Ich frage das weil: Ihr Atheisten versucht das Christentum für mich zu interpretieren obwohl ihr garnicht an Jesus glaubt.
Du solltest dir mal darüber Gedanken machen, WARUM man Atheist wird. Denn es ist nun einmal so, dass die meisten Atheisten in unseren Ländern (ausnahme Leute aus der ehemaligen DDR, da dort Religionen allgemein verboten oder unerwünscht waren, weshalb dort praktisch zwei Generationen keine Religion hatten, Kinder die nach der DDR geboren wurden aber oftmals auch nicht mehr getauft wurden, weshalb es sich da bereits eher ausgewachsen hat) christlich getauft sind und während ihrer Kindheit und Jugend oftmals auch die übliche Zwangsindoktrination über sich ergehen lassen durften (also Kommunion, Messdiener und Firmung bei den Katholiken und Konfirmation, sowie meist auch die Taufe im Jugendalter, bei den Evangelen). Und während der Kindheit glauben die meisten, die aus einem tatsächlich gläubigen Haushalt kommen, tatsächlich an Jesus, Gott und so weiter. Immerhin erzählen ihnen Eltern und Lehrer die ganze Zeit, dass das ja wahr ist. Nun ist es so, dass viele aus weniger religiösen Familien das meist einfach über sich ergehen lassen (immerhin gibt es zur Kommunion, Firmung und Konfirmation meist auch Geld) und sich auch keiner dran stört, dass sie die Werte weniger verinnerlichen. In eher Religiösen Familien werden die Kinder solange indoktriniert, bis sie dran glauben... Oder eben auch nicht. Denn es ist nun einmal so, dass es in beiden Gruppen auch diejenigen gibt, die ein wenig mehr darüber nachdenken. Die eben nicht einfach nur es über sich ergehen lassen oder die eben nicht bereit sind, es einfach zu glauben, diejenigen, die Anfangen es zu hinterfragen.
Nun gibt es unter denjenigen dann die, die einfach sagen: "Ne, macht für mich keinen Sinn. Kirche ist nichts für mich." Aber auch diejenigen, die glauben, dass sie eine Religion brauchen, denn aktuell sind immer noch mehr Leute (zumindest auf dem Papier) Religiös, als nicht Religiös und gerade Kinder, die auf Konfessionsschulen gehen, wo sie mindestens einmal die Woche von einem Pfarrer zugequatscht werden, haben meiner Erfahrung nach dieses Gefühl. Und während man als Kind noch hingenommen hat, dass man so einen sehr einseitigen Dialog mit Jesu und Gott führen kann - ohne dass er antwortet - kommt dann das Gefühl auf, dass das nicht alles sein kann. Und dann begibt man sich auf die Suche, meist zuerst nach Jesus, dann nach einer anderen Religion. Und dafür beschäftigt man sich dann mit der Religion, liest die Bibel (ganz oder in Teilen) und ja... Hier kommt es dann drauf an, wie sehr man das Gefühl hat, eine Religion zu brauchen. Manche versuchen die Bibel zu lesen, stolpern über die ersten Widersprüche im AT, blättern zum NT weiter, sehen da auch innerhalb der ersten drei Kapitel Widersprüche und sagen: "Okay, Religion kann mich mal."
Aber dann gibt es auch solche, die die Bibel ganz durchlesen und feststellen: Das macht keinen Sinn. Und von diesen wollen einige doch eine Religion. Und dann geht es weiter: Thora, Koran und sonst etwas. Je nachdem, wie stark das Bedürfnis nach einer Religion ist, endet es auf zwei Arten: Entweder landet man beim Atheismus oder bei einer vagen esotherischen Religion, wobei hier aktuell halt Wiccan angesagt ist, aber gerne wird auch der Buddhismus genommen.
