Aufgrund der Nachfrage hier ein eigenes Thema, um spezifisch die aktuelle transfeindliche Bewegung - und auch die Bedeutung bestimmter medialer Menschen (wie JK Rowling) in ihr zu besprechen.
TERFs - transfeindlicher "Feminismus"
Fangen wir mit einer Sache an, die deutlich werden muss: TERF steht für "Trans Exclusionary Radical Feminist", also "Transausschließender radikaler Feminismis". Es ist eine Eigenbezeichnung, die von Menschen mit dieser Einstellung in den 1970er Jahren gewählt wurde. Die Bewegung entstand in erster Linie spezifisch aus lesbisch-feministischen Bewegungen, die spezifisch trans Frauen nicht als Frauen akzeptieren wollten. Wohlgemerkt hatte diese Bewegung auch andere interessante Meinungen, wie bspw. dass Strap-Ons eine Erfindung des Patriarchats seien, um lesbische Frauen zu einem quasi heterosexuellen Sex zu zwingen. Wegen solcher allgemein unbeliebter Meinungen wurde diese Gruppe damals nicht besonders ernst genommen - selbst wenn natürlich gesagt werden muss, dass auch in der queeren Bewegung damals viele nicht unbedingt positiv mit trans Personen umgingen.
In diesem Sinne existierte diese Gruppe, die sich - wie gesagt - selbst TERF nannten, von den 1970er Jahren an, vor sich hin. Sie waren immer wieder auf feministischen Veranstaltungen dabei, brachten Bücher und häufig extrem transfeindliche Think Pieces heraus, fanden allerdings nie groß Beachtung. Es sei dazu gesagt, dass die damalige Bewegung allerdings dennoch allgemein feministische Ziele verfolgte und von ihrer transfeindlichkeit abgesehen bspw. für Rechte für Homosexuelle und auch diverse Civil Rights eintrat. Dies möchte ich betonen, denn das ist, was die modernen TERFs von den historischen TERFs unterscheidet.
Als TERFs nicht länger feministisch waren
Wer Diskussionen zwischen queeren Personen mitbekommt, wird feststellen, dass TERFs von den wenigsten als Feministen angesehen werden. Das liegt zum einen daran, dass moderner (4th wave) Feminismus spezifisch um intersektionalität geht und diese nun einmal alle marginalisierten Gruppen mit einschließt und auch davon handelt, wie bspw. auch Männer unter dem Patriarchat leiden können, zum anderen aber auch daran, dass TERFs viele Positionen, die historisch von der Gruppe vertreten wurden, nicht länger vertreten werden.
Dies liegt daran, dass Anfang der 2010er TERFs von einer rechtslehnenden ökofaschistischen Gruppe (Deep Green Resistance, DGR) unterwandert wurden. (Ökofaschismus = Gruppen, die der Meinung sind, dass die Mehrheit der Menschheit, meist ohnehin marginalisierte Gruppen, getötet werden sollte, um den Planeten zu retten.) Mitglieder dieser Gruppe gründeten die Gruppe "Womens Liberation Front" (WoLF), die sich neben trans Menschen auch gegen Sexworkende, schwule Männer, sowie nicht-weiße Männer, vor allem Muslime und Schwarze Männer aussprach. Als solche rekrutierte die Gruppe auf verschiedenen feministischen Veranstaltungen.
Als dann Mitte der 2010er rechte Bewegungen, wie Brexit und Trump, stärker wurden, verbündete sich WoLF mit Anhänger*innen dieser Bewegungen. Das hieß in den USA mit den Republikanern, in den UK derweil mit den Hardcore Konservativen Torys. Ja, zum Teil auch solchen, die sich gegen körperliche Selbstbestimmung von Frauen aussprachen. Solange sie die Ziele von WoLF und ähnlichen Bewegungen, wie eben Einschränkungen von trans Menschen, Sexworkenden und nicht-weißen Menschen, getroffen wurden, waren Frauenrechte auf einmal weniger interessant.
