Mein jüngster Bruder ist Autist und ich habe einfach oft genug mitbekommen, wie Witze auf seine Kosten gemacht wurden, weil man es ja ach so lustig fand, dass er nicht verstanden hat, dass man sich grad auf seine Kosten amüsiert. Und auch wie sehr es ihn zum Teil verletzt hat, wenn er mit anderen spielen wollte und mitbekommen hat, dass die sich nur über ihn lustig machen wegen seinem Autismus.
Das kann ich sehr gut verstehen. Ich denke, es kommt vor allem auch darauf an, wie bewusst man sich eben selbst der Witze ist und welchen unterton sie haben. Wenn sich Leute darüber lustig machen, dass ein Autist es ja eh nicht mitbekommt, dann wird der betroffenen Person die Möglichkeit genommen, eben selbst den Witz darin zu verstehen, weil es einfach nur hinterhältig und gemein ist. Die Witze werden gemacht, um Leute zu verletzen, nicht aus ernsthaftem Spaß. Und es macht eben auch einen sehr großen Unterschied, wie weit die betroffene Person grade in der Selbstakzeptanz ist. Wenn ein Autist mit sich selbst und seinem Leben glücklich ist, wird ein Witz über seinen Autismus auch nochmal ganz anders wirken, als wenn derjenige extreme Selbstzweifel wegen des Autismus hat und ihn selbst eher als Fluch ansieht. Wobei das allerdings auf alles zutrifft, bei dem eine Person selbstzweifel hat. Das muss keine Neurodiversität, Behinderung oder ein anderer Grund für Diskriminierung sein, das können auch schon eigene Interessen oder fehlende Kochfähigkeiten sein, für die man sich schämt.
Ich denke bei solchen Witzen, wie allgemein bei Witzen auf Kosten anderer, kommt es einfach sehr stark darauf an, welche Beziehung die beiden Personen zueinander haben und ob aufgrund dessen gut abgeschätzt werden kann, was in Ordnung ist und was zu weit geht.
Das kommt dann eben auch noch dazu und unterstützt die schon genannten Punkte. Wenn jemand, mit dem ich eine enge Beziehung führe, einen Witz über meine Depressionen macht, dann wird derjenige das kaum während einer depressiven Hochphase machen, eben weil die Person meine Umstände und Selbstwahrnehmung in der Situation kennt. Und wenn dann doch ein Witz kommt, dann eben aus der Intention heraus, mich aufzuheitern und mir einen weniger deprimierenden Blick auf die Welt in dem Moment zu geben. Das kommt mit wachsendem Vertrauen und wenn man Menschen besser kennen lernt und eben gemeinsam in den Punkten daran wächst, dass man darüber redet, was in Ordnung ist und was nicht.
Dazu noch: Ich mache selbst Witze über meine eigenen Neurodiversitäten und körperlichen Einschränkungen, weil ich Humor einen guten Weg finde, mit den Themen umzugehen und sie besser als Teil meines Lebens zu akzeptieren. Insbesondere bei Dingen, die ich nicht mehr wirklich verändern kann und einfach akzeptieren muss. Ich will mich auch nicht davon runterziehen lassen, sondern einfach so positiv wie möglich damit umgehen und Humor gehört da auch mit dazu. Lachen ist immerhin gut für Körper und Seele. Und so lange andere Personen mit der gleichen Intention Witze darüber machen, wie ich es tue, habe ich damit auch absolut kein Problem.