Viele beschreiben die Kindheit als schönste Zeit, wobei ich das nicht so ganz verstehen kann.
Wundert mich wenig, du kennst ja das Leben danach noch nicht. Ich war bei der Bundeswehr, hab mich an einem Studium versucht, habe eine Ausbildung gemacht und arbeite jetzt. Und weißt du was? Es war zu keiner Zeit annähernd so entspannt, wie in der Schule. Am einfachsten war noch die Ausbildung, zumindest, wie unüberraschend, in den Schulwochen.
Viele Stundenten leben nicht mal von 1000 € im Monat, ohne die Studiengebühren mit einberechnet und man wird einem eigetrichtert man lebt später besser.
"Nichtmal 1000 €"? Ich selbst hatte "nur" knapp 700 € und war damit noch verhältnismäßig gut dran. Da mussten andere mit rund 500 € auskommen. Und weißt du was? Das klappt. Und das nichtmal so schlecht.
Dafür lernt man Sachen wie: "Strahlensätze in Mathe", "Formeln zur Berechnung von physikalichen Vorgängen" und viele weitere Sachen, die man später nicht braucht.
Derartigen Blödsinn höre ich so oft, dass ich kotzen möchte. In der Schule bekommt man Allgemeinbildung beigebracht. Ich brauch für meinen Job nicht Noten lesen und Texte interpretieren. Auch muss ich für meinen Job nicht wissen, wann die französische Revolution war und wie Osmose funktioniert. Und trotzdem will ich nichts davon missen. Ich kann mich mit Menschen unterhalten, versteh vielleicht bei Menschen vom Fach nur die Hälfte, aber zumindest versteh ich, was diese mir grad versuchen mitzuteilen.
Und jetzt kommts: Die Strahlensätze und diverse Formeln für physikalische Formeln benutze ich ständig. Zumal letztere so allgemein von dir gehalten wurden, dass man zwangläufig beispiele findet, wo diese zur Anwendung kommen. Das merkt man allerdings erst, wenn man kapiert hat, was dahintersteckt.
Man steht als Schüler unter permanenten Leistungsdruck. Wenn ein Schüler in einem Fach nicht so gut ist und eine 5 bekommt, darf in keinem anderen Fach mehr eine 5 oder 6 bekommen, sonst dreht man eine Ehrenrunde. Bei zweimaligen Sitzenbleiben hat vor den 9.Klasse sogar keinen Abschluss.
Dieser Druck wird massiv von Lehrern und Eltern verstärkt. Manche von ihnen machen den Stoff schnell durch und erklären einem gar nichts.
Ich verrat dir ein kleines Geheimnis, aber sags bitte nicht weiter: Das ist gar nichts neues. Meine Schulzeit ist nun fast 10 Jahre her und ich kenn das auch. Noten gabs auch damals und Leute, die in mehreren Fächern richtig schlecht waren, mussten die Klasse wiederholen. Leute, die ohne Abschluss die Schule verlassen haben? Nichts neues. Lehrer und Eltern, die Druck machen? Nichts neues. Unfähige Lehrer, die nur ihren Stoff durchprügeln? Nichts neues.
Und deshalb bin ich dafür, dass unser Bildungssystem sich ändern sollte.
Und was schlägst du vor? Ich mein, es ist eine Sache etwas anzuprangern, eine zweite Sache Lösungen vorzuschlagen.
Eine Sache, die du völlig vernachlässigst, ist die Rolle der Schüler im Schulsystem. Diese sitzen oft genug auch nur völlig desinteressiert rum, hören nicht zu, quatschen lieber mit Banknachbarn oder besser noch mit irgendwem quer durch den Raum. Dass man beispielsweise durch aufpassen den Lernaufwand, den man zuhause betreiben muss, radikal verringern kann, scheint den meisten Schülern nicht wirklich klar zu sein.
Eine inhaltliche Reduzierung des Unterrichts halte ich nicht für zweckmäßig. Ich will beim besten Willen keine Fachidioten haben, die geradeso Lesen und Schreiben können und ohne Taschenrechner schon mit Grundrechenaufgaben überfordert sind, die, wenn sie Schiller hören, an ein Eis denken.
Letztlich würde ich in Sachen Bildungssystemverbesserung zwei Dinge als notwendig ansehen:
1. Eine Vereinheitlichung der Inhalte und Leermethoden, weg von "Schule ist Ländersache".
2. Stärkere Konzeptionierung. Aktuell ist es doch so, dass jeder Lehrer irgendwie den Unterricht gestaltet, wie er das grad für richtig hält. Der eine Lehrer lässt die Schüler gern Vorträge ausarbeiten, der nächste hat im Studium gelernt, wie toll Gruppenarbeiten sind, der dritte hat keinen Bock auf neumodischen Scheiß und macht lieber klassischen Frontalunterricht. Das Bildungssystem sollte da schon eine gewisse Richtung vorgeben, wie welche Inhalte transportiert werden sollen. Es muss eine Idee dahinter stecken, warum man an welcher Stelle welchen Inhalt wie aufbereitet.