„Was stimmt nicht mit dir?“, wollte Marie nun sichtlich verärgert wissen. Ihr Ärger rührte nicht daher, dass der Junge abgelehnt hatte, sondern von seinem Verhalten. „Wie kann man ‚schwer von Begriff‘ sein, wenn jemand einem etwas so deutlich hinhält?“ Dabei wiegte sie unbewusst den Oberkörper leicht hin und her, wobei ihr etwas interessantes auffiel: Ihr Gesprächspartner starrte weiterhin starr geradeaus, während ihr wohl jeder andere mit den Augen (gut diese waren bei Aru durch die Sonnenbrille bedeckt) oder dem Gesicht folgen würde. Erneut lehnte sie sich in eine Richtung und beobachtete das Gleiche. „Hey du kleiner Witzbold, hat dir noch nie jemand beigebracht, dass man andere Leute anschaut, wenn man mit ihnen redet?“, schimpfte sie beleidigt und mit deutlich aufkeimender Wut in der Stimme, „Selbst jemand wie ich weiß, dass das höflich ist und nebenbei kann ich es gar nicht ausstehen, wenn jemand versucht, mich zum Narren zu halten oder so direkt Geringschätzung zu erkennen gibt.“
Er hätte wohl wirklich nicht stehen bleiben sollen, als die Gruppe nach und nach aus dem Geschäft gekommen ist, dann hätte Aru, falls es überhaupt zu einem Gespräch gekommen wäre, sagen können, dass er in Eile war, nun war dies aber nicht mehr möglich, sein Gegenüber war verärgert und das offensichtlich auf Grund seiner Blindheit, durch die er auf normalem Wege nichts mehr sehen konnte. Wäre der Blinde kein Pazifist, gäbe es nun sicherlich einige Möglichkeiten, wie er sich aus dieser Situation befreien hätte können, so fiel ihm aber nur die Option ein, auch Marika zu enthüllen dass er nichts sehen konnte war. "Entschuldigung, dies war nicht meine Absicht..." Der Pazifist machte eine kurze Pause, bevor er etwas leiser fort fuhr: "Es ist nur so, dass ich nichts sehen kann..."
Mit vielem hatte Marika gerechnet, aber nicht mit dieser Erklärung und das nahm ihr allen Wind aus den Segel. Verdattert blickte sie Aru an, bevor sie kurz den Kopf schüttelte und ihre Verwunderung wieder in den Griff bekam. Sie glaubte ihm. Über so ein Thema machte man keine Scherze und so, wie er gezögert hatte, hätte es wohl keiner spielen können. Es schien ihm wirklich Überwindung gekostet zu haben, dies preiszugeben. „Wow“, meinte sie nur und kratzte sich leicht am Hinterkopf, „Schätze mal jeder von uns hat das ein oder andere Geheimnis, das er nicht preisgeben will, aber das ist echt heftig. Nur gut, dass dus gesagt hast, ich hätte dir deine ‚Unverschämtheit‘ wohl echt übel genommen.“ Sie verstummte einen Moment. „Ist es nicht sehr anstrengend, so etwas vor allen geheim zu halten?“
"Na ja... Sicherlich ist es nicht einfach und besonderst in Gesprächen oder wenn ich mit anderen etwas zu tun habe, könnte es zu Missverständnissen kommen, wie wir gerade gesehen haben. Über die Jahre hab ich mich aber daran gewöhnt, komme gut zurecht und Mitleid oder eine besondere Rücksichtnahme möchte ich nicht, weshalb ich versuche, es anderen nicht zu sagen." Gut, sie schien es zu akzeptieren und Aru zu verzeihen, dass er zuvor unbewusst unhöflich war.
