Ähnlich wie im letzten Jahr gibt es auch dieses Jahr wieder eine bestimmte Anzahl an Punkten, die ihr den Texten geben könnt. Dabei ist zu beachten, dass ihr frei wählen könnt, wie genau ihr die Punkte verteilt und welche Texte mehr Punkte als andere bekommen. Achtet jedoch darauf, dass ihr die Punkte, die euch zur Verfügung stehen, komplett ausschöpft. Votes, welche zu wenige oder zu viele Punkte enthalten, können leider nicht gezählt werden. Des Weiteren solltet ihr eure Punkte mindestens auf drei Texte verteilen, eure Wahl begründen und natürlich nicht für eure eigenen Texte voten. Es ist außerdem hilfreich, euch das "How to vote-Topic" anzusehen. Schreibt ihr in dieser Saison besonders viele Votes, habt ihr die Chance auf Medaillen. Weitere Informationen findet ihr hier: Informationen und Regeln zur Wettbewerbssaison 2014
Wer neben den Votes noch weitere Kritik für dein Werk erhalten möchte, aber kein eigenes Topic erstellen will, der kann dies gerne in unserem Einzelne Werke-Topic tun!
Zitat von AufgabenstellungOrtsbeschreibung
Der Name ist Programm. Beschreibt einen Ort, einen realen Ort, einen Fantasieort, einen Ort in der Pokémonwelt - es ist alles erlaubt. Ob schön und idyllisch oder dreckig und trist, völlig egal. Hauptsache, es ist eine Beschreibung, bei der Personen nicht im Mittelpunkt stehen, sowie kaum Handlung stattfindet. Personen dürfen durchaus an diesem Ort sein, Teil von diesem Ort sein, und man kann den Ort zum Beispiel auch aus der Sicht eines Anwesenden beschreiben. Schlussendlich soll es aber eine reine Ortsbeschreibung sein.
Ihr könnt 6 Punkte verteilen, maximal 3 an eine Abgabe
ZitatAlles anzeigenID: [DEINE USERID]
AX: X
AX: X
Beispiel:
ID: 27258
A16: 3
A1: 5
A3: 1
A7: 1
A9: 2
Der Vote läuft bis Sonntag, den 14.09.2014, um 23:59 Uhr.
[tab=Abgaben]
Eine weiße Decke hatte sich über die vier Häuser dieses winzigen Dorfes gelegt, dessen Lichter mir direkt in die glänzenden Augen strahlten. Als der Schnee erneut den Boden benetzte, fiel mein Blick umgehend auf ein Mädchen, welches lächelnd in dieser Winterwelt spielte. Wie im Inneren dieser Schneekugel wirbelten die Flocken vor dem Schaufenster umher, während ich mein blasses Gesicht an dessen Scheibe drückte und die Ausstellungsstücke bestaunte. Die Flucht vor der Kälte führte mich in diesen Spielzeugladen hinein. Nachdem ich die verzierte Klinke heruntergedrückt und sich die Tür mit dem Läuten zweier Glöckchen geöffnet hatte, die an einem hauchdünnen Seil über dem Rahmen befestigt worden waren, begrüßte mich eine wohltuende Wärme. Die zahlreichen Tischlampen in den Regalen warfen zusammen mit dem verstaubten Deckenfluter genügend Licht, um selbst den Gehweg vor dem Geschäft zu erleuchten und meine Augen für kurze Zeit zu blenden. Allerdings wurde ihnen anschließend ein Anblick an Spielzeugen geboten, an dem sie sich bei meiner Faszination für solche Schätze wohl nie hätten satt sehen können. Doch ich fühlte mich beobachtet. Im Augenwinkel konnte ich Bewegungen wahrnehmen und spürte einen unheimlichen Windhauch an meinen erkalteten Wangen. Als ich mich vorsichtig zur Seite drehte, entdeckte ich den Übeltäter: eine weiße Winkekatze fächerte mit ihren Bewegungen wohl jedem Gast ein Lüftchen zu. Sie stand auf einer zerkratzten Kommode aus edlem Holz, sofern mein ungeschultes Auge dies erkennen konnte. Auf der linken Seite reihten sich die exotischsten Plüschtiere von flauschigen Hunden bis zu Affen mit Schlagzeugen in den Regalen aneinander. Wie gern hätte ich in diesem Moment einfach eines in die Hände genommen oder einen der Primaten auf den Boden abgesetzt, um ihn an dem Rad auf seinem Rücken aufzuziehen und trommeln zu lassen. Ich musste mich aber beherrschen, näherte mich mit vorsichtigen Schritten dem Tresen, welche dennoch ein ordentliches Knacksen auf dem alten Holzbalken unter meinen Schuhen hinterließen. Auf jenem entdeckte ich eine moosgrüne Kasse. Ich hörte in dem Augenblick gedanklich schon die Münzen darin klimpern, falls ich zu dieser schrecklichen Tat kommen sollte.„Guten Tag, ich komme sofort. Schauen Sie sich in der Zeit ruhig noch ein wenig um!