@Alaiya: Demfall wie China einen Industriekolonialismus betreiben unter dem Deckmantel der Strukturförderung? Das Hauptproblem in Afrika ist straight up die Korruption, ein Problem, das weder die Kolonialisation bzw. Dekolonialisation ursächlich bewirkt hat (sicher dazu beigetragen, aber letztlich ist der Mensch als Individuum korrupt und wir in Westeuropa haben das grosse Glück, dass wir ein System haben, das dies einzugrenzen vermag - das Übertragen dieses Systems wurde schon oft versucht und ist eigentlich immer spektakulär gescheitert, mit noch schlimmeren Folgen als es zuvor war). So sehe ich eine gute, punktuelle und von den Staaten unabhängige Entwicklungshilfe insbesondere in Bezug auf Bildung als zentrales Mittel, jedoch Reparationszahlungen stehe ich sehr skeptisch gegenüber, da die an den Staat gehen, der es offensichtlich nicht auf die Reihe bringt, etwas selber zu gestalten. Ich befürchte einfach, dass die Reparationszahlungen direkt in die Tasche derjenigen gehen, die die Inkarnation des Problems sind, welches durch die Zahlungen wiedergutgemacht werden soll.
Letztendlich muss man anerkennen, dass wahrer Wandel nur von innen kommen kann; das war in der Schweiz so, das war in Frankreich so, in England, in Deutschland, in den USA usw. Egal wie viel Geld wir nach Afrika schicken, die strukturellen Probleme können damit nicht kurzfristig gelöst werden. Es kann höchstens ein langwieriger Prozess der intellektuellen Selbstermächtigung ermöglicht werden, die letztendlich einen gesellschaftlichen Wandel hin zum besseren forciert und Entwicklung aus der Bevölkerung selbst heraus möglich macht (sei das in Form einer Demokratie oder Autokratie lasse ich aus globaler Perspektive mal ausser Acht, China ist ganz offensichtlich ein Modell, das man ernst nehmen muss und auch die CCP ist letztlich vom Goodwill der Bevölkerung abhängig, wenngleich natürlich in einem ganz anderen Ausmass als in einer Demokratie).
Der Krux der heutigen Welt ist, dass die liberale Demokratie ein historisches Modell ist und je länger je mehr an Boden verliert. Menschenrechte verlieren global gesehen an Bedeutung im Gleichschritt mit dem insbesondere Europa an Bedeutung verliert. Das einzige, was Europa global noch zu bieten hat, ist wirtschaftliche Leistung und hohe Lebensqualität, aber es fehlt klar an einer Zukunftsvision (Amerika leidet da ebenfalls, hat aber das Militär, um im absoluten Notfall Tatsachen auf Kosten der anderen zu schaffen). So sehr ich mir wünschte, dass die Menschen überall leben könnten wie hier, muss man dies wohl als Utopie abtun und sich ernsthaft die Frage stellen, ob eine mögliche Autokratie, die eine wirtschaftliche Verbesserung für 90% der Bevölkerung auf Kosten von 10%, nicht förderungswürdig ist gegenüber dem Jetzt-Zustand in vielen Ländern. Und wenn's Europa nicht macht, dann macht's China. Da heisst es erst recht Menschenrechte und Mitwirkungsrechte der Bevölkerung ade.
Edit: Die klassische Debatte von Kant vs. Utilitarismus btw, und ich bin da (aus privilegierter Perspektive natürlich einfach zu sagen) eher auf der utilitaristischen Seite.