Wie die UK zu TERF Island wurde
In linken Gruppen gibt es nun schon seit Jahren den Witz: Die UK, das sind TERF Island. Der Grund ist folgender: Während wir auch in den USA (und anderen Ländern) dank der Republikaner*innen sehr viel Transfeindlichkeit sehen, ist diese bei weitem nicht so durchgehend präsent, wie in den UK. Die Gründe hierfür sind komplex und hängen zum Teil auch mit der wenig aufgearbeiteten Geschichte des britischen Kolonialismus zusammen, die leider dafür sorgen, dass der britische Feminismus zu großen Teilen in der zweiten Welle hängen geblieben ist. Doch der Grund, warum das Thema auf einmal so viel Aufwind bekam ist folgender:
2015 wollte die Regierung in den UK den sogenannten "Gender Recognition Act" einführen. Eine neue Gesetzgebung, die es trans Menschen ab 16 erleichtern sollte, ihren Geschlechtseintrag in Urkunden und Ausweisen zu ändern, sowie eben die Anerkennung von nicht-binären Menschen per Gesetz einführen. Das schien auch eigentlich beschlossene Sache, bis 2016 die Regierung von Theresa May dieses Gesetz auseinandernahm und massiv abschwächte. Auf einmal wurde das Thema in den britischen Medien besprochen - und viele Medien stellten fest, dass es bessere Verkaufszahlen, Quoten und mehr Clicks brachte. Das hieß, dass nicht nur rechtslehnende Blätter wie The Daily Mail und The Sun das Thema aufgriffen, sondern auch The Guardian und sogar die staatlich geführten BBC.
In Folge dessen wurden in den UK die Narrativen gesponnen, die auch heute noch die Diskussion rund um trans beherrschen - dazu gleich mehr. Den ersten Höhepunkt bekam das ganze in den UK, als eine transfeindliche Gruppe den London Pride March in 2018 aufhielt.
JK Rowling enters the picture
Da dieses Topic nun auch dazu dient, das Harry Potter Topic zu entlasten, lasst uns über die wohl einflussreichste transfeindliche Person sprechen, die es außerhalb des aktiven politischen Spektrums gibt: JK Rowling. Viele trans Menschen erkannten bereits ab dem Desaster der London Pride 2018, dass bei ihr transfeindliche Tendenzen vorhanden waren. Grund: Als sehr aktive Twitteruserin likte Rowling immer mal wieder Beiträge (speziell auch verlinkte Kommentare aus Zeitschriften), die transfeindlichkeit beinhalteten. Allerdings blieb das vorerst alles ... Bis Dezember 2019.
Zu diesem Zeitpunkt passierte es, dass Maya Forstater in Großbritanien einen befristeten Arbeitsvertrag nicht verlängert bekam. Als zentraler Grund dafür wurde ihre Transfeindlichkeit genannt, die den Umgang innerhalb der Firma, aber auch mit Kund*innen erschweren würde. Forstater legte dagegen Beschwerde ein. An dieser Stelle meldete sich Rowling zu Wort mit der Aussage: "Dress however you please. Call yourself whatever you like. Sleep with any consenting adult who'll have you. Live your best life in peace and security. But force women out of their jobs for stating that sex is real?" Was neben der unterschwelligen Transfeindlichkeit von "Wer würde euch denn im Bett haben wollen" auch die Falschaussage beinhaltete, dass Forstater herausgeschmissen wurde, weil sie behauptet hätte, dass "Sex" (also das "biologische Geschlecht") real sei. Während der eigentliche Grund war, dass sie Mitarbeitende Misgendert hat und auf öffentlichen Social Media Kanälen sich transfeindlich geäußert hatte. Auch wurde sie nicht aus ihrem Job geworfen - ihr Vertrag wurde einfach nicht verlängert.