“, erklang eine tiefe Stimme aus den hinterem Raum, der sich mit offener Tür an die große Ladenfläche angliederte. Bevor der Besitzer des Geschäfts aus seinem Versteck zu mir stieß, schlenderte ich auf sein Angebot hin noch ein wenig durch die Gänge zu meiner Rechten. Im Gegensatz zu den Regalen auf der linken Seite reichten ihre gegenüberliegenden Exemplare bis an die Decke, sodass man sich beim Durchgehen stets auf die dortigen Waren konzentrierte und geschützt vor den Blicken anderer Kunden fühlte, wobei an diesem Abend bis auf meine Person niemand anwesend gewesen war. Erneut bekam ich den Eindruck, beobachtet zu werden; dieses Mal waren die perlförmigen Augen brauner Teddybären schuld daran. Bei diesem konnte ich mich einfach nicht zurückhalten und nahm einen kurz hervor, strich mit der Hand über den kuschelweichen Stoff an seinem Köpfchen, legte ihn jedoch sofort wieder zurück, als ich durch ein Geräusch aus meinen Kindheitserinnerungen gerissen wurde. Zwei Meter vor mir standen auf der Innenseite des Schaufensters neben den Schneekugeln sicher ein Dutzend Spieluhren auf mehreren Ebenen verteilt. Die Melodie einer davon stimmte gerade ihre ersten Töne an und lockte mich zum vorderen Bereich, in welchem sich ebenfalls gut sichtbar für Schaulustige ein Puppenhaus auf einem Tisch aus Marmor befand. Bis auf das oberste Zimmer konnte man überall eine Puppe vernehmen, vom Großvater, den Vater bis zum Sohn der harmonisch wirkenden Familie. Mein Lächeln, welches mir die bisherigen Stücke herbeigezaubert hatten, verflog schlagartig und meine Miene verfinsterte sich, als ich mich an dieses eine Puppenhaus erinnerte. Mit meinem linken Handschuh rieb ich mir eine Träne von der Wange, während auch noch im selben Moment das Lied der Spieluhr aufhörte und ein besonders trauriges einer weiteren ansetzte. Nachdem ich allerdings ein paar Schritte im Hintergrund vernahm, zog ich die Handschuhe schnell aus und lief durch den letzten Gang an der rechten Wand zurück zum Tresen, in welchem sich lediglich ein paar Spielzeuge aus Porzellan oder anderen Materialien befanden, von denen einige wohl die beiden Weltkriege miterlebt hatten. Ich schenkte keinem mehr Beachtung, da ich schon wieder in meinen Gedanken um die Tat versunken war, die mir noch immer Bauchschmerzen bereitete. „Was kann ich für Sie tun, gnädige Frau?“, sagte ein alter Herr mit ergrautem Haar und Hosenträgern auf einmal vor mir stehend. Sein Gesichtsausdruck würde wohl jedem Kind eine Freude bereiten, sobald es diesen Laden betritt, doch ich war kein Kind mehr. Nachdem ich den Reißverschluss meiner Handtasche geöffnet hatte, wühlten meine Hände nach etwas, das mir sehr viel bedeutete. Ich hielt dem Herrn eine Puppe entgehen, welche mit ihrer hellblauen Haube und dem weißen Rock im Stil mit den Exemplaren aus dem Puppenhaus scheinbar identisch war. „Das ist Claudia. Meine Großmutter hat sie mir in meiner Kindheit geschenkt und bat mich in ihrem Testament, sie zurückzubringen und mich für sie zu entschuldigen. Damals hatte unsere Familie kein Geld für Spielzeuge, weshalb Claudia von ihr unbemerkt aus diesem Geschäft geklaut wurde. Ich hoffe, dass Sie dafür Verständnis haben.“ Der Mann staunte nicht schlecht, als er dieser Anekdote folgte. Er fasste sich mit einer Hand an den Bart und zwirbelte an dessen Haaren herum, bevor er mit mir stumm zum Puppenhaus schritt. „Sehen Sie. Das obere Zimmer ist seit mindestens dreißig Jahren leer gewesen und vollkommen unordentlich. Es wäre schade, wenn Claudia dort noch alles aufräumen müsste, bevor sie dort wieder thronen könnte, also lassen wir das Mädchen doch lieber bei ihrem Besitzer“, sprach er und zwinkerte mir entgegen. Unerwartet schaute ich in Claudias Augen und wieder in das obere Zimmer des Puppenhauses, in welchem sich Miniaturausgaben von Büchern auf dem angedeuteten Teppich stapelten und ein Kleid willkürlich auf das Bett geworfen wurde, wie es schien. Auch wenn ich stets ein aufrichtiger Mensch wie meine Großmutter gewesen bin, konnte ich es in dem Moment nicht über das Herz bringen, Claudia doch wegzugeben, obwohl es das richtige gewesen wäre. „Ich danke Ihnen, aber dann lassen Sie mich wenigstens den Teddybären für etwas mehr Geld als seinen Preis mitnehmen, damit unser Kind einen Spielgefährten bekommt“, erwiderte ich ihm nach einer Weile. „Welches Kind meinen Sie? Das Kind in Ihnen oder Claudia?“, entgegnete der alte Herr mit einem Lächeln und begab sich in die mittlere Reihe der Regale, um mir den Teddybären zu überreichen.
Fandom: The Walking Dead
Das Hügelland im Herzen North Carolinas beherbergt mehrere tausend Hektar Wald. Die meisten der Bäume sind Kiefern. Im Spätsommer sind die Wälder daher stellenweise nicht orange, gelb oder rot, so wie in vielen anderen Regionen der Vereinigen Staaten, sondern dunkelgrün. Hunderte Waldhäuser sind über ganz North Carolina verteilt. Nur eines davon gehört mir.
