misste?
Tragt weiter, Stimmen, finster Los
Weiter ans Ende der Welt
An Ozeans Grund, auf Berge gross
Des Menschen Stadt, des Tieres Feld
Muss alles vergehen, so ich zuerst
Es sei mein’ letzt’ Bestrebung
Wenn du, oh Wal, mich etwas lehrst
So lehre mich Vergebung.
Esther schloss das kleine Büchlein und ließ es los. Es trieb in der Schwerelosigkeit, und sehr zu ihrem Verdruss öffneten sich die Seiten nach wenigen Umdrehungen wieder von alleine. Verärgert schnappte sie den Band und schob ihn unter einen Gürtel, der sich um ihr Bein schlang und dabei half, ihren Raumanzug zusammenzuhalten.
Den Gedichteband in ihrem Blickfeld zu haben würde ihr jetziges Vorhaben nur erschweren. Dennoch wollte sie ihn nicht einfach wegschließen.
Durch das Fenster sah Esther den majestätischen Nebelhaufen, für den dieser Quadrant bekannt war. Sie glitt durch den engen Hauptkontrollraum ihres Schiffs hinein in die Dekompressionskammer, wo sie ihren Astronautenhelm aufsetzte. Dann überflog sie noch einmal all ihre Einstellungen und checkte den Inhalt ihres Gepäckbeutels. Natürlich war die Urne drin. Sie hatte bestimmt schon zehn Mal nachgesehen. Esther startete die Dekompression, die sie zunächst halb durchlaufen ließ, um dann zu überprüfen, ob der Anzug dichthielt, bevor sie sie beendete.
Zwanzig Minuten später öffnete sich die Luke der Andockstation und mit einem sanften Tritt beförderte sie sich hinaus in die Weiten des Alls. Nur ein dickes Rettungs- und Stromkabel verband sie noch mit ihrem kleinen Schiff.
Um sie herum leuchtete der Raum, je weiter sie sich der Nebelform näherte, die, wenn man sie genauer ansah, anmutete wie ein riesiger Fisch aus den buntesten Farben. Fast hätte Esther behauptet, dass sich das Gebilde nahezu unmerklich bewegte – andererseits sorgten wohl die Tränen in ihren Augen für diese Täuschung.
Sie zerrte ein bisschen an ihrem Gepäck herum und zog die schwarze, elegant aber dezent verzierte Keramik-Urne heraus, auf der in kleinen Lettern die Worte »Jona Cetus« eingraviert waren. Mit etwas Mühe schaffte sie es trotz ihrer dicken Handschuhe, die Urne zu öffnen und die Asche darin mit einer schwungvollen Bewegung hinein in das neblige Gebilde zu schleudern.
Kaum hatte sie die Asche ganz entleert, erfüllt ein unerwarteter Lichtblitz die Leere, und es dauerte einige Minuten, bis Esther wieder richtig sehen konnte. Ein unbequemes Gefühl machte sich in ihrem Bauch breit, und jetzt wurde ihr zum ersten Mal richtig bewusst, dass sie sich in den von Seltsamkeiten überfluteten Bermuda-Quadranten begeben hatte.
Esther biss sich auf ihre Lippen und betätigte einen kleinen Knopf am Rettungskabel um den Rückhol-Programmlauf zu starten. Sie näherte sich langsam wieder dem Schiff. In ihren Augenwinkeln erkannte sie einige Meter vor sich ein kleines Objekt im All schweben.
Der Gedichtband! Er schwebte in einer seltsamen kleinen Wolke aus Licht. Er musste sich aus ihrem Gürtel am Bein gelöst haben.
Verdammt, dachte sie und betätigte ein paar Knöpfe, um ihren Jetpack zu aktivieren und hinterherzufliegen. Zwar hatte sie die digitalisierten Inhalte des Buches bereits in ihre Bibliothek integriert, dennoch wollte sie das Buch selbst nicht verlieren. Sie verfluchte sich für die eigene Fahrlässigkeit. Mit einem raschen Handgriff gelang es ihr, das Büchlein mit ihren Fingerspitzen zu erhaschen.
Als Esther wieder im Schiff war, wollte sie nur noch weg von diesem Ort. In wenigen Stunden würde ein Ionensturm von einem nahen Stern ihre Position erreichen, und auch wenn er keinen großen Schaden verursachen konnte, wollte sie lieber nichts herausfordern und einfach gehen. Sie hatte Jona dort beigesetzt, wo er es gewollt hatte. Mehr musste sie hier nicht tun.
Leider wurde aus ihrer schnellen Abreise nichts. Die Elektronik zeigte einige Ausfälle an, und der Autopilot funktionierte nicht. Esther biss sich auf die Lippen und entschied sich, von der Software eine Problemdiagnose ausführen zu lassen. Nun blieb ihr nichts anderes übrig als zu warten.
Zur Sicherheit schaute sie noch einmal nach ihrer Bibliothek. Alles kulturelle Wissen, das sie im Universum zusammensammelte, speicherte sie in digitalisierter Form in einigen Dutzend heruntergekühlter Kristalle. Sie waren ihr ganzer Stolz.
Mit der Bibliothek war alles in Ordnung, doch als sie die Tür zum Modul wieder schloss, spürte sie einen leichten elektrischen Schlag. Das deutete auf schlechte Nachrichten hin. War irgendein Kabel zerstört worden? Sie blickte sich aufmerksam im Schiff um, doch ein Glimmen unerklärlicher Natur störte ihren Blick. Eine Migräne-Aura?
Vermutlich nicht. Von einer Vielzahl an Schiffen, die diesen Quadranten betraten, wurden elektronische Störungen und seltsame Erscheinungen berichtet. Daher wurde dieser Bereich des Weltraums von den meisten gemieden. Diese Merkwürdigkeiten auf ihren Gemütszustand zu führen war also gefährlich. Sie musste die wahre Ursache finden. Als sie ihren Kopf erneut drehte, erschrak sie.
Lichtpartikel hatten sich in ihrem Schiff materialisiert und mitten in der Luft Worte gebildet, als wären sie geschrieben mit goldweißer Tinte.
Drum ruft es aus in alle Welt
Singt vor die frohe Kund’:
Zuletzt, mein toter Körper fällt
In eines Wales Schlund
Da schwebten einfach so Buchstaben in der Luft, wie von Zauberhand. Esther lief ein Schauer über den Rücken und ihr Herz begann wie wild zu klopfen.
»Was zur Hölle machst du hier, Jona?«, flüsterte sie.