An der Stelle hätte man sagen können: Okay, vielleicht hat sie das einfach falsch verstanden. Denn Fakt ist: Durch die britischen Medien schwirrten eben eine Menge falsche Informationen darüber, was bei Forstater passiert war. Und vorerst blieb es auch soweit dabei.
Bis zum ersten Pride Month der Pandemie: Juni 2020. Dort lud JK Rowling ihr transfeindliches Manifesto "TERF Wars" auf ihrer offiziellen Seite hoch. Ein Essay, der voller üblicher transfeindlicher Narrativen steckte. Ab diesem Punkt fing Rowling dann vermehrt an, transfeindliche Tweets zu teilen und auch selbst immer wieder abzusetzen. Eine komplette Zusammenfassung davon findet ihr hier.
Zum aktuellen Zeitpunkt unterstützt Rowling durch ihre Stimme nicht nur transfeindliche Menschen, sondern auch aktiv homo- und frauenfeindliche Aktivist*innen unterstützt. Bspw. Anhängerinnen von CitizenGo, einer christlich-radikalen Organisation, die sich International gegen die Rechte von Homosexuellen, aber auch die Selbstbestimmungsrechte von Frauen einsetzt.
Transfeindliche Narrativen
Gehen wir an dieser Stelle auf die üblichen Narrativen ein, die von transfeindlichen Menschen, wie unter anderem Rowling, aber eben auch Menschen wie Forstater oder bspw. auch Jordan Peterson oder Abigail Shrier verbreitet werden:
- trans Frauen seien eigentlich Männer mit einem Fetisch. Grundlage der Aussage ist es, dass trans Frauen eigentlich Männer wären, die angeblich autogynophilic wären. Sprich: Sie würden auf sich selbst als Frauen stehen oder speziell vom tragen weiblicher Kleidung erregt werden. Hierzu seien zwei Dinge gesagt: Zum ersten ist es sehr strittig, ob es Autogynophilie wirklich gibt - wenn ist sie ein Teil des transvestiten Spektrums. Zum zweiten: Menschen sind sehr wohl fähig zu unterscheiden, ob sie Frauen sind oder vom Tragen von Frauenkleidern erregt werden, da dies sehr unterschiedliche Empfindungen sind.
- trans Männer und nicht-binäre Menschen seien eigentlich Frauen, die ihr bei Geburt zugewiesenes Geschlecht aufgrund internalisierter Misogynie hassen. Erneut: Dafür gibt es keinerlei Hinweise. Diese These ist wissenschaftlich einfach nicht gestützt.
- trans Männer seien eigentlich Lesben mit internalisierter Homophobie. Dasselbe wie oben: Es gibt keinen Hinweis darauf. (Anmerkung hierzu: Es gibt parallel auch die Narrative, dass trans Frauen Schwule mit internalisierter Homophobie seien) Zumal hier deutlich anzumerken sei: Transfeindlichkeit ist in der Gesellschaft deutlich mehr und deutlich stärker verbreitet, als Homofeindlichkeit. Die Tatsache, dass die Mehrheit aller trans Menschen nach der Transition homo-, bi- oder asexuell sind, macht dies noch unwahrscheinlicher.
- darauf aufbauend: Psycholog*innen/Psychiater*innen würden homosexuelle Jugendliche davon überzeugen, sie seien trans. Ist eigentlich dieselbe Argumentation, nur mit Umweg und anderen schuldigen. Auch hierauf gibt es keinen Hinweis.
- Jugendliche würden bereits komplett mit Operationen transitionieren (und würden es später bereuen). Das ist schlicht und ergreifend falsch. In keinem Land der Welt können trans Minderjährige Geschlechtsangleichende Operationen erhalten. Maximal werden Pubertätsblocker verschrieben, so dass trans Jugendliche keine falsche Pubertät erleben müssen. Der Effekt der Pubertätsblocker ist komplett umkehrbar. Geschlechtsangleichende Operationen sind frühstens ab dem 18. Lebensjahr möglich.
