Jetzt, wo ich deine Formulierung mit Problem gelesen habe, würde ich meine Aussage von vorher revidieren. Und zwar habe ich generell kein Problem, wenn Kunst (und damit ist auch eine wirtschaftlich orientiertes Kunstprodukt wie ein Hollywood-Film gemeint), Themen nicht nach meinen politischen Vorstellungen behandelt. Nicht alles muss immer die ideologiekritische Brille bei mir anziehen oder gar meinen Vorstellungen entsprechen. Ich habe da nicht direkt ein Problem.
Wenn jedoch etwas so omnipräsent ist, wie das Thema Superhelden-Filme und darin gewisse Themen, Muster, Vorstellungen, Bilder... unkommentiert und undurchdacht beleuchtet werden, dann sorgt dies dafür, dass ich es für zu wenig durchdacht und daher auch belanglos finde. Dinge, die sich den eigenen Messages, Motiven... irgendwie bewusst sind und das auch nur irgendwie durchleuchten und selbst reflektieren sind daher dann direkt interessanter. Beim Thema Superhelden/Comic-Verfilmungen trifft das dann auf Produkte wie The Boys und Watchmen auch Joker zu. Im geringeren Maße auch auf Dinge wie Kick-Ass.
Aber nun zu dem Thema Selbstjustiz/Vigilante-Tum. Vielen Einzelstatements, die du geäußert hast, kann ich vollkommen zustimmen. Jedoch sehe die Konklusion dennoch komplett anders.
Ich halte nicht viel, aka gar nichts, von (blinder) Autoritätshörigkeit und einem Gesetz bloß zu folgen, nur weil es existiert.
Davon halte ich natürlich auch nichts. Gerade die Deutsche Geschichte zeigt uns ja nur zu deutlich, dass es viele Gesetze gibt, die man nicht nur nicht befolgen sollte, nur weil sie Gesetz sind, man sollte sogar dagegen kämpfen. Oder wie es laut Brecht heißt "Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht".
Aber auch im weniger drastischen Bereich sehe ich das genauso. Es gibt im Alltag wahrscheinlich täglich Gesetze, wie man bricht, ohne sie zu kennen und die man, aber wenn man sie kennt, dennoch brechen würde, weil sie einem nicht passen. Und gerade in Bereichen von Betäubungsmittelgesetzen, Urheberrecht/Fair Use... und sonstigen solchen Fällen gibt es viele meiner Meinung nach sinnlose Gesetze, die ich schon gebrochen habe und die ich auch weiter brechen würde, weil ich sie als nicht legitim ablehne.
Das Befolgen von Gesetzen und das Respektieren des Rechtssystems, ist nicht dasselbe wie moralisches Handeln.
Auch dem würde ich vollkommen zustimmen.
dass alle davon in den USA spielen lol.
Auch dem stimme ich zu, dass ich die USA in vielen Aspekten da auch noch einmal besonders schlimm finde. Wobei ich da schon anmerken würde, die schlechte Lage eher ein Grund dafür ist, warum das so schlimm ist.
Das Rechtssystem selbst ist willkürlicher als es jeder Superheld je sein könnte
Und dieser Vergleich ist es, dem ich so entschieden widerspreche, dass ich ihn nicht mal als bewusste Überspitzung stehen lassen könnte. Weil ich es diametral anders sehe.
Auch hier möchte ein passendes Zitat bringen: "Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit."
Und natürlich weiß ich selbst über die endlos lange Liste von Fällen, wo der Staat und somit das Rechtssystem und die Gesetze nicht nur nicht geschützt haben, soe haben es sogar schlimmer gemacht und die Verschlimmerung institutionalisiert. Sei es der Rassismus in den USA, der anfing bei Sklaverei, der nach deren Abschaffung die Rassentrennung verankert hat bis hinzu immer noch bestehenden rassistischen Dingen wie Festsetzungen von Wahlkreisen zur strukturellen Benachteilgung von POC etc. an der Wahlurne. Natürlich die komplette Gesetzgebung während des dritten Reichs. So ziemlich alle diskriminierenden und unterdrückenden Gesetzen von Homosexuellen, selbst in Deutschland noch teilweise bis heute und weltweit bis hin zu Todesstrafen. Generell viele Unrechtsregime. Die Liste ist endlos lang.
Aber trotzdem ist die Einführung eines Rechtssystems der größte humanitäre Fortschritt der Menschheit jemals. Selbst inhumane Akte wie Krieg wurden durch Kriegsrechte und Regelungen unendlich viel humaner als vorher.
Vor allem aber sind so gut wie alle humanitären Verbesserungen dadurch erkämpft worden, dass Aktivisten diese rechtlich verankern konnten. Das ist eben nicht nur die Abschaffung von vorher schlechten Gesetzen. Viel öfters wurden positive Freiheitsrechte erst dadurch realisiert, dass sie in Rechtssystem verankert werden.