Im selben Moment ertönte ein elektronisches Zirpen und ein Dialog blinkte im Monitor des Hauptcomputers auf. Die Problemdiagnose war fertig, und zeigte Probleme in zweihundertvierzehn Systemen auf. Ein genauerer Blick verriet jedoch, dass von denen keines zum Überleben notwendig war. Ein leises Rauschen ertönte hinter Esther. Eine weitere Strophe war unter der ersten erschienen.
Ruft es aus in alle Welt!
Schallt weiter, Stimmen, eure Lieder:
Der größte Sünder dieser Welt
Schreibt diese dunklen Zeilen nieder
Waren das einfach rein zufällige Strophen aus dem Gedichtband?
Doch dann erinnerte sie sich … dieses goldweiße Leuchten, es hatte sich um das Buch gerankt, als es im All umhergeschwebt war, und nun war das Leuchten bis zum Schiff vorgedrungen. Und jetzt schrieb es Teile aus dem Gedichtband in die Luft.
Esther kramte das Büchlein hervor und suchte nach den passenden Stellen. Jede Seite zeigte Bilder, die zum Inhalt der Strophen passten. Esther hatte diese Bilder vor langer Zeit gemalt, als Jona angefangen hatte, an seinem Gedichtband zu arbeiten.
Es dauerte eine Weile, bis Esther eine Vermutung hatte, was hier vor sich ging, und sofort als ihr dieser Gedanke kam, holte sie ihr tragbares Elektronenmikroskop hervor. Wenn sie Recht hatte, dann verbarg sich hinter diesen Erscheinungen etwas ganz Außergewöhnliches.
Wenige Minuten später machte sie ein Bild von den Buchstaben in der Luft und zoomte tief hinein … und tatsächlich. Was auch immer diese Lichter waren, sie bewegten sich, als wären sie Millionen kleine Einzelteile eines … Schwarms. Und sie brauchte nicht lange zu raten, woher sie kamen.
Der riesige Haufen ›Staub‹, den Esther aus dem Schiff heraus beobachten konnte, war letztlich nicht mehr als Camouflage. Das Lebewesen nahm die Gestalt eines Sternennebels an und versteckte sich so vor neugierigen Blicken im Universum.
Und nun versuchte es mit Esther zu kommunizieren. Sie schluckte einen riesigen Kloß in ihrem Hals hinunter und machte sich aufgeregt daran, die Lebensform genauer zu untersuchen. Sie machte zahlreiche Bilder von den Sätzen, in der Hoffnung, irgendeine Information herausziehen zu können. Kopierten die Schwarmteilchen einfach irgendwelche Zeilen aus dem Gedichtband, oder steckte eine Nachricht hinter der Sache?
Esther spürte eine unbändige Aufregung in sich aufkeimen. War sie der erste Mensch, der Kontakt mit einer außerirdischen Lebensform aufnehmen würde?!
Umso wilder flatterten die Schmetterlinge in ihrem Bauch, als sich schließlich die Zeichen in der Luft neu organisierten und eine weitere Strophe offenbarten:
eines Wales Schlund
Schreibt diese dunklen Zeilen nieder
Zuletzt, mein toter Körper fällt
Nie mehr wird Licht diese Augen berühren!
Sofort wurde Esther aus ihrer Euphorie gerissen. Diese Worte waren ganz eindeutig eine Nachricht, und noch dazu eine furchtbare.
Es starb. Es dauerte nicht lange, bis Esther in Erfahrung bringen konnte, woran das Wesen sterben sollte. Der Ionen-Wind, der gerade durch den Quadranten wanderte, würde die Einzelzeile des Lebewesens desintegrieren. Der Schwarm wusste davon jetzt schon, da er so riesig war, dass ein großer Teil seines Körpers der Erscheinung bereits zum Opfer gefallen sein musste.
Esthers Hände zitterten. Sie hatte ein außerirdisches Lebewesen gefunden, das versuchte zu kommunizieren. Ein Lebewesen, das sonst niemand um Universum kannte. Nun kannte Esther die Ursache für die Störungen in diesem Quadranten: Es war der Schwarm, der versucht hatte mit jemandem zu reden.
Je mehr Esther sich den Kopf zerbrach in den Stunden vor dem Impakt, desto hilfloser kam sie sich vor. Sie kannte keinen Weg, den Tod des Schwarms abzuwenden. Und auch wenn der Schwarm kommunizieren konnte, so war sie nicht in der Lage, ihm zu antworten. Ihr blieb keine andere Wahl, als in ihrem kleinen, unbedeutenden Schiff zu sitzen und diesem riesigen Wal in seinen letzten Stunden Gesellschaft zu leisten, um ihn nicht alleine sterben zu lassen.
Mit der Zeit fanden immer mehr Partikel des Schwarms im Schiff Zuflucht. Es begann an allen Stellen zu leuchten, wie aus Poren brach das Licht hinein und umschlang Esthers kleine Welt. Irgendwann wurde es so hell, dass sie dieser Realität nicht einmal mehr entfliehen konnte, wenn sie die Augen schloss.
Und schließlich geschah es. Der Computer registrierte den drohenden Impakt des Ionenpulses und schaltete sämtliche Elektronik ab. Die Welle traf das Schiff und Esther sah den Lichtpartikeln des Lebewesens beim bersten zu, wie einer nach dem anderen im Zeitraum von einigen Sekunden in ein helles, regenbogenfarbenes Licht zersplitterte.
Danach war es dunkel.
Aus dem Gedichtband von Jona Cetus, Seite 157, Bleistiftnotiz:
Esther,
Meine letzten Zeilen und mein ganzer Dank
Gelten dir.
Meine Literatur
Blühte dank dir
Meine Wünsche
Existierten dank dir
Meine Geister
Schwebten dank dir.
So geh aus und fülle das ganze All
Mit unseren Geschichten
Für mich.
Mein Dank wird nicht deine Enttäuschung füllen
Doch er ist ehrlich
Wie du es immer gewesen bist
Und aufrichtig
Wie deine Seele es ist
Und brennend
Wie deine Passionen es sind.
Gerne hätte ich mit dir
Noch alle Geschichten dieses Alls
Unsterblich gemacht, doch
Mein Bündel trag ich allein.
So trag du unsere Erinnerungen weiter
Und erinnere dich an mich
Wie es dir
Am wenigstens Schmerzen bereitet.
Es dauerte einige Minuten, bis das Schiff die Elektronik wieder einschaltete. Esther ließ erneut eine Problemdiagnose durchlaufen, doch nach dem Neustart und mit dem Tod des Schwarms sollten die meisten Systeme wieder funktionieren. Sie blickte hinaus ins All. All die Lichter, die sie für Sternennebel gehalten hatte, waren verschwunden.
