Hochnäsigkeit, Angeberei, abgehoben sein... Das sind Charaktereigenschaften, die viele Leute negativ finden und sich gegenüber Leuten mit diesen Eigenschaften nicht wohl fühlen. Ein Mensch mit einem sehr großem Selbstbewusstsein (um es mal schön zu sagen) unterdrückt uns gerne mal, also ist es auch kein Wunder, dass sich so mancher in solch einer Gegenwart nicht wohlfühlt. Solche Leute fallen wegen diesen Eigenschaften auch sehr leicht auf, weil sie gerne mal im Mittelpunkt stehen wollen. Ich aber hinterfrage auch Leute, die (scheinbar) nicht so gerne im Mittelpunkt stehen wollen und sich sehr Bescheiden geben.
Okay, zuallererst einmal möchte ich hier ein paar Dinge differenzieren...
- Es gibt einen schmalen Grad zwischen selbstbewusst sein und abgehoben sein. Er ist schmal, aber er ist da.
- Schüchterne Menschen müssen nicht gleich falsch bescheiden sein. Oftmals fehlt es nur an Selbstbewusstsein und sie stehen wirklich eher im Hintergrund.
- Niemand muss sich gleich in eine der zwei Gruppen einordnen
Okay, ich behaupte also es gibt das Abgehoben sein und die falsche Bescheidenheit.
Doch wie komm ich darauf? Hier mal ein klassisches Beispiel:
Die Schüler schreiben heute eine große Mathematik-Schulaufgabe. Wie gewohnt werden am Ende gute aber auch weniger gute Noten dabei rauskommen. Michael tat sich noch nie richtig leicht mit Mathe, war jetzt aber auch nicht der allerschlechteste in dem Fach. Dieses Mal hatte er sich beim Lernen besonders ins Zeug gelegt, was er auch seinen Klassenkameraden und auch seinen Eltern erzählt. Schon im Vornherein belächeln einige Michael nur. Schließlich waren seine bisherigen Leistungen in Mathe jetzt nicht immer die besten. Andere wieder rum denken sich: ,,Hey, also wenn sich bei dem Thema sogar der Michael leicht tut, dann werd ich da schon auch ne passable Note bekommen!´´
Maria ist eine sehr eifrige Schülerin und schrieb in der Schule gute Noten. Maria hat sich schließlich auch immer sehr in die Schule reingehängt. Eine Klassenkameradin sucht vor der Schulaufgabe nochmal Rat bei ihr und erzählt in welchen Bereichen sie Schwierigkeiten hat. Maria antwortet ihr: ,,Oh ja, das ist echt nicht einfach... Ich hab mir das gestern nochmal durchgelesen, aber es gleich wieder aufgegeben... Ich verstehe das eh nicht. Ich hoffe, dass das nicht in der Schulaufgabe gefragt wird.´´
Als die Schüler die Schulaufgabe geschrieben haben, redeten sie in der Pause gleich über einzelne Aufgaben. Michael meinte, ihm seien manche Aufgaben sehr leicht gefallen. Im Großen und Ganzen ist er zufrieden, es wird bestimmt eine 3, wenn nicht sogar eine 2. Maria hingegen hält sich zurück. Als sie aber von ein paar Leuten gefragt wird, wie es ihr ging, meinte sie, dass es besser hätte sein können. Sie will erstmal nicht über das Thema reden und wartet ab.
Als die Schüler dann die Schulaufgabe zurückbekommen haben, hatte Michael eine 4 und Maria eine 1. Erstaunt fragte Michaels Mutter: ,,Aber Michael, ich dachte, du hättest viel gelernt und selbst nach der Schulaufgabe noch ein gutes Gefühl gehabt?´´
Michael fehlen die Worte...
Maria hingegen wurde für ihre sehr gute Note bewundert. ,,Wow! Und das obwohl sogar DIR die Schulaufgabe so schwer gefallen ist?´´
Selbst wenn Michael eine gute Note geschrieben hätte: Ein paar seiner Klassenkameradin waren im Vornherein skeptisch, weil er große Töne gespuckt hatte.
Hätte Maria aber eine schlechte Note geschrieben, dann hätte das manche nicht verwundert. Schließlich hat sie ja schon im Vornherein gesagt, sie würde sich schwer tun. Und auch so ein Mensch wie Maria kann mal eine schlechte Note schreiben und schwierige Schulaufgaben besser erkennen als manche anderen.
Hätte sich das bei mir früher in der Schule so abgespielt, wäre mir Maria etwas unsympathischer geworden und nicht Michael. Ja, er mag sich vielleicht überschätzt haben und hätte damit nicht rumprahlen sollen, aber macht ihn das aus menschlicher Sicht schlechter als Maria? Natürlich nicht, so ein Unsinn. Wieso können beide der Sache nicht neutral gegenüber stehen? ,,Ein Gentleman schweigt und genießt´´, sag ich da nur.
Auch ich bin oft in Situationen, in denen ich mich einschätzen soll, mich bewerten soll. ,,Hey, ich hatte ein echt gutes Gefühl, also warum nicht!´´ oder ,,Es ging mir schon gut dabei, aber wenn das die anderen wüssten, hätten sie nur hohe Erwartungen an mir...´´ Das Schlimme an der Sache: Ehrlichkeit ist oft das was die Leute nicht hören wollen und in mancher Hinsicht keine Lösung. Hätte es den ,,Überraschungseffekt´´ bei Maria gegeben, wenn sie der Schulaufgabe nicht pessimistisch gegenüber gestanden hätte? Sicherlich nicht! Tut sie das mit Absicht? Ist sie mit Absicht falsch bescheiden? Sie ist sehr zurückhaltend, schwer einzuschätzen, während Michael gerne mal den Macker spielt. Die ganze Klasse kennt Michael daher sehr gut, viele mögen ihn, viele wissen aber auch, dass er einfach nur vorlaut ist, häufig mal naiv usw. Über Maria hingegen weiß ich auf Grund ihrer Art weniger. Nur weil Michael ein offensichtlicherer Mensch zu sein scheint, heißt das noch lange nicht, dass Maria deshalb irgendwie ,,unschuldig´´ sein muss.
Ich beobachte gerne in der Freizeit die Verhaltensweisen von anderen Menschen. Meistens sogar die der stillsten und zurückhaltendsten am liebsten. Und immer wieder beobachte ich, dass es protzige Menschen gibt, aber auch sehr scheinheilige Menschen. Und den scheinheiligen Menschen glauben andere scheinbar gerne...
Was haltet ihr von diesem Thema?
Hab ich mir das irgendwie nur ausgedacht, oder könnt ihr das Thema selbst nachvollziehen/euch damit identifizieren?
Kennt ihr noch weitere Situationen in denen falsche Bescheidenheit oder Scheinheiligkeit auftaucht?
Liebe Grüße, euer thomasRPG