Ich sollte öfter herkommen. Das ist der erste Gedanke, den ich habe, als ich auf der Wiese sitze und mich umsehe. Es ist um diese Uhrzeit immer sehr still im Wald. Da ich direkt bin dem ersten Sonnenstrahl aufgestanden bin, kann es nicht später als halb acht Uhr morgens sein. Die Morgensonne bemüht sich darum, das dichte Dach aus Baumwipfeln zu durchdringen. Ich lehne mich zurück und spüre den Baumstamm an meinem Rücken.
Die Lichtung, auf der ich sitze, ist in etwa so geformt wie ein Oval. Derjenige, der diesen Platz einst für das Waldhaus vorbereitet hat, verstand etwas von Landschaftsarchitektur. Besonders viel hat er vermutlich nicht getan, denn ich sehe keine Baumstümpfe, die davon zeugen würden, dass diese Stelle früher ganz bewachsen war. Stattdessen beherrscht ein Bündnis aus Gras und Moos die Lichtung. Ein paar große Felsen liegen auch herum. Weiter hinten plätschert ein kleiner Bach den Abhang herunter. Mehrere Rehe bleiben stehen und laben sich an dem frischen Nass.
Ein Vogel fliegt über mich hinweg und verschwindet irgendwo zwischen den anderen Nadelbäumen. Ich sehe ihm nach. In dieser Region wachsen vorrangig Kiefern. Mein Blick bleibt an einem tief hängenden Zweig hängen. Durch den Morgentau ist er ganz feucht. Mehrere Wassertropfen hängen an den Nadelspitzen. Das Sonnenlicht bricht sich darin. Die Sonne steht bereits hoch genug, dass sich meine Lichtung nicht mehr im Schatten der nahen Berge befindet.
Die Baumgrenze verläuft in einem nicht zu engen Kreis um das Haus herum. Eine typisch-amerikanische „Cabin“, so wird diese Schönheit aus Holz genannt. Um die Natur zu schonen, hat man darauf verzichtet, ein Fundament aus Beton zu setzen. Stattdessen steht das Haus auf einer Plattform aus Holz. Das Gelände ist leicht abschüssig. Das rechte Drittel der Plattform wird daher von Säulen verschiedener Größe gestützt. Ein Holzgitter versperrt die Sicht auf diese Säulen. Einen Durchgang gibt es allerdings nicht. Um unter die Plattform zu kommen, muss man vom Haus aus durch die Luke im Erdgeschoss klettern.
Das alles weiß ich, ohne es mir anzusehen, denn ich war immerhin oft genug hier, um das Haus in - und auswendig zu kennen. Es besteht größtenteils aus Holz. Die Farbe ist dieselbe wie die der Kiefern um mich herum. Ein dunkles Braun. Die Fenster- und Türrahmen sind weiß gestrichen, ebenso wie die Balken, welche die Veranda stützen. Ich zähle kurz nach. Es sind fünf Stück. Die Haustür liegt genau vor mir. Rechts und links davon befindet sich jeweils ein Fenster. Im zweiten Stock wiederholt sich dies. Dort sind die Fenster aufgrund des Spitzdaches allerdings ein wenig dichter zueinander versetzt. Ganz oben, direkt unter dem Giebel, ist ein kleines, weißes Gitter angebracht. Wahrscheinlich eine Art Lüftungsschacht.
Genug ausgeruht. Es wird Zeit. Ich überquere die Lichtung mit großen Schritten.
Auf der linken Seite blockiert ein Stapel aus Feuerholz den Zugang zur Veranda, daher gehe ich einige Schritte den Hügel herab und muss die Treppe benutzen, welche dort hinaufführt. Meine Schritte knarren auf den Holzdielen. Die Veranda ist überdacht. Mit einer routinierten Bewegung öffne ich die Vordertür und betrete die Cabin.
Durch das kleine Vorzimmer kann ich den Hauptwohnraum sehen. Ein paar Bilder hängen an links von mir an der Wand. Die Szenen darauf erinnern mich an die Bergwelt. Auf dem Boden liegt ein dünner, blauer Teppich. Ich lasse die Hand an der glatten Holzwand entlang gleiten, als ich das kleine Vorzimmer verlasse und mich im Hauptraum wiederfinde.
Das große Sofa erinnert mich daran, wie viel ich heute zu tun habe. Es steht mitten im Weg. Man muss extra außen herum gehen, wenn man zur Treppe und damit ins Obergeschoss will.
Auch innen dominiert das Holz die Riege der Baumaterialien. Lediglich der kleine Metallofen besteht aus etwas Anderem. Auf dem Tisch liegt ein Paket mit neuen Spielkarten. Ich schiebe das Sofa mit einiger Anstrengung ein Stück nach vorn, sodass es näher am Tisch steht und die entstehende Gasse groß genug ist, damit man ungehindert passieren kann. Schon sieht der Raum wieder ein Stückchen besser aus.
Zwei Sessel stehen auf der anderen Seite des Tisches. Die weißen Gardinen vor den Fenstern sind beiseite gezogen, um das Licht des anbrechenden Tages herein zu lassen. Auch unter dem Tisch liegt ein kleiner Teppich. Der Rest des Holzbodens ist unbedeckt.