Und mit ihnen jegliche Lebensfreude in Esther. Sie nahm einen tiefen, unregelmäßigen Atemzug, in der vagen Hoffnung, sich irgendwie beruhigen zu können.
Es war Zeit für die Heimreise.
Sie wandte sich um. Ihr Blick fiel auf ein seltsames Glimmen neben ihrem Raumanzug, das ihre Nackenhaare zu Berge stehen ließ. Sie stieß sich unachtsam zur Ursache des Leuchtens und förderte Jonas Urne zutage. Sie leuchtete in weißgoldenem Licht.
Vorsichtig öffnete sie das Behältnis, und zu ihrer grossen Überraschung brach ein blendender Lichtschein daraus hervor. Er tauchte das ganze Schiff für einige Sekunden in Weiß – genau wie bei ihrem Ausgang im Raumanzug.
Esther konnte ihren Augen nicht trauen. Ein winziger Teil des Schwarmes hatte in der Keramikurne, abgeschirmt vom Ionenpuls, überlebt! Sie sah dabei zu, wie sich das vertraute Glimmen in ihrem Schiff breit mache und folgende Letter in die Luft schrieb:
Esther,
mein ganzer Dank
gilt dir.
Wenn ich singen will,
dann singe ich so wies mir gefällt
ich allein wähl mir die Strophe,
ich allein wähl die Musik
Wenn ich singen will,
So singe ich auf meine ganz besondre Art
und denk nicht nach,
wie ist das Zigeunerleben schön
Der junge Mann war ihr sofort aufgefallen, wenn auch nicht auf eine gute Weise. Menschen wie er
waren ein seltener Anblick in einem Dorf, und Sofia konnte nicht sagen, dass sie
sich von seiner Anwesenheit geschmeichelt fühlte. Es würde eine Hellseherin
brauchen, um zu wissen, was ihn hierher gebracht hatte, doch leider waren ihr
diese Kräfte verwehrt geblieben – nicht dass einer ihrer Kunden das je gemerkt
hätte. Diese ließen sich nur allzu gerne auf ihre Worte ein, wenn es die waren,
die sie hören wollten. Er war auch einer von der Sorte. Vielleicht schenkte er
deswegen dem Lied, das sie angestimmt hatte, keine große Bedeutung. Sie zuckte
nur gedanklich mit den Schultern. Solche Männer sahen die Welt nur bis zu ihrer
eigenen Nasenspitze.
Diese hoch erhoben, als könnte er so den
ungewohnten Gestank fernhalten, stolzierte er an ihr vorbei.. Seine abweisende
Haltung beruhte auf Gegenseitigkeit. Viele Passanten hatten ihr unterstellt,
nur die Menschen zu schätzen, die ihren Beutel mit Münzen füllten. Wie falsch
sie lagen. Sie freute sich über jeden, der stehen blieb, um ihren Worten
zu lauschen. Und ein einzelner Mann würde ihr im Leben nicht den Frohmut austreiben.
Auf, auf in die wilde Heide
denn es ist wieder Lenz
Und so mancher junger Recke
sucht die Weite, die er nicht kennt
tief im Tale, hoch zur Wacht
schnell den Trinkspruch ausgebracht
golden Ähren auf dem Felde
wie ist das Zigeunerleben schön
Richard von Würdenstein konnte den neugierigen Blick der Frau schon von weitem sehen und rümpfte die Nase. Er hatte Geschichten über solche Leuten gehört, und nicht eine davon war positiv ausgefallen. Das mussten die Armen sein, von denen seine Familie immer gesprochen hatte. Jenes Volk, das man um sein einfaches Leben bedauern musste, mit dem man jedoch lieber nicht in Kontakt treten sollte. Es gab einen Grund für die Trennung des Hochadels von minder Privilegierten.
Er tat sein Bestes, um ihre Anwesenheit nicht anzuerkennen, und zog weiter seines Weges. Mittlerweile kannte er ihn wie seine Westentasche - jedoch nicht, weil er hier so oft unterwegs war, sondern weil er dieses Stück bereits zum dritten Mal an diesem Tag beschritt. Unwissende würden behaupten, dass er sich verlaufen hatte, aber er würde das als ausgedehnten Spaziergang deklarieren.
Bei seinem ersten Zusammentreffen vor ein paar Stunden hatte er sie keines Blickes gewürdigt. Warum sollte er auch seine Zeit mit niederem Fußvolk verschwenden, das aus seinem Leben treten würde, sobald er daran vorbei war? Sie brachten ihm doch sowieso nur Bitten und Betteleien entgegen und auf beide konnte er gerne verzichten.
Bevor er so nah war, dass er überhaupt ihr Gesicht erkennen konnte, vernahmen seine Ohren bereits das Lied, das sie diesmal angestimmt hatte. Ihre Stimme war nicht so wohlklingend wie die der Sängerin, die ihnen den gestrigen Abend versüßt hatte, aber für ein paar Münzen auf den Märkten reichte es vermutlich. Als Landstreicherin konnte sie nicht besonders wählerisch sein – und er hatte gehört, welch unehrenhafte Tätigkeiten eine solche Frau im schlimmsten Fall verrichten musste. Ehrbar wie er war, hatte er selbstverständlich keine genauere Vorstellung davon, aber es gab eben Geschichten. Nein, er machte lieber einen weiten Bogen um die Zigeunerin. Vermutlich würde eine bloße, zufällige Berührung ausreichen, ihn mit Dingen anzustecken, über die man nicht nachdachte.
Entgegen seiner Vorsätze nahmen seine Ohren bereits jedes Wort des Textes auf, bevor er sie davor verschließen konnte.
Los mit Muthe, so sprach er
Schild und Schwert voll Morgensonn
die Augen voller Feuerschein
dem Reich, der Kirch, der Maid zur Wehr
eh der Tag sich endlich neigt
vor dem Tore schwingt beflügelt
ein Liedklang in die Höh
wie ist das Zigeunerleben schön
Es war eine Ballade, die er noch nicht vernommen hatte. Nichts Ungewöhnliches, schätzte er. Menschen wie sie waren bekannt dafür, überall auf der Welt herumzukommen, da war es selbstverständlich, dass sie sich fremde Lieder aneigneten. Natürlich würde er nicht vergessen, dass diese Volksmusik niemals mit dem mithalten konnte, was in den erlesenen Opern in seiner Stadt vorgetragen wurde.