- die Mehrheit aller (vermeintlichen) trans Menschen würden die Transition später bereuen und deswegen detransitionieren. Auch dies ist komplett falsch. Während verschiedene Studien verschiedene Zahlen ermittelt haben, so liegt die Anzahl der detransitionierenden trans Menschen bei 0,5-8%. Es sei allerdings gesagt: Bei der Studie, die die 8% erhalten hat, wurde auch festgestellt, dass 2/3 der detransitionierenden später wieder transitioniert sind. Als häufigster Grund für eine Detransition wird übrigens nicht Unzufriedenheit mit dem Geschlecht genannt, sondern Transfeindlichkeit im Umfeld.
- cis Männer würden sich als trans Frauen ausgeben, um so Zugriff auf Frauen-Orte zu bekommen, wie Toiletten, Umkleidekabinen, Frauenhäuser usw., um dort Frauen zu vergewaltigen. Dies würde laut Transfeinden durch Selbstbestimmungsgesetze noch schlimmer werden. Auch dies ist absoluter Unsinn. Toiletten und Umkleidekabinen sind auch jetzt nicht von Zugriff durch Männer geschützt und werden dennoch nicht zum Ort für Übergriffe. (Duh.) Frauenhäuser waren bereits immer schon für trans Frauen offen und es gab keine negativen Erfahrungen damit. Die Mehrzahl aller Vergewaltigung findet zwischen Menschen, die sich bereits kennen, statt. In keinem der Länder, die ein Selbstbestimmungsgesetz eingeführt haben, wurde dadurch ein Anstieg von sexuellen Übergriffen verzeichnet.
Es sei an dieser Stelle noch hinzugefügt: Transfeindlichkeit trifft auch immer inter Menschen mit. Umso ironischer: Die einzigen minderjährigen, an denen (oft unfreiwillig) Geschlechtsangleichende Operationen durchgeführt werden, sind inter Kinder - also Kinder, die mit einem nicht eindeutigen Geschlecht geboren wurden. Von diesen bereuen es 2/3 im Erwachsenenalter und sind mit den Ergebnissen unzufrieden.
Transfeindlichkeit in Deutschland
Leider ist auch in Deutschland Transfeindlichkeit noch immer sehr verbreitet. Während die Probleme nicht so ausgeprägt sind, wie in den UK oder den USA (wo es vermehrt schwer für trans Menschen, vor allem trans Jugendliche wird, Hormone oder nur Pubertätsblocker zu bekommen), so haben wir auch hier verscheidene Probleme. Allen voran sei gesagt, dass wir (trotz Versprechen unserer aktuellen Regierung) noch immer kein Selbstbestimmungsgesetz haben. Das heißt: trans Menschen müssen durch ein aufwendiges und vor allem teures Verfahren, um ihr Geschlecht anerkennen zu lassen - hierbei bewerten cis Menschen letzten Endes, wie gut die trans Menschen ihr Geschlecht performen. (Das heißt: Von trans Frauen wird häufig erwartet, dass sie sich Schminken und Kleider tragen.) Bei diesem Prozess kommt es auch immer wieder zu Übergriffen. Nicht-binäre Menschen haben im aktuellen System praktisch keine Möglichkeit (abseits von der Ausnutzung einer Gesetzeslücke) ihr Geschlecht öffentlich anerkennen zu lassen.
Und natürlich gibt es immer wieder transfeindliche Übergriffe. Da diese leider nicht gesondert in der Polizeistatistik erhoben werden, ist die genaue Anzahl jedoch leider unbekannt.
Dies soll zur Einführung erst einmal reichen. Da das Thema leider immer wieder aufkommt, ist die offizielle Bitte, dass entsprechende Berichte nicht länger in das Topic für Sexualität, Geschlecht und Paraphilien gepostet werdne.