Das Obergeschoss ist vom Raum her wesentlich kleiner. Wenn man über die Treppe nach oben gelangt, findet man sich auf einer Galerie wieder. Das ebenfalls hölzerne Geländer bietet freie Sicht hinunter in den Hauptraum, welcher sozusagen bis unters Dach reicht. Von diesem kleinen Flur aus hat man die Möglichkeit, eines der drei Zimmer hier oben zu betreten. Eines davon ist mein Schlafzimmer. Das zweite hält als Gästezimmer her. Und das letzte ist mein Badezimmer.
„Denk daran, noch mehr Feuerholz zu besorgen“, steht auf einem kleinen Zettel, der neben den Spielkarten liegt. Ich erkenne die Schrift. Sie gehört meinem Onkel. Er weiß genau, dass ich körperliche Arbeit hasse, aber es muss getan werden. Die Axt lehnt an der Wand neben dem Ofen. Zeit für ein wenig körperliche Ertüchtigung.
Mein Blick fällt aus dem Fenster. Zwei Eichhörnchen sitzen auf der Fensterbank. Es riecht nach Holz und Rauch. So ein schöner Morgen.
Die Tür ist offen. Ihre abertausend Schlösser waren, wie durch Zauberhand, geöffnet worden und ein unscheinbarer Weg erstreckt sich nun entblößt hinter ihr. Was sich an seinem Ende verbergen mag?
Lang war die Tür das Sehnsuchtsobjekt gewesen, von dem in jeder Nacht geträumt, deren Schlösser zum Einschlafen gezählt (und um seligen Schlaf zu gewährleisten, gedanklich aufgeschlossen wurden) und zu dem jeder noch so kleine, freie Gedanke abschweifte. Die Tür war unscheinbar, nur ein Teil im Mauerzaun. Ohne die Schlösser wüsste man kaum zu erkennen, dass sie vorhanden war. Grau und kantig zog sich der Stacheldraht über ihre Flanken, wand sich und band sich an die betonierten Stützpfeiler. Bis hinauf zur schwach leuchtenden Laterne, die mit gruseligen Blicken jene strafte, die auch nur daran dachten, ihren Rücken zu betrachten. Jeden.
Einer drängt sich vor den anderen. Hungrig will jeder einen Blick auf das erhaschen, was man Freiheit nennt – die Tür ist offen, aber die Angst hält die Schlösser fest verschlossen. Es reicht ein Flackern der Laterne, und ein Dutzend Paare nackter Füße flüchtet geschwind, zurück in ihre Baracke. Bei Sonnenaufgang war alles nur ein Traum – jemand hatte wohl lange nicht einschlafen können.
Ein seltsames und doch zugleich äußerst edel anmutendes Gebäude erhob sich seid Beginn der neuen Ordnung in dem Reich Grezena über der Stadt Seiang. Weit über den geschäftigen Straßen und den Häusern in allen Größen und Preiskategorien thronte der goldene Palast auf einer uralten Klippe, die bereits vor Urzeiten damit begonnen hatte, sich gen Himmel zu recken. Selbst die erstaunlich hoch gewachsene Trauerweide, die als Baum des Friedens galt und als solcher selbstverständlich genau im Zentrum Seiangs seinen Platz gefunden hatte, konnte nur davon träumen sich eines Tage zumindest ansatzweise auf derselben Höhe wie das prunkvolle Gebäude zu befinden. Als würde sie sehr unter diesem Umstand leiden, hatten sich ihre kraftlos wirkenden, tiefgrünen Zweige in den letzten Jahren immer weiter dem Erdboden genähert. Inzwischen strichen ihre breiten Laubblätter sanft über die stets ruhige Wasseroberfläche, die sich durch den Regen allein in dem Becken des ehemaligen Springbrunnens gebildet hatte. Die Weide hatte das steinerne Kunstwerk schneller überwuchert, als seine Erbauer gedacht hatten. Nun konnten neugierige Betrachter nur noch dann einen Blick auf die kunstvollen, in den Stein gehauenen Verzierungen und Bildnisse werfen, wenn der Wind die Zweige sacht beiseite schob. Die meiste Zeit über blieben die abgebildeten Könige, Königinnen, die verewigte Niederschlagung der Sklavenrebellion und die Wappen der sechzehn größten Adelsfamilien verborgen hinter einer Schicht aus Ästen, Blättern und langsam wachsenden Pilzen, die irgendwann unbemerkt zu sprießen begonnen hatte und allmählich immer aufdringlicher wurden. Doch selbst wenn all die mit so viel Genauigkeit, Herzblut und Schweiß gefertigten und in den Brunnen gemeißelten Bilder tagtäglich heller erstrahlt hätten als die Sonne selbst, so wären sie dennoch nicht an die Schönheit des goldenen Palastes herangereicht.