Und doch horchte er auf. Obwohl ihm der Text nicht vertraut vorkam, hatte er das Gefühl, dass sich etwas in seinem Inneren bei ihren Worten regte. Die Worte ließen sein Herz höher schlagen und brachten das Blut in seinen Adern in Wallung. Er hatte erwartet, dass sie den Text mit der Ehrfurcht vortragen würde, die solchen wackeren Helden gebührte, doch die Worte kamen schneller, ungestümer über ihre Zunge. Sie tanzten mit der Geschwindigkeit ihrer Beine, nicht unähnlich der Gewandtheit eines Schwertkämpfers.
Entgegen seiner Intention schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen. Die Frau schien zwar nicht zu wissen, mit wem sie es zu tun hatte, doch sie erkannte wohl einen Mann von Größe, wenn er ihr gegenüberstand. Richard hatte schon immer gewusst, dass er eines Tages Großes vollbringen würde, weil es ihm in die Wiege gelegt wurde – und das nicht nur in Form seines Nachnamens.
Vielleicht begrüßte er deswegen den Wink des Schicksals, als er das Ziehen an seinem Gürtel verspürte. Ein Blick verriet ihm, dass ihm seine Geldbörse durch flinke Finger abhandengekommen war.
Zur gleichen Zeit wurde in der Menge hinter ihm ein Aufschrei laut: Diebstahl!
Keine Zeit verlierend ging seine Hand zum Knauf seines Schwertes, das er mit einer geübten Bewegung zog. Die Menschenmenge um ihn herum wich erschrocken zurück, einige stolperten sogar übereinander. Der Adelige ließ sich davon nicht beirren und richtete entschlossen seine Waffe in die Richtung, wo der Täter stehen musste. Mit dem Blick eines Raubvogels durchsuchte er die zuvor noch gesichtslose Menge, bis er den einen Mann fand, den er als seinen Gegner identifizierte.
Groß und breitschultrig, nicht zuletzt durch die Stahlrüstung, gab er ein Bild von einem Ritter ab. Richard rümpfte die Nase. Was für eine Schande für solch einen Mann, seinen Stand mit Füßen zu treten und dem Kodex zu entsagen, dem er sich verschrieben hatte.
Gleichzeitig lag aber auch das Elend, das er verursachte, klar auf der Hand. Niemand aus dem gemeinen Volk hatte die Macht dazu, sich ihm entgegen zu stellen, und war ihm ausgeliefert. Ohne einen Helden wie ihn würde diese Ungerechtigkeit weiter durch das Dorf wüten, ohne dass ihm jemand Einhalt gebieten könnte. Deshalb nahm Richard ihn ohne zu zögern ins Visier und verkündete: „Zieht, Schuft, denn heute werde ich euch zur Rechenschaft ziehen.“
Sein Gegner musterte ihn lange. So lange, dass die Zuschauer um sie herum langsam unruhig wurden. Diese hatten sich vorausschauend an den Rand des Platzes gedrängt, allerdings nur so weit, dass sie außerhalb der Reichweite beider Schwerter waren, aber immer noch alles gut erblicken konnten. „Seid Ihr sicher, dass das eine kluge Entscheidung ist?“
Ein Blick zu Richards Waffe folgte, was ihm ein ehrliches Lächeln auf die Lippen zauberte. Langsam drehte er sein kunstvoll geschmiedetes Schwert. Der glatte Stahl fing das Sonnenlicht auf und ließ es in seiner ganzen Pracht leuchten. Wie das Schwert eines Engels, war sein erster Gedanke gewesen, als der Schmied seines Vaters ihm dieses Geschenk überreichte.
Dagegen war die Waffe, die der Fremde zog, eine Schande. Die Klinge war verbeult und voller Kratzer. Kein Wunder, dass er das Risiko eingehen musste, pralle Geldbeutel zu stehlen, wenn er es so nötig hatte. Vermutlich hatte er die Klinge schon mit so vielen anderen gekreuzt, dass sie im nächsten Kampf zersplittern würde. Richard konnte sich keinen treffenderen Wink des Schicksals vorstellen.
Der Ritter lenkt sein Roß hinan
Und wittert Ruhm und Ehre,
Packt seinen Flamberg fester an
Zum Angriff und zur Wehre.
Es gilt! Kein Ritter zaust nicht ziert,
wenn es dort ein Scheusal giert.
Drum steht er fest mit beiden Füßen.
Wenn nicht er, wer dann?
Schwer atmend kam Richard zum Stehen. Er umklammerte seine rechte Flanke, die von einem tiefen Stich schmerzte. Er konnte die Wunde zwar nicht erkennen, aber so tief, wie der Schmerz saß, musste es von unermesslicher Stärke zeugen, dass er noch vor seinem Gegner stand. Aber war das das Einzige, was die Götter ihm zugestanden? Er verrichtete ihren Willen, und doch sie sendeten ihm kein Zeichen von Beistand. Würden sie etwa zulassen, dass so ein rechtschaffender Krieger wie er dem Bösen unterliegen sollte?
Das alles kam ihm merkwürdig vertraut vor, und körperlose Stimmen flüsterten ihm ein weiteres Lied ins Ohr, düsterer als die Heldengeschichte, die seine Lebensgeister zuvor gestärkt hatte.
Doch alles muss vergeben sein
Tand und Herrscher sind nicht ewig
Ein Leben ist ein Herzschlag nur
Und Asche wird der hellste Schein
Drum kämpfe, wo zu kämpfen ist
zuckendes Licht gegen den Sturm
Knie nieder, wenn´s Gott gefällt
Dass Satan stärker ist als jeder Mann der Welt
Sollte das etwa sein Ende sein? War das das Schicksal, was ihm vorausbestimmt war?
Nein, Richard weigerte sich, dies hinzunehmen. Seine Wege hatten ihn nicht hierhergeführt, nur damit er hier diesem Schurken unterlag. Er würde kämpfen bis zum bitteren Ende, und seinen Gegner der gerechten Strafe zuführen.
Dieser musste gespürt haben, dass der Kampf wieder aufgenommen wurde, und hob sein Schwert in die Ausgangsposition.
Richard tat es ihm gleich, auch wenn seine Haltung um ein Vielfaches unsicherer war. Er konnte immer noch die Schwertstreiche fühlen, die Schlag um Schlag seine Klinge zum Vibrieren brachten und Schmerzen bis in die Schultern zucken ließen. Doch solange noch ein Funken Leben in ihm steckte, würde dieser Kampf weitergehen. Solange seine Beine ihn noch trugen –
Der muskulöse Mann sackte zusammen; erst auf ein Knie, dann vornüber, bis er sich wie ein Kleinkind auf allen Vieren abstützte.
Richard schaute ihn verdutzt an und bemerkte so erst einen Moment später die Person, die sich dahinter erhob. Er erkannte die buntgeflickten Kleider der Zigeunerin, deren Liedern er gerade noch gelauscht hatte.