Ich gehöre zu denjenigen, die christlich erzogen wurden. Meine Mutter war mit mehreren Pfarrern befreundet. Ich habe in meiner Kindheit viel Zeit in der Kirche verbracht. Doch meine Mutter machte einen gewaltigen Fehler: Sie kaufte mir, um mich von Harry Potter abzulenken, "Der goldene Kompass", weil sie irgendwo gelesen hatte, dass es eine christliche Jugend-Fantasy-Reihe sei. Ups, ja, Kirche und Religion kommen vor, dummer Weise gehört der Autor nur zu dem engeren Kreis der New Atheists. Und in diesem Buch kamen Dinge vor aus der Bibel, die moralischen Probleme, die Paradoxen, die Stellen, die wissenschaftlich keinen Sinn machen. Als ich 10 war und das letzte Buch der Reihe gelesen hatte (und daraufhin zum ersten Mal die Bibel, sowie Dantes Inferno, Paradise Lost und ein Buch über Quantenphysik las) kam mir das langsam sehr dubios vor, mit dieser Religion, nach der meine Mutter ihr gesamtes Leben ausrichtete. Also habe ich das gemacht, was jedes gute, christliche Kind machen würde: Ich habe gebetet. Gebetet, dass Gott mir doch irgendein Zeichen schicken sollte oder irgendwie zeigen solle, dass es ihn gibt. Da kam aber nichts. Und mit 12 oder 13 hatte ich das Beten dann auch satt.
Aber was tun? Nun, der Religion erst mal argwöhnen und mit genannten mit meiner Mutter befreundeten Pfarrern reden, die natürlich alle versuchten mich zu überzeugen, wie knorke das Christentum doch sei. Dummerweise taten sie dasselbe, dass auch du die ganze Zeit machst: Den unangenehmen Fragen ausweichen. Also habe ich den Dialog mit evangelischen Pfarrern gesucht, aber viel besser waren die Ergebnisse nicht. Außer das eine Pfarrerin mir sagte, dass ich das selbst für mich entscheiden sollte.
Nun, dann war da noch ein anderes Problem: Ich bin mit 12 Jahren darauf gestoßen, dass die Bibel während des Mittelalters öfter umgeschrieben wurde. Anime sei dank. Denn da kam irgendwo mal Lilith vor und das ergab für mich keinen Sinn, bis ich mich erinnerte, was ich im Brockhaus gelesen habe.
Gut, also Christentum ist nicht die Religion. Nächster Versuch: Back to the roots. Judentum. Nun, die Texte waren in deutscher Übersetzung teilweise klarer waren. Aber unsinnig war es ebenso. Nächster versuch: Islam. Koran. Wurde zwar verflucht, aber hell... Versuchen kann man es mal. Ich fand es ganz knorke, dass ein paar Stellen, die ich in der Bibel wirklich schlimm fand, gestrichen worden waren, aber fliegende Pferde? Wirklich?!
Dann kam auch bei mir die Politheistische Phase. Shintoismus und Wiccan. Shintoismus fand ich von der Mythologie her ziemlich cool und ich hatte dank meiner japanischen Kontakte sogar eine Miko im Bekanntenkreis und konnte auch mal mit Priestern in Düsseldorf sprechen und ich fand es auch cool, aber wirklich glauben...? Ich meine, ich fand es sehr cool, dass die Priester mir direkt gesagt haben, dass es viel mehr um den Kern des "der Natur ehren und das eigene Handeln überdenken" gehen würde und man keinen Shintoisten auf alle Götter festnageln würde - nicht mal zwingend auf die Kerngötter wie Amaterasu, Susanoo und so - aber an irgendetwas glauben... Und Wiccan... Nun, meine Cousine (die 15 Jahre älter ist als ich) war heimlich Wiccan und hat mich entsprechend auch auf Veranstaltungen mitgenommen und es hat mich fasziniert, zumal mein zudem 15jähriges Ich auch gerne an Naturmagie geglaubt hätte... Und ich habe es eine Weile verfolgt. Aber so wirklich? Nach einem Jahr bin ich dann auch an meine Grenzen des Glaubens gestoßen.
Als ich dann 16 war, hatte ich eine kurze Rückkehr zum Christentum, durch einen Relilehrer, der mir das alles interessant begreifbar gemacht hat... Nur dann stelle sich heraus, dass er an das, was er da unterrichtete, selbst nicht glaubte. Wie sollte ich es dann tun?