Natürlich bestand das große Gebäude, das aus der Ferne vor allen Dingen durch das große, kuppelförmige Dach auffiel, nicht wirklich komplett aus Gold. Doch seine Fassade, in der sich ein jeder selbst erblicken konnte wie in einem Spiegel, war gänzlich von dem kostbaren Edelmetall in seiner reinsten Form überzogen. Das Mauerwerk selbst bestand hingegen aus dem robustesten Stein, den Grezena je hervorgebracht hatte und war in mühsamer, nicht selten tödlich anstrengender Arbeit aus den Steinminen in Jenago geschlagen worden. Wie viel Zeit es in Anspruch genommen hatte, ein derart prachtvolles Gebäude zu errichten vermochte inzwischen niemand mehr zu sagen. Der Palast selbst schien vollkommen unbeeindruckt von all den Jahren, die bereits an ihm vorüber gezogen waren. Noch immer erstrahlte er selbst im fahlen Schein des Mondes hell wie am Tage seiner Geburt. Es gab nur eine Sache, die sein hohes Alter offenbarte. Denn immer, wenn ein Teil der großen Adelsfamilien und somit ein Regent dieser Welt verstarb, wurde sein Antlitz in der goldenen Fassade verewigt. Wie genau dies gelang, konnte nur die extra für diesen Zweck ausgebildete Person, die die Leute schlicht “Zeichner“ zu nennen pflegten, sagen. Die Gemälde waren unvergleichlich, sanft wie eine Bleistiftskizze auf Papier und zugleich doch klar erkennbar trotz des ewig glänzenden Metalls, auf dem sie gebannt waren. Sie zeigten all die Gesichter großer Männer und Frauen vor dem Wappen der jeweiligen Familie, die sie vertreten hatten.
Eines Tages würde sich auch Menivia dort wiederfinden. Doch dieser Moment war noch fern. Momentan befand sie sich nicht an, sondern in der größten Halle des goldenen Palastes. Sie war Trubel keineswegs abgeneigt, aber nach stundenlangen Diskussionen über all das, was von irgendeiner Bedeutung für das Reich sein könnte, dem Aushandeln und Erneuern der üblichen, verstaubten Friedensabkommen und dem anschließenden, geradezu traditionellen Smalltalk über Dies und Das sehnte sie sich nach einem heißen Bad, einem Glas Wein und vor allen Dingen nach Ruhe und Entspannung. Sie ließ den Kopf in den Nacken fallen, dankbar dafür, dass ihre Tischnachbarin sich jemand anderem zugewandt hatte und gönnte sich einen kurzen Moment der geistigen Abwesenheit.
Ihr Blick blieb an der hohen Kuppel der weißen Halle hängen. Das Gemälde einer riesigen Sonne bedeckte sie nahezu komplett, die goldenen Strahlen des Kunstwerks zogen sich die schneeweißen Wände und Säulen entlang wie Lianen, die sich gen Boden rankten oder aber nach dem Himmel strebten, je nachdem aus welchem Blickwinkel man es betrachten mochte. Sie verloren sich in dem goldenen, glänzenden Fußboden, dessen glatte Oberfläche die verschwommenen Spiegelbilder all jener offenbarte, die über ihn hinweg schritten. Ein schmales, künstlich angelegtes Fließgewässer unterbrach die goldene Pracht und beschrieb einen großzügigen Kreis um den im Zentrum der Halle aufgestellten, runden Tisch aus reinstem Platin, der silbern in jenem Licht glänzte, dass durch die meterhohen Bleiglasfenster – jedes von ihnen ein Kunstwerk atemberaubender Schönheit - fiel. Er bot den sechzehn Männern und Frauen, die an ihm saßen, mehr als genug Platz und war nebenbei wunderbar dafür geeignet, nicht nur das kostbare Besteck und mit Diamanten besetzte Kelche und Teller, sondern auch zahlreiche Dokumente und Schreibutensilien abzustellen. Schriftrollen und Federn lagen noch immer verteilt über die große Tischplatte, doch schon bald würden sie wieder in die Taschen ihrer Besitzer zurück finden. Die Konferenz näherte sich ihrem Ende und Menivia sah ihm mit Vorfreude entgegen. Auch wenn Lavendel und Rosen, die in balkonähnlichen Gebilden an der Wand blühten wie in riesigen Blumentöpfen, für einen angenehmen Duft sorgten ertrug sie diese Farce kaum länger. Sie griff nach dem glänzenden Kelch vor ihr und ließ den frisch eingeschenkten Rotwein ihre Kehle hinab fließen. Sanft stellte sie das Gefäß wieder an seinen Platz und strich dabei mit den Fingerspitzen über das kühle Platin, ihre Langweile und Anspannung weiterhin hinter einer undurchdringlichen Maske verborgen. Nur noch wenige Minuten länger musste sie ausharren, dann wurde eine erstaunlich schlichte Pergamentrolle von einem Anwesenden zum nächsten gereicht, bis jeder mit dem Siegel seiner Familie weitere drei Jahre unsicheren Friedens gewährleistet hatte. Zumindest in der Theorie.
Menivia erhob sich kontrolliert langsam und schob ihren Stuhl, dessen Ausmaße fast schon einem Thron gleich kamen, beiseite. Das Wappen ihrer Familie prangte in kräftigen Farben an dem Rücken des Sitzplatzes. Ein respekteinflößender, blauer Drache dominierte das Bild. Mit seinem schuppenbesetzten Schweif drückte er eine Raubkatze zu Boden. Das Wappen wurde von rötlichen Verzierungen begrenzt, die an ein seltsam verzerrtes Feuer erinnerten und das beeindruckende Reptil kreisförmig umgaben.