Nun war alles von ehrfürchtiger Stille erfüllt, als sie auf ihn zugeschritten kam. „Es ist nicht allzu schwer, einen Mann zu Fall zu bringen, wenn man ein paar Tricks kennt“, verriet sie ihm mit einem frechen Grinsen.
Sein Mut musste ihr ohne Zweifel imponiert haben. Der Kampf hatte ihr die nötige Zeit gegeben, um in Aktion zu treten. Und war es nicht genau das, was einen Helden ausmachte? Für andere einzustehen und ihnen den Mut zu geben, ihr eigenes Potential zu nutzen?
„Ich denke, das gehört Euch“, fügte sie hinzu und streckte ihm eine Hand entgegen.
Richard war überrascht, darin seinen Geldbeutel zu sehen.
„Habt vielen Dank, Fräulein... “, sprach er, als er das kostbare Bündel aus ihren Händen nahm.
"Sofia."
"Sofia." Sie verweilten für einen Moment, von Angesicht zu Angesicht. Er räusperte sich und tat sein Bestes, um den Eindruck zu erwecken, dass diese großzügige Geste ganz allein seine Idee gewesen war, als er verkündete: „Hier. Das ist das Mindeste, was ich Euch für Eure Hilfe geben kann.“ Er drückte ihr zehn seiner Goldmünzen in die Hand. Das war mit Sicherheit mehr, als sie je in ihrem Leben besessen hatte. Er hätte ihr gerne mehr gegeben, aber der Weg nach Hause bestritt sich auch nicht von allein. „Ich versichere Euch, dass Ihr immer unter meinem Schutz stehen werdet. Einen schönen Tag noch“, sagte er zu ihr, nachdem er sich vergewissert hatte, dass der Schurke immer noch bewusstlos am Boden lag. Mit dem guten Gefühl, ihn auf den rechten Pfad zurückgebracht zu haben, ging Richard seiner Wege.
Die Zigeunerin blickte ihm noch lange nach, während sie die Münzen in ihrer Tasche durch die Finger gleiten ließ. Sie schüttelte den Kopf. Reichen Männern zu helfen, zahlte sich eben doch nur in den Geschichten aus. Aber nun, sie war durchaus fähig, aus ihren Fehlern zu lernen. Beim nächsten Mal würde sie einfach mit ihrer Beute durch die Menge schlüpfen und die hitzigen Männer ihrem selbstgewählten Gefecht überlassen.
In Böhmen liegt ein dunkler Forst,
wie ihn noch keiner hier erblickt,
So recht ein Schatz- und Räuberhorst,
Voll Höhlen und manch Ungeschick.
Die Magd sitzt im Gemache schlicht
um in die grüne Ferne zu sehn.
Banditen und Drachen gibt´s hier nicht
Wie ist das Zigeunerleben schön
Fandom: The Elder Scrolls V: Skyrim
Der Geist befreit, die Schwingen weit,
wir sind erneut zum Sieg bereit,
denn keiner weicht, wir bringen gleich
die Sterblichen ins Totenreich.
Es ist die Zeit, dass man uns sieht
und hört und fürchtet auf der Welt.
Mit jedem Sterblichen, der flieht,
seh’n wir, wie ihre Herrschaft fällt.
Der Herr der Welt sei Alduin,
für ihn allein schlag‘ ich die Schlacht.
Ein jeder soll bald vor uns knien,
soll fallen vor der Drachen Macht.
Ein lauter Schrei dringt durch das Tal
und kündigt uns’re Rückkehr an,
gefolgt von einem Feuerschwall,
dem niemand sich entziehen kann.
Ein kleiner Turm sei nun mein Ziel,
die Wachen dort mein Mittagsmahl.
Der Sterblichen gibt es hier viel,
doch ich bring alle noch zum Fall.
Kein Einziger soll übrig sein,
kein Einziger bleibt heut‘ verschont.
Der Sieg sei heute einzig mein,
wenn unser Volk am Himmel thront.
Als der Westliche Wachturm am Rande meines Blickfeldes auftaucht, ist die Schlacht schon in vollem Gange. Der Turm selbst steht in Flammen, ich erkenne einige verwundete Soldaten der Stadtwache auf dem Boden. Eine Gruppe von etwa zehn Männern, angeführt von Huscarl Irileth, versucht tapfer, dem geflügelten Ungetüm Einhalt zu gebieten, das unerbittlich zerstörerisches Feuer aus seinem Maul ausstößt. Es ist wahr. Über ihren Köpfen fliegt tatsächlich ein Drache. Ich hatte gehofft, mich nie wieder einem dieser Monster stellen zu müssen, doch dies scheint erst der Anfang zu sein. Noch hat er mich nicht bemerkt. Ich ziehe mein Schwert und versuche, den Kampf ein wenig zu beobachten, um mir eventuell eine Strategie zurechtlegen zu können.
Die Sterblichen, so furchtbar schwach,
sie schlagen sich mit Müh und Not,
sie stellen sich mir hundertfach –
sind doch am Ende alle tot.
Ach, welche Freude, diese Schlacht,
die Rache für den letzten Krieg.
Ach, welche Freude es doch macht,
wie ich sie Mann für Mann besieg‘.
In meinen Ohren schallt Geschrei,
die Angst der Sterblichen gilt mir,
der ich mein Volk erneut befrei‘,
als stärkster Jäger, Mirmulnir.
Bis gerade eben hat sich der Drache noch auf seinen Feueratem verlassen, doch nun ist er gelandet und attackiert die Krieger mit seinen scharfen Klauen und Zähnen. Nur noch wenige sind übrig, allen voran Irileth, die von ihnen die meiste Kampferfahrung hat. Doch gerade höre ich, wie sie Rückzugsbefehl erteilt, und die Gruppe eilt hinter den zusammengebrochenen Schutzwall.
Ich renne auf sie zu, und die Huscarl nimmt nun Notiz von mir. Sie bittet mich erneut um Unterstützung. Ich nicke nur. Nun hängt es wohl von mir ab. Allein gegen einen Drachen. Er mag bereits geschwächt sein, doch wird mir das helfen?
Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen und sprinte mit erhobenem Schild aus meiner Deckung, auf das Ungeheuer zu. Kaum hat es mich bemerkt, schon strömen heiße Flammen in meine Richtung, einzig mein Schild schützt mich vor dem feurigen Tod. Ich spüre, wie einzelne Haare an meinen Armen und Beinen versengen, stürze mich jedoch unbeirrt mit meiner treuen Klinge auf den übermächtigen Gegner. Hieb um Hieb trifft den harten Schuppenpanzer, während ich gleichzeitig versuche, selbst möglichst keinen Treffer einzustecken, was sich als schwierig erweist ob der gewaltigen Größe des Drachen.