„Kann ich mir denken“, stimmte die Streunerin ihm ruhig zu. Nachdem sie nun Arus Geheimnis wusste, war ihr Ärger auf ihn verflogen. „Sicherlich wäre es einfacher, es den Leuten zu sagen, vor allem, wenn man vorhat etwas länger wie gewöhnlich bei ihnen zu bleiben oder sich ihnen so seltsam verbunden fühlt, wie es hier der Fall ist, aber trotzdem hat man Angst vor den Reaktionen der anderen. Sie könnten einen bemitleiden, verspotten, verstoßen oder einen für eine Missgeburt halten.“, meinte sie bitter und schloss für einen Moment erneut die Augen, „Deswegen schweigt man lieber, auch wenn man weiß, dass Ehrlichkeit das einzig Richtige ist. Aber mach dir keine Gedanken, ich schätze jeder von uns hat so ein kleines, dunkles Geheimnis in sich, dass die anderen am besten auf keinen Fall erfahren sollen.“ Es war nicht klar, ob sie dies wirklich direkt zu dem Blinden sagte, oder selbst in Gedanken versunken war. Sie wandte sich wieder Aru zu. „Aber ich muss sagen, dass du meinen Respekt hast. Wenn das gerade nicht gewesen wäre, wäre mir nicht aufgefallen, dass mit dir etwas nicht stimmt. Und ob du es glaubst oder nicht, ich weiß sogar ein wenig, wie deine Welt aussieht. Ich bin vor etwas mehr als einem halben Jahr mehrere Tage lang durch das natürliche Höhlensystem unter den Stigsson Mountains geirrt. Wenn ich nicht irgendwann auf einen unterirdischen Fluss gestoßen wäre und diesem nicht hätte folgen können, wäre ich dort unten wohl zu Grunde gegangen.“
"Auch wenn es vermutlich sogar schlimmer ist, in einem dunklen Höhlensystem gefangen zu sein, da es sicherlich selbst für die anderen Sinne nur wenig zum Wahrnehmen gibt, besteht dort immer noch die Hoffnung wieder das Licht zu sehen, was nicht der Fall ist, wenn man blind wird. Wobei das vielleicht auch nur ansichtssache ist." Das viele ein Geheimniss hatten, konnte Aru nur zu gut nachvollziehen, aber ihn interessierten diese nicht wirklich. Ob sie darüber reden wollten oder nicht, war deren Sache, und eine gewisse Distanz ist oftmals der beste Weg für ein friedliches "Zusammenleben". Er selbst hatte auch noch das eine oder andere, zum Beispiel seine Fähigkeit.
Dass er bisher nicht aufgefallen war, zumindest leitete er es aus daraus ab, dass das Mädchen nichts ungewöhnliches an ihm bemerkt hatte, war auch gut, denn sein Auftritt beim Kampf gegen die Bestie könnte immer noch Folgen für ihn haben... besonders im Bezug auf seine Blindheit und seine besondere Wahrnehmung.
„Deswegen hab ich auch gesagt, dass ich es vielleicht ein bisschen verstehen kann. Natürlich könnte ich mir ein leben in der Dunkelheit nicht vorstellen…“, wehrte Marika ab „aber ich würde, wenn ich könnte wohl ohne zu zögern mit dir tauschen“, vollendete sie den Satz in Gedanken. Dann verschränkte sie die Arme hinter dem Kopf, wobei ihre Finger wieder die empfindliche Stelle in ihrem Nacken berührten und sie leicht zusammenzuckte und lehnte sich, nun vorsichtiger an eine nahe Hauswand. „Ich hab übrigens kein Problem damit, dass wir nicht alle voll ehrlich zueinander sind, aber verzei, dass ich aufgebracht war, ich hatte noch nie mit einem Blinden zu tun. Ich nehme an, du willst nicht, dass die anderen es erfahren, wenn es sich vermeiden lässt?“
Anscheinend war der Pazifist wieder zu aggressiv gewesen, auch wenn er dies nicht beabsichtigt hatte, da seine Gesprächspartnerin abwehrend antwortete. Gespräche waren wirklich nicht seine Stärke. Marika schien nun die Position zu wechseln. Ein erneuter Scann der näheren Umgebung bestätigte dies, verriet dem Blinden, dass sie sich wohl nun an einer Hauswand gelehnt hatte und dementsprechend wendete Aru sich ihr nun erneut zu, bevor er antwortete. "Ja, ich denke zumindest vorerst wäre es so besser..."
„Das ist deine Sache.“, antwortete Marie nur, „Ich habe kein Interesse, dein Geheimnis irgendwem zu verraten und wenn die anderen es erfahren sollen, ist es deine Sache, es ihnen zu sagen.“
Aru antwortete darauf lediglich mit einem "mhm". Wirklich etwas anderes sagen konnte er nicht und ein Gespräch zu beenden war ihm lieber, als es weiter zu führen, besonders dann, wenn es sich anbot.
Sie beide hatten offenbar nichts mehr zu sagen und so warteten sie einfach schweigend auf die anderen.
OT: Hier sin'mer auch fertig und dürfen gerne wieder eingesammelt werden. ^^
BTW ihr seid alle echt super^^. So viel Interaktionen so einer Situation gabs selten bei nem RPG und ich finds verdammt toll, solche Spieler hier zu haben^^