Auch die anderen fünfzehn Stühle zeugten von den Familien, denen sie stets eine Sitzmöglichkeit gewährten. Dreieckige, viereckige und ovale Wappen mit Hunden, Lanzen, Pferden und vielerlei anderen Motiven in unterschiedlichsten Farben, doch alle kräftig und auffällig. Keines von ihnen machte einen Hehl aus der Macht der Familien, für die sie standen.
Menivia kannte jedes von ihnen bis ins kleinste Detail und machte sich nicht die Mühe, sie noch einmal anzusehen. Stattdessen verließ sie die Halle durch eine lächerlich große, reinweiße Tür. Jede der zwei Türflügel zeigte einen Mann der, wenn sich die Tür wieder schloss, mit dem Anderen die Klingen kreuzte. Der dahinter liegende Flur war mit einem breiten, bordeauxfarbenen Teppich ausgelegt, der das Geräusch von Menivias Schritten gierig verschluckte, sodass sie sich scheinbar lautlos durch den langen Gang bewegte. Meterhohe Flaggen, von denen ihr einmal mehr die Familienwappen entgegen prangten und die schimmerten wie feinste Seide, waren an den Wänden befestigt. Menivia nahm sie schon gar nicht mehr wahr. Die gesamte prunkvolle Kulisse war ihr zu bekannt, um ihr überhaupt noch Beachtung zu schenken. Auch die Vorhalle, die sie nach dem Flur erwartete, konnte sie trotz all ihrer Pracht nicht mehr beeindrucken. Tatsächlich war das Gegenteil der Fall. Mit ihren schneeweißen Wänden und dem silbern glänzendem Boden, der nur hie und da ein Fleckchen Farbe in Form eines kleinen, goldenen Mosaiks aufwies, erschien sie ihr viel zu karg. Geradezu fantasielos. Die beiden Treppen, die je in einen Flügel des Gebäudes führten, sahen nicht anders aus. Weiße Stufen, goldene Geländer. Zumindest waren letztere am Treppenabsatz außergewöhnlich geformt. Dort rollten sie sich zusammen wie eine Schlange, die aufmerksam und doch voller Gelassenheit ihre Umgebung beobachtet.
Menivia beachtete sie trotzdem kaum. Sie verließ sie den goldenen Palast so selbstverständlich, wie sie ihn betreten hatte. Als eine der mächtigsten und definitiv nicht dümmsten Frauen der Welt war ihr bewusst, dass die beiden Sklaven, die sie dieses Jahr als ihre Begleiter auserkoren hatte, gänzlich anders fühlten. Daher sah sie gönnerisch darüber hinweg, dass sie in einer schwierig erklärbaren Form von Furcht möglichst schnell nach draußen strebten und dabei beinahe vergaßen, ihr selbst den Vortritt zu lassen.
Denn letztendlich blendeten weder Schönheit, noch der strahlenden Schein des goldenen Palastes den Großteil der Bevölkerung. Es war die Grausamkeit derer, für die er stand, die ihre Augen tränen ließ.
Leise rauschte ein Fluss durch den Wald.
Im klaren Wasser spiegelte sich der erdige Grund und mancherorts kamen blank gewaschene Steine zum Vorschein, die im Wasser glänzten.
Am Rande des Flusses hingen lange Gräser ins flache Wasser hinein. Rundherum lag altes Laub. Der ganze Waldboden lag unter einer dünnen Schicht aus Blättern und kleinen Steinen verborgen. Entlang des Baches hatten große Büsche Wurzeln geschlagen, welche im Sommer ihr grünes Laub zeigten und im Winter oft von einer weißen Schneeschicht verdeckt waren. Überall ragten hunderte Bäume zum Himmel empor. Viele waren alt und besaßen eine knorrige Rinde mit vielen Spalten, in denen sich verschiedene Käfer eingenistet hatten.
Es schien, als gäbe es nichts, was diesen Ort hätte verändern können.
Doch riesige Echsen schritten durch den Wald. Dinosaurier mit langen Hälsen rissen ganze Äste von den majestätischen Bäumen ab und hinterließen große Fußstapfen in der weichen Erde. Manchmal war der Fluss rot, von Blut getränkt, wenn sich fleischfressende Dinos über die Pflanzenfresser hermachten.
In den Baumkronen lagen große Nester von Flugsauriern, welche über dem Wald ihre Kreise zogen und nach Beute Ausschau hielten.
Irgendwann verwüstete ein Komet das Land. Die Bäume verbrannten und der Himmel wurde grau. Als der Staub sich legte, war längst keine Spur mehr vom Fluss zu erkennen. Der Boden schien nur noch aus Asche und Staub zu bestehen.
Doch darunter schlief das Leben. Kleine Samen und Insekten, die nur darauf warteten, erneut das Leben in die Welt hinaus zu tragen.
Erneut wuchs ein großer Wald heran. Die Bäume waren zwar kleiner, aber trotzdem schmückte ihre Kronen im Sommer ein großes grünes Blätterdach.
Auch war der Boden wieder von Laub bedeckt und wieder wuchsen überall kleine Büsche, in denen kleine Tiere umherhuschten um Futter für den Winter zu finden.
Vom Fluss fehlte weiterhin jede Spur. In der Erde lagen die Steine, welche das Wasser damals geformt hatte und erinnerten an die längst vergangene Zeit.
Doch trotz all dieser Erinnerungen nagte der Zahn der Zeit weiter an diesem Ort.