Der Feind vor mir erhebt sein Schwert,
die Klinge glänzend wie sein Mut,
was meinen Kampfesgeist nur mehrt,
der aus mir bricht in Feuersglut.
Er duckt sich hinter seinen Schild
und glaubt, er wäre sicher dort.
Doch dran vorbei ganz lautlos quillt
die Flamme für den nächsten Mord.
Doch siehe da, er fällt noch nicht,
sein Schwert stattdessen er erhebt
und stürmt voll Heldenmut auf mich,
mit Schritten, dass die Erde bebt.
Der Kampf, er ist ein Freudenquell,
denn schon zu lange nicht traf ich
den Sterblichen, der im Duell
ein würdig Gegner ist für mich.
Doch langsam Schwäche macht sich breit,
er schlägt daneben, weicht nicht aus,
inzwischen siegt Unachtsamkeit
und er sucht einen Weg hinaus.
Er sieht sich um, er sieht den Turm,
verschwindet dort in seinem Pfuhl,
ein ängstlich, mickrig kleiner Wurm,
so schrei ich nach ihm: „Yol Toor Shul!“
Ich habe mich überschätzt. Die Erschöpfung fällt über mich her wie ein hungriges Raubtier. Und eben so einem werde ich bald zum Opfer fallen, wenn ich noch länger auf diesem Schlachtfeld verweile. Mit Tränen der Furcht in den Augen kämpfe ich nun darum, Abstand von dem Drachen zu gewinnen. Ich drehe mich um, stolpere vorwärts, klettere über zerbröckelte Mauerreste hinweg. Vielleicht habe ich noch eine Chance, wenn ich es in den Turm schaffe. Ich konzentriere meine letzten Kräfte darauf, die größtenteils zerstörten Stufen hinaufzulaufen. Meine Sicht ist verschwommen, meine Ohren rauschen. Dennoch höre ich die schrecklicken Schreie des Monsters hinter mir, spüre die Hitze des Feuerstrahls, der meinen Rücken verbrennt. Ich breche zusammen. Irgendwie schaffe ich es noch, ins Innere des Wachturms zu robben, doch tief in mir weiß ich: Es ist vorbei. Bald schon werde ich meine Ahnen in Sovngarde sehen.
Ein letztes Mal schlage ich die Augen auf, um dem Tod wenigstens in die seinen blicken zu können. Doch da sehe ich etwas ganz anderes. Etwas, das meine Rettung sein könnte.
Unter Schmerzen strecke ich meinen zitternden Arm nach dem herumliegenden roten Fläschchen aus und leere den Zaubertrank der Heilung in einem Zug. Während die magische Flüssigkeit meine Kehle hinunterrinnt, spüre ich, wie sich meine Wunden schließen und meine Kräfte zurückkehren. Langsam richte ich mich auf und greife erneut nach meinem Schwert. Dieser Kampf ist noch nicht zu Ende.
Sein Schwerthieb trifft mich aus dem Nichts,
es ist, als wär er neugebor’n.
Woher kommt nur die Kraft des Wichts?
Er hat den Kampf doch schon verlor’n!
Ein Flammenstoß, ein Feuerschrei,
doch er schlägt weiter auf mich ein.
Ein Hieb bricht meine Haut entzwei,
ein Hieb, der geht durch Mark und Bein.
Ha, Sterblicher! Was machst du jetzt?
So töte mich, es sei vollstreckt!
Dann lieg‘ ich, mehr als schwer verletzt,
bis mich ein and’rer auferweckt.
Ach, Sterblicher, vergeblich sei’s,
all deine Mühen, jeder Schlag,
denn bald weißt du, was ich schon weiß –
wie bald ich mich schon rächen mag.
Ach, Sterblicher, der letzte Stoß,
nun schwindet meine Kraft dahin.
Für dich ist der Triumph noch groß,
so lange ich am Boden bin.
Was, Sterblicher, was machst du bloß?
Warum vergeht mir jeder Sinn?
Nein, Sterblicher, nein, was ist los?
Das kann nicht sein! Nein – Dovahkiin!
Mit einem letzten Schmerzensschrei geht das Ungetüm endlich zu Boden. Ich habe es tatsächlich geschafft. Die Klinge hat über das Feuer gesiegt. Noch immer zittere ich am ganzen Körper, als die Anspannung des Kampfes von mir abfällt. Triumphierend setze ich meinen Fuß auf den Kopf des Gefallenen. Ich schließe die Augen, genieße den Moment, der nur mir gehört.
Mit einem Mal fühlt es sich an, als würde eine neue Kraft in mir erwachen, die ich nie zuvor gekannt habe. Überrascht blicke ich auf und finde mich in einem Wirbel aus feuriger Energie wieder, die vom toten Körper des Drachen ausgeht und geradewegs in den meinen strömt. Was geht hier nur vor sich? Ich verstehe nicht, was geschieht, doch ich fühle mich stärker als je zuvor.
Als das Schauspiel zu Ende geht, drehe ich mich nach den anderen Kriegern um und stelle fest, dass diese mich bereits ungläubig anstarren. Einige murmeln wirres Zeug vor sich hin, ich vernehme einzelne Wortfetzen wie „Drachenblut“, „Seele aufgenommen“ und „Legende“.
Soll das etwa heißen, ich habe gerade die Seele dieses Drachen absorbiert? Aber … wie? Wie ist so etwas möglich? Ich spüre die Macht der Kreatur in mir pulsieren, und es ist, als würde sie mir im Tod die wahre Bedeutung eines Wortes einflüstern, das ich zuvor bereits kannte, jedoch nie vollständig begreifen konnte.
Als wäre es das Natürlichste auf der Welt, richte ich meinen Blick zum Himmel und schreie es mit aller Macht hinaus.
Kraft. Unerbittliche Macht.
„Fus!“
Der Himmel war fast vollkommen klar und nur von wenigen Wolken bedeckt, die sich wie dünne Fasern über das Azurblau erstreckten. Aber davon konnte Alex kaum etwas sehen, denn er schlich geduckt durch die raschelnden Äste des tiefen Urwalds, ein dichtes grünes Blätterdach über sich. Seine linke Hand ruhte auf seinem Schwertgriff. Er wusste, dass sein finsterer Rivale ihm dicht auf den Fersen gewesen war, denn auch er hatte den verschollenen Tempel der Grutelipfa finden wollen. Jeden Moment konnte er sich aus einem Gebüsch auf ihn stürzen und …
Mit einem wilden Schrei warf sich etwas von der Seite gegen ihn und stieß ihn beinahe zu Boden. Mit Mühe gelang es ihm, das Gleichgewicht zu halten und sein Schwert zu ziehen, als sein Gegner ihn auch schon wieder angriff. Klirrend prallten die Klingen aufeinander und verharrten in einer Kraftprobe der beiden Kontrahenten.