Und darüber hinaus ist es rein logisch, selbst in einem Unrechtsregime wie dem Iran oder Nazi-Deutschland immer noch besser, die schlechten Regelungen als Gesetz zu kennen, als dass diese einfach so angewendet werden. Denn auch Flucht, Untertauchen, Widerstand... geht nur, wenn ich weiß, was der Feind ist. Man sieht es ja gerade im Iran mit der Frau, die da getötet wurde. Klar das Gesetz schlimm und zu missachten. Aber dass es in Zukunft mal so sein wird, dass es einen Iran geben kann, wo Frauen keine Kopfbedeckung haben und dafür nicht getötet werden, das wird es auch nur geben können, wenn man ein besseres Rechtssystem etabliert, welches das zulässt. Wenn man gar kein Rechtssystem hat und jeder nach seinen eigenen Vorstellungen agiert und richtet, dann gibt es zwar kein Gesetz, was Menschen bei gewissen Verstößen tötet. Es verbietet aber auch keinem Individuum dich einfach so zu töten, wenn es die Privatmeinung der Person ist, dass du zu töten bist, wenn du die Kopfbedeckung falsch trägst. Und wenn es das nicht gibt, bist du der Willkür der anderen ausgeliefert, dass diese dich nicht auch ohne das Gesetz töten wollen. Und wenn solch ein Unrecht wie im Iran immer noch im Gesetz ist, dann ist das nur noch im Gesetz, weil genügend Leute auch ohne das Gesetz die gleiche Mentalität haben.
Es kann keine Gesellschaft geben, in der alle Menschen in ihren eigenen Vorstellungen gegebn, die Unterdrückung wären, es aber nur aufgrund des Gesetzes tun. Dann würden sie das Gesetz abschaffen. In einer Gesellschaft, wo es das Gesetz gibt und die Menschen dich auch alle oder teilweise ohne Gesetz töten würden, ist das Gesetz schlimm und abzulehnen. Aber ohne das Gesetz würde es dir genauso gehen. In einer Gesellschaft, wo es aber teilweise Menschen gibt, die dich auch so töten würden und teilweise welche, die es nicht tun, ist das Gesetz, was dir die Freiheit gibt, ohne Kopftuch herumzulaufen, der Schutzanker vor den Leuten, die es nicht so sehen.
Und da kommen wir auch zu den USA. Die USA sind ein staatsfeindliches Land. Gerade deren Sozialsystem ist desaströs. Stattdessen wird auf Charity gesetzt. Das heißt, man hat kein Recht auf ein Existenzminimum, was soziale Teilhabe garantiert oder auch nur eine Grundversorgung mit Wohnraum, Essen und Medizin bereitstellt. Stattdessen muss man auf Charity von Reichen hoffen. Man ist der Willkür der Reichen ausgeliefert, ob sie einem Charity gewähren oder nicht. Schützend vor dieser Willkür ist der verrechtliche Sozialstaat. Genau das Gleiche sind eben auch Superhelden. Natürlich kann ein Superheld ethisch handeln in dem er Gesetze bricht, wie auch ein Individuum Gesetze brechen kann und dadurch in Extremfällen ethischer handelt und in anderen Fällen zumindest keinen wirklichen Schaden verursacht, der das Gesetz überaus legitimiert.
Würden wir alle die gleichen Vorstellungen von Leben haben, dann bräuchte man gar kein System. Da es aber Vorstellungen, Ziele, Werte ... gibt, die sich widersprechen und nicht kompatibel sind, muss das ausgehandelt werden. Das heißt gemeinsame Spielregeln, auf die man sich einigt. Lässt man die Widersprüche zu ohne zu Regeln gibt es gegenseitiges Kopf-Einschlagen.
Natürlich gibt es innerhalb der Aushandlung der Regeln unendliche viele Kollateralschäden. Die Missachtung davon sind Maßnahmen, damit umzugehen.
Superhelden sind aber kein moralisches Bekämpfen des Unrechts. Genauso wie Charity von Reichen in den USA kein Bekämpfen des schlechten Sozialstaats sind. Im Gegenteil, diese Sachen in der willkürlichen Hand Übermächtiger zu geben und das nicht zu kritisieren verfestigt dies.
Daher will ich in der Realität nicht, dass einzelne Milliardäre und Großkonzerne über den Gesetzen stehen. Es gibt Antifa, die einen Raum mit linken Veranstaltungen für rechter Gewalt schützt, weil der Staat es nicht macht. Da agiert man anstelle des Rechtssystems, weil man die Lücke das Rechtssystem schlecht findet und es füllen will.
Superhelden wie Charity wollen die Lücke und sie dann selbst füllen, um selbst entscheiden zu dürfen, was man füllt oder nicht.
Natürlich würde es Fälle von Selbstjustiz sehen, die ich moralischer finde als die staatliche Justiz. Aber an den Stellen muss das Rechtssystem angepasst werden, dass es die Missstände nicht aufweist. Es ist nicht die Aufgabe, die Lückenfüller zu begrüßen. Daher ist die Selbstjustiz von Superhelden besser als ein Rechtssystem zu finden, für mich genauso als würde man sagen ich will keinen Sozialstaat, wo es die Tafeln gar nicht erst geben muss, weil die Tafeln selbst viel besser sind.
Alleine die Bekämpfung des Klimawandels zeigt, dass man es weder in die Hand der einzelnen Verbraucher legen kann, dass sie ihr Konsumverhalten freiwillig ändern noch in die Steuerung der Wirtschaft durch Superreiche Milliardäre. Es brauch die Gesetze, die jetzt aber auch leider versagen.