Jeden Tag fahren Autos über den dicken Asphalt und lassen giftige Gase zum Himmel aufsteigen. Ihre Reifen haben nach und nach für Risse am Boden gesorgt.
Am Rande der asphaltierten Straße, auf einem mit rechteckigen Steinen gepflasterten Weg laufen hunderte Menschen umher um zur Arbeit oder nach Hause zu kommen. Die meisten sind müde oder gestresst. Viele führen am Handy laut Gespräche, unbeeindruckt davon, was um sie herum passiert. Neben ihnen liegen Häuser mit großen Fenstern, hinter denen Händler ihre Ware zum Verkauf anbieten. Manche Gebäude scheinen bis in denen Himmel zu ragen und sind voll mit Menschen, die alltäglichen Dingen nachgehen.
Bei Tag und bei Nacht scheint die Straße in helles Licht getaucht zu sein. Autos rauschen den Weg entlang und verwandeln die Straße in einen Fluss aus Farben.
Ihre nackten Füße gruben sich in hellen Sand. Er war fein, wenn auch nicht wirklich pudrig, konnte sie doch die winzigen Steinchen darin fühlen, die bei jedem Schritt in ihre empfindliche Haut bissen. Ein diffuses Zwielicht lag über diesem Ort, das alle Schatten schluckte und sämtliche Konturen seltsam weich wirken ließ.
Die sandige Küste zog sich nahezu endlos in die Ferne, bis zum Horizont und bestimmt noch weiter. Rechts von ihr brandeten Wellen in monotonem Rhythmus die Sanddünen hinauf, ohne ihre Füße je zu erreichen. Das Wasser fraß sich in den hellen Sand hinein und zog sich mit leisem Zischen wieder zurück. Manchmal blieb ein wenig weißer Schaum auf dem von Feuchtigkeit verdunkelten Sand übrig, der sich danach langsam zersetzte.
Außer ihr war keine Menschenseele unterwegs. Nicht einmal Möwen waren zu sehen, es schien überhaupt kein anderes Lebewesen außer ihr selbst hier zu sein. Der Strand lag vollkommen verlassen da. Das leicht knirschende Geräusch ihrer Schritte auf dem Sand und ihr rascher Atem waren die einzigen Laute vor der halb rauschenden, halb gluckernden Geräuschkulisse des unverändert heranbrandenden Wassers.
Sie blieb stehen und heftete den Blick auf die grenzenlose Weite des Meeres vor ihr, während die frische Brise ihr die langen Haare zauste, am Stoff ihres Rocks zerrte und ihr eisige Gischtwolken aus unzähligen, winzigen Meerwassertröpfchen ins Gesicht wehte. Die Luft roch schwer nach Salz, Wasser und Algen und brannte in ihren Augen.
Die See war aufgewühlt, ihre Farbe nahezu grau. Sturmgrau. Wind kräuselte die Wasseroberfläche an unzähligen Stellen und hinterließ tausende winziger, gewellter Rillen, als hätte man sie mit einem riesigen, feinen Rechen bearbeitet. Stellenweise löste eine besonders kräftige Böe einige Tröpfchen aus dem Verbund und trieb sie eine kurze Strecke vor sich her. Aus der Ferne sah es aus, als würde feiner Sprühregen auf die betreffenden Stellen niedergehen. Fliegendes Wasser, dachte sie fasziniert. Gleichzeitig wogte die schiere Masse des Meeres unaufhaltsam vor und zurück, rollte Welle um Welle den Strand hinauf, krallte sich in den Sand und riss ihn mit in die Tiefe, nur um ihn kurze Zeit später wieder anzuspülen. Es war ein Schauspiel, geschrieben für die Ewigkeit, immerwährend und immer gleich, auch wenn der Rhythmus und die Höhe der Wellen sich mit der Zeit änderten.
Als sie den Kopf anhob, sah sie, dass der Himmel die gleiche Farbe angenommen hatte wie das Meer. Wie eine einzige, gigantische graue Wolke hing er vollkommen unbewegt über der gesamten Szenerie, spannte sich von Himmelsrand zu Himmelsrand so weit das Auge reichte, bis er irgendwo in der Ferne auf den Ozean traf. Wo genau konnte sie unmöglich sagen, zu stark vermischten sich die beiden kaum unterscheidbaren Grautöne. So sah es aus als würde das Meer direkt in den Himmel fließen, oder dieser sich ins Meer hinab stürzen. „Oben“ und „unten“ wurden vollkommen bedeutungslos. Von dem Gedanken wurde ihr schwindlig und sie musste den Blick abwenden.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Meeres, wo der Strand endete, begann der Wald. Als sie ein paar Schritte auf die Baumgrenze zutrat, hörte sie das Rauschen des Windes in den Wipfeln der Bäume, welches zuvor noch durch das Geräusch des Meeres übertönt worden war. Blätter und kleine Äste rieben aneinander und wippten auf und ab, wann immer eine Böe sie streifte. Ein schmaler Pfad aus festgetretener Erde führte zwischen den Bäumen hindurch und verlor sich für ihre Augen scheinbar irgendwo tiefer im Wald, in dessen Inneren es immer dunkler wurde. Sie wusste, dass er zu einem hölzernen Steg führte, der einen trocken über den morastigen Grund weiter hinten bringen würde, bis er irgendwann zu Stufen wurde und an den Klippen entlang nach oben lief.