„So treffen wir uns wieder“, zischte Alex‘ Angreifer.
„Allerdings, Philipp“, erwiderte Alex und starrte Philipp in die böse funkelnden grünen Augen. „Und diesmal wirst du nicht davonkommen.“
Alex zog seine Klinge zurück und stach zur linken Seite Philipps. Dieser parierte und konterte seinerseits mit einem starken Hieb, den Alex gerade noch aufhalten konnte. Wieder und wieder trafen sie aufeinander, trieben den jeweils anderen vor sich her und wichen zurück, wenn dieser plötzlich einen Ausfall machte. Dann stolperte Alex plötzlich über eine Wurzel. Er stürzte und ließ das Schwert los, um sich mit den Händen abzufangen. Dabei stach etwas Spitzes in seine linke Handfläche und er schrie vor Schmerz auf.
„Alles okay?“, fragte Philipp besorgt und hastete zu ihm, um ihm aufzuhelfen.
„Ja, bin nur mit der Hand auf einen spitzen Zeig gefallen“, gab Alex zurück.
Während er das sagte, verwandelten sich die Schwerter zurück in dürre Äste, der Urwald wurde wieder zu dem kleinen Wäldchen und sein finsterer Gegenspieler war wieder sein bester Freund Philipp, ein Junge mit strohblonden Haaren und verblüffend grünen Augen.
Alex starrte auf seine Hand. „Doof“, sagte er. „Ich blute.“
„Das solltest du auswaschen“, bemerkte Philipp. „Meine Mama sagt, wenn man eine Wunde nicht sauber macht, kriegt man eine Blutvergiftung und das ist gefährlich.“
„Ach was“, machte Alex, doch eigentlich war es ihm wirklich lieber, wenn er zumindest ein Pflaster oder so etwas draufmachen könnte. Also sagte er: „Aber wir sind schon ziemlich lange hier. Ich glaube, ich muss sowieso wieder zurück nach Hause.“
Philipp nickte, auch wenn er ein wenig enttäuscht wirkte. „Naja, aber morgen machen wir weiter, oder?“
„Klar doch“, sagte Alex und sie traten den Heimweg an – gemeinsam, da sie in der selbsen Straße wohnten. Vor Philipps Haus verabschiedeten sie sich.
Als Alex die Straße zu seinem Haus lief, kam eine leichte Sommerbrise auf und erst jetzt merkte er wirklich, dass er ziemlich verschwitzt war. Aber das Spiel hatte Spaß gemacht, und die Ferien waren noch lang.
Verblendete Fantasien sind grenzenlos,
James McCall stand vor der Bar des Saloon No. 10 und stürzte seinen Whiskey herunter. Er schwitzte in der Hitze des Augusts, und die Luft war schwer vom Gestank des Alkohols und der Zigaretten. Während McCall austrank, sah er im Spiegel hinter dem Tresen den Rücken von Hickok. Dieser war in sein Pokerspiel vertieft.
„Jetzt oder nie“, dachte McCall, drehte sich um, ging zu dem Pokertisch und zog seinen Revolver. Der laute Schuss zerschnitt das Geplapper der anderen Leute im Saloon. Hickok wurde vornüber geworfen und rührte sich danach nicht mehr.
„Er hat meinen Bruder getötet“, flüsterte McCall, ohne zu wissen, ob er das zu den Leuten im Saloon oder zu sich selbst sagte.
die Blüte der Rache noch nicht enthüllt.
„Es war echt realistisch“, sagte Philipp, als er die Konsole an den Bildschirm anschloss. „Als wäre ich wirklich auf diesem Schiff gewesen.“
„Aha“, sagte Alex und versuchte, sein Unbehagen zu verbergen. Der Traum, von dem ihm Philipp gerade erzählt hatte, ähnelte frappierend dem Erlebnis, das er selbst letzte Nacht im Schlaf gehabt hatte. Und seit einiger Zeit war da noch etwas, wenn er sich mit Philipp traf. Er konnte es nicht zuordnen, es war einfach ein seltsames Gefühl. Einerseits war Philipp auch jetzt, wo sie beide beinahe erwachsen waren, sein bester Freund und andererseits … Es war manchmal, als würde Alex grundlos Wut empfinden, wenn er bei Philipp war.
„Und irgendwie“, fuhr Philipp fort, „dachte ich, du wärst auch da. Wobei ich nicht sagen kann, warum ich das dachte. Denn gesehen habe ich dich nirgends. Verrückt, was?“
„Ja“, machte Alex lahm. „Ähm … Hast du das Ding jetzt angeschlossen?“
„Äh, ja, klar, Moment noch“, erwiderte Philipp.
Das Glas durch die Zeit sich erst langsam füllt,
Robert Maynard stach den Piraten nieder und sah sich nach seinem nächsten Gegner um, begierig zu kämpfen, die Gerüche von Tod und Schießpulver in der Nase. Und dann sah er ihn, mit angezündeten Lunten im Bart, schwer mit Entermessern und Pistolen behängt. Für einen Moment trafen sich ihre Blicke und Maynard glaubte das Erkennen in den Augen Blackbeards zu sehen.
„Nemesis“, formten die Lippen des Piratenkapitäns. Im nächsten Moment stürzten sie aufeinander los.
doch der Tropfen wird fallen, zweifellos.
Alex sah, wie Philipp einem der Betrunkenen den Arm verdrehte und ihn über einen Tisch warf, doch zwei von dessen Freunden griffen jeweils einen seiner Arme, während ein Dritter sich daran machte, auf ihn einzuschlagen.
Alex seufzte, schlug seine Kapuze zurück, stand auf und brachte letzteren mit einem Würgegriff zu Boden. Philipp, der aus der Nase blutete, verpasste dem linken seiner verbliebenen Angreifer einen heftigen Kopfstoß, bevor er dem anderen zwischen die Beine trat und seinen Ellenbogen auf dessen Rücken niedersausen ließ.
Anschließend wandte er sich keuchend zu Alex um. „Du hier?“, fragte er.
„Ja“, machte Alex. „Weißt doch, wie es läuft. Ich finde dich immer.“
„Stimmt“, erwiderte Philipp und hob kampfbereit die Hände. „Dann … Worauf wartest du?“
Alex schüttelte den Kopf. „Nicht jetzt.“
Philipp starrte ihn für einen Moment an, dann stürmte er aus der Kneipe.