Zum Glück hatte ich dann unseren Schulpfarrer. Der hatte einige sehr interessante Ansichten zum Christentum - so interessant, dass ich ihn heute nicht mehr wirklich Christ nennen würde. So interessant auch, als dass er ständig im Streit mit dem Paderborner Bischof lag, zum Beispiel als er muslimischen Asylbewerbern im Pfarrhaus zuflucht gewährte und sie dort sogar zu Allah beten ließ (le gasp!) und dieser Pfarrer meinte zu mir und auch ein paar anderen Mitschülern, die dasselbe Problem hatten (ich sage ja: Konfessionsschule!), dass es nicht der Sinn des ganzen sei, dass wir uns einer Religion zuordnen, der wir uns nicht zugehörig fühlen. Er befreite uns betroffene auch vom Religionsunterricht, der an der Konfessionsschule ja verpflichtend war.
Und er hat uns ab und an so Schülernebenjobs gegeben... Indem er uns zum Beispiel hat das Pfarrhaus mit aufräumen lassen, Buchbesorgungen hat machen lassen oder... Uns für 15€ hat die Messe vorbereiten lassen, also zumindest einen Mitschüler und mich, da wir beide die Bibel gelesen hatten, sehr Bibelfest waren und gut darin reden (und damit auch Predigten) zu schreiben. Und wisst ihr, was das beste ist? Keiner hat's gemerkt. Unsere Interpretationen, wurden einfach entgegen genommen. (Und dabei fange ich gar nicht von der Woche an, in dem der Pfarrer krank war und der Ersatzpfarrer verreist und wir beiden Atheistischen Schüler (Klaus sah schon erwachsen aus, da er einen Bart hatte) drei Tage lang den täglichen Wortgottesdienst gehalten haben... Nein, niemand hat gemerkt, dass unser lieber Klaus gar kein Mönch, noch ein Theologe, sondern ein Atheist war.)
Ausgetreten bin ich aus der Kirche übrigens erst dieses Jahr, als Kirchensteuern drohten.
Was möchte ich mit dieser kleinen Ausschweifung sagen?
Nun, alles in allem: Man muss nicht an Jesus glauben, um die Bibel zu lesen und zu interpretieren. Mit Verlaub, an diesen Gott und an Jesus zu glauben ist sogar hinderlich dabei, da man sich dazu verleiten lässt, es pro-religiös auszulegen, wei es all die vielen Theologen auch machen.
Du kannst zumindest mri nicht vorwerfen, dass ich mich nicht mit der Bibel, dem Christentum oder - um genau zu sein - einigen anderen Religionen auskennen würden. Die Chancen stehen gut, dass ich mehr über deine Religion weiß, als du. Ich kann hier nicht für @Thrawn oder @Leviator oder einen der anderen Atheisten oder agnostischen Theisten hier sprechen, doch zumindest ich weiß sehr wohl, wovon ich rede.
Nebenbei kann ich Leviators Antwort bezüglich der Wissenschaft nur unterstreichen (und eigentlich auch den Rest des Postings).
Und um auf den letzten Teil deiner Antwort auf Leviator einzugehen: Es ist wichtig. Sehr wichtig. Denn du glaubst, Jesus erfahren zu haben und Jesus in irgendeiner Weise nahe zu stehen (so wie sich deine Postings lesen, stehst du Jesus näher als der Papst, der nämlich offen zugibt, eine solche Erfahrung nicht zu haben), aber in diesen Glauben bist du nur gekommen, weil du christlich erzogen wurdest und im christlichen Glauben aufgezogen wurdest. Die Chancen stehen gut, dass du, wärst du zum Beispiel in der Türkei geboren worden, nun versuchen würdest, uns zu erzählen, dass du Allah und Mohammed erfahren hast, oder, wärst du in Indien geboren, vielleicht versuchen würdest, uns von deiner Nähe zu Krishna zu überzeugen.
Du bist nur eins der Kinder, die als Kind indoktriniert wurden und es verinnerlicht haben. Und Studien zufolge, liegt das bei den meisten, die so überzeugt davon sind, entweder auf ein militant religiöses Elternhaus, oder auf eine genetische Veranlagung schlicht und ergreifend die Religion, mit der man am meisten konfrontiert wird, zu verinnerlichen zurück geht.
Sprich: Du bist mit 93%iger Wahrscheinlichkeit nur Christ, weil du in einem christlich geprägten Umfeld aufgewachsen bist.