Sie kannte diesen Ort sehr gut, auch wenn sie nicht gerne hier war. Das aufgewühlte Meer, der graue Himmel, diese menschenlose, weite Leere… Es war nicht immer genau so, aber jedes Mal ähnlich. Diese düstere Umgebung stellte ihr eigenes Unterbewusstsein dar. Sie träumte recht oft davon.
Ich verlasse meinen Wohnsitz, setze Fuß vor Fuß über den braunen, porösen Boden,
meine Schwestern vor und hinter mir folgen gleichen Schritts. Um uns herum zieht
eine Welt vorbei, so unendlich groß und weit, dass wir sie nicht begreifen können.
Endlos hohe Gewächse, durch deren Wipfel die kalten Winde von jenseits des
Horizontes brausen, von fernen Landen erzählend und geschwängert von den Düften
einer Unzahl an Blüten, wie sie dieser Tage voller Lust am Leben erblühen.
Unsere lange, dunkle Karawane streift, wie ein endloser Zug, neben rauschenden
Flussbetten und Meeren her, deren Untiefen niemand von uns zu ermessen oder gar
aufzusuchen vermag, angefüllt mit Untieren und Monstren, deren Größe und Vielfalt
genauso unfassbar scheinen, wie die der Welt. Doch hält uns hier nichts; wir wissen,
wo unser Ziel liegt. Bald erkennen wir den von weit her lockenden Duft unseres
Zieles, und wir eilen motiviert drauf zu.
Nun verändert sich die Landschaft. Wir spüren einen leichten Klimawechsel, hier,
wo unsere Weiden in unser Blickfeld treten. Bald nähert sich die Anhöhe, die
wir seit jeher erklimmen, um unser Vieh alltäglich zu besuchen. Um uns herum
schießen die grünfarbenen Pflanzen in den Himmel, unzählige, mit Blättern und
Früchten und Sprossen und Blüten und Stempeln in unendlich vielen Farbtönen,
alle individuell und charakteristisch auf ihre Art. Ihre Bewohner gurren,
zwitschern und rufen uns in ihrer Unzahl an Zungen Grüße aus jeder Sprache zu,
laut lärmend, leise surrend und ebenso einzigartig, wie die Blüten der Pflanzen
es sind, auf denen sie leben.
Hier teilt sich unser Weg, meine Schwestern trennen sich und der lange Zug von
Arbeiterinnen teilt sich in viele Dutzende. Nun geht es bergauf, vor uns beginnt
sich unser Pfad gen Himmel zu richten. Meine Kameradinnen gehen, ungeacht der
Schwerkraft, in strengem Winkel steil nach oben, sich den Weiden unseres Viehs
nähernd. Der Untergrund verändert sich, weg vom braunen, dem leichtesten Schritte
nachgiebigem Boden, hin zum grünen, verhärtetem Untergrund. Unsere geschickten
Füße gewähren uns sicheren Halt bei dem für andere Lebensformen mit Sicherheit
tödlichem Aufstieg, aber uns gewährt die Evolution die Fähigkeit, dem Fall zu
trotzen. Bald teilt sich auch unser Lauf in viele Kleinere, jeder Abzweig nähert
der ihm zugewiesenen Weide. Ich gehe zwei, drei, vier Schritte und vor mir
eröffnet sich das weite Grün.
Der Untergrund ist hart, doch bewachsen mit einer Unzahl an kleinen Strängen,
die unseren Füßen sicheren Halt geben. Ich spüre das Leben durch den Boden
pulsieren, es bebt nahezu vor Energie, die die Weidefelder unserer Tiere tränkt.
Unser Vieh tut sich seit einer Myriaden Leben an dieser erstklassigen Nahrung
gütlich, und wir schützen es vor Feinden aller Art, wie sie in dieser Gegend
häufig umherziehen. Sie leben von der natürlichen Saat dieser Lande, dem
tiefgrünen Ertrag der Natur im Reich unserer Königin, und wir ernten, was sie
uns dafür geben, und wir verhüten ihren Fall von den Höhen dieses Grüns.
Die besten Weiden liegen in kaum messbaren Höhen, oft herrschen hier auch
einmalige klimatische Verhältnisse und der Boden ist uneben – meist spitzt er
sich zentral der Weide in Form eines tiefen Tals zu – doch unsere Ernte ist
diesen Aufwand an Schutz und Arbeit wert.
Ich nähere mich meinem Tier: Es steht nahe am Rand der Weide, kurz vor den
Untiefen der Klippe. Die dunkle Tiefe tut sich hinter ihm auf, es hat sich einen
guten Ort gewählt; gefährlich, aber gut. Unter ihm laufen drei tiefgrüne Flecken
zusammen und es frisst vom dunkelsten Teil des Grüns, um uns den besten Teil der
Ernte zu schenken. Ich melke es und trage es zurück zur Gruppe; ins Zentrum der
grünen Weidefläche, wo es nicht herunterfallen kann. Unten, dort, wo wir zuvor
entlang gingen, befindet sich das Wasser, welches unser geliebtes Vieh das
Leben kosten kann. Bei starkem Regen kann der Strom des Wassers sogar soweit
ansteigen, dass unser geliebtes Land überflutet wird, was unser aller Tod bedeutet.
Doch regnet es fast nie so stark; in dieser Generation unseres Lebens geschah dies
noch kein einziges Mal.
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