Mit der Erkenntnis beginnt es,
Paris legte den Pfeil ein, spannte die Sehne und versuchte, ruhig zu bleiben. Das war der Moment, in dem er den Tod seines Bruders rächen konnte. Er spürte das wilde Klopfen seines Herzens in seiner Brust, als wollte es ihn zum Töten anfeuern.
„Steh mir bei, Alpollon“, flüsterte er, atmete aus und ließ die Sehne los. Der Pfeil schoss durch die Luft.
ihre Natur zeigt sich nun offen.
Alex kraxelte ein wenig unbeholfen das Kliff entlang, die schwere Anglertasche auf dem Rücken. Er war eigentlich zu alt für so etwas und hielt kurz inne, um Atem zu schöpfen, bevor er weiter auf den Mann zukletterte, der unten am Wasser saß.
Kurz bevor er ihn erreicht hatte, drehte der Mann sich um und Alex starrte in zwei tiefgrüne, wenngleich auch mittlerweile etwas trüb gewordene Augen.
„Bonjour, Philipp“, sagte Alex. „Oder möchtest du bei dem Namen genannt werden, den du jetzt benutzt?“
Philipp schnaubte und drehte sich wieder zum Wasser. „Ist doch passend“, sagte er mit heiserer Stimme. „Achille Poirot gehört schließlich in das ‚Land des Mythos‘.“
Alex kam zu Philipp herunter und setzte sich neben ihm auf die Steine.
„Aber er wäre Belgier, nicht Franzose", antwortete er.
Ein manches Mal will einer hoffen,
Wenn sie nach oben sah, erblickte sie nur finsteres und tristes Grau, durch das niemals Sonnenlicht dringen würde. Seelen schlichen an ihr vorbei, auf dem Weg vom Leben in die Unterwelt, wo über sie gerichtet werden sollte. Das Kind in Thetis‘ Armen schrie und sie beruhigte es, indem sie ihm mit ihrer sanften Stimme etwas vorsang.
Das Wasser des Styx schein in einem fortwährenden Wechselspiel von durchsichtig zu trübe und wieder zurück zu wechseln. Thetis hielt den Jungen an der Ferse und tauchte ihn, diesmal ohne auf seinen brüllenden Protest zu achten, in das Wasser des Flusses.
„Unverwundbarkeit“, flüsterte sie, „für meinen Sohn.“
Als sie das Kind wieder hinauszog, schrie es immer noch. Sie wiegte es in ihren Armen und redete ihm gut zu, während sie zufrieden lächelte. Nichts würde dem Knaben jetzt noch zustoßen können.
Thetis wollte sich gerade von dem Fluss abwenden, da hörte sie ein plötzlich ein Flüstern, ruhig und über das Flussplätschern kaum zu vernehmen, aber dennoch eindringlich, kalt und bedrohlich: „Du hast gegen das göttliche Gesetz verstoßen, Thetis.“
Thetis erstarrte. „Nemesis“, hauchte sie angsterfüllt.
„Dein Sohn mag unverwundbar sein“, flüsterte die Stimme, „aber niemals soll seine Seele Ruhe finden, weder in der Unterwelt, aus der er immer wieder zurückkehren wird, noch in seinen Leben, dafür werde ich jedes Mal sorgen.“
Die Stimme erstarb, und Thetis stand da, das Weinen ihres Kindes in ihren Ohren und Verzweiflung in ihrem Herzen.
doch ist ihr Leben kein geschenktes.
„Wenn du mich umbringen willst“, krächzte Philipp, „dann mach es besser schnell. Der Tumor erwischt mich sonst noch vorher.“
„Keine Sorge“, erwiderte Alex. „Ich mach das schon.“
„Mit was auch immer in dieser Tasche ist, nehme ich an.“
„Ja“, sagte Alex und öffnete die Tasche. „Hab ich mir ausgeliehen.“ Er zog ein langes, zweischneidiges Schwert hervor.
Philipp musterte die Klinge misstrauisch. „Woher hast du das?“, fragte er.
„Du weißt, was es ist?“
„Nein“, erwiderte Philipp, „aber es hat eine seltsame Ausstrahlung.“
„Es gehört Themis“, sagte Alex ruhig. „Und ich glaube, es wird den Fluch aufheben.“
„Themis“, murmelte Philipp. „Du bist ihr begegnet?“
Alex nickte. „Vor einigen Jahren. Sie denkt, dass es nur gerecht ist, wenn wir beide endlich Frieden finden.“
„Und trotzdem kommst du erst jetzt?“
„Ich dachte, du könntest ruhig noch ein wenig dein letztes Leben genießen.“
Philipp seufzte. „Na schön“, sagte er und blickte nach Westen, wo die Sonne unterging. „Dann mach endlich.“ Seine Stimme zitterte ein wenig, klang ansonsten aber entschlossen.
„Jetzt?“
„Ja. Ich bin bereit.“
Alex stand auf und trat vor seinen Freund. Er hob das Schwert und setzte die Spitze auf Philipps Brust auf, genau über dem Herzen. Es war eine eigenartig vertraute Situation.
„Stirb wohl, alter Feind“, flüsterte er. Philipp sah ihn nur an und veränderte seinen Blick auch nicht, als Alex zustieß. Doch das letzte noch verbliebene Funkeln verschwand aus seinen Augen.
Das Schwert löste sich in Alex Händen auf und Philipps toter Körper stürzte vornüber. Blut lief über den Felsen hinein ins Wasser.
Alex sah kurz auf die Leiche seines Freundes und murmelte:
„Die Wurzeln sind tief,
gehen weit zurück.
Doch will er sie zerstören,
Stück für Stück.
Das Schwert ist gefunden,
seine Bestimmung bekannt.
Und in den letzten Sekunden,
hält er die Macht in der Hand.“
„Du weißt was zu tun ist.“
@Alexia ELIM_inator Asteria Bastet Bonnie Caroit Cassandra Chess @Creon Cosi @Dartiri Dreykopff Dusk Evoli-Girl Faolin Frechdachs @Indigo Gray Ninja Jefi Jiang Vany SpeciesSaladMallory Liu HoppouChan Isamu_17 effizient hufe_di Saiko Musicmelon Naoko Nexy Willi00 PokéExpertin Rusalka Sawyer #shiprekt Silence Thrawn Wenloсk Holmes Yasuna Lynneth Bucherstede Obscuritas Vynn relinked Alice Nortia Flocon Schachteel Vul Kaios Raichu-chan Scorchwood Columbina Keksdrache
Solltet ihr einen Übertragungsfehler in eurer Abgabe entdecken, wendet euch bitte schnellstmöglich an mich.